Nur ein Spiel von Faylen7 ================================================================================ Kapitel 14: Erinnerung ---------------------- Link war im Hause der Braverys am Morgen der erste, dessen Augen blinzelten. Er wusste zunächst nicht, wo er war, fühlte nur eine angenehme Wärme, roch einen Duft nach Rose und spürte seidenes Haar, das seine Nasenspitze kitzelte. Er blinzelte ein weiteres Mal, genoss den ersten Augenblick des Tages, genoss das Gefühl zu erwachen und einfach entspannt zu sein. Als er die Umgebung erkannte, nämlich das Gästezimmer, und als er begriff, dass er jemanden ganz innig festhielt, blinzelte er erst recht und hoffte, dies war einer seiner Träume. Er richtete sich sachte auf, versuchte das Mädchen in seinen Armen nicht aufzuwecken und rückte zur Seite. Er war sichtlich durcheinander, schämte sich mehr als er es in seinem Leben jemals getan hatte, und rutschte so unbeholfen über die Bettkante, dass er hinunterfiel. Seine Gedanken noch nicht geordnet, erzählte ihm sein noch verschlafener Verstand, dass er sich ohrfeigen sollte. Er hatte einfach so, und ohne sich etwas dabei zu denken, die Nacht mit Zelda verbracht. Arm in Arm… Wenn das seine Mutter herausbekam, dann… ja, was dann? Sein Kopf so rot wie eine Tomate hechtete er aus dem Zimmer und fragte sich, warum sie einander so nah gekommen waren. Obwohl die beiden sich augenscheinlich nur wenige Tage kannten, so fühlten sie eine ungeheure Geborgenheit in der Nähe das anderen, die mit gewöhnlicher Vertrautheit einfach nicht zu beschreiben war. Sie fühlten sich wie Seelenverwandte, wie Geschwister, wie Liebende… als würden sie einander schon ewig kennen. ,Ob das so gut für sie beide war‘, fragte sich der junge Mann, duschte sich um sich von dem Gefühlswirrwarr abzulenken und hoffte, Zelda würde sich an diese Sache nicht erinnern, wenn sie wach wurde… Als Zelda am späten Vormittag ihre Augen öffnete, stand Link mit einem Tablett bedeckt mit Toast, Marmelade, Orangensaft, Tee und Obst vor ihr. „Guten Morgen, hast du Hunger?“, meinte er nervös. Das blonde Mädchen war noch nicht einmal richtig wach, als ihr Freund das Tablett auf die Bettdecke stellte und sich ihr gegenüber direkt auf das Bett setzte. „Komm‘ schon, iss‘ was, damit du wieder zu Kräften kommst.“ Zelda wusste nicht, wovon er überhaupt redete. Sie wusste nur noch, dass sie gestern nach der zweifelhaften Erinnerung irgendwie eingeschlafen war… Jetzt aber lag sie in diesem gemütlichen Bett und hockte nicht mehr an der Bettkante, und scheinbar war die Nacht sehr erholsam für sie gewesen. „Guten Morgen, Link“, sagte sie in einer ganz sachlichen Stimme. Sie wirkte ruhig und entspannt, lächelte ihm leicht entgegen. ,Das war nicht die Zelda von gestern Abend‘, dachte der junge Mann, die ihn in ihrem Unterbewusstsein gebeten hatte, bei ihr zu bleiben. Im Moment war sie nicht das zarte, angsterfüllte Mädchen, das er zu beschützen bereit war. Link sah sie ein wenig besorgt an. „Alles okay mit dir? Geht es dir wirklich…“ Er sah die Ratlosigkeit in ihren Augen und bohrte nicht weiter nach. „Wie auch immer, du musst hungrig sein, oder?“ Zelda nahm die Tasse Tee in die Hand und nickte: „Etwas zum Frühstück könnte ich schon vertragen. Du bist aber lieb heute…“ Sie wirkte verlegen und schaute mit schwachrosa Wangen auf das Tablett. Er lächelte unbeholfen und kratzte sich am Kopf. „Nun ja, nur das Beste für eine Prin…“ Er schloss die Augen und biss sich auf die Lippe. Was war eigentlich passiert? Dieses ganze Chaos zwischen ihnen… diese ungeklärten Ereignisse. Hatte er eigentlich mittlerweile seinen ganzen Verstand verloren sie als Prinzessin zu bezeichnen? Er pustete die Luft seufzend aus seinen Lungen und sah deprimiert drein. „Link?“ „Ja.“ „Ich mache mir Sorgen um Maron und die anderen Menschen in unserer Umgebung.“ „Ja, dazu hast du auch allen Grund. Aber, ich habe keine Ahnung, was wir tun könnten… außer wir besuchen diese Naranda noch einmal.“ „Das hat keinen Zweck, ich denke, sie wird uns nicht mehr erzählen, als wir bereits wissen.“ Zelda stand mit einer Scheibe Weißbrot in der Hand auf, und lief auf den Schrank zu, öffnete dessen Tür und betrachtete das samtene, weinrote Kleid, das darin hing. „Und andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es unsere Aufgabe ist, uns da einzumischen und Helden spielen zu wollen…“, setzte sie hinzu. Link lehnte sich zurück und steckte die Hände hinter den Kopf. „Nun ja, es ist ja nicht so, dass wir aus Spaß an der Freude dahinein gestolpert sind… einige der Vorfälle… nun ja, an einigen Vorfällen waren wir eben doch beteiligt.“ Seine Worte erklangen mit mehr Ernst als er es wollte. Aber es stimmte ja. Sie suchten es sich nicht aus etwas Besonderes zu erleben. Wenn es nach Link ging, hätte er versucht diese ganzen merkwürdigen Vorkommnisse zu verhindern. Er hatte nicht darum gebeten durch ein Spiel angegriffen zu werden, hatte nicht darum gebeten zu sehen wie ein Schatten aus Marons Körper kroch. „Erinnerst du dich an das, was Maron gesagt hat- über das Böse, meine ich.“ Link wusste nicht, worauf sie hinaus wollte und blinzelte zu ihr herüber. Sie wirkte so bezaubernd in dem weißen Nachthemd, das sie trug… so rein und unschuldig. Ihr Haar hatte sie teilweise geflochten… „Sag’ glaubst du, es gibt… etwas so unheimlich Böses… etwas, so Machtbesessenes, das eine ganze Welt unterwerfen würde, um alles, was sein Begehr scheint, zu besitzen.“ „Seit ich gesehen habe, welcher Schatten aus Marons Körper gekrochen kam, glaube ich fast alles, Zelda.“ Sie schloss langsam die Augen und sagte leise: „Glaubst du, ich habe etwas damit zu tun… ich meine… Glaubst du, ich bin…“ Sie berührte das Kleid und öffnete einen Kasten, in dem das goldene Diadem lag. Sie setzte es auf und betrachtete sich damit im Spiegel. Es wirkte so obskur, und gleichzeitig so demütigend, dieses Schmuckstück zu tragen. „Was meinst du…“, murmelte er schwach. Aber er seine Frage war überflüssig, und die Unsicherheit in seinen Worten, bemerkte auch sein Gast. Link blickte zu ihr herüber, beobachtete sie dabei, wie sie den Stirnschmuck wieder abnahm… und irgendwie gefiel auch ihm nicht, dass sie so etwas trug. Sie ließ den Schmuck zu Boden fallen und setzte sich zu ihm auf das Bett. „Entschuldige… ich weiß überhaupt nicht, was los ist“, murmelte sie und rieb sich ihre Stirn. „Ich komme mir so stumpfsinnig vor… irgendwie verrückt… weil ich über Dinge nachdenke, die einfach nicht sein können. Ich denke an eine Welt, die nicht existieren kann. Ich träume von Geschehnissen, die keinen Sinn ergeben… und…“ Link lächelte ihr trübsinnig entgegen und griff nach ihrer Hand. Es war wie als erwartete er einen Segen von ihr. „Du denkst an die Legende von Zelda… an das Spiel, habe ich Recht?“ Sie nickte fahl und kniff die Augen zusammen. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn… wie kann für mich eine Spielwelt real sein…“ „Die Frage habe ich mir auch schon sehr oft gestellt und immer… immer bin ich daran gescheitert eine Antwort zu finden. Denn es gibt keine Frage, die wir uns stellen sollten. Wir können uns nicht wirklich fragen, ob Hyrule…“ „… Ob Hyrule einmal Wirklichkeit wahr?“, beendete sie für ihn. Daraufhin sprang Link aufgeregt aus dem Bett. „Nein, das kann nicht sein, selbst wenn du Zelda wärst und ich Link… Hyrule ist nur ein Märchen, eine erfundene Geschichte, die geschrieben wurde, um den Menschen Freude zu bereiten. Hyrule ist nicht wirklich.“ Er redete laut und eindringlich, fragte sich, ob er sich selbst diese Worte einflößen musste oder ihr. „Hyrule… das klingt irgendwie so schön. Könntest du dir vorstellen, dass es irgendwann einmal ein solches Land gegeben hat.“ Link blieb stumm. In seinem Inneren glaubte er fest an eine solche Welt, mit Magie, mit Abenteuern, mit dem Bösen… Aber es ergab trotz allem keinen Sinn. Er konnte nicht mit einem Schwert durch die Gegend laufen, nach den Weisen suchen und Ganondorf vernichten wollen. Diese Welt würde ihn in eine Psychiatrie sperren und nie wieder herauslassen. „Sag’ mir, Link… denkst du auch manchmal an eine weite, unberechenbare, und doch liebenswerte Welt… mit einer Landschaftszeichnung, für die menschliche Phantasie nicht ausreicht. Und kannst du sie sehen, fühlen, riechen… kannst du Bilder sehen, wie es dort einmal aussah… was jene Welt zu einer Besonderen machte.“ Zelda lehnte sich auf dem Bett zurück und starrte an die Decke. „Kannst du sie sehen, diese Welt?“ Mit einem warmen Lächeln begegnete er ihrem Blick. „Und wenn es so wäre…“ Zelda lächelte zur Verwunderung ihres Gegenübers. „Dann wärst du mein Held für alle Zeit…“ Sie grinste etwas, aber ihre Worte waren mehr als ehrlich gemeint. „Oh…“, murmelte Link und wurde rot wie eine Tomate. Er kratzte sich an der Wange und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte sich noch nie wirklich Gedanken darum gemacht für jemanden dieser Held zu sein, der er doch zu gerne in der Traumwelt war oder den er in einem Spiel steuerte. Würde die Zuneigung für Zelda ausreichen um ein solcher Held zu sein? „Entschuldige, Link. Ich wollte dich damit nicht verunsichern…“ Sie wand sich ab und richtete sich einmal mehr auf. Dann hob sie den Stirnschmuck vom Boden. „Es ist nur… ich frage mich, ob es Seelen in dieser Welt gibt, die bereit wären für etwas einzustehen, das gut ist, das schön ist und das mit aller Macht beschützt werden sollte. Ich frage mich, ob es Menschen gibt, die ihre Welt beschützen würden… genauso wie ich… die Welt beschützen möchte, die ich spüren kann. Die Welt, die ich sehe, wenn ich schlafen gehe. Die Welt, die ich sehen kann in…“ Zelda blickte auf das Diadem. „… Erinnerungen.“ Erinnerungen. Ein Fluch, wenn sich diese in Gestalt von so aufwühlenden preisgaben. Ein Fluch. Mitfühlend suchte er einen stummen Gedanken in ihren Augen, fand ein Glitzern, so warm wie ein Hoffnungsschimmer, wo nur noch Dunkelheit herrschte. „In Erinnerungen?“, wiederholte Link zweifelnd. Plötzlich sprach Zelda lauter als vorhin. „Verdammt, ja, ich bin…“ Sie war in den Augen aller, die sie sahen, nur ein einfacher Mensch. Vielleicht verschlossener als andere, ein wenig zurückhaltender… aber in ihrem Inneren war sie auserkoren, hatte ein ganz außergewöhnliches Schicksal… „Ich habe gestern Abend einige Bilder gesehen… von einer weitentfernten Welt. Ich habe weite grüne Wiesen gesehen, riesige Gebirge und ich sah… wie das alles verblasste. Ich gehöre nicht hierher, nicht in deine Welt.“ Link zuckte fassungslos zurück. „Willst du mir damit sagen, das…“ Er sah Tränen auf Zeldas Gesicht ihre zartrosa Wangen hinab tropfen. „Das stimmt nicht. Und wenn du auch nur eine Sekunde daran denkst, werde ich mich bemühen, zu beweisen, dass du genau hier her gehörst.“ „Ich habe mich daran erinnert, dass mich jemand…“ Zelda würde ihm mittlerweile alles erzählen, denn wenn sie jemandem vertrauen konnte, dann nur ihm. Und für Link kam nun vielleicht der größte Schock. „Ich erinnerte, wie mich jemand… Prinzessin nannte.“ Zelda fasste sich an den Kopf, als wäre er zu schwer für ihre Schultern. Dann wischte sie sich die Tränen weg. Link rutschte näher, sodass der Abstand zwischen ihren Nasenspitzen verschwindend gering wurde. „Ach Zelda… Prinzessin hin oder her, das ändert nichts daran, wer du bist. Es ist nur ein Titel, der dir vielleicht irgendwann einmal auferlegt wurde. Er sagt nichts über dich aus, über dein Wesen und dein anmutiges Lächeln. Es ist mir egal, wer du bist. Ich sehe vor mir einfach nur Zelda, die diesen Namen trägt, weil er zu ihr passt und nicht, weil eine Prinzessin hinter diesem Wort steht. Ich sehe dich als Menschen, als sehr liebenswürdigen Menschen… und… ich mag den Menschen hinter dem Titel. Ich mag dich so, wie du bist, einfach Zelda.“ Zeldas Tränen schienen sich in Freudentränen zu verwandeln und sie nickte: „Mmh. Danke, Link.“ „Und jetzt!“ Link stand auf, schnappte sich ein Kissen, rannte einige Meter in Entfernung und traf Zelda damit. Er wollte sie ablenken von dieser Grausamkeit ihrer Gedanken und den Zweifeln, die sie beide spürten. Hyrule konnte nicht real sein… es konnte einfach nicht… „Na, warte, das wirst du noch bereuen, mein Lieber“, antwortete Zelda und nahm die Herausforderung an. Sie nahm ebenfalls einige Kissen und bewarf Link damit, der allerdings viel zu gut ausweichen konnte. Das ging noch einige Minuten so… und es war für beide ein Heilmittel, das die letzten Ereignisse ein wenig wegwischen konnte… Es war kurz nach Mittag, als Link fluchend über den riesigen Karton mit den Werbezetteln stolperte und den Teppich aus neuer, naher Perspektive betrachten konnte. Zelda hatte den Krach vernommen und kam herbeigeeilt, als ihr junger Held grinsend neben einem aufgerissenen Karton und den Zetteln auf dem Boden hockte. Sie grinste zurück und blickte nachdenklich mit einer Falte auf der Stirn zu den Hunderten Prospekten. „Was ist das denn?“ Zelda setzte sich neben ihn und sah ihm beim Sortieren zu. „Bloß ein Haufen Werbung, den ich austrage, den die Leute aber sofort wieder in die Mülltonne werfen.“ „Oh… und wenn ich dich richtig verstehe, musst du das am besten heute noch erledigen.“ „Jep. Seitdem du da bist, habe ich das wohl einfach nur verdrängt.“ Sie lächelte ihm entgegen. „Okay, ich helfe dir“, sagte sie. „Bist du dir sicher? Macht nämlich keinen Spaß durch ganz Schicksalshort zu watscheln.“ „Aber hier wüsste ich erst Recht nicht, was ich tun sollte.“ „Also gut, lass’ uns gehen.“ Link nahm Zelda an der Hand und lenkte sie in einen Teil der Altstadt. Ihr Weg führte sie durch eine schmale Gasse, die sogar noch Pflastergestein besaß. „So, Zelda. Hier fangen wir an und arbeiten uns vor bis hin zu den Häusern am Rande des Parks.“ „Okay“ erwiderte sie und nahm ihm einen großen Stapel ab. Und so brachten Zelda und Link den Nachmittag mit jenem langweiligen Job herum. Gegen Abend erreichten sie einige Villen an dem Rande des alten Parks mit der hohen Steinmauer und mit den vielen ehrwürdigen Pappeln. „Machst du das eigentlich öfter?“ „Was, mein Taschengeld damit aufzubessern?“ Zelda nickte und nahm ihm einige wenige der restlichen Zettel ab. „Jep. Bringt doch was und außerdem bleibe ich fit, wenn ich durch die ganze Stadt laufe.“ „Mag sein, aber irgendwie habe ich jetzt schon genug davon.“ „Hat eben keinen Anspruch dieser Job“, ergänzte Link und sah Zeldas bestätigendes Kopfnicken. Zelda nahm sich das nächste Haus vor und öffnete ein schweres, hohes Gartentor. Langsam und ganz in ihren Gedanken folgte sie einem gepflasterten Weg durch einen sauberen, gepflegten Garten mit beschnittenen, zu den unterschiedlichsten Figuren geformten Büschen und lief geradewegs zu der Haustür, um die Werbung in den Briefkasten zustecken. Plötzlich hörte sie gefährliches, lautes Knurren der Hunde, die hier wachend in dem Garten lauerten. Sie ließ die Werbung fallen und fühlte erneut Gefahr. Gemeiner Druck in ihrem Magen, ein Ziehen und Klemmen, wie jene Fähigkeit in ihrem Herzen, Böses frühzeitig wahrzunehmen. Sie drehte sich langsam und schaute sich sorgfältig in dem großen Garten um, fühlte, auch wenn sie nichts Verdächtiges sehen konnte, das Herannahen von Gefahr, spürte den Drang von etwas zu töten… Zögernd lief Zelda erneut auf das hohe, noch offenstehende Gartentor zu, hatte diesen Weg in Sicht und traute sich nicht zurückzublicken. Die Angst in ihr wuchs, sie kannte das Gefühl, sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn jemand hinter ihr lief. Sie wusste, wie bedrohlich es sein konnte, wenn Böses hinter ihr her war. Ihren Besitz einforderte, das stahl, was ihr teuer und lieb erschien, das mit kalten Klauen beschmutzte, was einst rein und blühend in Licht erstrahlte. Nur eine Erinnerung an vergangene Gefühle. Eine Erinnerung. Unwichtig… Mit einem lauten Schlag fiel das hohe Tor zu und wie von magischer Hand verriegelte sich das Schloss. In dem Augenblick verlor Zelda die Geduld und die Ruhe. Sie rannte zu dem hohen Tor und rüttelte aufgeregt an dem Schloss herum, hörte ein lautes Bellen hinter ihrem Rücken, dann ein Knurren und das Hasten von vielen Pfoten durch das grüne Gras des doch schönen Gartens. Angstvoll, mit dem unerträglichen Gefühl der Gewissheit in ihrem Magen, drehte sich Zelda um, lehnte sich mit ihrem Rücken an das Tor und sah drei die Zähne fletschende, ausgewachsene Rottweiler vor ihr stehen. Hechelnd standen sie kreisartig vor ihr, starrten ihr Opfer an, bis sich die dunkle Farbe in ihren Augen zu einem stechenden Glühen wandelte- einem Schimmern in feurigen Farben. Zelda konnte nicht schreien, obwohl sie es wollte, sie konnte sich nicht bewegen, obwohl sie es musste. Wie erstarrt blickte sie die todbringenden Hunde an. Gemach wendete sie ihren Kopf von rechts nach links und suchte nach irgendetwas, das ihr helfen könnte. Aber nichts war da, nur die sauberen Wiesen, einige Pappeln, wenige Hecken und die beschnittenen Büsche. Alles wirkte so edel, so ordentlich und nur die Hunde schienen fehl am Platz. Ein älterer Herr mit Krückstock erschien auf einer Terrasse und rief etwas, aber die Rottweiler folgten nicht seinen Befehlen, in jenem Moment unterlagen sie einer anderen Kontrolle und Zelda verstand langsam… Er würde sie finden und er würde Link finden. Jemand voller Hass und Rachedurst. Zelda schloss ihre Augen, ballte ihre Fäuste und fühlte sich elend aufgrund ihrer Feigheit, die sie noch mehr verabscheute als das bekannte, aussagekräftige Angstgefühl in ihrem Inneren. Sie nahm all ihren Mut zusammen und bewegte sich ein wenig nach rechts, hörte das warnende Knurren, aber zuckte nicht zurück. Bedächtig rückte das junge, blonde Mädchen weiter, tastete sich mit ihren Händen an der hohen, weißen Mauer entlang und kniff die Augen zu. Sie schlich weiter, bis sie ein kleines Stück außer Reichweite der verhängnisvollen Biester war. Sie knurrten weiterhin, tapsten auf ihren Pfoten näher. Aber in dem Augenblick brach in Zelda jegliche Angst heraus. Laut aufkreischend begann sie so schnell zu rennen, wie ihre Beine sie tragen konnten. Zelda rannte um ihr Leben, hörte das Zürnen der dem Bösen dienenden Bestien. Sie rannte bis sie am anderen Tor der Mauer ankam, rüttelte daran und schlug mit den Fäusten dagegen. Aber auch diese Fluchtmöglichkeit war ihr verschlossen. Die Hunde standen erneut hinter ihr, doch diesmal setzten sie bereits zum Sprung an. Zelda trat an die dicken Eisenstäbe des Tores, griff mit ihren zitternden Händen an das Metall und versuchte Halt zu finden. Sie stieß sich mit ihren Füßen ab, bevor sich einer der Hunde an ihren Beinen festbeißen konnte und zerrte sich an dem Tor in die Höhe. Sie begann zu fluchen, winselte leicht und versuchte sich Mut zu machen. Als Zelda auf der Mauer saß, und zu den drei Kreaturen hinabsah, wurde ihr schwindelig bei dem Gedanken, welche Kraft sie plötzlich entwickelt hatte und dass sie nur beinahe dem Zerfleischen entgangen war. Die Hunde klafften, sprangen wie besessen an die kalte Mauer, wollten die Beute, die ihnen entgangen war. Zelda brachte langsam ihren Atem und den Puls unter Kontrolle und kletterte mühevoll mit zittrigen Beinen an der Außenseite der Mauer hinab, verlor den Halt und fiel mit einem Schrei auf die geteerte Straße. „Verdammt“, fluchte sie und drehte sich um. Eine hässliche Schürfwunde zierte ihr Knie. Das Aufstehen wollte ihr nicht gelingen, so sehr bebten ihre Beine und Arme noch von dem Erlebnis der Furcht und Gefahr. Sie kroch rückwärts, bis sie sich an einen Baum lehnen konnte. Tief ausatmend, befreit, schaute sie zurück zu der Villa, traute sich nicht eine falsche Bewegung zumachen und wartete… Wenige Minuten später vernahm sie Links besorgte Stimme, die in dem Park umher schallte. Er rief nach ihr, wie sollte er auch nicht? Sie wusste, dass er sie brauchte… Sie versuchte aufzustehen und humpelte vorwärts. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Gliedern. Als Link sie endlich entdeckte, flog er fast zu ihr, um sie zu fragen, wo sie war. Als er schließlich vor ihr stand und den leichten Schock, die Beklemmung in ihren Augen sah, tat er nichts weiter als in ihren saphirblauen Augen zu lesen, schwieg und nahm sie an der Hand. Er führte sie nach Hause und sagte nichts, was nicht gesagte werden sollte. Auch Zelda schwieg und versuchte das Erlebnis zu verarbeiten. Die Sonne außerhalb verschwand und Regenwolken zogen auf. Link schloss die Tür zu dem Haus seiner Eltern auf und führte Zelda in die Küche. Noch immer schwieg sie. Seufzend setzte sich das Mädchen auf die Eckbank, zog ihre Beine zu sich heran und legte ihren Kopf auf das aufgeschürfte Knie. Link kam mit einem Verbandskasten angelaufen und kniete vor ihr nieder. Er schwieg. Und doch hätte Zelda so ziemlich alles gegeben um jetzt in seine Gedankenwelt eintauchen zu können. „Darf ich?“, war das erste, was er sagte. Und Zelda ließ ihr leicht verletztes Bein von der Bank herunterbaumeln. Link krempelte ihre helle Jeanshose nach oben und legte ein Pflaster auf die Wunde. Zelda beobachtete ihn während er es tat, genoss verlegen seine Hände, die auf der Haut ihres Unterbeins spielten und blickte mit roten Wangen an die Decke. „Danke“, murmelte sie. „Nicht nur für das Pflaster…“, ergänzte sie. Und Link erkannte an ihrem Blick jenes Verständnis, sein Verzichten auf das Ausfragen bezüglich des Geschehnisses als Grund ihres Dankeschöns. Sie ließ sich vollständig zu ihm auf den Boden sinken und gab ihm spontan und unerwartet einen sanften Kuss auf seine linke Wange. Mit geschlossenen Augen stand sie dann abrupt auf und kam an dem Herd an. In dem Moment ging das Licht in der Küche aus und Donner wurde außerhalb hörbar. Ein Stromausfall. Wie schon so oft in Schicksalshort… Es war nichts Ungewöhnliches, Gewitter um diese Jahreszeit. Schicksalshort lag nun mal sehr ungünstig umgeben von Bergen und Tälern, auf einer Erhebung, und jedes Gewitter lud sich genau über diesem Ort aus. Zelda blieb stehen und lauschte furchtsam dem Brausen des Donners, während Link in dem Haus nach Taschenlampen suchte und alle Fenster verriegelte. Wenig später tauchte der junge Kerl wieder auf und reichte Zelda eine Taschenlampe als Orientierungsmöglichkeit. „Hier“, sagte Link gedämpft, als wollte er dem gefährlichen Grollen des Donners lauschen. Als Zelda die Taschenlampe an sich nahm, berührten sich kurz ihre und seine Fingerspitzen. Link konnte fühlen, wie eiskalt Zeldas Hände waren. „Bei uns gibt es sehr oft Gewitter, das ist ganz normal“, meinte er und dachte, Zelda fühlte sich deswegen so unwohl. Denn, dass es ihr irgendwie nicht gut ging, fühlte Link sehr deutlich. „Es ist nicht das Gewitter“, sagte sie und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in dem dunklen Raum umher. „Es ist… vielmehr die Dunkelheit.“ Ja, die erdrückende Dunkelheit… das war ihre Angst. Schon immer verspürte sie Abscheu vor der Dunkelheit, als könnte sie sich um ihren Körper winden und jenen mitsamt der Seele, welche er hütete, verschlingen. Es gab eine mörderische Dunkelheit, irgendwann einmal in ihrer Vergangenheit. Einer Vergangenheit, vor der sich das freundliche Mädchen in dem Haus der Braverys sträubte. Eine Zeit mit erbarmungsloser Dunkelheit, die sich über jeden Lichtstrahl legen konnte. Ihre wahre Angst, die Dunkelheit, welche so kindisch war, dass Zelda von sich selbst enttäuscht war. Link nahm sie an der Hand und gemeinsam gingen sie in sein Zimmer. „Ich habe eine Idee, Zelda.“ Und für Zelda erschien diese Idee mehr als das- es war vielmehr eine Freude für sie. In wenigen Minuten stellte Link einige Kerzen auf, die eigentlich zu den teuren Kerzen in Meiras Sammlung gehörten, und die viel zu schade zum Abbrennen waren. Aber für Zelda nahm er wohl mehr als den Anpfiff seiner Mutter in Kauf. „Danke, Link“, sagte Zelda und machte es sich auf seiner Couch bequem. „Wegen vorhin“, ergänzte sie, „Ich werde nie wieder mit dir Zeitungen austragen.“ Diesen Satz nahm Link genau unter die Lupe. Hatte er einen Fehler gemacht, Zelda um Hilfe zu bitten? Vielleicht war ihr der dumme Job zu langweilig. Link lief zum Fenster, sah dem mürrischen Regen zu, der wild an die Fensterscheibe trommelte. „Es ist okay“, sagte er, „Du musst das doch nicht tun.“ „Es geht nicht um die Sache an sich, Link.“ Damit drehte er sich um, blickte in den hellen Schimmer ihrer Augen, wo sich das Kerzenlicht spiegelte. Zelda rührte sich nicht und starrte geistesgegenwärtig in die hellen Flammen. Er lief langsam auf sie zu, aber ihr Blick lag weit entfernt. „Ich wurde angegriffen“, sagte sie zögerlich. Sie lehnte sich zurück und stützte ihren Kopf an der Lehne ab. „Da waren drei Rottweiler, die…“ Innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen war Link neben ihr auf dem Sofa, legte seine Hände auf beide ihrer Wangen und zog ihr Gesicht in sein Aufmerksamkeitsfeld, damit er in ihre Augen sehen konnte. Aber entgegen seiner Erwartung sah er keine Furcht darin, sondern Wärme und ein mildes Gefühl der Ruhe. Zeldas Lippen bewegten sich zu einem empfindungsvollen Lächeln. „Es geht mir gut“, sagte sie standhaft und beruhigte damit das besorgte Gemüt Links. Plötzlich schüttelte er mit dem Kopf, gab Zelda einen sanften Stups an ihre Nasenspitze und drehte sich seitwärts. „Die ausgewachsenen Hunde… standen unter einer anderen Kontrolle und versuchten mich anzugreifen.“ „Verstehe.“ Endlich brach er sein Schweigen. „Ich lass’ dich jetzt nicht mehr aus den Augen“, setzte er leise hinzu, dann verlegen über diese aussagekräftigen Worte aus seinem Mund. Überrascht stützte sich Zelda nach vorne und legte eine Hand auf seine Schulter. „Habe ich richtig gehört, du…“ Aber Link sprang auf und wechselte schnell und kurzgebunden das Thema. „Wie auch immer, hast du eine Ahnung, was wir jetzt tun könnten?“ „Wie wäre es mit einem Spiel? Gibt es hier so was wie… Brettspiele?“, fragte Zelda unschuldig. Denn irgendwie hatte sie derartige Dinge in ihrer Erinnerung, auch wenn sie nicht mehr daraus machen konnte. „Äh“, sagte Link verlegen und hielt eine Hand hinter seinen Kopf. „Ja, aber Lust habe ich dazu wirklich nicht.“ „Auch gut. Dann eben nicht“, sagte sie abschließend. Sie wollte hier bleiben und nicht in das einsame Gästezimmer verschwinden. Vielleicht suchte sie deshalb nach etwas, womit sie und Link beschäftigt wären. Und Brettspiele waren etwas, das ihr bekannt erschien. Sie hatte fast das Gefühl, es gab da in der Vergangenheit ein Spiel, das sie gerne gespielt hatte, erinnerte sich für Sekundenbruchteile an ein hölzernes Spielbrett mit Uhr und sieben farbigen Figuren… Dann war der Gedanke wieder erloschen und nur eine Frage geisterte durch ihren Kopf. Wie sollte sie Link darum bitten, heute hier bleiben zu dürfen? Sie wollte nicht alleine sein nach dem Angriff dieser Höllenhunde, würde sich auch mit dem Sessel vergnügen. Aber was würde Link davon halten? „Möchtest du vielleicht hier übernachten? Ich meine, nur wenn du nicht in das dunkle Gästezimmer gehen möchtest.“ Zelda lächelte ihn bedeutungsvoll an. Wie las er ihr die Gedanken nur? Wie schaffte er das? „Nur, wenn du willst. Du kannst auch das Bett haben.“ Link hatte seinen Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Zelda zu ihm hinüber sprang, ihre Arme um seinen Hals legte und ein leises Dankeschön in sein verdutztes Gehör flüsterte. „Danke, Link.“ „Äh… nichts zu danken“, erwiderte er verlegen. Nach langem Hin und Her überzeugte Zelda ihren Helden dann doch, dass sie in dem Sessel schlafen würde und das Licht in Links Zimmer erlosch. Trotz Zeldas Anwesenheit überkamen Link seit tagelangem ruhigen Schlaf einmal mehr furchtbare, verwirrende Alpträume. Etwa drei Uhr morgens wurden die Träume dann intensiver und Link wälzte sich zermürbend in seinem Bett umher, bis er anfing zureden und in unerträgliche Schweißausbrüche verfiel. Er wusste nicht, wo er sich befand, aber überall war Dunkelheit, Stille und nur das Rauschen eines anrückenden Sturmes drang an seine Ohren. Und dennoch… Link fühlte sich, als ob er stundenlang gerannt wäre. Seine Lungen brannten und das Herz in seiner Brust hämmerte wild gegen den Brustkorb. Er schleppte sich vorwärts und fühlte die Schwere seiner Beine, seiner Arme. Fest umkrallt hatte Link irgendetwas in der Hand, ein Fetzen Stoff oder ein Stück Leder. Weiter torkelte er in dieser unheimlichen Dunkelheit, als er mit einem lauten Platsch in eine Pfütze trat. Link hechelte geradezu und lehnte sich gegen eine Wand, hier in der Finsternis. Vielleicht war er in einem Verlies oder Labyrinth… In dem Moment drang ein schwaches Licht aus der Dunkelheit hervor und Link öffnete seine verschwommenen Augen. Ein paar rote, durchdringende Augenlichter pirschten sich an ihn heran. Die Augen waren ihm aus irgendeinem Grund sehr vertraut und Link spürte nicht den Wunsch, vor der Person, zu welcher die Augen gehörten, zu fliehen. Die Person trat näher und Link erkannte eine schlanke Gestalt, die in ihrer einen Hand eine Lampe trug. Sie trat näher und prüfte den nach Luft ringenden Helden sorgfältig. Eine tiefe Stimme erklang und Link tat nichts anderes als zu nicken. Dann zogen sich die Augen von einem auf den anderen Moment zurück und die Dunkelheit nahm wieder zu. Da war in dem dunklen Tunnel mehr als nur Link. Krächzende Stimmen riefen, brüllten nach Vernichtung, ließen ihre summenden Klingen geräuschvoll auf dem Boden schleifen, suchten nach einem Opfer… In dem Augenblick wurde Link an seinen Schultern gerüttelt und spürte eine angenehme Hand auf seiner Stirn. „Link!“, sagte eine energische Stimme. Benommen hoben sich seine schweren Augenlider. Er versuchte sich aufzurichten, blieb aber unter dem schmerzvollen Druck in seinem Körper noch eine Weile liegen. „Hey…“, sagte Zelda. Und Link rückte sie in sein Aufmerksamkeitsfeld. „Bist du in Ordnung?“ Und Link stellte fest, dass er bereits wieder auf dem Fußboden lag. „Ja, ich hatte nur einen blöden Traum“, meinte er. „Du hast dich hin und her gewälzt, Link.“ Er versuchte es mit einem gutgemeinten Grinsen und stand auf. Ein Blick auf die Uhr: Schon elf. Sonnenstrahlen drangen durch das Fensterglas und erhellten sein ganzes Zimmer. Link streckte sich, gähnte herzhaft und folgte dann Zelda in die Küche, um das verspätete Frühstück zu essen. Zelda und Link verbrachten die nächsten Stunden zusammen, als wären sie ganz normale Jugendliche. Sie schlenderten vergnügt über den Marktplatz, gingen zusammen ins Kino, lachten gemeinsam und genossen das Leben. Es war abends, als Sara mit ihren Eltern die Tür öffnete und leise mit schweren Koffern in das Wohnzimmer trat, in dem es stockfinster war und lediglich der Fernseher lief. Zelda und Link saßen zusammen auf der Couch. Als Sara das Licht anschaltete, sprang Link wie ein Irrer auf und begrüßte seine Schwester freudig: „Hey, Sara.“ „Hallöchen, Bruderherz. Hab’ dich schon vermisst.“ Sie gab ihm einen Klaps auf seine Schulter. „Seid ihr gut angekommen?“ „Ja, gab keine Probleme. Ich sage dir, der Urlaub war phantastisch. Du hättest mitkommen sollen“, meinte sie. Sara wand ihren Kopf Zelda zu, die ebenfalls grüßte. „Ach, hallo, bist ja auch noch da. Wohl noch nichts Neues mit deinem Gedächtnis, he?“ „Nein, nicht wirklich“, erwiderte Zelda und log gleichzeitig, und warf Link dann einen eher trübsinnigen Blick zu. In dem Augenblick kamen Links Eltern, Meira und Eric, in die Wohnstube und stellten genervt ihre schweren Koffer ab. Sie begrüßten Link und die Fremde ebenso. „Na, ihr zwei, hattet ihr viel Spaß zusammen?“, fragte Links Mutter wissbegierig. „Äh… ja, schon, oder, Zelda?“, babbelte Link vor sich her. Denn er wusste, weshalb Meira so scharfsinnig nachfragte. Er erkannte an dem übernatürlichen Glitzern in den Augen seiner Mutter, welche stumpfsinnigen, unverschämten Hoffnungen sie sich machte. „Ja, es war eine schöne Woche“, entgegnete Zelda leise und lief in die Küche, um derweil das Essen anzurichten. Link sah ihr mit einem melancholischen Blick hinterher. In dem Moment wusste Sara, dass etwas geschehen sein musste. „Ach ja, mein liebes Brüderchen, dafür, dass du vor einer Woche so nett zu mir warst, hab’ ich dir was mitgebracht.“ „Ach’ Sara, hängst du mir das immer noch nach. Tut mir leid.“ „Na ja, ich weiß doch, dass du das nicht ernst gemeint haben kannst. Ich bin dir auch nicht böse. Aber, viel wichtiger, was macht eigentlich deine seltsame Wunde.“ An die hatte Link nun wirklich nicht mehr gedacht, seit Zelda in seiner Nähe war. „Ist fast verheilt.“ „Du hast mir damit einen schönen Schrecken eingejagt.“ Sara kramte jetzt in einer Tüte herum und holte dann zwei kleine Bücher heraus. „Hab’ dir etwas mitgebracht, das Zelda vielleicht ebenfalls gefallen würde. Es ist so cool und da musste ich es sofort kaufen. Lest sie ganz genau durch, ihr werdet begeistert sein.“ Und Sara hielt ihm zwei Mangas unter die Nase. Links Augen wurden so riesig, dass sie beinahe herausgefallen wären. „Sara, das ist ja…“ „Sie sind leider auf Englisch, aber verstehen werdet ihr beide es trotzdem. Keinen Zweifel. Sagt’ mal, gibt es sonst was Neues?“ Link sah an Saras Kopf vorbei, hatte etwas Schwermütiges in seinem Blick und meinte dann: „Allerdings, es gibt viel Neues, von dem ich wünschte, es wäre nie geschehen“, sagte er gedämpft. Sara blickte ihn leicht fassungslos an. „Aber lass‘ uns heute bitte nicht darüber reden. Du wirst morgen in der Schule schon davon Notiz nehmen.“ Sara guckte zwar erst ein wenig trotzig, beließ es aber dabei, noch mal nach zu bohren. Link betrachtete nun die zwei Comics in seinen Händen: Zelda: Ocarina of time. Sara stürmte aus dem Raum. Und Zelda kam zurück an Links Seite. „Diese Comics sind zwar wunderschön, aber ich frage mich, ob wir sie wirklich lesen sollten?“ „Du fühlst dich nicht wohl dabei…“ „Ja, ich fühle mich nicht wohl dabei, zu sehen, welches Leid die beiden Hauptfiguren durchmachen.“ Zelda klammerte sich an Links Arm. „Komm’, wir gehen auf dein Zimmer und werfen mal einen Blick rein und wenn es uns zu viel wird, schlagen wir diese Mangas einfach wieder zu.“ Link nickte zustimmend. Sie hatten sich erst gestern über Hyrule unterhalten… über Zeldas Erinnerungen… und es war nicht gerade gesund für sie beide sich noch weiter in die Phantasiewelt zu flüchten… Die letzten Tage waren nichts im Vergleich zu dem Beginn der Woche, mit allen schrecklichen Erlebnissen, die man nie wieder vergessen konnte, die einfach da waren und denen man nicht zu entrinnen in der Lage ist. Am Ende der Woche war nichts mehr geschehen, vor denen sie sich beide hätten fürchten müssen. Möglicherweise war das alles nur ein schlechter Scherz gewesen, vorbei und nicht mehr von Bedeutung. Vielleicht gab es gar keinen Grund mehr, sich wegen irgendetwas Sorgen zu machen. Und vielleicht war es auch völlig unsinnig, dass sie sich beide mit diesen Spielfiguren verglichen. Gemeinsam sahen sie sich den Manga an. Nach einer halben Ewigkeit schlug Link den Comic zu und meinte, dass es schon sehr spät sei und er morgen zur Schule müsse. Zelda verstand und wollte gerade aus dem Zimmer gehen. „Zelda, wenn es ein Hyrule gab, wärst du dazu in der Lage gewesen ihn in der Zeit zurück zu schicken?“ Sie drehte sich nicht um, aber Link kannte die Antwort. „Wärst du in der Lage gewesen, ihr klar zu machen, dass du bleiben wolltest? Hättest du dich wie ein Unbekannter vor ihrem Antlitz verbeugt?“ Auch das Mädchen, was vor ihm stand, wusste die Antwort. „Hyrule ist…“ „… nur eine Geschichte, ein Spiel, nicht wirklich.“ „Ja und es hat nichts mit uns zu tun.“ Sie leugneten, was sie fürchteten- zwei Figuren im Schachspiel gegen das Schicksal zu sein… von Göttern gesteuert… Zelda ging aus dem Zimmer und nun erschien sie ihm wieder einmal, so unnahbar, unerreichbar, als wäre sie nie hier gewesen. Am Morgen war Link der Erste, der das Haus verließ. Vom Küchenfenster aus beobachtete Zelda, wie er in strömenden Regen, ohne Regenschirm, mit einem grünen Kapuzenshirt und einer blassblauen Jeans die Straße hinunterlief. Er hatte sie am heutigen Morgen kaum begrüßt, noch in irgendeiner Weise beachtet. Er war im Zweifel mit allem, mit sich selbst und einer Wahrheit, die er fürchtete. Und sie verstand ihn darin, dass er Zeit brauchte, nur für sich und alles, was auf ihn wartete… Regentropfen klatschten an die Scheibe und Zelda zog die weißen Vorhänge zurück. Eine weitere Person stand in dem Raum. „Guten Morgen, Zelda, hast du schon gefrühstückt“, fragte Links Mutter. Zelda schüttelte den Kopf. „Weißt du, seitdem du hier bist… ist unser Link wie ausgewechselt. Du hast ihm ganz schön den Kopf verdreht.“ Zelda sah verlegen drein. „Link war immer sehr ungewöhnlich und nun, habe ich das erste Mal den Eindruck, er gewinnt ein bisschen an Normalität. Ich will dir dafür danken, und falls du dann dein Gedächtnis wieder hast, und nicht mehr hier bist, hoffe ich doch, dass du ab und an zu Besuch kommst, oder?“ Zelda wurde schlagartig eine Bedrohung klar, die mit dem Wiedererlangen ihres Gedächtnis‘ entstehen würde. Wenn sie sich erinnerte… vielleicht war sie dann gar nicht mehr hier? Vielleicht müsste sie die Menschen hier verlassen und sie würde Link nie mehr wiedersehen. Und wenn ihre Erinnerungen wiederkämen, müsste sie vielleicht Vorkehrungen treffen, die andere in ihrer Umgebung nicht verstehen konnten. Wenn sie ihre Erinnerungen zurückforderte, hätte dies einen Preis… und bezahlen müsste sie diesen mit ihrer Freundschaft zu Link… Sie bedankte sich bei Meira Bravery für das Frühstück, musterte verabschiedend das Gästezimmer und lehnte sich mit glitzernden Tränen in den Augen an die Tür. Sie warf einen Blick in den Schrank, wo das samtene Kleid und ihr Stirnschmuck untergebracht waren, streichelte über das Material und über das glatte, glänzende Gold des Diadems. Sie verabscheute den Titel, der an dem Schmuck haftete, erinnerte den Tag, als ihr Vater ihr eine erste Krone geschenkt hatte… seine alten, lebenserfahrenen Hände, die ihr eine Schachtel mit der Krone brachten… geschwungen in Gold, besetzt mit Saphiren… und sie wusste, dass sie weinte, als sie ihre Bürde begriff… Ein Schluchzen ging durch den Raum, bis Zelda die Schranktüren zuschlug, einen kurzen verzweifelten Blick zu dem Fenster haschte und mit geballten Fäusten aus dem Raum stürmte. Sie achtete darauf, dass Meira sie nicht bemerkte und hastete mit ihrer rosa Strickjacke aus der Hintertür, sie rannte, als sich ihre Tränen mit dem Regen vermischten und die Erinnerungen so deutlich hochkamen, dass sie jene nicht mehr wegschieben konnte. Sie schluchzte bitterlich, stolperte über das nasse Gras in Richtung des Waldes, dorthin, wo die Pforte war, die sie hierher gebracht hatte. Entschlossen nach Hause zu gelangen, hetzte sie hinfort. Als der Wald sie verschluckte und ihre Heimat sie rief, trommelte der Regen noch heftiger nieder, prasselte in einer feinen Melodie durch die Blätter und Zweige und summte andächtig. Wie eine Beschwörungsformel gelangten wenige Buchstaben über ihre Lippen, als wollte sie Lebewohl sagen. Sie flüsterte den Namen ihres Helden, der auf ewig mit ihren Schicksalsfäden verbunden war. „Link…“, sie flüsterte leidend und wusste, sie konnte zu ihm einfach nicht Lebewohl sagen, auch wenn sie es musste… Sie würde ihn erinnern, immer… Sie würde ihn benutzen für die Rettung ihrer Welt… Und sie würde daran zerbrechen… Link stattdessen ging in schweren Schritten in Richtung Schule. Er überquerte die klatschnassen Straßen, vorbei an dem Einkaufszentrum, vorbei an der alten Porzellanfabrik und fühlte sich hundeelend. Er hatte in seinem jungen Leben noch nie für irgendetwas Tränen vergossen, warum auch… Alles, was er bisher hatte bewältigen müssen, sei es der Aufenthalt im Kinderheim, sei es die seltsamen Ereignisse oder die Kämpfe in den Träumen, die ihn formten und stärkten, alles hatte er bewältigt und irgendwie wegstecken können. Aber nun… mit Zeldas Erscheinen und dem Gedanken an etwas, das einfach nicht sein konnte, hatte er das Gefühl, dass er beinahe weinen wollte. Es war nicht der Kummer oder der Schmerz dessen, was er in den letzten Tagen hatte aushalten müssen. Es war der Gedanke, dass Zelda litt… seine Zelda… Er wühlte sich durch die Menschen auf dem Gehsteig, als er plötzlich vor sich eine Gestalt sah, die ebenso keinen Regenschirm hatte. Ein kräftiger, riesiger Mann marschierte rücksichtslos durch die Menge, stieß unzählige Passanten an und schupste sie wie willenlose Sklaven beiseite. Diesen Kerl hatte er doch schon einmal gesehen und den schwarzen Umhang, den er trug. Ja, Link fiel es wie Schuppen von den Augen, dieses Ekelpaket hatte ihn vor einigen Tagen angerempelt und kleine Made genannt. Und er hatte ihn auf dem Polizeipräsidium gesehen, als wäre er auf der Suche nach jemandem… Link lief ein wenig abseits und blickte wachen Auges umher, nicht sicher, ob er diesem Kerl vielleicht folgen sollte. Wie ein Spion schlich Link dann hinter der muskulösen Gestalt her, versteckte sich hinter Hausecken, sobald jener sich umdrehte. Dann lief dieses Ungetüm über die Straße. Herankommende Autos blieben kurz vor ihm stehen, als hätte er sie selbst gesteuert. Niemand schaute aus den Wägen und protestierte angesichts der Unverschämtheit des Kerls. Vielleicht traute sich niemand. Link folgte der Gestalt weiterhin unauffällig und rannte wie besessen über die Straße. Er war neugierig, wo der Kerl hin wollte, spürte, dass er ihm unbedingt folgen musste, herausfinden musste, wer dieser Kerl war. Und so sputete er sich, lief durch den herzlosen, niederprasselnden Regen, verfolgte den hochgewachsenen Mann und sah jenen in Richtung der alten Kirche marschieren. Und tatsächlich bewegte sich der Hüne in Richtung der großen Eingangstür des Gotteshauses, bis er diese öffnete und von dem Gebäude verschluckt wurde. Was, zum Teufel, wollte ein solcher Kraftprotz, der aussah, als machte er sich überhaupt nichts aus Glaubensvorstellungen an einem solchen heiligen Ort? Und der junge Held kannte diese alte Kirche, er hatte oftmals davon geträumt dort zu sein, obwohl er sich nicht an diese Nachtschatten erinnern konnte und er für diesen Glauben nichts übrig hatte. Link war nun mal kein religiöser Mensch, eigentlich gehörte er zu denen, die ihr Schicksal immer selbst in die Hand nahmen… und das würde sich auch nicht ändern. Er blieb kurz stehen, als der Regen auf ihn niederprasselte, und überlegte. Es wäre vielleicht besser in die Schule zu gehen… schon wieder zu spät kommen, wäre keine gute Alternative. Und dieses Ungetüm war möglicherweise so gefährlich wie er aussah. Doch letztendlich siegte die Neugier über seine Vernunft und die Zweifel, die sie ihm hatte einreden wollen. Link schlich wie ein Schatten um das Gebäude herum, fand eine Treppe nach unten und versuchte dort eine alte, morsche Holztür zu öffnen. Er hatte Glück und trat in die Kirche ein… Hoffentlich bemerkte niemand, dass er hier war. Sonst bekäme er gewaltigen Ärger, aber auch diesmal siegte sein Wissbegehr. Link wischte seine Zweifel mit einer Handbewegung weg. Ein Kälteschauer lief ihm über den nassen Rücken. ,Puh… in dem Gebäude war es kälter als draußen‘, dachte er alarmiert. Regentropfen fielen an seiner Kleidung hinab, nasse Haarsträhnen hingen nervig im Gesicht. Er schloss vorsichtig die Tür und betrachtete den finsteren Ort, in dem er sich befand. Der Raum war geradezu unheimlich dunkel, eine Art kleiner Keller. Dennoch, durch ein schwaches Licht, das einige Treppenstufen hinunterfiel, konnte er einen Weg ausfindig machen. In langsamen Schritten tapste er durch die Dunkelheit, während Nässe und Schlamm Fußspuren hinterließen. Er öffnete zaghaft die Tür in das Licht einige Zentimeter, versuchte ruhig zu bleiben und sein eigenes Herzklopfen zu überhören. Ein wenig Licht beleuchtete sein Gesicht. Es rührte von einigen Kerzen am Altar her. Zuerst konnte Link niemanden entdecken und er wollte schon wieder umdrehen, doch dann erklang die kalte Stimme des muskulösen Mannes, dem er hierher gefolgt war, als wäre sie direkt hinter ihm. Link zog die Tür wieder näher zu sich, sodass nur ein winziger Spalt offen blieb, ahnte, dass alles, was er nun erfahren würde, nur ihm bestimmt war. Ein Schauer lief Link über den Rücken, erinnernd und fesselnd, lähmend, aber vertraut. Er entdeckte daraufhin einen Ritz in der Tür, durch den seine scharfen, mutigen Augen einen ordentlichen Blick in die Halle werfen konnten, die Geschehnisse beobachten konnten, die für die Zukunft und für ein anderes Schicksal bedeutsam waren. Ein Priester, den Link schon einmal auf dem Friedhof gesehen hatte, kniete vor dem Antlitz des Mannes. „Sir, seid willkommen“, sprach er anbetungsvoll. Mehrmals verbeugte er sich und kicherte nervös. ,Tatsächlich‘, dachte Link. Dieser kugelrunde Kerl mit der Halbglatze, mit einer braunen Kutte, unsicher vor seinem Herren kriechend, war jener Mann, der nachts auf dem Friedhof in Schicksalshort herum werkte. „Bringst du mir Neuigkeiten, Drokon?“ Die dunkelgefärbte, schmierige Stimme des Mannes erklang. Gewaltig war sie, die Stimme eines Anführers, grausam, als dröhnte jene über Schlachtfelder. „Ja, mein Herr, alles ist bereit, um diese Ratten, die am Sonntag hier erscheinen zu Eurem Werkzeug zu machen und damit die Verseuchung voranzubringen… Aber wegen… verzeiht, mein Lord. Ich konnte in dem Geiste derer, die hier wandeln, ihren göttlichen Geist nicht ausmachen.“ Drokon klang entschuldigend, spähte unsicher zu seinem Meister und wartete ängstlich auf eine Reaktion. Der unheimliche Hüne warf stolz seinen dunklen Mantel nach hinten, seine Kapuze sank hinab, und Link konnte von hinten feuerrotes Haar erkennen, lang, ungewaschen und zottelig. Der heimliche Spion schluckte die Spucke in seinem trockenen Hals herunter, hatte das Gefühl würgen zu müssen, spürte Erinnerungen auf einer Gefühlsebene, Erinnerungen ohne Bilder… Dieser Bastard… Link ballte seine Hände zu Fäusten, ahnte um eine namenlose, böse Energie, die dieser Mann beherbergte. Das tapfere Herz in dem jugendlichen Körper stockte und sein Atem wurde unregelmäßig. Etwas Eisiges legte sich auf seine Gedanken, genauso wie in der Bogenschießarena, genauso erinnernd, als bohrten sich Schrauben in Links Gedanken, bespitzelnd, bis Link das Gefühl hatte beobachtet zu werden. ,Unsinn‘, dachte Link vernunftgesteuert, es sei denn dieser Kraftprotz hätte Augen am Hinterkopf. „Verzeiht mir, mein Lord… aber die Prinzessin des Schicksals ist nicht erreichbar für die unseren, beschützt von ihrem Helden… Weshalb auch sollten wir sie oder ihn fürchten? Sie ist in einer erdigen Welt… in dieser erdigen, magieleeren Welt… Sie kann den Unseren nicht gefährlich sein…“ Drokon knickte ein, verbeugte sich mehrfach mit seinem krummen Rücken und blinzelte ängstlich in das Gesicht seines Lords. Ohne Vorwarnung packte der übermenschliche Kerl den fast wehrlosen Priester, grummelte, schimpfte. „Du unterschätzt diese kleine, zickige Königstochter gewaltig.“ Link hätte beinahe einen Schrei ausgestoßen bei dem Anblick in der Kirche, aber würgte diesen herunter. Denn der Hüne packte einen kleinen Mönch am Kragen, hob ihn wehrlos, wie eine leblose Hülle in die Höhe und katapultierte in gnadenlos durch den Raum, bis der Mönch an einer Säule knackend aufschlug. Er sank zu Boden, kniete nieder. „Ja, mein Lord…“, piepste Drokon entschuldigend. „Wenn du fehlschlagen solltest, Drokon, und mir diese kleine Königstochter nicht auf dem Tablett servierst… was glaubst du, wird dann mit dir geschehen?“ „Mein Herr… nicht strafen… nicht bestrafen…“, winselte Drokon flehend. „Verstehst du nicht… wenn wir ihre Macht nicht nutzen können… denn in dieser Welt hausen die alten Mächte nicht. Wenn wir die Verseuchung nicht voranbringen können, dann ist das, was von uns übrig ist, verdammt zu sterben! Das alte Land ist verblasst… durch eine Gunst der Götter…“ Darauf winselte der Priester wie ein kleines Kind, erhob sich träge und tapste zu seinem Meister herüber. „Aber mein Herr…“ Drokon sah mit seinen pechschwarzen Augen auf. Die Angst in seinen Gesichtszügen war einer ungläubigen Verwunderung gewichen. „Deshalb brauche ich die unberührte Kraft dieses Miststückes und das, bevor sie herausfindet, wer sie ist.“ Link rutschte das Herz in den Magen, weil er mittlerweile nicht mehr an Zufälle glauben konnte… Es ging um Zelda, es ging immer um sie… Der Unmensch packte den Priester noch fester, hielt ihn verärgert in die Höhe, würgte ihn, bis er zu röcheln begann. Ehe ihm seine Lebensgeister entwichen waren, warf die Schreckensgestalt ihn mit voller Wucht durch die Reihen der alten Stühle. „Wir können uns nicht erlauben zu versagen! Ich dulde keine Fehler!“, donnerte seine tiefe Stimme umher. Link war entsetzt, was für eine Kraft! Und was für eine Brutalität! Eitel breitete der dämonische Mann seine Arme aus und lachte entseelt, sodass die Mauern in dem Gebäude bröselten. „Die alten Göttinnen, armselig, verfolgt von ihren eigenen Schatten, hatten wirklich geglaubt, eine Welt zu begraben könnte die Lösung sein und den Fluch, der doch seit Ewigkeiten besteht, brechen? Götter… lächerlicher Abschaum!“ Mit großen Schritten stapfte der Kerl in Richtung des Altars, würde niemals wieder Fehler seiner Untergebenen dulden, nicht, wenn seine Existenz auf dem Spiel stand. „Wie dumm…“, sprach er zischend. „Götter können so selbstgefällig und erniedrigend ihre Schöpfung nicht verteidigend einfach nur zusehen… Ich bin doch selbst schon ein Gott und ich werde ein besserer sein als die Drei mit ihren ignoranten Ansichten über Leben und Tod. Denn ich werde zum Gott dieser beklagenswerten Welt.“ Link wich von der Tür zurück, hatte ganz plötzlich das Gefühl entdeckt worden zu sein, löste sich aus der übermächtigen Trance diesem Geschehnis zuzusehen, und wäre beinahe die Stufen rückwärts hinuntergefallen. Blitzartig rannte er durch den Keller und öffnete die Tür nach draußen. Es regnete immer noch, nun noch stärker als zuvor. ,Mein Gott, was für ein Teufel war das‘, fragte er sich. Der junge Mann kämpfte gegen seine aufkommende Furcht und rannte wieder auf die Straße. Der Fürst des Bösen jedoch schielte in dem Moment auf den Eingang zu dem kleinen Kellerraum, bis er die morsche mit Schlitzen versehene Holztür mit einem gewichtigen Schlag zertrümmerte. Selbstherrlich schritt er näher an zerstörte Holzbretter, stach mit den Teufelsaugen in die Düsternis des kleinen Raumes und sah frische Schlammspuren auf dem Steinboden. „Drokon“, sagte er bissig, worauf der bucklige Priester angehumpelt kam. „Ja, mein Gebieter“, winselte er und fürchtete sich vor der nächsten Strafe. „Sind die Helden, schwach, wertlos und ohne Mut, die in dieser beklagenswerten Welt existieren, ein Grund zur Vernichtung… ein Grund sie bluten zu lassen wie das Schwein am Haken?“ „Gewiss. Gewiss“, sagte er, stolz, denn jeder Held, wie mächtig er auch war, sollte der Gegenspieler seines Meisters sein… und jeder dieser Helden sollte fallen. Ohne jene, die kämpften, ohne heiligen Mut, wäre die Beherrschung der Welt ein Kinderspiel… „Und warum?“, murrte der kräftige Mann, trat in den staubigen Kellerraum und roch mit seiner feinen Nase den Geruch nach Wald, nach erinnerndem Kampf. „Warum sollten wir einen Narren fürchten, der sein eigenes Schicksal vergessen hat? Der jämmerlich schwach geworden ist, nicht weiß, wie das Schwert zu führen ist und nicht weiß, wozu er geboren wurde…“ „Weil… “, begann er, aber wusste darauf nichts zu antworten. Es mochte stimmen, dass der Gegenspieler seines Meisters keine Gefahr mehr darstellte. Aber er würde niemals wieder den Fehler machen einen Helden zu unterschätzen! „Weil er es ist, der die alte Welt rettete… seine Seele, verbunden mit der anderen… Es ist sein Schicksal… kämpfen für das Blut und die Köpfe von uns Dämonen.“ Zögernd krabbelte Drokon näher zu seinem Herren. „Ist es das nicht… ist es nicht immer so… so gewesen?“ „Nein!“, zürnte der Hüne und breitete den dunklen Umhang aus, der sich flatternd auf seinem Rücken wiederfand. Winselnd schrumpfte Drokon zusammen und schaute schief auf. Respekt und Angst in seinen alten Dämonenaugen. „Nein… denn eingeschüchtert wie er ist… wertlos seine Seele ist in einer neuen, unreifen Welt, hat er keinen Mut mehr zu bestehen, wo die Welt dunkel wird…“ Er nahm einen Kelch vom Altar, wo roter Wein süß duftete. „Er ist nichts im Vergleich zu dem wahren Helden… Ja, er wird zerbrechen…“ Gierig leerte er den Kelch und zerknüllte das metallene Gefäß wie eine Papierdose. „Er wird brechen. Mit jedem weiteren Angriff wird er zerbrechen…“ Drokon hüpfte hastig zurück und kratzte sich über die wenigen Haarstoppeln auf seinem geschrumpelten Schädel. „Geh’ mir aus den Augen und kümmere dich um deine nächste Aufgabe“, sprach der Mann, wischte sich mit einem dunklen Ärmel das Getränk von trockenen, alten Lippen. „Um meine nächste Aufgabe?“ Bereitwillig rückte der Dämon wieder näher und schaute erwartungsvoll in das hochnäsige, grünlichschimmernde Gesicht des Teufels. Der Hüne machte eine auffordernde Handbewegung, worauf Drokon ihm folgte- hinein in die Krypta der dunklen, alten Kirche. Angekommen in dem dunklen, staubigen Gewölbe fielen dem alten, unbeholfenen Priester sofort Unmengen von Scherben auf, die auf einen riesigen Haufen lagen, ausgebreitet in der Mitte des Raumes. „Mein Lord. Was ist das?“ Daraufhin lachte der Hüne und schritt mit lautem Klappern seiner mit Eisen beschlagenden Stiefel näher. „Dieses magische Glas entstammt dem alten Hyrule, welches einmal mir gehörte und wieder mir gehören wird.“ Aufgeregt hechtete der alte Priester näher und ergriff eine der Scherben. Sorgsam studierte er die Kanten, die nicht splitterten, nicht einmal sich in die Haut schneiden konnten. „Du wirst mit diesen Scherben ein großes Gefäß erbauen.“ „Aber… mein Herr und Gebieter… wie…“, setzte Drokon vorsichtig an, worauf der Lord mit den roten Augen bebte. Drokon kniete ängstlich nieder und fürchtete sich vor einer weiteren Reaktion. „Widersprich’ mir nicht noch einmal, die Häufchen Dreck, sonst endet dein nächster Trip auf dem Friedhof mit deiner Beerdigung.“ Und der Schrecken lachte gebieterisch. Schmunzelnd tapste er zu einer großen, goldenen Schale, die auf einem klapprigen Holztisch stand. Ohne den Ansatz von Schmerzempfinden tätigte er mit einem seiner langen Fingernägel einen langen Schnitt quer über seinen rechten Handrücken und violettes Blut floss strahlförmig in die Schale hinein. „Aber mein Herr!“, wimmerte Drokon und sah bloß angeekelt zu, wie sich teuflisches, verunreinigtes Blut in der Schale ergoss. Als die Schale prall gefüllt war, stoppte der Blutstrom und die Wunde an der Hand des Hünen schloss sich von alleine. „Du wirst dieses Blut als Material benutzen, um die Scherben aneinander zufügen. Wenn der Behälter fertiggestellt ist, so nenne ihn: Gefängnis der Finsternis“, sagte der Kerl dröhnend und plötzlich war Drokon allein in dem Raum. Der Hüne war spurlos verschwunden… Link lief währenddessen wie ein Gespenst weiter in Richtung Schule. Als er ankam, war die Hälfte der ersten Stunde schon vorbei. Mit einer weniger einfallsreichen Ausrede entschuldigte er sich bei der Englischlehrerin und setzte sich unschuldig auf seinen Platz. Er starrte ins Nirgendwo, bis er von hinten einen Stups an seinen Ellenbogen verspürte. Link schaute überrascht zurück und sah Rick, der ihn irgendwie misstrauisch beäugte. „Alles in Ordnung bei dir?“, nuschelte er ihm zu. Link nickte lediglich und versuchte zu grinsen. Einmal mehr blieb ein Lächeln aus seinem Gesicht nicht mehr als ein Versuch. „Ich muss dir einige Dinge erzählen“, flüsterte der grünbemützte Jugendliche nach hinten und drehte sich dann wieder nach vorne. Denn ein empörtes Schnauben der Lehrerin machte ihn auf die immer noch währende Schulstunde aufmerksam. Nachdem Link sich einige Belehrungen von Seiten der Lehrerin bezüglich seiner verbesserungswürdigen Einstellung zum Unterricht anhören musste, und sich eine schlechte Note einhandelte, da er seinen frechen Grünschnabel nicht halten konnte, verschwanden die Schüler aus dem Klassenraum. Nachdenklich packte Link seine Stifte in die Schulmappe, als sein bester Freund seine Hände auf seiner Schulbank abstützte. „Na, Waldmensch. Was gibt’s denn so wichtiges?“ Link stand auf und begab sich ebenso aus dem Raum, während Rick hinter ihm herlief. „Lass’ uns rausgehen, dann erzähle ich es dir. Nebenbei, wie geht es eigentlich Maron?“, sagte Link und lief hüpfend die Treppe hinab. „Maron geht es, sagen wir, den Umständen entsprechend.“ „Wo ist sie denn überhaupt?“, meinte Link, während sie beide zusammen aus einem Eingang hinausliefen. Mühsam öffnete Link die große, gläserne Tür ins Freie. „Sie bleibt noch eine Weile zuhause. Ich war nämlich gestern bei ihnen.“ „Soso“, sagte Link mit einem Wink. „Du bist in letzter Zeit auffällig häufig bei ihr“, ergänzte er schmunzelnd. „Ich habe mir eben einfach nur Sorgen gemacht. Sie hat eine schlimme Grippe, Link.“ Daraufhin blickte der Jugendliche mit dem grünen Cape noch eindringlicher in Ricks rehbraune Augen. „Und ausgerechnet dann gehst du sie besuchen? Willst du dich vielleicht bei ihr anstecken?“, meinte Link verdutzt. Rick schüttelte nur mit dem Kopf und versuchte das Thema irgendwie zu wechseln. „Was wolltest du vorhin mit mir besprechen?“ „Versuch’ nicht das Thema zu wechseln, mein Freund“, sagte Link und grinste seinen Cousin verräterisch an. „Ich kenne dich eben zu gut.“ Auch Rick grinste jetzt verlegen vor sich hin. Eine Pause entstand. „Da wir das jetzt geklärt haben, rück’ endlich mit der Sprache heraus, Link.“ Rick ließ sich vergnügt auf eine Bank in dem Schulgelände sinken und blickte in den Himmel, wo die Regenwolken von vorhin langsam vorbeizogen. Mit einem Seufzen machte es sich Link neben Rick bequem und suchte nach dem richtigen Anfang. „Es geht um…“ „… deinen Gast?“ Dem konnte Link nicht widersprechen. Aber vielleicht ging es nicht allein um sie. Möglicherweise gab es eine andere Sache, die ihn noch mehr zum Nachdenken brachte, als Zelda und ihrer verrückten Wirkung auf ihn. „Warum ist sie eigentlich nicht in der Schule?“ „Das ist noch nicht ganz geklärt“, murmelte Link. „Aber das ist auch nebensächlich.“ Verdutzt sah Rick auf und versuchte den Trübsinn in den Gesichtszügen seines Cousins zu deuten. „Ich frage mich, ob… Könntest du dir vorstellen, dass die Realität nicht das ist, wofür du sie hältst, Rick?“ Aber der braunhaarige Jugendliche schwieg. „Was würdest du tun, wenn du herausfindest, dass du nicht das bist, was dir jeder glauben macht zu sein?“ Und Links Blick verlor sich auf einem kleinen Eichhörnchen, dass frech vor den beiden herum hüpfte und hinterhältig aus dem kleinen Gesichtchen hervor lugte. „Was ist denn das für eine komische Frage?“ „Vergiss’ es einfach“, meinte Link, ein wenig verärgert über sich selbst. Was war nur los mit ihm? Es schien, als säße nicht mehr der Link neben Rick, der er noch vor wenigen Tagen gewesen war. Was war nur geschehen? Er ahnte, dass es nicht mehr lange dauerte und er wäre endgültig auf der Spur seines früheren Ichs, drauf und dran, herauszufinden, was sich wirklich hinter seinem Gesicht verbarg. Und Zelda… sie war vielleicht der Schlüssel zu alldem. Sie hatte die tragende Rolle, sollte Link tatsächlich erfahren, was es mit Hyrule auf sich hatte… „Was macht Zelda denn nun?“, sagte Rick und schlich sich an das frech grinsende Eichhörnchen heran. Seit langem war er der Meinung, diese Tierchen sahen lediglich harmlos aus, hatten aber vielerlei Unsinn im Kopf, wie auch vielerlei Streiche… „Sie erinnert sich langsam“, sagte Link leise. Seine Worte klangen seltsam, mit einem Hauch Ungewissheit, als würden ihre Erinnerungen eine Bedrohung für sie selbst und andere sein. „An ihren wirklichen Namen?“ „Nein, aber…“, murmelte Link. „An… verschiedenes.“ Rick stellte sich vor seinen Kumpel und gab ihm einen Klaps an seine Stirn. „Mach‘ es nicht so spannend, Link.“ Dann aber sah er den miserablen Ausdruck auf dem ansehnlichen Gesicht seines Freundes. „Was’ n los?“, meinte er leise und setzte sich wieder auf die braunangestrichene Parkbank. „Es wäre schön, wenn ich wüsste, was wirklich los ist“, murmelte Link und beobachtete das eifrige Eichhörnchen, das einmal mehr von der in der Nähe befindlichen Eiche hinab hüpfte und die beiden Oberschüler herausforderte. „Mir ist nach dem Vorfall…“ Das war nun wirklich ein sehr unpassendes Wort für das Ereignis in der Bogenschießarena. „… einiges klar geworden“, sagte Link gedämpft, sich wünschend, er wäre nicht so dumm an das zu glauben, was nun mal geschehen war. „Du hast aber doch gesagt, Maron wäre nur das Opfer böser Machenschaften geworden. Stimmt das denn nicht mehr?“ „Doch“, rechtfertigte sich Link. „Nur, dass es nicht einfach bloß ,üble oder böse Machenschaften waren’. Es war das Grauen, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein.“ „Und Zelda… hat sie etwas damit zu tun?“ Link nickte frustriert. „Es ist zum Verrücktwerden. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass etwas passiert. Irgendetwas, nur um zu verstehen, weil ich weiß, dass ich irgendetwas vergessen habe, dass nicht vergessen werden sollte. Und jetzt, da es soweit ist, da merkwürdige Dinge geschehen, da… bin ich mir nicht mehr sicher, das alles gewollt zu haben.“ „Die Sache in der alten Turnhalle hat niemand gewollt. Da bist du doch nicht dran schuld.“ Und Link gab ihm einen Blick, der Rick mitteilte, dass es vielleicht doch so war. Link war der Grund für das Ereignis, für das Erscheinen des unheimlichen Schattens. Link… und sein Gast. „Es geht nicht einfach nur um die Sache in der Turnhalle. Die ganze Woche sind komische Dinge passiert, die ich nicht verstehe, die über den normalen Verstand hinausgehen. Und Zelda…“ Ricks Blick zeigte Verständnis und Neugierde. „… sie ist in Gefahr. Das ist vielleicht alles, was ich weiß.“ „Oh Mann, Link“, fing Rick an, „Was du dich nur beschwerst. Du hast einen wunderbaren Gast. Was genießt du die Zeit mit ihr nicht einfach, anstatt vor dich hin zu grübeln. Das soll einer verstehen.“ Und Rick sprang auf und jagte dem Eichhörnchen hinterher. Er hatte sich doch tatsächlich eingebildet, dieses Tierchen hätte ihm einen Vogel gezeigt. Link grinste leicht und schloss seine Augen. Ja, eigentlich hatte Rick Recht. Das Nachgrübeln half ihm auch nicht weiter… Link sprang auf und jagte ebenso dem Eichhörnchen hinterher und so verging die Pause, in welcher zwei beknackte, man bedenke siebzehnjährige, Jugendliche, von denen man erwachsenere Umgangsweisen und reiferes Verhalten erwartete, einem unschuldigen, kleinen Eichhörnchen hinterher jagten. Die Mittagspause war fast vorüber, als Link per Lautsprecher aufgerufen wurde. „Link Bravery, bitte sofort in das Büro der Direktorin.“ Nanu? Hatte er irgendetwas ausgefressen? Mit einem unüberhörbaren Seufzen ging er den vertrauten Weg zu dem Büro Miss Schatteners entlang. Komisch, war sie denn schon wieder da? ,Ich war mir sicher, sie wäre fortgefahren, um jemanden zu suchen‘, dacht er. Link vernahm laute Stimmen in dem Raum, es waren drei Personen in dem Büro. Link klopfte zaghaft. Niemand öffnete. Er klopfte erneut, etwas lauter. Dann wurde die Tür von Richard Raunhold geöffnet. „Tritt ein, Link“, sagte er und machte einen eigenartigen Eindruck. Er sah drein, als ginge die Welt unter, war bleich im Gesicht und hielt sich teilweise am Schreibtisch fest. Im Raum stand neben der Direktorin noch eine Person, die Link schon einmal gesehen hatte. Es war Dar Gordon, der Arzt, der ihn einmal besucht hatte. Was machte der denn hier? „Hallo Link, überrascht mich zu sehen?“ Link nickte. „Weshalb wurde ich denn aufgerufen?“ Die Direktorin lief einschüchternd auf Link zu und platzierte sich direkt vor ihm. Sie hatte sich innerhalb dieser Woche vollkommen gewandelt. Ihr elegantes, stolzes Aussehen war gänzlich verschwunden. Ihre braunen Haare hatten deutliche graue Strähnen und ihre Augen schienen noch durchdringender und rötlicher als jemals zuvor. „Wo ist sie“, sagte sie und Link verstand keineswegs, was sie meinte. „Wer?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Seht Ihr, Dar… er hat keinerlei Erinnerungen…“ „Welche Erinnerungen?“ Die Direktorin verschränkte die Arme vor der Brust. „Nichts weiter. Mich interessiert, wo das Mädchen ist, mit dem du gesehen worden bist.“ Link glaubte zu träumen. Erst wollte dieser Unmensch in der Kathedrale wissen, wo sich Zelda versteckte und nun auch noch die Direktorin? Link rechtfertigte sich: „Ich weiß nicht, von wem ihr redet.“ Nun mischte sich Raunhold in das Gespräch ein. „Wir wissen, dass du mit ihr unterwegs gewesen bist. Sag’ uns endlich, wo sie ist. Sie schwebt in großer Gefahr.“ Link zuckte mit den Schultern. Auch Dar Gordon gab sein Bestes zum Gespräch dazu. „Link, nun sei doch nicht so misstrauisch. Ich weiß, dass Zelda bei dir war, ich habe sie schließlich begutachtet.“ „Kann ich Ihnen trauen?“, murmelte Link leise und sah aus einem hohen Fenster. Miss Schattener meinte: „Mehr als anderen Personen in dieser Stunde.“ Link wusste nicht, warum sie Zelda sehen wollten oder weshalb diese Sache so wichtig war, aber er hatte das merkwürdige und durchdringende Gefühl ihnen glauben zu können. „Sie ist… im Haus meiner Eltern und hat ihr Gedächtnis verloren. Deshalb wohnt sie bei uns. Ihr wisst, wer sie ist, oder?“ „Ja. Die Schule kannst du vergessen, wir müssen schnell zu dir nach Hause. Ich werde Zelda abholen“, meinte die Direktorin. „Abholen? Wo willst du denn mit ihr hin?“ Link war schockiert. Es war die ganze Zeit so selbstverständlich gewesen, dass Zelda bei ihm war und nun… Und unfassbar war die Sache, dass sogar die Schule unwichtig schien. Diese Worte aus dem Mund der fleißigen Direktorin? „Wieso soll Sie jetzt…?“ „Sie kann euch nicht ewig zur Last werden. Ich habe stets auf sie Acht gegeben. Ich bin so etwas wie ihre Tante- und gleichzeitig ihre Erziehungsberechtigte.“ „Mmh, verstehe…“ Link kam sich erbärmlich vor… Er würde Zelda nun vielleicht nicht mehr so oft sehen können wie sonst… Irgendwie tat es weh, obwohl sie doch nicht aus der Welt war, sondern immer noch in der gleichen Stadt. Link folgte der Direktorin aus dem Gebäude und stieg in ihr Auto ein. Die ganze Zeit sagte er kein Wort und bejahte oder verneinte die Fragen der Frau, die am Steuer saß. Ja, genauso kam sie ihm vor… Jemand, der das Steuer in der Hand hatte. „Nenn’ mich Ines, okay?“ Link nickte nur. Er schwieg jedoch über die Kreatur, die er in der Kirche gesehen hatte, man würde ihm sowieso nicht glauben… „Sag mal, ähm, Ines, ist sie, ich meine, ist Zelda… die Prinzessin aus…“ „Wovon redest du eigentlich, bist wohl ein bisschen verwirrt? Zelda ist einfach von adliger Abstammung. Was mich aber mal interessieren würde, ist, wieso du sie Zelda nennst. Ich dachte, sie hätte ihr Gedächtnis verloren.“ Link sagte mit lauter, überraschter Stimme: „Das hat sie auch. Wir haben ihr einfach den Namen gegeben, weil… er zu ihr passte.“ „Scheint, als wärst du einem inneren Gefühl gefolgt. Aber unwichtig. Ich hoffe, es geht ihr gut.“ „Ja, es geht ihr gut.“ Link sah zu seiner Seite aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die wie Marionetten die Straße entlang liefen. Ines bog rechts in eine Straße ein und der junge Mann neben ihr erblickte durch das trübe Regenwetter die Kirche. Die Bestie aus der Halle kam ihm wieder in den Sinn. Hatte er tatsächlich von Zelda gesprochen… wenn ja, dann war sie in größter Gefahr. Aber von welcher unberührten Kraft hatte er gesprochen? „Ines. Wieso schwebt sie in Gefahr?“ Sie trat einmal kräftig auf die Bremse, was Link veranlasste, ihre Reaktion genau unter die Lupe zu nehmen. Sie schwieg. „Wer bedroht sie?“ Die Direktorin schwieg weiterhin. „Vielen Dank auch. Wenn ich weiterhin den Dummen spielen muss, werde ich auch nicht zu lassen, dass man Zelda mitnimmt.“ Groll und Ärger lagen in Links Stimme. Ines war entsetzt, dass er so gefährlich klingen konnte. So hatte sie diesen Schüler noch nie erlebt. Sie hielt voller Entrüstung den Wagen an. „Link. Respekt für deine Besorgnis um Zelda, aber es ist mir untersagt, dir irgendetwas mitzuteilen… und außerdem, weiß ich auch nicht viel mehr als du.“ Link gab sich, auch wenn etwas unwillig, damit zu Frieden. Ines war kein schlechter Mensch und sicherlich hatte sie ihre Gründe ihm nichts Näheres mitzuteilen… Der Wagen hielt direkt vor Links Wohnhaus. Ines und Link sprangen in Windeseile aus dem Wagen. Einerseits, weil sie sich schleunigst vergewissern wollten, ob Zelda in Ordnung war, andererseits, um vor dem Regen zu fliehen. Links Mutter öffnete die Tür und war zunächst verwundert, was die Direktorin hier wollte. Als aber Ines ihr erklärte, dass sie Zeldas Erziehungsberechtigte sei, schien sie sich wieder zu beruhigen. „Na, dann, kommt rein. Ihr seid ja klatschnass.“ „Mum, wir haben keine Zeit, wo ist Zelda?“ „Also, ich dachte, sie wäre in ihr Zimmer gegangen.“ Link warf seinen Rucksack in die erstbeste Ecke und rannte mit wenigen Sätzen die Treppen hinauf. „Also, dieser Junge überrascht mich immer wieder. Woher nimmt er nur seine Kraft?“ Ines lächelte kurz, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Sie ahnte, woher er seine Energie nahm. Augenblicklich sprang er, diesmal mit einem Satz, die Treppe wieder hinunter. „Sie ist nicht hier. Mum, wo könnte sie sein? Du hast sie einfach aus den Augen gelassen.“ Link war außer sich. Vorwürfe packten ihn. Dann aber hetzte er hinaus in den Regen, in Richtung Wald. Ines folgte ihm, konnte aber nicht wirklich Schritt halten. Nach einigen Minuten hatte sie ihn aus den Augen verloren… Link wusste genau, wohin er wollte. Und er hatte recht behalten. Er fand Zelda, dort, wo er sie schon einmal fand. Das blonde Mädchen aus seinen Träumen saß zusammengehockt mit dem Rücken zu ihm auf der Wiese, die von dem Bach umrahmt wurde. Ihr Haar war total zerzaust und ihre Kleidung klatschnass. Aber es schien sie keineswegs zu stören. Sie umfasste mit beiden Händen ihre Arme und ließ sich durch nichts abhalten. Langsam hob sie ihren Kopf und blickte in den Himmel, der weinte, kläglich weinte… aus einem Grund, den ein Beobachter nicht verstehen könnte. „Ich weiß, dass du hier bist“, war das einzige, was sie sagte. „Zelda, lass‘ uns gehen. Du erkältest dich noch.“ „Das macht nichts.“ Link lief in schnellen Schritten auf sie zu. „Natürlich macht das was.“ Zelda drehte sich um und Link schien wie von Sinnen. Ihr Blick hatte sich total gewandelt. Wer war dieses Mädchen, das mit einem Schlag, in einem so unbedeutenden Augenblick noch anmutiger, noch liebreizender, noch edler wirkte? Link konnte deutlich Spuren von verblassten Tränen auf ihrem Gesicht sehen, auch wenn jene vom Regen fortgespült wurden. „Link… ich kann mich erinnern…“ „Du weißt…?“ „Ja, ich weiß viel zu viel. Und vieles, was du niemals erfahren sollst.“ Und schon wieder überkam Link das Gefühl, sie wäre so fern, so weit weg, obwohl sie doch genau vor ihm stand. Plötzlich erschien Ines aus dem Schatten der Wälder. „Ich habe auf dich gewartet“, sagte Zelda und sah Ines in die roten, durchdringenden Augen. „Kommt mit mir, Zelda.“ Das Mädchen mit den langen Haaren, dem wunderschönen Antlitz und dem einzigartigen Blick verschwand mit einem Lächeln und einigen letzten Worten: „Danke für alles… mein Held.“ Ines und Zelda tapsten wie Schatten aus dem Wald hinaus. Link blieb einfach nur stehen, mitten im Regen, orientierungslos und vor den Kopf gestoßen. Er kam sich vor wie der letzte Mensch auf Erden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)