Von La Sadie's zu Dir en Grey- Ein steiniger Weg von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 7: Warumono ------------------- Mit dem Album „Gauze“ wichen die Jungs von Dir en Grey schon ein bisschen mehr der J-Pop Szene und mittlerweile wurden auch andere Bands auf die jungen Nachwuchsmusiker aufmerksam. So kam es dazu, dass sie von Yoshiki, dem Gründer sowie Drummer der legendären Band X-Japan, entdeckt wurden und er ihnen einen Deal anbot, einige ihrer Songs zu veröffentlichen. Die fünf Freunde wussten nicht genau, wo ihnen der Kopf stand, denn dieses Angebot schien ihnen alle Tore zu öffnen und Kyo war Feuer und Flamme und wollte am liebsten sofort mit den Aufnahmen beginnen. Doch leider zogen sich diese noch bis zum Sommer hin, da Yoshiki selbst noch an ein paar eigenen Projekten arbeitete, die er zuvor beenden wollte. Doch auch der Leader war nicht untätig und machte ein paar Konzerte klar, die mit einem Festival in Tokio endeten. Insgesamt würden es fünf Auftritte werden, für die die Jungs fast jeden Tag im Proberaum schwitzen. Eine Woche vor der Tour erhielt Kyo Nachricht von seinem unliebsamen Lover und es zerriss ihn förmlich, weil er mit sich rang, ob er der Bitte, ihn zu besuchen nachkommen sollte oder nicht. Schließlich entschied er sich dagegen, auch wenn es ihn seine ganze Kraft kostete. Dafür glänzte er in den Proben umso mehr, weil es ihm hier möglich war, seine Gefühle raus zu lassen. Er schrie sie sich förmlich aus der Seele, doch danach fühlte er sich wie eine leere Hülle. Emotionslos und kaputt. Auch die Witze seiner Kollegen und Freunde vermochten sein düsteres Gemüt nicht zu erheitern, zu sehr war der Sänger in seiner Welt gefangen. So vergingen die letzten Tage vor der Tour und Kyo sehnte sich nur noch danach, endlich auf der Bühne zu stehen und sich der Welt zu offenbaren. Kaoru wollte nach den Proben noch ein Wort mit ihm wechseln und bat ihn ins Büro. Kyo nahm auf dem freien Stuhl platz und schaute seinen Leader gelangweilt an. „Ich wollte nur sichergehen, dass bei dir alles in Ordnung ist…du wirkst so…naja, distanziert.“ Der Sänger zuckte mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. „Mir geht’s gut“, antwortete Kyo knapp, denn er hatte wenig Lust sich in eins von Kaorus aufklärenden Gesprächen verwickeln zu lassen. Der Leader zog seine rechte Augenbraue hoch und musterte sein Gegenüber. Diese Leere in seinen Augen schockierte den Braunhaarigen und er würde Kyo gern helfen, wusste jedoch nicht genau wie. „Dein Blick verrät mir aber was anderes…wenn dir das mit der Tour zu viel wird, musst du es nur sagen…“ „Mir geht es gut…und wage es nicht die Tour zu canceln…bis morgen“, gab er forsch zurück und erhob sich zum Gehen. Kaoru entfuhr ein tiefes Seufzen. Allein hockte Kyo in seinem Apartment und traf die letzten Vorbereitungen für den morgigen Tag. Checkte zum gefühlt hundertstens Mal sein Bühnenoutfit, was sich vermutlich am Ende ohnehin nur noch auf die Hose beschränken würde. Mit einer Mischung aus Ekel und Freude schob er das kleine Ding aus Metall in die Seitentasche seines Koffers. Vielleicht müsste er ja gar keinen Gebrauch davon machen, doch es tat gut zu wissen, dass es da war. Ziemlich krank, dachte er bei sich und schüttelte angewidert von sich selbst den Kopf. Erschöpft und müde sank er neben seinem Gepäck nieder und vergrub das Gesicht zwischen seinen Knien. Sein Telefon klingelte. Schon wieder und endlich ging er ran. Zuvor hatte er es einfach ignoriert, weil er mit niemandem hatte reden wollte und schon gar nicht mit einer unterdrückten Nummer. Als er den Anruf schließlich doch entgegen nahm, bereute er das sofort und er wiederstand dem Drang, sein Handy einfach in die nächste Ecke zu feuern. Der Klang seiner Stimme widerte den Sänger einfach nur an. Als hätte er nicht schon genug Niederlagen einstecken müssen. „Ich…dachte…ich ruf dich an…kommst du zu Kamis…Wohnung“, bat ihn der andere Musiker und der Sänger ballte seine freie Hand zur Faust. „Warum sollte ich Juka…willst du mich noch mehr demütigen? Reicht es dir denn nicht aus, mich am Boden zu sehen? Du hast gewonnen…okay? Ich will nicht mehr kämpfen…“ Stille. Dann ein Räuspern und ein Schluchzen? Moment Mal, schluchzen? Und Jukas erstickte Stimme. Shit, irgendwas stimmte da so ganz und gar nicht. „Ich hab keine Zeit zu diskutieren…komm einfach her…bitte.“ Tutututututututut. Weg war er. „Verdammt!“, fluchte Kyo und zog sich ein Shirt über, um der Bitte des Anderen nachzukommen. Die Hitze draußen drohte ihn fast zu erdrücken und er versuchte der prallen Sonne zu entfliehen und huschte von Schattenfleck zu Schattenfleck. Die Bahn war wie üblich vollgestopft mit Menschen und Kyo zwängte sich in deren Mitte, hielt die Luft an, um den Geruch der anderen nicht einatmen zu müssen. Es widerte ihn an ja so schon an, andere Menschen riechen zu müssen. Doch besonders im Sommer war es schlimm, wenn ihnen der Schweiß triefend dem Nacken hinab rann und Flecken auf ihren verschwitzten Klamotten hinterließ. Der Sänger unterdrückte den Würgereiz und hielt erneut die Luft an. Endlich. Vier Haltestellen später stieg er aus und nahm zwei Stufen auf einmal, die in den Park führten, den er durchqueren musste und schließlich links abbog. Gerade wollte er klingeln, da legte sich eine Hand auf seine Schulter. Erschrocken fuhr Kyo herum. Juka. Mit verheulten, verquollenen und geröteten Augen blickte er den kleineren an. Ohne Worte schritten sie in die Wohnung und Kyo fragte sich noch immer, was das hier alles zu bedeuten hatte. Angst überkam ihn und er war sich nicht mehr so sicher, ob er wissen wollte, was ihm Juka zu sagen oder zu zeigen hatte. „Ich hoffe du bist stark“, flüsterte der Blonde hinter dem Sänger und öffnete die Tür, um einzutreten. Kami lag im Wohnzimmer auf dem Teppich und als hätte ihn der Drummer niemals belogen und betrogen, war der Sänger mit einem Satz bei ihm. Ein ähnliches Bild schoss in seinen Kopf. Nein. Nein, das durfte einfach nicht sein. Nicht noch einmal. Kyo zitterte am ganzen Leib. Tränen rannen seinen Wangen hinab und er beugte sich über seinen schönen Drummer. Seine Augen waren schon geschlossen und doch wollte Kyo nicht wahrhaben, was er hier sah. Sein Körper wurde von einer heftigen Gefühlswelle überrollt und haltsuchend krallten sich seine Hände an den Schultern des Toten fest. Sein Gesicht vergrub er in den langen roten Haaren, die noch immer nach seinem Drummer rochen, die kalte Haut an seiner Wange war so unwirklich und quälend langsam bohrte sich eine unsichtbare Klinge in des Sängers Brust und schnitt sein Herz heraus. „Der Notarzt sagt, es war ein Schlaganfall…deshalb vermutlich auch die Kopfschmerzen in den letzten Monaten…solche unfähigen Arschlöcher…“, fluchte Juka und kam dem Sänger näher, wollte ihn in die Arme nehmen, doch Kyo wich panisch zurück und verkroch sich in der hintersten Ecke des Sofas. Das Sofa, auf dem er und Kami zum ersten Mal Sex hatten. Er brach zusammen. Das bisschen, was noch von seiner heilen Welt übrig war, stürzte nun über ihm ein und zurück blieb nichts. Nur Leere. Die Bestatter trafen soeben ein und hievten Kamis toten Körper in den schwarzen Leichensack. Kyo nahm das Geschehen wie in einem Kinofilm wahr. Das alles war vielleicht wirklich nur ein Film und gleich würde er in seiner Wohnung aufwachen. Seine Fingernägel krallten sich kurz in seinen Arm und als er die Schmerzen spürte, wurde er eines besseren belehrt. Das Geräusch des Reisverschlusses, als der Leichensack geschlossen wurde, war viel zu laut in seinen Ohren und ließ ihm deutlich werden, dass er Kami nie wieder sah. Das war einfach zu viel. Mehr als ein einzelner Mensch ertragen konnte. Er raffte sich auf, weil er diesen Ort verlassen musste. So schnell wie möglich schlug er den Weg zu Shinya ein, denn nur sein bester Freund vermochte ihn jetzt noch zu retten. Er rannte den Weg zur Bahn und achtete kaum auf seine Umgebung. Leute pöbelten ihn, die er um ein Haar über einen Haufen gerannt hätte, doch das alles war ihm egal. Kyo klingelte Sturm und hinter der Tür hallten schnelle Schritte. Im Morgenmantel riss der Dir en Grey Drummer die Tür auf, wollte schon fluchen, wer es denn so eilig hatte und ob es nicht genügte, die Klingel einmal zu betätigen, da stockte er. „Shin-chan…darf ich rein kommen?“, krächzte sein Sänger und Shinya zögerte keine Sekunde. Er holte den guten Sake, denn vermutlich, was auch immer passiert war, brauchte Kyo jetzt was Härteres. „Was ist geschehen?“, fragte der Braunhaarige besorgt, doch sein Freund schüttelte nur den Kopf und leerte sein Glas in einem Zug, griff nach der Flasche und schenkte sich nach. Shinya nickte. „Hast du dein Zeug schon gepackt?“ Der Drummer nickte. „Ja, warum?“ „Kannst du mit zu mir kommen? Ich zahl uns auch ein Taxi…aber ich kann heut nicht allein sein…“ „Verstehe…klar. Rufst du das Taxi, ich hole mein Gepäck.“ Kyo erzählte nicht, was er gerade erlebt und gesehen hatte, dazu war er einfach noch nicht in der Lage. Es zählte nur, dass sein Shinya bei ihm war und ihn in den Armen hielt. Den Schmerz zumindest für eine Weile linderte. Irgendwann schlief er dann tatsächlich ein, jedoch nicht ohne quälende Bilder des toten Geliebten, die ihn bis in seine Träume verfolgten. Gerädert und mit einem Gefühl, als hätte er die Nacht kein Auge zu bekommen, schleppte sich Kyo unter die Dusche, trank einen Kaffee und rauchte eine Zigarette. Der noch immer besorgte Blick seines besten Freundes verfolgte ihn, doch der Sänger ignorierte diesen. Ausdruckslos schlürfte er sein Heißgetränk und brachte kein Wort über die Lippen. Seine Augen starrten in die Leere und sein Körper fühle sich tot an. Eine halbe Stunde später fuhren die beiden mit dem Taxi zum Proberaum, wo der Tourbus auf die Jungs wartete. Ohne die anderen Musiker zu begrüßen, verkroch sich Kyo sogleich im hintersten Eck des Fahrzeuges, zog die Kopfhörer auf und ließ sich von lauter Musik beschallen. Er konnte und wollte nicht reden. Und jeder, der es versuchte oder sich ihm auch nur näherte strafte er mit eiskalten, emotionslosen Blicken, sodass ihn die Jungs von sich aus mieden. Gut so. Diesen Gesichtsausdruck perfektionierte der Sänger und so schaffte er es auch, dass ihn die Crew mied. Keiner sollte je wieder einen Einblick in seine Gefühlswelt bekommen. Keiner sollte ihn je wieder derart verletzen und so wuchs die imaginäre Dornröschenhecke um den Dir en Grey Sänger von Tag zu Tag höher. Die Ranken fuhren ihre Dornen aus und so stieß Kyo seine Freunde immer mehr von sich. Nur an einem Ort ließ der Blonde seine Gefühle raus- auf der Bühne, denn hier war er für niemanden erreichbar. Hier konnte ihm keiner schaden oder ihm weh tun. Er schrie seinen Schmerz in die Welt hinaus, ließ sich von seiner eigenen Musik mitreißend und versetzt sich selbst schon fast in Ektase. Leider verging die Zeit rasend schnell und nachdem Kyo seinen Fans noch Mal die Hände geschüttelt hat, verließ er nach seinen Jungs diesen wundervollen Ort. So lief das die ersten drei Konzerte. Auf der Bühne gab er alles. Verzauberte die Menge mit seiner Stimme, die in den verschiedensten Oktaven die Halle erfüllte, doch auch bei den härteren Songs, wo er ins Growlen abdriftete, feierten ihn seine Fans und Kyo suhlte sich im Jubelgeschrei der tobenden Masse. Er verausgabte sich mehr als es ihm gut tat und die Hitze tat ihr Übriges. Völlig erschöpft zog er sich jedes Mal im Tourbus zurück und fiel sogleich in einen unruhigen Schlaf. Ihm entging natürlich nicht, dass seine Jungs über ihn redeten, doch das interessierte ihn nicht. „Shini, kannst du es nicht noch einmal versuchen? Ich habe die Befürchtung, dass er es übertreibt…bis jetzt ist er recht brav auf der Bühne, aber was nicht ist kann ja noch werden. Immerhin stehen uns noch zwei Konzerte bevor und Tooru erinnert mich an ein wandelndes Pulverfass, dass bald zu explodieren droht“, wand sich der Leader an seinen Drummer. „Kao…gib ihm Zeit, mehr können wir nicht tun…glaub mir, er wird nichts tun, was uns schaden könnte oder unserem Image.“ „Darum geht es mir auch gar nicht…ich sorge mich eher darum, dass er etwas tut, das ihm schadet.“ Shinya biss sich auf die Unterlippe und schluckte die Tränen runter. „Ich weiß…ich weiß, aber ich komme nicht an ihn ran…noch nicht…selbst mich stößt er von sich“, wisperte der Drummer und Kaoru zog ihn in eine liebevolle Umarmung, als er merkte, wie sehr sein Freund wirklich unter Kyos Laune litt. „Vielleicht rede ich die Tage mit ihm…“, gab der Drummer zurück und schaute auf die hintere Sitzbank, auf der sein liebster Freund mit angewinkelten Beinen in sich versunken kauerte. Sein Blick so starr und doch so verletzt. Shinya seufzte und schloss seine Augen ein bisschen, um neue Kraft für den bevorstehenden Auftritt zu sammeln. Ein neues Hotel. Schon fast mühevoll fuhr Kyo den Henkel seines Koffers aus und steckte sich eine Zigarette an. Tatsächlich sträubten sich alle ein bisschen mit ihrem Sänger das Zimmer zu teilen, also erbarmte sich Shinya, wie sonst auch. Doch selbst ein weiterer Versuch mit seinem Freund zu reden, scheiterte kläglich und Kyo strafte auch ihn mit giftigen Blicken. Er hielt es nicht länger aus und auf der Bühne konnte niemand etwas dagegen tun. Das kleine Metallding glitt in seine Hosentasche, bevor er sein Reich betrat und schon allein der Gedanke, dass er die Rasierklinge bei sich trug, hatte eine beruhigende Wirkung. Wie immer betrat Kyo als letzter die Bühne und die Menschen jubelten ihm zu. Shinya stimmte Gauze an und der Sänger verschmolz mit den Tönen und gab sich voll und ganz seiner Musik hin. Seine Stimme erfüllte die Halle und das Publikum tobte. Wie in Trance wiegte sein Körper zur Musik. Nach dem vierten Lied entledigte er sich tänzerisch seines weißen Hemdes. Es folgte eine kurze Pause, dann kam Mazohyst of Decadence. Die krankhafte Sehnsucht nach dem Schmerz wuchs mit jedem Klang mehr und Kyo wusste, dass er es nicht länger zurückhalten konnte. Er schrie ins Mikro und brach auf dem Boden zusammen. Auch das Lied verklang. Der letzte Song, Mushi würde ihm den Gnadenstoß verpassen, denn schon jetzt befand er sich gefährlich nah an der Grenze, doch er sang die sanften Töne. Hielt die Augen geschlossen und sah Kamis toten Körper wieder und immer wieder. Das verblassende Rot seiner Haare, die eingefallenen Wangen, das schöne Gesicht, welches im Leichensack verschwand. Das war einfach alles zu viel. Seine Stimme versagte ihm einen kurzen Moment den Dienst, weil ihm der Schmerz die Kehle zuschnürte, doch er fing sich wieder, denn schließlich war das hier ein Konzert und die Leute waren seinetwegen da. Seine Hand glitt in die Hosentasche und die Klinge wanderte in seine Handfläche. Dort ruhte sie. Bei Kaorus letztem Gitarrensolo sauste das winzige Metallblättchen fast von selbst durch die Haut seines linken Unterarms. Immer und immer wieder, sodass sich die rote Körperflüssigkeit über seinem Arm ergoss. Kyo brach erschöpft zusammen und lag auf dem Rücken. Starrte zu den Scheinwerfern empor, schloss seine Augen kurz und öffnete sie wieder. Sein Herz wummerte in seiner Brust und der Schmerz in seinem Arm hatte zu pulsieren begonnen. Die beugte sich über den Sänger und streckt ihm die Hand entgegen, die er zögerlich ergriff und dann sofort die Bühne verließ. Ziemlich benebelt torkelte der Sänger zum Backstagebereich und exte ein Flasche Wasser. Mit Sicherheit hatte sein blutender Arm eine Spur hinterlassen, doch das war ihm gleich. Genau wie der Aspekt, dass Kaoru angeordnet hatte, dass sie sich nach dem Konzert kurz hinter der Bühne versammelten, um ein paar wenige Fans in Empfang zu nehmen. Kyo wollte jetzt keine Menschenseele um sich haben. Deshalb machte er sich auf den Weg zum Hotel, welches nicht weit entfernt von der Konzerthalle lag. Er duschte und zog sich eine bequeme Hose an. Morgen das Festival. Irgendwie freute er sich darauf, doch machte es ihm auch Angst. Nur mit Hose bekleidet trat er auf den Balkon, um noch eine Zigarette zu rauchen. Er inspizierte die neuen Wunden, doch die Blutung ließ allmählich nach. Mit zittrigen Händen schob er sich den Glimmstängel zwischen die Lippen und inhalierte tief, als er die Zigarette anzündete. Diese glomm auf und er hörte das knisternde Geräusch der verbrennenden Glut. Die Wut und die Trauer in ihm drohten ihn aufzufressen und er wusste nicht wohin mit seinen Gefühlen. Gepeinigt vom seelischen Schmerz kratzte er erneut über die ohnehin schon verletzt Haut. Sofort quoll das Blut wieder heraus und bahnte sich seinen Weg. Kyo hielt sich nur noch mit Mühe auf den Beinen. Sein Körper bettelte nur so nach Erholung, doch die konnte er ihm gerade nicht geben. Er lehnte sich übers Geländer und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Da hörte er, wie die Zimmertür ins Schloss fiel. Doch er drehte sich nicht um, als Shinya zu ihm auf den Balkon trat. Warum auch. Er zuckte kurz zusammen, als sich eine warme Hand auf seine Schulter legte. „Willst du wohl endlich reden? Ich dreh durch vor Sorge, verstehst du das denn nicht?“ Kyo blies den Rauch aus und wandte sich seinem Freund zu. „Dann geh doch…wenn du mich nicht erträgst…“, entgegnete er Zähneknirschend. Der Drummer schüttelte nur mit dem Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Dann schauten sich die beiden Freunde an. Shinya versuchte die dunklen Augen seines Sängers zu ergründen und er wurde fündig. Tief am Grund traf er auf Hass, Enttäuschung und Trauer. Kyo drückte die Zigarette aus und drängte sich vorbei ins Schlafzimmer. „Warum nur Tooru?“ „Weil es eben so ist…finde dich damit ab“, schnitt er ihm in eisigem Ton das Wort ab und Shinya bekam fast ein bisschen Angst. Was nur war passiert? Behutsam griff er nach dem verletzten Arm seines Freundes und verband die erneut aufgekratzte Stelle. Doch die verbitterte Miene von Kyo verdeutlichte ihm, dass es zwecklos war mit ihm zu reden. Schließlich schmiss sich Shinya schweren Herzens auf sein Bett und schaltete den Fernseher an. Dort liefen gerade Nachrichten und es wurde darüber berichtet, dass es einen unerwarteten Todesfall in der Musikszene gab. Und zwar handelte es sich um den bekannten Drummer der Band Malice Mizer. Shinya hielt den Atem an, seine Hand schnellte vor Entsetzen auf seinen Mund und ein erstickter Laut entfuhr ihm. Jetzt wurde ihm alles klar. Mit einem Satz war er bei seinem Freund und schlang seine Arme um dessen wimmernden Körper. Kami war also tot. Die Ursache- ein Schlaganfall. Shinya schaltete die Flimmerkiste wieder ab, um Kyo nicht noch mehr zu quälen. „Es tut mir so unendlich leid…“, flüsterte er, zog den Freund mit auf sein Bett und da sich dieser nicht wehrte, schien es in Ordnung zu sein. „Shini…es tut so weh…verzeih mir…aber…ich konnte nicht…“, wisperte der Sänger plötzlich, als hätte sich ein Schalter in seinem Hirn umgelegt und der Größere tätschelte ihm behutsam den Kopf. „Schon gut…jetzt weiß ich es…was kann ich nur für dich tun?“ Kyo schüttelte mit dem Kopf und ließ seinen Tränen jetzt freien Lauf. Der Schmerz zerfraß ihn zwar noch immer, doch es tat gut Shinya hier zu haben. Seinen lieben Shinya. „Ich glaube nicht viel…ich…es fühlt sich so schrecklich an. Ich will nie wieder lieben…will der Liebe abschwören…dieses verdammte Ding in meiner Brust, ich hab das Gefühl es killt mich. Es ist wie ein Parasit, der mich von innen zerfleischt. Niemals wieder will ich eine Person lieben, weil ich das nicht ertrage.“ „Mein armer Schatz. Gilt das etwa auch für mich?“, fragte der Drummer etwas verunsichert. „Nein…dich hab ich immer lieb…das ist was anderes…doch ich wünschte mein Herz wäre aus Stein, dann würde es nicht so weh tun…ich bin so kaputt…ich hasse die Liebe…ich will damit nie mehr was zu tun haben…kannst du mir was versprechen?“, fragte er und schaute seinen Freund direkt in die Augen und dieser nickte, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. „Verlass mich nicht…niemals.“ Jetzt auch biss der Drummer auf die Unterlippe und drückte seinen Freund an sich. „Niemals…ich bin da…immer…“ Allmählich wurde der Atem des Kleineren ruhiger und Shinya stellte fest, dass sein liebster Freund eingeschlafen war. Auch ihm fielen die Augen zu und etwas beruhigter als die Tage zuvor sank er in einen Dämmerschlaf. Kyo lag noch immer schlafend neben dem Drummer. Deshalb stahl sich dieser so leise aus dem Bett wie möglich, um etwas zum Frühstück zu beschaffen. Er schrieb eine kurze Notiz auf einen Zettel und legte diesen neben den Schlafenden. Tee. Grüner Tee, der ihn munter machte. Shinya hielt Ausschau nach dem Rest der Band, fand sie auch schnell und gesellte sich zu dem Grüppchen. Seine Jungs wünschten ihm einen guten Morgen. Er lud sich Obst auf und zwei Brötchen, sowie Käse und Marmelade. Toshi strich über seinen Arm. „Shin-chan…weißt du was?“ Er schluckte und nickte. „Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten…die Gute ist, ich weiß, was mit Tooru los ist…die Schlechte ist…naja, habt ihr in den letzten Tagen Nachrichten geschaut?“, druckste er rum. Die Jungs verneinten diese Frage. Deshalb schob Shinya ihnen den kurzen Bericht aus der Zeitung unter die Nase. Kao stöhnte verächtlich und den anderen beiden entfuhr ein gequälter Laut. „Scheiße…das erklärt dann wohl so einiges…heute das Festival…meinst du er packt das?“ Shinya zuckte mit den Schultern. „Ich befürchte, der Auftritt heute endet in einem Blutbad…aber was sollen wir dagegen tun?“ „Keine Ahnung…uns bleibt nicht viel übrig…ach verdammt!“, fluchte der Leader. „Mit ihm reden bringt vermutlich auch nicht viel“, überlegte Die und tätschelte mehr oder minder bewusst Toshiyas Hand, der sich der Berührung blitzschnell entzog. Da räusperte sich der Bassist und machte eine kaum sichtbare Kopfbewegung in Richtung Eingang. Kyo näherte sich seiner Truppe und schlürfte seinen Tee. Immerhin begrüßte er die Jungs, wenn auch nur mit einem brummigen „Morgen“. „Tooru-chan…bitte lass den Mist…ich hab keine Lust den Notarzt bei dem nächsten Auftritt zu holen“, entfuhr es dem quirligen Gitarristen und Kao strafte diesen mit einem warnenden Blick. Auch Kyo funkelte den Rotschopf an und trank einen Schluck. „Ich hör erst auf, wenn du mal wieder richtig isst…oder glaubst du mir fällt das nicht auf Die…so hat wohl jeder von uns seine Probleme“, konterte der Sänger und jetzt war es Daisuke, dem die Worte fehlten. „Das…das ist was anderes…“, stammelte er. „Klar…sorry, dass ich mich überhaupt bequemt hab euch mit meiner Anwesenheit zu strafen.“ „Jungs…muss das jetzt sein?“, versuchte der Leader die beiden zu beruhigen. „Und du…“, wand dich Kyo jetzt an seinen Leader. „…solltest dich vielleicht nicht auf Mitglieder deiner Band fokussieren, für die es eh keine Hoffnung mehr gibt…kümmere dich besser Mal um unseren Rotschopf!“ Mit diesen Worten erhob sich der Sänger wieder und verließ die Runde, um eine Zigarette zu rauchen. Eine halbe Stunde später befanden sich die Jungs auf der Fahrt nach Tokio. Kyo hatte sich wieder verkrochen und mied seine Band. Doch alle sorgten sich nur noch mehr um ihren Sänger und sie bangten ein wenig um das bevorstehende Konzert. Noch ein heißer Tag Anfang Juli. Kyo lief jetzt schon der Schweiß, was sollte das erst auf der Bühne werden. Doch heute fühlte er sich besser. Irgendwie befreiter. Lag das an seinem Gespräch mit Shinya? Sein Arm brannte noch immer vom Vortag, doch so wusste er, dass er noch etwas spürte. Dass er irgendwie am Leben war und gefangen in seiner eigenen Hölle. Die Tracklist war genauso wie am Tag zuvor mit einer Neuheit. Als Zugabe wollten sie ein neues Lied spielen- the Final. Und er hatte sich heute den Jungs zuliebe zurückgenommen, weil er sie nicht enttäuschen wollte, doch in mitten des Konzertes überkam es ihn dann doch wieder. Kyos Stimme kam an ihre Grenzen und die Rasierklinge tat auch heute ihre Dienste, schnitt unterhalb der Rippen durch die leicht sonnengebräunte Haut. Wenige Sekunden später drang auch aus dieser Wunde das Blut und Kyo fing es mit den Fingern auf und verschmiertes es in seinem Gesicht. Leid und Schmerz krochen heraus, drangen an die Oberfläche und wieder kreisten Kyos Gedanken um Kami. Und wieder verließ er die Bühne fluchtartig, nachdem der letzte Song verklungen war. Der Sänger stolperte über das Festivalgelände, holte sich ein Bier und mischte sich unters Volk. Dummerweise hatte er nicht darauf geachtet, wer als nächstes spielte, doch als der Mann mit den platinblonden Haaren und dem schrillen Outfit die Bühne betrat, brach Kyos Welt erneut in sich zusammen. Juka. Wie er diesen Menschen hasste. Kami hasste er auch, weil er ihn betrogen hatte und nicht ihn sondern Juka gewählt hatte. Liebe. Warum mussten Menschen überhaupt lieben? Zur selben Zeit am Tourbus von Dir en Grey: Toshiya und Die waren auch etwas erschöpft. So sehr sie das Bühnenleben liebten, zehrten die Kräfte an ihnen und Kyo machte das mit seinen blutigen Shows nicht einfacher. Der Sänger wusste, dass es der Rothaarige nur schwer ertragen konnte Blut zu sehen und dennoch nahm er darauf keine Rücksicht. Doch konnte er das überhaupt? In Gedanken versunken rauchte er eine Zigarette und trank von seinem Bier. Vielleicht sollte er Mal etwas essen? Aber er verspürte kein Hungergefühl. Der Bassist riss ihn aus seiner Gedankenwelt. „Die…stimmt es, was Kyo heute früh sagte?...Dass du nichts isst?“ Noch immer etwas in Gedanken starrte er in das sorgenvolle Gesicht Toshiyas. „Ich kann nun Mal nicht so viel essen und schon gar nicht vor Auftritten. Und ja, ich hatte früher eine leichte Essstörung und? Wen juckt’s? Dir kann’s doch egal sein“, fuhr er den Bassisten eher ungewollt an, doch auch seinen Frust wollte er nicht länger verbergen. „Natürlich interessiert es mich wie es dir geht Die…“ Der Rotschopf lächelte traurig und zuckte mit den Schultern. „Mhh…aber nicht so, wie ich es mir wünschen würde.“ „Ähm…wie meinst du das denn jetzt?“, fragte Toshiya vorsichtig. „Ich steh auf dich Tosh und das schon ne ganze Weile, aber egal…ich komm damit klar, dass du kein Interesse hast.“ Dem Schwarzhaarigen fiel die Kinnlade runter und er war unfähig etwas zu erwidern. „Außerdem hast du ja mehr als einmal erwähnt, dass du ausschließlich an Frauen interessiert bist…also…alles cool.“ „Mo-moment…du…ich meine, du bist schwul?“ Ein bisschen amüsiert grinste Daisuke. „Naja eher bi…aber kann es auch verstehen, wenn du nicht willst…dachte nur, dass du das wissen solltest.“ Toshiya stand da, wie vom Donner gerührt und wusste nicht, wo ihm der Kopf stand oder was er von dem Geständnis halten sollte. Deshalb drehte er sich auf dem Absatz um und lief weg, einfach der Nase nach. Das traf den Gitarristen dann doch schon ziemlich heftig und deshalb schenkte er sich noch einen Drink ein. Hoffnungsvoll schaute er auf, als er Schritte näher kommen hörte, denn vielleicht hatte es sich Toshi ja doch anders überlegt. Allerdings musste er dann doch wohl mit seinem Sänger vorlieb nehmen. Kyo sah ziemlich fertig aus. Das Blut in seinem Gesicht war verschwunden, doch sein Arm wies noch immer Spuren seiner letzten Verletzung auf. Ohne etwas zu sagen griff er nach dem Sake und trank aus der Flasche. In Gedanken kaute er auf seinem Lippenpiercing herum und Die beschloss mit seinem Sänger zu reden. Diesen Entschluss hatte er wohl auch ein bisschen seinem berauschten Zustand zuzuschreiben. Er zündete sich eine Zigarette an und bot auch dem Blonden eine an, die er dankend annahm. „Na mein kleiner Warumono…was verschlägt dich hier her? Willst du dich nicht unters feierwütige Volk mischen?“ Kyo schüttelt kurz seinen Kopf, als müsse er seine Gedanken erst ordnen, dann warf er seinem Gitarristen einen verächtlichen Blick zu. „Hatte eh vor nach der Kippe pennen zu gehen…also lass dich von mir nicht stören.“ Und schon plagte den Rothaarigen das schlechte Gewissen. „So war das doch gar nicht gemeint…du kannst mir gern noch etwas Gesellschaft leisten…ein bisschen fehlst du mir sogar“, gab er zu und hatte er da etwa gerade Kyos Mundwinkel zucken sehen? „Damit ich dich mit meiner miesen Laune noch mehr runter ziehe? Super Idee.“ „Jetzt komm schon…du tust ja fast so, als wärst du der Teufel in Person…ich bin ziemlich betrunken, deshalb sag ich dir das jetzt…wir haben dich alle sehr gern und du kannst uns noch so böse angucken, das wird sich nie ändern.“ Der Sänger ignorierte dieses wärmer werdende Gefühl in seiner Brust und trank stattdessen noch einen Schluck. Plötzlich tauchte hinter ihnen ein völlig aufgelöster Shinya auf und als er Kyo erblickte, schlang er seine Arme von hinten um ihn. Wenige Minuten später trudelten auch Toshiya und Kaoru ein. „Nanu? Was denn hier für eine Grabestimmung?“ Er konnte ja nicht ahnen, dass sich seine Jungs gerade nicht so ganz grün waren. Doch da erhob sich der blonde Sänger auf einmal, ging auf seinen Leader zu und zog diesen in eine Umarmung. Kao staunte nicht schlecht und wusste nicht so ganz, wie ihm geschah. So nah war seinem Freund schon lange nicht mehr gewesen. „Kao…ich…ich wollte einfach Mal danke sagen…danke, dass du alles immer so perfekt organisierst, dich um alles kümmerst und an uns glaubst…“ Er ließ den Leader los und wand sich nun auch an die anderen Jungs seiner Band. „Das gilt für euch alle…ich weiß, ich bin gerade alles andere als einfach und doch haltet ihr zu mir…irgendwie…sicher hat euch Shini schon erzählt, dass Kami…“. Mitten im Satz brach Kyos Stimme und so sehr er die Tränen hatte zurückhalten wollen, konnte er das nicht. Alle vier Diru Members sammelten sich um ihren Sänger und umarmten ihn. Das rührte den Blonden zutiefst und diesen einen Moment ließ er seine Freunde durch die Dornenhecke dringen. „Wir haben dich sehr lieb kleiner Warumono und das wird immer so bleiben“, flüsterte Daisuke und zog den Kleineren auf seinen Schoß. Kyo ließ es zu und sank in die Arme des Rotschopfes, der ihm schon wieder die Sakeflasche reichte. „Ich hab euch auch lieb, aber das wisst ihr ja…nur gerade kann ich an meinen Launen nicht viel machen…es ist wie es ist…es tut gut euch zu haben…Dai Dai…ich geh jetzt schlafen…und Tosh…sag dem verrückten Rotschopf endlich Mal, dass du voll auf ihn stehst. Sonst schmeiß ich euch aus der Band…denn euer Gehabe geht mir tierisch auf die Nerven.“ Die Gesichtsfarbe des Bassisten nahm ein tiefes tomatiges Rot an und am liebsten würde er im Boden versinken. Im Gehen griff der Sänger noch nach der Hand seines Drummers und dieser Verstand die Geste und folgte ihm. Ohne Widerrede zog der Kleinere sein Shirt über den Kopf und ließ sich verarzten. Ein zischender Laut entfuhr ihm, als Shinya seine Wunde reinigte. Der Verband linderte die Schmerzen. Kyo putzte zu erst seine Zähne in dem engen Bad, schlüpfte dann in seine Schlafkoje und wartete auf seinen Freund. „Shin-chan…schläfst du bei mir?“, flüsterte er kaum hörbar und der Drummer konnte seinem liebsten Freund diesen Wunsch kaum abschlagen. „Natürlich…“ Der Kopf des Sängers sank gegen die Brust seines Drummers und dessen ruhiger Atem ließ auch den Blonden etwas runterfahren. „Tooru…ich verspreche dir, dass es auch wieder besser wird…und wenn ich mich selbst dafür verbiegen muss, um dich wieder Lächeln zu sehen.“ Und tatsächlich, allein für diese Worte hätte Kyo fast gelächelt, aber eben nur fast. Er drückte seinem Freund einen Kuss auf die Wange. „Wie gern würde ich dir glauben…jetzt sollten wir schlafen…Gute Nacht.“ „Schlaf gut“, antwortete Shinya und war mehr als froh, dass er jetzt hier bei seinem Feund sein konnte und nirgendwo anders. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)