Now You See Me von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ Die Monate vergingen. Thor erkundigte sich weiterhin regelmäßig nach seinem Bruder, doch die Informationen, die Tony ihm geben konnte, wurden immer spärlicher und unregelmäßiger. Anscheinend hatte Loki gemerkt, dass man seinen Aufenthaltsort über seine Kreditkartenabrechnungen zurückverfolgen konnte, weshalb er dazu übergegangen war, alle paar Wochen größere Geldbeträge abzuheben, um dann für eine Weile unterzutauchen und alles Notwendige mit Bargeld zu bezahlen. Thor erwischte sich mehrfach dabei, wie er nach dem Telefon griff, um die Nummer seines Bruders zu wählen, damit er wenigstens seine Stimme hören konnte; damit er hören konnte, dass es ihm gut ging. Doch er zögerte jedes Mal, auf „Verbinden“ zu drücken. Manchmal muss man die Dinge, die man liebt, loslassen, um sie nicht zu verlieren. Seit ihrem Gespräch waren ihm Steves Worte nicht aus dem Kopf gegangen – und sie waren es auch, die ihn den Hörer letztendlich immer wieder beiseitelegen ließen. Die letzten Jahre hatten ihn Geduld mit der Welt und mit den Menschen gelehrt, nun musste er nur noch lernen, auch Loki gegenüber geduldig zu sein. Und Thor wartete.   Als er seinen Bruder schließlich wiedersah, war es unter Umständen, mit denen Thor nicht gerechnet hatte. Einer von Spider-Mans Gegnern hatte einen Elementar zum Leben erweckt, einen Golem von titanischen Ausmaßen, dessen dicke, steinerne Haut weder Tonys Blaster noch Thors Hammer durchdringen konnten. „Was ist es nur mit diesen Leuten und ihren Puppen?“, hörte Thor Tonys Stimme über das Kommunikationsgerät in seinem Ohr. „Können sie ihre Drecksarbeit nicht mal selbst machen?“ „Aber dann müssten sie erst mal wieder ein paar originelle Ideen haben“, gab Spider-Man fröhlich zurück, der sich neben Thor knapp außerhalb seines Blickfeldes durch die Straßen von Manhattan schwang, während sie der Spur der Zerstörung folgten. „Tentakelmonster!“, schlug Clint vor. „Wir hatten schon lange keinen guten Tentakelmonsterangriff mehr.“ „Oh, bitte nicht.“ Tony stöhnte auf. „Ich erinnere mich noch zu gut an das Desaster beim letzten Mal...“ „Wir auch, Tony“, gab Steve trocken zurück. „Wir auch.“ „Ich habe das Zeug wochenlang nicht aus meinen Haaren rausbekommen“, meinte Natasha wenig begeistert. „Okay... will ich wissen, was damals passiert ist?“, fragte Sam. „Nein!“, erwiderte der Rest wie aus einem Munde. Thor lachte nur. Er lebte für diese Momente. Er liebte die Kameradschaft; liebte es, dem freundschaftlichen Gezanke der Avengers zu lauschen, bevor sie sich gemeinsam in die nächste Schlacht stürzten. Es erinnerte ihn an die Abenteuer mit den Freunden aus seiner Jugendzeit, damals, als Asgard noch ein strahlendes Juwel zwischen den Sternen gewesen war und Hela und Thanos sein Volk noch nicht ausgelöscht hatten. Als die Sommer noch ewig währten und sein Bruder sich noch nicht von ihm abgewandt hatte. Der Schmerz über den Verlust seiner Heimat und die Sehnsucht nach jener Zeit würden nie ganz vergehen, aber sie brannten nicht mehr ganz so stark, wie zu Beginn, und waren an den meisten Tagen kaum mehr als ein dumpfes Pochen im Hintergrund, das er, wenn er es schon nicht ignorieren, doch zumindest ertragen konnte. Und er hatte noch immer Loki. Was auch zwischen ihnen vorgefallen war, das Schicksal hatte sie immer wieder zueinander geführt, und mit der Zeit hatten sie einander besser kennengelernt, als sie es in jener lange zurückliegenden Zeit getan hatten. Gewiss, ihr Verhältnis zueinander mochte komplizierter geworden sein, doch zugleich waren sie auch ehrlicher mit ihren Gefühlen geworden und begegneten einander nun auf Augenhöhe, wo sie es zuvor noch nicht getan hatten, nicht wirklich. Und das war etwas, was Thor nie wieder freiwillig hergegeben hätte. „Okay, Leute. Ideen?“, rief Tony in diesem Moment, als sie über den Times Square hinwegflogen und den gigantischen Fußspuren folgten. In nicht allzu weiter Entfernung waren bereits Schreie und das Bersten von Glas und Beton zu hören. „Kollateralschäden vermeiden und das Kampfgebiet eingrenzen“, entgegnete Steve. „Ihr kennt den Drill, Leute, ihr wisst, was zu tun ist.“ „Yes, Sir!“ Clint manövrierte den Quinjet gekonnt zwischen den Hochhäusern hindurch und setzte zur Landung am Rande des Central Parks an. Thor empfand für einen Moment Mitleid mit der Vegetation. Der Park hatte sich immer noch nicht ganz von ihrem letzten großen Gefecht erholt, und nun würden sie die Erde erneut aufreißen und die jahrhundertealten Bäume beschädigen. Trotz diverser Wiederaufbauprogramme, die Tony vor einigen Jahren ins Leben gerufen hatte, ging die Regeneration doch nur langsam vonstatten, und die Umweltschützer stiegen zu Recht jedes Mal auf die Barrikaden, wenn der Park Schäden erlitt. Doch der Schutz der Bevölkerung hatte Vorrang, und so trieb das Team den Elementar die Straße entlang auf den Park zu. „So weit, so gut“, meinte Tony, während sie einen Ring um den Titanen bildeten und versuchten, ihn am Ausbrechen zu hindern. „Jetzt wären ein paar konkrete Ideen nicht schlecht.“ „Tony hat Recht“, sagte Steve. „Kommt schon, Leute! Unter euch sind ein paar der cleversten Köpfe, die mir je begegnet sind, ich bin mir sicher, ihr findet eine Lösung.“ Es war Wanda, die schließlich antwortete: „Wenn ich das richtig sehe, besteht der Körper des Elementars aus einer Art Ton“, stellte sie fest. „Sollte Ton nicht springen, wenn er zu schnell erhitzt wird?“ „Oh, oh!“, rief Peter aufgeregt. „Das ist Ned und mir letztens im Unterricht passiert! Eigentlich sollten wir nur etwas töpfern und dann – witzige Story – haben wir versehentlich den Ofen mit unseren-“ „Fantastische Idee, danke, Wanda“, würgte Tony den Redefluss des Teenagers ab und streckte die Hände aus, an denen die Blaster zu summen begannen. „Okay, Avengers, ihr habt sie gehört. Wer über Hitze- oder Explosionsangriffe verfügt, der möge bitte angreifen in drei... zwei... eins...!“   Thor krachte mit der Wucht einer Kanonenkugel in ein parkendes Auto und rollte mehrere Meter über den Gehweg. Für einen Moment kämpfte er mit der Ohnmacht, bevor er  sich mit einem Ächzen wieder hochstemmte und sich mit einer Hand durch die Haare fuhr, um die Glassplitter herauszufischen. Möglicherweise waren sie doch etwas voreilig gewesen, als sie den Elementar so offen angegriffen hatten, denn die Attacke hatte ihn nur noch wütender gemacht und wild um sich schlagen lassen. Er wollte gerade nach Sturmbrecher greifen, als ihn eine Stimme hinter ihm erstarren ließ. „Hallo Thor“, sagte Loki. „Was für eine Überraschung.“ Thor wirbelte herum und riss die Augen auf, als er seinen Bruder erblickte. Loki trug ein langärmeliges Shirt und dunkle Jeans, die trotz der sommerlichen Hitze bis zu seinen Knöcheln reichten, während seine blutroten Augen sich hinter einer Sonnenbrille verbargen. In der Hand hielt er einen Becher mit dem Logo der Kette, die die Sterblichen als Starbucks bezeichneten. „Uhm“, machte Thor. „Hi.“ Und dann, weil ihm nichts besseres einfiel: „Ich dachte, der Geschmack von Kaffee sagt dir nicht länger zu?“ „Es geht“, erwiderte Loki gelassen und nahm einen Schluck von dem Getränk. „Wenn ich danach noch Salzwasser dazugieße, wird er ganz erträglich.“ „Ah“, erwiderte Thor und nickte. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte, zu unerwartet war der Anblick seines Bruders in diesem Moment. Alles, woran er denken konnte, war LokiLokiLoki und Ich bin so froh, dass es dir gut geht und Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe. Und Thor war sich nicht sicher, ob Loki auch nur eines dieser Dinge hören wollte. Sein Bruder hob den Kopf und sah zu dem Elementar im Central Park hinüber, gegen den die Avengers wie Fliegen wirkten, die ihn umschwirrten. „Sieht aus, als könnten deine Freunde Hilfe gebrauchen“, meinte er nachdenklich. Thor nickte. „Wanda hat den Vorschlag gemacht, die Kreatur mit Feuer anzugreifen, um sie zum Platzen zu bringen.“ „Bei dieser Hitze?“ Loki runzelte die Stirn. „Ich meine, an sich ist die Idee nicht schlecht, aber die Temperaturdifferenz reicht bei weitem nicht aus, um ihn zu zerstören. Aber das ließe sich ja leicht ändern...“ Thor sah ihn aufmerksam an. Lokis Tonfall sagte ihm, dass sein Bruder einen Plan hatte. „Ziehst du etwa in Betracht, uns deine Hilfe anzubieten?“, fragte er mehr scherzhaft, als mit wirklicher Hoffnung. Umso überraschter war er, als Loki die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzog. „Nur, wenn du bitte sagst.“ Thor lachte auf. Nichts leichter als das. „Bitte, Loki“, entgegnete er und noch nie waren ihm diese Worte so leicht und mit so viel Ehrlichkeit über die Lippen gekommen. „Bitte hilf uns.“ „Mmh.“ Loki trank den Rest seines Kaffees aus und ließ den leeren Becher dann achtlos zu Boden fallen, nur um ihn mit dem Absatz seines Schuhs zu zertreten. „Wenn du schon so fragst...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)