Now You See Me von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ Von einem Augenblick zum anderen war es, als wären sie nie getrennt gewesen. Sie waren eine Einheit, perfekt auf den jeweils anderen abgestimmt, wie ein Uhrwerk, dessen Zahnräder lückenlos ineinandergriffen. Wie selbstverständlich ergänzten sie sich in ihren Attacken und der Defensive, und wo der eine bereits zum nächsten Angriff überging, hielt der andere ihm den Rücken frei. Und Loki hatte es vermisst, verdammt, mehr als er es Thor gegenüber je zugeben würde. Er hatte das beruhigende Gefühl vermisst, seinen Bruder an seiner Seite zu wissen, während sie sich gemeinsam mit einem unberechenbaren Gegner anlegten. Er hatte den Adrenalinrausch der Schlacht vermisst, den Moment, an dem er die Kontrolle vollständig an seinen Körper abgab, an dem er aufhörte zu denken, sondern nur noch fühlte, nur noch instinktiv handelte. Und er hatte das Kribbeln in seinen Fingern vermisst – oh, wie sehr er es vermisst hatte! – wann immer er auf die Magie in seinem Inneren und in der Welt um sich herum zugriff, um sie nach seinen Wünschen zu formen und im Kampf einzusetzen. Und dieses Mal hatte er außerdem noch den ein oder anderen neuen Trick parat. Während Thor Sturmbrecher rotieren ließ, um eine Salve von Laserattacken abzuwehren, breitete Loki die Arme aus und zog mit seiner Magie das Wasser aus der Luft, nur um es anschließend in Form von dutzenden, nadelspitzen Eisdolchen gefrieren zu lassen und auf ihre Gegner zu schleudern. Die Skrull fielen dem Angriff zum Opfer, als hätte er sie mit einer Sense niedergemäht, und einen Augenblick später war keiner von ihnen mehr auf den Beinen. Thor ließ seine Axt sinken. „Nicht schlecht, Bruder“, sagte er anerkennend. Loki schenkte ihm ein Lächeln – das erste echte seit langem. „Du solltest mich erst mal über Wasser laufen sehen“, erwiderte er. „... was?“, entfuhr es Thor, doch Loki hatte sich schon wieder abgewandt und war weitergegangen. Er würde es nie müde werden, seinen Bruder auf Trab zu halten. Doch er hatte kaum die nächste Straßenecke erreicht, als ihn eine plötzliche Lasersalve direkt gegen die Brust traf und ihn rückwärts taumeln ließ. „Loki!“ Sofort war Thor bei ihm und zog ihn in die Sicherheit des nächsten Hauseinganges. Große, aber behutsame Hände befreiten ihn vom schwelenden, verbrannt riechenden Stoff seines Anzugs, um die Haut darunter freizulegen. „Bruder, hörst du mich...?“, fragte Thor mit besorgter Stimme, während er nach der Wunde auf seinem Brustkorb suchte. Doch anstatt Blut oder eine hässliche Brandwunde vorzufinden, entdeckte er etwas gänzlich anderes. „Was zum...“, murmelte er, während seine Finger über das glatte Eis fuhren. „Mmh“, machte Loki benommen und öffnete langsam wieder die Augen. Seine Rippen schmerzten, als wäre er in einen fahrenden Truck gerannt. Hätte er nicht im letzten Moment einen Panzer aus Eis heraufbeschworen, dann wäre dies sein Ende gewesen... wieder mal. „Unglaublich“, sagte Thor leise, während er mit bewunderndem Blick dabei zusah, wie sich der schützende Panzer langsam wieder von Lokis Brustkorb zurückzog. „Dein Körper ist erstaunlich, Loki.“ Die Bemerkung hätte Loki fast auflachen lassen. Oh, wenn sein wundervoller, einfältiger Bruder doch nur wüsste, was für Geheimnisse sein Jotunkörper noch alles in sich barg... Mühsam stemmte er sich hoch, während Thor ihn dabei stützte. „Fantastisch“, kommentierte er trocken, während er die Überreste seines Jacketts abstreifte und die Ärmel des weißen Hemdes darunter hochkrempelte. Sein Anzug hatte ihn nicht wenig Geld gekostet, jetzt musste er erst wieder den Schneider aufsuchen, der ihm das letzte Exemplar angefertigt hatte. Eine erneute Salve, dieses Mal sehr viel näher, ließ die Brüder zusammenfahren. „Alles okay?“, fragte Thor. Loki kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass die eigentlich Frage dahinter „Schaffst du das?“ lautete, und er war dankbar, dass sein Bruder mittlerweile genug Respekt vor ihm hatte, um sie nicht auszusprechen. „Mach dir um mich keine Sorgen“, entgegnete er, dann konzentrierte er sich kurz, bevor er Illusionen von sich und Thor erschuf und sie die Deckung verlassen ließ. Sofort wurden ihre Doppelgänger von mehreren Lasersalven durchbohrt, die den schmutzigen Boden aufwirbelten. Die Staubwolke gab den Brüdern jedoch auch den nötigen Sichtschutz, um ihr Versteck zu verlassen. Thor wechselte einen Blick mit Loki. „Bereit?“ Loki streckte die Hände aus, in denen sich Dolche aus Eis formten. „Bereit.“ Und gemeinsam stürzten sie sich erneut in die Schlacht.   Sie trafen sich am Abend mit Jane in einer Bar in der Bucht von San Francisco. Die Kämpfe hatten eine knappe Stunde zuvor im gesamten Stadtgebiet aufgehört und Steve hatte ihnen mitgeteilt, dass die Skrull sich vorerst vom Planeten zurückgezogen hatten. Ein langer, blutiger Kratzer zog sich über Janes linke Wange und ihre Haare waren auf einer Seite versengt, aber ansonsten schien sie wohlauf zu sein, wenn auch zu Tode erschöpft. „Oh, hey“, sagte sie und schenkte den Brüdern ein müdes Lächeln, als sie sich zu ihr an den Tisch gesellten. „Mal keine Ohrfeige zur Begrüßung?“, fragte Loki mit schiefem Lächeln, als er sich auf den Stuhl ihr gegenüber sinken ließ. „Nah“, machte sie und winkte nur ab. „Kostet nur Kraft.“ Dann verzog sie den Mund zu einem Schmunzeln. „Außerdem hast du dich heute genauso wacker geschlagen, wie der Rest von uns, würde ich sagen“, fuhr sie fort. „Ich denke, du hast dir einen Drink verdient.“ Thor stieß ein leises Lachen aus. „Wo sie Recht hat, Bruder...“ „Ja, ja, schon gut“, seufzte Loki. Eine bleierne Müdigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen und er hätte eher seine rechte Hand geopfert, als noch einmal aufstehen zu müssen. Trotzdem tat er so, als würde es ihn viel Selbstüberwindung kosten, als er hinzufügte: „Na schön, für einen Drink bleibe ich noch.“ Thor schenkte ihm jedoch nur ein wissendes Lächeln, und vielleicht – nur vielleicht – war Loki ein kleines bisschen beleidigt. Aber wirklich nur vielleicht.   Zur Überraschung von absolut niemandem blieb er noch für sechs weitere Drinks, und als Jane ihm anbot, die Nacht ebenfalls in ihrem Apartment zu verbringen, war Lokis Widerstand so weit gesunken, dass er zusagte, ohne lange zu zögern. Er hätte sich auch auf die Suche nach einem Hotel machen können, aber in seinem Zustand war ihm nicht danach, und wenigstens ein einziges Mal wollte er sich die Schwäche erlauben, die Sicherheit anzunehmen, die ihm angeboten wurde. Er schlief in dieser Nacht auf der ausgezogenen Couch in Janes Wohnzimmer. Thors leisen Protest, dass dies sein Schlafplatz wäre, ignorierte Loki dabei geflissentlich. „Es ist genug Platz für uns beide da“, meinte er nur, während er sich ein Kissen griff und es sich auf der einen Hälfte der Couch gemütlich machte. Thor schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. „Wir sind keine Kinder mehr, Loki.“ „Und? Wir sind auch keine Liebhaber“, sagte Loki gähnend. „Also wo ist das Problem...?“ Er vergrub das Gesicht in seinem Kissen und gab sich endlich seiner Müdigkeit hin und war eingeschlafen, bevor er die Antwort seines Bruders hören konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)