Zum Inhalt der Seite

Nur ein Spiel

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wiedersehen mit Hyrule

In der gefallenen Erdendimension, die beherrscht wurde von einem Dämon der Rache, schoben sich zwischen blutroten Farben am Firmament winzige Erinnerungen an das gleißende Sternenlicht hindurch. Dort, wo Hylias Splitter den verseuchten Horizont gereinigt hatten, dort, wo auch das Sonnenlicht wieder den Weg zur Erde finden konnte…

Es war Nacht hier in Schicksalshort, eine verheißungsvolle Nacht für die wenige Krieger, die in ihrem Schutzbunker die letzten Vorbereitungen trafen. Ein Teil der Weisen beendete in einem Nebenraum die anstrengenden Meditationen zur Reinigung und Entfaltung ihrer Kräfte. Ein Teil schlief, erholte sich von den Strapazen der letzten Stunden und versuchte Heilung in Ruhe und bilderleeren Träumen zu finden. Auch Leon Johnson beschäftigte sich zielstrebig mit der neuen Aufgabe, die ihm anvertraut wurde. Auch er besaß gewisse Fähigkeiten, Zelda besaß schließlich sein Blut, in welchem seit Generationen das Blut der Göttin vererbt wurde. Akribisch folgte er den Anweisungen von Impa zur Reaktivierung seiner Kräfte, heilte sich von seinem eigenen Kummer. Und ohne die Versöhnung mit seiner Tochter wäre ihm dieser Kunstgriff nicht gelungen. Sian Johnson jedoch inspizierte einen großen Radius um die Villa herum, schlich ungesehen und unbemerkt durch die Nacht, die sich durch das wenige Sternenlicht, das die Erde erreichte, ein wenig lichtete. Und er fand nichts. Keinen Dämon, keine Spuren der Gefahr. Er fand niemanden… Eine unheimliche Stille kehrte in Schicksalshort ein, womöglich als Konsequenz von Hylias Segen, den Zelda über den Planeten regnen ließ. Die opalfarbenen Kristalle mussten nicht nur den Horizont befreit, sondern auch einige Dämonenhorden ausgelöscht haben…
 

Der Schein der künstlichen Lichter im großen Besprechungsraum des Bunkers flackerte unruhig, als Link und Zelda etwas aufgeregt und irgendwo sogar unsicher über einer riesigen Liste der Dinge saßen, die sie mit nach Hyrule nehmen und keinesfalls halbherzig angehen durften. Sie waren beide nicht bereit für dieses Abenteuer und scheuten sich über die drei Wochen nachzudenken, die sie in Hyrule verbringen würden. Mindestens drei Wochen, in denen der Kampf ums Überleben in einer riesigen Wildnis voranschritt, wo sie keine Hilfe von einer Menschenseele erwarten konnten, wo eventuell Monsterangriffe und Gefahren durch Witterungsumbrüche an der Tagesordnung waren. Vor allem Zelda scheute sich die Liste der Items zu überfliegen, scheute sich darüber nachzudenken, dass sie nach Hause kam. So sehr hatte sie sich gewünscht zurück in ihre Welt zu gelangen, so schmerzhaft war dieser gewaltige Wunsch… und nun… unter den Umständen einer geschändeten Erdenwelt fühlte sie sich wie ein Feigling, der Menschen im Stich ließ, die zu ihr aufsahen, die sie lieb gewonnen hatte…

Und Link, nun ja, Link war einfach… er selbst.

Der einzige Gedanke, der ihn nervös werden ließ war die Tatsache, dass er Aufregung und Freude dabei empfand das alte Land mit seinen Augen sehen zu können. Ein beschämender Gedanke, wo andere diese Freude nicht erleben konnten… Sein Abenteuerherz blühte auf, weil er Hyrule erleben würde. Weil sein innigster Wunsch in Erfüllung ging. Und weil Zelda, das Licht seines Lebens, ihn begleiten würde.

Zufrieden ergänzte er die Liste, in seinen tiefblauen Augen ein übernatürlicher Funke von Ehrgeiz, Hoffnung und Stolz. Es schickte Zelda in ein Gänsehaut produzierendes Entsetzen diesen Funke in ihm zu spüren, das Glitzern in seinen Augen… Und auch sie erkannte es. Gerade jetzt, weil dieser untrügliche Ehrgeiz Links durch den Raum schwappte. Ja, Link war er selbst… er war so unglaublich auserwählt für diese Mission.

Zelda beobachtete ihn, wie er konzentriert die Liste vervollständigte, sie überflog die Stichwörter… Zelt, Schlafsäcke, Waffen, zusätzliche Decken, Winterkleidung für Zoras Reich, leichte Kleidung für die Wüste, Taschenlampen, Medizin, Zahnbürste und Zahnpasta, Büchsen mit allerlei Proviant, Unmengen von Flaschen mit Wasser, Tee, vakuumiertes Fleisch und Brot, Eingekochtes, Werkzeuge. Und das war nur ein Teil…

Wenn die Weisen den Zugang nach Hyrule freilegen würden, so war ohnehin ungewiss, wo Zelda und Link als erstes landen würden. Es war alles verdammt ungewiss. Also mussten sie auf alles vorbereitet sein. Auch wenn sie womöglich, was das erstrebenswerte Ziel war, im Schloss ihre Reise beginnen würden, so mussten sie sicher gehen nicht von unvorhersehbaren Ereignissen überrascht zu werden.
 

„Das ist das Nötigste“, begann Link mit einem tiefen Atemzug und deutete auf die Liste. „Und das ist nur ein Anfang.“

Zelda blickte schräg an ihm vorbei, ihre saphirblauen Augen versanken irgendwo im Nichts. Der Heroe bemerkte ihre Unsicherheit, die Besorgnis, die tief in ihrer Seele steckte. Es war für Zelda der womöglich schwerste Schritt zurück in ihre Welt zu gehen, erinnert zu werden, dass Hyrule nur ein altes Land war, wo kein Leben mehr weilte. Erinnert zu werden an das Scheitern aller und Hyrule keine Chance mehr hatte… Und vielleicht war dies das Grausamste. Erinnert zu werden auch an die schönen Dinge ihrer Heimat, an magische Erlebnisse in Hyrule und an alles, was sie Heimat nannte…

Link sah seine Prinzessin erneut in ihrem Schwermut versinken, in einer Trübsinnigkeit, die sich schattenhaft über ihr Gesicht legte, bis sich dieser Schatten in ihre Augen zurückzog. Instinktiv griff er nach ihrer rechten Hand, beförderte sie aus diesem Zustand von Rückzug und suchte nach ein paar Worten sie an die Realität zu binden.

„So, dann verrate mir doch mal, wie wir das ganze Zeug mit uns herumschleppen wollen! So kommen wir doch nicht vorwärts“, maulte Link und klang dabei etwas kindisch.

Zelda versuchte es mit einem gutmütigen Lächeln, kaum sichtbar, aber es erfüllte seinen Zweck. „Lass dich einfach überraschen“, sprach sie. „Wenn wir in Schloss Hyrule starten werden, so wie es der Plan ist, dann habe ich eine nützliche Idee.“

„Gut“, erwiderte er. „Ich liebe Überraschungen.“ Zufrieden rollten die Worte über seine Zunge.

„Ich weiß…“, entgegnete sie und ließ ihre Augen auf der Liste ruhen.

„Du kennst mich wohl besser, als mir lieb ist.“ Er wollte sie weiterhin aufheitern, weil er spürte, dass sie sich in ihren Sorgen wog und schäkerte ein wenig.

„Besser, als mir selbst lieb ist…“, sprach sie dann und zwinkerte. Sie hatte sich verplappert, schon wieder. Seit wenigen Tagen kochten in ihr die alten Gefühle und brodelten so heftig, dass sie sich tatsächlich traute auf Links offenherzige Versuche sie zum Reden zu bringen, einzugehen. Das war nicht gut, dachte sie. Was immer auch Link mit der Nähe bezweckte, die er zu ihr aufbauen wollte, es war ihr nicht geheuer…

Noch immer konnte sie sich kaum vorstellen, dass er ihr gegenüber aufrichtige, schwärmerische Absichten hatte. Noch immer weigerte sie sich alles, was sie an Nähe zu ihrem Heroen erlebt hatte, in die Hoffnung auf eine Beziehung einzuordnen. Und Zelda hatte ihre Gründe, die vor allem in der Vergangenheit zu suchen waren.
 

Sie lächelten sich einige Sekunden schweigend an. In seinen Augen lag etwas, dass sie gerne darin sah, etwas unbeschreiblich Großherziges, dass zu der reinen blauen Farbe darin passte. Es schien, als grübelte er nach den richtigen Worten.

„Zelda… Ich wollte mich bei dir bedanken.“

Sie musterte ihn sorgfältig, aber der liebevolle Ausdruck in seinen Augen entging ihr einmal mehr. „Wofür?“

Er bewegte sich einige Zentimeter zu ihr heran und stützte sich leicht über den Tisch. „Für… für dein Verständnis“, brachte er über seine spröden Lippen, diese schönen Heldenlippen, aber dann schaute er verlegen weg. Als sie nicht das Geringste darauf sagte und ihn immer noch voller Verwunderung anschaute, diese zu einer wunderschönen Unschuld gezeichneten Gesichtszüge, wanderten seine Augen ebenfalls wieder zu ihren.

Ihre Blicke näherten sich ein wenig, und noch ein wenig, träumten stillschweigend in ihren Wünschen, fühlten sich beide verschränkt, rutschten gedankenlos weiter aufeinander zu, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren…

Es war ein übersinnlicher Magnetismus, dachte Link. Und er konnte dagegen rein gar nichts tun, in diesen ineinander verwirbelten Momenten, berührten sich ihre Seelen, er wusste es, und konnte es kaum in Frage stellen, noch sich wundern. Zelda war so nah, wenn sie einander in diesem Gefühl trafen, dass auch sie nicht entkommen konnte.

Seine warme Hand legte sich fast automatisch auf ihre rechte, samtige Wange und streichelte darüber, bis Zeldas Augenlider niedersanken und sie sich mehr und mehr an seine Hand schmiegte. Diese tröstende, warme Hand. Diese vertraute Haut…

„Zelda…“, und auch diese melodische Sprache lullte sie ein und machte sie schwach. Warum nur sprach er ihren Namen so magisch, so, wie niemand sonst. Es war absolut unfair. Ihre Augenlider flatterten nach oben und auf ihrer Zunge hatte sie nur einen Wunsch, den sie aussprechen wollte und es doch nicht konnte.

„Ich kann nicht behaupten, dass ich den Gedanken Hyrule zu entdecken als ängstlich empfinde… ich bin nicht ganz im Reinen mit mir, weil ich Aufregung und Freude dabei empfinde mit dir nach Hyrule zu gehen, obwohl nichts hier aufregend und toll ist.“

Sprachlos lauschte sie diesen aufrichtigen Worten und wünschte sich ihm die Zweifel zu nehmen. Link schämte sich dafür, dass für ihn ein Traum in Erfüllung ging, während kein Mensch mehr irgendwelche Träume in dieser Welt haben durfte. Damit erhob er sich, riss sich aus dem verschränkten Blicken los und fuhr sich frustriert durch das viel zu lange, wilde Haar.

„Dieser Zeitpunkt… All die gestorbenen Menschen in diesem Grab der Welt. Ausgerechnet hier habe ich die Chance Hyrule zu sehen, es zu erleben, unter meinen Füßen zu spüren…“ Dann wand er sich zu ihr und lächelte halbherzig. „Verdammt, Zelda, ich freue mich wahnsinnig auf Hyrule.“

Sie nickte schwach, erhob sich ebenfalls und trat erneut in sein Gesichtsfeld. Sie fing seine Sorgen auf mit weichen Blicken aus ihren Seelenspiegeln und lächelte traurig, aber sie sprach kein Wort. Es war nicht an ihr seine Wünsche zu beurteilen. Alles, was sie empfand, war Verständnis.

„Und weißt du…“, murmelte Link dann und berührte Zeldas Wangen mit seinen leicht rauen Händen erneut. Mit einem Seufzen wich sie zurück, nicht sicher, was er wollte und erwartete. Aber sie war sich zu oft nicht im Klaren, was Link von ihr erwartete…

„… weißt du, es bedeutet mir sehr viel…“ Er legte den Kopf leicht schief, suchte ihre müden, glasigen Blicke. Wenn er sie so berührte und so zärtlich sprach, glaubte sie ohnehin nicht mehr, dass sie seine Worte verstehen konnte. Alles an Link wirkte gerade wie eine weiche Decke, die sie einlullte. „Himmel, Zelda, ich bin so dankbar, dass ich mit dir nach Hyrule gehen kann.“
 

In dem Augenblick kam Impa in den Raum und schnell war das, was hätte geschehen können aus den Gedanken verbannt. Link wich zurück, wissend, er hätte beinahe noch mehr gesagt und schaute dümmlich an die Decke.

Die einstige Shiekahfrau trat sich mit einem Seufzen zu den beiden an den riesigen Tisch. Sie blickte drein, als hingen die erdrückenden Schatten vergangener Shiekahführer über ihr.

„Ist irgendwas nicht in Ordnung“, meinte Link. Er fühlte sich verdutzt, etwas unpässlich und fragte sich für die Kürze eines Augenblicks, ob es ihm in Hyrule möglich sein würde, Zelda endlich das zu sagen, was er seit Tagen vor sich herschob. Und Zelda sah ihm an der rotgefärbten Nasenspitze an, dass er etwas verschwieg. Aber sie entschied sich höflich nicht nachzubohren.

Aufmunternd blickte Impa auf: „Nein.“ Das kurze, schlichtende Wort kam klarer und abgebrühter hervor als erwartet. „Zumindest soweit wir sagen können, ist alles für eure Reise in die Wege geleitet… Ist das eure Liste?“ Sie vermied ihre eigenen Sorgen und Ängste zur Sprache zu bringen. Aber Impa machte sich Sorgen, nicht um Link, denn sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er in der Lage war diese Mission zu überstehen. Bei allem, was er in den letzten Wochen durchgemacht und daran gereift und nicht zerbrochen war, gab es für sie keinen Zweifel daran.

Aber die einstige Hofdame und Ziehmutter Zeldas machte sich massive Sorgen um ihren Schützling. Nicht darum, dass Zelda hilflos war. Nein, Impa wusste um ihre kämpferische Seite, die sie auch zeigen konnte. Aber sie sorgte sich um Zeldas seelisches Wohl, um die frostige Natur, die oft genug zum Vorschein kam. Ob Link ihre Verbitterung aushalten würde? Link, dieser hoffnungsvolle Mut in Person?
 

Impa schüttelte den Kopf und überflog die vielen Anmerkungen. „Das hört sich gut an… Also, dann.“ Mit strengem Blick sah sie auf. Ihre rubinroten Augen schillerten in einer Erbarmungslosigkeit, die sogar Link erschreckte. Ob er damals vielleicht sogar Angst vor Impa empfand, fragte er sich. So wie Sara, die ebenfalls nur bedrohlichen Respekt in Nähe dieser Shiekahmeisterin spürte.

„Ich möchte euch beiden aber noch einiges klar machen. Wenn ihr in Hyrule seid, ist das kein Zuckerschlecken. Ihr werdet dort auf euch ganz alleine gestellt sein. Außer einigen Tieren und Pflanzen gibt es dort kein Leben, insofern wir es schaffen die Lebensenergie der alten Welt anzufachen…“

„Das wissen wir, Impa“, sagte Zelda, leicht verdrießlich. „Wir werden vorsichtig sein.“

„Wie genau wird das funktionieren“, sprach Link schließlich neugierig. Noch immer war ihm nicht ganz klar, wie es sein konnte, dass Hyrule irgendwo noch da war, aber dennoch verblasst wie eine Insel im Nebel. „Ich meine, Hyrule wiederherstellen?“

„Link, du musst wissen, dass die Weisen maßgeblich an einem Gleichgewicht von Hyrules Energien beteiligt sind… wir können dieses Energiegefäß anfüllen, aber mehr auch nicht. Hyrules Leben war und ist an das Triforce gebunden, was jedoch damit ist…“

„… weiß niemand, korrekt?“ Link erinnerte sich an Gespräche mit Sian über dieses Thema.

„Reicht dir das als Antwort?“ Impa wartete jedoch nicht so lange, bis Link diese Tatsache bestätigte. „Außerdem ist uns nicht klar, ob Ganondorf vielleicht nicht doch einen Weg in das alte Land finden könnte. Es besteht die Gefahr, dass er seine Scharen auf euch hetzt.“ Impa verschränkte die Arme, aber ihr Blick an Zelda gerichtet verriet mütterliche Gefühle.

„Impa, bis jetzt hat er keinen blassen Dunst von unseren Plänen. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß“, sprach Zelda, noch verdrießlicher als gerade eben. Sie scheute es darüber nachzudenken.

„Dennoch… ich habe ein sehr ungutes Gefühl“, sprach Ines.

„Es ist ja verständlich, Impa…“, klinkte sich Link in die Unterredung weiterhin ein. Es war seltsam den wirklichen Namen der Direktorin Schattener auszusprechen. „Wir sind uns bewusst, wie viele Gefahren in Hyrule lauern könnten. Und… wir sind die ersten, die eine solche Reise wagen. Da sind Sorgen sicherlich berechtigt.“ Link fragte sich, wozu er sich überhaupt begann zu rechtfertigen.
 

Zelda erhob sich, machte mit energischen, zickigen Blicken deutlich wie wenig sie von einer solchen Unterredung hielt und kramte in einer Truhe zwei Rucksäcke und einige Reisetaschen hervor. „Wie auch immer. Wir müssen jetzt die Sachen packen. Die Zeit ist ohnehin schon zu knapp.“ Link spürte ihre Ungeduld und ihre Frostigkeit, ahnend, es steckte nicht nur die Notwendigkeit ihres Aufbruchs und die Weltenrettung dahinter. Einmal mehr konnte sich Zelda auf Gefühle von Besorgnis nicht einlassen und verwechselte diese mit Bevormundung und Infragestellen ihrer Stärke…

Impa schüttelte ihren Kopf, ein verräterischer Blick der Besorgnis aus ihren Augen verfing sich in Links Seelenspiegeln, grub sich in seine Gedanken. Dann seufzte sie und deutete mit Blicken auf Zelda, die sich darum kümmerte ihre Taschen zu packen. Und Impas Gestik erzählte ihm ohne Worte von einer weiteren Schwierigkeit, die er in Hyrule erdulden musste… Link verstand die wortlose Botschaft auf Anhieb und nickte dann. Auch er erhob sich, half Zelda mit einem aufmunternden Blick die Taschen zu packen und weitere Vorbereitungen zu treffen…
 

Die Entschlossenheit der Krieger, die sich alle im großen Aufenthaltsraum versammelten, überlagerte jedes andere Gefühl, nun, da die Rettung der Erde in die entscheidende Phase ging. Ernst und mit tiefen Atemzügen erhoben sie sich, standhaft, räumten sie die letzten Zweifel des Planes aus. Eine sich wie schwelender Dampf anfühlende Stimmung hing über den Köpfen der Auserwählten, Nervosität und Aufregung, hier, wo ein Spiegel die Pforte in ein altes, verlorenes Reich öffnen sollte. Ein Duplikat von Leons Spiegel, von wo aus er Hyrule zu jeder beliebigen Stunde beobachten konnte, thronte in der Mitte des Raumes. Einer von wenigen magischen Gegenständen, die wie von Geisterhand in der fortschrittlichen Erdenwelt verweilten. Link hatte aufgegeben sich über diese Geheimnisse der Welt zu wundern, zumal er wohl niemals alle Rätsel in diesen Zusammenhängen lüften konnte. Es würde nur seine Gedanken sprengen und ihm unnötig Energie kosten. Dennoch war es verblüffend. Als wäre da eine unsichtbare Hand des Schicksals, die dafür sorgte, Geschehnisse zur rechten Zeit wie Puzzleteile aneinander zu setzen. Und alles, was er als Held der Legenden nun tun konnte, war einfach zu staunen…

Zu staunen über alles, was hier passierte.

Über das zu staunen, was das Leben für ihn bereit hielt.

Und zu staunen über das gigantische Abenteuer, von dem er Teil war.

Er lächelte an dem Gedanken, lächelte trotz der Verluste und der Apokalypse.

Es war ein wunderbarer Irrsinn. Gerade jetzt fühlte er sich als der Held, der er sein musste.
 

Die geheimnisvollen, schwarzen Bilder, die Link vor wenigen Stunden beschafft hatte, wurden in etwa drei Meter Entfernung in Richtung des Spiegels aufgestellt. Beide Auserwählte standen mit ernstem Blick, vollgepackten Rucksäcken, zwei riesigen Taschen gefüllt mit Essen und ihren Schlafsäcken vor dem pyramidenähnlichen Spiegel, blickten durch dessen nebulöses Glas, versuchten die Landschaft dahinter zu erkennen. Noch gab sich das alte Land nicht preis, noch ruhte es friedlich…

Zelda umklammerte das Medaillon der Mächtigen mit ihrer einen Hand. Beschwörend baumelte es um ihrem Hals. Ja, sie war aufgeregt, konnte nicht definieren, wie sie sich fühlen sollte… Zurückzukehren in ihre alte Heimat erfüllte sie mit einer Unsicherheit und Ängstlichkeit, die ihr vorher nicht bewusst war. So lange schon sehnte sie sich nach zuhause… sehnte sich nach der alten Zeit, auch wenn alles in der Vergangenheit mit Hürden gepflastert war. Aber gerade jetzt empfand sie eine erstarrende Zurückhaltung an dem Gedanken dort in ihrer Heimat an alle unerfüllten Wünsche und Hoffnungen erinnert zu werden. Und natürlich bereitete ihr Links permanente Anwesenheit, obwohl sie sich in seiner Gegenwart beständig und sicher fühlte, dennoch Nervosität. Wenn sie ständig aufeinander hockten, wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Gerade nach den Wochen von Missverständnissen und unausgesprochenen Gefühlen? Zu wissen, dass er drei Wochen lang immer in ihrer Nähe sein würde ohne Rückzugsmöglichkeit ließ ihr den Magen in unruhigen Gefühlen zerspringen und die Knie schlottern…
 

Gerade da drückte er ihre Hand in seiner, katapultierte sie aus ihren Grübeleien und warf ihr ein zögerliches Grinsen entgegen. Er spürte ihre Nervosität und Aufregung sicherlich, aber ihm war fremd, dass er die Ursache ihrer Unruhe war… Sie seufzte, schloss die Augen um sich zu sortieren.

Sie drehten sich beide noch einmal um, sahen traurig in die Augen der anderen, nicht sicher, ob sie jemals wiederkehren würden, aber mit Hoffnung im Herzen, sprachen leise Worte des Abschieds. Tröstende und hoffnungsvolle Worte unterlegt mit tiefsinnigen Blicken in die Augen derer, die mit ihnen gegen den Wahnsinn Ganons kämpften. Link lächelte seiner Prinzessin noch einmal ermutigend entgegen und richtete wenige Worte an die Menschen, die noch immer hier waren, die ihm so viel bedeuteten. Und doch konnte er die Worte kaum intensivieren. Sie spürten es alle gemeinsam, eine erdrückende Melancholie, dass es vielleicht das letzte Mal sein konnte, dass sie einander sahen. Umarmungen folgten, Gesten des Abschieds, aber auch Hoffnung und tapfer lächelnde Gesichter.

Denn der entscheidende Moment war gekommen. Die Zeiger der Uhren bewegten sich langsamer, ein Erstarren der Zeit vor Ehrfurcht. Die Energien der Weisen begannen die Elemente zu durchströmen, begannen jedes Atom mit Knistern zu erfüllen. Die Zeit zollte Respekt, hier, alsdann in wenigen Augenblicken eine gewaltige Kraft hervorbrechen würde, die den unmöglichen Weg in ein altes Land ebenen konnte. Eine unschlagbare Kraft des Guten, die Kraft der Weisen Hyrules.

Sie alle, sieben an der Zahl, schlossen die Augen, falteten ihre Hände und murmelten Worte, die ein Beobachter nicht verstehen konnte… Ein Murmeln, ein Raunen und ein Brüllen in den Worten der vergessen Welt des Triforce. Worte in Hylianisch, klingend nach unsterblichen Melodien, sanftmütig, geschmeidig kitzelten die Worte die Ohren.

Die Gebete der Weisen durchdrangen die Dimensionen, schufen Wege, die sonst im Nebel lagen, Wege, die in den Gesetzen des Lebens nicht erlaubt waren. Aber was war am Abgrund der Welt schon erlaubt? Welche Gesetze erfuhren noch Berechtigung in Zeiten der Apokalypse?
 

Die Sieben öffneten gleichzeitig ihre Augen und konzentrierten ihre Kräfte auf jenen Spiegel, in einem Moment gesegneter Erscheinung, einem ehrfurchtvollen Augenblick, als die Zeiger der Uhren ihren Rhythmus stoppten. Und jene schwarzen Bilder, noch immer ungewiss ihre Herkunft und Bewandtnis, fungierten als die Energiegefäße, die der wissende Junge im grünen Gewand Zelda prophezeit hatte. Sie glühten, pulsierten in sattgrün und saphirblau, leuchteten mit einer Hoffnung, die alle Anwesenden in ihren Zielen stärkte. Ein wärmendes Licht zimmerte eine weitere Hoffnung in die Gesichter der einstigen Krieger, ein Licht, das erstrahlte als Vorbote des Weges, den Zelda und Link zur Rettung der Welt bestreiten würden. In einem vibrierenden Farbenspiel, mitreißend und erfüllend, trafen die unsichtbaren Kräfte der Weisen die matte Oberfläche des magischen Spiegels und das grünlichblaue Licht der Bilder vereinte sich ebenfalls auf der silbrigen, sich wie Wellen bewegenden Oberfläche. Summend werkelten die magischen Böen auf der Oberfläche des Spiegels, schufen eine Brücke der Dimensionen, eine Brücke der Zuversicht.

Bedacht legte Zelda ihre rechte Hand auf das matte Spiegelglas, spürte es schmelzen, spürte es schwanken. Ein überwältigendes Gefühl durchströmte ihre Hand, schritt voran über ihren Unterarm und ließ sie ein Erstaunen entwickeln, das sie lange nicht in dieser Ausdruckskraft wahrgenommen hatte. Sie kam nach Hause… Endlich spürte sie die Mächte der alten Welt einmal mehr in ihrer greifbaren Nähe, spürte neue Stärke und ihren eigenen Willen auflodern. Es funktionierte… Sie spürte es mit geweiteten Augen und rasendem Herzen. Die Brücke nach Hyrule funktionierte. Und noch im selben Augenblick, ohne weiteres Zögern, verschwanden Zeldas rechte Fingerspitzen hinter der silbrig schillernden Oberfläche.

„Ich danke Euch… allen für diese Chance“, sprach sie leise und richtete ihren Blick auf ihren Heroen. „Lasst uns kämpfen.“ Weitere Worte des Abschieds folgten, vor allem Zeldas Vater ließ Worte der Zuneigung über seine Lippen gleiten, für die er nie die Kraft oder den Anstand hatte. „Sei vorsichtig, meine Kleine…“, sprach er, worauf Zelda ein weiteres Nicken zuließ. „Ich werde hier auf dich warten… wenn ihr beide nicht rechtzeitig zurückfindet, werden wir Sian zu euch schicken.“ Sowohl Zelda, als auch Link entgegneten zuversichtliche, ermutigende Gesten, Blicke voller Tatendrang und Tapferkeit. Dann endlich verabschiedete sich Zelda mit leisem Lebewohl auch von den anderen, allen voran von Impa. Ihrer Zofe, von dem Menschen, der ihr immer beigestanden hatte. Sie schenkte Impa keine Umarmung, und dies war auch gar nicht notwendig. Ein neues Leuchten in Zeldas saphirblauen Augen war das Beste, was Impa in den letzten Wochen wahrgenommen hatte…

Link trat noch einmal zurück zu Sara, umarmte sie innig, mit dem tiefen Wunsch ihr nach den drei Wochen heil und unversehrt zu begegnen. „Ich komme zurück, das weißt du“, murmelte er.

„Ich weiß“, entgegnete sie und lächelte tapfer. Auch Sara war einfach nur unglaublich, sie ertrug das alles hier, diesen Alptraum mit so viel Fassung, dass Link nichts anderes als Stolz empfand.

„Mach’s gut, Schwesterchen“, murmelte Link und blickte dann endlich nur nach vorn, trat zu seiner Prinzessin heran, suchte ihre Hand und fand in jener ach so unschuldigen Berührung dieser einmal mehr das alte Band der Auserwählten erstarken. Die Prinzessin und der Held schritten dahin, blickten nicht zurück und durchquerten die magische Pforte in eine andere Welt. Endlich kämpften Prinzessin und Held gemeinsam so wie in den alten Schriften Hyrules gegen die Bedrohungen… Endlich begann das Abenteuer in Hyrule.
 

Das Material der Pforte fühlte sich kühl an, durchdrang die Haut mit einem unangenehmen Ziepen, ein Vorgeschmack auf verändertes Empfinden in einer Welt, wo die Luft anders schmeckte, das Gras unter den Füßen bezaubernd raschelte und selbst der Wind ein Lied sang, das auf der Erdenwelt vergessen ward. Stetig stiegen die Auserwählten hinein, immer weiter in einen alten Traum, suchend nach ihrer Bestimmung. Und jeder Atemzug fühlte sich leichter an, als wäre die Luft gewebt aus tanzenden Elementen, jedes Empfinden auf der Haut kitzelte verborgene Sehnsüchte und schmolz dahin, verband sich mit der wässrigen Flüssigkeit der Pforte… Immer noch war es kaum zu realisieren für den Helden der Erdenwelt, kaum zu begreifen, dass sie es wirklich taten. Sie kehrten heim, zurück in die Welt ihres Ursprungs, sie kehrten in die Vergangenheit…
 

Mit einem rauschenden Ploppen sackten Link und Zelda Hand in Hand auf steinernen Boden, der sich noch kälter als die Durchquerung des magischen Spiegelglases anfühlte, hart und unbequem. Blinzelnd nahmen sie die Umgebung war, verdreckt und dunkel, ein Raum mit rauschenden, klagenden Gesängen, das aus den Wänden echote. Link half seiner Prinzessin beim Aufstehen und versuchte gleichzeitig durch die Dunkelheit zu fokussieren. Das einzige Leuchten brach durch einen weiteren der Interdimensionsspiegeln, der hinter dem aufgeregten Pärchen den Raum noch geheimnisvoller machte.

„Weißt du, wo wir sind?“ meinte Link leise, stach mit seinen Augen zielgenau in jeden Winkel, entdeckte Umrisse von Truhen, Wandgemälden, wollte nur sichergehen, ob sie auch wirklich alleine waren. Er stoppte seine Worte an dem hallenden Klang, der ihm deutlich machte, dass sie in einem alten Gemäuer waren. Die Luft, etwas schwer und drückend, erinnerte ihn an so manches Untergeschoss.

„Ja, ich habe die Vermutung, wir befinden uns in einer der königlichen Schatzkammern…“ Zeldas Stimme endete in einem erleichterten Seufzer. Link versuchte seine Prinzessin in der Dunkelheit auszumachen, ihre funkelnden Seelenspiegel zu erblicken. Aber selbst er, wo er im Dunkeln eine gute Sicht hatte, scheiterte. Hier war nirgendwo ein natürlicher Lichtpunkt, kein Lichtstrahl verlor sich in diesen finsteren Ecken.

„Wir sind also vielleicht im Schloss von Hyrule? Echt krass…“ Er war einmal mehr überwältigt.

Die einstige Prinzessin tastete sich zögerlich voran, berührte rissige Holzkisten und suchte mit den Fingerspitzen nach Hinweisen. Tatsächlich spürte sie das alte Emblem des Triforce in verschiedene Materialien gefertigt. Selbst der glatte Steinboden verbarg Verzierungen alter königlicher Symbole der Adelshäuser. „Den Göttinnen sei Dank, dass wir das Schloss erreichen konnten. Ein erster Schritt in diesem Plan ist geschafft.“ Zeldas glockenhelle Stimme hallte hoffnungsvoll umher. Sie war sich nun beinahe sicher, dass sie einmal mehr zuhause war. Zuhause…

Zeldas Herz pochte mit bleiernem Schwermut je mehr die Erinnerung an ihre alte Heimat ihre Gedankenwelt flutete. So sehr hatte sie sich gewünscht nach Hause zu gelangen, dass sie die vielen Zweifel hierbei völlig verdrängt hatte. Sie hatte ihre Erinnerungen verdrängt, die vielen ungesagten Belange, die vielen leidvollen Erlebnisse…

Und mit Link hier zu sein machte diese Zweifel nicht leichter. Nicht nur, weil sie gegen das Böse kämpfen mussten. Eher, weil sie sich mit ihren Gefühlen für Link auseinandersetzen musste.

„Wenn alles gut läuft, sollten wir hierher zurückkehren…“, murmelte sie und atmete tief durch.

„Dazu müssten wir diese Schatzkammer erst einmal verlassen“, bemerkte Link ironisch.

„Das ist kein Problem.“ Ruhebewahrend kroch Zelda vorwärts, während der junge Heroe ihr folgte. Sie kannte alle Sicherheitsmechanismen in den Schatzkammern, alle Wege in den unterirdischen Labyrinthen unter dem Schloss. Anhand der Markierungen am Boden konnte sie mit etwas Konzentration den Ausgang erreichen. Und tatsächlich spürten sie beide nach wenigen Minuten mit sicherem Vorantasten eine hohe Pforte, für welche Zelda nichts anderes tun brauchte als ihre königlichen Hände anzulegen. Die alten Verriegelungen erkannten die Blutzugehörigkeit zu der hoheitlichen Familie Hyrules, weshalb sich mit einem raunenden Surren das steinerne Tor öffnete.
 

Beinahe magisch gab sich ein von brennenden Fackeln beleuchteter Korridor preis, gespenstisch kühle Gänge, wie von Zauberhand erleuchtet. Mit einem erleichterten Seufzen trat der junge Heroe vorwärts, nahm sich eine der Fackeln und leuchtete die Gänge hinab, bis das unruhige Fackellicht auf dem würdevollen Erscheinungsbild Zeldas liegen blieb. Zuerst konnte Link nicht zuordnen, was an seiner Prinzessin anders war. Und zuerst wollten seine menschlichen Augen nicht begreifen, dass sich für sie beide mit dem Eintritt in eine magische Welt wie Hyrule auch einiges am Erscheinungsbild und der eigenen Wahrnehmung ändern konnte. Aber dann endlich traute er seinen Augen, die ihren scharfen Fokus mit leichtem Schock auf Zeldas Ohren und ihre Haare richteten. Eine unsagbare Überraschung arbeitete in seinen tiefblauen Augen, wo sich das Fackellicht spiegelte. Eine Irritation, die ihre Fühler seine Kehle hinabschickte, sodass er mehrfach schlucken musste.

Sein rechter Zeigefinger wanderte zu Zelda, dann zu ihren Ohren. Es platzte aus ihm heraus: „Zelda. Du hast… du hast spitze Ohren… Und deine Haare!“

Sie fasste sich an ihre Ohren, fuhr an der langen Ohrmuschel entlang, mit einem zarten Hauch Genugtuung in ihren Gesichtszügen, aber es schien sie nicht sonderlich zu interessieren. Sie zuckte teilnahmslos mit ihren Schultern, grinste beinahe heimtückisch, bis sie kicherte. Sie hatte ihre hylianischen Elfenohren zurück, die langen Ohren der herrschenden Rasse hier in Hyrule. Jene Ohren, über die man sagte, dass die Hylianer damit dem Willen der Götter lauschen konnten. Und auch ihre Haare waren wieder blond, von der natürlichen Reinheit und einem beinahe göttlichen Glanz erfüllt.

Sie deutete dann auf Links Ohren. „Fühl mal selber“, sprach sie erheitert.

Link fasste sich irritiert an seine eigenen Ohren und stellte mit Entsetzen fest, dass auch er jetzt spitze Ohren besaß. Er konnte es nicht glauben, fühlte sich etwas unbeholfen an dem Gedanken und bekam große Augen. Langsam fuhr er sich an seinen Ohrläppchen entlang- eine interessante, merkwürdige, und doch unheimliche Erfahrung.

„Ich dachte, du liebst Überraschungen?“ sagte Zelda, erfreute sich noch kurz an Links verdutzten, ratlosen Gesichtsausdruck, lachte dann und meinte: „Komm’ hier entlang.“ Sie ging flugs voraus, in Richtung von steinernen Treppenstufen. Dumpf hallten ihre Turnschuhe auf dem steinernen Boden… und ihre Schritten verliefen mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre ihrer beider Eintritt in diese magische Welt das Normalste auf der Welt.

Erfüllt von Erstaunen und Verblüffung tapste der Heroe hinter seiner Prinzessin her, versuchte das Gefühl in einer anderen Welt zu sein in seinen Verstand zu lassen. Alles fühlte sich völlig gewöhnlich für ihn an, die Luft, die er atmete, fühlte sich gewöhnlich an, das Gestein unter seinen Füßen… völlig gewöhnlich. Was hatte er denn auch erwartet? Dass sich eine Erinnerung an die alte Zeit in ihm regte? Dass er anders empfand als auf der Erde?

Er seufzte und leuchtete mit der knackenden, versenkenden Fackel den Weg, versuchte wachsam zu bleiben und heftete seinen Fokus auf seine Prinzessin. Ihre eleganten, so absolut unbeeindruckten Schritte.

„Zelda… erklär‘ mir das… warum ändert sich unser Erscheinungsbild hier?“

Sie stoppte ruckartig, aber drehte sich nicht zu ihm. „Dass wir hier in Hyrule ein anderes Erscheinungsbild haben, kann nur eines bedeuten… Die alte Magie atmet noch… Hyrule atmet. Es atmet wirklich…“ Je länger sie sprach umso mehr erkannte Link eine Form von Euphorie in ihrer Stimme, die er von ihr nicht kannte. Zelda freute sich zurück in Hyrule zu sein, aber sie kaschierte es. Ob sie auch Zweifel hatte an die einstige Zeit erinnert zu werden, fragte er sich.

„Und warum hast du deine Naturhaarfarbe damit auch wieder?“, meinte er. „Ich meine, ich verstehe unsere spitze Ohren, aber dein wunderschönes… Haar…“

„Lass‘ uns weitergehen“, unterbrach sie ihn abrupt und marschierte stramm vorwärts. Link folgte irritiert, fragte sich, ob er etwas falsches gesagt hatte, aber versuchte das Gesagte nicht über zu bewerten. Unauffällig schlichen sie beide nach oben, während Link immer wieder an seine Ohren fasste. Er würde sich niemals daran gewöhnen…

Unzählige, schmale Treppenstufen geleiteten sie ins Erdgeschoss, wo weiße Lichtstrahlen durch riesige Fenster staubige Gänge fluteten. Riesige Gänge mit karminroten Vorhängen mit goldenen Triforceverzierungen, elegant und gepflegt, bis auf die Staubkörner, die in der etwas trockenen Luft tanzten und sich wie kleine Feen auf weiße Lichtstrahlen setzten. Reine Lichtstrahlen fluteten den hohen Innenraum, spielten mit funkelndem Glas von Spitzbogenfenstern. Lichtstrahlen… wie lebendige Wesen schimmerten sie durch die altehrwürdigen Gänge eines verlassenen Königsschlosses, erinnerten melancholisch an die Würde und Herrlichkeit, die dieses Gemäuer durchdrang. Link verharrte verzaubert in seiner Haltung, ließ die weißen Lichtstrahlen seine Netzhaut erfüllen… spürte das Licht seine Augen zu Tränen rühren.

Er hatte sich geirrt… Es war doch etwas Entscheidendes völlig anders als auf der Erdenwelt. Hinter den scheinbar gewöhnlichen physikalischen Merkmalen allen Seins ruhte es mit einer einnehmenden Verzauberung. Überall hier war eine uralte heilige Kraft spürbar, die Link beinahe knistern hören konnte. Dort in den weißen Lichtstrahlen lebte es… ein übernatürlicher Funke, der seine eigene Seele so tief berührte, dass es ihm Tränen in die Augen trieb. Hyrule lebte… Hyrule atmete… Das war es also, was Zelda meinte. Es war wie als wäre seine eigene Seele mit der des Landes verwoben, eine Verbundenheit flutete seine Sinne, die er auf der Erde noch nie gespürt hatte.

Er blieb so lange stehen, bis Zelda am anderen Ende des Ganges angelangt war. Erst dann wand sie sich zu ihm, berührt von seiner edlen Haltung, seinem konzentrierten Blick hinauf zu den Spitzbogenfenstern, hinauf zu den sanften Perlenketten reinsten Weiß. Link realisierte die Schönheit des Lichts… realisierte wie kostbar diese Lebendigkeit über die Welt fiel.

„Link… wir sollten nicht verweilen…“, sprach sie zögerlich, wollte ihn in seinem Zauber nicht stören. Langsam verlor sich sein Blick mit Milde auf ihrem, bis er die Augen schloss. „Es ist nur…“ Er seufzte und trat in Zeldas Richtung.

„… das Licht, es ist faszinierend. Nicht wahr?“ Zelda hob ihren Fokus ebenfalls in Richtung der Fenster. Ein sanftes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, da sie es nicht vergessen hatte. Da sie sich noch in allen Details an diesen Zauber erinnern konnte… und vielleicht auch, weil sie wusste… irgendwann würde Hyrule, genauso wie die Erde wieder in weißem Licht erstrahlen. Sie wollte es wissen, sie glaubte daran, hoffte, es würde eines Tages wieder ein Hyrule geben, in dem erstaunliche Geschöpfe lebten, in dem eine gerechte Königsfamilie herrschte, in dem das Licht über die Dunkelheit regierte… Ein Hyrule, das Chancen nicht brauchte.

„Ich habe mit allem gerechnet… mit einem Gefühl von Verzauberung, aber auch mit der Sorge, dass sich Hyrule für mich völlig gewöhnlich anfühlen würde…“, begann Link und schloss seine Augen einmal mehr um die richtigen Worte zu finden. „… aber dass ich wirklich spüren würde, dass Lichtstrahlen vertrauter auf mich wirken würden…“ Er hob seine Hände als wollte er die Lichtstrahlen auffangen, eine Aura der Unschuld umschloss den jungen Helden, verzauberte ihn für Sekundenbruchteile in jenen jungen Kokiri, den die Prinzessin vor einer gefühlten Ewigkeit im Schlossgarten antraf. Hier, nur wenige Hundert Meter außerhalb… hier… in der Heimat. Und schließlich wand sich Link in ihre Richtung, ein intensiver Blick aus seinem herben Tiefblau glitt in ihre Richtung, sodass ihr beinahe schwindlig wurde. Alles darin dröhnte vor Entschlossenheit. „Ich bin hier wirklich… zuhause“, sprach er leise, als könnte das Aussprechen dieser Wahrheit den Zauber vernichten.

„Das bist du…“, entgegnete sie, aber richtete ihren Blick rasch in Richtung hoher Eichentür. Sie spürte anhand der bedrückenden Stimmung in der Luft wie wichtig diese Worte für Link waren und doch knallte ein unerschütterlicher, ungeduldiger Impuls in ihr nieder, der sie ausweichen ließ. Sie durften hier nicht verweilen, war alles, woran sie dachte… und vielleicht machte es ihr auch ein wenig Angst, wenn Link versuchte mit ihr über Inhalte aus der Vergangenheit zu sprechen…

Link nickte und folgte schließlich mit einem Gefühl von gnadenloser Überwältigung. Er war wirklich im Schloss von Hyrule, dachte er, und dachte es immer wieder um es zu verstehen. Er war in der Heimat seiner Seele.
 

Mit wachen Fokus durchquerten die beiden Heldengestalten einen funkelnden Ballsaal mit riesigen Balkonfenstern und dezentem Schmuck in den Farben der Drei Göttinnen, wo noch immer die Instrumente eines kleinen Streichorchesters auf der Bühne standen. Wo noch immer hylianische Speisen goldene Teller versüßten. Link hätte sich gerne noch etwas umgesehen, spürte aber, dass hinter Zeldas ungewöhnlich schnellem und strammen Schritt nicht nur Ungeduld und der beginnende Zeitdruck lag. Stur richtete sie ihr Haupt gen Boden als wollte sie sich mit der intakten Umgebung, die wirkte, als hätten vor wenigen Sekunden noch Menschen hier getanzt und gespeist, nicht konfrontieren. Hier in diesem Raum lebte etwas, das auch Link mit etwas Magendrücken spüren konnte. Hier lebte die Erinnerung…

Link saugte jedes Detail in dem Saal in sich auf wie ein Schwamm, versuchte zu erahnen, welche Menschen hier diese Feierlichkeiten besucht hatten, versuchte zu visualisieren, wie es für Zelda war in diesem Saal zu sitzen auf einem Podest, wo ein hoher Sessel für den König stand und daneben ein kleinerer für die Prinzessin. Ob Zelda hier getanzt hatte? Ob er in seiner vorigen Inkarnation ebenfalls hier anwesend war?
 

Schließlich folgten sie den Stufen einer steinernen, blankpolierten Wendeltreppe ins nächste Stockwerk. Eigenwillige Holzschnitzereien zierten die Wände neben Portraits und Waffen. Dumpf waren erneut ihrer beiden Schritte, das einzige Geräusch, welches in dieser leeren, totgeglaubten Welt durch das Residenzschloss der Königsfamilie hallte.

„Wohin gehen wir eigentlich“, sagte Link, der in jenem dunklen Aufgang verwundert auf die brennenden Fackeln blickte. So viel Zauber lebte hier mit einer Selbstverständlichkeit, die sein menschliches Erdengemüt sofort hinterfragte. Wie nur sollte er jemals nachvollziehen, wie sich das Leben hier für Zelda angefühlt hatte? Selbst diese winzigen Details erschienen ihm so überwältigend wie ein Sturm, der ihn erbarmungslos mitreißen würde.

„Ich möchte gerne in meine Gemächer gehen. Ich benötige von dort noch etwas und vor allem ein bequemeres Outfit…“ , sprach sie. Einmal mehr verweigerte sie bei den Worten einen Blick in ihre Augen.

„Was? Sind deine Jeanshosen und dein T-Shirt nicht bequem“, meinte der Heroe mit einem Schmunzeln, dachte aber ein weiteres Mal über Zeldas Worte nach.

Ihre Gemächer…

Ein nervöses Kribbeln schlich sich zunächst unbemerkt an der Innenwand seines Bauches entlang.

Zeldas Gemächer…

Ob er nicht lieber hier warten sollte? Ein Teil von ihm fühlte sich unpässlich, weil er ahnte eine intime Grenze zu überschreiten, wenn er ihr einfach folgte. Besaß er denn das Recht ihre privaten Räume zu betrachten?

„Falls wir dazu gezwungen sind kämpfen zu müssen“, begann Zelda, deutlich leiser als vorher. „… dann möchte ich lieber pragmatischere Kleidung tragen.“ Link seufzte nur, hoffend, es kam nicht zu dieser Notwendigkeit. Plötzlich stoppte Zelda ihren Schritt die Treppen hinauf, sodass Link beinahe an sie heranstieß.

„Da fällt mir ein…“ Sie drehte sich zu ihm und musterte ihn von oben bis unten.

„Was?“, sagte Link forsch, dem es etwas widerstrebte, wenn Zelda ihn auf dies Art und Weise begutachtete. Nicht, dass es ihm unangenehm war… eher zu intim war das, was er sich davon versprach, wenn sie seinen Körper begutachtete.

„Ich habe noch eine grüne Tunica für dich, wenn du Lust hast dein altes Outfit mal anzuprobieren“, sprach sie und biss sich ganz kurz, so kurz dass man es kaum bemerken konnte, auf die Unterlippe.

„Äh… lass mal lieber. Ich denke nicht, dass ich mich damit besonders wohlfühle…“ Einmal mehr wich Links beschämter Blick zur Seite. Obwohl er akzeptierte der legendäre Heroe zu sein, so war das Tragen einer grünen Tunika dennoch etwas beinahe Heiliges für ihn, etwas, wodurch er vielleicht nicht mehr zurück konnte, wodurch seine Bestimmung sich noch realer anfühlte.

Mit Links gefühlter Ablehnung, was die grüne Tunika betraf, hatte Zelda eigentlich nicht gerechnet, aber sie beließ es dabei und sprach floskelhaft: „Es ist deine Entscheidung…“ Damit lief sie zügig weiter die Treppenstufen hinauf.

„Zelda?“, meinte Link dann und griff nach ihrer Hand. „Warte kurz…“

Sie schluckte, spürte eine Aufregung in der Luft, die ihr Gemüt verunsicherte.

„Wie kommt es eigentlich, dass du eine grüne Tunica besitzt?“ Mit dieser Frage hatte Zelda keineswegs gerechnet und sie musste zugeben, dass sie die Antwort darauf lieber für sich behalten wollte. Sie löste ihre Hand aus seinem Griff, starrte in das rauchige Feuer einer Fackel und suchte nach einer Ausrede. Sie besaß eine grüne Tunica, die sie persönlich von Hyrules bestem Schneider herstellen ließ. Die Wahrheit war, dass sie immer mit einem Notfall gerechnet hatte, befürchtet hatte, Link schwerstens verwundet irgendwo aufzufinden. Er war damals die rastloseste Person gewesen, die es in Hyrule gab. Ein Wanderer. Ein unerbittlicher Abenteurer. Ein Kämpfer, dem es widerstrebte sich länger als ein paar Tage irgendwo aufzuhalten. Alles, was er damals verinnerlichte, war die Suche nach dem Abenteuer, sich nützlich zu fühlen, dem legendären Titel Held der Zeit gerecht zu werden. Aber Link hatte nie darüber nachgedacht, was gewesen wäre, sollte ihm etwas zustoßen. Und obwohl herbe Wunden mit den massivsten Einschränkungen vielleicht sogar unausweichlich waren, so hatte Link niemanden beauftragt, sich um seine Belange zu kümmern. Und vielleicht war da auch niemand, der es konnte.

Niemand außer Zelda…

Sollte er jemals Pflege benötigen, gerade deshalb besaß sie seine Tunika.

Aber das war nur die halbe Wahrheit.

Ein leichtes Kirschrot zierte Zeldas Wangen, als sie weiter trat.

Die grüne Tunika war das einzige Verbindungsstück zu ihrem Heroen, das sie an Nähe für sich selbst rechtfertigen konnte. Ein einfaches Kleidungsstück, das sie an ihn erinnerte, weil es so typisch für ihn war. Ein Stückchen Leinen, das sie in ihren privaten Gemächern verstecken konnte…

„Also… Ich weiß gar nicht mehr so genau, weshalb ich eine grüne Tunica in deiner Größe besitze…“, sprach sie, und ärgerte sich im selben Augenblick über ihre ungeschickte Wortwahl. Wie auffällig wollte sie das noch formulieren? Sie musste sich nicht einmal zu ihm drehen um zu bemerken, dass er sie mit Verwirrung musterte.

„Na dann“, entgegnete Link verdutzt, weil auch er nicht wusste, wie er diese Information deuten sollte. Link wusste nur, dass sie log. Ließ es aber dabei, sie deswegen auszufragen. Er wusste um Zeldas Natur, ihre inneren Kämpfe, und er ahnte allmählich die vielen Schatten, die in ihrer inneren Welt an ihren Kräften zehrten. Egal, welche Ausrede von ihren Lippen erklang, egal, welche Geheimnisse in ihren wunderschönen Augen um Beachtung rangen, er wollte geduldig bleiben, wollte ihr vertrauen. Er hoffte bloß, er schaffte diesen Anspruch an sich die nächsten Wochen durchzuhalten.
 

Sie erreichten das Ende der Wendeltreppe, vor ihnen eine Tür mit goldenem Rahmen und mit Blattgold verziertes Abbild der Schutzgöttin Hylia erschuf eine strenge Bedeutungsträchtigkeit der vor ihnen liegenden Gemächer. Das Abbild der weißen Gottheit verriet in ihrer öffnenden Haltung ein Willkommen und beschrieb mit einem würdevollen Blick dennoch den notwendigen Respekt. Einmal mehr öffnete sich die Tür durch die Berührung Zeldas, gab einen von Licht durchdrungenen Wandelgang preis. Ein Gang nur aus Glas… wie eine kristallene Brücke zu dem eigenem Reich der Prinzessin… Als Zelda voran marschierte, fühlte sich der sonst so taffe Heroe beinahe schwindelig, aber nicht, weil ihre Gemächer vor ihnen lagen, sondern, weil dieser gläserne Wandelgang in der Höhe des Schlosses einen unbeschreiblichen Blick auf die Welt bot, die wie ein Gemälde vor seiner Nase lag. Geküsst von satten Lichtstrahlen erhoben sich die wie grüner Samt schimmernden Hügel der hylianischen Steppe, flossen wie Wellen im Spiel mit Wind und weißen Wolkenformationen in Richtung von Sonne bemalter Gebirge… Vegetation und kristallene Flüsse und Seen vereinigten sich mit den Bergen zu einer majestätischen Reinheit, füllten die Welt mit verspielten Bewegungen. Der Heroe konnte sich kaum satt sehen, denn er hatte davon geträumt diese Welt zu erblicken, hatte gehofft und darauf vertraut. Aber diese unberührte, kraftvolle Natur überschwemmte alle seine Erwartungen. Überall in dieser Märchenwelt blühten Abenteuer in Gestalt wildester Geheimnisse. Überall war hier etwas zu entdecken… selbst die Wiesen in der Nähe des Schlosses streckten zarte Fühler nach ihm aus, riefen ihn es sich im schmeichelhaften Duft hylianischer Gräser bequem zu machen, sich verzaubern zu lassen…

„Hyrule…“ Links sonst so beherrschte Stimme stockte. „Es ist so… lebendig…“

Der Erdenbewohner legte seine Hände an das starke kristallene Fensterglas und erstaunte immer mehr. Er begann zu lächeln, warmherzig, mit einer herzensbrecherischer Schönheit in seinen glatten Gesichtszügen. Die Bilder wilder Natur brannten sich in seinen Geist und ließen ihn eine vergessene Liebe spüren, ein sehnsuchtsvolles Pulsieren in seiner Brust. Dann strahlte er Zelda entgegen… Und das Glück in seinen tiefblauen Augen ließ sie ebenfalls ein wenig Glück spüren.

„Die Steppe ist ja der absolute Wahnsinn“, sprach er und grinste breit. Wie ein kleiner Feenjunge. In diesen zu Herzlichkeit verträumten Gesichtszügen lebte der junge Kokiri von damals noch.

Etwas zögerlich nahm die Prinzessin an Links Ausblick teil, verlor sich ebenfalls in den malerischen Weiten… Nicht weit entfernt auf der Steppe, wo ein zerrütteter Grenzposten als Zeuge alter Schlachten diente… genau dort blühten knorrige Apfelbäume, die immer noch Früchte trugen. Sie erinnerte sich daran, dass sie dort als kindliche Prinzessin mit einem scheuen Jungen aus dem Wald verstecken gespielt hatte. Dort, wo vor steilen Händen kristallklare Flüsse in sandiges Gestein preschten. So viele Orte entdeckte sie mit flüsternden Erinnerungen je weiter sie blickte…

„Link…“, sprach Zelda dann, und zeigte mit ihren Fingerspitzen in Richtung Canyon. In diesem malerischen Bild für die Trägheit von zerwühlenden Momenten kroch etwas Nebliges, Düsteres dahin, nahm Teile von Gebirgen, Flüssen und Seen gefangen und zog dann geschwind weiter. „Siehst du das…“ Sie schluckte und erstarrte im selben Augenblick an einem alten Gefühl, das brennend und irgendwie beschmutzend in ihren Magen schlitzte.

Auch er erkannte eine trügerische Wand des Verblassens, die sich beinahe ruckartig von einem Gebirge zum nächsten zog. Die Königstochter beobachtete das sorgfältige und vorbereitende Nicken seines Kopfes und wusste, dass Link es verstanden hatte.

„Du weißt… was das ist, habe ich Recht?“

Und Link ahnte den grauenvollen Verdacht, als Zelda sich einmal mehr seinen Blicken entzog und sich abwendete. Obwohl die Weisen Hyrule mit ihren Kräften nähren konnten, sodass die beiden Helden ihre Mission voranbringen konnten, so war überall in Hyrule das Verblassen noch am Werk. Diese giftige Energie, die von den ranghöchsten Denkern Hyrules nicht erklärt werden konnte. Das also war das Verblassen…

Mit mulmigem Gefühl im Magen beobachtete der junge Heroe, wie dieses Gemisch von Auslöschung und Leere sich an die erstaunlichsten Formationen Hyrules heftete. Ob dieses Verblassen sich auch auf sie beide niedersenken konnte? Wie nur hatte Zelda in ihrer ewiglangen Existenz sich diesem Nebel entziehen können?

Mit ein paar schnellen Schritten trat Link an das Licht in seinem Leben heran, berührte ihre rechte Schulter vorsichtig und doch bestimmend. Er wollte ihre Nähe spüren, ihre Zweifel spüren… und auch etwas Trost spenden für das, woran sie dieser gewaltige Nebel erinnerte. Aber er spürte auch, dass sie dies kaum zulassen konnte. Nicht jetzt… nicht an diesem Ort.

Sie atmete seufzend, ein wenig wimmernd, unüberhörbar in Links feinem Gehör und marschierte stramm weiter.

„Bitte… wir sollten unser Ziel im Blick haben…“ Ihre Worte kamen so verzweifelt über ihre schönen Lippen, dass sich Link fragte, warum sie ihre Sorgen, Erinnerungen und Ängste weiterhin vor ihm kaschieren wollte. War es nicht verständlich, dass dieses Trauma ihr alles abverlangt hatte? Und war es nicht in Ordnung sich schwach zu fühlen, wenn man die Heimat untergehen sah?

„Komm‘ jetzt, Link“, sagte sie schließlich bestimmender, befehlender. Und er hoffte, dass es auch ein Befehl war ihr in private Gemächer zu folgen.

Ein letzter Blick aus seinen tiefblauen Augen glitt hinüber zu dem mysteriösen Gemisch aus Verblassen, welches verschwunden schien, aus diesem Gemälde geschlüpft war wie ein überflüssiger Tropfen Farbe. Und genauso wie es noch irgendwo war, so erstarkte in Links muterfüllten Blick das Versprechen auch gegen dieses Unheil anzugehen… Drei Wochen Zeit hier in Hyrule. Und er wollte sich selbst das Versprechen geben auch das Verblassen zu verstehen und für Hyrule einen neuen Weg zu finden.
 

Wenig später traten beide hylianischen Seelen am Ende des von Licht durchfluteten Wandelganges, jener Ort, der die Gemächer Zeldas hinter einem verzierten Eichentor verbarg.

„Hier ist… mein eigenes Reich…“, sagte Zelda und erlag einem ohnmächtigen Gefühl schmerzhafter Vertrautheit, als sie die goldenen, leicht abgeriebenen Türgriffe berührte.

Als Zelda das Tor mit einer raschen Bewegung aufzerrte und ohne Weiteres dahinter verschwand, stand ihr heldenhafter Begleiter wie festgemauert am Eingang, hin und her gerissen diese intime Grenze zu überschreiten… Aber alles, was er just in dem Augenblick wahrnehmen konnte, faszinierte ihn. Es war nicht die gigantische Größe eines unglaublich teuer und fein eingerichteten Empfangssaals mit bequemen Polstermöbeln und einem mit Triforcezeichen gravierten runden Tisch in der Mitte. Stühle mit hohen Lehnen und karminroter Polsterung, ein Sekretär, ein riesiger Kamin, der aussah als könnte er einen Hylianer beinahe verschlucken. Linker Hand führte ein roter Teppich zu einem großen Balkon und auch hier funkelte das weiße Sonnenlicht durch stabiles Glas, warf zarte Regenbögen in den Innenraum… Unmengen von Details sprengten den jugendlichen Kopf des Helden, die er kaum so schnell verarbeiten konnte. Er war wirklich hier vor Zeldas eigenen Räumen… ihren privaten Räumen… Ein Schaukelstuhl, ein Pult mit Spiegel, eine Bar… Der Raum war durch eine feine Glaswand mit goldenen Symbolen und Mustern im Glas von einer kleinen Bibliothek mit Schreibtisch abgetrennt. Link blickte durch das Glas und entdeckte mit seinen scharfen Augen Bücher mit seltsamen Schriftzeichen in den Regalen, hylianische Schriftzeichen, die sich seinem Verständnis entzogen… am Schreibtisch ruhten wissenschaftliche Untersuchungsobjekte bereit ein Forscherherz zu beflügeln.

Und ein weiteres Detail ließ ihn ein Lächeln über seine Gesichtszüge huschen. Zelda besaß einige Pflanzen in ihren Räumen… und drei große Vasen mit Blumen, die er noch nie gesehen hatte. Unter dem erstarrenden Zauber des Verblassens lebten diese sogar noch. Wunderschöne Blüten, die nach etwas rochen, was Link als Rose wahrnehmen würde.

Respektvoll sah er sich um, versuchte sich vorzustellen, wie es Zelda hier ergangen war… und ob sie Besuch in diesen luxuriösen Gemächern bekam. Und noch immer traute sich Link kaum über die Türschwelle. Selbst, als seine Prinzessin bereits durch eine weitere Tür verschwunden war. Selbst, als die Minuten zerrannen und es sich allmählich peinlich anfühlte vor den Gemächern zu warten, wollte Link ihr würdevoll Abstand lassen.
 

Zelda handelte währenddessen schnell und zielstrebig, durchwühlte eine alte Truhe in ihrem Schlafgemach nach Gegenständen, die für das Abenteuer in Hyrule nützlich sein würden. Da waren verschiedene Kräutertinkturen und Salben wie auch Elixiere, die an dem ein oder anderen Ort die Abwehrkräfte steigern konnten. Sie nahm Kampfkleidung daraus hervor, eine Karte Hyrules, und in den Tiefen der Truhe, gut versteckt und pflegsam zusammengefaltet, lag besagte grasgrüne Tunika, die sie für ihren Heroen hatte anfertigen lassen. Sie grinste ein wenig und nahm auch dieses Kleidungsstück an sich. Und sie huschte blitzartig zu einem Geheimversteck unter ihrem Bettrahmen, eines der vielen Verstecke, die sie selber in ihren Räumen eingerichtet hatte… auch wenn dies ihr eigenes Reich war, so fühlte sie sich niemals völlig unbeobachtet oder völlig sicher. Vor ihren Gemächern warteten immer einige Wachposten, ein Ritter war ihr immer als Schutz zugeteilt. Sich in Hyrule frei und unabhängig fühlen war für sie niemals möglich gewesen…

Mit einem Klacken öffnete sich das hölzerne Geheimfach und gab ein meerblaues Instrument preis, das teilweise in etwas schwarzen Stoff gewickelt wurde. Zelda lächelte und nahm auch diesen Gegenstand an sich, vertraute auf flüsternde Erinnerungsfetzen unterlegt mit magischen Melodien, die in ihrem Herzen erstarkten. Und dann endlich trat sie vor ihren Kleiderschrank, fuhr über ihre Gewänder mit leicht unruhigen Händen, fühlte den Gefühlen nach, wann immer sie eines der königlichen Gewänder trug, spürte in den alten Kummer hinein und zog schließlich einige Kleidungsstücke aus dem Schrank, die für Erkundungstouren und Ausritte gedacht waren. Und dann endlich wunderte sie sich, wo Link so lange blieb. Bestaunte er Hyrules märchenhafte Landschaft immer noch?
 

Sich mit beschämten Blicken am Kopf kratzend fand sie ihn tatsächlich noch an der Tür zu ihrem Empfangssaal und musste tadellos grinsen angesichts dieses fast erwachsenen Mannes, der sie unschuldig musterte. Dieser spitzohrige, hübsche Mann in seiner modernen Erdenbewohnerkleidung, Jeans, T-Shirt und lässige Kapuzenjacke, beladen mit Rucksäcken, Taschen, Rucksäcken und jeder Menge Proviant. Er sah gerade irgendwie verloren aus…

„Ähm… ich wusste nicht… also ist es denn in Ordnung für dich, dass ich deine Gemächer betrete?“ Er sprach die Worte so umständlich und eine auffällige Nervosität verratend, welche Zelda irritierte. War denn ein weiterer übertragener Sinn in seinen Worten?

„Es ist immerhin dein persönliches Reich…“, murmelte er weiter.

Einmal mehr wich sie dem Heroen aus, aber bat ihn schließlich herein, realisierend, wie unglücklich und holprig die nächsten Wochen werden könnten, sollten sie beide auf diese intimen Grenzen stoßen.

„Folge mir in die Bibliothek…“, entgegnete sie. Und sie war kühl… unglaublich kühl, dachte Link. Er lud die Taschen im Empfangsaal ab und folgte ihr durch das gläserne Labyrinth, beobachtete seine Prinzessin ein staubiges Buch aus dem Regal nehmen und sogleich fündig zu werden.

„Hier sind die Weisenstätten Hyrules beschrieben, genauso wie uralte Schreine, Tempel und untergegangene Gebetshäuser. Eine bessere Informationsquelle über den Aufenthaltsort der Elixiere werden wir in der Kürze der Zeit nicht finden können“, sprach Zelda klar und unmissverständlich.

Link aber seufzte. Es war nicht zu ändern, aber diese Aussicht gefiel ihm nicht. War alles, woran sie sich bei der Suche nach den Elixieren halten konnten ein altes, abgenutztes Buch? Einmal mehr knallte die winzige Chance diese Mission erfolgreich zum Abschluss zu bringen in seiner Gedankenwelt nieder, erzeugte Sorge und Unsicherheit.

„Link… wir wussten von Anfang an wie… schwierig diese Mission werden würde“, begann Zelda leise und faltete ihre Hände vor der Brust. Trübsinnig blickte sie zu Boden.

„Ja, das wussten wir…“, stimmte er zu. Zumindest… auch wenn diese Aufgabe zum Scheitern verdammt war, würden sie beide die letzten Tage mit dem Menschen verbringen, der ihnen wie nichts anderes am Herzen lag.

Die zweifelnden Gedanken verscheuchend trat sie vor ihren Schreibtisch und markierte die Weisenstätten auf der Karte, während Link sich voller Erstaunen die Bücher in Zeldas Bibliothek betrachtete. Er wusste, dass sie belesen und sehr klug war, aber dass sie tatsächlich ihren Alltag mit dem Studium alter Werke verbrachte, überraschte ihn. Dies war eine Seite an seiner wunderschönen Prinzessin, die ihm noch mehr gefiel. Sie war so unglaublich ehrgeizig, wenn es um Hyrule ging, so pflichtbewusst und stark.
 

„Hier. Nimm’ du sie. Ich habe die Stätten der alten Weisen darauf markiert, dort, wo wir mit guter Chance die Elixiere finden werden.“ Sie reichte dem verblüfften Link, der allmählich seine Sinne wieder unter Kontrolle hatte, die detailreiche, riesige Karte von Hyrule. Neugierig huschten seine Augen über die Markierungen, aber er konnte nichts davon entziffern, nichts verstehen. Die hylianische Sprache erschien ihm vollkommen fremd.

„Ich würde gerne die Kleidung wechseln… Mach’ es dir gemütlich. Ich bin gleich wieder da“, ergänzte sie und verschwand rasch durch die Tür am Ende des Zimmers.

Link ging der Aufforderung nach und begann es sich bequem zu machen, ließ sich in einen weichen Schaukelstuhl sinken, und lehnte sich entspannt zurück. Er schloss kurz die Augen, träge sank sein Körper in wohlige Sinnlichkeit. Und als er ein wenig in dem Schaukelstuhl wippte, verführte ihn die Geborgenheit, die seinen Körper überschwemmte, eine wundersame Erholung zu finden, die er lange nicht so erlebt hatte. Etwas an Hyrule… oder etwas in Zeldas Gemächern fühlte sich so unglaublich richtig und vollkommen an. Er wünschte sich im Augenblick nur eines. Wäre es nur möglich gewesen Hyrule unter anderen Umständen kennen zu lernen. Hyrule war wunderschön. Er spürte den Zauber dieser Welt immer stärker selbst in der Luft tanzen…
 

Als er begann zu gähnen, entschied er sich aufzustehen. Er konnte nicht jetzt schon damit beginnen zu faulenzen, eigentlich sollten sie beide mit dem heutigen Tag ein großes Stück der Steppe überqueren und vielleicht eine Möglichkeit finden schneller vorwärts zu kommen. Weil er sich nun doch ein wenig beschäftigen wollte, trat er einmal mehr an die Bücherregale heran, betrachtete sich die Buchrücken und bestaunte die hylianischen Symbole. Sorgsam strich Link über die teilweise abgegriffenen Ledereinbände und fragte sich, wie Zelda ihre Zeit hier in Hyrule gefüllt hatte, abgesehen von ihren Pflichten. Er fragte sich, was sie früher sonst noch gerne getan hatte, welche Hobbys hatte eine Prinzessin? Wie hatte Zelda ihre Abende verbracht?

Er durchquerte die Reihen der Bücherregale und entdeckte am hinteren Ende ein sehr altes Buch, welches äußerst mitgenommen aussah. Neugierig blätterte er ein wenig, entdeckte fremde Abbildungen, die ihm dennoch vertraut vorkamen. Abbildungen von allerlei mythischen Kreaturen, von Feen, Krogs und Göttinnen. Ein wenig ungeduldig, weil Zelda noch immer mit ihrem Outfit beschäftigt war, lief er ein wenig schneller durch die Reihen um aus der Bibliothek zu verschwinden. Plötzlich stolperte er über eine Kante. Er blickte zurück und entdeckte etwas darunter. Nanu? Was war das denn? Er sah sich die Stelle genauer an und schob eine große Steinplatte zur Seite. Darunter befand sich ein kleines Fach. Neugierig öffnete er auch das Fach. Darin wiederum ruhte eine kleine Spieluhr, golden, mit blauer Gravur und drei winzigen Figuren der drei Göttinnen. Neben dem winzigen Musikinstrument befand sich noch ein Büchlein mit Schnalle und einem Triforcezeichen abgebildet.

Link war zu wissbegierig, um es einfach wieder wegzulegen. Vorsichtig öffnete er die Schnalle und warf einen Blick herein. Es handelte sich um etwas Selbstgeschriebenes, aber er konnte diese Schrift nicht lesen, obwohl sie wunderschön war und ihn an Zeldas Handschrift erinnerte. Ob es sich etwa um ein Tagebuch handelte? War das Zeldas Tagebuch?
 

Die einstige Prinzessin der Hylianer stand plötzlich hinter ihm. Als sie sah, was er in der Hand hatte, zerrte sie ihm das Buch verärgert aus der Hand. Link sah in ihren Augen den Anflug von Wut und Empörung. „Das geht dich nichts an“, sprach sie laut. Aufgebracht steckte sie das Buch in eine kleine Ledertasche an ihrem Gürtel und nahm sich auch die Spieluhr.

Link bestaunte ihre Kleidung. Sie trug eine weinrote, enge Hose, lange braune Stiefel und trug einen Gürtel, der eine Schnalle in Form eines Dreieckes besaß. Ihren Oberkörper bedeckte ein dunkelblaues Gewand mit goldenen Stickereien. Zusätzlich trug sie eine dunkle, schwere Weste als eine Art Rüstung und auf dem Rücken einen Mantel.

„Sorry, Ich wollte nicht…“, fing er an, richtete sich auf und hob entschuldigend die Hände. „Zelda… ich…“ Er wollte es nicht zwingend erklären, aber sich sofort entschuldigend.

Aber sie unterbrach ihn gekränkt und ließ ihm keine Möglichkeit sich zu rechtfertigen. „Wühl’ nie wieder in meinen Sachen herum“, fauchte sie ihn an. Link erkannte an ihrem blassen Gesichtsausdruck, dass sie sich verletzt und verraten fühlte und dass, was auch immer in diesem Büchlein stand für die hübsche Königstochter ein kleines Heiligtum darstellte.

„Es tut mir leid…“ Betreten stand er dort und steckte die Hände in die Hosentaschen. Das war so unüberlegt von ihm, dass er sich über sich selbst ärgerte. Er wollte die Zeit hier in Hyrule mit seiner Prinzessin genießen und nicht sofort mit solchen Missverständnissen füllen. Hatten sie beide nicht genug Konflikte wegen ihrer Vergangenheit durchgestanden?

„Zelda, ich wollte nicht in deinen Sachen herumschnüffeln.“

„Das ändert nichts daran, dass du es getan hast.“ Hastig wand sie sich um ihre Achse, schüttelte ihren Kopf als deutlichen Ausdruck ihres Ärgers und ging aus der Bibliothek heraus. Sie wusste gerade gar nicht, warum sie sich überhaupt ärgerte. Natürlich war dies ihr Tagebuch, aber woher sollte Link dies wissen? Und sie wusste schließlich, dass sie ihm in jeglicher Hinsicht vertrauen konnte. Seit sie in ihre Gemächer getreten war, fühlte sich etwas in ihr unsagbar grässlich an, wie eine Gewitterwolke, die über ihrer Stirn hing. Mit nervösen Händen werkelte sie in ihrem Schrank herum und suchte nach ihren magischen Taschen.

Gerade da kam Link betreten mit einer großen Sorgenfalte auf der Stirn zurück in den Empfangsaal… eine Frostigkeit klirrte in der Luft, die der junge Heroe mit seinen spitzen Elfenohren beinahe hören konnte.

Verdrießlich reichte Zelda ihm eine kleine Tasche. Ein hübsches Täschchen, gefertigt aus weichem Leder, ein geripptes Braun wie Baumrinde.

„Befestige diese Tasche an deinem Gürtel. Sie wird dir sehr nützlich sein.“ Tonlos wanderten die Worte über Zeldas kühle Lippen, und ließen kein Gefühl zu.

„Gut“, sprach Link, suchte ihren Blick, aber die wunderschöne Hylianerin wich ihm aus. Alles an Zelda fühlte sich an wie eine harte Betonwand, die nichts durchließ. Sie kramte dann in den Taschen herum, nahm sich einen hylianischen Bogen und spannte sich diesen auf ihren Rücken. Dann befestigte sie noch ein einfaches Soldatenschwert an ihrem Gürtel. Link ahnte, dass die Zelda dieser Epoche kein eigenes Schwert besaß. Das, was ihr Leben auszeichnete, orientierte sich eher an Sittsamkeit, strenge Rollenvorschriften und Abenteuerlosigkeit.

Aber sie sah absolut bewundernswert aus… wie die Kämpferin, die in ihr schlummerte.
 

Hüstelnd wand er sich um seine Achse und rieb sich den Hinterkopf angesichts der riesigen Taschen, die prall gefüllt waren mit allerlei Proviant und Ausrüstungsgegenständen. Aber er stand vor einem Rätsel… Wohin mit den Schlafsäcken? Wohin mit den Nahrungsmitteln?

„Und… was jetzt? Wie transportieren wir diese Sachen?“

„Schau’ her“, sagte Zelda. Sie nahm eine schwere Tasche mit Flaschen, und öffnete die kleine Ledertasche an ihrem Gürtel. Als sie den großen Beutel davor hielt, geschah allerdings etwas Verrücktes. Mit einem Schlag verschwand der große Beutel, wurde unsichtbar. Was war passiert? Hatte die eigenartige Ledertasche etwa den Beutel verschluckt?

Link traute seinen Augen nicht. Aber er war ja schließlich in Hyrule. Gehörte es nicht zu dieser Welt, dass hier merkwürdige Dinge geschahen und es seltsame Gegenstände gab? Zelda ließ einen Schlafsack in der eigenartigen Ledertasche verschwinden. Aber Link verstand immer noch nicht, was vor sich ging.

„Diese Taschen hier wurden von Waldgeistern aus seltenem Material hergestellt. Sehr effektiv für lange Reisen, da man unendlich viele Gegenstände darin aufbewahren kann“, sagte sie missmutig, eine Mimik so hart wie Stahl.

Link seufzte und zögerte ein wenig. Brrrr, dachte der junge Heroe und wurde sich seines Fehlers von vorhin wieder bewusst. Zelda war nun so eisig wie ein Winter in Zoras Reich.

„Beeil’ dich. Wir haben keine Zeit“, fuhr die einstige Prinzessin ihn an. Alles an seinem Verhalten steigerte die innere Ärgernis ins Unermessliche. Und sein unschuldiger Blick machte es noch schlimmer.

„Schon gut…“, versuchte er zu schlichten und versuchte sein Glück mit der magischen Tasche, die an seiner Hüfte hing. Er nahm seinen Schlafsack und mit einem undefinierbaren Ploppen zog eine eigenwillige Kraft die Objekte in eine gehütete Taschendimension. Der Prozess war schlichtweg überwältigend… die Verkleinerung der Alltagsgegenstände kribbelte in Links Fingern wie Knisterbrause. Innerhalb von Sekunden befanden sich alle Gegenstände in den magischen Taschen.

„Den Trick zeige ich Sara, wenn wir wieder zuhause sind“, meinte er. Zelda verdrehte ihre hübschen Augen, konnte und wollte sich von ihrer Stimmung nicht ablenken lassen und marschierte schnellen Schrittes durch die eine in die Länge gezogene Tür in jenem Empfangssaal und ließ die Tür einen Spalt offen, was dem jungen Burschen als Aufforderung genügte. Link folgte ihr mit einem weiteren unüberhörbaren Seufzen.
 

Betreten stolperten seine nervösen Füße über die Türschwelle, bis ein neues Erstaunen seine Gedanken flutete. Denn Link kannte diese Räumlichkeit… er kannte dieses geschmackvoll eingerichtete, gemütliche Schlafzimmer… hier, wo ein riesiger Kamin in den kühlen Nächten Hyrules magisches Wärmefeuer hütete… hier, wo auf einem runden Tisch ein schicksalhaftes Spiel ruhte und über ein Schicksal belehrte, das er noch immer nicht fassen konnte.

Hier war es, als er Zeldas weiche Lippen auf seinen spürte, als er sich eingestand, dass es mehr war, was sie beide verband, mehr als er im Moment besaß und mehr als ihr Schicksal erlaubte.

Er schluckte mehrfach um einen Knoten von überwältigender Scham hinunterzuwürgen. Aber die Unsicherheit, die sich hässlich an seinen Kragen legte, verging nicht. Wie hypnotisiert trat er zu dem Spiel der Sieben Weisen auf dem runden Tisch und streichelte die Spielsteine um zu spüren, ob sie echt waren… und dennoch… er steckte die Hände in die Hosentaschen und versuchte den Eindruck zu erwecken, sich das erste Mal in diesen Räumlichkeiten zu befinden.

Er war kein guter Schauspieler, das wusste er. Aber seine Prinzessin würde sich in diesem unsäglichen Zorn, der in ihr brodelte, kaum auf Aussprachen über den gemeinsamen Traum noch über eine Form von Intimität einlassen. Gerade deshalb versuchte er sein Wissen für sich zu behalten…
 

„Kannst du dich endlich mal beruhigen?“, sprach sie und schien tatsächlich nicht zu bemerken, wie vertraut ihm dieses Schlafgemach war. „Mag sein, dass du das Schloss toll findest, aber du übertreibst mit deinem geschauspielerten Interesse.“ Brrrr… fehlen nur noch die Eiszapfen… Zelda konnte sehr gemein sein, wenn sie wollte. Diese Frostigkeit kannte er von der Zeit, als sie sich von ihm abgewiesen hatte. Er spürte diesen unglaublichen Selbsthass, den sie ihm entgegen schmetterte wie eine einfrierende Schockwelle.

Er seufzte nun das dritte Mal, diesmal etwas mitleidiger und schüttelte den Kopf. War das überhaupt noch die Zelda, die er vor einem halben Jahr in den Wäldern gefunden hatte? Das Mädchen, das in seinen Träumen in wunderschöner Lebendigkeit und Zartheit seinen Namen rief. Es tat weh einmal mehr an ihr zu zweifeln…
 

Zelda öffnete schließlich eine kleine Geheimtür in einem ihrer Schränke. Ein unauffälliger winziger Hebel seitlich gelagert, ein Samtschal aus Blau verdeckte den Mechanismus. Ein Klacken und ein staubiger, schmaler Pfad gab sich preis, ein steinerner Weg, dunkel, beinahe bedrohlich.

„Wohin führt dieser Weg?“, sprach Link und schielte beunruhigt in Richtung des Geheimweges. Link wunderte sich, dass sie über derartige Geheimgänge in ihren Gemächern verfügte. Wie viele Geheimgänge führten eigentlich in Zeldas Zimmer?

„Du wirst schon nicht verloren gehen“, erwiderte Zelda mit unüberhörbarem Sarkasmus in der Stimme.

Ein weiteres Mal konnte Link nicht anders als nur zu seufzen. Gedankenverloren träumte er in dem Zimmer vor sich hin und wusste nicht, wie er auf Zeldas Gereiztheit reagieren sollte. Diese unnötige Streitsucht seiner Prinzessin verkomplizierte ihrer beider Aufenthalt in Hyrule schon jetzt… Nachdenklich trat er dort, rieb sich den Hinterkopf und verharrte in dem Augenblick.
 

„Kommst du endlich mal. Wenn du die ganze Zeit so trödelst, haben wir mehr als ein Problem.“

Und erneut erhielt Link seinen Anpfiff. Inzwischen fragte er sich, ob Zelda es Spaß machte, ihn zu provozieren. Aber Link war schließlich Link und konnte durch solche Bemerkungen nicht aus der Fassung gebracht werden. Am Ende würden sich seine Geduld und Lässigkeit auszahlen. Das wusste er…

Mit einem vergnügten Grinsen musterte er seine wunderschöne und so unglaublich gereizte Zelda in ihrem flotten Kämpferkostüm, die den Göttinnen sei Dank sein hinterhältiges, aber gutmütiges Grinsen nicht sah. Dann begann er zu pfeifen, drehte den Spieß herum und provozierte nun seine beleidigte Prinzessin.

„Was soll das denn bedeuten?“ Er pfiff vergnügt irgendein fröhliches Lied, das Zelda nicht kannte. Aber die schräge, ohrwurmartige Melodie entfachte einen neuen Zorn der Empörung in ihrem Gemüt. Manche Musikstücke der Erdenwelt hatten es in sich, bohrten sich wie gaunerartige Zauberwerke in ihre Elfenohren und rissen an Zeldas Fassung.

„Link. Hör auf damit“, schimpfte sie, da sie die Fröhlichkeit in dem Musikstück nicht ertrug. Seine Augen wanderten an das reichlich verzierte Deckengewölbe, an die wundersamen Malereien und Abbildungen Hylias mit dem heimlichen Gebet die weiße Göttin möge ihm für seine Dreistigkeit vergeben. Er unterließ das Pfeifen nicht, sondern begann von vorne.

Zelda ballte die Fäuste: „Du sollst aufhören. Dein abscheuliches Gepfeife nützt dir hier auch nichts. Was bildest du dir eigentlich ein?“ Immer noch pfiff er, trieb er sein Spielchen auf die Spitze und legte ein Verhalten an den Tag, das die vergessene Königstochter nicht kannte. Link verhielt sich unglaublich dreist und respektlos. So als würden ihre Worte an seinen nun spitzen Ohren abprallen. Er tanzte wild und hysterisch anmutend durch das Zimmer, schunkelte, pfiff einen ohrenquälenden Schlager umher und stellte sich als einen der dämlichsten Trottel dar, die jemals in Hyrule das Licht der Welt erblickt hatten.

„Du bist einfach nur bescheuert“, sprach Zelda, und hatte angesichts des irritierenden Verhaltens ihres Begleiters den Zorn in ihrer Stimme verloren. Sie stampfte mit ihren Absätzen auf dem Boden hin und her. Gelangweilt. Voller Frust. Denn Links Blödsinn kostete Nerven und zwang sie auf den Boden der Realität. Sie griff sich an die Stirn und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.

Was, bei Nayru, taten sie hier? Wegen unbedeutsamen Nebensächlichkeiten hatte sie als kühle, standhafte Herrscherin Hyrules die Nerven verloren, in einer alten, verblassten Welt, die nur am Leben erhalten war um eine gefährliche Quest voranzubringen. Und alles, was sie taten, war Zeit in diesem Unsinn zu verschwenden?
 

Plötzlich spürte sie Links Hände, sicher, angenehm und bestimmend, zog er sie mit einem festen Griff in die Höhe.

„Bist du noch ganz dicht? Lass mich herunter“, schnaubte sie, als Link sie unter ihren Armen packte und sich mit ihr durch den Raum drehte. Er lachte froh und munter und ließ sich von ihren Gemeinheiten nicht beeindrucken.

„Du Mistkerl, lass’ das. Ich wünschte, ich wäre alleine hier“, fauchte sie, sagte Worte, die sie kaum sagen wollte, Worte, die wie eine giftige Schlange über ihre vollen Lippen krachten, aber Link lachte nur. Er war so ausgelassen, wirkte beinahe glücklich und da schwappte Links süßes Wohlwollen in Form von Beruhigung auf Zelda über. Sie verzog ihr hübsches Gesicht mit einem Hauch von Reue und presste die Lippen aneinander. Sie hatte genug gesagt, genug Dummes, um sich lächerlich zu machen.
 

Nach einer halben Ewigkeit des vergnüglichen Lachens, setzte er Zelda einfach auf eine Couch in dem Raum, kniete ritterlich vor ihr nieder und sagte: „Verzeiht mir Eure Majestät, aber Link wusste nicht, was er tat, als er Euer Buch entdeckte. Gebt ihm eine Aufgabe, sodass er dafür Buße tun kann, aber bitte verzeiht ihm seine Unverfrorenheit.“ Er küsste ihren rechten Handrücken und grinste, sodass seine Mundwinkel beinahe an seine Ohren stießen.

Zelda verdrehte ihre Augen, begann sich mehr und mehr über sich selbst zu ärgern und schüttelte mit dem Kopf: „Link“, sagte sie. „Tu’ mir einen Gefallen und benimm’ dich wie ein Mensch und nicht wie ein hirnloses Häufchen Elend.“

„Okay“, sagte er spitzbübisch.

„Und hör auf, dieses Lied zu pfeifen.“

„Okay.“ Ein weiteres verteufelt charmantes Grinsen aus seinem Gesicht verriet, dass er es jeder Zeit wieder pfeifen würde.

„Und…“ Zelda biss sich auf ihre Lippen und wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie ließ die erstbesten Worte heraus, die wohl eher ein hilfloser Versuch waren sich von diesem unschuldig süßen Grinsen abzulenken. „… sei du selbst.“

„Okay“, sagte er ein weiteres Mal und setzte hinzu: „Aber nur, weil du’s bist. Du bist doch Zelda, oder?“ Er beugte sich nach vorne und blickte ihr direkt in ihre kristallblauen Augen, mit einem entschiedenen, sanftmütigen Blick. Sie waren keine fünf Millimeter voneinander entfernt und sahen sich nur schweigend an. Sie hielt seinem Blick stand und bereute nun die Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte.

„Es tut mir leid, Link“, sagte sie. „Ich war wohl nicht ganz ich selbst.“ Nervös strich sie sich einige goldene Strähnen hinter die Elfenohren.

„Das habe ich gemerkt“, meinte er. Er zog sie auf ihre Beine. „Zelda. Ich respektiere deine Privatsphäre, das weißt du doch, oder? Und wenn es dich beruhigt, ich konnte nichts aus dem Buch lesen, da ich keine Erinnerungen an die hylianische Sprache habe.“

Sie blickte beschämt zur Seite und ärgerte sich immer mehr über sich selbst, über ihr Unvermögen Link irgendwie begreiflich zu machen, wie schwer diese Situation für sie war. Ihm irgendwie zu signalisieren, dass es weh tat in der alten Heimat zu sein… und sich der Schatten Hyrules wieder bewusst zu werden…
 

„Es liegt nicht an dir“, begann sie kleinlaut. Kopfhängerisch versuchte sie sich zu entschuldigen. „Es ist nur…“

„Du bist ein wenig verzweifelt. Ich sehe es in deinen Augen, Zelda“, unterbrach er sie.

Sie nickte leicht und gab dem verdatterten Link einen Kuss auf die Wange.

„Entschuldige…“ Zügig schritt sie in Richtung des Geheimgangs, ausweichend wie immer. Aber Link stand mit roten Wangenbäckchen im Raum und rieb sich die Stelle, an der Zelda ihn küsste. Einmal mehr überraschte seine Prinzessin ihn mit einer Seite, die er an ihr viel zu selten erlebt hatte. Sie entschuldigte sich… beinahe überrumpelnd, sodass alles, was er noch spüren konnte bloß dieser kleine Kuss auf seiner Wange war. Er wollte nicht mehr über irgendwelche Konflikte nachdenken, wenn das Resultat davon ein Küsschen war.
 

„Dieser Weg führt direkt in den Schlossgarten“, erklärte sie, ihm den Rücken zugewandt, „So müssen wir nicht durch das ganze Schloss laufen… es sei denn, du möchtest es sehen.“ Aber als das Wort Schlossgarten fiel, reagierte etwas in ihm darauf. Ein heimlicher Gedanke vermischt mit einem leisem Klopfen irgendwo in seinen Gedanken.

Der Schlossgarten… der Ort, an dem er die Prinzessin des Schicksals in der Mission, die die Gezeiten sprengte, das erste Mal erblickt hatte.

Der Schlossgarten… schicksalhafte Fügungen im Zauber von duftenden Blüten und raschelnden Sträuchern. Link spürte, dass dieser Ort eine hohe Bedeutung für sie beide besaß. Denn hier wurde ihr Band der Auserwählten geknüpft.

„Ich denke, der Schlossgarten interessiert mich eher.“

„Gut…“, sprach sie. Sie drehte sich ein letztes Mal in Richtung des Schlafgemachs, verscheuchte innere Bilder aus der Zeit, die vielleicht Tausend Jahre zurücklag und erschrak innerlich an der Kälte, die diese Bilder auslösten. Auch Link nahm an ihrem Fokus teil, musterte die Sorgenfalte auf ihrer Stirn und die schwere Weichheit in Zeldas Mundwinkeln.

„Ich überlege nur… ob wir tatsächlich alles eingepackt haben.“ Einmal spürte Link die Unwahrheit in ihren Worten, aber versuchte verständnisvoll zu bleiben, so wie immer. Der Schatten in Zeldas blauen Augen verriet ihm, dass sie sich mit der Vergangenheit beschäftigte und dass vielleicht auch der Traum, in welchem sie beide das Spiel der Sieben Weisen erlebten und Intimität in Nähe fanden, in ihr Gemüt rückte.

Link trat noch einmal zurück zu dem Kamin, den weichen Pelz davor unter seinen Turnschuhen. Ob es zu viel verlangt war sie um Aussprache zu dem Traum zu bitten?

„Zelda. Sag’, waren wir…“, begann er leise.

„Was meinst du…“ Sie verschränkte die Arme ungeduldig.

Er steckte die Hände einmal mehr in die Hosentaschen, seine Nervosität ein offenes Buch. „Ich meine… damals… waren wir da…“

Zeldas Augenbrauen verzogen sich verwirrt, denn sie wusste nicht, worauf er hinauswollte. Der Gedanke Link wollte mehr über ihre Freundschaft wissen, darüber, was sie einst verband, würde Zeldas Gedanken kaum fluten.

„Was war damals… eigentlich…“, brach über seine Lippen. Und mit jedem Wort verhaspelte sich der Heroe noch mehr.

„Möchtest du jetzt alles über unsere Vergangenheit wissen?“ Seine Prinzessin sprach mit so viel Irritation, dass er seufzte. Voller Frustration, aber auch Enttäuschung. War Zelda denn wirklich so blind, was seine Wünsche an sie betraf?

„Zelda… ich möchte nicht unsere ganze Vergangenheit wissen… aber zumindest, ob wir damals… irgendwie…“ Damit brach er ab und hatte das Gefühl, er müsste das Herz in seinem Körper herausreißen, da es so heftig Blut in seine Adern pumpte. Alles nur wegen dem Gedanken, dass er und Zelda damals vielleicht eine intimere Beziehung geführt haben könnten. Aber Zelda schien seine Neugierde und Scham nicht unter den Hut zu bringen. Er schüttelte mit dem Kopf, hatte mehr und mehr Bammel sie danach zu fragen, wie nah sie sich einst standen und folgte ihr schließlich, nachdem sie schon viel zu viel Zeit im Schloss verbracht hatten.

„Schon gut, lass‘ uns die Mission endlich starten.“ Er warf den Kopf in den Nacken und gab auf. So würde das nicht funktionieren, nicht in diesem Moment und nicht mit seiner eigenen Scham bezüglich des Themas. Wenn er wollte, dass Zelda sich ihm öffnete, dann zu einem geeigneteren Moment. Ja, unter anderen Umständen vielleicht… und mit ein bisschen mehr… Mut.
 

Zelda nahm eine Fackel in die Hand und ging vorneweg, ging hinein in einen kleinen engen Gang, der das Licht ihrer Fackel fast vollständig absorbierte. Und mit jedem Schritt durch die Dunkelheit des Geheimweges wurde dem Heroen bewusster, dass sie die Wildnis Hyrules durchstreifen würden und das Abenteuer in Hyrule begann. In wenigen Stunden würde er Hyrules Steppe erleben, spüren, wie die frische Luft, süß in seine Lungen strömend, kitzelnd um seine Ohren pfeifen würde. Auch wenn er wusste, dass dieses Gesicht, das Hyrule jetzt trug nur durch die Macht der Weisen aufrechterhalten wurde, so war er unheimlich gespannt und aufgeregt, sodass er es kaum aushielt. Sein Herz vibrierte voller Wohlgefallen hier zu sein, er fühlte sich lebendiger als jemals zuvor…

Als das Tageslicht seine Augen benetzte und sie den Geheimweg passiert hatten, schlüpften sie durch eine Gittertür aus Eisen, verdeckt durch viel Moos, direkt hinter einem Rosenstrauch und unglaublich unauffällig.
 

Wie von Feenhänden verzaubert ruhte der Schlossgarten vor den letzten beiden hylianischen Seelen, die in den Gefilden der gefallenen Welt atmeten. Sinnlich strömte der Blütenduft weißer Rosen in Links Lungen, kitzelte vergessene Empfindungen… Er fühlte sich berührt, umschmeichelt von der Zartheit, Lebendigkeit und Schönheit des Gartens. Eine Atmosphäre wie im Traum. Wohlgeordnete Wege schufen Beständigkeit, saubere Wiesen und Hecken mit Motiven. Und überall strahlten weiße Rosen, geküsst vom Sonnenlicht, herzförmig… eine Blume, die dem Heroen vertraut erschien. Aber ja… Link erinnerte sich, dass jene weiße Rose in einer Vase in Zeldas Zimmer stand. Auf der Erdenwelt. Er stutzte an der simplen Unmöglichkeit des Gedankens. Wie sollte diese Rose in Zeldas Zimmer gelangt sein?
 

Eine süße Melancholie wog im sanften Frühlingswind über die gepflegten Wege des Gartens, rauschte andächtig bis hin zu den herbgrünen Baumwipfeln und erreichte die letzte Prinzessin jener Welt, bis sie ihr eben noch schnelles Schritttempo zügelte. Sie hatte gehofft, sie würde die vielen Gefühle, die mit dem Schlossgarten in Verbindung standen, irgendwie beiseite schieben können. Aber jetzt, wo alles hier in rufenden Kindheitserinnerungen lebendig wurde, erlebte sich Zelda als beladen und zerdrückt von der Vergangenheit.

Damals… das unreife, kleine Mädchen von damals… Sie war immer noch hier, gut verschlossen in ihrer Brust. Die kleine zickige Prinzessin war noch immer hier und wartete in diesen Gärten auf das prophezeite Licht, das sie in ihren Träumen gespürt hatte. Das gelangweilte Kind mit Visionen der Göttin Hylia hüpfte in ihren Gedanken noch immer über die Wiesen des Gartens, wartend auf den Jungen mit dem göttlichen Mut.

Ja, sie erinnerte sich und wusste doch nicht mehr, ob diese Geschehnisse mit ihrer Vergangenheit verbunden waren. So weit lag das alles zurück, dass es sich anfühlte wie der Schimmer eines Traumes… So unwirklich, das sie ihrem eigenen Gedächtnis kaum trauen konnte.

Sie versuchte die Müdigkeit mit einem Reiben ihrer Augenlider wegzuwischen und belog sich einmal mehr darin ein paar unerwünschte Tränen zu bekämpfen. Mit leisen Schritten trat Zelda vorwärts, streichelte die raschelnden Rosensträucher, während die erste Begegnung mit Link wie in einem wärmenden Wunschtraum über ihre Sinne glitt. Ihre Schritte führten sie hinein in den gut bewachten Bereich des Gartens, umgeben von sicheren Mauern war nur den wenigsten dieser geschützte Ort gestattet. Denn dort war der Garten der Prinzessin des Schicksals. Und dort war es, als der Junge im grünen Gewand ihr das erste Mal begegnete. Dieser unschuldige, unreife Junge, der sie mit tiefblauen, unergründlichen Augen musterte und im selben Moment mit einer vertrauten Macht verzauberte… Damals hatte sie die Vorsehung das erste Mal in aller Deutlichkeit in ihren Gedanken hämmern gespürt. Die sagenumwobene Fähigkeit der Erbin Hylias…
 

Zelda lauschte den Turnschuhen ihres Helden, dem sanften Rascheln, das genauso wie damals in das Gras sickerte. Der gleiche ungezwungene Schritt… das gleiche Gefühl, das seine Präsenz in ihr auslöste. Link ahnte es nicht und Zelda hatte noch nicht den Mut gefunden ihm diese Worte zu sagen. Aber eigentlich… so hatte er sich in seinem Erscheinungsbild durch seine Wiedergeburt nicht verändert. Aus seinen tiefblauen Augen strahlte die gleiche bergeversetzende Zuversicht wie damals, die gleiche wunderschöne Seele lockte mit Mut, aber auch Tiefsinn in seinen Blicken und zeugte von aufrichtigem Charakter und Idealen…
 

„Hier sind wir uns das erste Mal begegnet…“, flüsterte sie. Ihre Worte ein wenig unwirklich, ein wenig trübsinnig. „Ich wünschte nur, wir hätten uns unter anderen Umständen kennen gelernt…“

Link legte seine Hände auf ihre Schulter und drückte ihre Haut ein wenig, hoffend, sie ließ diese Form von Nähe zu. „Und auch auf der Erde sind wir uns nur begegnet, weil der Kampf bevorsteht“, meinte er leise. Auch seine Worte ein wenig unwirklich.

„Es ist eben Schicksal, Link“, sprach sie, noch zittriger als vorher. Sie kniete nieder und strich erinnernd über einige saftiggrüne Grashalme.

„Unser Schicksal…“, bestätigte er, kniete ebenso nieder und suchte Zeldas Blick. Ob sie einander in diesem Schicksal auf dieser langen Reise so unterstützen konnten, das ihre Kräfte reichten? Dass sie sich gegenseitig schützen und bestätigen konnten… ohne unnötige Konflikte? Mit dem sehnlichen Bedürfnis Zelda jetzt in seine Arme zu schließen suchte er das Vertrauen, welches er im ersten Augenblick mit ihr gespürt hatte… damals als sie mit Gedächtnisverlust in seinem Zimmer erwachte. Er suchte das Mädchen, das ihn ab dem ersten Moment verzaubert hatte in diesen mit Schatten belegten, himmelblauen Augen…

„Aber selbst das Schicksal scheint nicht alles vorhergesehen haben, scheint nicht gewollt haben, dass die Dinge nun so sind wie sie jetzt sind. Selbst das Schicksal hätte Hyrule nicht sterben lassen wollen…“ Sie widerstand dem Wunsch zu schluchzen und presste die Worte mit einem langen Atemzug heraus. Daraufhin nahm Link ihre rechte Hand in seine beiden und suchte ihren Blick.

„Aber in diesem Moment lebt Hyrule doch. So lange wir hier sind, lebt es… und ich weiß, dass irgendwann-“, sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und brachte ihn zum Schweigen.

„Nicht…“ Dann schüttelte sie mit dem Kopf und erhob sich, flüchtete aus dem Moment von trügerischer Hoffnung.
 

Link hatte dieses unzerstörbare Vertrauen in die Zukunft, ein verstandsloses Vertrauen in sein Schicksal und vielleicht gab es irgendwo und irgendwann für ein Hyrule hinter dem Vorhang des Morgengrauen eine neue Chance.

Nur…

Hyrule besaß die grausamsten Schattenseiten überhaupt. Eine goldene Macht, die das Volk in einen wahnhaften Schlund von Gier und Verderben schickte. Einen Kreislauf von Hass und Kampf entzündete. Und das Schicksal des Bösen schien so stark an das der beiden Auserwählten geknüpft zu sein, dass sie gar keine andere Wahl hatten, als sich gegen das immer so mit Erstaunen und Bewunderung verknüpfte Schicksal zu stellen. Ein Schicksal, welches sie beide nur zusammenführte, wenn der Krieg gegen das Böse von neuem begann. Ein Teufelskreis, denn das Böse gehörte zu Hyrule genauso wie das Triforce. Und wollte man das Böse ein für alle Mal vernichten, so müsste man die Essenz der Welt, das Triforce, welches die Welt zusammenhielt, ebenso zerstören. Erst dann könnte Friede sein, der aber den Preis einer Vernichtung der magischen Einzigartigkeit Hyrules fordern würde…

„Es ist Zeit“, sagte Zelda seufzend und lief vorneweg. Und als sie aus dem Schlossgarten flüchtete, und Link ihr mit seinen eigenen verschlossenen Zweifeln hinterher blickte, ahnte er mit einem unsäglichen Druck auf dem Herzen, dass dieses Hyrule vielleicht keine Chance brauchte. Dieses Hyrule brauchte nur sie… die Erbin Hylias…

Die Zeit hier in Hyrule tickte, tickte gemächlich und wohlgeordnet, während die beiden letzten Hylianer mit festen Schritten ihre Mission begannen. Hinter ihnen entfernte sich das graublaue Schloss mit seinen spitzen Türmen und die Steppe erhob sich in samtgrüner Pracht. Ein letzter Blick zurück glitt aus tapferen Gesichtern, als das Abenteuer in Hyrule begann. Und sowohl Zelda als auch Link, Hand in Hand vorwärtseilend, spürten mit dem tosenden Schlagen ihrer Herzen, den tiefen Atemzügen nach frischer hylianischer Luft, dass die Welt, die so rein und erhaben vor ihnen lag, zahlreiche Prüfungen für sie beide vorsah. Und dann, ganz bald, erfüllte sich ihr Schicksal einmal mehr.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2008-02-27T17:03:25+00:00 27.02.2008 18:03
den Teil mit den spitzen Ohren fand ich total toll!
XDDDDDDDDD
na ich glaub ich würde mit da auch freuen wenn ich welche hätte...


Zurück