Liebe macht blind von peri (Die & Kaoru) ================================================================================ Kapitel 3: Wahnsinn für Anfänger. --------------------------------- Kommentar: Vor Kurzem sah ich eine Sketch-Show auf Comedy Central, in der ein Mann zum Arzt ging und um Hilfe bat. Egal, was er sagte, er wiederholte ständig seine Worte, nur eben in anderen Worten. (Als Beispiel: 'Dieser Raum ist so hell, sonnendurchflutet, blendend, strahlend.') Der Arzt stellte also fest: "Ja, Sie haben die äußerst gefährliche Thesaurus-Krankheit!" Und jetzt, liebe Kinder, wissen wir auch endlich woran die gute Peri leidet XDDDD So, was gibt's Wichtiges zu sagen? Eigentlich sollten Kapitel 3, 4 und 5 ursprünglich mal ein einziges werden. Irgendwie ist das jedoch mächtig in die Hose gegangen wie man sieht XD Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum es mit dem Update so lange gedauert hat. Ein weiterer ist, dass ich eine Zeit lang kein Internet hatte. Kapitel 3 bildet vielleicht auch eines der Schlüsselkapitel. Vor wenigen Sekunden bin ich aufgewacht. Mein Kopf fühlt sich immer noch schwer an und mein Nacken tut weh. Als ich die Augen öffne, blicke ich in einen dunklen Bus. Nur wenige Lichter brennen um mich herum. Kleine Lampen, versteckt im Mobiliar, spenden schwaches Licht. Dieser wundervolle Geruch, den ich roch, bevor ich ins Land der Träume hinab sank, liegt mir wieder sanft in der Nase. In meine Stirn ist dunkles Haar gefallen, das nicht meines ist. Gegen meinen Kopf lehnt ein anderer, liegt ruhend da. Zwischen das leise Brummen des Busses mischt sich flacher, regelmäßiger Atem. Kaoru... Nicht einen Zentimeter wage ich mich zu bewegen. Doch das Herz schlägt mir bis zum Hals, so sehr, dass ich glaube mein Brustkorb müsste doch zerspringen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Eine Hitze durchströmt mich von Kopf bis zu den Zehen. Meine Sicht ist ziemlich beschränkt und die Welt hängt schief. Die Plätze gegenüber sind leer, um uns kann ich niemanden sehen, aus dem hinteren Teil des Tourbusses dringt nur leises Schnarchen. Mein Herz beginnt noch schneller zu pochen. Gegen ihn gelehnt sitze ich hier und niemand ist da. Alleine. Ich rieche Kaorus Nähe, seine Wärme, wie sie in mich überfließt. Die Luft ist voll von ihm. Würde ich meinen Kopf nur ein bisschen drehen, würden meine Lippen sicherlich seinen Hals berühren. Ich traue mich nicht. Zittrig bewegt sich meine Hand wie von allein. Ich weiß nicht, was sie da macht. Ich hab die Beherrschung über meinen eigenen Körper verloren. Langsam, vorsichtig legt sie sich auf seinen Oberschenkel neben meinem. Ich kann die warme Haut durch den Stoff seiner Jeans fühlen. Mein Kopf glüht, mein Gehirn dreht sich im Kreis und was ist bloß mit dem Klumpen in meiner Brust los? Ich kann nicht mehr klar denken. Kaorus Nähe lähmt meine Zurückhaltung. Die Fingerspitzen beginnen sich selbstständig zu machen, krabbeln ein wenig höher, streicheln sacht und behutsam über sein Bein. Und dann... Ein Seufzen, kaum hörbar. Ein leises Brummen, unabstreitbar Kaorus Kehle entsprungen. Ich weiß nicht mehr wohin mit mir selbst. Das Bedürfnis ihn berühren zu wollen, ist so stark, meine Seele schreit förmlich danach. Hart beiße ich auf meine Unterlippe, die sich bereits die reinsten Märchen ausmalt welche Gegenden sie endlich besuchen könnte, würde ich dem schlummernden Ungeheuer in mir nachgeben. Auf meiner Zunge schmecke ich Blut; ich merke den Schmerz nicht mal. Oh Gott, ich kann das nicht. Er schläft, ist mir praktisch ausgeliefert, ich müsste nur... und dann... Hastig, aber vorsichtig, so dass ich ihn nicht aufwecke, ziehe ich meinen Kopf weg, befreie ich mich aus dieser Position in einem fast panischen Anfall. Mein Atem geht so schnell wie nach einem Tausend-Meter Sprint. Ich rassele wie Hui Buh. ...ganz schlechter Zeitpunkt für Kalauer, Die. Den Rücken gegen das Fenster gedrückt, versuche ich mich so klein wie möglich zu machen. Am liebsten möchte ich über ihn hinweg hüpfen. Geht aber nicht. Warum muss ich auch immer so auf meinen Fensterplatz bestehen?! Irgendwann musste mir das zum Verhängnis werden. Ganz offensichtlich wollen mir meine Finger nicht mehr gehorchen, denn sie zittern schon wieder gefährlich, weil ich mich so zurückhalten muss. Der Verlust seiner Wärme schmerzt. Nackt und leer fühlt sich mein Dasein an. Ich kann meine Augen nicht mehr von ihm abwenden... Von seinem leicht geöffneten Mund und den blassrosafarbenen Lippen, die im Schlaf noch verführerischer erscheinen. Wenn er schläft, sieht er so friedlich aus, ganz sanft, wenn sein Oberkörper sich stetig hebt und senkt. Und es fällt einem wirklich schwer sich nicht sofort an ihn kuscheln zu wollen. Was würde ich dafür geben mich wieder an ihn zu schmiegen... Im schwachen Licht glänzt sein dunkles Haar leicht. Nichts täte ich lieber, als meine Finger darin zu vergraben. Nichts täte ich lieber, als ihn zu berühren, näher zu rücken. Doch er würde mir die Hände abhaken, würde er es merken. Oder anschließend in Sagrotan baden. Die Frage bleibt, wie ich bei ihm einschlafen konnte. Und aus welchem Grund er es mir erlaubt hat. Haben wir irgendwas verändert? Irgendwas getan? Es sieht noch alles aus wie gestern und fühlt sich dennoch ganz anders an. Ich habe nicht bemerkt wie sich meine Hand an seine warme Wange gelegt hat. Doch plötzlich ist sie dort und die Fingerrücken streichen liebevoll über seine Haut. Er sollte sich nicht so gut anfühlen. Und um seine Lippen kräuselt sich ein verträumtes, schlafdurchsogenes Lächeln. Vielleicht bilde ich es mir nur ein... Bevor ich noch meine falschen Gedanken in die Tat umsetze, wende ich mich lieber ab und kehre ihm den Rücken zu. Kalt fühlt sich das Fenster an, als ich meine Stirn dagegen presse. Oder mein Kopf hat schlichtweg zu sehr geglüht. Schwer seufzend starre ich mein eigenes Spiegelbild an und müde Augen starren zurück. Zu wissen, dass Kaoru nur eine Handlänge von mir entfernt ist, versetzt mir Stiche. Diese Gedanken lassen mich nicht los. Besessenheit ist ein schleimiges Schwert. Es ist ein guter Diener, aber auch ein schlechter Herr. Ich fühle mich zerrissen. Zwischen Wunsch und Realität. Nichts ist ohne Risiko, doch heute bleibe ich feige. Draußen ziehen bunte Lichter von Autos an mir vorbei. Die dunkle Straße wirkt wie tiefes Wasser. Grelle Leuchtreklame in einer fremden Sprache beißt in meinen Augen, als der Bus langsam von der Autobahn auf eine Tankstelle fährt und schließlich an einer Tanksäule zum Stehen kommt. Es ruckelt. Ich reibe meine Nasenspitze an der Fensterscheibe. Vielleicht sollte ich aussteigen. Vorsichtig klettere ich über den schlafenden Kaoru, stehe dann im Gang und folge unverzüglich dem Busfahrer nach draußen. Die frische Luft erschlägt mich fast. So ganz anders als bei Tag - angenehm kühl und überhaupt nicht dünn. Immer wieder atme ich tief ein und aus, und spaziere vorm Bus herum, während ich unseren Fahrer beim Auftanken beobachte. Nebenbei wühle ich in meiner Hose nach meiner Packung Glimmstängel, zünde mir eine Zigarette an und genieße es mir mal etwas die Beine vertreten zu können, die mir so schwach erscheinen. Kein Wunder eigentlich, doch es erstaunt mich trotzdem. Schon etwas zugig hier draußen, aber die Abkühlung tut gut, bringt mich wenigstens auf andere Gedanken. Neben mir erscheint Kuroo, mein Roadie, der gerade aus dem Bus gestiegen ist. Ich war wohl doch nicht der Einzige, der wach war... Naja. Unsere Blicke treffen sich, während er auf mich zu kommt, sich neben mich stellt. "Alles klar? Siehst betrübt aus." Bin ich auch, aber das kann ich nicht sagen. "Bin nur etwas... kaputt." Wow, es gibt wahrlich kein Wort, das meinen Zustand besser beschreibt. Mit mehr als nur einer Bedeutung. "Hah, bin ich auch, aber mich fragt ja keiner." "Ich bin ja auch schließlich der Rockstar und nicht du!", lach ich und stoß ihm neckend mit dem Ellenbogen in die Seite. Das Kinn vorschiebend straft er mich mit einem finsteren Blick. "Werd ja nicht überheblich. Ohne mich wär nicht mal deine Gitarre gestimmt, geschweigedenn dein Zeug auf der Bühne." "Jaaa, weiß ich doch." "Und warum fragste mich nicht mal, wie es mir geht?" "Okay, okay." Ich ziehe an meiner Zigarette. "Wie geht es dir?" "Das geht dich nichts an." Ich schüttle den Kopf und lache. In diesem Moment bin ich dankbar für diesen Aufmunterungsversuch. Kuroos trockener Humor sorgt einmal mehr dafür, dass ich wenigstens für einen Moment von meinem Trübsal abgelenkt werde. "So, und jetzt hör auf so betrübt dreinzublicken. Morgen ist immerhin das letzte Konzert vor der Pause." Damit verpasst er mir einen Klaps auf den Hinterkopf und drückt ihn nach vorn. "Danach kannst du dann ausspannen. Darauf solltest du dich eigentlich freuen." "Tu ich auch!" "Tust du nicht. Du denkst schon wieder an tausend andere Sachen, nur nicht an das Schöne." "Mein Gehirn ist zu tot, um überhaupt irgendetwas zu denken." "Jaaah, das sagte Kaoru vor ein paar Stunden auch schon." "Verdammter Mistkerl." Reicht dem wohl nicht mir Gemeinheiten von Angesicht zu Angesicht ins Gesicht zu schmeißen. Nein, der liebe Herr muss es auch noch hinten rum tun. ...okay, das hörte sich jetzt wirklich zweideutig an. Ich pfeffere meine Kippe auf den Asphalt und trete sie aus. Und für alle, die nun meckern wollen, dass der Die an Tankstellen raucht, obwohl man das nicht darf, weil sonst was explodieren könnte: Unsinn, weder Benzin noch Autos können explodieren. Schön, wenn man solchen Schwachsinn aus Filmen dann auch noch glaubt. Mann, bin ich ein Streber und Besserwisser. Als unser Busfahrer dann zurückkommt und außerdem ein Schwarm hungriger Mücken beginnt seine Kreise um mich zu ziehen, beschließe ich zusammen mit Kuroo in den Tourbus zu flüchten, bevor mich noch eins von den Biestern sticht. Vielleicht auch noch mitten ins Gesicht, was noch die Härte wäre, denn dann müsste ich mit Maske den letzten Live spielen. Baah, ich will nicht dran denken. Ich gehör doch nicht zu Slipknot... HIRN. LEBE. Bitte. ~*~*~ Als ich an meinen Platz zurückgekehrt bin, klettere ich nicht wieder über Kaoru, um mich hinzusetzen. Sicher, ist sicher und so belege ich vorsichtshalber einen von den freien Sitzen gegenüber. Ich rücke ganz ans Fenster und bin relativ froh darüber, dass jetzt ein Tisch zwischen uns ist. Kuroo habe ich vorne neben dem Busfahrer gelassen, von hier aus kann ich ihn auch sehen, beziehungsweise im Auge behalten. Wer weiß, was der vorhin alles gesehen hat. Der Bus bewegt sich, wir fahren weiter. Ist jetzt ganz schön ungewohnt vorwärts zu fahren, wo ich doch sonst auf meinem Platz immer rückwärts fahre. Und wenn ich jetzt noch mal fahren sage, dann sind das ganz schön viele fahren in einem Absatz. Während mein Hauptrechner erneut einen Absturz erleidet, bleibt mein Blick auf dem tief schlummernden Kaoru hängen und lässt sich nicht mehr abwenden. Sein ganzer Körper wirkt so entspannt, er sieht aus wie ein Kater... Ich komme nicht drumherum mich zu fragen, was er wohl träumt. Sicher nicht von mir. Es sei denn, er hätte einen Albtraum. Aber dafür sieht er viel zu friedlich aus. Auf dem Tisch vor mir beginnt Kaorus Handy zu tanzen. Es vibriert leise, bewegt sich kaum merklich hin und her auf der Tischplatte und blinkt dabei unablässig in vielen verschiedenen Farben auf. Auf dem Display erscheint eine Anzeige. Eine neue Nachricht. Wer schreibt ihm um diese Uhrzeit noch eine SMS? Das ist wohl die Frage aller Fragen. Sie zu lösen wäre einfach. Nein, an so einen Unsinn sollte ich nicht einmal denken. Es gehört sich nicht Nachrichten von anderen Leuten zu lesen. Nicht auszudenken, was für fürchterliche Konsequenzen es nach sich ziehen würde. Das hilft mir natürlich auch nicht im Geringsten weiter. Und das Handy blinkt mich nur hämisch an. Wäre ich bloß nicht so verdammt neugierig. Aber ich wüsste wirklich gern... NEIN. Schluss jetzt. Kommt gar nicht in die Tüte. Toller Freund wäre ich, würde ich in Kaorus Privatleben rumrühren. Sowas macht man einfach nicht - außer vielleicht in einer Notsituation. In der wir uns aber augenmerklich nicht befinden. Ich hab's langsam satt. Ich plag und schlag mich hier mit meinen nicht kontrollierbaren Gedankengängen rum und schlittere dabei ständig am Abgrund entlang, während Meister Brummbart hier die Penntüte spielt. Ach, ich hasse das alles. Und warum bin ich jetzt schon wieder so weinerig mies gelaunt und neben der Spur? Bevor ich meinem Kopf erneut selbstständiges Denken erlaube, lehne ich ihn lieber wieder gegen das Fenster, klebe meine Augen zu und versuche mich gedanklich selbst in den Schlaf zu singen. Es ist wohl besser so. ~*~*~ Bei unserer späten Ankunft am Hotel in einer anderen Stadt gießt es in Strömen. Fast wäre ich aus dem Bus gestolpert, so rutschig sind die Stufen, nachdem schon so einige Schuhe über sie getrampelt sind und es leider auch bis in den Bus hinein regnet. Fluchend wage ich mich vor die Tür, meine kleine Tasche über die Schulter geworfen. Eiskalter Regen klatscht mir erbarmungslos ins Gesicht. Irgendwie ist das nicht fair. Als hätte sich das gesamte Universum gegen mich verschworen. Dabei hab ich doch wirklich kein Unrecht begangen oder war ein böser Junge. Regenschirme scheint es keine zugeben. Zumindest nicht zu der Zeit, wenn man sie braucht, denn Nora kommt erst dann mit einem an, als ich meinen Koffer bereits aus dem Stauraum des Busses gehievt habe und der Regen mich von Kopf bis zu den Zehen durchweicht hat. In der Empfangshalle schüttele ich mich und fröstele. Neben mir steht Toshiya, wippt unruhig mit seinem Fuß. Shinya sitzt auf seinem Koffer, ist im Halbschlaf. An dem Empfangstresen gibt es anscheinend Probleme, denn unser Übersetzter-Team diskutiert heftig mit dem Hotelpersonal. Nur Brocken von ihrem Englisch kommen bei mir an. No more check-ins. Too late. Nicht auch noch das. Seufzend lege ich den Kopf schief, sehe rüber zu unserer Crew, den Roadies, die nun ihre eigenen Sachen ins Hotel schleppen. Kyo hängt auf einem Stuhl, schart mit der Schuhspitze über den Boden. Kaoru, der neben ihm sitzt, tippt irgendwelche Nachrichten in sein Handy, wirkt dabei seltsam angespannt. Ich bin müde, klitschnass und kann nicht mehr stehen. Und ich weiß, dass es jedem meiner Bandmitglieder genauso geht. Umso erleichterter bin ich, als nach Minuten, die mir endlos vorkamen, schließlich alles geklärt ist, wir Schlüssel für unsere Hotelzimmer in die Hände gedrückt kriegen, mit einem Gute Nacht verabschiedet und entlassen werden. Nora blubbert irgendetwas davon, dass wir durch unsere Verspätung, verursacht durch Staus auf der Autobahn, nicht rechtzeitig hier waren, um unsere Reservierungen anzunehmen. Nun haben wir wohl umgebucht und kriegen andere Zimmer als vorgesehen. Es kann aber auch durchaus sein, dass ich das alles falsch verstanden habe, denn ich befinde mich ebenfalls bereits im Halbschlaf und kriege nur am Rande mit, wie alle wie Ameisen in andere Richtungen zu strömen scheinen. Wie auch immer. Der begossene Pudel kehrt nun in seine heutige Hundehütte ein. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Ich niese. Grummelnd ziehe ich meine so widerlich kribbelnde Nase hoch, bevor ich sie an meinem Handrücken abwische. ...was denn? Ich bin ein Mann, ich darf das. Die Schnürsenkel meiner durchnässten Schuhe aufbindend streife ich sie mir von den Füßen. Auch mein plitschnasses T-shirt muss weichen. Wieder muss ich niesen. Wenn ich jetzt auch noch krank werde, verzweifle ich. Voller Unlust schleppe ich mich tropfend ins Bad, pfeffere den Rest meiner nassen Klamotten einfach irgendwo auf den Boden, hinterlasse dabei bestimmt zahlreiche Pfützen, und schlurfe unter die Dusche. Bringen wir das schnell hinter uns. Sonst schlafe ich gleich noch im Stehen ein. Nass bin ich eigentlich schon genug, aber was soll's? Ein Schnelldurchlauf und ich bin fertig und dann darf ich in mein wohlverdientes Bettchen und vielleicht träume ich heute Nacht endlich mal nicht von Kaoru, so wie ich es mir vorgenommen hatte. ~*~*~ Mit einem lauten Schnarcher wache ich auf. Mal wieder eine Minute, bevor mein Wecker geschrillt hätte. Meine innere Uhr funktioniert zu gut. Ich wälze mich im Bett herum und wühle die Decke weg. An das, was ich geträumt habe, kann ich mich nicht erinnern, dafür aber an andere Dinge, die ich lieber wieder vergessen würde. Gibt es denn keine Maschine mit der man einfach alle Erinnerungen auslöschen kann? Ob es vielleicht möglich ist mich zu blitzdingsen? Mmh, ich frage mich, ob ich mich, wenn ich an Amnesie leiden würde, wieder in Kaoru verlieben würde. Und ich frage mich, ob das wirklich Fragen sind, die man sich schon vor dem Frühstück stellen sollte. Apropos Frühstück: Mir hängt der Magen bis in die Kniekehlen. Ich brauche schleunigst Brennstoff für meine müden Zellen. Also pelle ich mich aus dem Bett, ziehe mich an, wandere ins Bad und mache mich für den Tag so einigermaßen zurecht, bevor ich dann mein Hotelzimmer verlasse. Vielleicht könnte ich Kaoru abholen und mit ihm zusammen in den Frühstücksraum gehen? Klingt nach einer guten Idee. Zwei Gänge weiter vor seiner Tür angekommen, hebe ich die Hand, um bei ihm anzuklopfen, da läuft just in diesem Moment wie aus dem Nichts eine junge Frau in mich hinein, rammt mich quasi oder möglicherweise ist es auch schon ein Überrennen. Ich wanke, überrascht von dem Aufprall. Sie stößt so einige wie Flüche klingende Wörter aus, die ich nicht verstehe, während sie beinahe wehleidig das Gesicht verzieht und zu Boden starrt, auf dem nun einige abgerissene bunte Blütenblätter liegen. Meine Augenbraue schraubt sich in die Höhe und mein Blick fällt prompt auf den Blumenstrauß, den sie in der Hand hält und der unseren Zusammenprall abgefedert haben muss. "Sorry", sage ich und will mich gerade bücken, um die Blätter aufzuheben, da sprudelt es plötzlich aus ihrem Mund wie aus einem Wasserfall, der mich nur noch blöd gaffen lässt, anstatt ein Lächeln aufzulegen, um sie zu beschwichtigen; und nur den Bruchteil einer Sekunde später drückt sie mir den Strauß gegen die Brust, in die Hände, wedelt mit der eigenen Hand, lächelt seltsam und wirbelt dann schneller als ich blinzeln kann schon wieder herum. Ich verstehe nur noch Bahnhof, will ihren Arm packen, um sie aufzuhalten, doch kriege ich nicht mal mehr den Stoff ihrer blauen Bluse zufassen. "Nein, Stopp. Mo-Moment mal! Hey!" Doch sie dreht sich nicht mal mehr um, flitzt einfach auf und davon und verschwindet im Aufzug. Verdattert und verdutzt starre ich auf die Blumenpracht in meinen Händen, dann wieder auf die verschlossenen Aufzugtüren und letztlich auf die Zimmertür neben mir. Verdammtes ausländisches Hotelpersonal. Und was sollte diese ganze Aktion jetzt? Ich hab keine Blumen bestellt. Kaoru etwa? Was zum Teufel. Eher tätowiert sich Kyo das Wort "niedlich" auf die Stirn. Na, wie geil. Nun steh ich hier wie doof mit dem Blumenstrauß in der Hand. Mann, seh ich vielleicht bescheuert aus. Ich brauche nur noch eine grüne Schürze, dann sehe ich aus wie ein schwuler Florist. Weder das eine noch das andere bin ich. In diesem Augenblick kommt Kaoru frisch gestriegelt und in eine Duftwolke aus Aftershave gehüllt aus seinem Hotelzimmer stolziert und glotzt mich an wie einen überfahrenden Waschkessel. Umso mehr, als er das erblickt, was ich in meinen Händen halte. Erst dann bildet sich auf seinem Gesicht dieses typische Grinsen. "Das ist wirklich ein wunderschöner Blumenstrauß, Die. Den würde ich von jedem, außer dir, mit Freuden entgegen nehmen." "Haha, der ist nicht für dich", erwidere ich trocken und rolle mit den Augen, da mir sein Spott so früh am Morgen tierisch gegen den Strich geht. Sein Finger, sowie die rechte Augenbraue heben sich. "Und warum stehst du dann mit dem Unkraut vor meinem Zimmer?" "Erstens kann ich stehen, wo immer ich will, und zweitens ist das ist kein Unkraut, sondern ein mit Liebe gebundener Strauß mit wunderschönen weißen Gerbera und roten Rosen, also hör auf so herablassend über meinen Blumenstrauß zu sprechen." Ich schlage seine Finger weg, die gerade auf dem Weg waren der einen Rose die Blätter auszureißen. "Oh wow... du hörst dich fast an wie ein schwuler Florist." "Ach, hau doch ab." "Hast gute Laune, ich seh schon." "Ich sagte, hau ab." Ein langes Gesicht ziehend drücke ich ihn etwas weg. Doch er grinst nur weiter. Allen Anschein nach ist er heute gut drauf. "Na gut. Aber wäre es nicht viel besser, wir würde stattdessen zusammen zum Frühstück gehen?" Anschein bestätigt. Und ich kann nicht nein sagen. Wie könnte ich? Wenn er schon mal Gedanken lesen kann und nett ist. Doch, was mache ich jetzt mit den Blumen? Ich schaue den Gang entlang und als ich niemanden weit und breit erspähen kann, lege ich den Strauß einfach kurzerhand auf einem dieser edel wirkenden Tische ab, die immer in Gängen von teuren Hotels stehen. Als ob sich jemals irgendwer auf einen dieser dazugehörigen Stühle setzen würde, um dort Zeitung zu lesen. "Ja, wäre es!" Ich kann mir mein verräterisches Lächeln nicht verkneifen, während ich neben ihm her zum Aufzug schlendere, mein hohles Geblubber leider auch nicht. "Zumal ich mich, glaube ich, auf dem Weg zu deinem Zimmer ohnehin verlaufen habe." "Dann bin ich jetzt also quasi dein Reiseführer?" "Ja, so quasi." Verdammt, er hat mich doch nur gefragt, ob ich mit ihm zum Frühstück gehe und lächelt dabei ein bisschen, warum macht mein Herz so eine große Sache daraus und warum kann ich nicht mal das Strahlen auf meinem Gesicht unterdrücken? Ich mache mich noch lächerlich vor ihm, wenn ich weiter so fröhlich vor mich hin glitzere, als hätte er mich gefragt, ob ich ihn heiraten will. "Und? Hast du gut geschlafen?", frage ich und drücke auf den Knopf vom Aufzug. "Oh, ja. Bestens." Sein Lächeln ist so wunderschön. Ich wünschte, er würde es öfter zeigen. "Und du? War ja doch nicht mehr so viel Zeit zum Ausruhen, wenn ich mal drüber nachdenke." "Naja, ich hab im Bus schon mal etwas vorgepennt. Insofern... hat es mir dann doch irgendwie gereicht. Heh. Und morgen können wir ja wieder ausschlafen, ne?" "Das stimmt. Ich freu mich schon drauf." "Schon irgendwelche Pläne?" "Maaah, so dies und das halt." Wir steigen in den ankommenden Aufzug. Hinter uns schließen sich die Türen wieder. Ich setze gerade an unsere heitere Unterhaltung weiterzuführen, da sehe ich aus dem Augenwinkel ein buntes Farbengewirr rhythmisch aufblinken, das seinen Ursprung in der Brusttasche von Karous Hemd zu haben scheint und welches mich für einen Moment aus dem Konzept bringt. "Hey", sage ich und deute auf seinen Oberkörper. "Dein Handy leuchtet." "Oh!" Beinahe fiebrig vor Freude grabbelt er das kleine Ding aus der Tasche und drückt ein paar Tasten. Schweigend beobachte ich ihn und wie das freudige Lächeln auf seinen Lippen sich urplötzlich um 180Grad dreht. Es geschieht so schnell. Seine eben noch so positive Ausstrahlung verfinstert sich binnen Sekundenbruchteilen vollkommen. Allein der Anblick, wie seine Miene erfriert, jagt mir einen Schauer über den Rücken und ich schlucke schwer. "Alles okay?" Meine Frage kommt mir dumm vor, wenn ich ihn so betrachte und er im Moment augenscheinlich alles andere als okay ist. "Was? Ich... Nein. Alles in Ordnung." Die Art und Weise wie er den Kopf schüttelt, mich nur flüchtig ansieht und kurz darauf ein gezwungenes Lächeln über seine Lippen huscht, bereitet mir Sorgen. Sein Verhalten passt nicht in das Muster, dass er seit einigen Monaten strikt einhält und vor allem nicht zu seiner bis eben noch guten Laune. Er sieht besorgt aus. Ich könnte jetzt anfangen zu bohren und aus ihm rauszuquetschen, was los ist, aber damit würde ich ihm absolut keinen Gefallen tun. Kaoru redet für sein Leben gerne und über alles und jeden, gefragt und ungefragt. Ja, über alles, nur nicht über seine Gefühle. Okay, es gab mal eine Zeit, da haben wir über einander Probleme gesprochen und auch, wenn es hart auf hart kam, über Gefühle. Aber das ist Jahre her. Unsere Verbindung zu einander hat sich verändert. Wir waren nicht immer so zu einander. So eklig und aggressiv geladen. Wir waren mal richtig gute Freunde. Naja, sind wir immer noch - wäre da nicht diese Sache, versteht sich. Mein Kopf sagt mir, dass ich jetzt einfach meine Klappe halten sollte, doch ihn anzusehen tut so weh. Und weil ich es nicht ertragen kann ihn still leiden zu sehen, mache ich ganz einfach genau das, was er gestern auch getan hat: Ich klopfe ihm auf die Schulter. Es ist ein aufmunterndes 'Kopf-hoch'-Klopfen von Kumpel zu Kumpel. "Wenn du drüber reden willst", füge ich hinzu, bevor sich die Türen des Aufzugs dann öffnen. "...du weißt ja. Ich hör dir zu." Er erwidert mein schwaches Lächeln nur zaghaft, nickt aber. Und ich weiß nicht inwiefern ich eine Hilfe bin. Aber ganz egal wie er zur Zeit zu mir steht, ich sorge mich um ihn. Auch, wenn es beiweilen schwer ist zwischen den vielen garstigen Bemerkungen diesen Mann nicht zu verabscheuen. Doch Momente wie vor dem Blinken seines Handys sind eindeutig Indiz dafür, dass er im Grunde seines Herzens warmherzig ist, sanft, und er auch nett zu mir sein kann. Jetzt jedoch ist er wieder kühl und verhalten. Und wieder ganz der Kaoru, den ich nicht mag, der mir Kummer bereitet. ~*~*~ Was auch immer es ist, was Kaoru beschäftigt und ihm die Nerven raubt, es muss etwas Schlimmes sein. Oder zumindest etwas von ausgesprochener Wichtigkeit. Ich komme nicht dahinter. Selbst, dass ich ihn während des gesamten Frühstücks beschatte, bringt mir keine neuen Erkenntnisse. Er sitzt nicht in Gesprächsreichweite, wirkt immer noch unterkühlt. Alles, was ich weiß, ist, dass es irgendwas mit seinem Handy zu tun haben muss. Nahezu im Minutentakt missbraucht er das arme Stück nun und hakt hektisch Tastenkombinationen in es hinein. Nur wem schickt er all diese Nachrichten? Und weshalb? Ich kaue auf dem Löffel herum und drücke meine Handfläche gegen mein Kinn. Von der Seite werde auch ich beobachtet. Ist wohl doch so, dass Kyo ein Auge auf mich geworfen hat als wäre er meine Kindergärtnerin. "Das Schwein kann nichts dafür, dass sein Hals kürzer ist als der der Giraffe." "Häh?" Kyos Finger deutet in Richtung dicke Backen machenden Kaoru. "Das Schwein kann nichts dafür, dass sein Hals kürzer ist als der der Giraffe." Da ich mit beiden Beinen fest auf dem Schlauch stehe und nicht mal ansatzweise checke, was er mir damit sagen will, glotzte ich ihn einfach nur verstört an. Ein leicht genervter Ton fließt über Kyos Lippen. "Kaoru kann nichts dafür, dass er so ist, wie er ist. Vielleicht solltest du aufgeben." "Wie kommst du jetzt darauf? Ich versteh deinen Gedankengang nicht." "Du musst es nicht verstehen. Vertrau mir einfach. Es ist besser, du gibst auf." Stumm schaue ich ihn an. Kyo nippt an seinem gesüßten Kaffee. "Ganz schön viel verlangt. Einfach so aufgeben. Du bist lustig." Ich nehme den Löffel aus meinem Mund und lasse ihn zurück in meine kaum angerührte Kelloggsschale sinken - habe keinen Appetit. "Und das heißt nicht, dass ich dir nicht vertraue. Ich... zweifle nur an, was du da von mir verlangst." "Ich verlange nicht. Es ist nur ein Rat." "Und was veranlasst dich dazu mir Ratschläge zu erteilen?" "Ich dachte, es wäre vielleicht besser dich zu warnen." "Warnen? Wovor?" "Du musst nicht alles wissen. Sei nur gewarnt für den nächsten Wolkenzusammenbruch, der sich dort hinten bereits zusammenbraut." Mit einem Nicken lenkt er meinen Blick auf Kaoru, dessen Stirn sich im Moment besorgniserregend kräuselt. "Siehst du die bedrohlichen dunklen Wolken, wie sie sich immer höher türmen? Uuuww." "Hör auf mit dem Schwachsinn." Kyo hebt die Schultern und seufzt. "Glaub's mir oder glaub's mir nicht, Die. Ich erkenne ein Gewitter, wenn ich eins sehe." ____________ To be (or not to be) continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)