Now You See Me von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ In den nächsten Tagen machte sich Loki sichtlich eine Freude daraus, die Avengers mit seiner neuen Gestalt und seiner Nacktheit zu schockieren. Zu mehr als einer kurzen Hose und Flip-Flops konnte Thor ihn nicht überreden, und wann immer einer von den anderen Teammitgliedern Loki erblickte, wandte er peinlich berührt die Augen ab. Die einzigen, die sich davon nicht beeindrucken ließen, waren Steve und Natasha, die Loki nicht anders behandelten als sonst, sowie Sam, dessen Augen jedes Mal an seinem Bruder klebten, wann immer er ihm begegnete. „Was?“, fragte Sam und zuckte mit den Schultern, als Thor ihn einmal mehr beim Starren erwischte. „Er ist ein attraktiver Mann.“ Thor war so fassungslos, dass ihm für einen Moment keine Antwort einfiel. Loki war sein Bruder, er wäre deshalb nie auf die Idee gekommen, ihn als Person mit sexuellen Interessen und Neigungen zu betrachten, geschweige denn als jemanden, der auf andere attraktiv wirkte. „Loki ist ein Prinz von Asgard...!“, erwiderte er lahm. „Es geziemt sich nicht, so über ihn zu sprechen.“ „Mag sein“, meinte Sam und zuckte mit den Schultern. „Würde mich trotzdem interessieren, ob er Single ist.“ Loki, der lang ausgestreckt auf dem Sofa lag und ein Buch las, hob derweil amüsiert eine Augenbraue, und Thor wurde plötzlich klar, dass er sie gehört haben musste. „Wenn du nicht willst, dass dein bestes Stück erfriert und abfällt, dann solltest du nicht mal im Traum daran denken“, sagte Loki süffisant. Doch Sam ließ sich davon nicht einschüchtern, sondern nahm es mit Humor und lachte nur. „Schade. Aber einen Versuch war es wert.“ Dann ging er wieder und ließ Thor mit Antworten auf Fragen zurück, die er nie, niemals hatte hören wollen.   Essen wurde zu einem weiteren Problem. Die Geschmackswahrnehmung eines Frostriesen schien sich grundlegend von der anderer Spezies zu unterscheiden, und egal, was ihm auch für Gerichte angeboten wurden, Loki lehnte alles davon ab. „Es schmeckt wie Asche in meinem Mund“, beklagte er sich bei Thor und hielt sich den knurrenden Bauch. „Wenn ich nicht bald etwas esse, verhungere ich noch!“ „Hast du es mit gefrorenem Essen versucht?“, fragte Bruce, bevor er die Kühltruhe öffnete und einen Beutel mit Shrimps herausholte. „Es ist vermutlich nichts im Vergleich zu dem, was Frostriesen normalerweise essen, aber es ist immer noch besser als gar nichts.“ Loki warf ihm einen skeptischen Blick zu, doch dann griff er nach der Tüte und riss sie auf. „Wie tief ich doch gesunken bin“, murmelte er, als er eine der gefrorenen Garnelen nahm und sie misstrauisch inspizierte, bevor er hineinbiss. Thor sah seinen Bruder gespannt an, während dieser mit skeptischer Miene kaute. Doch je länger er kaute, desto mehr erhellte sich Lokis Blick. „Es... ist nicht völlig furchtbar“, gestand er nach einer Weile und schluckte das letzte Stück hinunter, bevor er die nächste Garnele nahm. Während er hineinbiss, warf er einen beiläufigen Blick in die Kühltruhe. „Habt ihr auch rohen Fisch?“   „Irgendwie seltsam, ihn so zu sehen“, murmelte Peter. Er saß neben Thor auf der Couch und sah dabei zu Loki hinüber, der am anderen Ende des Raumes neben einem offenen Fenster an der Wand lehnte und jedem, der ihm zu nahe kam, einen giftigen Blick zuwarf. Sie feierten Banners fünfzigsten Geburtstag – „Was soll das heißen, du hattest noch nie eine Geburtstagsparty?“, hatte Tony mit entsetzter Miene gefragt und die Vorbereitungen anschließend persönlich beaufsichtigt – und das Hauptquartier hatte sich an diesem Abend mit zahlreichen kunterbunten Gestalten gefüllt. Peter gehörte zu der Handvoll, die Thor vertraut waren, und als der Teenager nervös fragte, ob er sich neben ihn setzen konnte, hieß Thor ihn mit einem warmen Lächeln willkommen. „Inwiefern seltsam?“, fragte Thor nun und nahm einen Schluck aus seinem Bierglas. Peter zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht“, entgegnete er. „Er ist... nur ein Mann? Es ist einfach schwer vorstellbar, dass er derjenige ist, der damals all das Chaos in New York angerichtet hat.“ „Mmh“, machte Thor nur. Es war ein Thema, über das er nur ungern sprach, und dass Peter es ausgerechnet an diesem Abend erwähnen musste, verpasste seiner guten Laune einen Dämpfer. Doch dann fiel ihm plötzlich ein, dass Peter gute Gründe dafür hatte und dass seine letzte Berührung mit Loki die Schlacht in New York vor sieben Jahren gewesen sein musste, die er damals als Kind vermutlich hautnah miterlebt hatte, und Thor bekam für einen Moment ein schlechtes Gewissen. Er stellte sein Bierglas beiseite und wandte sich dann Peter zu. „Ich verstehe, dass es dir nicht leicht fällt, ihn anzusehen, aber mein Bruder ist nicht mehr dieselbe Person wie damals“, versicherte er dem jungen Mann. „Dieses Mal hat er mich... und ich werde dafür sorgen, dass ihn die Dunkelheit nicht erneut übermannt. Du hast mein Wort.“ Peter starrte ihn an. „Oh... okay“, sagte er vorsichtig und Thor klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Dann stand er auf, um sich zu Loki zu gesellen. „Du siehst gelangweilt aus, Bruder“, sagte er und lächelte. „Sind die Feierlichkeiten nicht nach deinem Geschmack?“ „Dieses ganze Fest ist eine einzige Farce“, gab Loki genervt zurück. „Ich frage mich, was ich hier soll.“ Und Thor konnte es ihm nicht einmal verübeln. Er sah sich um. Peter war aufgestanden, um sich nach einem neuen Gesprächspartner umzusehen, und im Moment schenkte ihnen niemand weiter Beachtung. „Lass uns gehen“, schlug er vor, einem plötzlichen Impuls folgend. „Was?“ Loki sah ihn überrascht an. „Ich dachte, du wolltest mit deinen Freunden feiern.“ Er spuckte das Wort aus, als wäre es eine Beleidigung für seinen Gaumen. „Dafür ist auch ein andermal noch Gelegenheit“, winkte Thor ab. „Sag nicht, du tust es aus Mitleid mit mir“, warnte ihn Loki, während sie auf den Ausgang zusteuerten. „Das würde mir im Traum nicht einfallen“, sagte Thor heiter und hielt seinem Bruder die Tür auf. Loki warf ihm einen langen und prüfenden Blick zu, doch schließlich akzeptierte er die Einladung und ging voran. Sie verbrachten den Rest des Abends in Lokis Zimmer, wo sie sich bei offenem Fenster und im silbernen Licht des Vollmondes über die gemeinsamen Abenteuer ihrer Jugend unterhielten, und als Thor sah, wie Lokis Schultern sich nach und nach wieder entspannten und das Funkeln in seine Augen zurückkehrte, wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.   „Wie geht es deinem Bruder?“, fragte Wanda ein paar Tage später, als Thor sie in der Küche traf, wo sie sich gerade eine heiße Schokolade machte. Es war ein klarer, sonniger Wintermorgen und das Thermometer zeigte minus elf Grad an. Für Loki also das perfekte Wetter, um sich mit einer Sonnenbrille auf die Terrasse zu legen und zu schlafen. Thor warf seinem Bruder aus dem Fenster einen Blick zu. „Loki... passt sich allmählich an“, sagte er. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Wanda nickte verstehend. „Aber er ist nicht glücklich hier“, stellte sie fest. Die Bemerkung entlockte Thor ein spontanes Lachen. Wie oft hatte er in den letzten Wochen dasselbe gedacht. „Verzeih“, entgegnete er. „Es ist nur lange her, dass Loki an irgendeinem Ort glücklich war. Ich glaube, er hat vergessen, wie es sich anfühlt.“ Wanda nahm ihre Tasse in die Hände und trank einen kleinen Schluck daraus, während sie nachdenklich aus dem Fenster sah. „Ich glaube, sobald er erst einmal wirklich bei uns angekommen ist, wird er es wieder lernen“, sagte sie. „Dein Bruder hat viel durchgemacht. Er braucht einfach Zeit.“ Thor hoffte, dass sie Recht hatte.   Zeit war die eine Sache. Was Loki außerdem brauchte, war eine Aufgabe. Bisher hatte er seine Zeit vor allem damit zugebracht, die Bibliothek zu plündern oder in der Abwesenheit der restlichen Avengers das Servicepersonal heimzusuchen, wie ein rachsüchtiger Hausgeist. Was ihm jedoch fehlte, war eine sinnvolle Beschäftigung. „Wir können ihn nicht einfach mitnehmen“, sagte Tony und verschränkte die Arme vor der Brust, als Thor ihm und Steve den Vorschlag unterbreitete, seinen Bruder bei der nächsten Mission mit einzubeziehen. „Es ist schwer genug, der Öffentlichkeit zu verheimlichen, dass Loki hier ist. Ich musste dem neuen Außenminister praktisch beide Arme und eine Niere versprechen, damit er seine Anwesenheit genehmigt.“ „Ich bezweifle, dass irgendjemand meinen Bruder in seiner jetzigen Gestalt erkennen wird“, wandte Thor ein. „Wir könnten ihn den Bewohnern Midgards als neues Mitglied der Avengers vorstellen.“ „Hah!“ Tony lachte auf. „Nur über meine Leiche.“ „Tony.“ Zur Thors Überraschung und Dankbarkeit war es Steve, der dem anderen ins Gewissen redete. „Thor hat Recht. Du beklagst dich seit Wochen darüber, wie viele Nerven es dich kostet, Loki hier zu haben, aber auf der anderen Seite bieten wir ihm auch keinen Raum, der es ihm ermöglicht, seinen Platz bei uns zu finden.“ Tony seufzte. „Steve...“ „Wir wussten, dass dies ein Problem sein würde, als wir ihn zurückgebracht haben“, fuhr der andere Mann ruhig fort. „Wir wussten es und haben nichts getan. Stattdessen haben wir Thor viel zu lange damit allein gelassen. Es wird Zeit, dass sich das ändert.“ Er richtete den Blick auf Thor. „Und ich glaube, ich weiß auch schon, wo wir anfangen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)