Torn von Hinarika ================================================================================ Kapitel 9: Mindful ------------------ - Eine halbe Stunde später im Büro der Hokage - Tsunade mustert die beiden jungen Frauen vor sich schon seit mehreren Minuten stumm, was Sakuras Laune sichtlich nicht hebt, aber bisher hält sich die junge Medic-nin überraschend zurück. „Ich habe dem Ganzen im Moment eigentlich nichts hinzuzufügen.“ Die Aussage der Kage veranlasst ihre ehemalige Schülerin jedoch zu einem offenen Augenrollen. „Wie schön, dann können wir ja gehen.“ Sakura erhebt sich, lässt sich aber mit der ersten vorhersehbaren Silbe von Tsunades Lippen seufzend wieder in ihren Stuhl fallen. „Aber ich möchte, dass ihr noch einmal darüber nachdenkt, ob ihr nicht doch mit jemandem reden wollt. Beide.“ „Das haben wir gestern schon geklärt.“ Doch dieses Mal lässt die Hokage es nicht so einfach gut sein. „Sakura, du weißt selbst, dass auch Albträume und Schlafstörungen auf Dauer erhebliche Auswirkungen auf die Psyche haben können.“ Aber statt auf die nüchterne Analyse ihrer ehemaligen Sensei einzugehen, fährt die Haruno erbost zu ihren früheren Teamkameraden herum. „Ihr glaubt also, ausgerechnet jetzt anfangen zu müssen, es mit der Berichterstattung mal ein wenig genauer zu nehmen?“ Sie gibt den beiden Männern jedoch keine Gelegenheit sich zu rechtfertigen, bevor sie sich gereizt mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ihrer ehemaligen Sensei abstützt und herausfordernd deren Blick sucht. „Was willst du von mir hören? Dass wir innerlich so kaputt sind, dass von den beiden Mädchen, die ihr verloren habt, kaum mehr etwas übrig ist?! Überraschung, die sind schon nicht mehr mit uns aus dem Koma aufgewacht!“ Narutos entsetztes Atemholen hallt laut durch die spannungsgeladene Stille des Raums, aber Hinata verweilt noch beinahe unbeteiligt in ihrem Stuhl und Sakura hält Tsunades Blick provokativ. „Ja, ihr erstes, kleines Experiment hat uns für drei Monate ins Koma verfrachtet. Und die restlichen 640 Tage haben wir uns beinahe jeden Tag gewünscht, dass es uns stattdessen umgebracht hätte! Es wäre also besser für alle Beteiligten, wenn ihr möglichst bald aufhören würdet, die Mädchen in uns zu suchen, die ihr verloren habt!“ Sie senkt ihre Stimme, aber für einen Moment hört man trotzdem die wilden Emotionen, die sie hinter ihrer Wut verbirgt. „Die beiden sind nicht mehr zu retten.“ Das Schweigen, das auf Sakuras Worte folgt, ist in seiner Stille ohrenbetäubend. Naruto sieht hilflos von seiner besten Freundin zu Hinata, deren Miene immer noch durch nichts verrät, dass sie der Bestandteil dieses Gesprächs in irgendeiner Weise ebenfalls etwas angeht und Sasuke weiß ebenso wenig etwas zu sagen. Aber überraschend wechselt Tsunade abrupt das Thema, ohne für den Moment weiter auf Sakuras schmerzhafte Offenbarung einzugehen. „Wegen eurer Wohnsituation-“ Sakura wechselt einen kurzen Blick mit Hinata, bevor sie ihre ehemalige Lehrmeisterin entschlossen unterbricht. „Wir werden uns so schnell wie möglich zusammen eine Wohnung suchen.“ Tsunade verschränkt ruhig die Arme unter dem Kinn und mustert ihre ehemalige Schülerin abschätzend. „Ich möchte, dass ihr bis auf weiteres bei Sasuke und Naruto wohnen bleibt.“ „Du kannst uns nicht befehlen, wo wir wohnen sollen!“ „Das kann ich-“ Aber da holt Sakura schon zu einem Gegenschlag aus, der weit unter die Gürtellinie geht. „Wir sind nicht dem einen Gefängnis entkommen, um uns jetzt hier einsperren zu lassen!“ Während Tsunade noch angemessen fassungslos unter diesem Vorwurf blinzelt, tritt Naruto plötzlich zwei Schritte nach vorne und richtet seine Worte eindringlich an die beiden Frauen. „Bitte, überlegt es euch! Es geht nicht darum, dass wir euch bewachen wollen. Aber ich weiß, dass ich wesentlich ruhiger schlafen werde, solange ich weiß, dass ihr nur ein Zimmer weiter seid. Es wäre wie eine WG.“ Sakura verschränkt in einer alten Angewohnheit stur die Arme und sieht für einen Moment zu Hinata, bevor sie ihren Blick abschätzend auf ihre ehemaligen Teamkameraden richtet. „Es wären nicht nur wir. Wir würden auch ein Kleinkind mitbringen. Seid ihr sicher, dass ihr euch das aufbürden wollt?“ Zur Überraschung aller kommt Sasuke Naruto mit seiner Antwort zuvor, obwohl der Blondschopf augenblicklich den Mund öffnet. „Natürlich.“ Sakura hält den Blick des Clanerben für einen Moment abschätzend, aber die Tatsache, dass sie zuerst zur Seite sieht, ist der Vorbote ihrer seltenen Kapitulation. „Schön. War es das jetzt?“ Auf Tsunades Nicken hin, erhebt sich Hinata wortlos, aber plötzlich streckt sich ihre Haltung in der vertrauten Bewegung, in der auch die Adern um ihre Augen hervortreten. Ihr Blick verliert sich nur wenige Sekunden in der Ferne, bevor sie sich direkt an die Hokage wendet. „Ich nehme an, ihr erwartet den Kazekage?“ Tsunade nickt, sichtlich verblüfft. „Ja, aber erst in ein paar Stunden-“ „Dann solltet ihr die Feierlichkeiten ein wenig vorverlegen. Bei dem Tempo, in dem sie sich bewegen, werden sie in einer knappen Stunde hier sein.“ Damit strebt sie mit einem knappen Gruß die Tür an, aber Sakura sieht noch einmal über ihre Schulter zurück und richtet ihre Worte vor allem an ihre ehemaligen Teamkameraden, während Tsunade laut nach Shizune ruft. „Wir werden die Dorfgrenzen nicht verlassen, also braucht ihr uns nicht gleich wieder nachzurennen.“ Sie folgt Hinata nach draußen, aber Sasuke und Naruto wechseln zuerst einen Blick miteinander, bevor sie sich noch einmal ihrem Dorfoberhaupt zuwenden. Die Sanin erhebt sich mit einem Seufzen. „Folgt ihnen. Es ist eine schmale Gradwanderung für sie da zu sein, ohne sie zu bedrängen. Aber niemand hat gesagt, dass es einfach werden würde. Ich habe ein paar Feierlichkeiten vorzuverlegen.“ • Sie folgen den beiden Frauen durch das neu erbaute, ehemalige Uchiha-Viertel, in den dahinterliegenden Wald am Dorfrand, bis zu dem kleinen Fluss, der sich zwischen den Bäumen durchschlängelt. Die lauten Kinderstimmen verraten bereits von weitem, dass sich die Frauen, die Hinata und Sakura nach Konoha gefolgt sind, an diesen Ort zurückgezogen haben. Sie umrunden die letzte Baumgruppe vor der kleinen Lichtung gerade noch rechtzeitig, um zu sehen wie das zweijährige Hyuuga-Mädchen, Nia, von der Seite der dunkelhaarigen Kunoichi, die sie gestern hergebracht hat, in Hinatas ausgebreitete Arme läuft. Das glockenhelle Lachen des Kleinkindes dringt zuerst an ihre Ohren, aber Narutos Augen liegen auf Hinata, ohne etwas anderes wahrzunehmen. Die feinen Züge der Hyuuga erhellen sich mit einem ehrlichen Lächeln und die Liebe, die in ihren Augen steht, raubt ihm den Atem mit derselben Wucht eines Schlags gegen den Brustkorb. „Na, mein Schatz!“ Hinata hebt Nia mit ausgestreckten Armen über ihren Kopf und das lauter werdende Lachen des jungen Mädchens zieht auch die Aufmerksamkeit eines Großteils der anderen Frauen auf sich. Sasukes Blick wandert aufmerksam über die versammelten Frauen und Kinder und es wird schnell offensichtlich, dass sich vor ihren Augen mehr abspielt, als nur eine simple Zusammenkunft. „Sie feiern.“ „Was?“ Naruto wendet sich blinzelnd von Hinata ab und seinem Teamkameraden zu, ohne wirklich wahrgenommen zu haben, als dass er etwas gesagt hat. Aber bevor Sasuke ansetzen kann sich zu wiederholen, kommt ihm eine andere Stimme zuvor. „Sie feiern ihre Freiheit.“ Sasuke und Naruto drehen sich zu Neji um, der sich ihnen zusammen mit Tenten, Ino und Kiba am Rande der Lichtung anschließt. Naruto vergräbt mürrisch beide Hände in den Hosentaschen. „Solltet ihr nicht eigentlich bei den Feierlichkeiten für Gaara sein?“ Aber Nejis Augenmerk liegt ebenfalls hauptsächlich auf seiner Cousine. „Das einzige, was mein Onkel im Moment von mir erwartet ist, seine Tochter möglichst nicht aus den Augen zu lassen.“ Naruto schnaubt abfällig, spart sich jedoch jeglichen Kommentar, in der gerechtfertigten Sorge Hinata könnte ihrem Gespräch mehr Aufmerksamkeit schenken, als es den Anschein hat. Sakura ist umringt von einer kleinen Kinderschar und das Lächeln, das in diesem Moment ihre Lippen ziert, ist vermutlich die erste, ehrliche Emotion, die ihren Zügen zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr eine eindringliche Ähnlichkeit mit dem fröhlichen Mädchen verleiht, das sie verloren haben. Sogar Ino verharrt in diesem Moment selten unsicher neben Kiba, denn jedem der Konoha-nin ist mittlerweile aufgefallen, dass ihre ehemaligen Teamkamerdinnen in ihrer Gegenwart eher das genaue Gegenteil von unbeschwert sind. Tenten legt unauffällig ihre Hand auf Nejis Unterarm. „Was ist los?“ Als sich ihr sichtlich unzufriedener Freund eisern ausschweigt, rollt die schöne Waffenespertin offen mit den Augen. „Neji, ich weiß, es passt dir und Hiashi nicht, dass Tsunade die beiden zunächst in die Obhut von Naruto und Sasuke gegeben hat, aber-“ Das verächtliche Schnauben des Hyuugas bringt seine Laune deutlich auf den Punkt. „Diese ganze Samthandschuh-Taktik ist pure Idiotie. Es wäre für uns alle leichter, wenn Tsunade diese verfluchte Farce aufgeben und sie endlich richtig befragen würde!“ Sasukes Augen blitzen warnend auf. „Warum posaunst du deine Meinung nicht noch ein wenig lauter durch die Gegend, Hyuuga?“ „Was weißt du schon, Uchiha?“ Sasuke macht einen Schritt nach vorne und dieses Mal schimmert wirklich mörderisches Rot über seinen Pupillen. „Dass du gleich in aller Deutlichkeit deine eigene Unfähigkeit aufgezeigt bekommst, wenn du noch ein Wort in diese Richtung verlierst.“ „Sasuke.“ Naruto macht einen kalkulierten Schritt zwischen seine beiden Freunde, nicht zum ersten Mal der Schlichter zwischen der gleichermaßen ausgeprägten Starrköpfigkeit der beiden. „Und Neji, wenn dir was nicht passt, verschwinde doch einfach.“ Naruto verbirgt seine eigene gereizte Stimmung noch überzeugend, während Neji sich schnaubend abwendet und sich von Tenten ein Stück weit zur Seite ziehen lässt. Er wirft noch einen Blick auf seinen besten Freund, aber der Uchiha scheint sein Interesse an dem Hyuuga bereits wieder verloren zu haben. Der Blondschopf fährt sich mürrisch durch die Haare, während seine Augen beinahe automatisch zurück zu Hinata wandern, die Nia auf dem Arm trägt, während sie sich mit der Kunoichi unterhält, die das kleine Mädchen gestern hergebracht hat und er glaubt sich daran zu erinnern, dass Hinata sie mit Soya angesprochen hat. Seit heute Morgen, sehnt er sich danach mit ihr allein zu sein und alles, was zwischen ihnen steht, aus dem Weg zu räumen. Aber für den Moment gibt er sich auch damit zufrieden, sie wenigstens halbwegs glücklich zu sehen, selbst wenn es nur eine Illusion ist. Es vergeht eine Stunde, in der die Konoha-nins mit verschiedenen Gemütslagen die schlichten Feierlichkeiten vor ihren Augen eher als passive Beobachter erleben. Ein paar der fremden Frauen haben ihnen Essen angeboten, aber Sakura und Hinata suchen ihre Nähe niemals direkt und umgeben sich stattdessen überwiegend mit den Kindern, die an beiden Frauen ihre weichen Züge hervorkehren, die ihre ehemaligen Teamkameraden in anderen Situationen bisher an ihnen vermisst haben. Das Hervortreten der Adern um Hinatas Augen ist subtil, aber weil ein Großteil der Aufmerksamkeit der Konoha-nins auf ihr liegt, fällt es den meisten von ihnen auf. Während Hinata ihre Beobachtung scheinbar nicht als besonders bedeutend erachtet, folgt Neji ihrem Blick und für einen Moment spiegelt sich kaum sichtbare Überraschung in seinen Zügen wieder. „Es sind Tsunade und Gaara. Sie kommen hierher.“ Es ist allerdings ausgesprochen ungewöhnlich, dass die beiden Kage die Feierlichkeiten zu Ehren des Jüngeren so schnell verlassen würden, aber nichtsdestotrotz schließen sich ihnen die Dorfoberhäupter zusammen mit Shikamaru und Temari wenige Minuten später an. „Gaara.“ Naruto reicht dem Kazekage grüßend die Hand und erlaubt sich ein ehrliches Grinsen, als er dem Blick des Suna-nin begegnet. „Naruto.“ Die Aufmerksamkeit des Sabakuno wandert für einen Moment über seine Schultern, bevor er zurück zu Naruto sieht. „Es freut mich sehr, dass du sie beide wiedergefunden hast.“ Naruto öffnet den Mund, aber in diesem Moment klingt bereits eine vertraute Stimme über seine Schulter und stiehlt augenblicklich all seine Aufmerksamkeit. „Kazekage-sama.“ Naruto tritt einen Schritt zur Seite, während Hinata ihren Kopf grüßend vor dem Dorfoberhaupt senkt, Sakura direkt an ihrer Seite. „Hinata. Sakura. Ich-“ Aber bevor Gaara seine Freude über die Rückkehr der beiden ausdrücken kann, begegnet er über Hinatas Schulter markanten Augen, die in ihrer dunklen Farbe fast lila schimmern und hält entgegen seiner Natur für einen Moment inne. Soya, die Nia auf dem Arm trägt, tritt noch einen Schritt näher an Hinata heran und als das Kleinkind bittend die Arme nach ihr ausstreckt, nimmt Hinata sie sofort wieder an sich und sobald er die Augen der Kleinen entdeckt, zeichnet derselbe Unglaube Gaaras Züge, den die Konoha-nins am Tag zuvor erfahren haben. Aber bevor es zu einer Erklärung kommt, verliert sich Hinatas Blick bereits wieder in anderer Richtung, bevor sie sich ruckartig an Sakura wendet. „Spürst du das?“ Die Haruno beißt sich unzufrieden auf die Unterlippe, während auch sie ihren Blick über die Baumwipfel richtet, die sie umgeben. „Ich würde lieber nein sagen.“ Aber Hinata wendet sich bereits an Soya. „Holt die Kinder aus dem Wasser!“ Soya nickt und ihre Augen finden augenblicklich einen der Jungen, der am tiefsten in dem seichten Flussbett steht. „Takeru!“ Sie läuft ihm entgegen und auch die anderen Frauen bewegen sich schnell in die Richtung der Kinder. Tsunade tritt fragend einen Schritt nach vorne, aber in diesem Moment beginnt bereits die Erde unter ihnen zu beben. Es ist nur ein kurzes Beben, kaum länger als eine Minute und nicht besonders stark und als es schon wieder vorbei ist, blinzeln einige noch verdutzt. „War das ein Erdbeben?“ Shikamaru sieht stirnrunzelnd zu Ino. „Es gab seit Jahrzehnten kein Erdbeben mehr in Konoha.“ Während Tsunade sich gefolgt von Gaara hastig verabschiedet, um die Lage im Dorf zu überprüfen und auch Neji, Tenten, Shikamaru, Temari, Ino und Kiba aus denselben Gründen davon eilen, dreht Sakura unauffällig den Kopf zu Hinata. „Ich weiß wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist, aber könnten wir zumindest so tun, als wäre es ein Zufall?“ Hinata küsst Nia zärtlich auf die Stirn, aber der Ausdruck in ihren Augen ist ungewohnt hart. „Ich glaube nicht an Zufälle.“ . . . - Am Abend in Narutos und Sasukes Wohnung - Sakura zögert einen winzigen Moment, bevor sie ihre Knöchel zweimal gegen das dunkle Holz klopft. „Ja.“ Der gewohnt mürrische Unterton in seiner Stimme lässt sie für einen Moment schmunzeln, aber sobald sie die Türklinke herunterdrückt und den Raum betritt, weicht jegliches Amüsement aus ihren Zügen und sie vergisst schlagartig, dass sie eigentlich gekommen ist, um sich dafür zu bedanken, dass er das renovierte Uchiha-Viertel so bereitwillig zur Verfügung gestellt hat. Ihr ehemaliger Teamkamerad hält einen frischen Verband in der Hand und setzt gerade an die tiefe, verkrustete Schnittwunde an seinem Oberarm damit zu verbinden. Sie hat das Zimmer schon mit drei weiten Schritten halb durchquert und greift ohne nachzudenken nach seinem Arm, bevor er überhaupt den Kopf hebt, um sie anzusehen. „Ist das noch von gestern?“ „Hn.“ Sie begegnet warnend seinem Blick, während sie beschließt, dass er zumindest einen halbwegs zufriedenstellenden Job bei der Desinfektion der Wunde geleistet hat. Sie konzentriert sich auf die Verletzung und aktiviert ihr Chakra, aber die gereizten Worte stolpern trotzdem über ihre Lippen. „Der große Sasuke Uchiha hat es also nicht nötig, sich wie alle anderen gewöhnlichen Shinobi nach einer Mission im Krankenhaus untersuchen und behandeln zu lassen!“ Unter der Einwirkung ihres warmen Chakras schließt sich die tiefe Schnittwunde innerhalb weniger Minuten und auch ihre Wut verfliegt so schnell wie sie in ihr aufgeflackert ist. „Wenn du die entsprechenden Mittel zur Verfügung hast, ist es keine Schande medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen.“ Sie wirft ihm unter gesenkten Lidern einen Blick zu und in ihrem neckenden Vorwurf steckt eine Lebhaftigkeit, die unverkennbar das Mädchen wiederspiegelt, das er als Genin gekannt hat. Sie wendet sich von ihm ab und obwohl er sich heute Morgen erst geschworen hat derartige Aktionen bewusst zu unterlassen, greift er nach ihrem Unterarm. Allerdings zuckt sie unter seiner Berührung so heftig zusammen, dass er augenblicklich wieder seine Hand von ihr nimmt. Sakura schlingt ihre Arme um sich selbst, während Sasuke beide Hände in den Hosentaschen vergräbt. Sie dreht sich erneut von ihm weg, aber statt den Raum zu verlassen, stellt sie sich mit dem Rücken zu ihm vor das große Fenster. Sie legt eine Hand gegen das Glas der Scheibe und fächert ihre Finger, aber sie weiß selbst, dass sie nur auf Zeit spielt. „Ich weiß, dass sich die Scheibe kalt anfühlen müsste und diese Nadeln“, sie legt ihre Hand an die dunklen Haarnadeln, die ihre langen Strähnen elegant nach oben stecken, „haben mich früher wahnsinnig gemacht. Aber ich spüre nichts davon.“ Sie dreht sich zurück zu ihm und für den leeren Ausdruck in ihren Augen, steigt in ihm das Bedürfnis jemanden mit seinem Katana vertraut zu machen. „Ich spüre gar nichts. Nicht die Kleidung auf meiner Haut, nicht die Kühle des Flusswassers, nicht die Wärme der Sonnenstrahlen. Und keinerlei Berührungen.“ Es ist zu ernüchternd laut auszusprechen, dass extremer Schmerz in den letzten zwei Jahren beinahe die einzige Emotion ist, die sie überhaupt wahrgenommen hat und gleichzeitig der Ursprung, dem sie diese neue Eigenschaft verdankt. „Ich bin so leer, dass ich den Kummer über den endgültigen Verlust meines Vaters kaum spüre.“ Sein erster Instinkt ist es immer noch jeden zu töten, der ihr das angetan hat. Aber als sie zum ersten Mal beschämt den Blick von ihm wendet, vergisst er die Rachegelüste, die tief verankert in seiner Natur liegen. Er macht einen Schritt auf sie zu, obwohl er keinerlei Ansatz für eine mögliche Antwort hat. Trost in all seinen Bedeutungen ist ein Wort, das in seinem Leben noch nicht viel aufgetaucht ist. Doch dann erkennt er plötzlich einen Zusammenhang, der seine Augen auf eine ganz andere Art musternd über ihren Körper fahren lässt. „Du zuckst jedes Mal zusammen, wenn ich dich berühre.“ Sie zuckt auch jetzt, dabei ist sie nicht davon ausgegangen, dass ihm dieser Zusammenhang lange entgehen würde. Aber sie dreht den Kopf zurück zu ihm und erwidert offen seinen Blick, auf eine Art furchtlos, die ihn in einer seltenen Regung schmunzeln lässt. Dieses Mal hebt er seine Hand langsam genug, dass sie die Bewegung kommen sieht, aber sie macht auch keine Anstalten ihm auszuweichen. Als seine Fingerspitzen ihre Wange berühren, zuckt sie erneut spürbar zusammen, aber dieses Mal lässt er sich davon nicht abbringen und zeichnet mit seinem Daumen zärtlich ihren Wangenknochen nach. Sein Blick wandert über ihre Lider, die sich flatternd schließen, bis sich ihre Wimpern über ihren Wangen fächern, hinunter zu ihrem schlanken Hals und ihrem Schlüsselbein, wo ihr beschleunigter Atem wortlos verrät, wie tief sie seine Berührung beeinflusst. „Da ist etwas, das sich gar nicht verändert hat.“ Seine raue Stimme bricht die zerbrechliche Stille zwischen ihnen und als sich ihre Lider öffnen, um ihm einen weiteren Blick aus ihren tiefgrünen Augen zu gewähren, gibt er einen stillen Schwur ab, sie unter keinen Umständen noch einmal zu verlieren. „Ich sehe hier nichts, was sich nicht verändert hat.“ Ihr ruhiger Trotz vertieft das seltene Schmunzeln auf seinen Lippen und er genießt ihr tiefes Atem holen, als er auch seine zweite Hand an ihre Wange legt, während er den Kopf ein wenig senkt und sie weiterhin sanft hält, während sie unter seinen Fingern zittert. „Du hattest nie Angst zu dir selbst zu stehen.“ Seine Augen wandern innerhalb einer Sekunde zu ihren Lippen und zurück zu ihren Augen. „Und zu deinen Gefühlen.“ Sakura senkt den Kopf mit einem verächtlichen Schnauben, bei dem ihr Atem seinen Hals streift. „Das schlussfolgerst du aus meinem Geständnis, dass ich gar nichts empfinde?“ Aber seine Finger wandern unter ihr Kinn und heben ihr Gesicht an, bis sie wieder seinem Blick begegnet. „Sieh mich an und sag mir, dass du im Moment nichts fühlst.“ Zu lügen wäre blanker Hohn. Er fühlt die Reaktionen ihres Körpers auf ihn beinahe so gut wie sie selbst. „Darum geht es nicht-“ Ihr Atem stockt schmerzhaft in ihrem Brustkorb, als eine winzige Bewegung seinerseits darin resultiert, dass seine Nase über ihre streift. „Das ist alles, worum es hier geht.“ Sie will ihn fragen, wann er angefangen hat so viel zu reden, aber sie hat Angst, dass ihre Stimme sie im Stich lassen würde. Sie hat nicht damit gerechnet, dass er hier sein würde und selbst wenn, hätte sie nicht gedacht, dass er ihr je nahe genug kommen würde, um sie auf diese Weise aus der Bahn zu werfen. Das erste Mal hat sie sich noch eingeredet, dass es das Adrenalin über ihre Rückkehr war, die ihre heftige Reaktion ausgelöst hat, aber seitdem hat sie auch jede weitere seiner Berührungen alles andere vergessen lassen. Gleichzeitig überfordert sie seine Nähe jedoch auch mehr, als der gesamte Rest ihrer verworrenen Situation. Sie vergräbt ihre zitternden Finger haltsuchend in seinem Oberteil, aber als sich einer ihrer Jugendträume erfüllt und seine Lippen hauchzart über ihre streifen, dreht sie keuchend den Kopf zur Seite. „Es tut mir-“ Sie erlaubt seinen Händen ihr Gesicht erneut zurück zu seinem zu drehen und zwingt sich seinen Blick zu halten. „Hör auf! Du brauchst dich für gar nichts zu entschuldigen.“ „Natürlich.“ Sie schmunzelt leicht zynisch. „Du hältst ja nichts von Entschuldigungen.“ Aber er nickt ungerührt. „Nichts von Entschuldigungen und nichts von Rechtfertigungen.“ Sie sieht das minimale Aufflackern in seinen Augen nur, weil er ihr so nah ist. „Aber ich hoffe, dass du immer noch an Vergebung glaubst.“ Es ist lange still, bis sie begreift, dass er wohl wirklich ihre Antwort abwartet. „Ja.“ Es ist nicht ganz so einfach. Es gibt eine Reihe Menschen, denen sie niemals vergeben wird. Aber er war schon immer ihre eine Ausnahme. „Ich habe mich noch nie zum Helden geeignet, Sakura. Und ich hätte niemals deiner sein können.“ Ein selten weicher Ausdruck verändert seine Gesichtszüge auf eine Art, die ihr noch vollkommen fremd ist, während seine Worte das Chaos, das in ihr wütet, schwindelerregende Ausmaße annehmen lässt. „Aber vielleicht-“ Doch als die gewichtige Bedeutung seiner Worte ganz zu ihr durchdringt, schüttelt sie hektisch den Kopf. Sie kann es sich nicht leisten, sich einer derart törichten Hoffnung hinzugeben. „Wir sind viel zu kaputt füreinander.“ Sie will sich hektisch von ihm losmachen, aber er lässt sie nicht davonkommen und zwingt sie seinen Blick zu halten. „Ich bin der Meinung, wir sind genau richtig füreinander.“ Es sind Worte, die sie in die Knie zwingen. Aber als ihre Beine in einer Schwäche, die sie sich eigentlich niemals erlauben dürfte, unter ihr nachgeben, sichert sein beherzter Griff um ihre Hüfte ihr Gleichgewicht beinahe nebensächlich. Dieses Mal sucht sie bewusst seinen Blick, auch wenn ihr Herz so schnell rast, dass ihr schwindelt und sie findet in seinen dunklen Augen in all der Vertrautheit die vielen Facetten, die ihn ausmachen. Seine Kompromisslosigkeit, sein Stolz, sein Ehrgeiz, seine Arroganz. Sie fühlt in diesen Minuten mit ihm zweifellos mehr, als in den vergangenen zwei Jahren zusammen. Aber es ist eine Emotion, die sich über allen anderen aus dem Chaos in ihrem Kopf herauskristallisiert und sie mit einem unterdrückten Schluchzen eine Hand in seinen Nacken legen lässt, um ihn die restlichen Zentimeter zu sich herunterzuziehen, bis seine Lippen ihre berühren. Ihre Liebe zu diesem Mann, die nicht einmal acht Jahre vernichten konnten. • - Zur selben Zeit - „Schlaf steht heute also nicht auf dem Plan, mhm?“ Hinata wippt Nia mit einem Lächeln auf den Knien und das Lachen des Kleinkindes erhellt den Raum, als Hinata sie ein Stück weit nach hinten kippt, bevor sie sie wieder nach vorne zieht. Aber dann richten sich ihre hellen Augen auf ihn und Naruto überquert ertappt die kurze Distanz zwischen dem Türrahmen, in dem er gelehnt hat und der Couch, auf der Hinata mit dem kleinen Mädchen sitzt. Mit seiner ersten Bewegung in den Raum hinein, liegen plötzlich zwei Paar der hellen Augen auf ihm, auch wenn die Kleineren sich schnell wieder an Hinatas Schulter verstecken. „Nia das ist Naruto. Naruto, Nia.“ Hinata sieht lächelnd von ihm zurück zu dem kleinen Mädchen, das sich immer noch so gut wie möglich in ihren Armen versteckt und sie fährt der Kleinen liebevoll durch die dunklen Haare. „Du kannst ihm vertrauen.“ Daraufhin mustert ihn die Zweijährige für einen Moment aus der sicheren Distanz mit all der durchdringenden Aufmerksamkeit einer Hyuuga, bevor sie ihren Blick ruckartig wieder zurück auf Hinata richtet. Nia verliert kein Wort und er könnte niemals sagen, was dem Kleinkind durch den Kopf geht, aber Hinata scheint problemlos zu verstehen, was das Mädchen von ihr will. Allerdings erliegen seine Gedankengänge schlagartig, als Hinatas helle Augen seinen begegnen. „Immer.“ Die leise gesprochenen Silben sind die Antwort auf eine Frage, die er nicht einmal mitbekommen hat. Aber ihre Stimme lenkt ihn schon in der nächsten Sekunde erneut ab. „Es tut mir leid.“ Allein die Tatsache, dass sie sich entschuldigt, schürt den schlummernden Zorn in ihm, den er zwei Jahre lang nicht einen Tag losgeworden ist. „Nichts hiervon ist dein Schuld und ich will nicht, dass du dich entschuldigst. Für gar nichts.“ Seine rauen Worte beirren Hiashis Tochter jedoch nicht. „Es tut mir leid, was du gedacht haben musst, als du mich zum ersten Mal mit ihr gesehen hast.“ Naruto holt tief Luft, als ihre Worte ihn an genau jenes Gefühl erinnern, das sich nicht wirklich beschreiben lässt. „Sie sieht dir sehr ähnlich.“ Ihr Blick richtet sich liebevoll auf das kleine Mädchen, das ihn scheinbar längst vergessen hat und viel mehr Interesse an Hinatas langen Haaren zeigt, die sie zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr offen trägt. „Das sind nur die Augen.“ Bevor er protestieren kann, hebt sie Nia auf ihre Arme und strebt an ihm vorbei die Küche an. „Komm mein Schatz, wir kümmern uns jetzt erst einmal um das Abendessen.“ Es wäre unmöglich ihr nicht in die Küche zu folgen, deshalb lehnt er erneut im Rahmen der Tür, während sie einen Stuhl neben die Anrichte schiebt, Nia darauf absetzt und dem Kleinkind zuerst einen Apfel schält, bevor sie ihre langen Haare mit geübten Bewegungen und einem Band in ihrem Nacken zusammenfasst. Die simple Bewegung stiehlt für die wenigen Sekunden seine komplette Aufmerksamkeit, deshalb dauert es einen Moment, bis er bewusst realisiert, dass sie die Zutaten, die sie vorhin erst eingekauft hat, nach und nach aus dem Kühlschrank holt. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Sie wirft schmunzelnd einen Blick über ihre Schulter, äußert sich aber nicht zu der Tatsache, dass sie beide wissen, wie miserabel es um seine Kochkünste bestellt ist. „Du könntest schonmal das Wasser für die Nudeln hinstellen?“ Er nickt und konzentriert sich bewusst nicht darauf, wie geschickt sie das Messer in ihrer Hand führt, um das Gemüse zu schneiden, aber als er ein leises Schniefen vernimmt, fährt er alarmiert herum, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Hinata sich in einer bekennenden Geste mit dem Handrücken über die Augen fährt. Ihm ist selbst kaum bewusst, dass er sich bewegt hat, als er schon vor ihr steht und ihr Gesicht vorsichtig in seine Hände nimmt. „Was ist los?“ Aber obwohl ihre hellen Augen verräterisch schimmern, schmunzelt sie ehrlich. „Nichts. Byakugan und Zwiebeln vertragen sich nur nicht besonders gut.“ Er erinnert sich dunkel an ein Gespräch, das Sakura einmal recht einseitig mit ihm geführt hat, als sie sich für den faszinierenden medizinischen Aspekt des anhalten Mysteriums der Byakugan begeistert hat und dabei erwähnt hat, wie sensibel die hellen Augen der Hyuuga sind. Er nimmt ihr das Messer aus der Hand, ohne auf ihren Protest zu achten. „Naruto, es macht mir nichts-“ „Aber mir. Setz dich hin. Bei dem Rest werde ich dir sowieso keine große Hilfe sein.“ Sie lässt ihn gutmütig gewähren und hebt Nia auf ihre Arme, als das Kleinkind wortlos die Hände nach ihr ausstreckt. Aber sobald er die Zwiebeln fertig geschnitten hat, macht sie Anstalten die Zweijährige abzusetzen, was in einem leisen Quengeln resultiert. „Nia, das mit unserem Abendessen wird nichts, wenn du mich nicht schnell fertig kochen lässt.“ Naruto verfolgt den liebevollen Moment schmunzelnd, als sich Nias helle Augen plötzlich auf ihn richten. Sie mustert ihn prüfend und überrascht sie beide, als sie ihre kleinen Arme in seine Richtung ausstreckt. Er begegnet ein wenig panisch Hinatas Blick, aber der Ausdruck in ihren Augen lässt ihn beinahe automatisch die Hände nach dem kleinen Mädchen ausstrecken. Er hält sie ein wenig unbeholfen, aber das Kleinkind scheint sich nicht daran zu stören und beißt zufrieden in das Stück Apfel, das sie noch in der Hand hält. Ihm ist kaum bewusst, wie lange sich die Stille zwischen ihnen über die Küche verhängt, bevor Hinata sich mit einem leisen Räuspern von ihm ab und wieder dem Essen zuwendet. Es ist unauffällig, aber er sieht die verräterische Bewegung, mit der sie sich erneut über die Augen fährt, dennoch. Und dieses Mal liegt es nicht an den Zwiebeln. . . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)