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Nur ein Spiel

von

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Von Prophezeiungen und Hoffnung

Als sich der gespenstisch vertraute Blutmond am Himmel erhob, hier sichtbar über alten Fachwerkhäusern in der kleinen Stadt Schicksalshort, wo Trümmer von Gebäuden und menschlichen Errungenschaften als Zeuge der weltweiten Zerstörung in einem unbedeutenden Krach niederfielen, beobachteten die Kinder des Schicksals das Ausmaß der Verheerung des uralten Bösen. Noch immer Hand und Hand traten Link und Zelda auf einem Hügel, überblickten die düstere Ferne und das verräterische, böse Glimmen, das vom Himmel herab drang. Zweifel und Hoffnung vermischten sich in den tiefgründigen Blicken der beiden hylianischen Heldengestalten, Worte voller Unverständnis zogen durch ihre Köpfe, als sie die Welt in der Ferne fallen und leiden sahen, weit im Hintergrund, wo gleißende, violett schimmernde Blitze vom Blut durchtränkten Himmel krachten wie Drachen, die zerstört auf die Erde donnerten…

Wie nur konnte es soweit kommen, fragten sie sich beide, entschieden sich in diesem grausamen Moment des Untergangs zu schweigen, einander mit stummen Gesten zu trösten. War es wirklich Schicksal einmal mehr in brutale Kämpfe gegen das Böse verwickelt zu werden, unterzugehen, aufzustehen und die Last des Schicksals auf jugendliche Schultern zu stemmen?

Links Blick begegnete ihren und sie wusste nicht, was sie darin sah… da war ein Gefühlschaos in seinem wunderschönen Tiefblau, das sie selten erlebt hatte. Als sie versuchte die Sorge darin zu verstehen, schloss er die Augen, ließ jene in einem gramerfüllten Gesichtsausdruck untergehen und drückte ihre rechte Hand in seiner linken fester.

„Ich habe niemanden gefunden… meine Familie, meine Freunde…“, sprach Link leise. „Es ist niemand mehr da…“ Sie lauschte seinen Worten, der schnürenden Traurigkeit darin. Link wusste, dass jetzt nicht die Zeit war zu trauern, aber für einige Augenblicke erlaubte er sich seine Sorgen wahrzunehmen. „Überall hausen Ganondorfs Kreaturen… die finstersten, die ich mir vorstellen kann“, sprach er und suchte endlich ihren Blick. „Und trotzdem…“ Beinahe liebevoll und zärtlich drang er in ihre Gedankenwelt vor, mit diesem sicheren, beständigen Blick, dieser unentrinnbaren Tiefe. „Und trotzdem habe ich dich gefunden…“ Er berührte Zeldas Kinn und für einen Moment stand für sie die Welt still. „Du bist hier…“, sprach er standhaft und lächelte in der Verzweiflung, die sie beide einnahm mit der leuchtenden Hoffnung eines Retters. „Wenn ich dich erreichen konnte, mit dieser winzigen Chance…“

Und da ahnte Zelda, worauf er hinauswollte. Sie spürte die lodernde Wärme des Guten in seiner Zuversicht, in seiner von Tapferkeit geprägten Stimme. „Hier in Schicksalshort, wo ich keinen Menschen sehen konnte, fand ich trotzdem dich…“

Sie schloss die Augen und verkniff sich eine kristallene Träne.

„Das ist die Macht des Guten, die Macht unserer Bestimmung“, sprach er und richtete in dieser düsteren Verheerung sein blondes Haupt in die Höhe, strahlte mit diesem berge versetzenden Mut direkt in Richtung des violett schimmernden Mondes. „Ich habe Vertrauen in uns…“, sprach er. „Wir finden einen Weg.“ Noch immer schweigsam lauschte die Prinzessin seinen verwegenen Worten, traute sich nicht diese mit ihren Zweifeln zu beladen.

„Lass‘ uns kämpfen, Zelda“, sprach Link sicher und gefasst. Und sie spürte deutlich, warum er seine Hoffnung in die Zukunft auf diese wiederholende Weise betonte, immer und immer wieder betonte. Er sprach es aus um der verlorenen Prinzessin die Zuversicht zu schenken, die sie lange Zeit nicht mehr haben konnte. Er sprach mit sturer Tapferkeit, direkt und eindringlich, machte ihr deutlich, dass er kein Wenn und Aber von ihr hören wollte. Und sie würde folgen, sie würde ihm folgen, bis in den Tod…

Sie tauschten einige weitere Blicke der Zuversicht und Zuneigung aus, suchten einmal mehr die Hand des anderen in diesem apokalyptischen Wahnsinn und steuerten den Hügel hinab, rannten einmal mehr hinein in den Alptraum ihrer Seelen. Sie hetzten vorwärts und suchten einen Weg durch die Dunkelheit, hier wo immer mehr Kreaturen aus Hyrules schlimmsten Zeiten an die Oberfläche traten…
 

Beiden Auserwählten erschien es als wären sie bereits seit Stunden durch die von Dämonen und Ganons Seuche beherrschte Stadt gehetzt, stets wachsam und bereit für ein neues Gefecht hatten sie sich in schmalen Gassen versteckt, hatten einige Finsterlinge mit Schwert und magischer Kraft niedergerungen in der Hoffnung doch noch ein Lebenszeichen zu finden… aber die Stadt war nur noch von Monstern bevölkert, menschenleer… Zelda fand endlich ihr Selbstvertrauen wieder und bewegte sich mit ihrer eigenen göttlichen Stärke vorwärts, immer vorwärts an der Hand ihres Heroen, der das weißleuchtende Schwert von Leon Johnson in die Höhe streckte. Und für einen Moment leuchtete nicht nur das Schwert durch die Nacht, sondern die Erinnerung an zahllose Leben vorher. Sie waren immer wieder durch die Hölle gegangen, Hand in Hand, immer wieder… und sie würden es wieder tun. Sie würden standhalten, selbst wenn sie die letzten Kämpfer des Planeten waren…
 

Als sie den Stadtkern verließen, nicht weit weg von einer Neubausiedlung, wo wiederum auch die Villa von Ines sich emporhob als letzte Bastion des Guten hier in Schicksalshort, atmeten beide Heldenseelen fiebrig in einer notwendigen Verschnaufpause und sanken für einige Minuten auf die Knie. Es war der Wahnsinn, dachte Link, das alles hier, sich mit Zelda durch diese gefallene Stadt zu kämpfen. Und seine Prinzessin dabei zu beobachten wie sie magische Geschosse abfeuerte und so wacker kämpfte. Das erste Mal seit er sie kannte, und vielleicht war es auch nur für diese sterbenden Minuten, das erste Mal sah er die Qualität der Schicksalsprinzessin, ihre Macht und Vollkommenheit. Die Erbin Hylias… Endlich schob sie ihre Verbitterung beiseite und tat, was sie konnte um ihm beizustehen. Es imponierte ihm, dachte er, wie gruselig war es doch, dass erst die Welt untergehen musste, ehe Zelda ihre Kämpfernatur zeigte…

Und wie sie diese zeigte. Unglaublich sicher und anmutig bewegte sie sich vorwärts in dieser Kälte, obwohl sie nur ihr Spaghettitop und ihre Hotpants trug. Ihre himmelblauen Augen leuchteten mit Tatendrang und Hoffnung, so stark… so unglaublich tapfer.

Er stützte sich noch einmal auf seine Knie, sog einen tiefen Atemzug mit quälendem Wunsch nach Sauerstoff in seine Lungen und stemmte sich wieder in die Höhe, als er den Boden schwanken spürte, ein Trommeln, das wie ein Erdbeben durch die Stadt raunte. Und innerhalb von Sekunden erblickte Link am unteren Ende der Hauptstraße eine Horde von Monstern aller Rassen, aus allen möglichen Stämmen. Eine Horde von mindestens fünfzig Gegnern, stapfend, brüllend und unersättlich. Auch Zelda folgte seinem Blick und wich schreckhaft zurück. Link stattdessen reagierte sofort und packte seine Prinzessin bestimmend an der Hand, aber er hetzte nicht davon, sondern blieb in seiner Position, fokussierte die Monster und sondierte ihre Lage.

„Link, was ist? Du willst dich ihnen doch nicht etwa stellen. Es sind zu viele“, sagte Zelda unter heftigen Atemzügen, schwitzend und ein wenig verunsichert, dass er sie am Weglaufen hinderte. Die gesamte Zeit hatten sie sich lediglich mit liebevollen Blicken in diesem Wahnsinn verständigt. Es war das erste Mal seit Beginn ihrer Flucht, dass sie die Stimme erhob. Beinahe unwirklich erfüllte ihr glockenreiner Klang die verseuchte Luft.

„Nein, ich habe eine bessere Idee.“ Es lag ein ungewöhnlicher Wahnwitz in seiner Stimme und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Zelda kannte diesen Schelm in ihm, sie hatte nur nicht erwartet jenen in dieser Schreckensstunde vorzufinden.

Link schleifte seine Prinzessin schließlich zu einem Auto, welches zwar ein eingeschlagenes Fenster hatte, wo aber noch ein Zündschlüssel steckte.

Er setzte sich ans Steuer und grinste einmal mehr. „Los, Zelda. Steig’ ein!“

Nur unwillig stieg sie ein und hackte nach: „Aber du kannst doch gar nicht fahren!“

„Das werden wir sehen“, sprach er stur und funkelte mit seinen tiefblauen Augen in jene Richtung, wo die Horde Dämonen immer näher stürmte.

„Tu das nicht, Link.“ Erst als ihre gereizten Worte ausgesprochen waren, biss sie sich auf die Lippe und dachte darüber nach.

„Sag mir nicht, was ich zu tun habe“, meinte er ein wenig lauter.

Zelda schwieg plötzlich und blickte aus dem Fenster zu ihrer rechten Seite. Hatte sie eigentlich ihren Verstand verloren Link nun Befehle zu erteilen, hier inmitten dem Ende der Welt, wo es keine Regeln mehr gab? Sie sank ein bisschen weiter in den Sitz, sich anzulehnen hieß sie gerade willkommen…
 

Hoffend zündete Link den Motor und hatte Glück. Er vergewisserte sich noch der Tankanzeige, und auch dieses Glück war ihnen hold. Sie kämen weit voran mit einem halbvollen Tank. Er fuhr langsam los, lauschte dem kratzigen Motorgeräusch dieses alten PKWs und war erstaunt über sich selbst. Mit einem rumpelnden Schlottern startete der PKW und fuhr auf die offene Straße. Während sie sich immer weiter vom Stadtkern entfernten, prüfte Link schweigsam die sich entfernenden Dämonen und das erschöpfte Mädchen neben sich, warf immer wieder einen Blick zu ihr, aber seine Prinzessin ließ ihr Haupt sinken und versank in ihrer eigenen Gefühlswelt.

Als Zelda immer noch nichts sagte, entschuldigte er sich: „Sorry… ich wollte dich nicht anschreien.“

„Schon gut. Ich habe einfach nur die Nerven verloren“, sagte sie leise und suchte seinen Blick. Selbst in der glühend roten Dunkelheit leuchteten ihre himmelblauen Augen wunderschön und voller Güte. Und sofort verflog auch Links Anspannung. Wenn ihn Zelda so musterte, konnte er kaum verärgert sein.

„Ich wohl auch“, erwiderte er und suchte mit seiner rechten ihre Hand. Seine Berührung tröstete sie ein wenig.
 

Sie entfernten sich allmählich vom Stadtzentrum und steuerten das Auto etwas holprig, und ziellos irgendwelche Straßen entlang, um so weit wie möglich Abstand zu den Bestien zu gewinnen. An einer Kreuzung hielt Link den Wagen an. Er brauchte einfach nur ein paar Minuten Ruhe, außerdem konnte man von hier einen guten Blick auf die Umgebung werfen. Er lehnte sich zurück und machte kurz die Augen zu.

„Ich bin unendlich froh und dankbar, dass ich dich gefunden habe, Zelda, und dass dir nichts passiert ist.“ Er lächelte durch die Finsternis, beinahe schien sein Lächeln zu leuchten, wie nur konnte er so strahlen, obwohl hier die Verseuchung Ganons am Werk war?

„Kann ich dir jetzt danken“, sagte Zelda leise und versuchte ebenfalls ein wenig Zuversicht zu finden. Sie begriff jetzt erst, was sie in den letzten Minuten gemeinsam mit Link erreicht hatte. Sie hatten gekämpft wie damals, voller Mut und Tapferkeit. Ein Lächeln entschwand ihr angesichts des Gedankens. „Wie hast du mich denn überhaupt gefunden?“

„Ich habe dich schreien hören.“ Aber war dies wirklich die Wahrheit? Zelda erschien es eher so, als hatte sie ihn telepathisch gerufen, so wie einige Male zuvor. Eine Pause entstand, in welcher Zelda überlegte diesen Punkt zu einem Gesprächsstoff zu machen, schließlich verwarf sie den Gedanken wieder. Erst einmal galt es einen sicheren Unterschlupf zu finden und sich einen Plan zu überlegen. Außerdem brauchten sie beide eine Mahlzeit, ein paar Stunden Schlaf…

„Ich würde… dich überall finden…“, setzte er leiser werdend hinzu. Das war eines der Dinge, die den jungen Helden über Welten hinweg auszeichneten. Er würde seine Versprechen machen, er würde sie geschickt formulieren und auf ewig halten. Ja, wenn es etwas gab, derer sich die letzte Prinzessin Hyrules sicher sein konnte, dann Links entwaffnender Treue und Ergebenheit.

„Ich dich auch…“, murmelte sie, so benommen, dass es beinahe nicht zu verstehen war. Aber ihre Worte klangen echt und liebevoll, scheu vielleicht, aber aufrichtig. Es war ein großes Stück, das sie dies über ihre sonst so verschwiegenen Lippen brachte. Und Link wusste es nicht, aber er war vielleicht der einzige Mensch, dem sie dies sagen konnte…
 

Link startete schließlich erneut den Motor, hoffte, es schreckte keine weiteren Dämonen im Umfeld auf und fuhr langsam weiter. Das Motorengeräusch war das einzige Surren, das nun noch in Schicksalshort zu hören war.

„Ich wusste gar nicht, dass du fahren kannst.“ Sie grinste und versuchte es mit ein wenig Humor, etwas, das sie von ihrem Helden gelernt hatte. Erst jetzt verstand sie, warum er es tat, es war irgendwie heilsam für die Seele.

„Ich auch nicht“, sagte er prompt und schenkte ihr ein belustigtes Lächeln. Wie irrsinnig diese Situation doch war, am Ende der Welt hatten die beiden einstigen Hylianer nichts anderes zu tun als sich gegenseitig mit ein paar schelmischen Worten zu necken. In diesem düsteren Alptraum, wo nichts mehr war, das lebte, wo nichts mehr funktionierte… die Welt ein Grab des Wahnsinns und zahlloser Sünden war, wo Zarnas Splitter Ganons Hass wie Eitergeschwüre keimen ließ und die Seele der Erde zerstückelte, unterhielten sich Link und Zelda über die belanglosesten Dinge, die ihnen gerade zu Kopfe stiegen. Ausgerechnet jetzt und hier… im gespenstischen Alptraum gefallenen Lebens überkam die beiden ein Gefühl von Alltag, das sich vertraut anfühlte…

„Wir sollten zu Impas Villa fahren“, sagte Zelda nach einer Weile. „Ich habe so ein Gefühl, dass dort Hoffnung auf uns wartet.“ Und ihr Blick heftete sich nach Norden, dort wo jene Villa wie eine Festung auf dem Hügel lag, eher unscheinbar, ohne Lichter, so wie nirgendwo mehr Lichter leuchteten.

„In Ordnung“, erwiderte der Kämpfer des mutigen Herzens. Mit konzentriertem Blick, die Welt außerhalb beobachtend, Ausschau haltend, brachte Link seine Prinzessin und sich in dem klapprigen Fahrzeug durch die finsterste Nacht. Er fuhr ungemein vorsichtig und sachte, während über den Köpfen der beiden die ersten Drachen weit oben am Himmel kreisten…
 

Link fuhr leise in die Einfahrt zu Ines Grundstück hinein, verwundert darüber, dass das massive Eisentor einfach offen stand, aber zumindest unversehrt war. Es erweckte eine neue Zuversicht in seinem Herzen, dass keine Monster die Villa unterjocht hatten. Und auch sonst schien der gepflegte Garten mit den Apfelbäumen und Linden unberührt, nur der gruselige rote Schimmer des Himmels lag auf den Blättern und Zweigen, ansonsten war alles irgendwie… sicher. Ob Impa und die anderen Schutzzauber an diesem Ort platziert hatten? Oder vielleicht einen Unsichtbarkeitszauber, der jenen vor Monsteraugen verschleierte.

Zelda spürte eine vertraute Magie am Werk und spürte den Gedanken sich fortsetzen. Sicherheit… Schutz… Sie wusste, gerade dann wie eine Eingebung, als sie ihre Füße auf den Kiesweg setzte, dass dieser Ort für die Schlacht gegen Ganondorf die wichtigste Festung des Guten darstellen würde. Mit einer Geste der Zuversicht schlichen die Kinder des Schicksals schließlich zum Eingang. Zelda umgriff mit zitternder Hand den Türgriff, aber sie war abgeschlossen. Auch ihr Blick in die Höhe, dort wo Fenster von grauen Mauern geschlossen waren, bestätigten ihre Vermutung. Impa hatte dieses Haus bereits abgesichert.

„Was tue ich jetzt nur“, fragte sie eher sich selbst als ihren Helden. Sie griff sich mit nervösen Händen an ihre Wangen und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

„Ich schlage vor, du… lässt mich das entscheiden“, meinte Link fest, der ihre zitternde Hand bemerkt hatte und sie besorgt musterte. Gerade jetzt, wo sie endlich an einem Ort angekommen waren, wo etwas mehr Hoffnung wartete und Zelda etwas herunterkommen konnte, kam ihre Verzweiflung und Erschöpfung zum Vorschein. Sie hatte die letzte Stunde alles gegeben, gekämpft wie schon lange nicht mehr und nicht realisiert, dass sie einer herben Verausgabung nahe war. Sie fühlte sich beinahe schwindelig.

„Zelda…“, sprach er noch einmal, warnend. Er warnte sie davor ihre letzten Energiereserven anzuknabbern. Noch ehe sie mit ihm darüber diskutieren konnte, zog er sie ein Stückchen näher, packte sie an ihren Schultern und musterte ihre blutunterlegten Augen. „Überlass‘ die nächsten Entscheidungen mir, okay…“ Sie war verwundert über seine Fähigkeit genau zu wissen, was in ihr vorging, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Kannte Link ihr Seelenleben besser als sie ahnte? Wusste er von ihrer Unfähigkeit eigene Bedürfnisse zuzulassen? Und wusste er noch viel tiefere, emotional verschwiegene Verfehlungen von der Prinzessin?

„Du hast so tapfer gekämpft… du weißt gar nicht, wie beeindruckt ich von dir bin.“ Er lächelte dann mit etwas Verlegenheit unter seiner muterfüllten, sicheren und strengen Heldenpersönlichkeit. „Aber jetzt bin ich dran…“ Gerade da fielen Zeldas Schultern aus einer verhärteten Haltung, sie spürte regelrecht eine Ladung Steine, die sich anfühlte wie ein ausgewachsener Gorone, von ihren Knochen schwinden.

„Und dann, versuchen wir es mit dem Hintereingang. Was hältst du davon?“ Seine rauen Hände waren so warm und guttuend auf ihren nackten Schultern. So… sicher… Er ließ jene noch eine Weile dort, streichelte ihre kühle Haut und lächelte noch einmal ermutigend.

Sie nickte stumm und kämpfte gegen den nächsten Wimmerlaut, der in ihrer Kehle hochkochte. Sie wüsste nicht, wo sie jetzt war, wenn Link niemals in ihr Leben getreten war. Sie wüsste nicht, ob sie überhaupt ansatzweise an die aufrichtigen Qualitäten heranreichen könnte, die sie in sich spürte. Wäre sie eine Puppe des Hochadels aus Hyrule geworden? Eine oberflächliche und höfische Vorteile genießende, unbedeutende Puppe in einem teuren Prinzessinnenkleid mit Tonnen an Schmuck und Plunder, mit einer hübschen, von Diamanten beladenen Tiara, umgeben von geschmacklosen, unreifen und eitlen Rittern und Prinzen… Gerade in dem Augenblick empfand Zelda tiefe Dankbarkeit überhaupt mit ihm gegen das Böse in die Schlacht ziehen zu dürfen…

Link zog seine Prinzessin schließlich bestimmend in Richtung Hintertür, aber auch hier schützte eine dicke Stahlmauer vor Eindringlingen. Link klopfte aufgeregt an die Tür, obwohl er wusste, dass es nichts brachte. Diese Mauer ließ nicht einmal ein Geräusch durch.

Dann fiel ihm die Regenabflussrinne auf.

„Bist du schon mal bei der Prinzessin Hyrules eingebrochen, Zelda?“ Ein beinahe göttliches Grinsen formte sich auf seinem Gesicht, als sein Blick an der Rinne auf und ab lief, dessen Stabilität überprüfte.

„Was? Nein, natürlich nicht.“ Zelda zuckte mit einer Augenbraue, mehrfach, aber lächelte dann. Und erneut legte sich Links Schelm mit Entzückung über seine Worte. Sie konnte seine Dreistigkeit in jedem Wort spüren, seinen unwiderstehlichen Charme, der ihr eigenes Gefühlsleben mit Endorphinen überschwemmte.

„Dann ist das heute die perfekte Gelegenheit es auszuprobieren“, meinte Link und zeigte mit seinem linken Arm auf das Balkonfenster, das zu Zeldas Zimmer führte. Er grinste, vielleicht weil er hoffte, dies in der Vergangenheit getan zu haben.

„Die Regenrinne sieht stabil aus, wird uns schon aushalten. Also komm’! Du gehst zuerst.“

Zelda war dabei mit dem Kopf zu schütteln, als ihr strahlender und manchmal zu überdrehter Held sie unter ihren Armen packte und die verblüffte Prinzessin entgegen ihres Willens der Regenrinne entgegen hievte. Zelda umgriff die Abflussrinne und begann zu klettern. Die Situation wurde bizarrer als ohnehin schon in diesem apokalyptischen Wahnsinn. Nicht nur, dass sie beide tatsächlich noch am Leben waren inmitten dieser von Monstern beherrschten Stadt. Sie waren so überdreht, dass sie nicht anders konnten als ihre Verzweiflung in einem hitzigen Humor auszuleben. Wann brach man schon in sein eigenes Haus ein?

„Nebenbei…“, murmelte er erheitert. „Vielleicht muss ich für später üben.“ Er lachte dann, denn selbst in der Finsternis sah Link die beschämte Entzückung in ihren Gesichtszügen.

Link folgte ihr mit einem Sprung, kletterte mit einer Leichtigkeit, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan und innerhalb von Sekunden standen sie beide auf dem sicheren Boden des Balkons. Und tatsächlich befand sich ausgerechnet hier keine Stahlmauer, die den Innenraum schützte. Ob dies Zufall war?

Mit einem Seufzen blickte Zelda über das Geländer. „Sei froh, dass du so viel Glück hast. Wenn wir gefallen wären, hätte die Landung mehr gebracht, als nur einen Beinbruch…“ Sie lächelte unter dem scheinschwangeren Versuch ihn für seine frechen Einfälle zurechtzustutzen.

„Wer wagt, gewinnt“, war Links unverblümte Antwort, auf eine Frage, die er von Seiten Zeldas sowieso schon erwartet hatte. Er verbeugte sich schauspielerisch und kicherte. „Aber sieh’ es doch mal positiv. Wären wir gefallen, würde ich als erster auf dem Boden landen, als dein ritterlicher Held, und du hättest eine weiche Polsterung, auf der du landest.“

„Das hättest du wohl gerne gehabt, was?“

„Tja, wäre süß, wenn du auf mir landest…“

Dieser Schelm! Dieser Wicht, dachte Zelda. Und Link wusste angesichts ihres aufgebrachten Kopfschüttelns, dass er wieder einmal das letzte Wort behielt. Eine Welle der Entspannung glitt über beide Heldengestalten, als seine Worte in der Düsternis hallten. Es tat für Sekunden unbeschreiblich gut hier im Alptraum des Seins, wo die schlimmsten Gedanken regierten, einander zu haben um selbst mit solchen unsinnigen Wortgefechten zu bestehen. Zelda schmiegte sich ein wenig an seine Seite, als Link mit dem Ellenbogen die Scheibe zerschlug. Sie traten in den Raum ein, wo die junge Prinzessin ihre längste Zeit seit ihrer Ankunft auf der Erde verbracht hatte. Ein Seufzen der Erleichterung kam über sie, als sie in ihr persönliches, kleines Reich, der Ansatz eines Zuhauses, eintrat. Sie spürte, dass es ihrem Körper einen Hauch Erleichterung von der Anspannung brachte, hier zu sein, obwohl selbst hier die Dunkelheit in Gestalt Zarnas gewütet hatte. Zelda erinnerte sich mit leichten Bauchschmerzen daran… Bis jetzt hatten Link und sie ausgerechnet über diese emotionale Nacht nicht reden können, obwohl es so nötig wäre. Die brünette Schönheit kramte nach einer Taschenlampe in ihrem Nachttischschränkchen und versuchte die unschönen Erinnerungen zu verschließen. Nicht nur, weil jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sondern weil sie befürchtete, dass Link ihren Kummer diesbezüglich aussprechen würde…

Vielleicht spürte er es tatsächlich, denn er musterte sie mit dieser Intensität, die ihr unter die Haut ging, gerade in dem Augenblick, als das Licht der Taschenlampe den Raum flutete. Mit der gleichen gewaltigen Ausdruckskraft, als er sich vor einer Weile die Dolche an seine Brust hielt… bereit war für Zeldas Lebenslicht zu sterben. Für einige Momente durchbohrten seine leuchtend blauen Augen die mentalen Wände ihrer verschwiegenen Traumata. Und vielleicht hatte er seine Antwort bereits gefunden.

Zelda wand sich schreckhaft ab und lief mit dem Licht der Taschenlampe voraus, zielstrebig, aber durcheinander. Warum hatten sie beide ausgerechnet über ihr Zimmer Eintritt in die Villa finden müssen? Sie fühlte sich ungeduldig, verunsichert und fürchtete sich regelrecht vor weiteren annähernden Gesten ihres Heroen. Wenn Link doch nur erahnen könnte, wie schwer ihr Berührungen fielen, wie schwer es für sie war seine Nähe zuzulassen… Sie verbat sich weiter daran zu denken, weiter in ihren verdrängten Gedanken nachzuforschen. Sie konnte ihm kaum gestehen, wie oft sie beim Einschlafen an ihn dachte…
 

Hektisch trat sie in Richtung der Tür, als sie Link näherhasten spürte. Sein rechter Arm hielt sie an ihren Schultern zurück, während er in der anderen sein Schwert bereit hielt. „Zelda… lass‘ mich vorgehen, okay?“ Und einmal mehr zerschmolz sie beinahe angesichts dem Schutz und der Sicherheit, die er anbot. Sie schlichen schließlich vorwärts, folgten dem dunklen Korridor ins Erdgeschoss und funkelten mit dem Licht der Taschenlampe umher, wie kleine weiße Gespenster bildete das weiße Licht sich an den Wänden ab. Sie folgten dem Weg weiter, der verzweigte Keller war die einzig mögliche Bastion gegen Ganondorfs Schergen und war das einzige Ziel, das ihnen sinnvoll erschien.

Als der Heroe sicher war, dass das Gebäude rein war, sich hier keine Monster aufhielten, entschied er sich einige Fragen aufzuwerfen.

„Zelda…“, flüsterte Link und nahm sie bestimmend am Handgelenk. Er rieb mit dem Daumen über ihren Handrücken, zögerlich zunächst, dann fester. „Warte mal.“

„Was ist?“ Ihre Stimme klang gereizter als sie es beabsichtigte, aus Sorge er wollte über Zarnas Angriff hier in der Villa sprechen.

Sie unterbanden beide ihre Bewegungen, bis Link Zelda einmal mehr an den Oberarmen packte, fest und bestimmend. Ein stummer Befehl aus seinen Gesten ihm zuzuhören.

„Warum hast du bei diesem Monster in dem Geschäft deine Kräfte nicht benutzt“, sagte der heroische Bursche leise. Er vermutete, dass die Angst Zelda wohl vollkommen gelähmt hatte. Sie seufzte und lief langsam weiter.

„Es lag nicht daran, dass ich nur Angst vor dem Echsodorus hatte, ich konnte einfach nicht mehr klar denken, weil meine rechte Hand so stark gebrannt hat, als würde jemand sie mir abreißen wollen“, erklärte sie mit einem Zucken ihrer Augenbrauen.

Das überraschte Link ein wenig. Er erinnerte sich an den Vorfall in Irland, als er mit Sian auf der Suche nach Kevin war. Wenn Zelda ähnliche Empfindungen hatte, dann war auch nicht seine eigene Unsicherheit an jenem Schmerz auf dem Handrücken schuld.

„Das ist sehr merkwürdig, denn ich hatte in Irland genau dasselbe Problem… Das Gefühl lähmte mich völlig, ließ mich kaum kämpfen.“ Abrupt stoppte Zelda ihre Schritte. „Aber Link, das bedeutet ja, dass diese Empfindung etwas mit dem Triforce zu tun haben muss… warum sollten wir beide als ehemalige Träger eines Fragments die gleichen Schmerzwahrnehmungen haben? Jeweils dort, wo einst das Fragment ruhte? Das kann kein Zufall sein.“

„Sicherlich…“, murmelte Link und fixierte mit kühlen Blicken weiterhin wachsam die Umgebung. „Aber was soll uns dieses Wissen jetzt bringen?“ Recht hatte er, es gab einen anderen Zeitpunkt sich damit auseinanderzusetzen.

„Was mich im Moment bloß interessiert ist, dass uns dieser trügerische Schmerz in gefährliche Situationen bringen könnte.“ Er erklärte weiter, während sie durch die stille Düsternis tapsten. „Ich meine, ich war so dankbar zu wissen, dass du dich mit magischen Waffen verteidigen kannst, es beunruhigt mich, dass diese jetzt nicht immer funktionieren.“

Zelda spürte Links echte Besorgnis in den Worten und schenkte ihm ein deutliches Nicken. „Ich verstehe, was du meinst, aber ich kann mich auch mit anderen Waffen verteidigen, Link.“ Sie klang sachlich und verständlich, sodass er ihre Worte ohne Zweifel annehmen konnte. Er lächelte. Natürlich wusste er, dass sie das konnte. Sie hatte bei der Auseinandersetzung mit Preston gezeigt, dass sie sich mit flinken Techniken zur Wehr setzen konnte. Eine Ausbildung bei Impa hatte es nun mal in sich. Für die Kürze eines Augenblicks fragte sich der junge Heroe wie das Training mit einer Meisterin der Schatten wie Impa wohl ausgesehen haben mochte. Er entschied sie ein anderes Mal danach zu fragen und unterdrückte einen gemeinen Gähnzwang. Beide hatten ihr Zeitgefühl verloren, und bedachte man die vorige Nacht mit vielleicht vier Stunden Schlaf und diesen kraftraubenden Wahnsinn, der auf der Welt regierte, so war völlig verständlich, warum sie beide eine marternde Erschöpfung spürten…
 

Mit knurrenden Mägen und einer elenden Müdigkeit durchquerten sie den großen Saal und folgten den Stufen in den riesigen Keller. Impas Villa hatte immerhin einen Keller, der mehr einem unterirdischen Labyrinth glich, denn dort war wirklich alles zu finden. Eine riesige Vorratskammer, einige weitere Zimmer, mit Stühlen, Tischen, sogar Betten, sogar ein Badezimmer. Und die Prinzessin Hyrules wusste, dass Ines Schattener, seit sie die Erinnerungen an ihre Vergangenheit als Shiekah wiedererlangte, sich auf einen Ernstfall vorbereitet und in den Kellerräumen einen Ort der Zuflucht erschaffen hatte. Einen Ort für alle Notfälle…

Als Link und Zelda den Eingangsbereich in die Kellerräume erreichten, versperrte auch hier behütend eine dicke Stahltür einen möglichen Zugriff.

„Bis vor kurzem war diese Tür noch nicht…“, hauchte Zelda träge und forschte mit ihren Händen nach Unebenheiten an den Wänden, nach einer Möglichkeit irgendwie Zugang zu finden.

Link klopfte mehrfach an die Tür und fing dann an zu rufen: „Wir sind es, Ines. Mach’ die Tür auf!“ Er schloss sinnierend seine tiefblauen Augen und lehnte sich stirngerichtet an die kühle, raue Tür, spürte nun, da sie hier waren auch seine eigene Erschöpfung immer stärker werden.

Zelda ließ sich trübsinnig auf eine der wenigen Treppenstufe sinken und vergrub den stechenden Kopf in den Armen. „Sie wird uns nicht hören, selbst, wenn sie sich tatsächlich dahinter versteckt hat“, meinte sie misslaunig und griff sich massierend an ihre Stirn. Sie hatte gemeine Kopfschmerzen, die hinter ihren Augen loderten, und brauchte unbedingt ein wenig Schlaf, brauchte ein wenig Ruhe in diesem Alptraum… nur etwas Zeit um nachzudenken, einen Ansatzpunkt zu finden… Die ganze Situation schien so ausweglos und absurd. Warum nur war es soweit gekommen, fragte sie sich mit dem Gefühl einer bleiernen Schwere auf ihren Schultern. Und was sollten sie tun, wenn sie sich in diesem Haus versteckten? Darauf warten, dass Ganon sie früher oder später fand? Darauf warten, dass die ganze Welt in einem Feuermeer unterging? Auf das Ende warten? Wo war die Hoffnung, die das Böse mit strahlenden Heillichtern und dem malerischen Zauber des Guten in seine Schranken weisen würde?
 

„Ich hätte nicht erwartet, das Ende ein zweites Mal zu erleben… Ganondorfs Krieg…“, flüsterte sie in die Dunkelheit des Ganges, hier wo ein unmerkliches Rauschen von Belüftungsrohren im Hintergrund surrte. Das leichte Rauschen legte sich zusätzlich als unangenehmer Druck über Zeldas Stirn, schickte ihr weitere Attacken von forderndem Kopfweh.

Mitfühlend sank Link ebenfalls auf die Treppenstufe, legte seinen rechten Arm um ihre Schultern. Er wollte etwas tröstendes sagen, wollte an Zeldas gedanklicher Reise teilnehmen, und doch… würde er es vielleicht nicht können.

„Andererseits…“, und Zelda hob ihren Kopf an, fokussierte mit ihren traurigen, himmelblauen Augen die seinen. In der Finsternis sahen beide zumindest die Ahnung ihrer Blicke. „… wenn die Legende Hylias unser Erbe ist… dann haben wir beide das Ende der Welt vielleicht schon viel öfter erlebt.“

Noch immer schweigsam verfolgte Link ihre Worte. Und auch jetzt wusste er einfach nichts darauf zu sagen, nichts, das ihnen beiden half diesen Alptraum zu überstehen. Zelda lehnte den Kopf an seine Schulter, ein überfälliges Seufzen wandelte sich in ein weiteres Schluchzen aus ihrer trockenen Kehle.

„Zelda?“ Links Stimme erklang so fragend, dass sie den nächsten Schluchzer unterband.

„Entschuldige…“ Sie versuchte diesen Moment der Verzweiflung mit aller Kraft niederzuringen.

„Hör‘ mir zu“, sprach er, so sicher, so fest. Da war kein Hauch Verzweiflung in seiner Stimme. Einmal mehr belehrte ihr Heroe sie über seine Bereitschaft zu glauben. „Wir sind noch hier… Ich kann dir nicht versprechen, dass wieder alles gut wird. Ich kann dir nicht versprechen, dass auf dieser Welt die Licht wieder leuchten oder dass auch in Hyrule die Sonne wieder scheint… Diese Illusion gibt es nicht für uns…“ Er drückte ihre Schultern ein wenig und streichelte über Zeldas brünetten Schopf. „Himmel… Zelda, ich weiß absolut gar nichts mehr…“ Er berührte mit seinen Lippen ihre Stirn, und ohne sich bewusst zu sein, beruhigte es ihre Kopfschmerzen ins Unermessliche.

„Ich weiß nicht ob ich in der Lage bin, mich Ganondorf zu stellen, ob ich jemals in diesem Leben in der Lage bin gegen ihn zu bestehen, geschweige denn ihn in einem Gefecht zu besiegen…“ Und trotz seiner ernsten, bekümmerten Worte, lauschte die Prinzessin einer erschreckenden Verwegenheit in seiner sicheren Stimme. Wie konnte er diese düsteren Ausgänge mit so viel Standhaftigkeit über seine Lippen bringen, mit so viel unglaublicher Stärke?

Zelda berührte mit beiden Händen sein Gesicht in der Finsternis, versuchte über diesen kinästhetischen Kanal Erinnerungen an ihren Helden zu erzeugen, seine wunderschönen Eigenheiten zu verinnerlichen, als ein weiteres Wimmern über ihre Zunge glitt. Die Angst, er könnte genauso wie Hyrule einfach verblassen, aus ihrem Leben entschwinden, sog die restliche Stärke aus ihrem Körper und drückte Tränen in ihre Augen.

„… und doch spüre ich sie, die Funken unserer Hoffnung. Wir können nicht aufgeben. Denn wir sind immer noch hier. Und niemand hat die Macht dagegen anzukommen, wir finden einen Weg, ich weiß es.“ Seine Worte erklangen so beständig wie eine Festung gegen den Sturm auf hoher See, gesprochen um selbst den schwersten Alptraum zu überstehen. Das war seine Qualität, sein vollkommener Seelenzauber, auch den würde Zelda ewig in ihrem Herzen tragen. Links unergründliches Vertrauen in sein Schicksal, diese Urmacht eines rechtschaffenen, gütigen Herzens. Er würde immer das Gute symbolisieren und niemals kampflos aufgeben. Dies war eine jener Erinnerungen, die Zelda vor jeglichem Verblassen beschützen wollte. Dies war Link… ihr Link.
 

In dem Augenblick wurde die schwere Stahltür mühsam und mit einem rupfenden Lärmen verschoben und ein vertrautes, strahlendes Gesicht gab sich aus grauen Schatten preis. Dar Gordon, der lebensfrohe Allgemeinarzt, trat heraus. Er wirkte erschöpft, ein paar Schrammen in seinem Gesicht verrieten einige üble Auseinandersetzungen mit Monstern, aber seine Augen funkelten voller Tatendrang und Erleichterung. „Nanu, Zelda? Link?“

Der Heroe hätte nicht geglaubt, dass er einmal so glücklich gewesen wäre das Gesicht von Dar Gordon, dem Arzt, der keine Gnade kannte, zu sehen. Der gutmütige Arzt packte Link so energisch in die Arme, dass er ihn tatsächlich einige Zentimeter vom Boden hob. „Du hast es einmal wieder geschafft, Link, wie immer ist auf dich Verlass.“ Dar Gordons schokoladenbraune Augen schienen sich mit Tränen zu füllen, jetzt, da er beide Heldengestalten unversehrt vor sich sah. Link rückte verlegen aus dem Zugriff und zuckte beinahe ängstlich mit einigen feinen Muskeln seiner Mundwinkel. Der hitzige, gutmütige Arzt hatte wahrlich einen festen Griff, den man seinem Erscheinungsbild gar nicht zutraute, bis Links Verstand ihm ein paar Hinweise gab. Aber natürlich hatte jener Arzt eine unvorstellbare, nahezu felsenzerberstende Kraft. Er war schließlich die Wiedergeburt eines Goronen! Wie gut, dass er gerade trotzdem ein Mensch war, dachte Link albern und kratzte sich im Gesicht.

Zelda lächelte Dar Gordon mit ihrer gottgegebenen Anmut entgegen. Die Wärme in ihrem Blick besaß die Macht dem einstigen Goronen nun doch Tränen sprießen zu lassen. „Bei den Göttinnen… es tut so gut zu wissen, dass Ihr unversehrt seid, Prinzessin Zelda.“ Dar verbeugte sich und machte endlich eine eher aufdringliche Geste, die beiden in den Innenraum zu bitten.

„Kommt’ schnell. Ich werde das Tor gleich wieder schließen“, sagte er. „Wir müssen so leise wie Babysteine sein.“

„Danke Dar“, sagte Zelda, der ebenfalls Freudentränen im Gesicht standen. Link krallte sich ihren Arm und zog seine Prinzessin vorwärts. Als sie beide über die Schwelle traten und die Stahltür sich mit einem reißenden Lärmen verriegelte, fiel bei sowohl Link als auch Zelda die letzte Anspannung von den Schultern. Erst jetzt realisierten sie wahrlich, was geschehen war, und dass sie beide vorerst in Sicherheit weilten, hier in Schicksalshort, direkt vor der Schnauze des Bösen…

„Folgt mir, es gibt ein paar Leute, die auf euch warten“, sprach Dar und schob die beiden zitternden und von Müdigkeit erschlagenen Jugendlichen vorwärts. Sie folgten dem Arzt durch einen langen Flur mit wenigen alten Deckenlampen in einen großen Aufenthaltsraum. Link stutzte und blieb gemeinsam mit Zelda an der Hand im Eingangsbereich stehen, realisierte einmal mehr diesen unendlichen Wahnsinn und spürte ein neues bekanntes Gefühl in sich, ein Erinnern an Unentrinnbarkeit und irgendwo auch… Heimat. Es war ihm vertraut mit einigen wenigen Überlebenden sich verbarrikadiert zu haben, selbst der pragmatisch eingerichtete Innenraum, das Fehlen von Gemütlichkeit, denn überall standen Regale mit überlebensnotwendigen Dingen, fühlte sich ungemein vertraut an…

In der Mitte fußte ein riesiger runder Tisch mit vielen Stühlen und tatsächlich saßen an diesem Tisch, welcher mehr einer Tafel wie zu Artus Zeiten glich, drei Personen im Kreis angeordnet. Die Jugendlichen traten mit einem leichten, beruhigenden Lächeln in den Raum ein… Es tat unbeschreiblich gut, einige andere Menschen zu sehen, zu wissen, dass hier Gleichgesinnte warteten, zu wissen, dass es Überlebende gab. Da waren Naranda und Impa, die gerade in dem Augenblick voller Verwunderung und von den herben Ereignissen der letzten Stunden gezeichnet, aufblickten. Aber noch jemand saß am Tisch, eine liebevolle Person, für deren Schutz Link ebenfalls alles gegeben hatte.

Es war Sara, sie war hier und in Sicherheit. Aber sie hatte ihn und Zelda noch nicht bemerkt. Links kleine Schwester hatte ihren Kopf traurig auf ihre Arme gelegt und schluchzte leise. Link lächelte und trat näher, auf seinen Gesichtszügen Erleichterung und Freude. Und noch immer war Sara Bravery in ihrem schweren Gedanken versunken. Sie blickte erst auf, als Link ihr über den Kopf strich und begann zu sprechen. „Hey, Schwesterchen? Bekomme ich denn gar keine Begrüßung“, sagte er liebevoll.

In dem Augenblick hüpfte Sara von ihrem Platz und blickte den Helden schockiert an. Sie konnte nicht fassen, dass er tatsächlich vor ihr stand mit diesem mutigen, unverblümten Lächeln. Dass ihr Bruder lebte… Mit einem Schlag schwand ein Teil ihrer Besorgnis, und Link hatte dies bloß geschafft indem er hier vor ihr stand, unverletzt, bereit zu kämpfen. Sie fiel in seine Umarmung und weinte zögerliche Freudentränen: „Link. Es ist so schrecklich… Ich weiß nicht, wo die anderen sind.“

Er versuchte sie zu trösten und sagte einfühlsam: „Es ist okay. Wir finden eine Lösung, versprochen.“

Auch Ines war aufgesprungen und fiel beinahe über Zelda her. „Den Göttinnen sei Dank, dass dir nichts passiert ist, Prinzessin.“ Sie drückte die brünette Schöne an sich, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Über Zeldas erschöpfte Gesichtszüge trat ein wonnevolles Lächeln. Impa hatte wohl schon immer einen zu festen Griff, aber das erste Mal seit langem ließ Zelda die Besorgnis ihrer Ziehmutter zu. Auch Naranda begrüßte die beiden, bis sie sich schließlich an den Tisch setzten und ihre Flucht berichteten.

Da saßen sie nun gemeinsam am Tisch, die Überlebenden der ersten Angriffswelle Ganondorfs, blickten einander mit aller Hoffnung entgegen, die sie so bitter versuchten am Leben zu halten. Da saßen sie, still und irgendwo magisch so wie Könige einer vergessenen Ära. Da war die einstige Kriegerin der Wüste, die sich gegen die Bräuche ihres Volkes aufgelehnt hatte. Da war ein stolzer Anführer kräftiger Steinfresser, der einen gutmütigen, weichen Kern schon immer besaß. Und Sara Bravery, die sich nach einem Leben in Harmonie und magischer Eintracht sehnte. Ines Schattener, die in den Schatten wandeln konnte. Und sie, das Blut Hylias, geboren um das Böse zu versiegeln und schließlich Link, der eine Heroe, der im Licht des Guten segelte… Alle saßen sie hier, traurig lächelnd, wo die Apokalypse sie erfasst hatte. Und sie würden tun, was immer schon ihren Seelen vorbestimmt war. Die tapfere Gesellschaft der legendären Krieger Hyrules wurde erweckt…
 

Eine Stunde war verstrichen. Zelda und Link hatten sich etwas Frisches angezogen und etwas gegessen. Naranda und Sara schliefen bereits in einem weiteren kleinen Nachbarraum. Es würde der seltsamste Schlaf sein, den sie in diesem Leben haben würden, hier inmitten Ganons Verseuchung war kein gutes Traumwesen mehr am Werk, kein magischer Sand, der vor der Verseuchung des Bösen schützen konnte. Und deshalb träumten Sara und Naranda von der rauchigen Qual, die die Welt in ein Trümmerfeld der Sünden verwandelt hatte. Aber sie alle hatten Schlaf so bitter nötig, sie alle waren erschöpft bis aufs Mark…

Auch die einstige Prinzessin Hyrules sah unheimlich müde aus. Eine alte, kratzige Decke um ihre zitternde Gestalt geschlungen hockte sie mit einer Tasse brühheißen Tees in der Nähe der Heizung und starrte ins Nirgendwo. Und obwohl die Tasse beinahe glühte, spürte sie die Hitze nicht, sie war so am Ende ihrer Kräfte, dass ihre Wahrnehmungen einmal mehr versagten. Ihre Augen schillerten mit Ängsten und Selbstzweifeln, als die Erinnerungen aus Hyrules sie erneut streiften, beinahe über ihren Seelenspiegeln sichtbar wurden. Fetzen der vergangenen brutalsten Kämpfe des hylianischen Heeres gegen die Horden des Todbringers strömten in ihre Gedanken gewebt mit glühenden Angstschreien und brennendem Blut. Es zermürbte sie noch immer innerlich überall Ganons Energie zu spüren, folterte sie und riss an unsichtbaren Barrieren ihrer Seele. Sie hielt diesen inneren Druck kaum mehr aus und obwohl sie Schlaf brauchte, würde dieser kaum gnädig über sie hereinbrechen…

Sie hatte immer noch Kopfschmerzen, trotz einer Kopfschmerztablette von Dar. Ihre Augen waren ein wenig blutunterlaufen, aber ihre erschreckende Sturheit hielt sie ebenfalls eisern wach. Sie wollte etwas tun gegen diesen brennenden Unrat von bösem Dreck in der Luft, gegen die weltweite Zerstörung und Vernichtung des Lebens! Sie wollte den Menschen auf dieser Welt helfen! War dies denn nicht ihre Pflicht?
 

Plötzlich fühlte sie Links Hände, die sie mit einem wärmenden Schauer aus ihrer Gedankenwelt beförderten, diese zärtlichen Berührungen, so vorsichtig, zwangen sie in eine Ruhe, die sie ebenfalls kaum ertragen konnte. Eine fürsorgliche Hand fand sich auf ihrer Stirn, die andere umgriff ihre rechte. Zelda blickte ihm entgegen, als war sie ein Gespenst, fahl, mit beinahe leblos in Müdigkeit ertränkter Mimik.

„Zelda“, erneut warnend kam ihr Name über seine spröden, männlichen Lippen. Zelda war so müde, dass sie nicht anders konnte als mit ihrer gesamten Konzentration auf diesen schönen Lippen zu liegen, diesem angenehmen rosa, diesem schmalen Mund. Link hatte so einen schönen Mund, dachte sie und zuckte kurz mit einem Ruck zurück in die erfahrbare Realität. Bei Nayru, sie war niemals müder in ihrem Dasein gewesen als jetzt.

Und Link erkannte dies mit einem verwunderten Zwinkern. Obwohl… vielleicht war es alles andere als Verwunderung, sondern eher Besorgnis.

„Ich war kurz mit Impa die Lage checken. Die Stadt ist leer, weit und breit kein Monster, aber auch keine Menschen. Ich glaube, die nächsten Tage sind wir hier sicher.“ Dann gähnte auch er, aber ließ seine linke Hand über ihrer Stirn ruhen. Dann seufzte er und einige Falten über seiner Stirn ließen Zelda erkennen, was in ihm vorging. Dass er mit ihrem Zustand nicht einverstanden war, dass er von ihr forderte an ihre Verfassung zu denken.

„Link, ich…“, begann sie und spürte seine Finger über ihren Lippen. Einmal mehr überschritt er damit eine Grenze, die ihr das nächste Zittern in den erschöpften Körper schickte. „Bitte…“, sprach er nur, unglaublich aufrichtig. „Du bist so müde… bitte, du musst jetzt schlafen.“

„Ich kann einfach nicht…“ Sie blickte abweisend zur Seite. „Du bist ebenfalls müde, auf deine Kräfte kommt es mehr an als auf meine.“

In dem Augenblick packte Link sie an den Schultern. Sein Blick in dem gelblichen Lichtschein des Aufenthaltsraumes war auf eine unheimliche Art und Weise strafend, aber er schwieg zunächst.

„Link, ich muss unbedingt wach bleiben. Wir können nicht ewig untätig hier herumsitzen. Ich muss über einige Strategien nachdenken… und mir einen Plan überlegen.“ Gleichzeitig aber schallte ihre eigene vernunftgesteuerte Stimme im Kopf und schimpfte. ,Du kleine Heuchlerin, belüg dich selbst, aber Link durchschaut dich ohnehin.‘ Und als er ihr einen enttäuschten Blick zuwarf, hatte sie auch damit die Bestätigung. Er wusste, dass sie sich mit Visionen quälte, er wusste, dass es ihr im Augenblick körperlich und mental sehr dreckig ging. Was ihn bestürzte, war ihr Unvermögen ehrlich zu ihm zu sein. Gerade Link hatte mit seinem weltfremden Vertrauen und seiner göttlichen Geduld in Zelda die Wahrheit verdient.

„Ich schaffe das, ich bin noch fit genug…“, belog sie sich selbst und wand sich aus Links sanften Berührungen, obwohl sie jene so sehr genossen hatte.

„Du kleine Lügnerin. Du bist so müde wie noch nie in deinem Leben. Mag sein, dass wir uns einen Plan überlegen müssen, aber dein Körper braucht Schlaf, sonst kannst du keinen klaren Gedanken mehr fassen, das reicht jetzt.“ Links Stimme schwoll an, ein Funken Zorn darin, ließ auch Dar aufschrecken, der ebenfalls im Raum saß und über einem Stapel von Büchern über Verbannung, rituelle Erfolgsgeschichten und Magie alter Hochkulturen der Erde hockte.

Beschämt rückte Zelda schließlich etwas weg.

„Zelda!“ Und da war er erneut, der warnende Unterton in seiner vertrauten Stimme. „Du brauchst Schlaf, und basta!“

„Es ist nur, dass ich mir einbilde, ich hätte es verhindern können… diesen ganzen Alptraum“, schluchzte Zelda leise und verweigerte einmal mehr die Wahrheit.

„Ja, Recht hast du“, sagte er schließlich, etwas hinterhältig, aber bestimmend. Es war die Selbstverständlichkeit, mit der jene Worte aus seinem Mund kamen, das Zelda nun doch zuhörte. Würde Link ihr jetzt Vorwürfe machen?

„Ich meine, du hast Recht, dass du dir das alles nur einbildest.“ Er grinste etwas, nicht humorvoll, aber mit der Bestätigung, dass seine Worte funktionierten. Und weil Zelda ihn bestürzt ansah, erlaubte er sich die nächste unvorhersehbare Aktion. Er packte die perplexe Zelda mitsamt der alten Decke, schob eine Hand über ihre Schulter und die andere unter ihre Knie. Schnell und unverblümt nahm er sie auf seine starken Arme.

„Was soll das denn“, schnaubte sie zappelnd und wollte sich aus ihrer Lage befreien. War sie vorher noch müde gewesen, so erfüllte sie eine Entrüstung über Links dreistes Handeln, das sie durchaus wach genug werden ließ um sich zu wehren. „Was fällt dir ein“, fauchte sie nun noch lauter, sodass sich Dar umdrehte, mit einem Blick, der mehr Belustigung aussagte, als er es beabsichtigt hatte. „Lasst euch von mir nicht stören“, meinte er gewitzt und lachte dann. Das Schauspiel war äußerst amüsant, wann hatte man in diesem Horror schon einmal die Gelegenheit zu lachen. Zelda zappelte wie wildgeworden mit roten Ohren und dem Blick eines quengelnden Kindes, weil sie sich absolut nicht wehren konnte. Link hielt sie so geschickt und fest auf den Armen wie eine heroische Zwangsjacke. In dem Augenblick, wo sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden, schloss er sie nur noch fester in seine Umarmung.

Mit einem frechen Grinsen trug er sie in ein weiteres, kleines Zimmer und platzierte sie auf einer Couch. „So und jetzt machst du endlich mal deine Augen zu!“ Er lächelte sie leicht an und wollte dann aus dem Raum gehen, als aber Zelda ihn an beiden Händen zurückhielt, diesen starken, jugendlichen Händen, leicht rau, schon gezeichnet von den wenigen Kämpfen auf der Erde. Und doch waren seine Hände nicht annähernd so rau wie damals in Hyrule…

„Wir kannst du nur so unglaublich… wach und… fokussiert sein?“

„Oh, ich bin eigentlich… echt fertig und hundemüde“, murmelte er und beobachtete das verlegene Lächeln in Zeldas blassem Gesicht. Sie war so schön trotz der massiven Erschöpfung in ihrem ebenmäßigen Gesicht. Dann vergrub sie ihre zierlichen Hände in der grauen, leicht kratzigen Decke. Es war so einfach für ihn zu sehen, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. Was immer es auch war, er wusste, sie würde ohnehin nicht drüber reden.

„Ist es okay, wenn ich… auch etwas Schlaf finde?“

„Sicher“, die Frage ließ Zelda die Augenbrauen verziehen. Sein Pflichtgefühl in allen Ehren, aber er brauchte sie nicht um Erlaubnis deswegen zu fragen.

„Ich meine, wenn ich hier… bei dir… etwas Schlaf finde“, korrigierte er sich. Sie zwinkerte und ihr hilfloses Gesicht wurde rot und beschämt, aber dennoch zuckersüß. War das ein Wunsch nach ihrer Nähe oder einfach nur der Wunsch augenblicklich in ihrer Nähe zu sein im Falle eines Monsterangriffs? Links Pflichtgefühl… oder war es etwas, das sie noch immer hoffen konnte? Etwas Verbotenes, etwas, für das sie jeden Pakt eingehen würde, etwas… unorthodoxes. Zeldas Verstand entschied sich für ersteres, so wie immer.

Link jedoch rang tatsächlich mit der unorthodoxen Begierde die Nähe von letzter Nacht fortzusetzen, Zeldas wohlige Wärme noch intensiver zu spüren, falls er das letzte Mal die Gelegenheit haben würde. Noch einmal seine Zelda innig zu halten hier inmitten der Gefahr war sein einziger Wunsch.

„Die Couch ist groß genug, oder?“, sprach er dann, sehnsüchtig, erfüllt mit dem Gedanken noch einmal mit seiner Prinzessin zu kuscheln, ihren wunderschönen, betörend weiblichen Körper zu spüren, das aufgeregte Trommeln des Lebens in ihren Adern.

Sie nickte schließlich planlos, vielleicht weil sie ihn nicht verstanden hatte, und weil sie nicht im Geringsten ahnte, dass es ihn nach ihrer Nähe verlangte.

„Ach…“ und er grinste breit, die Lachfalten um seine Wimpern entzückten sie. „Was war das denn? War das ein Ja?“ Er war so überglücklich Zelda nicken zu sehen, dass er nicht hinterfragen wollte, was sie in seine Worte interpretierte.

Zeldas irritierter Blick sagte ihm zwar, dass sie es tatsächlich nicht verstanden hatte, aber ein Funken Hinterhältigkeit in ihm entschied dies zu ignorieren und mit seinem aufrichtigen Wunsch nach Zärtlichkeiten zu entschuldigen. Außerdem… Sie sah ohnehin so aus, als fiel sie vor Müdigkeit beinahe in Ohnmacht. Also konnte er ihre Unfähigkeit ihn ein weiteres Mal abzuweisen dann nicht ausnutzen? Link lächelte charmant und drückte die vor Müdigkeit kaum mehr zurechnungsfähige Zelda auf das Sofa. Er würde im Moment wohl alles Mögliche mit ihr anstellen können. Der Gedanke setzte sich als beschämendes Entsetzen in seinen Gehirnwindungen fort… am liebsten würde er sie mit tröstenden Berührungen verwöhnen und einfach nur bei ihr sein, hier, wo die Welt in unbeugsamen Flammen versank. Er drückte ein Kissen unter ihren Kopf, schützte ihren Körper mit der Decke und strich einige brünette Strähnen aus dem Gesicht. Sie seufzte mit Wohlgefallen und schloss die mit Müdigkeit belegten Augen, bemerkte nicht, dass Link sogar ihre Schuhe von den Füßen zog.

Er ließ sich mit einem Gähnen neben seine unverständliche Worte murmelnde Prinzessin auf den Rücken fallen und schloss die tiefblauen Augen.

„Kann ich ein Stückchen von der Decke haben?“, murmelte er, aber Zelda antwortete nicht mehr und schlief schon tief und fest. Warum auch war sie so sehr darauf bedacht gewesen diese Maskerade aufrechtzuerhalten? Niemand würde es ihr übel nehmen, wenn sie ein paar Stunden schlief. Link nahm sich einfach einen Zipfel der Decke, kuschelte sich an seine Zelda heran und legte sein Kinn an ihren Hinterkopf. Selbst nach ihrer Flucht duftete ihr weiches Haar nach Jasmin… Die Empfindung half auch ihm endlich in den Schlaf zu gleiten, während seine Hände ihren Bauch streichelten, sein Körper sie schützte…
 

Nach einer Weile wimmerte die jugendliche Prinzessin in den Armen ihres Heroen immer wieder, ein leises Flehen, vermischt mit hylianischen Worten. Worte, die als leises Gebet in dem winzigen Raum umhergingen. Denn irgendwo dort in ihren Fluch beladenen Träumen war sie eine Gefangene anstehender Grausamkeiten und herber Geschehnisse, eine Gefangene in sich selbst… Sie erhob sich hier, irgendwo in purpurrotem Gewächs auf der gefallenen Welt, mitten in dem Schlund von Ganons Verseuchung. Sie trat hier mit nackten Füßen, spürte infiziertes pechschwarzes Gras an ihren Sohlen schlitzen, als sie ihren Kopf hob, versuchte in der gefühllosen Dunkelheit ihrer Traumwelt zu sehen, sich zu erkennen, erfahren, wo sie war… Aber vor ihren Sinnen regierte nur die finsterste Nacht, eine Nacht, ölig und triefend vor Wahnsinn, gefüttert mit wortleeren Schreien in den dunkelsten Ecken der Welt. Sie wirbelte herum, wollte aus diesem Gewächs aus purer Nacht entkommen, fliehen, suchte nach einem winzigen Lichtstrahl, einem Hauch Natürlichkeit und begann zu laufen. Sie rannte panisch irgendwohin, suchend nach einem Funken Licht, der den Weg erhellte. Und während sie sich durch eine schmierige Masse aus Finsternis kämpfte, sich heraus schälte aus beengender Schwärze, einem fettigen Film von Ganons Hass, spürte sie endlich eine neue Empfindung… ein trockener, schwüler Wind pfiff um ihre Ohren, ihre spitzen Ohren, wühlte das struppige, blonde Haar über ihren Schultern auf. Sie war hier, irgendwo am Ende der Gezeiten, war sie selbst in einem altbekannten apokalyptischen Gefängnis. Sie war Hylianerin, besaß ihr goldblondes Haar wie damals… Und dieser Wind… gnadenlos, staubtrocken und tückisch… Peitschend schickte er Tropfen von Ganons Verseuchung vom entweihten Horizont. Es regnete, aber es regnete Blut…

Zelda blickte auf ihre blutbefleckten Hände, auf einzelne Schrammen, die ihr sagten, dass sie selbst in einem Kampf verwickelt worden war, hier in einem toten Land, das jedoch nicht die Erde war. Sie erkannte diese Welt nicht, sie vernahm nur die Gesänge von Gefallenen von überall her winden.

Und als der erste Blitz von Himmel niederknallte in einem hellroten Glühen und sich als gleißender Wirbel in den Erdboden rammte, gab sich das Gesicht dieses Ortes preis. Weitere Blitze folgten, ohrenbetäubend und schlitzend, Blitze als Mahnung für den Schrecken, der die Welt entstellte. Sie erhob sich zähneknirschend, erschöpft, und spürte Wunden an ihrem Körper, als sie vorwärts humpelte, hier auf einer Wiese in der Ferne. Sie nahm einen Schritt nach dem anderen, lauschte weiteren Stimmen, die sich in verzweifelte Schreie, laute, angstverzerrte Rufe, wandelten. Sie konnte sie hören von weitem und in ihrem Kopf, die Stimmen von vertrauten Menschen, von Impa, Naboru, Saria… Da war noch eine Stimme, die von Darunia, dann diejenige von Rauru und auch von Ruto, sie alle riefen und wimmerten, abgeschlachtet von der Brutalität Ganons riefen ihre Stimmen mit beladener Reue und unerledigten Aufgaben aus dem Jenseits. Zelda realisierte nun, wo sie war, sie realisierte den Sieg des Bösen…

Sie hetzte vorwärts in diesem Netz aus Alpträumen, wimmerte einmal mehr und flehte in Gedanken Hylia an, sie möge ihr helfen diesen Ort wieder zu verlassen. Dies hier musste die Hölle sein, Ganons Hölle, sein Gefängnis… Und während sie vorwärts rannte, ihr langes Haar ein beinahe goldener Schein in dieser Düsternis, erblickte sie nicht weit weg einen Hügel, inmitten dieses Tales, die einzige Erhebung weit und breit. Sie eilte vorwärts, als zog sie ein Strudel der Vorsehung genau zu diesem Platz, der beides hütete, die schlimmste Version des Endes, und vielleicht das einzige Licht, das die Welt noch besaß. Denn dort auf dem Hügel kämpften zwei Gestalten erbarmungslos. Sie kämpften mit einem Feuer der Brutalität um dieses letzte Gefecht zu Ende zu bringen, das Schwert in die Brust des Gegner zu rammen und diesen absurden Teufelskreis des Hasses zu beenden.

Zelda stiegen brennende Tränen in die Augen, als sie erkannte, wer dort kämpfte, welche beiden Wesen diese letzte Schlacht führten. Da war das personifizierte Böse, diese starke Hülle, die doch nur als Wirt für die Seele des Todbringers diente, und da war er… dieser ehrbare, wundervolle Held, der in diesem Gemetzel die Ideale des Guten verkörperte. Es war Link, es war wirklich Link, nicht der Erdbewohner, sondern der Hylianer und er war ebenfalls er selbst, gekleidet in dem grasgrünen Gewand des Helden, das Masterschwert funkelte gestochen scharf durch diesen entseelten Wahnsinn der blutgetränkten Nacht. Und er kämpfte mit allem, was er besaß, aber anhand seiner Bewegungen, einer zunehmenden Trägheit, die Zelda innerlich zermürbte, spürte sie, dass er es einfach nicht schaffte. Er gab alles, so wie immer. Er war der einzige, der würdig genug war sich dieser infernalischen, höhnenden Bestie zu stellen, die sich wie ein Gott über alles Sein erhob, aber Zelda ahnte auch, es war einfach nicht genug. Denn deshalb war sie hier…

Sie würde es erfahren, und es würde ihr Herz in Tausende Scherben zerreißen…

Und sie sah es in dem Augenblick, als die Erkenntnis wie ein Stromstoß durch ihr Herz zuckte und ihr ein Gefühl schickte, als zerriss die Hand Ganons nicht nur das junge, schlagende Herz in ihrer Brust, sondern auch ihre Seele. Sie sah, wie Link auf dem Hügel zusammenbrach und mit einem letzten markerschütternden Schrei den Hügel hinabstürzte hier in der rauchigen Düsternis am Ende der Welt.

Und alles, was Zelda tun konnte, war zu rennen, auf ihren verwundeten Füßen immer weiter zu rennen, ihn ein letztes Mal zu erreichen. Es brannte innerlich, Links Todesschrei zerstückelte alles Leben in ihrem Inneren. Der Schrei dieser so zärtlichen, starken Stimme zerschmetterte ihr Bewusstsein und blieb als pochender Schmerz zurück. Alles, was Zelda nun noch spürte, war Schmerz… überall außen… überall innen…

Die Wiedergeburt des Todbringers hatte ihr die einzige Wärme in ihrem Leben genommen…

Als sie ihn erreichte, lag er leblos vor ihren Füßen. Seine blassen, aber so schönen Gesichtszüge erstarrt in dem Augenblick, als sich die teuflische Klinge in sein Fleisch grub. Dieses markante Gesicht war so vertraut wie immer, sie konnte in diesem noch die Liebe und Zärtlichkeit erkennen, die es so begehrenswert machten. Sie konnte seine Seele noch immer spüren…

Mit einer riesigen, blutsickernden Stichwunde in der Brust, wurde ihm jedoch sogar der Abschied verweigert. Sie umschlang seinen kälter werdenden Oberkörper schluchzend, presste ihr Gesicht an seine Brust und weinte Tränen voller Blut, die letzten Tränen, die nur ihm galten. Sie rüttelte ihn an sich gedrückt, schrie ihn an, bei ihr zu bleiben, doch seine tiefblauen Augen würden sich nicht mehr öffnen. Link war gefallen, das letzte Licht der Welt war mit ihm gefallen, und jauchzend lachte im Hintergrund die barbarische Stimme Ganondorfs…

Zelda blickte mit Tränen in den Augen umher, während sie sich fest an ihren Heroen schmiegte, und erkannte die am Boden liegenden Körper der Weisen Hyrules. Auch ihr Lebenslicht leuchtete hier in diesem Alptraum nicht mehr. In dieser Hölle hatte das Böse gewonnen. Und als wollte der Himmel Zeugnis für diesen Sieg ablegen, zogen die Wolken vorüber und gaben einen glühenden, roten Vollmond preis. Der Blutmond erhob sich als gefühlloser Untertan des Bösen…

Die wimmernde Prinzessin jedoch blieb wie gelähmt vor dem geschundenen Körper eines Menschen sitzen, der ihr alles bedeutete. Sie streichelte sein markantes Gesicht, die fein definierten dunkelblonden Augenbrauen, seine spitze, perfekte Nase, küsste seine spröden, noch immer warmen Lippen. Aber sein Licht würde nicht mehr leuchten.

Die Legende von Hyrule starb mit Links Tod…
 

Zelda krampfte und begann sich im Halbschlaf aus den quälenden Visionen zu winden, bis sie endlich brüllte, so laut brüllte wie nötig um sich selbst aus ihrer Lethargie wiederzufinden. Ihre Augenlider flatterten unter Druck nach oben, gaben himmelblaue Augen preis, die in Trauer und Verlust schwammen. Sie zog sich die kratzige Decke vom Körper, nur um sich als ganz wahrzunehmen und schreckte schweißgebadet hoch. Erkaltete Tränen auf ihren fiebrig roten Wangen erinnerten sie an das Grauen in ihrem Inneren, an diesen unentrinnbaren Sog von göttlicher Wahrnehmung. Oh ja, das konnte sie gut. Eine Empfängerin für grausame Prophezeiungen sein, eine benutzte, kaputte Antenne, die nicht in der Lage war ihre makabren Wahrnehmungen abzustellen. Sie sprang auf ihre wackligen Beine, stürzte aber zugleich wieder auf den Boden und bekam plötzlich keine Luft. Sie sog diese stockend und rasselnd ein und doch erfüllte es ihre Lunge nicht mit Sauerstoff. Panisch atmete sie weiter ein und aus und hockte sich wimmernd vor dem Schlafsofa zusammen. Sie erinnerte den Traum in allen Einzelheiten, mit bangem Herzen und hervorquellenden Tränen, schmeckte das Salz von ihnen über ihre zitternden Lippen gleiten.
 

In dem Zimmer war es ebenso dunkel wie in ihrem Traum und Link schlief immer noch auf der Couch. Es war so untypisch für ihn, dass er tatsächlich noch schlief. Sie griff sich mit zitternder, kalter Hand an ihre Stirn und rief sich ungewollt die Einzelheiten aus ihrem Traum wieder in das Gedächtnis, sie wollte sie abstellen, verdrängen, sich die Bilder irgendwie aus dem Kopf reißen, aber sie waren so übermächtig und bedeutsam, dass sie jene kaum kontrollieren konnte. Stetig erhoben sie sich vor ihrem inneren Auge und rüttelten an Zeldas verschüttetem Selbstwert, zerstörten das bisschen heile Welt in ihrem Inneren, das noch geblieben war.

Sie setzte sich zitternd auf das Sofa, ihre Augen beobachteten Links entspanntes Gesicht in der herben Düsternis, als die Tränen wieder quollen, rupfend, betäubend. Aber sie wollte ihn nicht wecken, sie wollte ihm von diesem Traum nichts erzählen. Ausgerechnet jetzt, wo sie ein wenig Mut gefasst hatte ihm nahe zu sein… wo sie Mut gefasst hatte sich ihm ein wenig zu öffnen, verschlang sie der nächste Alptraum, die nächste ihrer sogenannten Gaben. Was für eine bittere Erkenntnis es doch war, dass sie erneut daran erinnert werden musste, dass ihr jederzeit entrissen werden könnte, was sie liebte…
 

In dem Augenblick, Zelda aus der düstertesten Kammer ihrer Seele reißend, erhellte ein weißes, aber angenehmes Licht den Raum, sammelte sich in einem kleinkindgroßen Punkt in Zimmermitte und pulsierte stetig in Mildtätigkeit, einem funkelnden Schein, der dem Strahlen der Sonne glich. Ganondorfs Machtübernahme war erst ein paar Stunden her und schon hatte Zelda das Gefühl, sie konnte sich nicht mehr an das Sonnenlicht der Erde erinnern. Dieser Schein… er war die Hoffnung pur. Und aus jenem Strahlen entpuppte sich ein kleiner, etwa fünfjähriger Junge, stand der verdutzten hylianischen Prinzessin mit einem warmen, berührenden Lächeln gegenüber. Zelda glaubte, sie träumte noch, wollte sich schon kneifen, als der Junge den Kopf mit wunderbar weichem Blondschopf auf eine Schulterseite sinken ließ und ihr vermittelte, dass er echt war, dass sie nicht träumte. Seine stechenden, blauen Kinderaugen hatten etwas äußerst Charmantes. Er trug grüne Kleidung, ein tunikaähnliches Kostüm, welches bei den Kokiri sicherlich beliebt sein würde. Das hellblonde Haar hing ihm verwirbelt ins Gesicht. Diese frechen Gesichtszüge, eine spitze Nase, wenige Sommersprossen. Sein ganzes Erscheinungsbild, das unverblümte Grinsen, erinnerte sie unweigerlich an Link. Und noch etwas erschreckte sie… er war kein Kind der Menschenwelt, denn seine Ohren zeichneten sich spitz wie die eines Hylianers durch das blonde Haar ab.

Zelda brachte ein verwundertes Glucksen aus dem Mund und wusste nicht, was sie sagen sollte. Alle möglichen Hoffnungen über das Erscheinen dieses kleinen Helden knallten in ihren Gedanken durcheinander. Sie legte ihre Hände über den Mund und kam aus dem Staunen nicht heraus. Gerade da kratzte sich der kleine Bursche mit einem verlegenen Lächeln an seiner Stirn und sah aus als fing er an zu niesen. „Ich weiß, dass ich niedlich bin…“, sprach er und grinste wieder.

Da endlich schüttelte sich die Prinzessin mit einem Kopfwippen zurück in die Realität. Das Erscheinen dieses kleinen Kerls musste einen bedeutsamen Grund haben.

„Wer bist du, süßer Fratz?“, sprach Zelda fasziniert. Sie war so verblüfft von dem Erscheinen jenes Jungen… um nicht zu sagen. Sie war völlig angetan, beinahe verliebt. Alles an ihm schickte sie auf eine Reise in den Schlossgarten… damals, als Link sie das erste Mal besuchte. Damals, als er ihr die Schönheiten der Welt vor Augen führte und ihre eigene Neugierde weckte.

„Pst, wir müssen leise reden, ich möchte nicht, dass du den Helden neben dir aufweckst“, sagte seine helle Kinderstimme zu ihr. Zelda stutzte auf jene Bemerkung. Und sofort erwiderte der kleine Kerl um sie zu beschwichtigen: „Er muss in nächster Zeit sehr viel kämpfen, besser er hat jetzt etwas Zeit zu schlafen.“ Zelda nickte, dieser Umstand war abzusehen. Sie erhob sich mit Tausenden Fragen in ihrem Kopf und kniete vor dem kleinen Kerl nieder. Ihm entgegen zu blicken, voller Neugierde, in seine niedlichen Kinderaugen einzutauchen, zu erahnen, welches Wesen dahinter steckte, erfüllte Zelda mit einem Gefühl von Heimat.

„Sag’ schon, wer bist du, kleiner Junge?“, sprach sie lächelnd.

Er verschränkte seine Arme, zog eine dämliche Schnute und blickte Zelda trotzig an. „Ich mag es nicht, wenn du mich: ,kleiner Junge’ nennst. So klein bin ich gar nicht!“ Auch Zelda rang sich nun zu einem Lächeln und setzte sich erneut auf die Couch, wenn auch sehr leise, sodass Link es nicht mitbekam.

„Du bist nicht bösartig und hast auch sonst keinen Hintergedanken- das sagt mir deine reine Aura. Trotzdem hätte ich gerne gewusst, wer du bist und was du von mir willst. Komm’, setz dich.“ Und Zelda klopfte mit ihrer Hand auf einen freien Platz auf der Couch. Er tat, wie geheißen und schwang auf der Couch frech seine Beine hin und her. Zelda beobachtete den kleinen Kerl so genau wie möglich, dieses freche Erscheinungsbild… sie könnte schwören, dass er in einer engen Verbindung zu Link stehen musste. War er eine weitere Reinkarnation von ihm? Ein Nachfahre? Zelda bekam rote Wangenbäckchen, als ein weiterer Gedanke durch ihren Kopf sauste. War er… ein Kind des Helden der Zeit?

Er antwortete nicht auf ihre Fragen, vielleicht, weil er diese einfach nicht verstehen wollte. Stattdessen musterte er sie mit diesen eindrucksvollen, frechen Kinderaugen und strahlte ihr entgegen. Sein Kindergrinsen war so verteufelt unwiderstehlich, dass Zelda das Bedürfnis verspürte ihn in einer mütterlichen Umarmung zu umschließen.

„Sag’ mir, du erscheinst mir so vertraut. Sind wir uns… schon einmal begegnet? Wo kommst du her, kleiner Mann?“ Diese Anrede war wohl in seinen Augen schon besser…

„Ich besitze keine richtige Existenz… Ich gehöre in die Zukunft, die gleichzeitig Vergangenheit ist. Und ich kann dir nicht sagen, wo ich her komme, denn das weiß ich selbst nicht einmal.“ Seine reine Stimme und das Funkeln in seinen Augen, während er sprach, erfüllte ihn mit einer Liebenswürdigkeit, die Zelda bei den wenigsten Lebewesen jemals wahrgenommen hatte. Dieser kleine Kerl besaß das reinste Herz, das sie jemals erlebt hatte. Sie wusste es… instinktiv. Irgendetwas an ihm erinnerte sie an die Kinder Hylias, die sie mit dem Gott des weißen Adlers gezeugt hatte… Engelhafte Wesen… Kriegerwesen und begabt in Magie, aber unheimlich rein, frei von menschlichen Begierden und Fehlern.

„Also, was führt dich zu mir?“, sprach die Prinzessin erneut und berührte sein weiches, blondes Haar. Das freche Grinsen auf seinem Kindergesicht verschwand plötzlich und er wirkte nun ein wenig verbittert, wenn nicht gar traurig.

„Du hast schlecht geträumt, Prinzessin von Hyrule, nicht wahr?“ Er begann mit seinen Händen zu spielen und presst die rosa Lippen aneinander.

Zelda schien es die Stimme zunehmen, als die Bilder von Links Tod wieder in ihr Bewusstsein drangen, unaufhörlich, folternd…

Ein leises, aber durchaus wehleidiges Antworten in Form von glasigen Augen und dem Sinken ihres Kopfes machte dem Jungen deutlich, dass er Recht hatte.

In dem Augenblick drehte sich Link im Schlaf auf seine andere Seite, murmelte in einer beschämenden Deutlichkeit den Namen seiner Prinzessin, sodass der Bengel grinste. Aber für Zelda war die Situation alles andere als erheiternd. Sie streichelte die wilden Strähnen seines Haares, die ungezwungen und verspielt in seine Augen fielen seitlich und sprach mit besorgter Stimme: „Ich hab’ schreckliche Angst um ihn.“ Dann kniff sie ihre Augen zusammen, ein herber Trübsinn schattete ihr Gesicht und sammelte sich in ihren himmelblauen Augen.

„Es wird alles gut gehen… denn Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch“, sagte der kleine Mann mit seiner glockenhellen Stimme.

Für die einstige Prinzessin Hyrules eröffneten seine bedeutungsvollen Worte und überhaupt seine Anwesenheit eine Chance, die sie die letzten Monate nicht für sich spüren konnte. Wenn dieser Junge existierte, ein Ebenbild des Helden der Zeit, und er aus Hyrule stammte, anders konnte es nicht sein, dann musste auch Hyrule irgendwo eine Chance haben.

„Sag‘ kennst du die Zukunft?“

„Nicht so… wirklich“, antwortete er.

„Die Vergangenheit womöglich?“

„Auch nicht… so wirklich.“

Und da ahnte Zelda, dass es nichts brachte den kleinen Kerl mit Fragen zu durchlöchern. Wie sollte er diese ganzen großen Dinge verstehen, er war vielleicht gerade einmal fünf Jahre alt. Zelda rieb sich über ihre Stirn und versuchte die gebliebenen Kopfschmerzen zu verscheuchen. Eine kleine Pause entstand, in welcher der lustige Kerl mit seinen Beinen pendelte und die schöne Prinzessin ihn einfach nur beobachtete. Irgendwas an ihm schenkte ihr eine neue Form von Zuversicht, da war eine wohlige Wärme, die alles an ihm auslöste, etwas, das nur Link schaffte.

„Also, kleiner Mann“, sprach sie dann und nahm seine Hände in ihre. Er hatte starke Hände, dachte sie, dafür, dass er nur ein kleines Kind war. Aber an der Rauheit seiner Haut bemerkte sie, dass er sicherlich schon ein paar Übungsstunden mit dem Holzschwert hinter sich hatte. „Was ist es, was dich zu mir führt? Es ist sicherlich nicht ohne Grund, dass du genau nach meinem Alptraum hier erscheinst.“

Er spielte einmal mehr nervös mit seinen Händen. „Ich habe einen Plan gegen Ganondorf“, sagte er. „Und ich möchte den gerne erzählen. Aber nur dir.“ Zeldas Augen weiteten sich. Was hatte dieser Knirps gesagt? Deshalb war er hier, um ihr einen Plan anzuvertrauen. Wie nur sollte ein kleines Kind ansatzweise wissen, was es in der Schlacht gegen das Böse zu tun galt?

„Und ich kann dir das aber nur sagen, wenn du mir vertraust.“

„Natürlich vertraue ich dir…“, sprach Zelda, im Übrigen schneller, als sie es beabsichtigt hatte und schneller als ihr selbst bewusst war. Wie konnte man einem so mit Charme erfülltes Wesen auch nicht vertrauen. Wenn er sie so anstrahlte mit diesem frechen Kindergesicht, wie nur sollte sie dahinter eine Bösartigkeit entdecken?

„Gut…“, sprach er.

„Okay… gut“, erwiderte sie und ertappte sich in einem weiteren vertrauten Gefühl.
 

Er zog erneut seine Kleiner-Jungen-Schnute und seine frechen Augen spazierten in Richtung Zimmerdecke. Seine Augäpfel wanderten hin und her, drehten sich von rechts nach links, geradeso, als gab es ein kleines, aber notwendiges Hintertürchen.

„Okay. Ich verstehe schon… was willst du für den Plan?“

Wie aus einer Pistole geschossen, jubelte er durch das kleine Zimmer: „Ich will Existenz!“ Aber selbst dadurch war Link nicht aus dem Schlaf zu rütteln.

„Und wie soll ich dir dabei helfen?“, entgegnete die jugendliche Schönheit und überprüfte mit ihren Blicken sorgfältig Links Zustand. Schlief er tatsächlich so fest?

„Versprich mir bitte, dass du irgendwann an mich denken wirst… dann, wenn du wieder in Hyrule bist.“ Und der kleine Kerl legte seine Kinderhände in eine bekannte, hylianische Gebetshaltung.

„Wenn ich wieder in Hyrule bin? Wie soll das funktionieren? Hyrule ist kein Teil der Wirklichkeit mehr, wie soll ich jemals wieder in Hyrule sein“, meinte Zelda fast hysterisch. Es entsetzte sie, dass dieses Kind einen Wunsch aussprach, den sie tief im Herzen trug. Aber wenn der kleine Kerl einen Plan zur Rettung der Welt hatte, dann wusste er natürlich auch diesen Umstand.

„Das wird sich alles zeigen. Aber weißt du, jetzt müsst ihr Ganondorf erst einmal besiegen“, sprach er leise, aber hoffnungsvoll. Es klang beinahe einfach wie er dies in Worte fasste.

In dem Augenblick gab Link ein unartikuliertes Geräusch von sich, machte quakende Geräusche wie ein Frosch und drehte sich schon wieder um. Er zog die kratzige Decke zu sich heran und seufzte im Schlaf.

„Na gut. Ich verspreche es dir. Sollte ich jemals wieder in Hyrule meine Augen aufschlagen, werde ich an dich denken, versprochen.“ Und Zelda gab niemals leichtfertig Versprechungen ab.
 

„Also…“ und der Bursche atmete tief durch. „Ich mag das aber nur einmal erzählen… das ist so…“ Er bekam rote Wangenbäckchen, während er nach dem richtigen Wort suchte. „… es ist so langweilig.“

Zelda nickte und schmunzelte ohne dass sie es wollte. Sie ahnte, dass ihm jemand den Auftrag zur Übermittlung dieses Wissens gegeben haben musste. Auch wenn dieses Fratz etwas schier Göttliches an sich hatte, etwas so reines wie unberührte Sonnenstrahlen, so musste sein Wissen einen Ursprung haben.

Er plapperte schließlich darauf los, sein Wissen tatsächlich auswendig gelernt. „Zuerst müssen alle Weisen aus Hyrule versammelt sein. Ist dies getan, muss ein Riss in der Realität erzeugt werden. Ihr müsst das neue und alte Hyrule wieder zum Leben erwecken, zumindest nur für kurze Zeit. Dafür werden die Kräfte der Weisen ausreichen. Links Aufgabe wird es sein, nach Hyrule aufzubrechen und Gefäße mit den Elixieren der alten Weisen aus einigen Tempeln und anderen Labyrinthen zu beschaffen, die die Macht haben die Kräfte der Weisen zu vervielfachen.“

„Warte mal“, bremste Zelda und hob dabei ihre Hände in die Höhe. Es waren nicht nur die scheinbar auswendig gelernten Worte, die Zelda entsetzten, es war diese Belanglosigkeit, die hinter diesem Plan steckte. „Ich weiß nicht, wer diesen Plan geschaffen hat, aber das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, kleiner Mann. Erstens: Link hat keine Erinnerungen an Hyrule. Wie soll er sich dort alleine zurechtfinden? Zweitens: Wer garantiert uns, dass wir genügende Kräfte haben, um das alte Land wieder und das auch noch für einen längeren Zeitraum am Leben zu halten? Drittens: Ganondorf hat das Siegel, welches die Weisen einst erschufen, nach Hunderten von Jahren trotzdem brechen können. Welches Siegel soll ihn noch verbannen können? Wo steckt der Sinn dahinter?“ Sie war deutlich aus der Puste nach diesem Vortrag und löcherte den Burschen mit ihren Zweifeln.

„Aber… aber…“ und der kleine Held kratzte sich an seiner Stirn, bis er sich durch das weiche, blonde Haar strich. Seine leuchtend blauen Kinderaugen spazierten mit gezielten Blicken in Richtung Wand, er machte deutlich, dass er keine Lust und keinen Nerv hatte auf Zeldas Fragen einzugehen. Was erwartete sie auch, dass dieser kleine Bengel die Logik hinter all dem verstand?

„Ich weiß nur, dass das der Plan ist. Und ich weiß, dass Link nicht alleine nach Hyrule gehen soll, du sollst ja schließlich auch mit gehen. Und ich weiß auch, dass die Weisen total stark sind, die schaffen so viel.“ Er fummelte an seinem Gürtel herum, dort, wo ein fein verarbeiteter Dolch ruhte, scharf, bereit benutzt zu werden, aber umhüllt von einer sorgfältig verarbeiteten Scheide aus blau und golden bemalten Stahl. „Ihr werdet das böse Schwein kaputt machen.“ Und je mehr dieses kleine Kind über seine rosa Lippen brachte, umso seltsamer wurde für Zelda dieser angebliche Plan. Sie entließ einen Seufzer der Frustration. Ob sich der Junge diesen scheinbaren Plan vielleicht nur selbst ausgedacht hatte?

Der Bursche erkannte die Zweifel in Zeldas müden, leicht geröteten Augen, er sah die Angst und Sorge, jene tiefliegende Verlustangst so deutlich. „Bitte glaub‘ mir doch.“

Sie pustete einen gepressten Luftstrom aus ihren Lungen und suchte die Unergründlichkeit in jenen wunderschönen, kindlichen Seelenspiegeln. „Es ist nur…“ Zeldas trübsinnige Blicke verloren sich schließlich wieder auf Link, der noch immer entspannt ruhte. Und während sie ihren Heroen beobachtete, realisierte sie einen Umstand der Lächerlichkeit, einen so albernen Gedanken, dass ihr schwindelig wurde. Schwindelig aufgrund der Absurdität der Situation und schwindelig angesichts einer dummen Entscheidung, die in ihrem Kopf getroffen werden musste. Welche Wahl hatte sie denn in der jetzigen Situation. Dieser kleine Bursche war die einzige Hoffnung, die sie alle in jener Situation noch besaßen. Niemand hatte eine Option in diesem blutroten Trauerspiel der Welt, es gab nichts mehr, keinen Weg, keine Option. Womöglich lag die einzige Rettung tatsächlich nur in Hyrule.

„Du musst mir glauben“, wiederholte er. „Ich sagte, ich habe einen Plan. Ich habe nie behauptet, einen perfekten Plan zu haben. Ihr schafft das schon…“ Er musterte die Schicksalsprinzessin erwartungsfroh.

Zelda seufzte einmal mehr. „Gut. Wo ist der Haken?“ Als ob es an diesem seltsamen Plan nicht schon genügend Haken gab?

„Um nach Hyrule zu gelangen, benötigt ihr noch drei weitere Gegenstände: Zwei Energien und etwas, was damals in Hyrule einen unermesslichen Wert hatte.“

Ein Geistesblitz schoss durch Zeldas Kopf. Er meinte sicherlich das Medaillon der Mächtigen, aber welche zwei Energien?

„Dann gibt es noch einen zweiten Haken. Ihr habt nicht ewig Zeit. Bis zum gesättigten Blutmond müsst ihr die Gefäße gefunden haben, denn dann…“ Er traute sich kaum weiterzureden und blinzelte.

„… dann ist es zu spät…“, beendete Zelda den Satz für ihn. Er nickte nur beflissen, wollte nicht formulieren, was dies wohl bedeutete, aber für die Prinzessin brach eine Flut an Bildern in ihrem Inneren zutage. Sie wusste es, sie ahnte um die Zeichen, die das Ende verkündeten. Es gab eine kurze Zeitspanne für diesen Plan, eine brenzlige Zeitspanne, in welcher das beinah Undenkbare geschafft werden musste. Der Blutmond, unersättlich, pulsierend rot, fiebrig und übel, hatte eine unheimliche Bewandtnis für die einzige Option zum Sieg des Guten. Wenn er am Himmel leuchten würde, so stark und bestialisch wie in ihrem Traum, dann war die Welt nicht mehr zu retten. Dann überschrieben Zarnas Splitter jedes Wesen mit Missgunst, dann war die Welt unter dem blutroten Vorhang der Dämonen zugrunde gerichtet.

Aber wie nur sollte dieser Plan funktionieren?

Wie sollte man innerhalb von einigen Wochen durch ganz Hyrule reisen und irgendwelche magischen Fläschchen mit alten Elixieren suchen? Hyrule war schließlich größer als in einem Konsolenspiel. Hyrule war zu großen Teilen ein absolut wildes Land, und nicht nur mögliche dämonische Kreaturen, sondern auch extreme Witterungsbedingungen, würden eine Reise durch jene Welt deutlich erschweren. Hinzukam das Faktum, dass Zelda von magischen Elixieren, die Weisenkräfte verstärken sollten, noch nie etwas gehört hatte. Sicherlich gab es in Hyrule viele magische Orte, Schreine, Tempel, lang vergessene Artefakte und die merkwürdigsten Errungenschaften. Aber jene Orte und Artefakte waren oftmals verschüttet, ausradiert in der Geschichte, kaum zu bergen. Zelda erinnerte sich an den am Schloss zuständigen Archäologen und Zuständigen für jede Ausgrabung alter Errungenschaften. Er hatte nur sehr wenige Objekte und verschollene Tempelanlagen ausfindig machen können. Es war ein Feld, für das in dem Zeitalter des Helden der Zeit schlichtweg die Möglichkeiten und auch die Technik fehlte. Hyrule war nun mal nicht die Erde, auf welcher es Fortschritte zuhauf in diesem Bereich gab.

„Und es gibt noch einen dritten Haken. Da du Link in Hyrule führen musst, kannst du nicht als siebte Weise fungieren. Ein anderer muss an deine Stellte treten. Aber auf die Persönlichkeit, die deine Aufgabe übernimmt, wirst du in wenigen Stunden treffen, zumindest sagt das der Plan.“

Zelda seufzte und nickte mit spürbarem Magendrücken. Nicht nur, dass alles an diesem Plan unsicher war, es ängstigte und erfreute sie die Vorstellung gemeinsam mit Link nach Hyrule zu reisen gleichzeitig… und natürlich fragte sie sich, ob nicht vielleicht der wiedergeborene Shiek, der so unglaublich stabil, resilient und fähig war, besser für diese Mission geeignet schien.

„Okay“, sprach Zelda schwach. Ihre Zweifel beluden ihre Stimmbänder verräterisch.

Der kleine Kerl leuchtete schließlich wieder in jenem reinen Licht, wie zu Beginn seines Erscheinens. Er blickte Zelda mit einem kindlichen, aufmunterndem Lächeln an. Doch bevor er verschwand, hüpfte er auf ihren Schoß, umarmte sie und gab ihr einen kleinen Schmatz auf die rechte Wange. „Es wird alles gut, hab‘ Vertrauen. Und denk’ bitte an mich. Sonst existiere ich nicht.“ Damit verschwand der kleine Kerl und hinterließ eine verwirrte Zelda.
 

In dem Augenblick setzte sich Link aufrecht. Er gähnte mit einem Wie- spät- ist- es- und- habe- ich- zu- lange- geschlafen- Blick und streckte seine Arme in die Höhe. Sie hatten beide kaum fünf Stunden Schlaf abbekommen, aber Link sah unglaublich erholt und kräftig aus. Seine frischen, strahlenden Gesichtszüge versetzten Zeldas Herz in verliebte Schwingungen. Selbst das Lächeln, das sich um seine Mundwinkel bildete, schien zu strahlen. Bei Hylia, dieser Mann war so tapfer und stark, und das am Ende der Welt…

Zelda blickte verlegen zur kratzigen Decke: „Ich habe einen Plan. Wir müssen einige Vorbereitungen treffen.“

Link lächelte ihr aufmunternd entgegen, so wie der kleine Knirps von vorhin. Aber Überraschung lag überhaupt nicht in seinem Blick. „Ich weiß, Zelda“, sagte er.

„Du hast die ganze Zeit zugehört?“

„Jep, aber nicht alles von Anfang an, sorry, ich war im Halbschlaf. Nimmst du mir das übel?“ Und er gähnte schon wieder unter einem weiteren gutmütigen Grinsen. Sie schüttelte mit dem Kopf. Da sie von seinem Tod träumte, wusste sie nicht, ob sie ihm jemals wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit böse sein konnte…

„Dieser Junge…“, begann Link. „Er ist mir schon einige Male begegnet, er ist ein vertrauenswürdiger Charakter.“ Er rutschte etwas näher und versuchte Zeldas mit Schatten belegtes Gesicht zu deuten. Er spürte eine neue Bedrückung in ihren Gesichtszügen, dort, in dem Spalt, wo mit winzigen Tränenspuren ihre Augen endeten und ihre dunkelblonden Wimpern begannen, und dort, wo ihre vollen Mundwinkel sich darum bemühten eine kämpfende Verzweiflung zu kaschieren.

„Er war bei uns… letzte Nacht“, setzte Link hinzu, aber spürte, dass er Zelda kaum erreichte. In ihren Augen lag eine Reise in eine neue Form von Betrübnis, die ihn ängstigte. Und es gab nicht viel, das ihm Angst machte. Mit dem Gefühl, Zelda könnte sich in Luft auflösen, genauso wie zu Beginn ihres Abenteuers auf der Erde, packte er sie etwas zu energisch an ihren Oberarmen. Zelda nickte dann lediglich und erhob sich. Einmal mehr krochen die Bilder ihres Alptraums an die Oberfläche, hinterließen nichts als Schmerz… diesen altbekannten Schmerz, das alles, was sie tat zur Rettung der Welt jedes Opfer von ihr forderte. Jedes Opfer, absolut jedes…

Sie trat mit dem Rücken zu ihm, fürchtete sich, er sah die Wahrheit in ihrem Blick. Die Wahrheit darüber, dass sie ihn erneut abweisen würde.

„Dieser Plan ist unsere beste Option, wir müssen diesen so schnell wie möglich in die Tat umsetzen.“ Kühl kamen jene sachlichen Worte über ihre Lippen. „Link, bitte steh‘ auf, und lass‘ uns die Einzelheiten mit den anderen besprechen.“

Link schluckte, fühlte sich, als krachte gerade eine Mauer auf ihn hernieder, obwohl in Zeldas Worten nur Sachlichkeit lag. Und doch konnte er sich aus dem ablehnenden Gefühl gerade keinen Reim machen. Er hüpfte mit einem gekonnten Sprung vom Bett und folgte ihr mit einem unüberhörbaren Seufzen.
 

Die Kinder des Schicksals begaben sich in den großen Aufenthaltsraum, wo es sich Impa und Dar bequem gemacht hatten. Beide saßen über einer wärmenden Suppe, ausgelaugt und grüblerisch. Als die Prinzessin in den Raum trat, mit diesem gefassten Blick, den Impa nur zu gut kannte, erhellte sich beinahe der Raum. Dar und Ines folgten den erklärenden Äußerungen der Prinzessin, bestaunten jede Einzelheit des ungewöhnlichen Planes. Zelda unterließ es aber den kleinen Bengel zu erwähnen, was Link ein wenig verwunderte. Obwohl… auch er war einem ungewöhnlichen Instinkt gefolgt den Jungen geheim zu halten.

Nach einer halben Ewigkeit endete Zelda mit ihrem Vortrag und Ines machte ein Gesicht der Überraschung, das ihr im Grunde genommen nicht stand. Entsetzen passte nun mal nicht zur stolzen Direktorin.

„Und du bist dir sicher, dass das funktioniert? Bei Hylia…“ Impa verschränkte die Arme und ließ ihre Zweifel über das Gesicht fallen. „Ich wage gar nicht zu fragen, wie du darauf gekommen bist.“

Mit einer neuen Form von Zerstreuung ließ die einstige Königstochter den Kopf sinken.

„Ich habe vor Ewigkeiten einst in Hyrule von solchen Elixieren gelesen und auch davon, dass jene anhand der Elemente erschaffen wurden, und dass jene in der Lage sind Kräfte zu verstärken, aber dieses Ziel… Zelda, das kann nicht dein Ernst sein? Hast du denn nicht bedacht, dass selbst verstärkte Kräfte uns Ganon nicht versiegeln lassen könnten?“

Zelda knirschte mit den Zähnen, eine Gestik, die Link noch nie gesehen hatte. Seine vornehme, auf ihre Regungen bedachte Adlige, knirschte mit den Zähnen. Es amüsierte ihn so sehr, dass er schmunzelte und ein belehrendes Räuspern von Impa erntete.

„Du meinst es wirklich ernst?“

Mit kühlem Blick sah die Prinzessin auf. Und ein weiteres Mal fiel Impa aus allen Wolken. Das Verhalten der Prinzessin besaß seit ihrem Erscheinen auf der Erdenwelt noch mehr übertriebene Eigensinnigkeit als früher. Noch mehr maßlose Sturheit, noch mehr Unvorhersehbarkeit. Also, was brachte es der stolzen Direktorin Zeldas Worte in Frage zu stellen?

Impa seufzte und strich sich mit ihren großen Händen ansatzweise einige Bedenken aus ihrem Gesicht. „Also gut, Zelda, wie du es wünschst.“ Dann fixierte sie den jungen Heroen. „Ich nehme mal an, du stehst hinter diesem Plan?“

Link nickte und wackelte verwundert mit der spitzen Nase. Hatte Impa auf seine Bedenken gehofft, ja, gehofft, dass er Zelda diesen möglichen Plan ausredete? Es war merkwürdig, dass Impa ihn bohrend anstarrte und auf Widerworte wartete. „Ich stehe vollkommen hinter diesem Plan“, sprach er, so ergeben und loyal wie immer. Er konnte den Ansatz von Zeldas Lächeln in ihren schönen Gesichtszügen entdecken und lächelte ebenfalls.

„Was meinst du dazu, Darunia?“, murrte Ines und kam sich vor, als wäre sie die einzige in diesem Raum, die noch versuchte mit einem Sinn für Realität und Verstand an die Rettung der Welt heranzugehen.

Der gut gelaunte Arzt hatte bisher geschwiegen und streichelte seinen vollen Bauch. Mit unendlicher Ruhe hatte er während der Konversation nichts anderes getan als ein paar saftige Hähnchenschenkel von gestern zu verspeisen. Man merkte ihm an, dass er gutes Essen liebte, vielleicht gerade deshalb weil er als einstiger Gorone eine eher begrenzte Geschmacksvielfalt kennen durfte. „Was soll ich denn dazu sagen, Impa?“, sprach er. „Außer, dass uns nichts anderes übrig bleibt als alle Vorbereitungen zu treffen.“

Ines Schattener schenkte ihm einen bitterbösen Blick, der selbst Zelda erheiterte. Zumindest von Dar hatte die stolze Shiekah etwas mehr Resonanz und Bedenken erwartet.

Darunia tupfte mit einer Serviette um seine Mundwinkel und erhob sich. „Es gibt nur eine Sache, die mir schleierhaft ist und Bauchweh bereitet.“ Ein dankendes Grinsen um Impas Augen amüsierte den ehemaligen Goronen, sodass er kurz auflachte. „Es geht um den Blutmond.“ Er fixierte schließlich Link mit seinen gutmütigen, schokoladenbraunen Augen. „Prinzessin, du hast gesagt, wir haben nur Zeit bis zu dem gesättigten Blutmond. Wenn jener über die Welt steigt, dann lodern Zarnas Splitter in dem schlimmsten Glanz… nur…“ Er sah nicht in Zeldas Gesichtszüge während er sprach, sondern blickte noch immer starr in Links Richtung. „… wann wird sich dieser Blutmond erheben? Für diesen gibt es einen anderen Zyklus als es der normale Mond am Himmel verrät. Wie viel Zeit bleibt uns tatsächlich bis jener sich zeigt?“

„In etwa drei bis vier Wochen fällt er über die Welt…“, hauchte Zelda träge. „Ich weiß es einfach…“ Eine spürbare Unruhe ergriff Besitz von Zeldas glockenheller Stimme. Zögerlich legte Link ihr eine Hand auf die angespannte Schulter. Er war fast schon erschrocken wie verkrampft sich Zelda plötzlich anfühlte, so fest wie Stein… einmal mehr spürte er Abweisung und hoffte, es lag wirklich nur an dieser unentrinnbaren Situation.

„Also gut, Leute, lasst uns mal die restlichen Weisen verständigen.“, entkräftete Darunia die nächste Welle einer sich unangenehm anfühlenden Stille in dem Raum. Obwohl es so verständlich war… jeder im Raum zweifelte… jeder hatte seine Bedenken in diesem Alptraum falsche Entscheidungen zu treffen. Der kleinste Fehler könnte dazu führen, dass sie alle in Ganons Kerkern saßen und die Schlacht um die Erde ihr jähes Ende fand. „Zum Glück sind mit Zelda eingeschlossen bereits fünf von uns anwesend.“

„Moment mal… von welchen Weisen sprecht ihr eigentlich, ich habe ja verstanden, dass Ines Impa ist und Dar Darunia… aber wer ist da noch?“, sprach Link endlich. Auch ihm waren einige Dinge noch sehr schleierhaft.

Als ob sie gerufen worden waren, platzten Naranda und Sara Bravery in den großen Aufenthaltsraum. Sie sahen beide ziemlich verschlafen aus, gähnten mit knurrenden Mägen. Sara begrüßte die anderen mit einem: „Ich hab’ Hunger“, während Naranda ein weiteres Mal gähnte.

„Siehst du es denn nicht, Link?“, sprach Darunia und klopfte ihm auf die Schulter, im Übrigen so fest, dass es echt weht tat. „Naboru verkörpert noch immer das Feuer der unbarmherzigen Gerudofrauen.“

„Was soll das denn heißen?“, beschwerte sie sich. „Ich bin nicht unbarmherzig, du Steine verschlingender Geröllhaufen.“

„Sag‘ ich doch“, lachte Dar und schickte der einstigen Gerudokriegerin ein entschuldigendes Schmunzeln, das sie mit einem Zwinkern annahm.

„Und dann haben wir da noch Sara“, meinte Ines und lüftete endlich eines der letzten Geheimnisse vor Link. „unsere tatkräftigte, schlaue und im übrigen unsterbliche Heilige der Wälder.“

So war das also… der jugendliche Heroe wollte eigentlich etwas von der Überraschung zeigen, die ihn erfüllte und doch… schwappte diese Erkenntnis wie eine ruhige Welle über ihn hinweg. Was sollte ihn auch noch überraschen? Er hatte ohnehin geahnt, dass es einen Grund gab, warum Sara in diesen Alptraum früherer Leben einbezogen war. Irgendwo in stillen Kämmerchen seiner Seele wusste er es, hatte es immer gewusst. Sara war eben nicht einfach nur seine kleine Schwester und seine beste Freundin, Sara war genauso wie Zelda und die anderen über die Welten hinaus mit ihm in dem unentrinnbaren Rad des Schicksals verbunden.

Sara blickte ihm entschuldigend entgegen. Schon wieder… schon wieder musste sie sich bei ihm für die Unwahrheit entschuldigen. „Link, ich… ich wollte keine Geheimnisse vor dir haben. Es ist in letzter Zeit einiges schief gelaufen…“, erklärte sie.

Er fühlte den Anflug von verräterischem Misstrauen, fühlte eine Entehrung von Saras Seite, aber er hatte auch nicht den Wunsch für diesen Unsinn die Beziehung zu seiner Schwester zu begraben. Erst recht nicht in dieser Situation, wo die Welt auf Messers Schneide stand. Verfehlungen und Konflikte wie diese gehörten einfach nicht hierher… diese Dinge und den dahinter liegenden Frust könnten sie besprechen, wenn sie heil Ganondorfs Krieg überstanden hatten.

„Ich habe meine Erinnerungen aus Hyrule in den letzten Wochen wieder gefunden… es war sehr belastend und schwer und ich habe dich damit nicht beladen wollen.“ Natürlich, auch Sara war eben eher der Typ dies alleine zu bewältigen. Und sie schaffte dies auch, sie war stärker als ihr Äußeres verriet.

Link entschied sich diese Wahrheiten schweigend anzunehmen, was sollte er dazu auch sagen? Kein Wort, das über seine Lippen kam, könnte ausdrücken wie verrückt das alles für ihn war. Kein Wort, das in seiner Kehle nach Gehör suchte, könnte nur ansatzweise erklären wie er sich in diesem Alptraum fühlte… Und kein Wort, das in seiner Seele schwelte, würde den Druck entlasten, der in ihm brannte wie ein explosives Feuer. Der Druck aller Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, da er doch der Mutbringer Hyrules war. Der Druck der eine Held zu sein…

Er lehnte sich an eine der Wände, schwieg und beobachtete die Wesen hier mit ihren menschlichen Maskeraden. Eine Melancholie erfüllte sein jugendliches Herz, die er selten gespürt hatte. Ob diese magischen, begabten und rechtschaffenen Wesen jemals wieder auf diese Weise zusammenkommen würden, dann wenn der Kampf in die entscheidende Phase ging? Würde das Lebenslicht jedes einzelnen auch dann leuchten, wenn Ganondorf fiel?
 

„Zwei von uns fehlen noch… Richard und Rutara, dann sind wir komplett“, sprach Impa zusammenfassend. „Aber nach wie vor ist mir ein Rätsel, wer deine Position als siebte Weise einnehmen soll.“ Zelda wirkte nicht überrascht und auch nicht verunsichert diesbezüglich. „Jemand ist auf dem Weg zu uns, du wirst dich wundern, Impa“, endlich löste sich Zeldas gramerfülltes Gesicht in etwas Linkisches, Tückisches.

„In Ordnung“, sprach die Weise der Schatten. „Auf zur nächsten Phase unseres Plans.“ Beinahe unheilig thronte die muskulöse, hochgewachsene Ines Schattener in der Mitte des Raumes, wie eine heimliche Anführerin steckte sie die Wege und Möglichkeiten ab. „Wir haben den Weisen des Lichts und die Weise des Wassers telepathisch verständigt, schon vor einer Weile, was uns jetzt noch fehlt, sind die Energien, von denen ihr gesprochen habt.“ Fragend durchbohrten Ines‘ rubinrote Augen diejenigen der schönen Prinzessin.
 

„Diese Energien werde ich beschaffen“, erklärte Link unmissverständlich, befehlsgewaltig, sodass ihn alle im Raum erschrocken anblickten. Seine raue, starke Stimme ließ nicht einmal eine winzige Gelegenheit jene zum Wanken zu bringen. Und auch Links leuchtend blaue Augen schnitten mit deutlicher, scharfer Prägnanz durch den Raum, forderten Zustimmung für sein Vorhaben von jedem einzelnen. Und tatsächlich wagte sich keiner zu widersprechen.

„Vor einiger Zeit habe ich Ganondorf zwei ungewöhnliche Bilder entwendet… es ist nicht ganz klar, was diese sind und womit jene angereichert sind, aber sie pulsieren vor Energie. Ich habe diese Gemälde damals ins Antiquitätenzentrum gebracht“, erklärte Link unbeugsam. Zelda stockte der Atem, als sie ihn sprechen hörte. Seine Stimme so rau und gewaltig wie ein schäumendes, ungeduldiges Meer…

„Ich weiß, wo diese sind, und es ist meine Aufgabe diese zu beschaffen“, sprach er noch einmal, mit einem warnenden Blick in Zeldas Richtung. Er schlug sich so unglaublich tapfer, ihre Anerkennung war alles, was sie ihm mit Blicken schenken wollte. So tapfer, obwohl er als einziger keine Erinnerungen an Hyrule in sich trug. Dennoch erfüllte sie der Gedanke, er machte sich auf den Weg ins Stadtzentrum mit einem furchtbaren Gefühl der Reue und Verlustangst. Ob sie ihn wirklich alleine ziehen lassen sollte?
 

Der Heroe machte sich schließlich wortlos bereit in die Stadt zu gehen, bereit für einige Kämpfe und Beschwerlichkeiten, während Zelda Naranda und Sara den Plan ein weiteres Mal darlegte. Link zeigt weder Furcht, noch Zweifel oder Überraschung, zog sich eine Jacke an, legte sich seine Dolche um und nahm Leon Johnsons blutbeflecktes Schwert auf den Rücken. Er würgte noch drei Scheiben Brot herunter, trank etwas und verabschiedete sich kurz angebunden mit einem belanglosen Abschiedsgruß von den anderen. Irritiert blickten die Überlebenden von Ganondorfs Angriffswelle ihm hinterher und alle schienen mit ihren Blicken dasselbe Gefühl und dieselben verwunderten Worte zu transportieren. Sie waren entsetzt mit welcher Fassung und gefährlichen Ruhe Link die aktuellen Hürden annahm…

Gerade wollte er den Mechanismus zum Verschieben der schweren Stahltür betätigen, als Zelda unerwartet in dem halberleuchteten Korridor stand. Er bemerkte sie, auch wenn er nur widerwillig weitere Abschiedsworte an sie richten wollte, bemerkte ihre Sorgen und verschwiegenen Bedürfnisse. Sie sah ihn nicht direkt an, aber machte mit gefalteten Händen und glasigen Augen den Eindruck, noch etwas sagen zu müssen.

Link wand sich schließlich zu ihr und sprach leise: „Mach’ dir keine Sorgen. Ich pass auf mich auf.“ Es fiel ihm schwer sich gerade jetzt auf etwas Nähe einzulassen, nicht nach der spürbaren Abweisung von ihr und nicht ausgerechnet jetzt, wo er alle Konzentration für diesen Weg in die Stadt brauchte.

„Du musst das nicht alleine erledigen, Link“, sprach sie endlich, aber eigentlich wollte sie sagen ,Warum kann ich nicht mit dir gehen?‘ Sie sprach es nicht aus, vielleicht auch, weil sie wusste, was er antworten würde. Er wollte sie nicht dabei haben, weil sie dann in Gefahr wäre, weil er auf sie aufpassen müsste.

Sie ließ ihn nicht antworten und sprach aufgeregt weiter. „Und warum kann das niemand anderer erledigen?“

Aber der Heroe konnte kaum glauben, was er da hörte. War Zelda nach den irrsinnig langen Disputen nun endlich mal egoistisch? Zum Teil war das fast etwas erfreulich für ihn… wenn sie so um sein Wohlergehen besorgt war, dass sie nicht wollte, dass er ging, dann konnte er noch immer hoffen, sie auf einer innigeren Ebene zu erreichen.

Sie schluchzte dann und drehte sich um ihre Achse. Einmal mehr wusste er, dass sie etwas vor ihm verschwieg. „Entschuldige, das war selbstsüchtig von mir“, sprach sie. „Sei’ bitte einfach vorsichtig“, sagte sie dann etwas lauter.

„Immer…“, sprach Link endlich, sein Schweigen seit sie den Plan enthüllt hatten, war kaum auszuhalten.

„Und… überstürze nichts… Es ist mir egal, wie lange du brauchst… Hauptsache, du kommst heil zurück“, meinte sie leise. Dann endlich riss in Zeldas Innerem endlich der Faden und sie warf sich in seine Arme, überforderte Link damit jedoch. Er war von so viel plötzlicher Zuneigung überrascht, aber genoss es. Sein inneres Gefühlschaos entschied sich die behütende Starre abzulegen, die er in den letzten Minuten aufrechterhielt bis er die Umarmung erwiderte und Zeldas erschöpften Körper an sich drückte. Ihre Wärme löschte die Bitterkeit, die in ihm kämpfte, dieser Sog seiner Bestimmung, welcher so gewaltsam an ihm zerrte, dass er glaubte nicht mehr lächeln zu können. Er wusste nicht genau, was es ausgelöst hatte, er wusste nur, dass er sich seit vorhin irgendwie gespalten und allein gelassen fühlte.

„Mach keine Dummheiten, solange ich weg bin, ja“, sagte er schließlich, löste sich mit dankbar geschmeidigen Gesichtszügen aus ihrer Umarmung und wollte nur noch einmal in ihren himmelblauen Augen träumen und einmal mehr seine eigene gestorbene Unschuld entdecken…

„Bitte sei einfach wachsam…“, sprach sie stockend. Dieser erzwungene Abschied schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte noch so vieles sagen, und doch schloss sich in ihrem Inneren jede einzelne Tür zu ihren Gefühlen.

„Zelda… ich komme zu dir zurück, ich verspreche es…“, seine Stimme so warm und weich, ganz anders als der Krieger, den er in den letzten Minuten mit energischer Härte dargestellt hatte. Trübsinnig tauchte er in Zeldas Blicke ein, träumte noch einmal seine unerfüllten Sehnsüchte, bis er mit einem letzten aufmunternden Lächeln aus den Kellerräumen verschwand. Die schwere Stahltür verriegelte sich aufbrausend, für Zelda fiel diese Mauer als beängstigende Grenze ihrer eigenen Sehnsüchte nieder.

Sie streckte noch einmal ihre Hände nach ihm aus, gerade dann, als er schon lange aus dem Keller verschwunden war und ließ weitere Tränen über ihre Wangen fallen. War das alles, wozu sie fähig war, fragte sie sich. Es könnte das letzte Mal sein, dass sie Link lebend sah und alles, was sie ihm sagen konnte, waren ein paar alberne, überflüssige Ratschläge? Anstatt ihm endlich zu sagen, was sie schon seit Jahrhunderten mit sich herum schleppte, ihm endlich zu sagen, dass er alles für sie war…
 

Sich einmal mehr für ihr Unvermögen Gefühle zu zeigen tadelnd, trat die brünette, junge Lady zurück in den großen Besprechungsraum, vermied einen direkten Blickkontakt mit den Anwesenden.

„Zelda, ist alles in Ordnung“, murmelte Sara, die gerade genüsslich eine Nudelsuppe schlürfte.

Es war das belanglose Kopfschütteln der Prinzessin, versteckt, sparsam und schützend, dass auch Impa die Augenbrauen hochziehen ließ. „Willst du denn nichts essen“, sagte sie, aber Zelda reagierte nicht darauf und zog sich mit dem Wunsch alleine zu sein in die kleine Kammer zurück, wo das ungewöhnliche Kind erschienen war, das den so unglaubwürdigen Plan vermittelt hatte. Sie tapste hinüber zu dem Schlafsofa, wo Link vor wenigen Minuten noch geruht hatte, strich über das Polster in der Hoffnung noch etwas von ihm darin spüren zu können. Sie zwang sich in ihre aufgesetzte Stabilität und versuchte in jener frustrierenden Situation den Verstand nicht zu verlieren. Alte Schuldgefühle, stetig unter Verschluss gehalten, krochen in ihren Mund, formten demütigende Worte mit dem Begehr sich selbst für den Zustand dieser Welt zu zerfleischen. Was war, was hätte sein können, Fehler, die ihre blutbesudelten Hände formten, Fehler, an denen ihr Seelengleichgewicht zerberstet war. Wie nur war dies alles, ihr Schicksal, ihre Existenz, so mit diesen alten Ängsten beladen? War sie in ihrer gesamten Existenz denn nicht zu einigen Teilen gereift, hatte sie wirklich nichts gelernt in all den Jahrhunderten in einer körperlosen Geistform? Zelda erschrak beinahe an der Grausamkeit ihrer eigenen Gedanken, ihr erschöpfter Körper sank auf dem Schlafsofa nieder, umhüllt von Links Aura, die hier noch fühlbar war. Sie fand etwas Trost in der Dunkelheit ihrer geschlossenen Augenlider, ließ ihre Gedanken kreisen in der Hoffnung ihren Heroen in den kommenden Stürmen zu unterstützen.
 

Der Held schlüpfte in dem Moment wie ein Schatten durch die noch immer nicht verriegelte Balkontür von Zeldas Schlafzimmer und verließ die Villa über denselben Weg, durch den er den Rat der Überlebenden gefunden hatte. Während er die Regenrinne hinabkletterte, und er den ruhelosen, staubtrockenen Wind lärmen hörte, fiel der erbarmungslose Alptraum auch in seinen Gedanken in Gestalt von pochenden Zweifeln hernieder. Auch er kämpfte mit Illusionen einer besseren Welt, Illusionen über andere, erfolgreichere Wege in diesem Leben und eben auch mit brennenden Fragen darüber, was wäre, wenn er sein Schicksal früher angenommen hätte. In der gespenstische leeren Einöde der Welt marschierte er vorwärts, begleitet von dem blutroten Schatten, den der Himmel warf, und auch in ihm kreiste der Gedanke, ob er diesen Ort, wo die letzten Überlebenden in ihrer Bastion des Guten die Weltenrettung voranbrachten, jemals wieder erreichen würde und ob er den Abschied von seiner Prinzessin nicht ausdehnen hätte sollen…

Mit der Wachsamkeit eines Raubtiers entschied er sich einmal mehr den verbeulten, aber funktionsfähigen Pkw zu nutzen, stieg in das knarrende Fahrzeug und startete vorsichtig den Motor. Seine letzten Zweifel verblassten im Leuchten seiner Entschlossenheit, alles, was jetzt noch auf ihn wartete, durchzustehen, den Mut zu finden, den andere nicht fanden und das Licht für diese gefallene Welt zu sein…

Link fuhr langsam die Einfahrt heraus, als ihn weder Herzrasen, schlotternde Knie, oder Skrupel begleiteten. Alles, was in ihm zu atmen begann in dem Krieg des Bösen war der tosende Funke seines Mutes, der ihn anspornte, und welcher seine Mundwinkel nach oben bewegte. Er wusste es immer deutlicher mit einer gefährlichen Zuversicht und Stärke. Er wusste, dass er seine Zelda in wenigen Stunden wieder sehen würde.
 

Denn die Hoffnung starb immer als letzte. Er würde kämpfen und der letzte Funke Hoffnung würde ihn begleiten…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  FairyZelda
2019-07-14T16:17:54+00:00 14.07.2019 18:17
Was soll ich noch sagen zu so einem phänomenalen Kapitel der Gefühlsachterbahn!
Es war echt alles dabei von: Weltuntergangs Stimmung zu mit schmunzeln bei Zelda's und Link's "normalen" Verhalten angesichts der Situation über Verzweiflung da es noch keinen konkreten Plan gibt, herzerwärmend Link's fürsorglichkeit für seine Prinzessin, mitfühlende panische Angst gegenüber Zelda's Albtraum zu innerer Ruhe und Hoffnung in anbetracht vom erscheinen des Jungen...
Und so könnte ich noch weiter schwärmen doch das würde den Rahmen sprengen.

Kurz gesagt Spitzen Kapitel und ich freue mich auf die Fortsetzung!😉


P.S. Ich feiere die versteckten Anspielungen zu BotW in den überarbeiteten / neuen Kapitel rießig!😁
Antwort von:  Faylen7
14.07.2019 21:32
😏😆 Ehrlich, ich konnte irgendwie nicht widerstehen. Was BotW angeht, war ich lange irgendwie zwiegespalten, mittlerweile interpretiert mein Zeldadurchtränktes Hirn allesmmögliche in BotW hinein und schafft allerlei Phantasien 🙃
Antwort von:  FairyZelda
15.07.2019 12:07
🙃 Ich weiß noch wie erschrocken und irritiert ich war als ich erfahren hatte das es in BotW ein Teleport-Medaillon gibt, vor allem als ich herausgefunden hatte wo es zu finden ist! Ich weiß das dass IRRLAND in BotW mit doppel "r" geschrieben wird, aber als meine Geschwister es mir sagten musste ich an deine Geschichte denken. Und zuerst wollte ich es nicht glauben und dachte meine Schwester spielt mir einen Streich da sie weiß wie sehr ich NeS liebe. Doch dann habe ich die Quest mir durchgelesen 😅
Ich muss wohl ein ziemlich dämlichen und verwirrten Gesichtsausdruck gemacht haben. 🤣
Antwort von:  Faylen7
17.07.2019 23:25
Boah, wie lustig und fies ist das denn :-) aber weißt du was, ich hatte bei manchen Aspekten von beiden Fanfictions auch lustige Zufälle und Gegebenheiten. Das sind die Dinge, die einem im Gedächtnis bleiben und nach wie vor erheiternd sind. Ich kann nur sagen Danke Nintendo für dieses grandiose Spiel. 😄
Von: abgemeldet
2008-02-22T20:50:04+00:00 22.02.2008 21:50
wow, toller plan!
fragt sich ob er auch funzt*echt gespannt bin*
ich würde gerne noch weiterlesen aber ich werde hier vom PC vertrieben...naja vllt schaff ich noch ein Kapi!
LG
Padme-chan


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