Zum Inhalt der Seite

Lilith & Lucifer

Teil 1
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Mein Leben schien immer so perfekt. Ich hatte verständnisvolle Eltern . Freunde die immer hinter mir standen. Arbeit die mir Spaß machte. Ein Dach über den Kopf. Ein tolles Auto. Das Wort normal, passte schon immer zur mir. Alles war normal. Ich war normal. Bis zu diesem einen Tag. Nie hätte ich gedacht, dass sich mein Leben so schlagartig ändern könnte. Es war wie, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Mein Leben änderte sich schlagartig. Von einem normalen Menschen, zu einem halben Dämon. Es mag schrecklich klingen, doch es ist die Wahrheit. In mir, steckt etwas Böses. Etwas was nicht definierbar ist. Etwas Gefährliches. Nie hätte ich gedacht, dass die Geschichten die erzählt werden, über Geister, Dämonen, Teufel und Engel, real seien. Doch das sind sie. Es gibt Geister, sie verweilen unter uns, schützen uns und beobachten uns. Dann gibt es Dämonen. Sie sind das reine böse. In der Gestalt, eines wunderschönen Menschen, täuschen sie uns, bevor sie unsere Seele rauben. Und es gibt den Teufel. Ein gefallener Engel. Er besitzt viele Namen. Doch ich nenne ihn Lucifer. Der Mörder meiner Mutter, die ich nie Kennenlernen dürfte. Er kam in mein Leben und hinterließ Chaos. Er war ein Monster. Er besaß kein Herz. Das einzige was er im Sinn hatte war mich zu töten. Jedoch hatte er meine Schönheit unterschätzt. Er wollte mich besitzen. Er wollte dasselbe Spiel spielen, wie er es mit meiner Mutter getan hatte. Er wollte das ich ihn liebte, er wollte, dass ich mein Herz voll und ganz an ihn verliere, er wollte das ich von ihn abhängig werde, so wie sie es war, bis sie sich von ihm losriss und Trost in den Armen meines Vaters fand. Er wusste ja nicht, wie schnell sich seine Pläne ändern würden. Er stürmte mein Leben und eroberte mein Herz, wie es nie jemand vor ihm getan hatte. Ich war geblendet von Leidenschaft, Begierde und Schönheit, dass ich erst zu spät mitbekam, auf was ich mich eingelassen hatte. Ich hatte mich an den Teufel verloren.

Lillian ist Tod. Ich habe sie getötet. Es ging so einfach. Ich dachte sie würde sich wehren, das tat sie aber nicht. Hätte ich gewusst das es so einfach ist, hätte ich sie breits viel früher getötet.

Ich bereue es nicht. Hätte ich es nicht getan, hätte sie mich getötet. Oder hätte es versucht.

"Euer Bad ist nun bereit", haucht die Stimme einer meiner Dienerinnen mir zu. Ich mache eine wage Handbewegung, in Richtung Ausgang, steige in die Wanne mit Lillians' Blut und versienke ganz in meinen Gedanken. Ich muss an ihre letzten Worte denken.
 

»Auch du, wirst Lieben Lucifer. Auch du, werdest eines Tages jemanden finden, die dein kaltes Herz zum auftauen bringt. Und sie wird mir ähneln... Auch wenn ich nicht diejenige war, die es schaffte deine Liebe zu gewinnen- so wird sie es sein.«
 

Ich werde niemals lieben können. Es wird nie eine Frau schaffen mein Herz zu gewinnen. Niemals. Mein Herz ist bereits zu lange von kälte umgeben. Ich bin nicht fähig zu lieben. Wie auch, wenn mein Herz nur aus Eis besteht? Ich hätte Liebe nicht verdient. Ich bin ein Monster. Ein Herzloses Monster. Und alle Frauen sind Schlampen- jedenfalls die Frauen, die ich bisher sah.

Ich habe noch nie jemanden geliebt. Nicht einmal Lillian. Man darf mich nicht falsch verstehen, Lillian war mir durchaus wichtig, doch fühlte ich nichts fürs sie. Sie war die einzige, die mir das Gefühl gab, nicht einfach nur ein Monster mit kaltem Herz zu sein. Sie war auch die einzige, die keine Angst vor meinem wahren ‹Ich› hatte.
 

Ich wollte sie nicht töten, aber ich hatte keine Wahl, nun ist sie fort und mit ihr, starb auch das letzte gute in mir. Falls ich überhaupt noch etwas gutes in mir hatte... Es war das richtige. Sie hat mich betrogen. Mit einem verdammten Menschen! Wie konnte sie nur? Ich gab ihr alles, was ich ihr geben konnte und sie hintergeht mich! Sie hat mein vertrauen missbraucht!

Lillians' Worte machten mir vorerst Hoffnung, bis mir klar wurde, das ich nicht lieben kann.

Ich will auch garnicht lieben, denn Liebe macht schwach.

Liebe ist tödlich.

Liebe ist nichts für mich, ich bestehe nur aus Wut und Hass.
 

Hass gegen Gott.

Gegen Engel.

Gegen Lillian.

Gegen jeden, der sich mir in den Weg stellt!

Und Hass gegen Liebe!

Dein Schicksal ist viel schlimmer als der Tod, denn dein Schicksal bin ich. Du. Gehörst. Mir.
 

Seine letzten Worte lassen mich aus dem Alptraum erwachen. Es ist immer derselbe. Wie jede Nacht gehe ich nach unten in die Küche, mache mir einen Pfefferminztee und sitze die zwei Stunden bis ich zur Arbeit muss einfach nur da. Nur heute ist etwas anders. Es ist mein 21 Geburtstag, das heißt, dass meine Mum sehr früh mit den Vorbereitungen beginnt.

„Wieso bist du so früh wach?“ Ich reibe mir die Augen.

„Hatte wieder diesen Alptraum.“ Meine Hände zittern während ich die Tasse an meinen Mund führe. Bisher habe ich ihr nie ausführlich von dem Traum erzählt. Ich weiß nicht an was es liegt, aber ich spüre plötzlich den Drang ihr davon zu erzählen. Als ob sie meine Gedanken erhört hat, fragt sie mich, ob ich ihr davon erzählen kann. Ich nicke und nehme noch einen letzten Schluck von meinem Tee.

„Es fängt immer gleich an. Ich liege im Arm meiner Mutter, mit geschlossenen Augen und lausche dem Gespräch von ihr und meines Vaters. Sie streiten sich.“

„Du bist ein Baby?“, fragt sie mich verblüfft und ich nicke stumm.
 

„Es ist mir egal Lilian! Wir bringen sie in Sicherheit, danach verschwinde aus meinem Leben.“, sagte Michael und trat aufs Gas. Lilian blickte auf ihr Baby und strich sanft über ihre Stirn. „Alles wird gut, ich lasse nicht zu das er dir weh tut.“, flüsterte sie beruhigend.

„Du bist dir sicher, dass er uns nicht findet?“

„Solang wir in Bewegung bleiben, wird er das nicht. Beeile dich. Ihr wird kalt.“ Er trat stärker aufs Gas. Die Straße war leer. Kaum Kurven, nur geradeaus bis zu dem Dorf- dachte sich Michael.

Eine schwarze Gestalt tauchte plötzlich vor dem Auto auf. „Pass auf!“, schrie Lilian schützte das Baby in ihren Armen. Ihr dürfte nichts passieren. Sie würde sich das nie verzeihen können. Zu sehr liebte sie ihr eigen Fleisch und Blut. Erschaffen aus einem Mensch und einem Dämon. Er dürfte sie nicht kriegen. Er würde sie töten oder schlimmeres- sie würde ihre Nachfolgerin werden. Das dürfte einfach nicht passieren. Dieses arme Mädchen ist zu unschuldig.

Michael bremste und der Wagen stoppte, bevor er die Gestalt erreichte, die einfach nur regungslos dastand und auf etwas zu warten schien. Lilian blickte auf und erkannte ihn sofort. Er hatte sie doch gefunden. „Nein.“, flüsterte sie und drückte das Kind an sich. „Wie hat er mich gefunden?“

Michael schlug gegen das Lenkrad und hupte, damit die Gestalt verschwand. Er wusste nicht, wer dort vor dem Auto stand. Die Gestalt bewegte sich, wie ein Gepard der seine Beute im Visier hatte. Langsam, aber sicher. Michael riss der Geduldsfaden und er stieg aus. „Was soll der scheiß? Runter von der Straße!“, brüllte er und schlug die Autotür zu. Die Gestalt ging auf ihn zu.

„Entschuldigt“, sagte die Gestalt, blieb vor ihm stehen, streckte eine Hand nach ihm aus und packte ihn am Hals. „Aber du hast etwas, was mir gehört.“ Michael war in seiner Hand, spürte keinen Boden unter sich, zappelte und ring nach Luft. Alles vergeblich. Ihm wurde Eiskalt, als würden seine Adern einfrieren. Sein Herz wurde langsamer. Das Gezappel ließ nach, bis er leblos in der Hand der Gestalt hing. Die Gestalt ließ ihn los und der leblose Körper von Michael fiel mit einem dumpfen Geräusch auf die Straße.

Lilian beobachtete das Geschehen, mit geweiteten Augen starrte sie die Gestalt an. Schnell schloss sie das Auto, obwohl sie wusste, dass ein lächerlicher Schloss Riegel ihn nicht aufhalten konnte. Die Gestalt schlug mit der Faust das Fenster ein und öffnete die Autotür.Mit einem charmanten Lächeln blickte er herein. „Hast du mich vermisst, Liebste?“ Lilian sah ihn unverwandt an. All die Erinnerung, selbst ihre Gefühle, kamen mit einem mal wieder hoch. „Lucifer“, hauchte sie und blickte zurück auf ihr Kind. „Aussteigen!“, knurrte er. „Bitte tu ihr nichts, Lucifer. Ich komme mit dir. Ich tu alles. Aber bitte, lass sie in Ruhe.“

„Ich sagte: AUSTEIGEN!“ Seine übermenschliche Stimme, die sie nur allzu gut kannte, wenn er etwas ernst meinte, erhob sich und ließ sie zusammenzucken. Ja sie war ein Dämon, doch hatte sie Angst vor ihm. Sie wusste, wenn sie nun austeigen würde, würde das ihr Tod und den Tod ihres Kindes bedeuten.

„Lilian, komm aus dem verfluchten Auto oder ich erwürge dieses verfluchte Kind und dich gleich danach.“

„Das wirst du so oder so tun!“, schrie sie und blickte in das friedliche Gesicht des Kindes. Es schlief weiterhin, trotz des Lärmes um sie herum, tief und fest. Lucifer lachte und die Bitterkeit darin war nicht zu überhören.

„Nein, Liebste, erst töte ich diesen Hurensohn“

„Das Kind ist eine Sie.“, flüsterte Lilian.

„Das ändert nichts an der Tatsache, dass dessen Mutter eine dreckige Hure ist! Und jetzt steig aus oder ich zwing dich und du weißt, dass es nicht schön endet, wenn ich dich zwinge.“, sagte er mit bedrohlicher Stimme. Sie hatte keine andere Wahl. Sie musste sich ihm Stellen. Mit zitternden Händen öffnete sie die Tür und stieg, das Kind fest in ihren Armen, aus. „Komm her!“ Auch dieses Mal gehorchte sie. Mit gesenktem Blick ging sie auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. „Gib mir das Kind.“ Sie schüttelte den Kopf. „Tu ihr nichts.“ Lilian konnte nie behaupten, dass sie ein Herz besaß. Sie hatte kein Mitleid, außer für die Menschen die sie liebte. Dazu gehörte Lucifer und Michael. Nun auch ihre Tochter. Jedes andere Kind wäre ihr egal gewesen. Vermutlich hätte sie jedes andere Kind selbst getötet.

„Gib mir dieses verfluchte Kind, Lilian!“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Du hast es so gewollt.“ Er packte sie am Hals. „Lass das Kind los!“ Sie konnte die Kälte in sich fühlen. Es schmerzte unbeschreiblich. „Kind. Los. Lassen.“ Sie konnte ihre Arme nicht mehr spüren und ließ das Kind los. Lucifer fing es mit seinem freien Arm auf und nahm seine andere von Lilian, die schwer keuchend zu Boden fiel und nach Luft schnappte. Er hielt das Kind und sah es sich an. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Atem ging gleichmäßig. Wieso war es nicht wach? Sie hätte längst wach sein müssen. Egal- dachte er sich und grinste. Endlich hielt er dieses Missgeschick in seinen Händen und konnte alles Leben aus ihr saugen. Das Kind regte sich und streckte ihre kleine Hand. Lucifer nahm diese vorsichtig-
 

Auf meinem Körper bildet sich Gänsehaut. „Hat er…?“, fragt meine Mum und ich schüttele den Kopf. „Hat er nicht.“
 

Die Kälte ließ das Blut, in des Kindes Adern erfrieren. Ihr Atem ging langsamer, ebenso wie ihr Herz. Doch plötzlich öffnete es langsam die Augen und blickte in Lucifers. Sein grinsen verschwand aus seinen Zügen und er ließ die kleine Hand des Babys los. Das Kind wärmte sich von selbst wieder auf. Ihre neugierigen Augen blickten in das Gesicht des Teufels und sie fing an zu lächeln und eine Hand nach ihm auszustrecken. Lucifer war wie hypnotisiert von ihren strahlend blauen Augen, die ihn mit solch einer Unschuld anblickten, die er nie zuvor gesehen hatte. „Wie heißt sie?“, fragte er ohne den Blick abzuwenden.

„Lilith“, antwortete Lilian ihm.

„Lilith“, wiederholte er leise. „Sie ist wunderschön.“

„Ich werde dich nicht töten, Lilith, dein Schicksal ist viel schlimmer als der Tod, denn dein Schicksal bin ich.“

„Nein! Lucifer! Nein!“ Lilian versuchte ihm das Kind aus den Armen zu ziehen doch er wehrte sie ab, packte sie am Hals und schmiss sie gegen das Auto.

„Tu ihr das nicht an!“, schrie sie.

„In 21 Jahren sehen wir uns wieder, Lilith.“

„Bitte“, flehte Lilian doch er wusste sie zu ignorieren.

„Du. Gehörst. Mir.“
 

Meine Mutter sieht mich fassungslos an, als könne sie nicht glauben, was ich ihr soeben erzählt habe.

Ich seufze und reibe mir die Gänsehaut von den Armen. „Wie spät ist es?“

„Halb fünf. Ich finde du solltest heute nicht zur Arbeit.“

„Ich brauche das Geld. Ich kann nicht einfach zu Hause bleiben, wann ich es will.“ Ich stelle die leere Tasse ins Waschbecken und spüle sie aus. „Ich mache mir nur Sorgen um dich.“

„Was soll schon passieren?“ Ich habe vor einem Jahr erfahren was ich bin und bezweifle seitdem, dass der Traum, nur ein Traum ist. Natürlich habe ich Angst das Lucifer seine Worte wahr werden lässt, aber ich will mich durch diese Angst nicht bezwingen lassen. Ich wollte nie etwas anderes, als ein normales Leben und dieses werde ich mir nicht so einfach nehmen lassen.

„Versprich mir einfach, dass du dich nicht blenden lässt.“

„Von was blenden?“

„Seiner äußeren Schönheit.“ Ich nicke.

„Ich muss Duschen.“

Unter der Dusche beginne ich mich wieder zu entspannen. Ich brauche einfach nur Ruhe und klare Gedanken. Ich darf mich nicht von der Angst beeinflussen lassen. Ich reibe mich mit Duschgel ein, rasiere mich und wasche mir die Haare. Das heiße Wasser beginnt abzukühlen. Seufzend steige ich aus der Dusche und wickle mich mit einem weißen, rauen, Handtuch ein.

„Lilith dein Handy.“, ruft meine Mutter. Mike ruft sicherlich an, um mir zu Gratulieren. Leider muss er warten, denn erst nehme ich mir die Zeit um meine widerspenstigen, schwarzen, lockigen Haare zu Föhnen, diese beanspruchen nämlich sehr viel Zeit und Geduld. Heute will ich einfach das alles nach Plan läuft. Keine Überraschungen. Da ich Geburtstage nicht ausstehen kann, werde ich ihn wie einen normalen Tag verbringen. Meine Mutter backt meinen Lieblings Schokoladenkuchen und nachdem ich ihr zur liebe gegessen habe, mache ich mich auf Wohnungssuche.

„Lilith dein Handy!“, ruft sie wieder, als ich fast fertig mit meinem Make-Up bin. Vorsichtig ziehe ich die Eyeliner Linie zu Ende und tusche noch einmal meine Wimpern nach.

„Ich komme.“ Ein Blick in den Spiegel und ich bin fertig.

Beim Weg nach unten betrachte ich das Bild von mir, was an der Wand hängt, als ich ein Jahr alt war. Strahlend blaue Augen, ein breites Lächeln und Dreck im Gesicht. Daneben als ich 14 war. Ich verdrehe genervt die Augen, habe ein paar kleine Pickel und halte meine alte Kamera in der linken Hand. Ja, auch ich wurde nicht von der Pubertät verschont.

Mum sitzt am Tisch und blättert in einem Kochbuch herum. Sie lächelt mich an und holt eine kleine, hellblaue Schachtel, mit einer schwarzen Schleife hervor. „Ich sagte doch ich will keine Geschenke.“ Sie zuckt lediglich mit den Achseln, steht auf und zieht mich in eine sanfte Umarmung, die ich ohne zu zögern erwidere. „Alles gute mein Engel.“ Ich lache. „Ich bin kein Engel, sondern ein“

„Halbdämon, ich weiß. Für mich bleibst du trotzdem mein kleiner Engel.“ Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und drückt mir die Schachtel in die Hand. „Das ist von deinem Dad und mir. Nur eine Kleinigkeit.“, strahlt sie. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass diese Kleinigkeit sehr viel Geld gekostet hat, so wie ich meine Eltern kenne. Ich befreie die Schachtel von der schwarzen Schleife und öffne sie, Darin funkelt mich ein silbernes, fein verarbeitetes, Herz an. „Sieh dir das Foto darin an.“ Erst jetzt sehe ich, dass man das Herz öffnen kann. Darin ist ein Bild, einer Frau mit dunklem Haar, sanften Blick und grünblauen Augen. Es ist Lilian. Sie weiß wie gern ich sie kennengelernt hätte. Meine leibliche Mutter. Lucifer hat sie jedoch getötete. Wann und wie weiß ich nicht. „Sie ist wunderschön. Danke Mum.“

„Dank nicht nur mir, es war die Idee deines Vaters.“

„Ich danke ihm, wenn ich nachher von der Arbeit komme.“ Sie nickt und weist mich zum Umdrehen hin, was ich tue. Sie legt mir die Kette um und betrachtete sie noch einmal.

„Ich hoffe er nimmt dich uns nicht weg.“

„Das wird er nicht. Dafür sorge ich.“ Sie lächelt, doch ihr lächeln erreicht nicht ihre sonst so strahlenden Augen.

Ich hatte gehofft die vertrauten Hochhäuser New Yorks, würden mich beruhigen doch das ist nicht der Fall. Während das Taxi mich zur Arbeit fährt, kaue ich auf meiner Unterlippe und checke wichtige Termine für meinem Chef Mr. Baldwin, in meinem Terminkalender. „Macht 18 Dollar.“ Ich krame das Geld aus meinem Portmonee und reiche es dem Taxifahrer, der es aus meiner Hand reißt ohne sich zu bedanken oder auf Wiedersehen zu sagen. „Auf Wiedersehen.“, sage ich und steige aus. „Hm“, brummt der Mann und fährt dabei beinahe über meine Füße. Ich verdrehe die Augen und gehe in das Kaffee um Mr. Baldwin seinen morgendlichen schwarzen Kaffee und seinen Donut zu holen. „5 Dollar, bitte.“ Ich reiche der Frau das Geld und nehme ihr den Kaffee und den verpackten Donut ab. Kurz sehe ich auf die Uhr an der Wand. Halb sieben. Ich habe noch genug Zeit. „Noch etwas?“ Die Frau scheint etwas unfreundlicher als zuvor, was an der Schlange hinter mir liegen zu scheint. „Einen kleinen Moccacino und einen Schoko Muffin.“ Sie nimmt einen Becher und einen Stift. „Name?“

„Lilith.“ Für einen kurzen Moment sieht sie mich einfach nur an, bis sie zögernd beginnt meinen Namen zu schreiben. „Sie können sich solang setzen.“ Ich nicke, trete zur Seite und nehme mein Handy aus der Tasche. Vier verpasste Anrufe von Mike. Ich beschließe unterwegs zurückzurufen und packe das Handy wieder ein. „Lilith?“

„Das bin dann wohl ich.“ Ich nehme der Frau den Kaffee und den Muffin ab. Gerade als ich ihr das Geld geben will, schüttelt sie den Kopf und erklärt mir, dass dieser bereits von dem Mann dort drüben, der am Fenster sitzt, bezahlt wurde. „Wie bitte?“ Sie zuckt mit den Achseln. Wieso bezahlt mir ein fremder mein Frühstück? Am Fenster sitzt ein Mann im schwarzen Anzug, mit dem Rücken zu mir gedreht. Sein schwarzes Haar ist perfekt nach hinten gestylt und der Anzug deutet auf sein vieles Geld, was er vermutlich besitzt, hin. Ich kann doch von keinem fremden Geld annehmen. Das geht einfach nicht. Da ich keineswegs schüchtern bin, gehe ich zu ihm und tippe auf seine Schulter, wobei ich das Gefühl habe, dass mein Finger gleich brechen würden. „Entschuldigen“ Der Mann im Anzug dreht sich nicht zu mir um, brummt lediglich und wie ich hören kann, schlürft er gemütlich an seinem Kaffee oder was weiß ich er da trinkt. „Sir“ Ich tippe erneut auf seine Schulter und wie vom Blitz getroffen, greift er mit seiner Hand um mein Handgelenk und dreht seinen Kopf zu mir. Zwei dunkelblaue Augen funkeln mich an. „Was?“ Ich öffne meinen Mund um etwas zu sagen, aber es kommt nichts. „Ich höre?“, fragt er ruhiger, mit dieser Stimme die mich jede Nacht verfolgt.

„Nichts. Tut mir leid.“, murmele ich und sehe auf seine große Hand um mein Handgelenk. „Kein Dank für den Muffin und ihren Mocca?“, zwinkert er mir zu und lächelt charmant, wodurch seine vollen Lippen, in seinem markanten Gesicht, besonders zur Geltung kommen.

„Danke.“, murmele ich und sehe wieder auf mein Handgelenk, um ihn deutlich zu signalisieren, dass er mich loslassen soll. „Setzen Sie sich doch.“ Er nickt auf den freien Platz neben ihm. „Ich muss zur Arbeit.“, nehme ich als Ausrede um schnell das Weite suchen zu können. „Wenn sie schnell zur Arbeit müssten, hätten sie sich ein Muffin zum Mitnehmen bestellt, doch dieser ist auf einem Teller. Setz dich.“ Seine Stimme lässt keine wiederworte zu, also gehorche ich. Er nimmt den Teller aus der Hand, die er weiterhin festhält und die beiden Getränke aus der anderen.

„Wenn ich mich vorstellen dürfte, ich bin“ Ich ziehe meine Hand weg. „Ich weiß wer du bist.“ Unbeeindruckt lächelt er, nimmt grob meine Hand und haucht einen Kuss auf dessen Handrücken.

„Ach ja, die Alpträume, tut mir leid dafür.“

Er ist also daran schuld, dass ich nachts nie schlafen kann? Ich weiß nicht wo mir der Kopf steht. Erst recht nicht, wenn ich in sein Gesicht sehe. Er wirkt nicht böse. Seine Körperhaltung ist sehr dominant, sein Gesicht markant, gut gebräunte Haut, schwarze Haare und einen gepflegten drei Tage Bart. Jetzt verstehe ich was Mutter meinte mit, lass dich nicht von seiner äußerlichen Schönheit blenden.

Dieser Mann ist der Traum, jeder Frau. Groß, gutaussehend und da der Anzug mehr als perfekt sitzt, erkennt man das er auch muskulös ist.

„Du hast immer noch so schöne Augen.“, bemerkt er ohne mich anzusehen, bis ich merke, dass er mich im Fenster anstarrt. Mir steigt die röte ins Gesicht, also senke ich meinen Blick und versuche seine Bemerkung einfach zu ignorieren.

„Du weißt sicher wieso ich hier bin.“ Ich zucke mit den Achseln. In meiner Tasche fängt es an zu vibrieren. Mike. Ich brauche eine Ausrede um das Weite suchen zu können. „Ich muss mal…aufs Klo.“, sage ich mit leiser Stimme und stehe auf. Sein Blick huscht zu mir und seine Hand schnappt meine. „Du brauchst sicher keine Tasche auf der Toilette, oder?“ Mir wird bewusst, dass Lucifer nicht so schnell hinters Licht zu führen ist. „Stell sie ab.“, fordert er und durchbohrt mich mit seinem festen Blick. „Dann lass mich los.“ Er lächelt und lässt mich los. Ruhig sehe ich mich mit meinen Augen im Raum um. Wenn die Menschen hier nur wüssten, dass sicher der Teufel persönlich unter ihnen befindet. „Ist irgendwas?“, fragt mich Lucifer und sieht sich ebenfalls in der Menge um.

„Lilith?“, fragt er ungeduldig. Ich sehe zum Fenster. Draußen hält gerade ein Taxi das förmlich danach schreit, renn weg Lilith. Meine Träume haben mir gezeigt, dass wegrennen nichts bringt, es zögert nur dein Schicksal heraus, doch das genügt mir. Ich habe nicht vor, mich freiwillig dem Teufel auszuliefern. Ich mache einen Schritt vorwärts. Lucifer packt mein Handgelenk und sieht mich herausfordernd an. „Denk nicht mal daran.“, flüstert er mit einem Grinsen im Gesicht. Ich entziehe ihm meinen Arm und sehe zum Taxi, in welches eine junge, blonde Frau einsteigt. „Ich muss zur Arbeit.“, stammele ich.

„Ich sage dir was du musst. Setz dich.“, zischt er.

„Ich denk nicht mal dran!“, zische ich leise, damit mich niemand hören kann. Ihm scheinen die Menschen um uns herum egal zu sein oder er blendet sie einfach vollkommen aus.

„Du bist mutig“, erklärt er stirnrunzelnd.

„Ich steh auf mutige Frauen.“

„Was?“

„Es wird nicht lang dauern, dann Tanzt du schon nach meiner Pfeife, Lilith. 21 Jahre habe ich auf diesen gottverdammten Tag gewartet. Das lasse ich mir nicht von deiner angeborenen Sturheit versauen.“

„Was?“, frage ich fassungslos. Wäre er nicht der Teufel, der Mörder meiner Eltern, würde ich jetzt ohne ein weiteres Wort verschwinden. Eins ist klar, ich werde niemals nach seiner Pfeife tanzen. Mit einem viel zu starken Ruck, zieht er mich auf meinen Platz zurück und schmunzelt mich an.

„Gib es doch zu. Du hast dich nach diesem Tag gesehnt. Stimmt’s?“

„Sicher. Ich wünsche mir nichts mehr, als nach der Pfeife des Teufels zu tanzen.“, sage ich barsch und lehne mich zurück. Selbstzufrieden lehnt auch er sich zurück, nur sieht es bei ihm weit aus eleganter aus, als es bei mir der Fall ist, mit meiner verwaschenen Jeans, meinem weißen T-Shirt und der Jeans Jacke.

„Ja, du bist es.“

„Ich bin was?“

„Die Tochter von Lilian. Du hast den selben Humor wie sie.“

Mein Handy vibriert erneut. Ohne auf Lucifer zu achten krame ich es aus meiner Tasche und blicke auf mein Display. 6 verpasste Anrufe von Mike. Ich sollte zurückrufen, schließlich scheint er aus kaum abwarten zu können mir zu gratulieren. Wäre da nicht mein herrischer gegenüber. Ich blicke auf und sehe in des Teufels wunderschönem Gesicht. Wäre er nicht er, würde ich dahinschmelzen wie Butter.

„Geh schon.“, fordert er. Ich glaube, ich habe mich verhört. Ungläubig warte ich auf eine weitere Bestätigung. Er nickt nur. Ich schnappe mir den kalten Kaffee und den Donut. Den Rest lasse ich hier. Dann stehe ich auf und blicke noch einmal zu Lucifer. „Bis später.“, zwinkert er und nimmt ein Schluck von seinem Getränk.

„Bis… später.“, prasseln die Worte aus meinem Mund, als wäre dies selbstverständlich.

Die Arbeit ist im Nullkommanichts beendet. Schade eigentlich. Gerade erst habe ich angefangen auf andere Gedanken zu kommen. Dabei habe ich völlig vergessen Mike zurückzurufen. Hoffentlich ist er nicht sauer, aber so wie ich ihn kenne, wird er das nicht sein.
 

„Kommst du noch mit was trinken? Deinen Geburtstag feiern?“, ruft Melanie und schlendert, mit den Hüften wackelnd, zu mir rüber.

„Weiß nicht.“, ich zucke mit den Schultern. Meine Eltern warten sicher zuhause auf mich.

„Nur ein Drink.“ Ihre Bernsteinfarbenen Augen strahlen mich an. Ich muss lernen nein zu sagen.

„Ok.“

„Supi. Ich hol nur schnell meine Jacke und Tasche. Geht auf mich.“

„Hm.“ Mache ich und nehme mein Handy aus der Tasche. Mittlerweile sind es 11 verpasste Anrufe und zwei Sprachnachrichten auf meiner Mailbox.

„Können wir gehen?“ Melanie hakt sich bei mir ein. Ich muss lächeln. Ja, vielleicht tut mir ein Drink ganz gut, mit meiner besten Freundin. Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich sogar, einmal nicht meinen gewohnten Tagesablauf durchzuführen. Aufstehen, Tee trinken, Duschen, zur Arbeit gehen, nachhause gehen, schlafen.

Im Fahrstuhl erzählt mir Melanie was sie am Wochenende gemacht hat. Sie war in Vancouver bei einem Freund. Sie haben gefeiert und er hat sie geküsst, was sie zutiefst verwirrt, bis jetzt noch. Ihr Leben ist das reinste Abenteuer. Anders als meines. Sie fährt die Wochenenden oft weg. Entweder feiern, wandern oder Bergsteigen. Sie hat mir schon oft angeboten mitzukommen, nur will ich meinen gewohnten Tagesablauf, auch am Wochenende, nicht durcheinanderbringen. Das Wochenende gehört ganz mir. Meist liege ich im Bett und sehe mir alte Friends Folgen an. Dabei trinke ich eine Flasche Wein und gehe wie jeden Tag Termine für meinen Chef durch. Melanie versteht nicht, wieso ich nicht mehr aus meinem Leben mache. Da wir uns schon 6 Jahre kennen weiß sie, dass ich gern Fotografiere und diese Bilder auch auf meine Website stelle, nur fehlt mir die Zeit dazu. Manchmal verstehe ich ja selbst nicht, wieso ich nichts mache. Es ist einfach Gewohnheit, mein Leben so normal wie möglich zu führen und daran soll sich nichts ändern. Auch nicht jetzt, wo er in mein Leben getreten ist.

Unten im Foyer verabschieden wir uns von Zoe, die Empfangsdame. Ich kenne sie nicht wirklich, aber Melanie scheint sich gut mit ihr zu verstehen, also lächele ich sie immer freundlich an, welches lächeln sie immer mit einem breiten, sympathischen grinsen erwidert.

„Wow.“ Melanie schnappt nach Luft und legt lächelnd ihren Kopf schief.

„Was ist?“ Sie nickt in Richtung Ausgang. Draußen parkt ein schwarzer Dodge, an dem sich ein Mann mit dem Rücken lehnt. Er trägt eine Lederjacke, Jeans und Sonnenbrille. Seine Hände sind in jeweils einer Hosentasche. Bereits jetzt kann ich seine Anwesenheit klar und deutlich spüren. Dieses später hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Ich bleibe stehen, denn mir wird bewusst, dass dort draußen der Teufel auf mich wartet. „Was ist?“, fragt sie irritiert und sieht mich prüfend an.

„Ich muss nur schnell… meine Eltern anrufen. Sie erwarten mich eigentlich.“

„Du bist 21, lass sie warten. Heute ist dein Tag. Sie werden das sicher verstehen.“ Ich hoffe nur das sie sich keine Sorgen machen. Zu gut kenne ich Mum. Sie wird vor Sorge sterben. Ich schreibe ihr eine Nachricht. Komme doch etwas später, geh mit einer Freundin etwas trinken. Bis heute Abend. Liebe euch.

Melanie verschlingt Lucifer mit seinen Augen und je näher wir ihm kommen, desto schneller schlägt mein Herz. Sicher schlägt auch ihr Herz höher, nur nicht aus demselben Grund wie meines, denn bei mir liegt es an Angst, bei ihr daran, dass Lucifer unbeschreiblich scharf aussieht.

Lucifer stößt sich vom Auto und nimmt die Sonnenbrille ab. Lässig kommt er uns entgegen und stellt sich viel zu nah an mich heran, dabei sieht er auf mich herab und beginnt mit einer meiner Locken zu spielen.

„Wo wollen die Damen denn hin?“ Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, doch Melli redet dazwischen. „Was trinken. Kennst du gute Bars in der Nähe?“, fragt sie lächelnd und berührt seinen Arm. Von der Seite werfe ich ihr einen vielsagenden Blick zu. Muss das denn sein, Mell?

Lucifer schenkt ihr keine weitere Beachtung. „Ich dachte wir verbringen deinen Geburtstag zusammen, Baby?“ Er verzieht seine Lippen zu einem Schmollmund. „Oh.“, macht Mell und zieht ihre Hand weg.

„Das habe ich vergessen.“ Meinen warnenden Blick ignoriert er vollkommen, stattdessen wendet er sich Mell zu, die völlig verdattert dasteht und das Geschehen mit beobachtet hat.

„Ich kenne zufälligerweise eine gute Bar.“ Sie sieht zu mir. Ich zucke mit den Achseln. Was soll ich schon sagen. Lass dich nicht blenden, er ist der Teufel?

„Zu Fuß, ist es zu weit, ich fahre euch.“ Mells Augen beginnen vor Aufregung zu funkeln. „Lilith“ Ich sehe ihn an. „Du sitzt vorn.“ Er hält mir die Tür auf und wirft mir einen ungeduldigen, ernsten Blick zu. Aufkeinenfall lasse ich Mell mit diesem Mann allein. Mein Handy halte ich fest in meiner Hand, während ich einsteige und mich in dem Sitz niederlasse. Nachdem er auch Mell die Tür aufgehalten hat, steigt auch er ein und startet den Motor. Auf meinem Handy erscheint Mells Name. Sie hat mir eine Nachricht geschickt, obwohl sie genau hinter mir sitzt. Du kennst den Typ? Wow, Lilith.

Ich wage einen kurzen, verstohlenen Blick zu Lucifer. „Wie war dein Tag?“, fragt er unerwartet. Er will Mell etwas vorspielen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, macht es ihm eine unglaubliche Freude.

„Gut.“, antworte ich nur. Sein Blick wandert zum Rückspiegel. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“, stellt er fest. Mein Herz beginnt zu rasen. „Ich bin Louis.“ Erleichtert lasse ich meine Schultern sinken. Glück gehabt. „Melanie, aber du kannst mich gern Mell nennen.“ Lucifer nickt und bevor ich ihn abhalten kann, spüre ich seine Hand auf meinem Oberschenkel.

„Was hast du morgen vor?“, fragt er, etwas zu ernst, doch ich antworte wieder monoton: „Arbeiten.“

„Wie wär’s mit Essen gehen?“

„Hab schon was vor.“, erkläre ich so abweisend wie möglich.

„Was könnte wichtiger sein, als ich, Baby?“

„Schlafen.“, sage ich unbeeindruckt und verkneife mir ein schmunzeln. Selbst jetzt, obwohl ich aus dem Fenster sehe, spüre ich seinen durchbohrenden Blick auf mir. Ich spanne mich an und murmle: „Um welche Uhrzeit?“, einfach nur damit ich das Spiel, welches wir Mell vorspielen, nicht versaue.

„So gegen halb acht."

„Ok."

Wieder vibriert mein Handy. Wo bist du? Es ist von meiner Mum. Ich bin mit Mell unterwegs. Keine Sorge.Antworte ich schnell. Sie ist sicher krank vor Sorge.

Die Bar stellt sich als Lucifers Eigentum heraus. Verwundert bin ich darüber nicht, aber ich frage mich, ob er hier auf der Erde, ein normales Leben führt, wie jeder andere auch. Arbeiten, Freunde, Spaß haben… Während er vorausgeht, unterhält sich Mell mit mir. Oder eher, sie führt ein Verhör mit mir durch.

„Wie lang kennt ihr euch schon?“

„Nicht lang.“. antworte ich, in gewisser Weise, wahrheitsgemäß. Ich kann ihr kaum sagen, dass ich ihn erst seit heute Morgen kenne.

„Er ist wirklich… heiß.“

„Mhm“, mache ich Gedankenverloren. Lucifer wirft seine Autoschlüssel einem Mann im Anzug zu, der ihn mit einem vielsagenden Blick, nachdem er uns bemerkt hat, ansieht.

„Komm.“ Lucifer hält mir seine Hand hin. Ich gehe an ihn vorbei und spüre seinen Blick im Nacken. Vielleicht ist er Abweisungen nicht gewohnt. Er sollte sich daran gewöhnen, denn mich bekommt er nicht so einfach. Die Bar stellt sich als edle Disco heraus. Da es gerade einmal halb sechs ist, ist auch nicht viel los. An der Bar sitzen ein paar Leute und bei den schwarzen, Ledersitzen unterhalten sich ein paar Frauen. Das Licht hier drin ist dunkelblau, manchmal geht es auch ins rötliche. Verteilt im Raum befinden sich kleine Podeste mit jeweils einer Stange, woran zum Glück niemand tanzt. Ein Arm legt sich um meine Hüfte und ein himmlischer Duft von teurem Duschgel, Meer und Schnee der in der Sonne knistert, steigt mir in die Nase. „Was willst du trinken?“ Ich gehe nicht auf seine Frage ein. „Wo ist Mell?“

„Beschäftigt“ Ich nehme seinen Arm von meiner Hüfte.

„Wo ist Mell?“, frage ich erneut und betone dabei jedes Wort.

„An der Bar. Dort drüben.“, er zeigt mit der Hand zu ihr. Ich atme erleichtert aus. Für einen kurzen Moment hatte ich wirklich die Befürchtung, dass er ihr etwas angetan haben könnte.

„Du denkst ziemlich schlecht von mir.“, bemerkt er trocken.

„Du hast meine Eltern getötet und mich beinahe auch“ Er zuckt mit den Achseln und runzelt die Stirn.

„Du bist sehr nachtragend.“ Er schmunzelt. „Und hübsch.“ Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr.

„Du könntest mein Vater sein.“, zische ich. „Das sehe ich jetzt als Beleidigung. Normalerweise finden mich Frauen jung, scharf und knackig.“ Was er im Nachhinein auch ist. Das werde ich aber sicherlich nicht zugeben.

„Was willst du von mir?“, frage ich unvermittelt. Er holt schwer Luft.

„Dasselbe, was ich bereits vor 21 Jahren wollte.“ Ich habe keine Ahnung auf was er hinaus will.

„Meinen Tod?“, frage ich zögernd.

„Dich“, antwortet er daraufhin. „Ausverkauft.“

„Ich hole mir einen Drink. Weiteres können wir an der Bar bereden.“

„Es gibt nichts Weiteres zu bereden. Ich gehöre nicht dir und werde dir nie gehören.“ Er wendet sich von mir ab und geht zu Mell, dabei wirft er mir einen Blick zu, der daraufhin deuten soll, dass er hier das sagen hat. Niemand soll wegen mir in Gefahr sein, aber wiederum will ich nicht bei diesem Monster sein. Ich gebe mir einen Ruck und setze mich zu Mell um die beiden im Auge zu behalten. An der Bar empfängt mich eine schwarzhaarige, dunkelhäutige Frau, mit aufgerissenem Shirt und einer schwarzen Hose.

„Was darf’s sein, Süße?“ Die Art wie sie mich süße nennt, kommt mir wie eine Art anmache vor.

„Für sie Chardonnay.“, antwortet ihr Lucifer, statt mir. Er lacht.

„Und Finger weg von ihr, sie gehört mir.“ Mell wirft mir einen Blick zu. „Alles in Ordnung?“, fragt sie mich besorgt. „Ja, alles gut.“

„Sicher?“, fragt sie zweifelnd. Ich zwinge mich dazu sie anzulächeln. „Mir geht es super.“ Mir wird mein Glas Wein vor die Nase gestellt. „Wie heißt du?“, fragt die Barkeeperin.

„Lilith.“ Sie stutzt. „Sehr außergewöhnlich. Alice.“ Sie reicht mir ihre Hand. Ich lächele und schüttele sie. Vorsichtig beugt sie sich zu mir nach vorn und sieht dabei in Lucifers Richtung.

„Du gewöhnst dich daran.“

„An was?“

„An seine besitzergreifende Art.“ Das glaube ich kaum. Ich will mich auch gar nicht daran gewöhnen.

Das idealste wäre, wenn er so schnell wie er kam auch wieder gehen würde.

„Ich nehme sie dir nicht weg, keine Sorge.“ Lacht Alice und verschwindet wieder mit einem kurzen Augenzwinkern, der mir galt. „Ich geh mal schnell auf die Toilette.“, sagt Mell und verschwindet ebenfalls. Nur Lucifer und ich. Eine Weile sitze ich nur stumm da, nippe gelegentlich an meinem Wein, der köstlich schmeckt und warte ungeduldig darauf, dass Mell zurückkommt. „Tut mir leid wegen Alice.“, beginnt Lucifer ein Gespräch, während er an mich heranrückt und eine Hand auf meinem Rücken legt. „Ich fand sie nett.“

„Ja, weil sie auf dich steht.“ Ich sehe ihn. „Oh“

„Ja, Oh“ Er lächelt.

„Obwohl mir die Vorstellung schon sehr gefallen würde.“

„Ekelhaft!“ Er achtet nicht auf meine Reaktion.

„Aber da ich dich für mich allein will, muss Alice wohl auf diesen Spaß verzichten.“, raunt er. Ich weiß nicht genau an was es liegt, sein Aussehen, seine tiefe Stimme oder der Sexmangel, aber die Vorstellung an Sex, mit ihm, ja das erregt mich ungemein. Nein, Lilith.Lass dich nicht blenden.

Wieder nippe ich an meinem Wein. Vorsichtig streicht seine Hand meiner Wirbelsäule entlang. Als er dann an meinen Nacken bleibt und beginnt ihn zu massieren, verschlucke ich mich beinahe an meinem Wein.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, Baby.“, flüstert er.

„Zeit die ich nicht habe.“, erwidere ich und stelle das leere Glas ab.

„Dann wirst du dir Zeit nehmen müssen.“

„Kein Interesse, Louis.“ Er presst die Kiefer zusammen. „Glaub mir, dieses Interesse werde ich schon noch in dir wecken.“

Mit seiner Fingerspitze fährt er meine Lippen nach. Geradeso verkneife ich mir ein leises, aber hörbares, wohliges seufzen.

„Oder vielleicht habe ich das ja schon.", flüstert er und zwinkert mir zu. Mein Blick fällt auf den Drink in seiner Hand. „Was ist das?", möchte ich wissen, um für ein anderes Thema zu sorgen. Ich will nicht, dass er denkt, er hätte mich schon halb in seinem Bett, denn das hat er nicht. Er folgt meinem Blick.

„Irgendwas zusammengepantschtes. Alice setzt mir nur so etwas vor, statt meinen teuren Whiskey." Ich nicke. Auch wenn ich gerade nicht zugehört habe.

„Ist er gut?"

„Willst du probieren?" Ich lächle etwas zurückhaltend und nicke. In meiner Tasche beginnt es zum gefühlten tausendsten Mal zu vibrieren. „Warte" Ich krame mein Handy raus und hebe ab.

„Wieso bist du nicht ans Handy gegangen?"

„Dir auch Hallo Mike." Er lacht.

„Alles Gute zum Geburtstag."

„Danke dir." Ich muss lächeln.

„Hast du schon was vor?", fragt er zögernd, fast schon unsicher.

„Tut mir leid, ich bin mit einer Kollegin etwas trinken gefahren. Ich muss auflegen, Mike. Ich rufe dich morgen an."

Das einzige was ich noch zuhören bekomme ist ein „Ok". Er wird mir nicht sauer sein. Ich kenne ihn. Er wird ein paar Tage schmollen und nachdem ich es mit einem Abend den wir verbringen gut gemacht habe, verzeiht er mir sicherlich. Vielleicht sollte ich ein wenig nachsichtiger mit ihm sein. Er ist total verliebt, wie Mell mir bereits gesagt hat. Ich habe Mike immer als Bruder den ich nie hatte gesehen. Sein Aussehen spielte da keine Rolle. Mike ist blond, ein wenig größer als ich und hat ein wirklich hübsches Gesicht und ein dazugehöriger, gut gebauter Körper. Hätte er vermutlich keine Freundin gehabt, als wir uns kennen lernten, sähe es anders aus. Jedoch lernte ich ihn als guten Freund lieben.

Ich stecke das Handy zurück in die Tasche und drehe mich zu Louis um. Er nimmt einen Schluck und stellt das Glas wieder ab. Dann beugt er sich zu mir und presst seine Lippen auf meine. Ich fühle etwas Kaltes auf meinen Lippen und öffne automatisch den Mund. Eine kalte Flüssigkeit fließt in meinen Mund. Es schmeckt nach Kirsche, etwas scharfem und Wodka. Bevor ich es verhindern kann, schiebt sich Lucifers Zunge in meinem Mund. Vorsichtige schiebe ich eine Hand zwischen uns, um ihn wegschieben zu können.

„Dieses probieren hatte ich mir anders vorgestellt!", sage ich und hebe eine Augenbraue.

„Du hast voll drauf abgefahren. Gibst zu!" Seine Augen funkeln belustigt. Abstreiten kann ich es nicht, aber zugeben werde auch es auch nicht. Er reicht mir sein Glas. Ich lehne ab. Ich bin bereits angetrunken und das allein von einem Glas Wein. Ich habe heut noch nichts gegessen. Daran wird es sicher liegen.

„Wer ist Mike?", will Lucifer wissen.

„Ein Freund.", antworte ich.

„Was wollte er von dir?"

„Mir zum Geburtstag gratulieren.", sage ich und zucke mit den Schultern. „Was geht dich das eigentlich an?"

„Eine Menge."

„Ich kenne dich erst seit heute Morgen."

„Ich kenne dich bereits seit 21 Jahren." Ich muss kichern.

„Gruselige Vorstellung. Du siehst nicht älter aus als 30."

„Unsterblichkeit hat so seine Vorzüge. In dessen Genuss wirst du noch kommen."

„Was?", frage ich denn ich glaube mich verhört zu haben. Diese Frage ignoriert er gekonnt. „Wo wohnst du?", erkundigt er sich.

„Verrate ich nicht."

„Das könnte ein Problem werden, wenn ich dich nachher nachhause fahre."

„Tut mir leid, aber ich fahre mit dem Taxi."

Als ich ins Wohnzimmer gehe, sitzt mein Dad vor dem Fernseher und sieht sich Football an, doch von Mom ist weit und breit nichts zu sehen.

"Wo ist Mum?" Dad zuckt vor Schreck zusammen und dreht sich mit überraschten Gesichtsausdruck zu mir um.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken."

„Schon gut, ich muss wohl eingeschlafen sein." Ich lächele schwach und lege meine Schlüssel auf den kleinen Abstelltisch im Flur.

„Mit wem warst du so lang weg?"

„Mit Mell, das habe ich Mum doch geschrieben. Wo ist sie überhaupt?"

„Mum sitzt auf der Terrasse und zerreißt sich bereits den ganzen Tag den Kopf darüber, wo du warst. Sie hat sich schreckliche Sorgen gemacht."

„Und du?" Dad grinst und schaltet den Fernseher aus, während ich meine Jacke in die Garderobe hänge und darüber nachdenke, warum Lucifer mich so gemustert hat und verlangte, dass ich morgen angemessene Sachen trage. So schlimm sehe nun wirklich nicht aus. Ich trage eben gern Jeans.

„Mit deinem Temperament und meiner Nase wird dich schon niemand wegschnappen.", neckt er mich und fängt an zu lachen. Ich werfe ihn einen warnenden Blick zu.

„Ich habe nicht deine Nase!" Oder doch? Ich wage einen verstohlenen Blick in den Spiegel im Flur, was Dad erneut zum Lachen bringt. Er hat unrecht. Meine Nase ist klein, zierlich und überhaupt nicht auffällig. Seine hingegen sieht aus, wie die Nase eines Nasenaffen. Dazu kommt noch, das er nicht mein leiblicher Vater ist, sondern der Vater meines leiblichen Vaters.

„Rede dir das nur weiter ein, Püppchen."

Um nicht weiter über meine Nase reden zu müssen, verziehe ich mich auf die Terrasse zu Mum, wo ich sie mit einer Zigarette in der Hand finde. Sie hat bereits vor zehn Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Ich bin fassungslos.

„Seit wann rauchst du wieder?" Vor Schreck fällt ihr die Zigarette aus der Hand und sie sieht mich an, wie ein ertappter Teenager.

„Lilly, du hast mich erschreckt!", keucht sie und tretet die Zigarette aus.

„Wieso rauchst du?"

„Mich würde eher interessieren, wieso du deinen Geburtstag nicht mit uns verbracht hast. Ich habe mir Sorgen gemacht." Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz diese Woche schon gehört habe, und es geht mir gewaltig auf die Nerven. Ich fühle mich wie ein kleines Kind. Doch was mich noch mehr aufregt, als wie ein Kind behandelt zu werden, ist, wenn ich eine Frage stelle und eine Gegenfrage zurückkommt.

„Ich habe dir doch geschrieben das ich mit Mell unterwegs war."

„Das beantwortet nicht meine Frage. Wieso verbringst du dein Geburtstag nicht wie jedes Jahr bei uns?"

„Weil ich ein einziges Mal das tun wollte, auf was ich Lust hatte! Dein Schokokuchen und Kaffee jedes Jahr geht mir mittlerweile gewaltig auf den Zeiger. Genauso geht es mir auf die Nerven, dass du mich behandelst, wie ein kleines Kind, obwohl ich eine 21-Jährige, Berufstätige Frau bin." Ich klinge Vorwurfsvoller als gewollt. Die Hälfte meiner ungefilterten Worte, sind eine Lüge. Ich mag es meinen Geburtstag, wie jedes Jahr, schlicht und langweilig zu halten. Und ich wollte heute gar nichts anderes tun, als nach Hause zu fahren, viel zu starken Kaffee zu trinken und meinen Lieblingskuchen zu essen.

„Dann benimm dich auch wie eine 21-Jährige Frau." Ihre Stimme klingt belegt. Sie hebt die Zigarette auf und verschwindet ins Haus.

Nachdem ich geduscht und ein Stück Kuchen verzehrt habe, gehe ich ins Bett und nehme mir ein Buch zur Hand, obwohl ich mich kaum darauf konzentrieren kann. Meine Gedanken schweifen zu Lucifer und seine Worte: Dein Schicksal ist viel schlimmer als der Tod, denn dein Schicksal bin ich.

Wieso habe ich das ungute Gefühl, dass er, sei er mein Schicksal oder nicht, mein Tod bedeutet?
 

Mein Morgen beginnt um 6 Uhr morgens und ausnahmsweise fühle ich mich einigermaßen erholt, was sicher daran liegt, dass ich von Alpträumen diese Nacht verschont wurde. Ich fühle mich deutlich frischer als sonst und spüre das Bedürfnis, mich ausnahmsweise Mal für die Arbeit zu Schminken.
 

Nachdem ich damit fertig bin, kann ich meinen Vater glücklicherweise dazu überreden, dass er mir sein Auto für heute gibt. Es kommt nur selten vor, dass er mir sein liebstes Eigentum anvertraut, desto erfreuter bin ich auch darüber. Es ist komisch, der Tag hat noch nicht einmal richtig angefangen und schon ist es der Beste Tag seit langem. Abgesehen davon, dass mich heute Abend die Folter erwartet. Ein Dinner mit dem Teufel. Ist das zu fassen? Was erhofft er sich davon? Er kann doch wohl nicht so dumm sein und denken, dass ich ihn nach einem Essen mögen werde und mich bereit erkläre, was auch immer für ihn zu sein. Wie mache ich dem Teufel nur klar, dass er sich keine weiteren Bemühungen machen brauch, mich ins Bett zu bekommen? Außer zu ihm klipp und klar zu sagen, dass zwischen ihn und mir niemals etwas laufen wird, fällt mir nichts Besseres ein.
 

Auf der Arbeit ist nicht viel los. Ich brachte meinen Chef wie jeden Morgen seinen Kaffee und den Donut. Ich musste mir diesen Morgen anhören wie inkompetent ich doch sei, nur, weil ich seinen Kaffee mal nicht bei Starbucks, sondern bei einem Bäcker um die Ecke, geholt habe und dann drückte er mir mehrere Artikel in die Hand, die ich kontrollieren sollte.
 

Ich bin bereits beim letzten Artikel und wie jeder andere ist er ohne Fehler und perfekt, weshalb mir die Entscheidung, welchen er nehmen soll, besonders schwer fällt, doch ich entscheide mich für den Ersten.

„Sind Sie sicher?", fragt Mr. Baldwin, lässig an meinen Tisch gelehnt und sieht sich den Artikel über Naturschutz noch einmal an.

„Ja, ich teile dieselbe Meinung wie Sie und finde, dass er veröffentlicht werden soll."

„Gute Arbeit Miss Grey." Es gelingt mir ihn zum ersten Mal ein leichtes Lächeln zu entlocken.

„Danke. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, dann würde ich gern Schluss für heute machen."

„Sicher. Gehen Sie ruhig, Lilith."

„Miss Grey", korrigiere ich ihn und versuche meinen höflichen Ton aufrecht zu erhalten. Ich kann mich nicht daran erinnern ihn jemals erlaubt zu haben, mich beim Vornamen zu nennen.

„Miss Grey, natürlich."

Ich schnappe mir mein Handy und schlüpfe in meine dünne Jacke, bevor ich das Gebäude, ausnahmsweise ohne Melanie, verlasse und grinse als ich ein bekanntes Gesicht erkenne.

„Was verschafft mir die Ehre von dir abgeholt zu werden?" Er lächelt und schließt mich in seine Arme.

„Da du gestern nicht wirklich auf meine Anrufe geantwortet hast, wollte ich sichergehen, dass es dir auch wirklich gut geht."

Als er sich von mir löst, ist aus seinem Lächeln ein besorgter Gesichtsausdruck geworden.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich nur mit einer Kollegin trinken war."

„Welche Kollegin?"

„Melanie."

„Melanie.", wiederholt er säuerlich, was daran liegt, dass er sie nicht besonders mag.

„Was hast du gegen sie?" Ich weiß nicht, wieso ich ihm diese Frage nicht schon viel früher gestellt habe.

Er zuckt mit den Achseln. „Sie ist so wild und du so..."

„Langweilig." Ich schürze die Lippen.

„So war das nicht gemeint. Ich finde einfach, dass sie viel zu aufgedreht ist. Versteh das nicht falsch, aber du bist eher der ruhige Typ Frau."

„Ruhig ist eine nette Umschreibung von langweilig."

Er grinst und ich mache es ihm gleich. „Mit dir zu diskutieren bringt nichts. Willst du einen Kaffee trinken?"

„Solang du bezahlst."

Als Mike meine Hand nimmt und seine Finger mit meinen verschränkt, denke ich nichts. Ich kenne ihn schon so lang, dass ich weiß, dass diese Dinge, nichts weiter bedeuten.

Das nächste Kaffee ist nicht mal 5 Minuten entfernt. Es ist dasselbe aus dem ich Mr. Baldwins Kaffee und seinen Donut heute Morgen geholt habe und, obwohl ich es nur ungern zugebe, ist der Kaffee wirklich nicht gut. Der Kaffee ist kalt und lasch.

„Der Kaffee ist grauenhaft.“, sage ich und stelle ihn auf den Untersetzer zurück.

„Besser als nichts.“

Ich zucke mit den Achseln und schaue über seine Schulter hinweg, wo ein Mann mit seiner Freundin den Laden betritt, die beide kaum die Finger voneinander lassen können. Die Leidenschaft der beiden ist ja fast zum Greifen nahe. Als die beiden merken, dass sie angestarrt werden—von mir—erröte ich und senke den Blick auf meine ineinander verschränkten Hände.

„Alles in Ordnung?“

Ich nicke. „Ja, ich bin bloß viel am Nachdenken.“

„Geht mir genauso.“ Er lächelt mir aufmunternd zu.

„Ich weiß nur nicht, wo das hinführen soll.“

Ich sollte meine Freie Zeit damit verbringen, mir eine akzeptable, kleine Wohnung zu suchen, stattdessen sitze ich in einer Bäckerei und trinke schlechten Kaffee.

„Vielleicht sollten wir uns einfach mehr Zeit nehmen, um das herauszufinden.“

Ich nicke. „Ich denke, da hast du Recht. Eine Wohnung zu suchen, beansprucht viel Zeit.“

Mike wirkt plötzlich verwirrt und wird rot. Dann nippt er an seinen Kaffee und spukt ihn wieder in den Becher zurück.

„Der ist wirklich ekelhaft.“ Er zieht eine Grimasse und ich muss lachen, dann gebe ihm eine Serviette, aus dem Serviettenhalter.

„Hm“, mache ich ganz beiläufig.

„Du willst also umziehen? Du bleibst aber in New York?“

„Natürlich.“, sage ich, als wäre es undenkbar in eine andere Stadt zu ziehen.

„Ich liebe New York. Schon seit ich klein bin. Im Moment ist es undenkbar für mich, woanders hinzuziehen.“

„Gut, denn du hast immer noch nicht die Zeit gefunden, dir von mir New York zeigen zu lassen.“

Zeit. Ich finde nicht mal Zeit für einkaufen gehen, da ich neue Sachen brauche. Oder um mir eine Wohnung zu suchen. Oder um darüber nachzudenken, wie ich den Teufel loswerde.

„Ich denke, die Zeit wird sich schon noch irgendwann finden.“ …nachdem ich die anderen drei Dinge erledigt habe—füge ich in Gedanken dazu. Will ich überhaupt letzteres? Natürlich!

„Was beschäftigt dich, Lilly?“ Ich sehe ihn an. Aus irgendeinem Grund, fühle ich mich ertappt und werde rot. „Ich war nur in Gedanken.“

„In Gedanken, also?“

Ich nicke und versuche mir nichts anmerken zu lassen. „Nur in Gedanken. Ich denke einfach darüber nach, wie ich es in New York schaffen soll, mir eine nicht allzu teure Wohnung zu mieten.“

„Du weißt, dass ich Kontakte habe, oder?“ Er sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. Ich hasse es, wenn er das tut.

„Und du weißt, wie unangenehm es mir ist, anderen nach Hilfe zu fragen. Ich will das allein schaffen., Mike.“

„Gut. Aber solltest du doch Hilfe brauchen, musst du mir nur Bescheid geben. Ich will schließlich nicht, das du auf der Straße landest.“ Er zwinkert mir zu.

„Ich glaube das würden meine Eltern schon nicht zu lassen.“

„Bist du dir da sicher? Du kannst ganz schön nervig sein, wenn du mich fragst.“ Er lacht und ich stimme mit ein.

„Nur, weil ich deine Bett Eroberungen nicht gutgeheißen habe, als ich bei dir gewohnt habe, bin ich nicht gleich nervig.“, sage ich empört, schnappe mir eine Serviette, zerknülle sie und bewerfe ihn damit. Er weicht ihr aus und grinst mich schelmisch an.

„Du hast Tiffany regelrecht aus der Wohnung gezerrt, nur, weil sie wollte, dass du uns Frühstück machst. Das war nicht sehr nett.“

„Stimmt, wenn ich so darüber nachdenke, komme ich zu dem Entschluss, dass ich dich aus der Wohnung hätte zerren sollen, nicht Tiffany. Hat sie sich überhaupt nochmal bei dir gemeldet?“ Er schüttelt den Kopf. „Zum Glück. Sie war noch nerviger als du.“

Ich ignoriere sein Kommentar über meine angeblich nervige Art—dabei weiß ich ganz genau, wie nervig er sein kann. Zum Beispiel, wenn ich mal viel zu lang im Bad war. Meistens ist er einfach reingekommen. Völlig gleichgültig ob ich unter der Dusche war, auf Toilette oder vor dem Spiegel. Anfangs war es mir unangenehm, aber mit der Zeit, habe ich mich daran gewöhnt. Das einzige an was ich mich nicht gewöhnt habe—oder gewöhnen wollte—waren seine Betthäschen. Das war auch letztlich der Grund, wieso ich vor drei Monaten bei ihm ausgezogen bin. Das und weil ich das Gefühl hatte, Mike würde sich zwischen uns mehr als nur Freundschaft wünschen. Desto länger ich darüber nachdenke, desto absurder kommt mir der Gedanke. Er ist glücklich mit seinen Betthäschen und ich bin glücklich als Single. Das glaube ich zumindest.

„Was denkst du gerade?“

„An nichts.“, sage ich hastig und trinke von meinem ekelhaften Kaffee.

Er hebt ungläubig die Augenbrauen.

„Soso, verheimlichst du mir etwas?“

Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe auf meine Armbanduhr. Es ist dreiviertelvier. Ich habe kaum noch Zeit bis Er mich abholt um mit mir essen zu gehen.

„Hast du heute noch was vor?“

„Was?“

„Ob du heute noch etwas vorhast. Ist alles in Ordnung?“

Ich nicke. „Ja, ich war nur in Gedanken.“

„Du wirkst so nervös.“

Ich runzle die Stirn, bevor ich besänftigend lächele.

„Alles in Ordnung. Ich habe heut Abend nur ein… Essen.“ Nun runzelt er die Stirn.

„Ein Essen?“, fragt er schmunzelnd.

Ich nicke wieder.

„Mit wem?“

Seine Neugier geht mir gewaltig auf den Geist.

„Mit niemand wichtigem.“, antworte ich schlicht. Ich weiß nicht, wieso er plötzlich so neugierig ist. So kenne ich ihn gar nicht.

„Niemand wichtigem also? Und wieso bist du dann so nervös?“ Er wirkt plötzlich viel zu ernst für meinen Geschmack, also beschließe ich es auf die andere Art zu machen.

„Ich denke gerade darüber nach, wie toll ich es finden würde, wenn du dir morgen Zeit nehmen würdest, um mir New York zu zeigen.“

Mike fängt an zu strahlen und greift über den Tisch hinweg meine Hand.

„Wirklich? Samstag hätte ich sogar Zeit. Wie wäre es, wenn ich dich um sechs abhole?“

„Um sechs? Findest du das nicht ein wenig spät?“

Hastig schüttelt er den Kopf und grinst zuckersüß.

„New York ist die Stadt, die niemals schläft, Süße. Abends geht es hier erst richtig los.“ Er zwinkert mir zu und ich ignoriere, dass er mich Süße genannt hat. Auch wenn es mir schwerfällt, da es mir nicht sonderlich zusagt, dass er mich bei den Spitznamen, seiner Betthäschen nennt.

Ich sehe wieder auf die Uhr und ziehe meine Hand vorsichtig aus seiner.

„Ich muss los. Ich habe noch nichts zum Anziehen.“

„Ich kann dich fahren, wenn du willst.“

„Danke, aber ich bin mit dem Auto meines Vaters hier. Er würde mich umbringen, wenn ich es hier stehen lasse.“, erkläre ich, ohne abweisend zu wirken.

„Vielleicht ein andermal.“

Wir stehen auf und verlassen den Laden. Er begleitet mich schweigend bis zur Firmengarage, wo der Wagen steht.

„War nett mal wieder mit dir zu reden. Ich freue mich auf morgen.“ Er kommt einen Schritt näher und für den Hauch einer Sekunde, habe ich die Befürchtung, er würde mich gleich auf den Mund küssen, doch stattdessen, drückt er mir zart einen auf die Wange. Ich lächele, obwohl ich mich unwohl fühle, umarme ihn kurz und steige dann in den Wagen.

Selbst nachdem ich in drei Läden war, habe ich nichts Passendes gefunden. Ich gebe auf mir etwas Neues zu kaufen. Es ist mir völlig egal, ob ich unpassend gekleidet sein werde. Wenn es ihm nicht passt, werden wir im Ideal Fall nicht ausgehen und er sieht ein, das ich nicht sein Typ bin. Wie könnte ich überhaupt je sein Typ sein? Ich kann zwar behaupten, nicht gerade hässlich zu sein, doch wirklich als schön oder besonders hübsch, kann ich mich nicht bezeichnen. Eher durchschnittlich. Das einzige etwas Besondere an mir, sind meine dunkelbraunen, fast schwarzen, lockigen Haare, die nie so wollen, wie ich es gernhätte.

Als ich zu Hause bin, sind meine Eltern nicht da. Wahrscheinlich sind sie essen gefahren, wie so oft am Freitag. Bevor ich mich umziehe gehe ich duschen Als ich damit fertig bin, frische ich meine Make-Up auf und ziehe mir eine schlichte Bluse und eine dunkle Röhrenjeans an. Das nächste Mal als ich auf die Uhr sehe, ist es bereits kurz vor sechs. Ich bin angespannt. Oder Aufgeregt. Vielleicht auch beides. Damit ich mich nicht allzu dumm anstelle, trinke ich zwei Gläser Scotch, den mein Vater im Wohnzimmer zu stehen hat. Tatsächlich hilft es und ich fühle mich deutlich lockerer als vorher.

Ich sehe auf die Uhr. Noch 4 Minuten. Ich schenke mir ein weiteres Glas ein, als es plötzlich an der Tür klingelt. Für einen Moment, spiele ich mit dem Gedanken, einfach nicht aufzumachen. So zu tun, als wäre ich nicht hier. Dann merke ich, das ich im Wohnzimmer stehe, den Blick in den Gang zur Haustür gerichtet. Das Wohnzimmer ist hellbeleuchtet und wie ich vermute, kann man meine Silhouette genau von dort draußen erkennen.

Ich stehe hier.

Wie ein Depp, mit der Scotch Flasche in der linken und dem Glas in der rechten Hand und starre den langen Gang entlang, bis zur Haustür.

Ich bete zu Gott, dass er mich nicht sehen kann. Gott kann dir nun nicht mehr helfen. Ich stelle den Scotch und das Glas zurück, dort wo ich es herhabe. Dann gebe ich mir einen festen Ruck. Bevor ich die Tür öffne, käme ich mir mit den Fingern durchs Haar und streiche meine Bluse glatt.

Erst dann, als ich damit fertig bin, öffne ich die Tür und blicke einen grinsenden Lucifer entgegen. Er sieht mich an. Er bemüht sich, nicht zu lachen. Innerlich schäme ich mich, doch der Alkohol verhindert glücklicherweise, dass ich erröte.

„Hallo“, sage ich ruhig und schließe vorsichtig Tür hinter mir. Er hält mir die Hand hin. Dann mustert er mich und lässt sie sinken. Sein Gesichtsausdruck wirkt düster, in der Dunkelheit.

„Wieso bist du nicht angemessen gekleidet?“

Ich sehe an mir herab, danach mustere ich ihn genauer. Er trägt einen perfekt Sitzenden, schwarzen Anzug mit einer Silbernen Krawatte und glänzenden Manschettenknöpfen. Nur an den Oberarmen spannt er ein wenig, sonst passt er ihn angegossen.

„Gefällt dir, was du siehst?“ Meine Augen treffen seine und ich werde rot. So wie es scheint, hatte ich nicht genug Alkohol.

„Ich habe nichts Passendes zum Anziehen gefunden.“, sage ich und deute auf mich selbst.

„Das sehe ich.“

Ich beiße mir auf die Unterlippe.

Er sieht mich genauer an. Erst meine Hose, die Bluse und dann mein grauenhaftes Haar. Er streckt eine Hand danach aus und spielt mit einer Haarsträhne, zwischen seinen langen Fingern.

„Du hast schönes Haar.“

„Danke“ Ich schüttle meinen Kopf, damit er es loslässt.

„Gehen wir?“

„Wieso so voreilig?“ Er grinst neckisch.

„Ich will einfach den Abend hinter mir bringen.“

Ganz unerwartet nimmt er meine Hand, die ich ihm zögernd wieder entziehe.

„Ich denke, wir sollten erst einmal essen gehen.“, sage ich und gehe zu seinem Auto. Ich öffne die Tür selbstständig und steige ein. Er ist mit einem anderen Auto hier. Es ist edler und riecht nach Neuwagen.

Als auch Lucifer einsteigt und losfährt, werde ich nervös. Wer wäre an meiner Stelle wohl nicht nervös, schließlich gehe ich mit dem Teufel essen. Ein Date. Ein sehr unfreiwilliges Date.

„Wo fahren wir hin?“

„Es ist nicht weit.“

Minuten, die sich wie Stunden anfühlen verstreichen, während ich aus dem Fenster starre. Es ist still im Auto. Ich kann bereits meinen eigenen Herzschlag hören. Ich versuche mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal so nervös war. Ich glaube das war beim Abschlussball, als Joel mich gefragt hat, ob ich mit ihm dorthin gehen will. Der Abend war grauenvoll. Joel, der Junge, für den ich die ganze neunte und zehnte Klasse geschwärmt habe, war ein Idiot, der nur an das eine interessiert war. Er unterscheidet sich nicht viel, mit dem Mann, der gerade neben mir sitzt. Außer das Lucifer um einiges schärfer ist als Joel. Und das ich Joel doch tatsächlich im betrunkenen Zustand rangelassen habe. Das wird mir mit Lucifer nicht passieren. Das schwöre ich mir.

„Wir sind da.“, verkündet Lucifer und sieht mich an. „Bereit?“

„Hm“

Lucifer öffnet mir dir Tür und als wir in das Resteraunt eintreten, ist es vollkommen leer und dunkel. Erst als ein Mann im Smoking zu uns stößt, schaltet sich das Licht ein und der edle Raum wird erhellt. „Sir“ Der Mann im Smoking nickt Lucifer zu und deutet auf einen freien, gedeckten Platz. Es ist der einzige Platz, auf welchen frische Blumen stehen und eine lange, weiße Kerze vor sich hin brennt. Obwohl ich weiß, wo unser Platz ist, bleibe ich verwirrt stehen und lasse meinen Blick durch das Resteraunt gleiten.

Der Mann im Smoking verschwindet endlich und ich sehe den fremden Mann, der meine Mutter und meinen Vater getötet hat, an.

„Du hast den Laden gemietet?“, frage ich bestürzt und verwirrt gleichzeitig.

Lucifer nickt, ohne jegliche Miene und reicht mir seine Hand.

„Beeindruckend, nicht?“ Die Art und Weise, wie selbstgefällig er redet, stört mich. Auch wenn er wirklich gut aussieht- mehr als nur gut- weiß ich bereits jetzt, dass ich diesen Mann niemals an mich heranlassen werde. Das einzige, was ich mit ihm tun werde, ist hier zu essen und mich von ihm nach Hause fahren lassen. Danach hoffe ich, dass er versteht, dass seine Bemühungen nichts bringen. Von mir aus hätte er diesen teuren Schuppen auch kaufen können, nur um heute ungestört mit mir zu sein. Das ist mir egal.

„Findest du das nicht ein wenig protzig?“, frage ich vollkommen unbeeindruckt, während ich an ihn vorbeigehe und mich an unseren Platz setze. Er setzt sich ebenfalls, ohne seinen aufmerksamen Blick von mir zu nehmen.

„Ich dachte, ihr würdet das Romantisch finden.“

„Ihr?“ Ich sehe ihn fragend an, woraufhin er sagt: „Frauen“

„Du glaubst wirklich, du weißt wie Frauen ticken, oder?“

Der Mann im schicken, sicherlich sehr teuren Smoking, kehrt zu uns zurück und bringt uns zwei Karten. Einmal die Speisekarte und einmal die Weinkarte, welche ich erst gar nicht in die Hand nehme. Bevor der Mann, der unser Kellner zu sein scheint, verschwindet, bestelle ich ein Glas Sprudelwasser, woraufhin Lucifer mich über die Karte hinweg ansieht.

„Ich mag Wein nicht besonders.“, lüge ich achselzuckend und sehe mir die Speisekarte an. Eigentlich liebe ich Wein, aber er muss das nicht wissen.

„Natürlich nicht“, entgegnet er belustigt, als ob er genau weiß, dass ich gern Wein trinke. Er ist beschäftigt mit der Karte, also sehe ich ihn mir noch einmal genau an. Unauffällig schiele ich über die Karte, sehe mir seine gepflegten Hände an und versuche zu erkennen, was das für ein Ring um seinen Zeigefinger ist. Dann lasse ich meinen Blick nach oben gleiten, woraufhin zwei blaue Augen meine treffen.

„Wie wäre dann Champagner?“

„Nein, danke.“ Ich werde rot, weil er mich erwischt hat, wie ich ihn angesehen habe und senke mein Blick auf die Karte.

Der Kellner bringt mir mein Wasser, währenddessen bestellt Lucifer für uns beide, da mir völlig egal ist, was ich esse.

„Und zwei Gläser des Hausweines.“

Der Kellner sammelt die Karten ein und verschwindet sofort wieder.

„Ich sagte doch, ich mag Wein nicht.“

„Und ich glaube dir nicht.“, sagt er, und ich trinke einen Schluck Wasser. Vielleicht ist Wein doch nicht schlecht. So überstehe ich den Abend wenigstens, ohne ständig verlegen zu sein.

„Wieso willst du das ich Wein trinke?“

Er lächelt und sieht dabei hinreißend aus. Verdammt!

„Ich möchte nur, dass du dich entspannst.“

Der Kellner kommt mit den Gläsern Wein und stellt sie bei uns ab. Dann verschwindet er erneut schnell. Aus irgendeinen Grund habe ich das Gefühl, er weiß wer Louis ist. Er wirkt so eingeschüchtert und ruhig, wie jemand, der sich im Klaren ist, den Teufel vor sich zu haben.

Ich stoße nicht mit Lucifer an, sondern trinke sofort einen Schluck, um festzustellen, dass der Wein köstlich ist. Nach meinem zweiten Schluck, schließe ich kurz genießerisch meine Augen und sehe mich im halb beleuchteten Raum um. Ich muss zugeben, es ist romantisch. Aber es beeindruckt mich aus irgendeinen Grund einfach nicht.

„Wie ich sehe, gefällt dir der Wein.“

Ich nicke, ohne ihn anzusehen, denn der Kellner bringt unser essen.
 

„Über was denkst du nach?“

Ich schüttle den Kopf und trinke noch einen Schluck, von meinem dritten Glas Wein. Das Essen war wirklich toll und der Wein schmeckt von Glas zu Glas noch besser. Mir Mut anzutrinken, war zwar keine gute Idee, denn ich fange an, Lucifer zu mögen, obwohl er arrogant ist. Und dazu noch der Teufel.

„Ich verstehe nicht, was du von mir willst.“

„Das sagte ich doch bereits.“

Seine vollen Lippen, verziehen sich zu einem leichten grinsen, und er greift über den Tisch hinweg meine Hand, um sanft meinen Handrücken zu massieren.

„Und was ist danach? Was ist, wenn du mich gevögelt hast? Dann hast du das bekommen, was du wolltest.“, plappere ich frei heraus und ziehe meine Hand weg. Er hebt erstaunt eine Augenbraue und lehnt sich in seinen Stuhl zurück.

„Finde es doch heraus.“

Ich sehe ihn mit großen Augen an. Was meint er? Das ich mit ihm schlafe? Auf gar keinen Fall.

Wie kommt er darauf, dass ich jetzt schon mit ihm schlafen würde?

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, deshalb lehne ich mich ebenfalls zurück und schlage meine Beine vorsichtig übereinander.

„Du hältst dich für perfekt, nicht wahr?“

Schmunzelnd nickt er, ohne seinen Blick von mir zu nehmen.

„Und du bist heiß, also was spricht dagegen?“ Er wirkt so selbstgefällig.

„Ich kenne dich nicht.“

„Ich kenne viele Frauen, mit denen ich schlafe, nicht.“, erwidert er mit rauer Stimme.

Ekelhaft! Einer Frau unter die Nase zu reiben, dass er bereits mit vielen Frauen geschlafen hat, ist ziemlich unpassend, wenn man bedenkt, dass er mich ins Bett kriegen will. Weil ich nicht antworte, lässt er die Rechnung bringen, und bezahlt. Dabei sehe ich ihn einfach nur zu. Ein heißer Mann, Mitte dreißig, muskulös, mit perfekten Wangenknochen und wunderschönen Augen. Welche Frau, würde da nein sagen? Wäre er nicht so ein selbstgefälliges Arschloch. Ich bereue es, mich auf dieses Essen eingelassen zu haben. Und ich bereue es, drei Gläser Wein, mehr oder weniger, gegen meinen Willen getrunken zu haben.

„Wie wäre es mit einem Deal?“

„Kommt darauf an, wie der Deal lautet.“

„Ein teures Hotelzimmer und Wein. Danach bist du mich los.“

„Du glaubst wirklich, ich bin leicht zu haben?“ Mein Tonfall ist schärfer geworden, und ich zwinge mich dazu, nicht aufzustehen und zu gehen, selbst wenn das eine vernünftige Idee ist.

„Tu ich nicht. Ich mag es einfach nicht, auf etwas zu warten.“

„Gut, lass uns gehen.“

Ich stehe auf und trinke den letzten kleinen Schluck Wein. Lucifer sieht mich ungläubig an, bis er auch aufsteht und mir seine Hand hinhält, die ich zögernd ergreife.

Während der Autofahrt, kann er sich ein dümmliches Grinsen nicht verkneifen, weshalb ich die Augen verdrehe. Dieses Grinsen, wird ihm vergehen.

Das Hotelzimmer ist riesig und schick eingerichtet. Aus Neugier sehe ich sogar ins Schlafzimmer, in welchen ein wunderschönes, riesiges Bett ist. Weil ich langsam die Erschöpfung des langen Tages spüre, setze ich mich ins Wohnzimmer und blicke aus dem Panoramafenster. New York bei Nacht ist atemberaubend schön, und stände ich nicht so unter Druck, weil Lucifer gleich wiederkommt, könnte ich diesen Ausblick wirklich genießen.

„Der Ausblick in meinem Apartment ist noch besser.“

Erschrocken drehe ich mich um und blicke Lucifer entgegen, der bereits sein Jackett abgelegt hat. Die ersten zwei Knöpfe seines weißen Hemdes sind geöffnet und man kann ein paar schwarze Haare darunter erkennen. Seine silberne Krawatte wirft er einfach auf den kleinen Tisch, vor der schwarzen Couch, dann setzt er sich zu mir und reicht mir ein Glas Champagner.

„Danke,“ murmle ich. Ich komme mir wie eine Idioten vor, denn ich habe keine Ahnung, was ich tun oder sagen soll. Normalerweise mache ich so etwas eigentlich nicht.

Bevor ich mich versehe, rutscht er näher an mich und legt eine Hand auf meinen Oberschenkel. Zum Glück trage ich eine Hose und keinen Rock oder ein Kleid. Vermutlich wäre seine Hand sonst schon längst zwischen meinen Schenkeln verschwunden.

Nervös trinke ich einen großen Schluck.

„Zieh dich aus, für mich.“

Ich verschlucke mich.

Hustend stelle ich das Glas auf den Tisch ab. Lucifer klopft mir sanft auf den Rücken, bis ich mich beruhigt habe und ihn ansehe. Dann kann ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen.

„Du willst, dass ich mich ausziehe? Jetzt?“

Lucifer nickt mit todernster Miene. Er lässt seinen Blick kurz und unverhohlen an mir auf und abgleiten.

„Wieso ziehst du dich nicht zuerst aus?“, schlage ich vor, dabei bin ich selber überrascht, über mich selbst. Er runzelt die Stirn und ich zucke mit den Achseln. Das könnte spaßig werden, wenn er keine Sachen mehr hat und ich in Ruhe verschwinden kann. Der kurze Abend war ein Reinfall. Der Teufel ist nicht charmant, sondern er ist einfach nur Notgeil und Arrogant. Eine spektakuläre Abfuhr hätte er verdient.

„Bitte“ Ich lächele zuckersüß und lehne mich zurück. Der Alkohol zeigt endlich seine erhoffte Wirkung und macht mich mutig. Das muss ich auch sein, wenn er sich vor mir auszieht.

„Gut“ Er steht auf und ich sehe mit offenem Mund zu, wie er mein Glas leert und beginnt, während er sich hinter den Tisch stellt, sein Hemd aufzuknöpfen. Wie gebannt sehe ich zu, wie immer mehr von seinem Muskulösen Oberkörper entblößt wird, bis sein Hemd offen ist und er es auf die Couch neben mir wirft.

Wo ist der Alkohol?

Weiterhin beobachte ich ihn, wie er den Reißverschluss seiner Hose öffnet.

Ich stehe auf und gehe ins Badezimmer. Das ist zu viel auf einmal. Ich bin keiner dieser Frauen, die mit einem Mann schlafen kann, den sie nicht kennt. Das war ich noch nie und das werde ich nie sein. Ganz egal wie gutaussehend der Mann ist. Selbst wenn er so scharf ist wie Lucifer.
 


 

Nachdem ich einen Kaffee getrunken und ein Toast zu mir genommen habe, gehe ich ins Bad und bändige meine wilde locken Mähne. Es ist 8 Uhr und ich bin Todmüde. Melanie und Molly wollen mit mir shoppen, weil sie mir etwas Gutes tun wollen. Wenn sie wüssten, dass ich lieber zu Hause im Bett bleiben würde.

Nachdem ich fertig mit meinen Haaren bin, ziehe ich mich an. Sofort als ich meinen Kleiderschrank öffne und meine weiße Bluse erblicke, denke ich an den gestrigen Abend und meine Wangen beginnen zu jucken.

Heute ziehe ich mal keine Bluse an. Stattdessen nehme ich ein schwarzes Top und eine schlichte Jeans. Dazu Sneakers. Meine Füße müssen sich vom ständigen tragen meiner ungemütlichen High Heels erholen.

Mell und Molly holen mich bereits eine halbe Stunde früher, als sie angekündigt haben, ab und haben mich skeptisch unter die Lupe genommen. Mell hat mich dazu gezwungen, meine Enge, ungetragene schwarze Hose anzuziehen und dazu mein schwarzer Tank top mit V-Ausschnitt.

„Wieso der Aufwand für eine Shoppingtour?“

„Weil wir später vorhatten, was trinken zu gehen. Und du kommst mit.“, klärt Molly mich auf und steigt in den Wagen. Ich steige hinten ein und schnalle mich an, was Mell und Molly nicht tun, als sie losfahren.

„Eigentlich wollte Mike mit mir…“

„Jaja, er kommt mit. Er fährt uns und muss nüchtern bleiben.“

„Ich könnte auch fahren.“, schlage ich vor, aber das steht anscheinend nicht zur Debatte.

„Nein, du trinkst mit uns. Von mir aus, kannst du auch deinen heißen Loverboy mitbringen.“

Ich kann Mells grinsen im Rückspiegel erkennen und trete gegen den Sitz. Sie stößt ein empörtes aua aus und fängt an zu lachen.

Nach dem gestrigen Abend, werde ich ihn sicherlich nicht dazu einladen, mit uns trinken zu gehen.

„Wie war eigentlich euer essen?“, fragt Molly und ich wundere mich, weil ich ihr nichts davon erzählt habe. Aber als Mell ihr dann auf den Oberschenkel haut, kann ich mir denken woher sie es weiß. Sie war schon immer eine Plappertasche.

„Ganz in Ordnung.“, lüge ich und hole mein Handy aus meiner Tasche. Ich tue so, als wäre ich beschäftigt, eine Nachricht zu schreiben, aber der Plan geht nach hinten los.

„Schreibst du gerade mit ihm?“ Mells Stimme klingt, als würde sie platzen vor Neugier.

„Nein, ich schreibe“ Wem schreibe ich eigentlich? Mir fällt ganz spontan nur meine Mum ein. „Meiner Mum, das ich heute Abend spät komme.“

Genau das mache ich jetzt auch. Vielleicht etwas übertrieben, aber ich will nicht, dass sie sich sorgen macht. Und wie erwartet, antwortet sie mir nicht. Sie ist noch immer sauer, wegen Donnerstag und dem, was ich gesagt habe.

„Ahja, und was ist gestern Abend noch so passiert?“

„Wir waren essen und danach haben wir etwas bei ihn getrunken.“ Das ist sogar nichts ganz gelogen. Nur fehlt da dieses kleine Detail, dass er sich einen Spaß mit mir erlaubt und mich dann ohne weiteres weggeschickt hat.
 


 

Ich höre ihn leise lachen und ziehe mein Handy aus meiner Tasche. Dann schreibe ich Mike, ob er mich mit dem Auto abholen kann. Er antwortet sofort. Klar. Wo bist du?

Scheiße! Wo bin ich? Wie heißt das Hotel?

Ich blicke mich hektisch im Badezimmer um und erkenne eine Innschrift im Handtuch.

Kimpton Muse Hotel

Ich schreibe es ihn sofort und er schreibt, dass er in zehn Minuten vor dem Hotel parkt, da er gerade in der Nähe ist.

Gerade als ich Erleichterung verspüre, schnappt man mir das Handy aus der Hand und legt es neben das Waschbecken.

„Wir haben also noch zehn Minuten. Denkst du, das kriegen wir hin?“, flüstert er und ich bekomme Gänsehaut. Ich traue mich nicht, mich umzudrehen, weil ich weiß, dass er nackt ist und das macht mich nervös. Noch nervöser als zuvor. Vor allem war ich noch nie in so einer Situation. Wer war das schon?

„Wieso drehst du dich nicht um?“, fragt er mit weicher Stimme.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Ich stehe einfach nur da und spüre seinen Oberkörper an meinen Rücken.

Dann legt er eine Hand an meinen Oberarm und ich zucke zusammen.

„Entweder, wir bleiben zehn Minuten lang so stehen oder du drehst dich um und wir vergeuden nicht länger unsere Zeit.“

Ich entscheide mich für das stehen bleiben und schüttle den Kopf.

Er fängt an zu lachen und lässt von mir ab.

„Hab ich mir gedacht. Du bist aber keine Jungfrau mehr, oder?“

Wieder diese direkte Art, mit der ich nicht umgehen kann. Wer fragt denn sowas?

„Nein, ich bin keine Jungfrau!“, sage ich barsch und schnappe mir mein Handy. Mike müsste gleich da sein.

„Gut, denn ich stehe nicht auf Blümchen Sex und den ganzen Kram.“

Ich lasse mir den Begriff Blümchensex durch den Kopf gehen, aber der sagt mir nichts. Ist das eine Stellung?

„Überlegst du es dir gerade anders? Weil wenn nicht, kannst du jetzt gehen. Ich stehe nicht besonders auf passive Frauen. Ich stehe eher darauf, wenn sie willig sind und sich nehmen, was sie wollen.“

„Wieso hast du mich dann mit hier hergenommen?“

Bevor ich mich umdrehe, schließe ich meine Augen und will aus dem Badezimmer verschwinden. Stattdessen laufe ich gegen Lucifer und öffne sie nun doch. Den Blick in sein makelloses Gesicht gerichtet.

Bloß nicht nach unten sehen!

„Aus Neugier“ Er streckt eine Hand nach meinem Gesicht aus und lässt zärtlich zwei Finger meine Wange entlang gleiten.

„Ich wurde amüsiert und habe dich neugierig zugleich gemacht.“

„Neugierig auf was?“

„Das wirst du früh genug erkennen.“

Mein Handy vibriert. Mike steht sicherlich da.

„Wir sehen uns, Baby.“

Er macht Platz, damit ich vorbeigehen kann. Im Wohnzimmer liegen seine Sachen auf einen Haufen. Etwas hindert mich zu gehen.

Ich habe ihn amüsiert?

Na mal sehen, wie sehr es ihn amüsiert, nackt aus dem Hotel zu verschwinden.

Bevor er aus dem Badezimmer kommt, schnappe ich mir seine Sachen und verschwinde aus dem Apartment. Ich steige in einen freien Fahrstuhl und fahre ins Foyer. Draußen erwartet mich bereits Mike, der mir die Autotür aufhält. Als er den Haufen Sachen in meinen Armen sieht, wirkt er verwirrt. Ich werfe den Haufen ins Auto und steige ein.

„Was sind das für Sachen, Lilly?“

Ich fange an zu grinsen.

„Bring mich einfach nach Hause.“

Bevor Lucifer Wind von der Sache bekommt.

„Wo wollen wir zuerst hin?“, frage ich, obwohl es mir total egal ist, solange ich an etwas anderes, als an Lucifer denken kann.

„Ins Sugar Cookies“, schlägt Molly vor, aber ich habe keine Ahnung was und wo das sein soll.

Klingt wie eine billige Stripbar.

„Was ist das?“

„Ein Unterwäsche Shop. Vielleicht findest du da ja etwas, was Louis gefallen könnte.“

Reflexartig muss ich daran denken, was er gestern zu mir gesagt hat.

„Ich habe genug Unterwäsche“, lüge ich, damit sie mich in Ruhe lässt.

„Ich kennen deinen Kleiderschrank und deine schlichte Unterwäsche Lilly. Und da ich dir noch nichts zum Geburtstag geschenkt habe, geht der Unterwäsche Einkauf von dir auf mich.“

„Ehrlich gesagt, würde ich lieber…“

„Kommt nicht in Frage.“, mischt sich Molly ein und dreht ihren Kopf in meine Richtung.

„Ein bisschen Make Up könntest du auch vertragen und ein paar neue Schuhe würden dir auch nicht schaden.“

Um Gottes willen… Das wird die Pure Folter. Einen ganzen Tag mit Mell und Molly, die es kaum erwarten können, aus mir eine von ihnen zu machen.

Jetzt weiß ich wieder, wieso ich ungern mit ihnen Shoppen gehe.
 

Im Dessoushop sitze ich die meiste Zeit rum und trinke Champagner, der uns angeboten wurde. Mell hat bereits eine Hand voll Unterwäsche und Molly sucht nach weißen Spitzenstrümpfen.

Ich trinke den letzten Schluck und stelle das Glas bei Seite. Ich hoffe wirklich, dass das hier nicht allzu lang dauert, denn im Augenblick, bereue ich es mitgekommen zu sein, statt mein gewohntes Wochenende im Bett zu verbringen und Friends zu schauen. Und ich überlege wirklich, aufzustehen und mir ein Taxi zu nehmen. Aber Molly steht plötzlich vor mir und hält mir etwas vor mein Gesicht.

„Probiere das an. Ich glaube, das ist deine Größe, aber ich bin mir nicht sicher, weil du eine größere Oberweite hast als ich.“

Ich starre das Ding vor mir an. Es sieht aus, wie ein Korsett, nur aus schwarzer Spitze und dazu schwarze spitzen Strümpfe, was rein gar nicht zu mir passt.

„Ich weiß nicht“

„Komm schon! Das ist heiß und du hast einen tollen Körper! Probiere es wenigstens an. Dein Neuer würde sich sicher darüber freuen.“, jammert Molly, und ich muss lachen. Sie versucht mich weiter zu überreden, während sie ebenfalls Champagner angeboten bekommt. Selbst die Verkäuferin stellt sich auf ihre Seite und ratet mir, es anzuprobieren, da es mir hervorragend stehen würde. Aber das muss sie natürlich sagen, dass weiß ich, trotzdem gebe ich mich geschlagen und verschwinde in die Umkleide um es anzuprobieren.

Ich habe ernsthaft erwartet, ich würde wie eine Presswurst in dem engen Teil aussehen, da es eigentlich eine Nummer zu klein ist, aber es passt wir wie angegossen und bringt meine Oberweite wunderbar zur Geltung, ebenso wie meine schlanke Taille.

Plötzlich wird der Vorhang aufgerissen und ich schnappe mir meine Jacke, die ich mir vor meinem Körper halte.

„Erschreck mich doch nicht so!“

Melli lacht und ich lege die Jacke weg, damit sie sehen kann, wie ich aussehe.

„Lilly, du siehst rattenscharf aus!“

Ich erwische mich bei dem Gedanken, wie Lucifer das finden würde. Ihm würden sicherlich die Augen ausfallen, wenn er mich so sehen könnte, aber das wird er nie. Das nehme ich mir fest vor.

„Ich habe hier noch einige BHs, mit passenden Slips. Vielleicht willst du die auch anprobieren?“

„Ich glaube, ich habe erstmal genug von Unterwäsche. Können wir bezahlen?“, sage ich mit einem letzten kurzen Blick in den Spiegel.

Melli sieht mich kopfschüttelnd an und schließt den Vorhang, damit ich mich wieder umziehen kann.

Obwohl ich die andere Unterwäsche nicht anprobiert habe, die sie mir andrehen wollte, kauft sie sie trotzdem.

„Wenn sie dir nicht passt, kannst du sie mir geben.“, sagt sie lächelnd, auf meinen fragenden Blick.

Ich weiß bereits jetzt, dass ich die Unterwäsche kaum anziehen werde, selbst wenn sie mir passt. Sie sieht ziemlich unbequem aus.

„Wie spät ist es?“

Ich sehe auf mein Handy. Wir haben fast 2 Stunden dort drin verbracht. Ich halte Melli mein Handy hin und sie sieht auf die Uhr.

„Mike hat mir geschrieben.“

„Bitte sag mir nicht, er kann uns nicht fahren?“

„Doch, kann er, aber er bringt eine Begleitung mit.“

Molly verdreht ihre Augen und Melli wirft mir einen seltsamen Blick zu. Wir beide wissen, dass Molly ein wenig in Mike verknallt ist. Irgendwie tut sie mir ja leid. Mike ist zwar mein bester Freund, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Womanizer ist und jede Nacht eine neue hat.

„Vielleicht ist sie eine Freundin?“, sage ich, aber wir alle wissen, dass das nicht der Fall sein wird.

„Soll er doch machen was er will.“ Molly geht aus dem Laden, ohne uns nochmal anzusehen.

„Ich verstehe nicht, wieso Mike das macht. Er weiß ganz genau, dass Molly ein Auge auf ihn geworfen hat, seit sie sich beim letzten Mal geküsst haben.“

„Sie haben sich geküsst?“, frage ich, ehe ich mich bremsen kann.

„Ja, die beiden waren ziemlich dicht.“

„Oh.“ Mehr bringe ich nicht heraus.

„Vielleicht bringt er auch nur eine Begleitung mit, um dich Eifersüchtig zu machen.“

„Was? Wie kommst du darauf, dass er mich eifersüchtig machen will?“

Ich will ihre Antwort eigentlich nicht hören und ich bin froh, dass sie mir keine gibt, da wir gerade in den Wagen steigen.
 

Der Shoppingtag war eine Qual. Mittlerweile haben die meisten Läden geschlossen und wir gehen nur noch kurz etwas essen, bevor Mike uns abholt. Im Schlepptau hat er eine aufgetakelte Blondine, die an ihn klebt, wie eine nasse Haarsträhne auf der Stirn nach dem Sport.

Molly versucht sich nichts anmerken zu lassen, aber sicherlich brodelt es in ihr vor Eifersucht. Ich hingegen bin es bereits gewohnt und gebe der Blondine namens Tasha die Hand und lächele sie an. Als Mike sich von ihr löst, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken und mich zu umarmen, zieht sie einen Schmollmund mit ihren rosa Lippen, bis er wieder einen Arm um sie legt und ihr die Autotür aufhält.

„Wo soll es hingehen?“, fragt er so professionell, wie ein Chauffeur.

Tasha kichert und Molly ignoriert ihn. Ich kenne keine guten Bars, also halte ich die Klappe und überlasse die Entscheidung Melli.

„Wie wäre es mit Luce?“ Melli stupst mich von der Seite an. Das kann nicht ihr ernst sein. Ich habe das Gefühl, sie will mich heute wirklich, mit der ganzen Louis Sache, auf die Palme bringen.

Mike sieht auch nicht von der Idee begeistert aus. „Wirklich? Da kommt man nur schwer rein.“. meint er, nach einer langen Pause.

„Du kriegst uns da schon rein. Du bist ziemlich angesehen, Playboy.“

Ich fange an zu lachen und verstumme, weil Mike mir einen warnenden Blick über die Schulter hinzuwirft.

„Na schön“, grummelt er.

Ich seufze, lehne mich ans Fenster und bete zu Gott, nicht auf Lucifer zu treffen. Jetzt wo ich weiß, dass Gott wirklich existiert, beschließe ich das öfter zu tun. Vielleicht tut er mir ja den einen oder anderen gefallen, denn ich denke nicht, dass Gott möchte, dass jemand wie ich, sich mit dem Teufel abgibt. Außer er nimmt mir die Sache aus der dritten Klasse übel, als ich bei einem Mathetest abgeguckt habe und sogar die bessere Note bekam, als mein Sitznachbar. Das liegt mir bis heute ein wenig schwer auf den Magen, wenn ich daran denke, wie enttäuscht Joshua aussah.

„Alles ok?“, fragt Melli leise und ich nicke lächelnd.

„Sicher? Willst du woanders hin?“

Eigentlich möchte ich ja sagen, aber irgendwie gefällt mir ein wenig der Reiz, auf Lucifer zu treffen.

„Nein. Schon in Ordnung. Die Bar war ok.“

Vielleicht ist ja Alice wieder da. Sie schien mir nett.

„Na dann. Hoffentlich ist Louis auch wieder dort.“ Sie zwinkert mir verschwörerisch zu. Ich verdrehe die Augen.

„Wer ist Lois?“, will Mike wissen.

„Der Typ, dem die Bar gehört.“

„Soviel ich weiß, nennt der Typ sich Lucifer. Kennt ihr ihn?“

Ich versuche Melli mit blicken zu signalisieren, dass sie ihre Klappe halten soll, aber sie lacht nur.

„Ja, er ist Liliths neuer Freund.“

„Freund?“ Mike wirft seinen Kopf in meine Richtung und ich starre aus dem Fenster, um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Wir waren ein Paar mal aus.“, lüge ich. Tasha stellt das Radio lauter, sodass er mir keine weiteren Fragen stellen kann. Also starre ich während der restlichen Fahrt aus dem Fenster und stelle mir jegliche Szenarien zwischen Lucifer und mir vor, die stattfinden könnten, sollte ich auf ihn treffen. In jeder davon, blamiere ich mich, was nicht ganz untypisch für mich wäre.

Mike bleibt schließlich vor der Bar mit dem Auto stehen und weist uns alle hin, auszusteigen. Es kommt mir vor, als wäre er schon einmal hier gewesen, denn er wirft einen kleinen Mann im Anzug die Autoschlüssel zu und nimmt seine Begleitung an die Hand.

„Letztes Mal, war es aber nicht so voll!“, sage ich erschrocken, als ich die riesige Warteschlange vor dem Gebäude sehe.

„Ich bring uns da schon rein.“, antwortet Mike distanziert, und klingt für meinen Geschmack viel zu arrogant.

„Wenn du meinst.“, erwidere ich daraufhin unbeeindruckt. Tasha schmiegt sich enger an ihn und Molly versucht woanders hinzusehen.

Während Mike mit dem Türsteher redet, bleiben wir etwas weiter abseitsstehen. Ich halte Ausschau nach einem gutaussehenden, großen Mann, mit schwarzen Haaren Ausschau. Ich sehe einige, nicht ganz so groß und attraktiv, und hoffe, dass ich ihn auch drin nicht sehen werde.

Von weiten beobachte ich, wie Mike den Türsteher kurz in die Arme schließt. Wenn das mich nicht schon genug überrascht, winkt uns der Türsteher zu sich und er lässt uns vorbei.

„Lilith, richtig?“, fragt er, bevor er mich als letztes rein lässt. Ich nicke und er zwinkert mir zu. Dann lässt er mich durch, aber ich bleibe für einige Sekunden verwirrt stehen, weil ich mich Frage, ob ich ihn gestern schon gesehen habe, aber das war ein anderer Türsteher. Dieser hier ist geschätzte 2 Meter groß, mit einer Glatze und unter seinem schwarzen Shirt sieht man bereits, dass er übertrieben viele Muskeln besitzt. Seine Augen sind fast schwarz wie die Nacht und da trifft mich die Angst. Vielleicht liege ich auch falsch, aber ich glaube, das ist kein Mensch, sondern ein Dämon. Ich hole die anderen im nu ein und drehe mich noch einmal kurz um. Er sieht mir kurz nach, stupst den anderen Türsteher neben ihn an und dieser hält sich etwas im Ohr fest, dreht sich um und sagt etwas. Ich glaube, er redet mit jemanden, über ein Gerät welches sich in seinem Ohr befindet.

Jemand fasst mir an die Schulter und zucke zusammen.

„Da drüben!“ Melli zeigt nach unten, während wir die Treppe nach unten gehen.

Ich sehe sie fragend an, weil ich nicht weiß, was sie meint.

„Egal“, brüllt sie, weil die Musik so laut ist.

Ein Typ nach den anderen nickt mir zu oder lächelt mich an. Die meisten von ihnen wirken schon betrunken und wahrscheinlich suchen sie entweder einen Schlafplatz oder jemanden, der mit ihnen ein Bett diese Nacht teilt. Ich werde mir diese Nacht jedenfalls mit keinen von ihnen das Bett teilen.

Als ich neben Mike laufe und mich durch die Menge quetsche, würdigt er mich keines Blickes.

„Hey Süße“ Irgendein Typ packt mich am Hintern und ich gehe schnell weiter. Ich versuche so zu tun, als hätte ich nichts gehört. Jetzt weiß ich auch wieder, wieso ich nicht gern feiern gehe.

Ich drängle mich bis zur Bar vor. Melli gesellt sich auch zu mir und Tasha, sowie, was mich verblüfft, Molly schnappen sich die Letzte freie Sitzecke, auf welcher noch die Drinks von denen davorstehen, aber diese schiebt Molly einfach bei Seite, ohne ein Wort mit Tasha zu wechseln, welche nur Augen für unseren Mike hat, der mich die ganze Zeit ignoriert.

Ich halte an der Bar Ausschau nach Alice und finde sie sofort. Als sie mich sieht, grinst sie und kommt sofort zu mir, mit der Wodka Flasche in der Hand und schnappt sich zwei Shots Gläser.

„Hätte nicht erwartet, dich hier zu sehen!“ Weil sie lacht, lache ich auch.

Was meint sie damit? Hat Lucifer ihr von gestern erzählt? Mir wird komisch bei den Gedanken.

„Magst du was trinken?“, fragt sie mich, bevor ich fragen kann, wie sie das gemeint hat.

„Sicher“

Mell stupst mich an.

„Deine hübsche Freundin auch?“, fragt sie und mustert Melli, welche mich ein wenig überrascht ansieht. Sie weiß nicht, dass Alice auf Frauen steht.

„Ja bitte“

Alice schenkt uns zwei ein. Ich zögere kurz, bevor ich ihn mir schließlich Hinterkipper und verziehe das Gesicht vor ekel. Wodka ist scheußlich!

Mike kommt näher zu mir und nimmt mir das Shots Glas aus der Hand.

„Trink bitte nicht so viel.“

„Das ist mein erster gewesen!“

Mike verdreht seine Augen. Wenn ich ihn nicht besser kennen würde, würde ich denken, er ist wütend oder sogar enttäuscht von mir. Er benimmt sich so seltsam.

„Was ist los mit dir? Passt es dir nicht, dass ich mitgekommen bin?“

„Bist du schon betrunken?“, fragt er mich genervt und ich schubse ihn.

„Wenn du ein Problem hast, sag es mir, statt mich so zu behandeln!“

Was bildet er sich eigentlich ein?

„Ich habe kein Problem mit dir.“, versichert er mir und seine Miene wird etwas sanfter. „Molly ist mein Problem.“

Ich habe das Gefühl, dass er lügt, bin mir aber nicht sicher. Da Molly aber irgendwie das Recht hat, ihn zu ignorieren, nehme ich sie in den Schutz.

„Du bist doch selbst schuld. Letzte Woche küsst du sie und heute schleppst du mal wieder eine deiner Bekanntschaften an.“

„Bekanntschaften? Was soll das denn heißen?“

„Das weißt du ganz genau, Mike.“

„Bist du eifersüchtig?“

Wie kommt er denn jetzt auf die absurde Idee?

„Nein, bin ich nicht. Aber Molly. Ich halte es für eine gute Idee, dass du und Tasha verschwindest.“

Mike lacht auf. Wahrscheinlich findet er es auch noch lächerlich, dass Molly sich in ihn verguckt hat.

„Und wer fährt euch?“

Ich blicke in die Menge, verdrehe die Augen. Darüber habe ich nicht nachgedacht. Bis vor einer Stunde hätte ich noch vorgeschlagen, dass ich das tue, aber jetzt, nach meinem ersten Wodka, habe ich Lust noch mehr zu trinken.

„Keine…“ Melli stupst mich schon wieder an und zeigt dieses Mal auf einen Mann, der sich mit dem Türsteher von draußen unterhält. Dieser Mann ist natürlich kein anderer als Lucifer.

Als würde er genau wissen, dass ich ihn ansehe, sieht auch er mich an und ein unwiderstehliches grinsen bildet sich auf sein makelloses, attraktives Gesicht.

„Lucifer fährt uns.“, beschließe ich, was ich zu hundert Prozent bereuen werde. Mein Beschluss zeigt seine gewünschte Wirkung. Mike sieht erst mich, dann Lucifer an, dann nickt er, ohne mir auf Wiedersehen zu sagen und verschwindet zu Tasha, welche sich gar nicht darauf freut, schon zu gehen. Aber als er ihr etwas ins Ohr flüstert, grinst sie über beide Ohren und ich kann mir denken, dass es etwas mit Sex zu tun hat.

„Melanie", begrüßt sie, natürlich keine anderer als Lucifer und stellt sich dorthin, wo Mike noch bis vor wenigen Augenblicken stand.

Ich sehe ihn kurz an, wende meinen Blick aber wieder schnell ab, da mir die Röte in meine Wangen steigt. Und auch wenn ich ihn nicht ansehe, weiß ich, dass er selbstgefällig grinst. Alice kommt zu uns zurück.

„Die Drinks sind für die Ladys umsonst, Alice.", verkündet er stolz, weil er nun mal der Inhaber der Bar ist und beugt sich zu mir rüber. Ein unwiderstehlicher Geruch steigt mir in die Nase. Er riecht nach teuren Duschgel und Schnee, der in der Sonne knistert. Seine Augen mustern mich unverhohlen, studieren mich ein, so wie es wirkt, bis er mir wieder in die Augen blickt.

„Hätte nicht gedacht, dich hier zu sehen. Hattest du etwa Sehnsucht?", neckt er mich und sein Arm, legt sich um meine Hüfte. Ich halte ihn nicht einmal auf. Sehe ihn einfach nur an und dann blicke ich hilfesuchend zu Melanie, aber sie ist verschwunden, zu Molly gegangen, hat mich in Stich gelassen. Ich kann es nicht fassen. Das tut sie doch mit Absicht!
 

Natürlich tut sie das!
 

„Was willst du trinken?"

Ich sehe mir die verschiedenen Flaschen, an dem riesigen, grellleuchtenden Glasregal an und entscheide mich doch lieber wieder für Wodka, weil ich weiß, dass der scheiß dort noch scheußlicher schmeckt.

Alice bedient uns natürlich wieder als Erste, obwohl viele andere Menschen noch dort stehen und die andere Barkeeperin kommt nicht wirklich klar. Einmal lässt sie sogar eine Flasche fallen. Lucifer schüttelt nur den Kopf.

„Was hast du dir dabei gedacht, sie hier einzustellen?", fragt Alice und Lucifer zuckt mit den Schultern, weil es ihn nicht interessiert.

Ich sehe mir die Blonde an und kann mir sofort denken, wieso sie hier ist. Sie hat eine große Oberweite, ist hübsch und schlank, mit langen Beinen. Es ist einfach offensichtlich. Selbst für mich, obwohl ich hetero bin. Wäre ich ein Mann, hätte ich sie vermutlich auch eingestellt.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet."

„Ich bin nicht deinetwegen hier!" Mein Ton ist barsch, und er hebt erstaunt eine Augenbraue, aber das ist mir egal. Ich kippe mir den zweiten Shot hinter und schüttele mich vor ekel. Lucifer lacht auf, lässt seine Hand auf Wandertour gehen und bevor er meinen Hintern berührt, schlage ich auf seinen Arm und er nimmt seine Hand weg.

„War dir gestern auch so kalt?" Damit spiele ich darauf hin, dass er keine Sachen zur Verfügung hatte und ich erwarte, dass er wütend sein könnte, aber er grinst nur anzüglich, berührt wieder meinen Rücken, und weil das so unerwartet kommt, bekomme ich Gänsehaut. Nur hoffentlich bekommt er davon nichts mit. Ich seufze.

„Es war einfach, an neue Sachen zu kommen. Aber mich würde interessieren, was aus meinem Anzug geworden ist?"

„Den habe ich in den Müll geworfen.", lüge ich. Der Haufen Sachen liegt noch immer bei mir zu Hause. Er schüttelt darüber nur den Kopf und bestellt mir erneut einen Shot, welchen ich sofort trinke. Wie erwartet, schenkt sie mir neu ein und Lucifer wartet nur darauf, mich abfüllen zu können.

„Danke für die Drinks" Ich lächele, drehe mich selbstbewusst um, um mit dem Shot Glas zielsicher zu Molly und Mell zu gehen. Ohne die Rechnung mit Lucifer zu machen. Dieser hält mich fest, zieht mich zurück. Ich bin so erschrocken, dass der Shot überschwappt und ein bisschen davon auf den Boden landet.

„Ich habe gehört, ich fahre euch heute nach Hause?"

Ich blicke ihn unsicher an. Wie konnte er das hören? Oder kann er etwa Lippen lesen?

„Das habe ich nur gesagt, weil ich wütend auf einen Freund war."

„Mike", stellt er bitter fest und drückt mir die Wodka Flasche in die Hand. Also kennen die beiden sich. Aber woher?

„Du kennst ihn?"

Er geht ignoriert meine Frage.

„Amüsiert euch noch schön." Dann verschwindet er und ich gehe zu den anderen, die sich schrecklich darüber freuen, dass ich gleich eine ganze Flasche Wodka mitgebracht habe.

„Wie läuft's?", fragt Mell, dabei nimmt sie einen großzügigen Schluck aus der Wodka Flasche. Ich weiß genau, auf was sie hinauswill, aber dieses Mal Spiele ich mit.

„Gut. Wir trinken nachher noch etwas zusammen."

Eine Stunde später, ist der Club noch voller, noch stickiger, die Musik lauter und ich bin betrunken. Total voll, rede irgendein Blödsinn über Bücher, aber keiner hört mir so wirklich zu. Selbst wenn ich betrunken bin, bin ich langweilig und das kriege ich jetzt erst richtig zu spüren. Der Alkohol benebelt meinen Kopf und bringt meine langweilige Seite noch mehr zum Vorschein, als im nüchternen Zustand, dabei sollte es doch eigentlich das Gegenteil bewirken? Oder nicht?

Ich will nicht langweilig sein. Jeder findet mich langweilig. Sogar Mike, auch wenn er es anders formuliert hat und seine Worte verletzen mich insgeheim. Ich wäre wirklich gern wie Mell. Wenn ich zu ihr sagen würde, küsse den Typen, der dort drüben an der Bar sitzt und mich die ganze Zeit anstarrt, würde sie es tun.
 

„Fährst du etwas zweigleisig?", neckt Molly mich und ich sehe sie verwirrt an, weiß nicht so wirklich, auf was sie hinaus will, bis sie in Richtung dieses Typen nickt, der mich anstarrt.

„Was? Nein. Der ist gar nicht mein Typ!"

Ist er wirklich nicht. Der Typ ist blond, ziemlich schlank, mit ein wenig Muskeln und sein Gesicht ist mir eindeutig zu... jung. Ich stand schon immer eher auf ältere Männer, zwischen 25 und 35.

Daran ändert auch sein süßes Lächeln nichts.

„Also ich finde ihn süß."

„Dann geh doch zu ihm.", schlage ich vor, aber sie schüttelt den Kopf.

„Ich will nicht die zweite Wahl sein. Geh du lieber zu Lucifer. Der starrt dich nämlich ebenfalls an."

Ich halte Ausschau nach ihn und sehe, dass er nicht weit weg steht und sein Blick öfters in unsere Richtung gleiten lässt, bis sie auf meine treffen un mich fixieren.

„Nun geh schon!" Mell schubst mich und ich stehe unfreiwillig auf. Ein amüsierter Ausdruck, bildet sich in seinen Gesichtszügen und er schüttelt wieder nur den Kopf, genau wie vorhin.

„Nein, ich kann das nicht.", jammere ich, will mich wieder auf meinen Platz niederlassen und mehr trinken, aber Mell hindert mich daran.

„Jetzt sei keine Langweilerin! Riskier doch mal was! Es ist offensichtlich, dass Lucifer verrückt nach dir ist. Genauso offensichtlich ist es, dass du noch keinen Sex mit ihm hattest."

Ich werfe ihr einen empörten Seitenblick zu und beschließe im selben Moment, zu ihn zu gehen, bleibe aber beim halben Weg stehen und halte inne. Eigentlich will ich das doch gar nicht. Ich darf nicht vergessen, wer er ist und was er schon alles für schlimme Dinge getan hat.

Ich blicke noch einmal hilfesuchend zu Mell. Sie lächelt aufmunternd, dann setzt sich der Typ, der mich vorhin angestarrt hat, zu ihr, und ich grinse über beide Ohren, weil sie ebenfalls strahlt und ich werde mutig. Wenn der Typ das schafft, bei einer so schönen Frau wie Mell, schaffe ich das auch. Scheiß egal, wer er ist. Ich will ihn schließlich nicht heiraten, sondern mich nur unterhalten.

Der Mann, der sich gerade mit ihm unterhält, verschwindet, als er mich sieht und Lucifer, sieht mich nicht an. Lieber lässt er seinen Blick durch die volle Bar gleiten, als ich neben ihn stehe, gegen die Wand gelehnt.

Aber er ignoriert mich, will mich ärgern und es funktioniert. Er sieht mich erst an, als ein Typ mich versehentlich anrempelt und „Sorry Süße", murmelt. Jetzt habe nicht nur ich seine Aufmerksamkeit, sondern auch der Typ, der es wirklich wagt, mir an die Hüfte zu fassen, um mich mit zur Tanzfläche zu nehmen. Bevor das aber passiert, packt Lucifer seine Hand, drückt sie und der Typ schreit erschrocken, schmerzerfüllt auf und seine Knie sacken ein.

„Und jetzt entschuldige dich vernünftig, bei der Lady!", knurrt er, und der Typ fleht, dass er ihn losließe. Wie festgewurzelt sehe ich zu, wie er ihm beinahe die Hand bricht und es macht mir nichts aus, weil der Typ aussieht wie einer, der Frauen wie mich gern gegen ihren Willen betatscht.

„Es tut mir leid!", schreit er. Augenblicklich zieht Lucifer ihn auf die Beine. Ein Türsteher taucht in der Menge wie aus dem nichts auf, packt ihn und schleift ihn durch die gesammte Bar, zur Treppe und dann kann ich nichts mehr sehen.

„Alles ok?" Jetzt, wo ich seine Aufmerksamkeit habe, habe ich keine Lust mehr, mich mit ihm zu unterhalten. Das was er kann, kann ich schon lange, selbst wenn es kindisch ist, so zu handeln, es interessiert mich nicht.

Bevor ich gehe, hält er mich wieder fest, seine Hand passt genau um meinen Oberarm und ich sehe ihn an, unschuldig wie ein Engel, obwohl ich das genaue Gegenteil davon bin, wie ich mittlerweile weiß.

„Ich hätte deine Hilfe nicht gebraucht.", sage ich. Es ist undankbar, obwohl ich sogar sehr dankbar bin, denn dank ihn, musste ich mir nicht die Mühe machen, dem Typen einen tritt oder eine Ohrfeige zu verpassen. Ich versuche mich trotzdem von ihm loszureißen.

„Komm schon. Bleib hier." Seine Stimme ist honigweich, wenn auch etwas leise, durch die Musik, und ich bleibe stehen, drehe mich zu ihn um.

„Und was soll ich hier?"

Er zuckt mit den Achseln. „Sag du es mir. Schließlich bist du zu mir gekommen."

„Ja, weil du ständig zu mir rüber gesehen hast."

Er grinst, zieht mich zurück neben sich und sieht mich an. „Ich war nur Neugierig, wie weit du mit der Flasche warst. Und?"

„Leer.", antworte ich, aber mehr als die Hälfte hat Mell und Molly getrunken. Ich vertrage aber so oder so nicht sehr viel Alkohol und nüchtern, bin ich kein bisschen mehr. Aber im Gegensatz zu Molly und Mell, versuche ich mir den Alkohol nicht anmerken zu lassen, nur ab einen bestimmten Punkt, klappt das nicht mehr so, wie ich es gern hätte.

„Und wie fühlst du dich?"

„Hervorragend", erwidere ich.

„Wir können auch gern unsere Abmachung einlösen, wenn du willst.", schlägt er vor, streicht mir eine Locke hinters Ohr und ich erschaudere. Das ist also sein Plan: Mich abfüllen und ins Bett kriegen.

„Was würdest du denn gern mit mir tun?", frage ich zuckersüß und er kommt mir näher. So nahe, war ich ihn noch nie, abgesehen von gestern, als er hinter mir stand. Nackt. Ich denke an seine Bauch- und Armmuskeln zurück und frage mich, ob er trainiert. So ein durchtrainierter Körper kommt doch nicht von allein? Nicht mal, bei dem Teufel höchstpersönlich. Das erscheint mir für unmöglich.

„Wir können es herausfinden, du musst nur ja sagen." Er kommt noch näher. Erst glaube ich, er will mich küssen, tut es aber nicht. Mir wird ganz heiß am Körper, bei der Vorstellung, wo er mich überall mit diesen hinreißenden Lippen küssen könnte, dann schüttle ich innerlich den Kopf, gebe mir selbst eine Ohrfeige.

„Du willst mich wirklich?", hauche ich, stelle mich auf die Zehenspitzen und lege eine Hand auf seine stahlharte Brust und schlucke. Sein Atem geht heftiger, seine Augen werden dunkel und er nickt, zaghaft und bedächtig, ohne mich aus den Augen zu lassen.  

„Sag es, bitte."

„Ich will dich." Seine Stimme ist tief und rau, jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken und ich nähere mich seinem Gesicht, halte kurz davor inne und lächele. „Tja, Lucifer, ich dich aber nicht.", flüstere ich, grinsend stelle ich mich wieder hin. Er steht einfach nur da. Ich sehe mich nach Mell und Molly um. Beide tanzen mit irgendwelchen Typen. Dann macht Lucifer plötzlich einen Schritt auf mich zu, packt mit einer Hand meinen Kopf und zieht meine Haare nach hinten, drückt mich gegen die Wand und presst seine Lippen auf meine. Ich wehre mich, versuche ihn wegzuschieben, dann packt er auch meine andere Hand und hält sie mir, zusammen mit der anderen, hinter meinen Rücken fest. Er lässt mir keinen Ausweg, schiebt seine Zunge zwischen meinen Lippen und ich erwidere den Kuss tatsächlich. Finde gefallen an den Pfefferminz und Whiskey Geschmack seiner Lippen. Mein Verstand schaltet auf Standby. Es interessiert mich nicht, dass andere uns sehen können. Es gibt gerade nur noch den Teufel, mich und der köstliche Geschmack, seiner unfassbar weichen Lippen. Dann wird die Musik gewechselt und ich werde zurück in die Realität befördert. Prompt schubse ich ihn von mir weg und gehe einfach. Ich muss dringend auf die Toilette.

Als ich endlich auf dem Klo bin, wische ich mir übers Gesicht und betrachte mich im Spiegel. Meine Wangen sind knallrot vom Alkohol und meine Lippen noch immer etwas geschwollen, von dem stürmischen Kuss. Am besten wäre es, wenn ich mir ein Taxi nehme und verschwinde, bevor Lucifer nochmal auf die Idee kommt, mich zu küssen. Oder bevor ich auf die Idee komme, mich nochmal so zu benehmen und ihn dazu zu verleiten, dass zu tun. Die ganze Sache ist allein meine Schuld. Ich hätte vorhin Ja sagen sollen, als Melli mich gefragt hat, ob wir doch lieber woanders hingehen wollen. Aber ich musste es ja darauf anlegen, betrunken auf Lucifer zu treffen.

Wenn ich betrunken bin, habe ich mich nicht unter Kontrolle, vor allem nicht vor einem Mann, der so heiß ist, wie er.

Ich seufze, in diesem Moment hämmert es an der Tür.

„Moment!", rufe ich, wasche mir die Hände, damit sie nicht mehr so kleben.

Es hämmert stärker.

„Warte!", zische ich und beeile mich mit dem Händetrocknen, um die Tür zu öffnen.

Als ich Lucifer sehe, verstumme ich augenblicklich.

Ich sehe in ein paar unfassbar blaue Augen, die in diesem Licht perfekt zu erkennen sind. Mir ist die Farbe noch gar nicht so sehr aufgefallen. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass im linken Auge ein wenig braun mit drin steckt, was mich fasziniert, für einen Augenblick.

Er stellt sich sofort vor mich, als ich an ihn vorbei huschen will und packt mich am Arm.

„Lass mich..." los, will ich zischen, aber im nächsten Augenblick, drängt er mich gegen eine Wand und ich gebe einen überraschten laut von mir.

Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Mein Atem geht schnell, ich zittere am ganzen Körper. Nur nicht vor Angst, sondern vor Erregung, wie er mich ansieht und sich mit seiner Zunge über seine vollen Lippen fährt. Ich kämpfe um meinen Verstand, will sagen, dass er mich sofort loslassen soll. Will ihn von mir schubsen, ihn eine Ohrfeige, für diesen plötzlichen Überfall verpassen, aber ich kann nicht. Sein Körper ist fest an meinen gepresst. Ich bin wie hypnotisiert von seinem intensiven Blick, seiner hellblauen Augen, welche etwas kühles, gefährliches und irgendwie distanziertes Ausstrahlen.

„Lass mich los", sind die einzigen Worte, die ich flüsternd hervorbringe.

Seine Augen, blicken mich fest, durchbohrend und verlangend an.

„Bitte", flehe ich, signalisiere ihn, dass er mich küssen soll und als seine Lippen meine Berühren- hart, begehrt und fordernd- erwacht dieses köstliche, knisternde Feuer in mir und ich schlinge meine Arme um seinen Hals, ziehe ihn noch fester zu mir. Konzentriere mich einzig und allein, wie meine Zunge, seiner Zunge folgt, auf unsere Körper, die sich fest aneinanderschmiegen und seine großen Hände, die meine Hüfte entlang gleiten, mich an seinem Schritt pressen, sodass ich seine Erregung deutlich an meinen Unterleib fühlen kann.

Unerwartet packt er mich von hinten an meinen Oberschenkeln, hebt mich hoch und setzt mich am Waschbecken ab, ohne den Kuss zu unterbrechen.

Als ich meine Hüfte gegen seinen Schritt reibe, stöhnt er auf. Seine Finger ziehen am Saum meines Oberteils und ich strecke die Arme nach oben, damit er es mir ausziehen kann. Danach küsst er meine Schulter, zieht meinen Bhhalter herunter, beißt mich an der frei gewordenen Stelle und ich stöhne, lasse meinen Kopf in den Nacken fallen.

„Du bist so unglaublich heiß, Lilith."

Er ist der erste Mann, der so etwas zu mir sagt, als sei es das normalste der Welt und es macht mich unglaublich an. Jetzt bereue ich es aber doch, mir nichts von meinen neuen Dessous angezogen zu haben. Ich wünsche mir, ich hätte es getan und würde nicht mit einem stinknormalen weißen Bh vor ihm sitzen. Aber wahrscheinlich interessiert ihn eher weniger, was ich anhabe, sondern eher, was sich darunter befindet, denn er schlingt die Arme um mich, küsst mich erneut und öffnet meinen Bh. Ich kann nicht vermeiden, dass ich mir die Frage stelle, wie viele Bhs er wohl schon geöffnet haben muss, denn er ist darin deutlich schneller als ich. Der Gedanke gefällt mir nicht und ich schiebe ihn bei Seite. Weit weg von mir, um mich wieder auf das wesentliche konzentrieren zu können.
 

„Lillymaus, ist alles ok?"
 

Ich vernehme eine Bewegung und schubse Lucifer sofort von mir, bevor mein Bh endgültig meine Oberweite freigibt, schnappe mir mein Oberteil und halte es mir vor meinen Körper. Im selben Moment geht die Tür auf und Melli bleibt abrupt stehen. Sieht erst mich, dann Lucifer an. Sie sieht aus, als würde sie über das hier nachdenken, dann fängt sie an zu lachen und hält sich am Türrahmen fest.

„Wer hätte das wohl erwartet?" Mit einem Grinsen im Gesicht, sieht sie erst mich, dann ihn an und ich ziehe mir mein Oberteil über.

Lucifer räuspert sich und verschwindet, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen und auf einmal wird mir schlecht. Der Alkohol steigt mir beim Aufstehen über den Kopf, Speichel sammelt sich in meinem Mund und ich gehe zur Toilette hinüber, um mich zu übergeben.

Irgendjemand, sehr wahrscheinlich Melli, hält mir die Haare fest.

„Goooooott scheiße muss der gut bestückt sein!", jodelt Mell hinter mir und ich übergebe mich erneut, während sie weiterredet.

„Hast du die Beule gesehen?", fragt sie, und ich will ihr sagen, dass sie ihre Klappe halten soll, aber ich keuche nur und übergebe mich erneut.

Jesus! So viel habe ich heute doch gar nicht gegessen!

„Natüürlich hast duu das!", lallt sie und klopft mir auf die Schulter. Sie ist noch betrunkener als ich und trotzdem hänge Ich vor der Kloschüssel und nicht sie.

Ich glaube, Gott will mir damit sagen, dass ich nie wieder Alkohol trinken sollte und vor allem sollte ich das mit Lucifer nicht wiederholen!

„Ich bin so stolz auf dich, Lillymaus.", schluchzt sie, und ich glaube, dass ich nichts mehr rauskriege.

„Lass mich...", ich muss eine kurze Pause machen, um sicherzugehen, dass ich nicht noch mal kotzen muss. „Los"

Sie lässt mich los und stolpert zum Waschbecken. Als ich mich aufrichte, halte ich mich an der Wand fest. Mir ist unfassbar schwindelig.

„Nach Hause", sage ich nur und Melli nickt, nimmt mich an die Hand und wir gehen zurück, wo die Laute Musik mir Kopfschmerzen bereitet und die vielen Farben mich noch schwindeliger, als ich so schon bin, machen. Es ist schwer, geradeaus zu laufen. Ständig rumpelt uns irgendwer an, bis ich schließlich Mike in die Arme laufe, der mich ansieht, als stünde ich in Flammen. Aus Angst, das ich genau das tun könnte, sehe ich an mir hinab, aber alles ist ok, bis auf die Tatsache, dass mir schrecklich schwindelig ist und ich mich einfach in seine Arme fallen lasse. Mell kann auch alleinstehen. Sie braucht meine Hilfe schon nicht.

„Ist alles ok?", fragt er besorgt, legt einen Arm um mich und eine Hand in meinen Nacken, damit ich nicht umfalle.

„Du solltest doch verschwinden!", tadele ich ihn, versuche Ausschau nach Tasha zu halten.

„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und hab sie nach Hause gefahren." Als ich lachen muss fragt er „Was?", ganz wie der unschuldige Engel, der er nicht ist, auch wenn er so perfekt aussieht wie einer, mit diesem schönen Lächeln, den dunkelblonden Haaren und diesen unschuldigen blau- grünen Augen. So lieb, wie jemand, der niemanden etwas tun würde, aber immer wieder sämtliche Frauenherzen bricht. Wie das von Molly.

„Du hast sie gevögelt und bist dann abgehauen, du Schwein!"

Auch wenn ich ihn nicht ansehe, weiß ich, dass er die Augen verdreht.

„Und wenn schon.", gibt er nur von sich.

Es kommt mir vor, als würde die Musik lauter werden und das tut mir richtig in den Ohren weh.

„Kann ich bei dir schlafen?", brülle ich und hebe meinen Kopf leicht an.

Das wäre nichts Neues. Ich kenne seine Wohnung und habe schließlich 1 Jahr bei ihm gewohnt, bis mir seine Freundinnen zu viel wurden.

„Bist du dir sicher?", fragt er leise und muss sich wiederholen, weil ich es beim ersten Mal nicht verstanden habe.

„Gott, Mike, ich will mich nicht von dir abschleppen lassen, ich will einfach nur dein Gästezimmer für diese Nacht in Beschlag nehmen, oder ist Tasha noch bei dir?"

„Nein... Klar. Was ist mit Melanie?"

„Sie kommt mit. Wir können sie auf den Weg absetzen.", stöhne ich, und schmiege meinen Kopf an seine Brust, in der Hoffnung, mich sofort ins Bett Teleportieren zu können.

Er antwortet eine Weile nichts. Streicht mit einer Hand durch mein Haar und würde ich nicht wissen, dass Mike für mich keine Gefühle hat, wäre mir, dass alles viel zu intim. Aber er ist wie ein Bruder für mich. Und ich glaube, ich bin wie eine Schwester für ihn. Das hoffe ich.

„Mike", ruft jemand, die sich anhört wie Alice.

„Kannst du stehen?"

„Ich glaube schon.", erwidere ich und er lässt mich los, mustert mich kurz besorgt, bevor Alice ihn an sich zieht und umarmt. Sie flüstert ihn irgendwas ins Ohr und dann lösen sie sich voneinander. Mike sieht nicht sonderlich begeistert aus und so frage ich mich natürlich, was sie zu ihm gesagt hat. Aber noch mehr frage ich mich, woher die beiden sich kennen.

„Ich geh an die frische Luft.", sage ich. Ich muss hier raus. Weg von der stickigen Luft, den vielen Menschen und der lauten Musik. Frische Luft einatmen wird mir guttun.

„Gut, sei vorsichtig. Ich suche Molly und Melanie."

Wieso Melanie? So war doch gerade noch hinter uns?

Aber jetzt ist sie nirgends zu sehen.

„Ok, aber beeil dich."
 

Nachdem ich mich aus den Club gequetscht habe, entferne ich mich draußen von all den Menschen und lehne mich gegen eine Wand. Atme die frische, kühle Luft ein und bemerke, dass ich keine Jacke mitgenommen habe.

Ich sehe eine Zeit lang Autos vorbei rauschen, Menschen laufen an mir vorbei und starren mich komisch an. Bis sich plötzlich sanft eine Hand um mein Handgelenk legt. Zu meiner Überraschung ist es Lucifer.

„Komm, wir fahren ins Hotel.", verkündet er und lächelt erstaunlich freundlich. Wenn er so lächelt, kann ich nicht anders als zu schmunzeln. Aber dann wird mir wieder schwindelig und ich schüttle ganz leicht, kaum merklich, den Kopf.

„Ich bin müde."

„Ich auch. Jetzt komm."

Er nimmt meine Hand und seine Finger verschränken sich mit meinen, was ein komisches kribbeln in mir auslöst.

„Ich werde keinen Sex mit dir haben."

„Ich will heute nicht mit dir Sex haben, Lilith." Er lacht leise in sich hinein, während sein Auto vorgefahren wird, von den selben kleinen Typen, der Mike sein Auto geparkt hat.

„Sicher? Vorhin sah, auf der Toilette, das ziemlich danach aus!", gebe ich beleidigt zurück und nehme ihn meine Hand weg.

Wieder lacht er, tritt näher an mich heran und legt eine Hand an meine Wange.

„Du hast mich falsch verstanden, Baby. Wenn du nicht so betrunken wärst, würde ich dich auf der Stelle in meinen Wagen vögeln, aber du bist betrunken, weißt nicht, was du tust. Ich mag Frauen, die wissen, was sie tun. Und jetzt komm."

Er kommt mir näher, will mich auf die Lippen küssen, stattdessen halte ich ihn aber meine Wange hin.

„Tu das nicht.", sage ich. Ich habe mich vor ungefähr 20 Minuten erbrochen. Das muss er nicht unbedingt herausfinden, indem er mich küsst.

„Na gut. Jetzt komm, oder muss ich dich tragen?"

Er sieht mich aus wachsamen Augen an. Ich müsste erst Mike Bescheid sagen und ich würde gern wissen, ob er Mell und Molly gefunden hat. Nicht das ihnen irgendetwas passiert ist.

„Mike weiß Bescheid.", beantwortet er meine Gedanken. Aber ich weiß immer noch nicht, ob es den anderen beiden gut geht. Lucifer beginnt ungeduldig zu werden.

„Fein", antworte ich schließlich.

„Kannst du laufen?"

„Ich versuche es jedenfalls.", murmle ich und er hält mir wie gestern die Autotür auf, bevor er selbst einsteigt und fährt in dasselbe Hotel von gestern, nur ein anderes Zimmer, welches größer ist. Und bevor ich mich versehe, schmeiße ich mich sofort ins unbenutzte, weiche Bett, falle sofort in Tiefschlaf und träume von einem Mann, mit hellblauen Augen, großen, männlichen Hände und mit tiefer, rauer, sexy Stimme, die mir sagt, wie unglaublich sexy ich bin.

Ich träume von Wasser. Sprudelwasser, um genau zu sein. Mein Hals ist ganz trocken. Ich öffne die Flasche und trinke daraus. Das Sprudelwasser, fließt kribbelnd meiner Kehle hinunter. Ich kann es genau fühlen, aber mein Durst, wird nicht gestillt. Wie auch? Das ist nicht echt. Ich zwinge mich dazu, meine Augen zu öffnen. Und es dauert einen Augenblick, bis ich wirklich wieder im hier und jetzt bin. In einer warmen, sehr angenehm riechenden Decke. Einem extrem weichen Kissen, welches mich vergessen lässt, dass mir schwindelig ist. Nur eine Kleinigkeit stört: Wo bin ich?

Meine Erinnerungen sind verschwommen und tauchen nur langsam auf. Dann fällt mir ein, wie ich in Lucifer's Auto gestiegen bin. Nur kurze Zeit später, befand ich mich hier und habe geschlafen. Oder habe ich mit ihm geschlafen? Ich stelle sehr schnell fest, dass ich, bis auf meine Unterwäsche, nichts anderes trage. Panik breitet sich in mir aus. Ich blicke mich im Bett nach Lucifer um. Die andere Seite des Bettes, ist unordentlich und auf dem Kopfkissen, ist ein Kopfdruck zu sehen. Wir haben niemals...? Daran würde ich mich doch erinnern?

Du warst stockbesoffen! Erinnert mich mein noch müdes Unterbewusstsein, welches sich dann zu drehen beginnt.

Ich habe einen leichten Kater. Mein Kopf fühlt sich komisch an und mir ist noch ein wenig schlecht.

Noch bevor ich aufstehen kann, geht die Tür auf und Lucifer steht verschwitzt und unglaublich sexy am Türrahmen, blickt mich ausdruckslos an und ich schlucke.

„Wie geht es dir?“, fragt er, ehe er sein graues, verschwitztes Shirt über den Kopf zieht und es auf die Kommode, vor dem Bett wirft. Ich versuche, nicht auf sein durchtrainierten Oberkörper zu starren, was mir schwer fällt. Schüchtern ziehe ich die Decke fester um mich und starre auf meine Hände.

„Wieso habe ich keine Sachen an?“

„Weil du sie dir ausgezogen hast. Sie liegen im Wohnzimmer.“, erklärt er mir ruhig.

„Also haben wir nicht miteinander geschlafen?“

Ich sehe ihn an. Ein sexy lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.

„Denk scharf darüber nach, was ich dir gestern gesagt habe.“

Das tue ich ja, aber mir will es nicht einfallen. Ich gehe den Verlauf des Abends durch: Mell hat mich dazu gezwungen, zu ihn zu gehen. Dann habe ich ihn provoziert und wir haben uns geküsst. Ich kann noch immer seine Lippen auf meinen fühlen, wenn ich daran denke. Danach haben wir es fast auf der Toilette getrieben. Zum Glück kam Mell...

Ich habe mich übergeben und bin dann, wenig später, mit Lucifer in den Wagen gestiegen. Natürlich! Als wir draußen waren, hat er gesagt, dass er nicht mit mir schlafen wird, weil ich zu betrunken bin und nicht weiß, was ich tue. Als wir im Hotel angekommen sind, hat er mir ein Glaswasser angeboten, welches ich abgelehnt habe und er hat mir dabei geholfen, unbeschadet ins Bett zu kommen.

Ich schäme mich, für gestern Abend, zu Grund und Boden. Vor Scham, lasse ich mich zurück ins Kopfkissen fallen und ziehe mir die Decke über den Kopf.

Wieso passiert mir so etwas?

Wieso bin ich gestern nicht zu Hause geblieben und habe mir, wie jedes Wochenende, alte Friends Folgen angesehen? Vielleicht auch Pretty Little Liars, wenn ich Lust darauf gehabt hätte.

Wieso wollte ich mit Lucifer schlafen?

Das ist alles so verrückt und ich bin immer noch durstig.

Als ich Schritte höre und dann eine Tür, die sich öffnet, glaube ich, dass Lucifer vielleicht auf Toilette ist und nehme die Decke von meinem Kopf. Aber ich habe falsch gedacht. Er steht neben dem Bett und reicht mir zwei Tabletten und eine Flasche Wasser.

„Danach geht es dir besser.“ Seine Augen mustern mich kurz, betrachten mich, und ich würde gern wissen, was er gerade denkt. Er wirkt so verschlossen, wie jemand, der niemanden so wirklich an sich heranlässt. Kein bisschen, wie der Mann von gestern und von vorgestern.

Um mich ein wenig davon abzulenken, dass er Oberkörperfrei ist, betrachte ich sein Gesicht genauer. Er hat wirklich volle, schöne, Lippen, welche einen nur so zum Küssen einladen. Gestern war sein Gesicht noch glattrasiert, heute ist sie stoppelig, aber nicht so sehr, wie bei unserer ersten Begegnung.

„Danke“, sage ich dann schließlich, werde sogar ein wenig rot, nachdem wir uns eine gefühlte Ewigkeit angestarrt haben. Kaum merklich räuspert er sich. Glaube ich jedenfalls, denn er lässt sich gerade keine einzige Emotion anmerken.

„Ich gehe Duschen.“, verkündet er und verschwindet ins Badezimmer. Ich sehe ihm hinterher, betrachte seine Rückenmuskeln, welche sich bei jedem Schritt deutlich anspannen. Als er weg ist, nehme ich die Tabletten und trinke die halbe Flasche Wasser leer.

Wenige Sekunden später, schaffe ich es, aus dem Bett zu kommen. Im Wohnzimmer suche ich nach meinen Sachen und sie liegen zusammengelegt, auf der schwarzen Couch, in der Mitte des Raumes. Daneben eine schwarze Tüte, in welche ich aus Neugier hineinsehe.

„Die Sachen sind für dich.“, ruft er. Ich drehe mich um und er mustert mich mit einem intensiven Blick, weil ich, nur in Unterwäsche bekleidet, im Wohnzimmer stehe. Aber nur kurz, denn er scheint doch Manieren zu besitzen und sieht mir dann wieder ins Gesicht.

„Du hast mir Sachen gekauft?“

„Wohl eher Alice. Ich hoffe, sie passen dir. Deine alten rochen zu sehr nach Alkohol.“, sagt er und schließt dann die Badezimmertür.

In der Tüte befindet sich eine enge Jeans, eine hellblaue Bluse und schwarze Spitzenunterwäsche. Irgendwie denke ich, dass Alice Spaß dabei hatte, mir Unterwäsche zu kaufen. Sie hat bei meiner Größe richtig gelegen, nur bei der Unterwäsche bin ich etwas gekränkt, denn der BH ist mir eine Nummer zu klein, was halb so wild ist. Das kann daran liegen, dass ich meistens Sachen trage, in welchen meine Brüste etwas kleiner wirken. Aber trotzdem, kränkt es mich. Doch als ich sie angezogen habe, komme ich auf den Gedanken, dass sie das mit Absicht gemacht haben könnte, denn mein Busen, wirkt deutlich größer. Es ist ein wenig Eng, aber er fühlt so weich auf meiner Haut an. Das bin ich nicht gewohnt, denn meine Unterwäsche, ist immer etwas rau.

Als ich fertig bin, öffnet sich auch schon die Badezimmertür und Lucifer kommt frisch geduscht, nur mit einem Handtuch bekleidet, raus. Ich versuche wirklich, ihn nicht anzustarren, aber es fällt mir so verdammt schwer. Ich weiß ja, wie falsch das ist, aber meine Hormone scheinen verrückt zu spielen, wenn ich ihn Oberkörperfrei sehe. Er ist ja nicht der erste Mann, dessen Körper ich sehe. Als ich noch, bis drei Monaten, bei Mike gewohnt habe, habe ich ihn ständig Oberkörperfrei gesehen und er hat ebenfalls sehr definierte Muskeln. Einmal, habe ich ihn sogar komplett nackt gesehen. Da kannten wir uns aber bereits so gut, dass ich angefangen habe zu lachen, bevor ich mich schnell umgedreht habe. Ein paar mal, hat er sich sogar nackt aus der Wohnung ausgesperrt.

Apropos Mike. Ich will mich noch für gestern bei ihn entschuldigen. Sobald ich Lucifer abgewimmelt habe, gehe ich zu ihn. Ich hoffe nur, dass er allein ist. Nicht, dass ich ihn bei irgendetwas störe, dafür habe ich nämlich ein ziemliches Talent. Früher bin ich oft, zu sehr unpassenden Momenten, nach Hause gekommen, wenn ich zum Beispiel früher Schluss hatte oder mir eine Freundin abgesagt hat. Zum Glück, hat er mir das nie wirklich übel genommen. Nur dieses eine Mal, als ich eine seiner Dates rausgeworfen habe, bevor er Spaß mit ihr haben konnte.

Das war ungefähr vor einem Jahr. Ich war damit beschäftigt, Bewerbungen zu schreiben und sie zu verschicken. So stressig, hatte ich mir das gar nicht vorgestellt, aber das war es. Desto glücklicher war ich, als ich wenige Wochen später, eine Zusage von einem Verlag bekam. Jedenfalls war ich gestresst und genervt von alles und jedem. Ich verbrachte mal wieder einen Samstag in Mikes Wohnung-unserer Wohnung, zu der Zeit, da ich schließlich Miete zahlte-und suchte im Internet weiter nach freien Arbeitsstellen, die mir gefielen. Bis Mike, mit einer blonden Tusse, die er zuvor in einer Bar kennengelernt hatte, nach Hause kam. Weil die beiden sich in der Küche Drinks gemixt haben, bin ich kurz aufs Klo und als ich zurück kam, hatte diese blöde Kuh ihr Drink auf meinen Laptop verschüttet. Sonst hatte ich wirklich nichts gegen seine Bekanntschaften, aber als diese einen Dreck darauf gegeben hat, dass mein Laptop im Arsch war, habe ich sie aus der Wohnung gezerrt und Tagelang kein Wort mit Mike geredet. Aber wirklich lang wütend war er nicht. Er hat mir sogar einen neuen, besseren Laptop gekauft und so war die Sache auch schon gegessen.

Lucifer kommt in den Raum, endlich angezogen, aber ich starre ihn immer noch an. Das weiße Hemd, welches er trägt, spannt an seinen Oberarmen ein klein wenig und die obersten beiden Knöpfe sind geöffnet, sodass man ein paar schwarze Brusthaare erkennen kann. Als er mitbekommt, dass ich ihn ansehe, sehe ich auf den Boden.

„Du siehst gut aus.“, sagt er und steckt sich irgendwas in die Hosentasche. „Hast du Hunger?“

„Nein. Nicht wirklich.“, lüge ich und mein Magen knurrt. Ich hoffe nur, dass hat er nicht gehört.

„Du musst was essen. Vor allem, nach so einer Nacht.“

Er geht noch einmal zurück ins Schlafzimmer und kommt mit seinem schwarzen Jackett und einem Autoschlüssel in der Hand, wieder heraus.

„Ich weiß, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause.“, sage ich, wühle dann in meiner anderen Hose herum, bis ich Geld, Hand und Schlüssel gefunden habe. Dann packe ich sie in die Tüte.

„Gut, ich fahre dich.“

„Ich wollte eigentlich mit dem Taxi fahren.“

„Kommt nicht in Frage. Und jetzt komm.“

Er steht neben dem Tisch, ich gleich dahinter und er hält mir seine Hand hin.

Wieso kommt es mir vor, als würde ich einen Pakt eingehen, wenn ich jetzt seine Hand nehme?

Vielleicht, weil er der Teufel ist.

Ich sehe zu viele Filme und lese zu viele Bücher.

„Ich weiß ja nicht, was du von mir alles gehört hast, aber ich beiße schon nicht.“, scherzt er und ich verdrehe die Augen, lege meine Hand in seine und er sagt: „Noch nicht, jedenfalls.“ Seine Mundwinkel zucken.
 

Als draußen sind, lasse ich seine Hand los und sehe, wie ein Taxi angefahren kommt, welches ich rechtzeitig anhalten kann.

„Ich sagte doch, dass ich dich fahre.“

„Und ich sagte, ich nehme ein Taxi. Ich muss noch woanders hin.“ Er sieht mich an und bevor er mir widersprechen kann, stelle ich mich auf die Zehenspitzen um ihn einen Kuss auf die Wange zu geben.“ Und danke für die Sachen. Aber das wäre nicht nötig gewesen.“, sage ich, nehme nochmal kurz seine Hand und drücke sie sanft. Das ist reine Gewohnheit, dass mache ich auch bei Mell und Mike. Glaube ich. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.

Lucifer erwidert daraufhin nichts, also gehe ich zum Taxi und steige ein, ohne ihn einmal anzusehen. Sobald ich die Tür geschlossen habe, sehe ich doch hin und er steht da, als wäre er verwirrt und ein bisschen wütend. Er wurde erneut zurückgewiesen.

Nachdem ich dem Taxifahrer, die Adresse gegeben habe, fahren wir nur ungefähr zehn Minuten. Es wären fünf gewesen, aber es war mal wieder Stau. Das bin ich aber gewohnt, schließlich bin ich hier aufgewachsen. Und in New York City, ist einfach immer irgendwo Stau. Das kann man in so einer großen Stadt, mit so vielen Einwohnern und Touristen, nicht vermeiden.

„3 Dollar“

Ich hole fünf zerknüllte Eindollarscheine heraus und drücke sie dem Fahrer in die Hand.

„Schönen Tag noch.“, ruft er mir beim aussteigen zu und ich erwidere das mit einem freundlichen lächeln.

Es gibt selten, so freundliche Taxifahrer. Den meisten, kann ich das nicht einmal übel nehmen. Den ganzen Tag, in einem stickigen Auto zu sitzen, egal ob Schnee, Regen, Hitze, Unfälle, Stau oder Zombieapokalypse, muss hart sein.

Ehe ich zu Mike gehe, kaufe ich in einem laden um die Ecke, zwei Kaffee und drei Sandwiche's. Für mich zwei, weil ich riesigen Hunger habe.

Bis ich vor seiner Tür stehe, habe ich eines schon angefangen zu essen. Weil ich keine freie Hand habe, klopfe ich mit meinem Ellenbogen an seiner Haustür und es dauert ein paar Augenblicke, bis die Tür auf geht.

„Hey“, begrüße ich ihn und er reibt sich die Augen und gähnt.

„Hi. Was machst du hier?“

Es ist komisch, dass er mich das fragt, statt mich erst einmal herein zu bitten und mir etwas abzunehmen. Ich schiebe es einfach auf seine Müdigkeit. Er ist, offensichtlich, da er nur in Boxershorts vor mir steht, sicher gerade erst aufgestanden und deshalb noch etwas neben sich.

„Darf ich vielleicht rein kommen? Oder hast du Besuch?“, erkundige ich mich.

„Nein, komm rein.“ Er nimmt mir den Kaffee ab und schließt hinter mir die Tür. Ich gehe in die Küche und lege die Tüte mit den Sandwiche's, auf den Holztisch. Dann rümpfe ich die Nase, weil es hier drin komisch riecht. So riecht es immer, wenn man Tagelang das Fenster nicht mehr geöffnet hat. Das ist typisch für ihn. Weil er sicher nicht darauf kommt, das zu tun, mache ich es für ihn. Erst öffne ich die Vorhänge im Wohnzimmer, damit Licht in die Wohnung kommt, und dann ein Fenster.

Zurück in der Küche, nehme ich zwei Teller aus dem Schrank, stelle sie auf den Holztisch und platziere die Sandwiche's darauf.

Mike steht dabei am Türrahmen und beobachtet mich aufmerksam, mit verschränkten Armen.

„Ist alles in Ordnung?“, frage ich, weil er mir schon wieder komisch vorkommt.

Er zuckt mit den Schultern. „Ja, ich bin nur überrascht, dass du hier bist, sonst nichts.“

„Sicher? Du wirkst schon wieder, als hätte ich deine Katze überfahren.“

„Meine Katze überfahren?“ Er fängt an zu lachen und setzt sich an den Tisch.

„Hör auf zu lachen, mir ist nichts besseres eingefallen.“

Er lehnt sich zurück, mit seinem Sandwich in der Hand und beißt hinein. „Tut mir leid.“, faselt er mit vollem Mund und ich schüttle mit dem Kopf.

„Du hast immer noch keine Tischmanieren.“

Ich setze mich auch an den Tisch und esse erst mein angefangenes Sandwich zu Ende und dann mein anderes, nur bis zur Hälfe. Den Rest, gebe ich Mike, der größeren Hunger hat, als ich dachte.

„Ich wollte mich noch wegen gestern entschuldigen.“

Er nickt, stopft sich den letzten Bissen in den Mund und spült alles mit einem Schluck Kaffee herunter. „Für was? Dafür, dass du mich weggeschickt hast oder dafür, dass du einfach mit diesem Typen abgehauen bist?“ Seine Stimme ist so ausdruckslos, dass ich nicht erkennen kann, ob er wütend ist.

„Lucifer hat dir doch Bescheid gesagt, oder nicht?“

„Ja, das hat er.“ Wieder lässt er sich nichts ansehen.

„Wieso bist du dann sauer?“

„Ich bin nicht sauer. Ich fand es nur... komisch.“

Ich sehe ihn verwirrt an. „Inwiefern: Komisch?“

Was ist daran komisch, mit dem Teufel ins Hotel zu fahren? Bei dem Gedanken, fange ich beinahe an zu lachen.

„Naja, du kennst ihn kaum. Ich mache mir einfach nur sorgen um dich. Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“, erklärt er.

Er redet, als würde er ihn so gut kennen, um bereits wissen zu können, dass das mit Lucifer und mir nicht gut geht. Ich meine, zwischen ihn und mir ist nichts, da gibt es einfach nichts, was falsch laufen könnte.

„Wie gut kennst du ihn denn?“

Er zuckt wieder mit den Achseln. „Lang genug, um dich vor ihn zu warnen.“

Weiß er etwa auch, was er ist? Nie im Leben. Das würde er mir sagen. Obwohl ich das an seiner Stelle, nicht tun würde. Wie reagiert wohl jemand darauf, der an Gott und den ganzen Kram nicht glaubt, wenn man ihn sagt: „Weißt du, der Typ mit dem du dich triffst, ist eigentlich der Teufel persönlich. Halte dich lieber von ihm fern, bevor es zu spät ist und er dir deine Seele oder was auch immer raubt.“

„Was weißt du denn von ihm?“, frage ich, natürlich aus reiner Neugier.

„Ich weiß, dass er mit Drogen was am Hut hat und noch anderen illegalen scheiß. Dazu ist er nicht sehr dafür bekannt, Beziehungen zu führen.“

Drogen? Illegalem scheiß? Ich erschrecke allein bei dem Gedanken daran, in irgendwas davon, hinein gewickelt zu werden. Und das ist absurd. Ich sollte schon allein bei dem Gedanken, dass er Satan ist, zurückschrecken. Tue ich aber nicht, komischerweise.

„Woher weißt du das alles?“

„Solch Dinge sprechen sich herum. Vor allem, wenn man als Reporter bei der New York Times arbeitet, findet man so was schnell heraus.“

„Also kennst du ihn nicht persönlich?“, hake ich noch nach, während ich die Informationen über Lucifer erst einmal verdauen muss. So kommt er also an sein ganzes Geld? Das kommt ja nicht von irgendwoher und vor allem nicht, von einem Nachtclub, selbst wenn er so exklusiv ist.

„Spielt das eine Rolle?“ Etwas an seinen scharfen Ton, verrät mir, dass er nicht weiter darüber reden möchte, also belasse ich es dabei.

„Nein. Jedenfalls tut es mir leid, wegen gestern.“

„Es ist mir relativ egal, mit dem du dich abgibst und mit wem du... du weißt schon was tust. Nur eben nicht mit ihm.“, erklärt er mir ruhig, ohne auf meine Entschuldigung einzugehen und trinkt aus seinem Kaffeebecher. Ich tue das gleiche. Der Kaffee schmeckt gut, ist stark und hilft mir, wieder klar zu denken, nach den gestrigen Abend, was ich dringend nötig habe.

„Ich glaube, ich entscheide selbst, was ich tue, schließlich bin ich alt genug, Mike. Und du bist nicht mein Aufpasser.“

Mike sieht mich an. Da ist er. Der Blick, der mich so an meinen Vater erinnert. Er sieht mich immer genauso an, wenn ich behaupte, dass ich für etwas alt genug sei. Nur ist Mike um einiges Jünger als er. Aber der Blick, hat die selbe Wirkung. Es nervt mich unbeschreiblich, wenn man mich so ansieht. So als würde ich dummes Zeug reden und wüsste nicht, was ich tue.

Vielleicht bin ich in vielen Hinsichten noch sehr unerfahren. Vielleicht auch ein wenig naiv und ein bisschen gutgläubig. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich nicht weiß, was ich tue. Jedenfalls in den meisten Momenten. Gestern Nacht war eine Ausnahme.

„Sieh mich nicht so an, als wärst du 50 Jahre älter als ich und hättest mehr Erfahrung im Leben.“

„So sehe ich dich nicht an.“, sagt er und beugt sich nach vorn. „Ich denke nur, auch wenn du das nicht so siehst, du könntest einen Aufpasser gebrauchen.. Und wenn das jemand ist, dann ich. Schließlich habe ich dir bisher aus all deinen Notlagen helfen können. Und werde es auch weiterhin tun.“

„Du willst also meinen Schutzengel in der Not spielen?“

„Wenn du es so siehst, ja.“ Er lächelt und auch wenn es mir nicht gefällt, dass er so denkt, erwidere ich sein Lächeln. Ich weiß, dass Mike nur das beste für mich möchte. Wir sind seit 4 Jahren befreundet und er hat irgendwie recht. Er hat mir geholfen, als ich nach New York zurück kam und meine Eltern nicht bitten wollte, dass ich bei ihnen wohnen darf. Er half mir, eine akzeptable Wohnung in Brooklyn zu finden, welche ich bezahlen konnte. Ebenfalls half er mir, als ich meinen Kellnerjob verlor, weil der Laden Pleite ging und besorgte mir den Job im Verlag. Und er half mir, als ich es nicht mehr in dieser schäbigen Wohnung ausgehalten habe. Ich durfte bei ihm wohnen und im Gegenzug, habe ich gekocht, die Wäsche gemacht und geputzt. Er hat mir immer aus der Not geholfen, wenn ich keine andere Lösung sah. Vielleicht ist er wirklich so etwas wie mein Schutzengel. Aber das möchte ich nicht. Ich will nicht, dass er sich für mich verantwortlich fühlt.

„Das möchte ich nicht.“, sage ich, bevor ich es auf halten kann.

Mike hebt die Brauen. „Warum nicht? Du hattest sonst auch kein Problem damit.“ Es hört sich nicht im geringsten wie ein Vorwurf an. Es klingt eher, wie eine allgemeine Feststellung, wie zB. das es gerade sonnig ist, und der Herbst bevor steht.

„Ich möchte es einfach nicht.“

Mike wendet seinen Blick ab. Starrt auf seine ineinandergefassten Hände und zuckt dann mit den Schultern. „Ok.“, sagt er. Er herrscht für ein paar Sekunden stille, bevor er mich fragt: „Magst du ihn?“

Ich weiß sofort, von wem er redet und ich antworte, wie aus der Kanone geschossen. „Nein!“

Mikes Blick seht aus, als glaube er mir nicht.

„Ich kenne ihn kaum. Und das, was ich kenne, macht ihn nicht sehr sympathisch.“

„Was weißt du denn alles?“ Die Frage überrascht mich.

„Ich weiß, dass er sich an unseren ersten Date nackt ausgezogen hat.“ Als ich es ausgesprochen habe, weiten sich Mikes Augen. Aber dann zucken seine Mundwinkel verräterisch und er fängt an zu lachen. „Er hat sich ausgezogen? Einfach so?“

„Tu nicht so, als hättest du das noch nie gemacht!“, lache ich und erinnere mich daran, wie ich von der Arbeit nach Hause kam, mal wieder etwas früher als sonst und er nackt auf der Couch lag und auf eines seiner Betthäschen wartete. Ich Frage mich wirklich, wie wir je Freunde werden konnten, da wir so verschieden sind. Vielleicht ist es auch gerade das, was unsere Freundschaft so ausmacht? Mell und ich sind ja auch so verschieden, verstehen uns aber blendend.

Mike hebt einen Finger, als würde er es absolut ernst meinen. „Das war was vollkommen anderes!“, grinst er und lässt seine Hand sinken.

Vielleicht ein wenig anders, aber es ist vergleichbar.

„Und was noch? Was war gestern? Mell hat gestern etwas angedeutet.“

So eine Plapertasche!

„Was hat sie gesagt?“

Mike zögert. „Sie hat die ganze Zeit wirres Zeug geredet.“

„Was für wirres Zeug, wenn ich Fragen darf? Raus mit der Sprache. Ich hab nicht Ewig Zeit.“ Ich grinse, damit die Worte nicht allzu ernst klingen und er lächelt sanft und hinreißend. Das ist dieses Lächeln, mit welcher er sicher jede Frau ins Bett bekommen kann. Jede Frau, außer mich.

„Sie sagte, ihr wärt euch näher gekommen.“

Ich bin mir sicher, dass es etwas anderes gesagt hat.

„Ich war betrunken und um dich zu beruhigen: Ich halte mich von ihm fern.“ Das tue ich wirklich.

Ich weiß nur nicht, ob er das tun wird. Denn wenn nicht, weiß ich nicht, ob ich es noch tun werde.

Heute ist es kälter, als die letzten Tage. Die Sonne lässt sich kaum blicken, als ich auf dem Weg zur Arbeit bin, aber das kann auch daran liegen, das es noch so früh am Morgen ist. Ich schlinge meinen Mantel fester um mich und überquere die Straße, um einen Abstecher bei Starbucks einzulegen, wie jeden Morgen. Und wie jeden Morgen, ist es voll und ich bin glücklich, heute früher als sonst, losgegangen zu sein.

Die Schlange vor mir geht nur langsam vorwärts, aber 10 Minuten später, bin ich dran. Der Vierküfer, sein Name ist Landon, der mich mittlerweile kennt, weil ich fast jeden Morgen her komme, lächelt mich an und fragt erst gar nicht, was ich haben möchte. Er weiß, dass ich einen großen Latte Macciato will und für meinen Chef, einen Kaffee, mit einem Schuss Milch und ohne Zucker.

„Wie geht’s dir?“, fragt er, während er mir wieder eine dieser kleinen, netten Botschaften auf den Becher schreibt, wie er es immer tut. Ich frage mich, ob er sich die selbst ausdenkt oder ob er sich jeden Tag einen neuen aus Googel suchst.

„Ganz gut und dir? Sag mal, denkst du dir die selber aus?“, frage ich, deute dabei auf den Becher.

Landon lächelt stolz. „Mir geht’s gut. Nur ein bisschen gestresst. Und denkst du wirklich, ich suche jeden Tag extra einen aus dem Internet heraus?“ Er lacht und ich stimme mit ein.

„Ehrlich gesagt, habe ich das wirklich gedacht“, gestehe ich, während er sich an der Kaffeemaschine zu schaffen macht. Das sieht hier alles viel zu kompliziert aus. Ich glaube, ich würde hier alles vertauschen und am Ende, hätte ein Kunde, der eigentlich einen Kaffee wollte, irgendeine heiße Brühe mit Bananen- Minze Geschmack und Käse oben drauf.

„Hier“ Landon reicht mir die Becher, in einen dieser Kartonhalter und ich lege ihm das Geld und ein bisschen Trinkgeld hin.

„Bis morgen“, verabschiede ich mich und er winkt mir beim raus gehen lächelnd zu.
 

Auf der Arbeit, gehe ich zu Mr. Baldwin ins Büro und bringe ihm seinen Kaffee. Er scheint erleichtert darüber, dass ich heute einen Kaffee aus Starbucks mitbringe und keinen, aus der ekelhaften Bäckerei um die Ecke.

„Was steht heute an?“, fragt er mich, ohne seinen Blick von dem Monitor vor seiner Nase zu nehmen.

Ich zähle ihm seine Termine auf, helfe ihn schnell, etwas auf seinem Computer einzustellen und verschwinde auch schon wieder in mein Büro, nachdem er sich bei mir bedankt hat. Mr. Baldwin ist eher einer dieser Menschen, die oft schlechte Laune haben und diese auch an andere auslassen. Mich stört das nicht sonderlich. Es geht bei mir in ein Ohr rein und ins andere raus. Da ich hier gutes Geld verdiene, sehe ich darüber hinweg. Mell sieht das anders. Sie findet, er ist ein riesen Arschloch, welcher kaum etwas allein auf die Reihe bekommt und muss sich immer zusammenreißen, sobald seine Stimme lauter wird, als es angemessen ist, mit seinen Mitarbeitern zu reden.
 

In der Mittagspause bringt Mell mir einen großen Salat und einen Donut und setzt sich zu mir ins Büro. Ich bin erleichtert, dass ich nicht extra losgehen muss, um mir etwas zu holen und schenke ihr ein strahlendes Lächeln. Aber noch bevor ich überhaupt dazu komme, die Folie von meinem Salat zu reißen, werde ich wegen vorgestern verhört.

„Und? Wie war dein Samstag noch so, nachdem Lucifer und du abgehauen seid?“

„Eher unspektakulär.“ Ich zucke gelangweilt mit den Achseln. Was soll ich schon erzählen? Er hat mich nur ins Hotel gefahren und ich habe mich schlafen gelegt.

„Ihr habt nicht miteinander...?“ Ihre Augen blicken mich erwartungsvoll an.

Ich schüttele meinen Kopf und schiebe mir eine Gabel voll Salat in den Mund.

Sie starrt mich verärgert an, und ich wende den Blick ab.

„Wann hattest du das letzte mal Sex?“

Die Frage zu beantworten, ist mir peinlich. Und irgendwas sagt mir, dass sie genau weiß, wie lange das her ist. Vermutlich wachsen mir dort unten schon Spinnenweben, wenn ich es nicht besser wissen würde.

„Vor einem Jahr?“, fragt sie, obwohl sie genau weiß, wann es war. „Oder vor 4?“

„Du weiß, wann ich das Letzte mal Sex hatte und mit wem. Jetzt halt die Klappe.“

Sie zuckt mit den Achseln und grinst mich an. „Ich frage mich, wieso du nicht mal mit Mike gevögelt hast. Mike ist heiß. Fast so heiß, wie Lucifer. Aber nur fast.“

Ich habe nie mit Mike gevögelt, weil ich wusste, was er jeden Abend treibt und deshalb, haben wir uns von Anfang an auf Freundschaft geeinigt. Gut, er hat fast ein Jahr probiert, mich rumzubekommen, hat dann aber schließlich aufgeben, worüber ich mehr als froh bin.

Ich streite nicht einmal ab, dass er gut aussieht, das tut er nämlich wirklich. Jede Frau, würde sich toll vorkommen, wenn er sie haben wollen würde, außer mir. Aber er ist eben jemand, der nichts festes eingeht. Jedenfalls hatte er in den ganzen 4 Jahren, die wir uns kennen, nie eine feste Beziehung.

Mell tippt ungeduldig mit dem Zeigefinger auf meinen Eichenholzschreibtisch herum. Ich komme nicht drumherum, ihr diese Frage zu beantworten.

„Weil er Mike ist. Er Vögelt alles, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist.“, sage ich also und esse meinen Salat weiter.

„Und wieso hast du nicht mit Lucifer gevögelt?“

„Mell, bitte lass uns das Thema wechseln. Ich bin wirklich nicht Stimmung, über mein nicht vorhandenes Sexualleben zu plaudern.“
 

Mein Arbeitstag ist so unspektakulär und gewohnt langweilig, wie jeden Tag und ich bin zufrieden, endlich nach Hause zu kommen, Duschen zu gehen und mich vor den Fernseher zu setzen. Aber zuerst, muss ich dort hinkommen. Ich frage Mell auf den Weg nach unten, ob sie mich mitnehmen kann und sie sagt, wie erwartet, ja.

Unten ist nur noch Beth und sortiert irgendwelche Dokumente, die nicht mal was mit der Arbeit zu tun haben. Ich lächele ihr zu und sie lächelt zurück, während sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, hinters Ohr legt.

Mell zieht mich am Arm und ich sehe sie an. „Was ist?“

„Bist du sicher, dass du mit mir fahren möchtest?“

Was soll denn die Frage?

„Ja klar. Oder spricht irgendwas dagegen?“

„Na ja“ Sie nickt in Richtung Ausgang. Lucifer parkt vor dem Gebäude und ich will nicht raus gehen. Was will er denn heute von mir?

„Wartest du kurz auf mich?“

„Klar“

Ich muss ihn klarmachen, dass er gehen soll.

Auf den Weg nach draußen, ziehe ich mir meinen braunen Mantel an und Lucifer kommt mir bereits entgegen. Er trägt nicht wie gewohnt einen seiner Anzüge, sondern eine hellbraune Hose und einen enganliegenden, dunkelblauen Pullover, welcher so eng ist, dass man genau sehen kann, wie muskulös er eigentlich ist. Er sieht so heiß aus, aber davon lasse ich mich nicht ablenken.

„Was willst du hier?“, frage ich, noch bevor er seinen Mund öffnen kann.

„Dir auch einen guten Tag.“ Ich versuche, mich nicht von seinem schönen Lächeln irritieren zu lassen.

„Was willst du hier?“, wiederhole ich meine Frage mit etwas mehr Nachdruck und verschränke meine Arme vor de Brust.

„Ich war in der Nähe und wollte dich Fragen, ob du Hunger hast?“

„Ich habe keinen Hunger.“, antworte ich, in der Hoffnung, dass er umdreht und einfach wegfährt.

„Brauchst du jemanden, der dich nach Hause fährt?“

Ich drehe mich kurz zu Mell um, die sich schnell wieder etwas anderem widmet, statt uns von drin zuzusehen.

„Nein, ich fahre mit Mell.“

Auf seiner Stirn bilden sich leichte Falten und er sieht an mir vorbei, in den Verlag und entdeckt sie sofort.

„Sicher?“

Ich nicke. Ich bin mir mehr als sicher. Gegen meine Sicherheit, können nicht mal seine Muskeln oder sein schönes Lächeln etwas ändern.

Er nickt, sieht wieder an mir vorbei. „Du willst mich also wieder stehen lassen?“ Ich zögere, denn ich weiß nicht, was ich daraufhin sagen soll. Vermutlich sollte ich mich einfach umdrehen und gehen.

„Lilith?“, fragt er ungeduldig. Mir gefällt, wie er meinen Namen ausspricht. So langsam und sinnlich, dass ich kaum klar denken kann.

„Ich habe dich nicht gebeten herzukommen, also ja, ich lasse dich jetzt hier stehen.“

Ich weiß, dass Mell uns beobachtet, und werfe ihr einen einen Blick über meine Schultern zu. Sofort hört sie mit dem, was auch immer sie dort drin getan hat auf und kommt raus. Sie lächelt Lucifer zu, aber dieser beachtet sie nicht.

Ich packe sie am Handgelenk und gehe mit ihr über die Straße, wo ihr Auto steht und steige ein, sobald sie es geöffnet hat. Beim losfahren, fühle ich mich unglaublich mutig, für das, was ich eben getan habe.

Ich habe ihn wieder stehen gelassen.

Das muss sich unglaublich beschissen, für einen Mann wie ihn anfühlen. Ich grinse beim Gedanken daran, wie wütend es ihn machen muss, so oft von der selben Person abgewiesen zu werden.
 

Mein nächster Arbeitstag vergeht schnell. Ich hatte nicht viel zu tun und mache 5 Minuten eher Schluss als sonst. Heute bin ich mit dem Auto meines Dad's hier und bin mehr als froh darüber, nicht wieder mit Mell fahren zu müssen, denn sie hat mir während der gestrigen Autofahrt, meinen letzten Nerv geraubt, indem sie nur über Lucifer geredet hat. Wie heiß er in Anzügen aussieht und wie verdammt eng sein Pullover gestern war. Über seine perfekten Wangenknochen, diesen schönen Lippen und den hellblauen Augen. Nicht zu vergessen den Muskeln und seiner Armbreite. Wenn er wollte, könnte er mich ganz einfach um die Ecke bringen und ich bin mir sicher, dass diese Hände schon mal jemanden ermordet haben.

Natürlich haben sie das.

Ich weiß auch wem.

Ich schiebe den Gedanken bei Seite und verlasse das Gebäude. Ich habe nicht aufgepasst und von drin nicht gesehen, dass er schon wieder auf mich wartet. Dieses Mal mit Kaffee in jeweils einer Hand. Heute lächelt er nicht, er wirkt ernster und ich versuche mich zusammenzureißen.

Denk daran, was diese großen Hände mit dir tun könnten.

Sie könnten ganz einfach dein Genick brechen.

Oder sie können dich anfassen...

Ich sollte nicht nachdenken.

„Schicke Brille.“

Sofort nehme ich meine Brille ab, die ich eigentlich nur auf Arbeit trage und stecke sie in meine Tasche.

Ehe ich nein sagen kann, drückt er mir einen Kaffee in die Hand, beugt sich zu mir nach unten und gibt mir einen hauchzarten Kuss auf die Wange.

Was soll das denn?

„Wieso bist du heute hier?“

Er zuckt mit den Schultern und sieht überall hin, nur nicht zu mir. Ich folge seinem Blick und fühle mich beleidigt, als ich sehe, wie er einer Frau in Sporthosen und knappen Sport Bh hinterhersieht.

Er ist also hier, um mir Kaffee zu bringen, der kalt ist und um Frauen beim Sport zu beobachten.

Arschloch.

Ich nehme den Deckel vom Kaffee und schütte ihn den Inhalt ins Gesicht. Er bleibt an Ort und Stelle stehen, dreht seinen Kopf zu mir, schließt kurz seine Augen, öffnet sie wieder und schüttelt seinen nassen Kopf, eher er sich durchs Gesicht fährt und mich ansieht, wie ein hungriger Löwe, ein Reh.

„Der Kaffee war kalt.“, sage ich, drücke ihm den Becher in die Hand und gehe. Ich versuche eine total dramatischen Abgang, wie in Filmen und steige in meine Auto, ohne ihn anzusehen.

Etwas sagt mir, dass ich das bereuen werde.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Als ich mich wieder beruhigt habe, zieht er seine Hand aus meinen Slip und setzt mich auf meinen Schreibtisch ab und sein Blick, als er meinen schwarzen spitzen Slip ansieht, ist hinreißend.

„Das hattest du aber letztens nicht an.“ Er steckt einen Finger zwischen den Bund. Dann zieht er daran und lässt los. Er will dasselbe erneut tun, aber ich nehme seine Hand da weg und funkle ihn an. „Hör auf damit!“

„Nur wenn du mir zeigst, was für einen Bh du trägst.“, raunt er. Meine Haut beginnt zu kribbeln. Aber ich will nicht schon wieder schwach werden.

„Meine Mittagspause ist gleich um.“ Ich zeige auf die Uhr hinter ihm, aber er dreht sich nicht um, sondern sieht mich an.

„Dann hole ich dich nach der Arbeit ab. Möchtest du das?“ Ich schlucke schwer. Schaffe ich das, jetzt nein zu sagen, nachdem was er gerade mit mir gemacht hat und bei der Vorstellung, was er noch alles mit mir tun könnte? Das muss ich.

„Nein, möchte ich nicht. Mach dir keine Mühe.“

„Ich weiß, dass du es willst. Nun komm schon.“ Er beugt sich zu mir und küsst mich auf meine Wange.

„Hör auf!“, befehle ich leise, obwohl ich gar nicht will, dass er aufhört, denn es fühlt sich so gut an, als er seine Lippen zärtlich über meine Wange gleiten lässt. Der Mann weiß ganz genau, wie man eine Frau um den Verstand kriegt und das stört mich. Wenn er mich berührt, schaltet sich mein Kopf auf Standby und überlässt meinen Körper die Arbeit fürs denken. Aber dieser möchte berührt werden -- von ihm. Den Teufel, der genau weiß, was Frauen wollen.

Ich erkenne mich selbst nicht wieder, als ich selbständig meine Lippen auf seine presse und ihn küsse.

Er zögert, weil er nicht damit gerechnet hat und presst mein Becken gegen seines. Der Kuss ist nicht zärtlich, sondern wild und ich weiß, dass wenn ich stark bleibe, ich ihn an der Nase herumführen kann. Aber stark bleiben, ist in seiner Gegenwart so unglaublich schwer. Man lernt schließlich nicht jeden Tag einen Mann kennen, der so unfassbar attraktiv ist, dass es einem beinahe den Atem raubt und der einen dazu bringt, Gedanken zu hegen, die man nie zuvor hatte. Ist das die Wirkung des Teufels? Verlangen zum verbotenen? Das muss es sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.

„Wieso hast du mir gestern den Kaffee ins Gesicht geschüttet?“, fragt er, nachdem er sich von mir gelöst hat.

Ich zucke mit den Achseln. „Du willst mich ins Bett kriegen, indem du mir Kaffee bringst und während ich vor die stehe, anderen Frauen beim Sport zu siehst. Das war der Grund.“

„Du bist also Eifersüchtig?“, fragt er mich schmunzelnd.

„Nein, bin ich nicht. Ich kenne dich kaum.“

„Und obwohl du mich kaum kennst, hast du mit erlaubt, dich zum Höhepunkt zu bringen und dir einen Knutschfleck zu verpassen.“

Was?

„Du hast was?“

Ich fasse mir an den Hals, aber ich spüre nichts. Ich schubse ihn von mir weg, richte mich auf und ziehe mir mein Kleid zurück an Ort und Stelle. An der Wand, rechts neben dem Regal mit Büchern, hängt ein kleiner Spiegel. Ich betrachte meinen Hals darin und tatsächlich. Da ist ein riesiger Knutschfleck. So was hatte ich zum letzten , als ich 16 war. Ich kann es nicht fassen.

Ich drehe mich um und er steht hinter mir. Seine Augen funkeln belustigt und seine Mundwinkel zucken verräterisch. Sein blick ist leicht eingebildet und er hat die Hände in seine Hosentasche gesteckt.

„Wieso hast du das gemacht?“

„Jetzt weiß jeder, wem du gehörst.“ Er zuckt gelassen mit den Schultern. Ich blicke ihn mit offenen Mund an.

„Ich bin doch kein Gegenstand, denn man einfach so besitzen kann!“, keife ich und will mich an ihn vorbei drängen.

„Nein, offensichtlich nicht.“ Sein sarkastischer Unterton macht mich wütend. Wie kommt er auf die Idee, dass ich ihm gehören würde, nur weil er mir einen Knutschfleck verpasst hat? Wie kommt er überhaupt auf so einen dummen Gedanken, wobei wir uns kein bisschen kennen?

„Verschwinde!“ Ich zeige zur Tür, aber als er keine Anstalten macht zu gehen, möchte ich ihn zur Tür schieben. Ehe ich die Chance bekomme, ihn überhaupt anzufassen, packt er meine Handgelenke.

„Ich soll gehen? Jetzt wo es interessant wird?“

Ich reiße mich von ihm los. „Ich weiß ja nicht, was du für interessant an der ganzen Sache hältst, aber ich habe die Schnauze voll von dir. Hör auf, ständig bei mir aufzukreuzen, Lucifer.“ Dieses mal, versuche ich etwas leiser zu reden. Ich habe Angst, das jemand uns hören könnte.

„Ich kreuze so oft bei dir auf, wie ich es für richtig halte. Wir beide wissen, dass es dir innerlich gefällt, für jemanden wie mich interessant zu sein.“

„Für jemanden wie dich? Für wem hältst du dich?“, frage ich barsch. Er trotzt gerade nur vor Arroganz. Das nervt und turnt mich zur gleichen Zeit tierisch an. Am meisten nervt es mich, dass es mich antörnt und ich nichts dagegen tun kann, außer es zu verdrängen.

Er holt tief Luft und kommt einen Schritt näher. Ich blicke ihm direkt und fest in die Augen.

„Für jemanden, der mit dir Sachen anstellen könnte, die du nie vergessen würdest.“ Seine Stimme ist eindringlich und seine Körperhaltung so dominant, als würde er mich auf die Knie zwingen wollen. Mir fehlen die Worte. Ich bin gerade so aufgewühlt, dass ich mir auf die Unterlippe beißen muss.

Er kommt mir noch näher. Er will mich in die Ecke drängen, sodass ich keinen Ausweg habe und ich kann nichts dagegen tun. „Ich könnte dir noch so viele weitere Orgasmen schenken. Ich könnte dich dazu bringen, dass du meinen Namen so laut schreist, während du unter mir liegst, dass selbst die Nachbarn wissen würden, wem du gehörst.“ Er leckt sich über Lippen, stellt sich womöglich all die Dinge vor, die er mit mir tun könnte. „Wenn du aufhörst, dagegen anzukämpfen, könnten wir sehr viel Spaß miteinander haben, Baby. Ich will nur hören, dass du es genauso willst, wie ich es will. Und verdammt“ Ich berühre mit meinen Rücken bereits die Wand hinter mir und halte den Atem an, als er seine Fäuste neben meinen Kopf an der Wand presst. „ich will es. Ich will dich Dinge fühlen lassen, die du dir nicht im geringsten vorstellen kannst, Lilith...“

Seine blauen Augen durchbohren mich, versuchen abzuschätzen, was ich gerade denke und ich danke Gott insgeheim dafür, dass er keine Gedanken lesen kann.

Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Mir ist heiß und ich muss mir ständig ins Gedächtnis rufen, dass ich ihn nicht mag.

„Sag was.“, bittet er mich, streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Bekommst du jede Frau, mit diesen Worten ins Bett? Oder nur jede zweite?“

Er lächelt selbstverliebt und schüttelt den Kopf. „Bei den meisten Frauen reicht es, dass ich sie nur ansehe, damit sie feucht werden.“

„Dann scheinst du nicht wirklich wählerisch zu sein.“, erwidere ich mit einem zuckersüßen Lächeln im Gesicht. Sein Lächeln schwächelt, aber er versucht anscheinend, sich nichts anmerken zu lassen.

„Wenigsten bin ich nicht untervögelt.“ Er grinst. Und ich kann nicht fassen, was er gerade gesagt hat. Ehe ich mich halten kann, hebe ich meine Hand, um ihn ins Gesicht zu schlagen, aber er fängt sie, kurz bevor sie seine Wange berührt, geschickt ab und sieht mich unbeeindruckt an.

„Und da meine Worte dich so auf die Palme bringen, bestätigt das meine Vermutung.“

Was für ein arrogantes Arschloch!

Würde er meine Hand nicht festhalten, würde ich ihn schlagen.

„Du weißt gar nichts über mich!“, zische ich und versuche meine Hand aus seinem starken Griff zu befreien. Erfolglos.

„Ich weiß mehr über dich, als du denkst, Lilith.“, raunt er, doch dieses mal lasse ich mich nicht von seiner verführerischen Seite beeindrucken.

„Lass mich sofort los!“

„Sonst was?“

„Sonst schreie ich!“

Er lacht. „Das willst du doch gar nicht wirklich. Das wissen wir beide.“

Ich will schreien, aber ich möchte gleichzeitig auch nicht, dass es Gerede auf der Arbeit gibt. Ich war schon einmal Gesprächsthema Nummer eins, als Mike mich zum ersten Mal von der Arbeit abgeholt hat, das genügt mir. Und Lucifer's bloße Anwesenheit, reicht schon aus, damit die Weiber anfangen zu tratschen. Also halte ich den Mund und sehe ihn wütend an.

Er lässt meine Hand los und ich lasse sie nach kurzem zögern sinken.

„Geh jetzt!“ Ich finde keine anderen Worte, weil ich zu aufgewühlt bin. Ich will nur noch, dass er geht und mich in Ruhe lässt.

„Du bist wütend?“ Es hört sich zwar an wie einen Frage, aber es ist eine Feststellung und er liegt vollkommen richtig. Ich war schon lang nicht mehr so wütend und aufgewühlt. Vor allem nicht wegen einem Mann.

„Wie kommst du darauf?.“, versuche ich ruhig zu sagen, um meine Wut ein wenig zu verbergen. Aber meine zu Schlitzen verengten Augen, sprechen Bände.

„Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen.“

Eigentlich habe ich eine Entschuldigung erwartet, aber dafür ist er sich sicherlich zu stolz.

„Hast du nicht. Danke für den Kaffee und jetzt verschwinde.“

Ich dränge mich an ihn an vorbei und gehe zu meinem Schreibtisch, um die Unterlagen zu nehmen, die ich Jones bringen soll. Ich habe zwar noch zehn Minuten Zeit, aber das erledige ich lieber jetzt. Mir ist alles recht, um von ihm wegzukommen.

„Du hast mich vorhin gefragt, warum ich hier bin.“, sagt er, als ich zur Türklinke greife, um raus zu gehen. Ich halte inne und sehe ihn an. Dieser Mann macht mich irre. Er weiß, womit er mich Neugierig machen kann.

„Du bist hier, um mich zu sehen.“ Ein Sarkastischer Unterton liegt in meiner Stimme, welchen ich nicht versuche zu verbergen. Mir ist klar, dass er nur hier ist, um mich zu reizen und um mir die Worte zu entlocken, die ich ihm am Samstag entlockt habe. Es ist offensichtlich, dass ich seinen stolz gekränkt habe, als ich die selben Worte nicht erwidern wollte und es immer noch nicht will.

„Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich dich fragen wollte, ob wir was zusammen trinken wollen.“

„Klar doch“, erwidere ich Ironisch. Ich werde nachdem, was gerade war, sicherlich keinen Drink mit ihm trinken fahren. Der Abend würde wieder daraus bestehen, dass er mich bedrängt und deutlich zum Ausdruck bringt, wie sehr er mich ins Bett bekommen will. Ich würde ihm wieder eine Abfuhr erteilen und verschwinden. Dann würde er wahrscheinlich wieder am nächsten Tag bei mir auf Arbeit aufkreuzen und das Spiel beginnt von vorn. Natürlich könnte es auch anders ablaufen.

Ich könnte nachgeben, mit ihm schlafen und dann lässt er mich vielleicht in Ruhe, weil er das Interesse verloren hat. Beide Möglichkeiten halte ich nicht für richtig. Aber was kann man schon richtig machen, wenn es um den Teufel geht?

Ich streiche mir eine Locke hinters Ohr und öffne die Tür. Mit einem Ruck, wird sie jedoch wieder geschlossen. Lucifer hat sein Bein davor. Ich kann sie nicht öffnen.

„Ich bitte dich, nach der Arbeit für ein Drink mit mir zu kommen. Keine Hintergedanken.“ Seine Mundwinkel zucken, weil ich ihn ungläubig ansehe. „Versprochen.“ Sein lächeln wird zu einem hinreißenden grinsen, bei dem man nicht nein sagen kann. Ich hasse ihn.

„Hol mich um 6 ab. Und jetzt nimm bitte dein Bein dort weg.“ Er gehorcht und als ich aus meinem Büro gehe, verdrehe ich die Augen.

„Bis später“, ruft er mir hinterher, während ich auf dem Weg zu Mr. Baldwin bin.

Dieser sitzt genervt in seinem Büro und tippt auf seinem riesigen Handy herum. Seines ist doppelt so groß wie meines. Ich Frage mich bloß, für was man so ein großes Ding braucht. Es sieht unhandlich aus.

„Hier ist der Artikel, den ich durchsehen sollte.“ Ich halte die Papiere ein Stück nach oben und Mr. Baldwin, Jones, hebt seinen Kopf an, um mich anzusehen. Er starrt eine ganze Weil auf meinem Hals, bis er schließlich sagt: „Leg sie hier hin.“ Er nickt auf seinem Schreibtisch und ignoriert mich wieder. Von seiner guten Laune heute morgen, ist nichts mehr übrig, was ich ein wenig schade finde, aber mir ist die distanzierte Art und Weise lieber mit ihm, als eine freundschaftliche. Denn ich habe kein Interesse daran, mich mit ihm anzufreunden. Dafür ist er bereits viel zu lang mein Boss, über den jeder Lästert. Außer Beth, seine Sekretärin. Sie vergöttert ihn. Manchmal finde ich das ein wenig unheimlich, aber das ist nicht meine Sache, wenn eine 25 Jährige, einen 44 Jährigen Mann anhimmelt, der fast immer nur schlechte Laune hat.

Eilig verlasse ich wieder das Büro, um mich in meines zu verkriechen und darüber nachzudenken, wieso ich Lucifer zu heute Abend zugesagt habe. Ich weiß jetzt schon -nein- ich bin mir sogar sicher, dass ich es bereuen werde. Genauso sicher bin ich mir, dass er sein versprechen nicht einhalten wird und falls doch, wäre ich tatsächlich sehr überrascht.

Mell kommt nach wenigen Minuten in mein Büro und ich habe sie bereits erwartet. Sie strahlt über ihr ganzes Gesicht und setzt sich vor meinem Schreibtisch hin.

„Ich will alles wissen. Jede Kleinigkeit. Und komm bloß nicht auf die Idee, mir irgendetwas zu verschweigen. Ich weiß, wenn du lügst, Grey!“

Sie versucht streng zu wirken, schlägt aber kläglich fehl und grinst. „Nun sag schon.“, drängt sie mich.

Ich komme nicht drumherum, ihr etwas zu erzählen, aber ganz sicher nicht, was er mit mir auf diesen Schreibtisch angestellt hat. Das bleibt nur unter Lucifer und mir. Ich hoffe jedenfalls, dass er es für sich behält, denn der Gedanke, er könnte jemanden davon erzählen, selbst wenn es jemand wäre, den ich nicht kenne, beunruhigt mich und lässt mich unwohl fühlen.

„Er hat mir Kaffee gebracht und mich nachher auf einen Drink eingeladen.“, erzähle ich Schulterzuckend und trinke den bereits kalten Kaffee weiter. Mell grinst bis über beide Ohren ohne ein Wort zu sagen und deutet auf meinem Hals. „Und was ist das? Das war vorhin aber noch nicht da.“

Ich verfluche Lucifer dafür, dass er mir einen Knutschfleck verpasst hat. Ich wusste genau, sie würde mich darauf ansprechen und ich hatte Recht.

„Nichts weiter...“ Ich trinke einen weiteren Schluck und weiche ihren Blicken aus. Sie soll aufhören, mich so anzusehen, als sei ich eine Verbrecherin, die Verhört werden muss.

Mell wölbt ihre rechte Augenbraue und ihr Gesichtsausdruck sagt mir, dass sie mir nicht glaubt.

Sie ist zwar meine beste Freundin, aber es gibt eben Dinge, die möchte ich einfach für mich behalten. Manchmal versteht sie das und manchmal nicht. Sie selbst erzählt mir oft jede Kleinigkeit von Ereignissen, die sie erlebt hat. Manchmal sogar etwas versauter, die ich zwar nur ungern höre, weil ich kein Sexleben besitze, aber ich höre ihr zu und freue mich, wenn sie glücklich ist.

„Wann seht ihr euch wieder?“, fragt sie schließlich nach langem schweigen und ich bin erleichtert, dass sie nicht weiter auf meinen Knutschfleck eingeht.

„Nach der Arbeit. Wir wollen etwas trinken gehen.“

„Ach wirklich?“ Sie schmunzelt.

Ich nicke. „Als Freunde.“

Keine Ahnung, wie mir dieses Wort, in Verbindung mit Lucifer, in den Sinn gekommen ist, aber ich halte es für besser ihn als einen Freund zu bezeichnen, als meinen Lover. Er ist keines von beidem und mein Lover, wird er definitiv niemals sein.

„Ihr seid Freunde? Interessant. Ich wusste nicht, dass man sich unter Freunden gegenseitig Knutschflecke verpasst. Da muss ich wohl was verpasst haben.“ Stirnrunzeln und mit verschränkten Armen lehnt sie sich gegen den Stuhl und sieht mich an.

„Können wir über etwas anderes reden, als über ihn?“

„Was ist so schlecht an ihn? Du willst ständig das Thema wechseln, wenn es um ihn geht.“

„Es ist kompliziert.“, meine ich und lehne mich ebenfalls zurück.

Sie seufzt. „Ist es das nicht immer?“

Ich zucke mit den Achseln. Für mich nicht. Ich war noch nie in so einer Lage. Ich bin nicht wie sie. Ich hatte das letzte mal Sex vor vier Jahren. Ich habe angefangen, mich in meine Arbeit zu verkriechen und an den Wochenenden, Staffelweise Serien zu schauen. Währen dessen reist sie in ihrer Freizeit in andere Länder, besteigt Berge, geht jeden Samstag feiern und lebt ihr Sexleben in vollen Zügen aus. Wäre sie an meiner Stelle, hätte sie sich mit Sicherheit, beim ersten Date für ihn ausgezogen und mit ihm geschlafen. Aber das bin ich nicht und so werde ich niemals sein. Das stört mich nicht. Ich bin glücklich mit meinem langweiligen, normalen Leben.
 

Um 6 ziehe ich mir meine Jacke über und nehme meine Tasche. Ich verlasse mein Büro und halte nach Mell Ausschau, aber sie hat heute früher Schluss gemacht als ich. Ich sehe nur noch Beth, die völlig überfordert mit dem Kopierer ist und Jones, der auf mich zu kommt.

„Du machst Schluss, wie ich sehe.“ Er lächelt und ich glaube, er hat Stimmungsschwankungen. „Hast du für den Abend schon was vor?“

Ich blicke zu Beth, die sich kurz in unsere Richtung gewandt hat, aber ihren Blick schnell wieder abwendet, als ich sie ansehe.

„Ich gehe mit einem Freund etwas trinken. Wieso fragen Sie?“ Ich versuche wirklich, nicht genervt zu klingen, aber Mr. Baldwin wirkt heute komisch. Fast schon so, als würde er etwas von mir wollen, obwohl ich viel zu jung bin und er mich doch eigentlich nicht ausstehen kann.

„Derselbe von vorhin?“, hakt er nach und wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. Ich nicke bloß und verabschiede mich freundlich, da ich kein Interesse, an ein längeres Gespräch habe. Ich fühle mich zwar schlecht dabei, ihn einfach stehen zu lassen, aber wenn ich mich unwohl fühle, ist das doch wohl mein Recht?

„Bis morgen, Lilith.“, sagt er, aber ich bin schon auf dem Weg nach unten. Als ich draußen bin, steht Lucifer nicht hier und sein Auto ist ebenfalls nirgends zu sehen. Enttäuschung macht sich in mir breit und ich weiß nicht, wieso. Weil er mich versetzt hat? Das sollte mir egal sein. Eigentlich sollte ich sogar erleichtert darüber sein.

Ich seufze und zucke zusammen, als ich plötzlich schwarz sehe, weil mir jemand die Hände vor meinen Augen zu hält.

„Mike?“, frage ich erschrocken, weil er der erste ist, der mir einfällt, der das tun würde, um mich zu überraschen, aber als ich mich umdrehe, ist es, zu meiner Überraschung, Lucifer. Er hat mich also doch nicht versetzt. „Tut mir leid, falls ich dich enttäusche, aber nein.“

„Du hast mich erschreckt.“, sage ich und hebe meine Tasche auf, die ich versehentlich fallen gelassen habe.

„Wir waren verabredet, schon vergessen?“

Als ob ich das vergessen habe.

„Ich habe es nicht vergessen.“

„Aber du dachtest, ich habe das? Stimmt's?“ Er lächelt und ich verdrehe die Augen. Das lässt ihn nur noch breiter grinsen.

Er nimmt meine Hand und ich ziehe sie zurück. „Kein Händchenhalten.“, sage ich und entdecke seine Auto, etwas weiter weg. Er sagt nichts dazu, legt mir einen Arm um meine Hüfte und zieht mich näher zu sich. „Wenn du meinst.“

Wir gehen zu seinem Auto und er hält mir die Tür auf. Bevor ich einsteige, möchte ich aber erst etwas geklärt haben.

„Das ist kein Date. Wir gehen nur etwas trinken. Ohne Hintergedanken, deinerseits.“, stelle ich klar und klinge dabei ziemlich streng.

Lucifer grinst. „Kein Date. Nur trinken. Ohne Hintergedanken, beiderseits.“

Beiderseits? Ich habe keine Hintergedanken. Wie kommt er auf die Idee, dass gerade ich Hintergedanken haben könnte?

„Als Freunde“, rutscht es mir heraus und sein grinsen schwächelt, aber dann wird es noch breiter als zuvor. Seine weißen, geraden Zähne kommen zum Vorschein und er wiederholt. „Als Freunde. Und nun steig ein.“, befiehlt er in einem noch strengeren Ton als ich und ich steige widerwillig ein, im Wissen, dass der Abend normal ablaufen wird und wir nur etwas trinken. Als zwei Freunde, die sich kaum kennen.

Er geht zur Fahrerseite hinüber und ich schnalle mich an. Er tut das nicht, aber ich habe nichts anderes erwartet. Er stellt beim losfahren das Radio aus, als I got you von Bebe Rexha, oder wie auch immer, im Radio läuft und ich schalte es wieder ein. Zu meiner Überraschung, lässt er die Musik an und schmunzelt. Keine Ahnung, was daran so witzig ist, aber ich finde das Lied hat etwas und ich beschließe, es mir nachher auf mein Ipod herunterzuladen.

„Was hörst du sonst noch für Musik, außer dieses Gejaule dort?“

„Gejaule? Was ist daran bitte Gejaule?“

„Beruhige dich. Nimm das doch nicht gleich so persönlich.“ Er lacht leise in sich hinein.

„Ich nehme das nicht persönlich.“, widerspreche ich ihn. „Ich höre eben gern solch Musik.“

„Natürlich.“

„Was hörst du denn so?“, frage ich, da ihn meine Musik nicht zu gefallen scheint. Er zuckt lediglich mit den Achseln. „Jedenfalls nicht so was.“

„Nicht so was, hören sich aber viele Menschen gern an.“, verteidige ich mich und die Sängerin des Songs.

„Zum Glück bin ich kein Mensch.“ Er wendet seinen Kopf zu mir und ich schüttle meinen, wobei ich mein schmunzeln nicht verbergen kann.

„Ich könnte dir vorspielen, was ich gern höre.“, schlägt er vor. Was meint er mit Vorspielen?

„Vorspielen?“ Ich sehe ihn fragend an. Er nickt und wendet seinen Blick wieder geradeaus, wo er hingehört.

„Auf dem Klavier.“

Er spielt Klavier? Damit hätte ich nicht gerechnet. Heißt das, er steht vielleicht auf klassische Musik?

„Ich wusste nicht, dass du Klavier spielen kannst.“ Natürlich wusste ich das nicht. Woher auch? Das ist das erste normale Gespräch, was wir zusammen führen.

„Der Grund dafür mag sein, dass ich es dir gerade eben erst erzählt habe, Lilith.“

Wenn er öfters so lächeln würde, wäre er mir immer so sympathisch, wie in diesem Moment.

Ich ertappe mich dabei, wie ich darüber nachdenke, mehr normale Gespräche mit ihm zu führen, ohne mitzubekommen, dass ich ihn anstarre.

„Gefällt dir, was du siehst?“ Er sieht mich wieder an. Ich fühle mich ertappt und drehe meinen Kopf weg. „Du bist die Arroganz, in Person, Lucifer.“, sage ich und merke, wie der Wagen zum stehen kommt. Direkt vor seinem Club.

„Ich kann nichts dafür, dass ich gut aussehe.“, erwidert er stolz. Dann steigt er aus und obwohl ich weiß, dass er mir die Tür aufhalten möchte, steige ich allein aus, bevor er auf meiner Seite ankommt und ich schenke ihm wieder eines meiner zuckersüßen Lächeln.

„Als Freund, musst du mir nicht die Tür aufhalten.“

„Ein Mann sollte einer Frau immer die Tür aufhalten. Selbst wenn es sich um seine Schwester handelt.“, kontert er und legt wieder einen Arm um mich. Am liebsten würde ich auch noch sagen, dass Freunde das ebenfalls nicht tun, aber wir beide wissen zu gut, dass wir keine sind und höchstwahrscheinlich keine sein werden.

„Ich wusste nicht, dass wir hier hergehen.“

„Keine Sorge, es ist geschlossen. Wir sind allein.“

Noch schlimmer. Ich finde nicht, dass es eine gute Idee ist, mit ihm allein zu sein und Alkohol zu trinken. Vielleicht verzichte ich lieber auf den Alkohol und trinke etwas unalkoholisches. Etwas, was meinen Kopf nicht benebelt und mich Dinge tun lässt, wie ihn zu küssen oder von ihm anfassen zu lassen.

Als er die Tür aufschließt, zögere ich hinein zu gehen, aus welchen Grund auch immer.

„Keine Sorge. Ich habe nicht vor, dich zu entführen.“, scherzt er, und ich verdrehe erneut meine Augen. Ich gehe mit ihm rein und er schließt die Tür hinter uns. Es ist dunkel, ich kann kaum etwas sehen, aber er anscheinend schon, denn er nimmt schon wieder meine Hand und führt mich ins innere. Als wir bei der Treppe sind, kann ich endlich alles sehen und ich bin erstaunt, wie viel größer und gemütlicher der Club wirkt, wenn er leer, die Musik und vielen Lichter aus ist.

„Es muss toll sein, sein eigener Boss zu sein.“ Er nickt, während ich noch dabei bin, über diesen Club zu staunen. Das Licht ist gedämmt und in der Mitte des Raumes, steht doch tatsächlich ein Klavier, welches mir noch nie aufgefallen ist.

„Was hältst du von Wein?“ Er steht hinter der Bar und zeigt einen Wein hoch, dessen Name auf Französisch ist und ich nicke einfach, auch wenn ich keine Ahnung habe, was für ein Wein das sein soll.

Er holt zwei Gläser hervor, stellt sie ab und geht um die Bar herum, bis er neben mir ist und uns einschenkt, nachdem er die Flasche geöffnet hat.

„Ich hoffe, du hast nichts gegen halbtrockenen.“ Da ich nicht weiß, was der Unterschied zwischen trocken, halbtrocken und lieblich ist, nicke ich nur und nehme mein Glas. Er hält mir lächelnd sein Glas zum Anstoßen entgegen. „Auf eine gute Freundschaft.“

Eine Sekunde lang, sehe ich ihn nur misstrauisch an. Ich weiß nicht, ob ich ihn vertrauen kann und ober er sein versprechen hält. Noch weniger weiß ich, ob ich wirklich etwas mit ihm zu tun haben möchte. Ich erinnere mich daran, was Mike mir erzählt hat.Darüber, dass er etwas mit Drogen am Hut hat und anderen illegalen Dingen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mike sich das ausdenkt, aber vielleicht sind das ja falsche Informationen oder von wem anders ausgedacht? Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass er Drogen nimmt oder etwas damit zu tun hat. Vielleicht bin ich auch einfach zu gutgläubig, wie er es oft immer sagt. Aber ich kann nichts dafür, dass ich immer erst das gute in jemanden sehe. Dagegen kann ich nichts tun.

Ich stoße mit ihm an und wir trinken einen kleinen Schluck. „Nur Freunde“ Das muss ich einfach noch einmal sagen. Damit ich es selbst glaube. Wenn ich es glaube, glaubt er es vielleicht auch. Sein Interesse an mir, wird schließlich nicht ewig halten.

„Nur Freunde“ Er wirkt amüsierst, als er meine Worte schon wieder wiederholt, so wie vorhin.

„Das ist mein ernst. Wir sind heute Abend nur Freunde, die etwas trinken und sich kennenlernen. Mehr nicht. Ein Anzeichen, von Hintergedanken, deinerseits“ Ich betone das Wort so sehr, dass man es nicht ignorieren kann. „und ich bin weg. Verstanden?“

Er schenkt mir mehr Wein ein. „Verstanden, aber ich hoffe dir ist klar, dass das auch für dich gilt.“ Sein Lächeln wirkt selbstgefällig und er wird mir wieder ein kleines bisschen Unsympathischer. Ich trinke ein paar Schlücke Wein und ignoriere seine Worte, die mich zum Nachdenken bringen. Er ist von uns beiden, derjenige, der ständig Hintergedanken hat. Nicht Ich möchte Ihn ins Bett kriegen, sondern Er möchte Mich dazu bringen.

Oder er ärgert mich mit purer Absicht. Das würde dieses hinterhältige, aber irgendwie auch hinreißende Grinsen erklären.

Mein erstes Glas ist schnell leer, ebenso wie mein zweites. Beim dritten mache ich etwas langsamer, denn ich kann bis jetzt noch gut klar denken, aber der Alkohol macht sich langsam bemerkbar.

„Wieso hast du die Blondine hier eingestellt?“, frage ich einfach so, weil mir nichts besseres einfällt und weil es mich irgendwie interessiert.

„Sie schien mir geeignet.“

„Geeignet für was? Zum Vögeln?“, frage ich ganz offen und halte mir dann die Hand vor dem Mund. Für ihn scheint diese Wortwahl völlig normal zu sein und ich merke, dass er bereits jetzt einen schlechten Einfluss auf mich hat.

„Anfangs ja, aber mittlerweile geht sie mir auf die nerven.“, meiner er und geht kurz wieder hinter die Bar und duckt sich kurz. Ich beuge mich rüber, um nachzusehen, was er dort tut, aber so schnell er unten war, so schnell ist er wieder oben, mit zwei Shot Gläsern und einer Flasche Wodka.

„Bloß weg mit dem Zeug!“, sage ich sofort und Erinnerungen kommen wieder hoch.

„Was hältst du dann von Kirsche?“

„Alles ist besser als Wodka.“

Er schenkt und zwei ein. Ich weiß nicht, ob ich den trinken soll, aber als er seinen hinunterkippt, tue ich es ihm gleich. In meiner Kehle brennt es ganz leicht, aber der Geschmack an sich, ist nicht mal übel und es erinnert mich wieder an meine Zeit, als ich noch 17 war und wir Bier Pong mit Sauerkirsche, statt Bier gespielt haben. Zu dieser Zeit, hatte ich wenigstens noch ein bisschen Spaß.

„Was ist das mit diesem Typen und dir?“

„Welchen Typen?“

„Michael, oder wie auch immer der heißt.“

„Mike“, verbessere ich ihn und er nickt. „Das hast du mich schon mal gefragt.“

„Ihr habt sehr vertraut ausgesehen, am Samstag.“

Ich erinnere mich daran, wie ich mich in seine Arme fallen ließ, weil ich keine Lust mehr hatte allein zu stehen und unbedingt weg wollte. Das bedeutete mir rein gar nichts.

„Er und ich sind Freunde. Das sagte ich bereits. Und daran ändert sich nichts. Was geht dich das an?“ Meine Frage überrascht ihn. Er fährt sich kurz durchs Haar und trinkt einen Schluck Wein.

„Als ein Freund von dir, interessiert mich das.“

„Ach wirklich?“ Ich verschränke die Arme vor der Brust.

Er nickt und greift wieder nach etwas, was unten drin ist. Es ist eine Fernbedienung. Eine sehr kleine. Er drückt auf einen Knopf und plötzlich ertönt Musik. Ein Song, um genauer zu sein. Als ich höre, welcher es ist, fange ich an zu grinsen. Nun verdreht er die Augen, als er wieder um den Tresen herum geht. „Ich dachte, du findest das ist Gejaule?“

„Das ist es auch. Ob du es mir glaubst oder nicht, aber das ist purer Zufall.“ Er lächelt mich an. „Aber da es dein Lieblingssong zu sein scheint.“ Ich bin überrumpelt, als er mir seine Hand hinhält.

„Tanz mit dir.“

Ich beginne zu lachen, bis ich merke, dass er das ernst meint. Er blickt mich ungeduldig an. Er meint das wirklich ernst. Er will, dass ich mit ihm tanze. Hier und jetzt. Einfach so, ohne jeglichen Anlass. Abgesehen davon, dass ich diesen Song wirklich mag.

„Ich tanze nicht gern.“ Meine Stimme ist viel ruhiger, als ich mich gerade fühle.

„Ich auch nicht. Und jetzt komm.“ Bevor ich etwas einwenden kann, umfasst er meine Hand und führt mich weg von der Bar, weiter auf die Tanzfläche.

„Das Lied ist nicht geeignet zum tanzen.“, versuche ich ihn umzustimmen. Er schüttelt den Kopf und legt ihn dann leicht schief.

„Wenn man will, kann man zu jedem Song tanzen.“

„Und was ist, wenn ich nicht tanzen will?“

„Dann muss ich dich eben dazu zwingen.“

Unsere umfassten Hände, hält er etwas abseits von uns und die andere, legt er vorsichtig auf meinen Rücken. Seine Berührung, jagt Strom durch meinen Körper, dabei ist noch Stoff zwischen seiner und meiner Haut.

Das letzte mal habe ich mit meinem Vater so getanzt. Er hat es mir beigebracht. Er hat mich sogar regelrecht dazu gezwungen, weil er der Meinung ist, eine Frau müsse tanzen können. Früher war ich genervt davon, aber im Moment bin ich ihm wirklich dankbar, denn hätte er es mir nicht beigebracht, würde ich ihm vermutlich die Füße brechen, so wie ich es beinahe bei meinem Vater getan hätte.

Lucifer lässt meinen Rücken los, und dreht mich einmal um meine Silhouette. Danach zieht er mich wieder zu sich, und ich bin viel näher als vorher an ihn. So Nahe, dass unsere Oberkörper sich berühren und ich mir wünsche, er hätte nicht diese Wirkung auf mich, denn mir wird wieder ganz heiß.

Seine Hand an meinem Rücken, wandert ein Stück tiefer, aber nicht zu weit. Noch ein paar Millimeter, und er würde mir an meinen Hintern fassen. Dann würde ich meine Jacke schnappen und verschwinden, aber bis jetzt, macht es eigentlich Spaß und lache sogar, als er mich ein zweites Mal dreht und mich zu sich zieht.

„Du hast ein hinreißendes Lachen.“, wispert er.

„Hör auf damit.“, warne ich ihn und er lächelt besänftigend.

„Ich wollte dir nur ein Kompliment machen. Auch Freunde, machen sich Komplimente.“

„Dann danke.“

Er lächelt und wir tanzen weiter, bis der nächste Song kommt, der mir ebenfalls gefällt. Keine Ahnung, wie das Lied heißt, aber so viel ich nebenbei mitbekomme, geht es um eine Frau, die von ihrem Freund kontrolliert wird. Sie singt darüber, dass er ihr nicht immer sagen soll, was sie zu sagen oder zu tun hat. Und darüber, dass er sie nicht besitzt. Der Song gefällt mir. Doch bevor ich weiter dem Text lauschen kann, dreht Lucifer mich abrupt um, sodass ich mit meinem Rücken, an seiner seiner Brust bin. Mit einer Hand, hält er mich fest umschlungen und in der anderen, hält er immer noch meine Hand. Da ist plötzlich wieder dieses unfassbare Knistern zwischen uns.

„Was tust du da?“ Ich sehe zu ihm hinauf und versuche ernst zu wirken. Sein Blick durchbohrt mich, ist intensiv und ich kann nicht mehr wegsehen.

„Du siehst wunderschön aus, wenn du glücklich bist.“

Mit so einem Kompliment, habe ich nicht gerechnet. Mein Herz beginnt laut gegen meine Brust zu hämmern, Noch lauter, als zuvor. So laut, dass ich es hören kann.

„Du hast vorhin etwas versprochen.“, erinnere ich ihn und gleichzeitig mich selbst.

„Ich weiß, was ich gesagt habe.“ Seine Stimme ist weich wie Samt. Ich beiße mir auf die Unterlippe, versuche bei der Sache zu bleiben und nicht ständig an seine Lippen zu denken.

„Lucifer“, sage ich und hole schwer Luft.

„Ich mag es, wie du meinen Namen sagst.“, raunt er mir zu. Mühsam versuche ich, einen klaren Kopf zu behalten. Das war sein Plan. Er tut so, als wäre er nett zu mir, um mich ins Bett zu bekommen.

„Ich muss nach Hause.“

„Du kannst bei mir bleiben.“, schlägt er leise vor. Eine Sekunde lang, denke ich darüber nach. Dann klingelt mein Handy. Ich komme zurück ins hier und jetzt. Vorsichtig löse ich mich von ihm und gehe wieder zur Bar. In meiner Tasche krame ich mein Handy heraus und hebe ab.

„Hallo?“

„Hey, bist du schon zu Hause?“, fragt mich Mell und ich höre gedämpfte Stimmen im Hintergrund.

„Nein, wieso?“

„Oh, störe ich bei irgendwas?“

„Nein, alles in Ordnung. Ich muss auflegen. Bis morgen.“

Ich stecke mein Handy wieder ein und schnappe mir meine Jacke, von einen der Barhöcker.

„Du willst schon gehen?“

„Ich muss morgen früh raus.“, erwidere ich und nehme meine Tasche. Als ich mich umdrehe, zucke ich zusammen. Wieso schleicht er sich so an mich heran?

„Hör auf mich ständig zu erschrecken!“

Er lacht leise. „Bleib.“, bittet er mich und legt eine Hand an meinen Mantel, um ihn mir wieder auszuziehen.

Ich sehe zu, wie er mir meinen Mantel auszieht und ihn zurück auf den Hocker wirft.

„Ich muss los, Lucifer. Eigentlich war ich nur wegen einem Drink hier und jetzt waren es 3. Das reicht für heute. Es ist schon spät.“ Eigentlich ist es erst halb 8, aber ich sollte besser gehen, bevor ich noch mehr trinke und einen Fehler begehe.

„Ein weiteres Glas Wein, wird dich nicht umbringen.“

Natürlich wird es das nicht, aber ab dem vierten Glas, bin ich schon fast betrunken. Im angetrunkenen Zustand, bin ich wenigstens noch ich selbst. Naja, wenn ich bei ihm bin, bin ich nicht wirklich ich. Irgendwie aber auch schon. Das ist alles so unfassbar komisch, zwischen ihn und mir. Er weckt in mir ein Gefühl, wenn er mich so ansieht und mich berührt, welches ich nie zuvor gespürt habe. Es ist kein verliebt sein, sondern eher ein Verlangen. Ich kann dieses Verlangen nicht definieren und ich kann es nur gerade so verdrängen.

Er legt eine Hand an meinen Arm und das sendet Stromstöße durch meinen Körper. Aus Angst, er könnte merken, was er damit in mir verursacht, gehe ich einen Schritt zur Seite. So sitze ich wenigstens nicht ganz in seiner Falle und habe Platz, mich von ihm wegzudrängen, sollte er er mir wieder so nahe kommen, wie gerade eben, als wir getanzt haben.

„Wann hattest du das letzte mal so richtig Spaß?“, fragt er mich und durchbohrt mich schon wieder mit seinen tiefblauen Augen.

Es ist komisch, denn das Erste, was mir auf seine Frage einfällt, ist der Tanz gerade eben. Und um ehrlich zu mir selbst zu sein, Samstag war irgendwie spaßig, als wir rumgemacht haben. Ich fühlte mich dort lebendig und jung. Es ist komisch, mit 21 Jahren zu sagen, dass man sich in einer bestimmten Situation jung fühlt. Ich bin jung, das weiß ich, aber durch meine Arbeit und den Mangel an Sozialenkontakten, fühle ich mich älter. Und obwohl ich freunde habe, fühle ich mich oft etwas allein. Warum weiß ich nicht. Es ist einfach so.

„Wie meinst du das?“, frage ich nach, obwohl ich seine Frage vollkommen verstanden habe. Ich verstehe nur nicht, wieso er mich das fragt.

„Ich will wissen, wann du das letzte Mal wirklich Spaß hattest. Wann warst du das letzte Mal vollkommen unbeschwert?“

„Samstag.“, lüge ich und er glaubt mir nicht. Das sehe ich an seinem Gesichtsausdruck.

„Bevor oder nachdem wir es beinahe auf der Toilette getrieben haben?“

„Davor.“ Wieder eine Lüge.

„Du bist eine schlechte Lügnerin, weißt du das?“

Ich hasse es, dass er mich durchschaut. Ich bin keine schlechte Lügnerin, jedenfalls nicht immer. Aber er scheint einfach immer zu wissen, wann ich Lüge und wann ich die Wahrheit sage. Ist das vielleicht seine Gabe? Hat er überhaupt Gaben und nennt man die auch so?

„Hör auf, mich so was zu fragen. Wieso interessiert dich, wann ich das Letzte mal Spaß hatte?“

„Es interessiert mich, weil ich mich nun mal für dich interessiere. Und nenn mir einen Moment, in welchen du Spaß hattest, dann höre ich auf, dich zu bedrängen.“

Scheißkerl.

Ich verdrehe die Augen und setze mich auf einen der Hocker. Dann nippe ich an meinem Weinglas.

Am liebsten würde ich ihn verfluchen, denn mir fällt einfach kein Moment ein, außer der gerade. Wieso fängt er mit so etwas an? Bis gerade eben, war noch alles ok, und jetzt das. Ich wusste, ich hätte nein sagen sollen, aber jetzt ist es zu Spät dafür.

„Mir fällt keiner ein. Zufrieden?“ Ich schnaube genervt. Obwohl ich ihn nicht ansehe, weiß ich, dass er ein selbstgefälliges grinsen im Gesicht trägt, welches ich ab sofort hasse.

„Würdest du mich an dich heran lassen, könnte ich dir zeigen, wie man Spaß hat.“

Er legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und mit der anderen, dreht er den Hocker zu sich. Da er so groß ist, sind wir genau auf Augenhöhe und ich fühle mich nicht mehr ganz so eingeschüchtert von ihm.

„Was denn zum Beispiel?“

Er grinst und sieht unfassbar sexy dabei aus. Seine Hand auf meinem Oberschenkel, lässt er auf und abgleiten. Ich merke, wie meine Atmung schneller wird, als er sie weiter in meine Innenschenkel gleiten lässt. Nun ist der Moment gekommen, um einen Abgang zu machen. Jetzt sollte ich meine Jacke anziehen, meine Tasche nehmen und gehen. Doch ich bleibe sitzen, weil meine Neugier die Oberhand hat.

„Das vorhin, in deinem Büro, hat dir doch sicherlich Spaß gemacht?“

Ich schlucke. Bei dem Gedanken daran, steigt mir Hitze ins Gesicht, denn ich weiß noch genau, wie gut sich das angefühlt hat.

„Du denkst daran, nicht wahr? Wie es sich angefühlt hat, als ich dich dort unten berührt habe.“

Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, aber ich bekomme keinen Ton raus. Stattdessen nehme ich seine Hand von meinem Oberschenkel und stehe auf, weil ich nicht möchte, dass er mich dort anfasst. Eigentlich möchte ich tief im inneren schon, dass er mich berührt, und ich hasse mich selbst dafür, aber ich besitze noch ein Gewisses Maß an Selbstbeherrschung.

„Tue ich nicht.“, lüge ich zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Abend.

Er geht einen Schritt zurück und ich glaube, er gibt für diesen Moment auf, also drehe ich mich in Richtung Bar und betrachte das riesige, beleuchtete Regal, mit den verschiedensten Alkoholsorten.

Plötzlich spüre ich, wie er hinter mir steht und sich an mich presst. Mir bleibt für einen kurzen Moment die Luft weg und ich versuche herumzufahren, um ihn ansehen zu können, während ich ihm sage, er soll aufhören, mich ständig anzufassen, aber er ist deutlich zu stark für mich, deshalb lasse ich es über mich ergehen.

„Ich weiß, dass du daran denkst, genauso wie ich an die ganzen versauten Sachen denken muss, die ich noch mit dir anstellen könnte, würdest du mich lassen.“

Haucht er dicht an meinem Ohr. Ich bekomme Gänsehaut, reiße mich aber zusammen und drehe mich zu ihn um.

„Ich gehe jetzt.“, sage ich ich und möchte meine Jacke nehmen, aber er hält mich davon ab, indem er sie nimmt und über die Bar wirft. „Was soll das?“ Ich sehe ihn wütend an. Seine Hände umfassen rechts und links von mir, die Kante des Tresens und ich stecke schon wieder mitten in der Falle. Er lässt mich also nicht gehen.

„Du ziehst dich nicht nur an wie eine langweilerin, sondern bist auch noch eine.“

Ich schnappe nach Luft. Was hat er eben gesagt?

„Naja, abgesehen von dem Kleid hier.“

Er mustert mich ungeniert und ich würde ihn am liebsten von mir wegstoßen, aber ich bin wie erstarrt.

„Was?“, bringe ich nur heraus und er ignoriert mich und berührt meine Hüfte. Ich nehme seine Hand weg und versuche, ihn nun doch von mir zustoßen, aber er bewegt sich nicht.

Scheiße!

Ich bekomme Panik. Was hat er verdammt nochmal mit mir vor?

„Du hast einen tollen Körper und ziehst dich sonst immer an, als würdest du dich für deinen Körper schämen.“

Wie bitte?

Erst beleidigt er mich und dann macht er mir ein Kompliment?

„Lass mich sofort gehen!“, zische ich ihn an. Er schüttelt den Kopf.

„Du weißt, dass ich recht habe.“

„Recht mit was?“, frage ich.

„Das du eine Langweilerin bist. Jedenfalls benimmst du dich wie eine.“

„Du weißt rein gar nichts über mich!“, fahre ich ihn an, blicke ihn dabei fest in die Augen.

„Ich weiß mehr über dich, als du dir vorstellen kannst, Baby, das ich habe ich dir vorhin schon gesagt.“ Seine Stimme leise und seine Worte lassen mich nachdenken. Aber ich versuche trotzdem, bei der Sache zu bleiben und mich nicht von dem Baby ablenken zu lassen.

„Hast du mich nur mit hier her genommen, um mich zu beleidigen?“ Meine Stimme ist mitten im Satz lauter geworden, bevor ich mich bremsen konnte. Lucifer schüttelt mit ernstem Gesichtsausdruck seinen Kopf, wobei ihn eine kleine Strähne auf die Stirn fällt, die er sich mit seiner Hand wegwischt, wobei ich meine Chance sehe, aus seiner Falle zu entkommen. Mit einer raschen Bewegung, dränge ich mich an ihn vorbei, rechne vorher aber nicht damit, dass er meinen Oberarm packt, und mich zu sich zurück zieht. Mit voller Wucht, drängt er mich gegen den Tresen und ich keuche vor Schreck auf.

„Wir spielen hier nach meinen Regeln, Lilith!“, knurrt er.

Jetzt verliere ich die Fassung. Keine Ahnung, welches Spiel er hier spielt, aber so lasse ich nicht mit mir umgehen. Schon gar nicht von ihm.

„Dieses Spiel, kannst du allein Spielen, denn deine Regeln, interessieren mich einen scheiß!“, sage ich, sehe ihm dabei direkt in die Augen. Ich fühle mich dabei unglaublich mutig, dem Teufel so gegenüberzustehen und das zu sagen.

Er funkelt mich an. Fast schon aggressiv. „Wie viel Mut hat es gebraucht, mir das ins Gesicht zu sagen?“

Ich erwidere nichts, woraufhin er wieder beginnt zu grinsen. Es ist ein boshaftes grinsen, welches mir durchs Mark geht.

„Hat dich dein Mut etwa schon wieder verlassen, oder warum bist du plötzlich so still?“

Wieder erwidere ich nichts. Er ist es nicht Wert. Wieso sollte ich mich noch weiter mit ihm streiten, es führt zu nichts, außer dass er mich weiter beleidigt und mir sagt, wie unglaublich langweilig ich bin. Es kotzt mich an, dass er recht hat. Wieso durchschaut er mich und wieso ist er dagegen so undurchschaubar?

„Ich erwarte eine Antwort.“, sagt er. Seine Stimme ist rau und er ist mir so nahe, dass ich seinen Atem spüren kann. Sein teures Duschgel steigt mir dabei in die Nase.

„Darauf kannst du lange warten!“Ich versuche an meine Tasche heran zu kommen, um jemanden zu schreiben, doch er erwischt mich dabei, nimmt meine Tasche und lässt sie auf den Boden fallen.

„Du bist unglaublich sexy, wenn du versuchst, mutig zu sein.“

Er berührt meinen Hals. Mit seinen langen Fingern, streicht er zärtlich meine Kehle entlang und Gänsehaut breitet sich auf meinem ganzen Körper aus, ohne das ich es verhindern kann.

Gerade erst, nennt er mich langweilig, dann findet er mich unglaublich sexy. Dieser Mann verwirrt mich.

„Von langweilig zu sexy? Sehr interessant.“ Ich bin nach wie vor wütend und möchte gehen. Ich wusste, ich würde es bereuen, mit ihm zu gehen. Ich hätte umkehren sollen, als ich noch konnte.

Er kommt meinem Gesicht noch näher und ich halte den Atem an. Werde ich ihn erlauben, mich zu küssen, nachdem was er gerade gesagt hat?

Bevor ich darüber nachdenke, küsst er mich. Und zwar grob, wild und voller Verlangen. Er versucht seine Zunge in meinen Mund zu drängen, aber in diesem Moment trete ich ihn mit voller Wucht in seinen Schritt und er lässt augenblicklich von mir ab, um vor Schmerz aufzustöhnen.

„Obwohl ich langweilig bin, war das ein sehr interessanter Abend. Danke dafür“, zische ich, und er muss sich mit einer Hand am Bartresen festhalten. „Du elendes...“ Er gibt einen komischen Laut von sich. Es hört sich an wie ein lachen. Schnell schnappe ich mir meine Tasche vom Boden, gehe hinter die Bar, schnappe mir meine Jacke und verschwinde so schnell ich kann. Zum Glück hat er nicht abgeschlossen.

Ich bin bin langweilig.

Jedenfalls benehme ich mich so.

Und ich ziehe mich langweilig an.

Klasse. 21 Jahre alt und die langweiligste Person, die es gibt und niemand außer Lucifer hat es übers Herz gebracht, mir das ins Gesicht zu sagen. Eigentlich bin ich nicht mal wütend, denn er hat recht. Ich merke selbst, wie Mell immer die Augen verdreht, wenn ich nicht mit ihr nach der Arbeit trinken gehen will. Oder wenn ich Mike sage, dass ich keine Lust habe, mir New York anzusehen, weil ich erschöpft bin.
 

Es ist Freitag und ich mache dieses Mal pünktlich Schluss mit der Arbeit. Dieses Mal verabschiede ich mich nicht wirklich von Mr. Baldwin, denn er ist mit Beth beschäftigt. Nur kurz dreht er sich zu Mell und mir um, um uns zuzuwinken. Mell lächelt freundlich, aber distanziert und ich winke ihm zurück.

„Findest du auch, dass er zur Zeit komisch ist?“, fragt mich Mell, ehe ich ihr fast dieselbe Frage stelle.

„Ja, finde ich. Er hat mir angeboten, ihn beim Vornamen zu nennen.“, erzähle ich ihr und sie wirkt überrascht.

„Wirklich? Eigentlich meinte ich seine gute Laune, aber das ist mir neu. Sag bloß, er mag dich plötzlich, jetzt wo er dich mit Mr. Superheiß gesehen hat?“

„Mr. Superheiß?“ Wohl eher Mr. Arschloch, der sich glücklicher Weise bis heute nicht mehr bei mir gemeldet hat. Ich hoffe, das bleibt so. Das einzige, was mich wirklich stört, ist, dass ich mein Handy bei ihm vergessen habe. Es muss aus meiner Tasche gefallen sein, als er sie auf den Boden geworfen hat.

„Willst du etwa sagen, er ist nicht super heiß?“ Sie zwinkert mir zu.

„Er sieht gut aus, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mag.“ Ich bin mir eher sicher, dass ich ihn nicht mag.

„Dein Knutschfleck sagt etwas anderes.“ Sie grinst und ich mache meine Haare davor, damit er nicht so offensichtlich ist. Damit zieht sie mich wahrscheinlich so lange auf, bis er endlich verschwunden ist.

Als wir draußen sind, holt ein Freund von Mell sie ab und mir fällt beinahe die Kinnlade runter, als ich sehe, wer dieser Typ ist. Das ist der Typ von Samstag, aus dem Club, welchen sie so süß fand. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich mit ihm trifft.

Er schließt Mell in seine Arme und küsst sie auf ihre Wange, bevor sie ihn ansieht und ihn auf den Mund küsst. Verlegen blicke ich irgendwo anders hin, nur nicht zu den beiden, weil ich das zu intim finde.

Als die beiden fertig damit sind, sich zu begrüßen, wendet sich Mell wieder an mich. „Ich brauche dich erst gar nicht zu fragen, ob du mitkommen willst, oder?“

„Wohin?“, frage ich, bevor ich nein sage. Aber vielleicht tut es mir gut, öfter mit anderen auszugehen, statt an meinen freien tagen zu Hause zu bleiben, um mich in mein Bett zu verkriechen.

Mell wirkt überrascht, lächelt jedoch. „Ins Dead Rabbit. Also kommst du mit?“

Ich kenne die Bar sogar und war dort bereits ein oder zweimal. Ein Drink mit meiner besten Freundin würde nicht schaden, aber ich möchte nicht das dritte Rad am Wagen sein. Ich schüttle den Kopf und lächle sie an. „Schon gut, habt ihr beide lieber Spaß.“

„Molly und Mike sind auch da.“, fügt sie dann noch hinzu und das ganze sieht schon anders aus. Wenn die beiden dabei sind, habe ich kein Problem damit, mit den beiden zu gehen. Dann habe ich nämlich nicht das Gefühl, Mell und ihren neuen Freund zu stören.

Ich seufze. „Gut, ich komme mit.“

Ich nicke und Mell hakt sich bei mir ein.
 

Molly ist bereits verschwunden, als wir in der gemütlichen Bar sind. Sie wollte Mike sicherlich nicht für den Rest des Abend ertragen müssen, denn er ist bereits jetzt schon damit beschäftigt, an der Bar ein rothaarige Schönheit in seinen Bann zu ziehen. Das scheint zu funktionieren. Ich beobachte, wie sie lächelt, als er ihr etwas ins Ohr flüstert. Wahrscheinlich irgendetwas versautes, denn sie rutscht verlegen auf ihren Barhocker herum und berührt ganz unauffällig seinen Arm. Beim vorbeigehen bemerkt er mich und hält abrupt inne mit dem was er tut und hält mich am Arm fest.

„Was tust du denn hier?“, erkundigt er sich überrascht.

Ich merke, wie er seinen Blick an mir auf und abgleiten lässt. „Und was trägst du da? Warst du heute nicht Arbeiten?“

Ich weiß wirklich nicht was er meint oder wieso er so überrascht ist mich zu sehen. Ich trage ein schwarzes Etuikleid, welches ich mir vor ein Jahr gekauft habe, aber bis heute noch nie anhatte. In meinen Augen, nichts besonderes. So laufen doch viele Frauen rum.

„Doch, war ich. Wieso wirkst du so überrascht darüber, dass ich hier bin?“, frage ich.

„Naja, du gehst nach der Arbeit doch immer gleich nach Hause?“

„Ich hatte einfach Mal Lust auszugehen.“, erwidere ich und merke, wie die Schönheit neben ihn ungeduldig wird.

Mike wirkt überrascht, sagt aber nichts mehr dazu und fragt mich stattdessen, ob ich etwas trinken möchte.

„Ich hole mir selbst etwas zu trinken. Ich wollte euch nicht stören.“ Ich lächele ihn und die Frau neben ihn an. Sie erwidert mein Lächeln zurückhaltend und Mike nickt, ehe er mich loslässt. Ich gehe zu Mell und Taylor, so heißt der attraktive Mann. Die beiden bestellen Drinks und als ich mich zu ihnen setze, lächelt mich der süße Kellner an. „Und für Sie?“, fragt er mich freundlich.

„Ein Bier bitte.“, antworte ich auf seine Frage. Er nickt und verschwindet. Auf einmal gesellt sich Mike zu uns. Er ist klitschnass und nimmt sich eine Serviette vom Tisch, mit welcher er sich abtrocknet.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragen Mell und ich gleichzeitig.

„Nichts!“, brummt er und ich sehe zur Bar. Die Frau, mit der er gesprochen hat, ist spurlos verschwunden.

„Was hast du zu ihr gesagt?“, frage ich und muss mir ein lachen verkneifen. Mell hingegen lacht ganz offen, ehe sie sich wieder Taylor widmet.

„Ist doch egal.“

Mir wird mein Bier gebracht und Mike fragt, ob er einen doppelten Scotch bekommen kann.

„Nein, sag schon, das interessiert mich. Ich habe noch nie miterleben können, wie du eine Abfuhr bekommen hast.“, dränge ich breit grinsend und stupse ihn an. Er verdreht seine Augen und hält mir seine Hand hin. Ich verstehe und reiche ihn meine Bierflasche, woraus er einen großzügigen Schluck nimmt, bevor er sie mir zurück gibt und sich sein nasses Haar nach hinten streicht.

„Das was ich immer sage, aber irgendwie war sie nicht so angetan davon.“

Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie sah sogar sehr angetan von ihm aus. Ob da Worte so viel anrichten können?

„Was sagst du denn immer?“

„Bitte lass uns das Thema wechseln. Ich bin schon genug gedemütigt worden.“ Er klingt genervt, aber als mein Lächeln verfliegt, legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel und versucht es mit einem kleinen Lächeln wieder gut zu machen.
 

Den Rest des Abends verbringen, mehr oder weniger, nur Mike und ich. Mell und Taylor sitzen etwas weiter abseits, turteln rum und küssen sich. Ich bin froh das Mike hier ist, aber noch fröhlicher macht es mich, dass Mell sich anscheinend verknallt hat. Die Art und Weise, wie sie Taylor ansieht, erinnert mich daran, wie ich Joel angesehen habe, als es noch ganz frisch zwischen ihn und mir war. Ich hoffe nur, das zwischen den beiden läuft anders ab, als das zwischen ihn und mir vor vier Jahren.

Joel war der erste Mann, in welchen ich wirklich verschossen war. Jedenfalls am Anfang. Wir gingen auf die selbe Highschool und er war Footballspieler. Wir kannten uns dadurch, dass ich Cheerleader war und haben uns ab und zu getroffen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir in eine Bar gegangen sind und er sich als 21 ausgegeben hat, damit wir Alkohol trinken konnten. Im Laufe des Abend bekam der Barkeeper aber Verdacht und drohte damit, unsere Eltern zu verständigen, aber wir sind einfach weggerannt. Das hat wirklich Spaß gemacht und es war das erste Mal, dass ich betrunken war. So nett er aber auch zu mir war, er nutze genau das in der Nacht aus und nahm mir meine Unschuld. Das zwischen ihn und mir hielt ein Paar Monate, aber länger auch nicht, denn er hat mit mir Schluss gemacht, weil er eine andere hatte. Ich war nicht wütend, nicht einmal traurig, denn irgendwie war das zwischen ihn und mir doch nichts ernstes. Wir hatten nur zusammen Sex, gingen ab und zu ins Kino, aber das war es auch schon. Er zog weg, ging aufs College und wir hörten nie wieder voneinander. Ende der Geschichte. So stellt sich niemand die erste Liebe vor. Ich war noch nie so wirklich verliebt. Doch.

Jack.

Allein an ihn zu denken, löst ein komisches Gefühl in mir aus.

Ich schiebe den Gedanken bei Seite und konzentriere mich wieder auf Mike. Nachdem wir eine Stunde über alles mögliche geredet, und ich vier Flaschen Bier und ein bisschen von seinem Scotch getrunken habe, beschließen wir beide zu gehen. Er bietet mir natürlich an, mich nach Hause zu fahren, aber ich frage, ob ich bei ihn übernachten kann, denn ich möchte nicht zu meinen Eltern nach Hause. Ich habe das Gefühl, die beiden brauchen ihre Privatsphäre.

Mike sagt wie erwartet ja.

Als wir im Auto sitzen, schalte ich das Radio ein. Mike schaltet es ein wenig leiser.

„Wieso bist du eigentlich nicht ans Handy gegangen?“, fragt er mich und mir fällt ein, dass ich es ja bei Lucifer vergessen habe. Ob ich schnell vorbei sehen sollte, um es mir zu holen?

Auf dem Handy sind eine Menge Bilder, die mir wichtig sind und die ich nicht verlieren möchte. Ebenso eine Menge Nummern, die ich mir noch nicht alle aufgeschrieben habe. Ich bin mir nicht sicher. Heute habe ich nicht die Nerven dafür, mich mit dem Teufel anzulegen. Andererseits hätte ich es schon gern wieder.

„Ich hab es gestern bei Lucifer vergessen.“

Mike sein Kopf dreht sich sofort zu mir und er fährt beinahe über eine rote Ampel. „Pass auf!“, brülle ich und er legt eine Vollbremsung hin. Ich muss mich irgendwo festhalten, damit ich durch die Wucht nicht mit dem Kopf irgendwo gegen knalle.

Mein Herz rast wie verrückt vor Schreck, doch Mike interessiert es nicht, dass er gerade fast bei rot über eine belebte Straße gefahren wäre. „Du warst wieder bei ihm?“

„Beruhige dich, wir haben nur was getrunken.“, meine ich.

Mike wirkt wütend und ich verstehe nicht wieso.

„Du hast gesagt, du hältst dich von ihm fern?“, fährt er mich direkt an. Das ist das erste Mal, dass er so laut in meiner Gegenwart geworden ist. Das kann aber auch Einbildung sein, denn ich bin ein klein wenig angetrunken und bin noch ein wenig erschrocken, wegen der Bremsung, die er hingelegt hat.

„Schrei mich nicht so an, verdammt! Ich muss mich erst mal beruhigen!“, fahre ich ihn ebenfalls an und wische mir meine Haare aus dem Gesicht. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wieso reagiert er auf ihn so schlecht? Die Gerüchte müssen doch nicht stimmen und wenn doch, soll es mir egal sein, was Lucifer tut. Ich mische mich schließlich nicht in seine Angelegenheiten ein.

Mike blickt wieder nach vorn und fährt bei grün weiter. Er hat sich ziemlich schnell wieder im Griff.

„Du hast gesagt, du hältst dich von ihm fern?“,wiederholt er nun etwas sanfter, aber immer noch mit Nachdruck im Unterton.

„Ich weiß, was ich zu dir gesagt habe, Mike. Er ist gestern bei mir auf Arbeit aufgetaucht und hat mich gefragt, ob ich mit ihm etwas trinken möchte. Hätte ich nein gesagt, wäre er nicht gegangen.“, erkläre ich rasch. „Wenn du mich gern hast, fährst du jetzt bitte mit mir zu seinem Club, damit ich mein Hand holen kann. Danach muss ich ihn nicht mehr sehen.“

Er wirkt unsicher. „Ich kann da rein gehen und es für dich holen.“, schlägt er vor.

Das halte ich für keine gute Idee. Warum auch immer.

„Nein, ich gehe selbst.“

Der Türsteher hat mich ohne weiteres rein gelassen, als er mich entdeckt hat. Es ist der gleiche wie am Samstag. Der, der mir so unfassbar gruselig vorkommt. Und seine kühle, ernste Art, macht es mir nicht besonders einfach, ihn nicht furchteinflößend zu finden.

Er begleitet mich mit hinein, währenddessen ein anderer seinen Platz einnimmt, der genauso kräftig und übertrieben muskulös ist, wie dieser hier, der mich die Treppe, in den Club hinunterführt.

Heute ist es nicht so voll, wie ich erwartet habe. Das Licht ist rötlich und auf der Bühne ist es dunkel. Die Musik ist aus und ich frage mich, was hier vor sich geht.

„Dort entlang.“, weist mich der große Kerl in Richtung Bar. Dort ist Alice, aber sie ist nicht beschäftigt. Sie hat ihr Gesicht auf ihre Hände gestützt und schaut zur Bühne. Der große Typ verschwindet und ich warte ab, was gleich passiert.

Plötzlich gehen die Scheinwerfer an und richten sich auf die Treppe, von der ich gerade eben kam. Frauen in Nonnenkostümen, schreiten die Treppe hinunter, während ein Chor ähnlicher Gesang abgespielt wird.

Als sie auf der Mitte der Treppe sind, reißen sie sich plötzlich die Kleider vom Leib, die Musik ändert sich zu etwas Rockmäßigen und die Nonnen stehen in Unterwäsche da. Die Menge jubelt und ich bin überrascht. So was kann sich nur der Teufel ausgedacht haben.

„Gefällt dir die Show?“, reißt mich Lucifer's Stimme hinter mir aus meinen Gedanken und ich drehe mich zu ihn um.

„Wie bist du auf die Idee gekommen?“, frage ich.

Er zuckt mit den Achseln. „Ich habe ständig neue Einfälle.“, sagt er stolz und lächelt, während er die Nonnen beobachtet, die sich im Rhythmus der Musik bewegen, sich gegenseitig den Hintern entgegenstrecken und sich den BH ausziehen. Ihre Brüste kommen zum Vorschein, aber die Nippel sind mit schwarzem Klebeband beklebt und somit überdeckt. Na wenigstens etwas.

Die Menge jubelt noch lauter und das Licht geht plötzlich aus. Es ist komplett dunkel und als ich glaube, dass Menschen an mir vorbeilaufen, halte ich mich an Lucifer fest.

Im selben Augenblick, geht das Licht wieder an und auf der Bühne tanzen die halbnackten Nonnen weiter.

„Wie ich sehe, bist du heute besonders anhänglich.“, schnurrt Lucifer und ich sehe erst auf meine Hand, mit der ich sein Jackett festhalte, dann in sein gesucht und augenblicklich lasse los.

„Du hättest mich warnen können.“

„Dann wäre es nicht mehr so überraschend gewesen.“ Er grinst und steckt sich die Hände in seine Hosentaschen, dann sagt er: „Du bist sicher wegen deinem Handy hier.“ und ich nicke.

„Kannst du es mir bitte geben? Ich möchte wieder los.“, drängle ich. Mike wartet da draußen auf mich und ich möchte nicht, dass er etwas falsches denkt.

„So eilig?“, fragt er und legt eine Hand an meinen Rücken um mich vorsichtig zu einer Tür zu schieben, die gleich neben der Bar ist.

„Ja“ Mehr sage ich nicht.

Er holt einen Schlüssel aus der Hosentasche und schließt die Tür auf. Dahinter befindet sich ein Gang, der komplett rot ist. Rote Wände, rote Teppich und rote Decke. Ich bekomme ein beunruhigendes Gefühl, als er die Tür hinter uns zuschließt und mich geradeaus weiterführt, zu einer weiteren Tür, die nicht abgeschlossen ist.

„Was ist dahinter?“, frage ich.

„Mein Folterzimmer.“, scherzt er, öffnet die Tür und schaltet das Licht ein. Das ist definitiv kein Zimmer zum Foltern, sondern eher um Lust zu bereiten. Es ist ein riesiges Schlafzimmer, welches eher dunkel gehalten ist. Es gibt keine Fenster, die Außenlicht oder frische Luft herein lassen können. In der Mitte des Raumes befindet sich ein Bett, welches ordentlich Bezogen ist, mit dunkel blauer Bettwäsche und mehr nicht. Das ist das einzige, was es in diesen Raum gibt, abgesehen von den Bildern an den Wänden. Darauf sind nackte Frauen zu sehen, manche von ihnen sind sogar gefesselt. Aich weiß nicht, was ich davon halten soll. Noch weniger weiß ich, was wir hier suchen, denn hier ist mein Handy definitiv nicht.

„Was wollen wir hier?“ Ich sehe zu Lucifer hinüber. Er nickt zum Bett und mir fällt beinahe die Kinnlade runter.

„Ich bin hier, um mein Handy zu holen, nicht um mit dir Sex zu haben!“

Lucifer lacht und fährt sich gelassen durch sein Haar. „Ich meinte eigentlich, dass du dich setzen sollst.“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Trotzdem schade.“

Was?

Ich gehe nicht darauf ein und setze mich auch nicht. Ich möchte nicht wissen, was auf diesen Bett schon alles passiert ist.

„Wo ist mein Handy?“

„Warte!“, befiehlt er im sanften Ton.

Er geht zu eines der Bilder. Um genauer zu sein, zu das in der Mitte, auf welchen eine gefesselte, dunkelhaarige, nackte Frau ist.

Er öffnet das Bild wie einen Schrank und dahinter ist ein Safe versteckt. Er öffnet diesen und ich versuche einen Blick zu erhaschen, was dort noch drin ist, aber da ist es auch weder geschlossen und er bringt mir mein Handy. „Dein Display muss beim Aufprall auf den Boden zersplittern worden sein.“, erklärt er, und ich sehe, dass das gar nicht mein Handy ist. Dieses hier ist großer und einfacher.

„Und was ist dann das?“, frage ich und betrachte das viel zu große Ding in meiner kleinen Hand.

„Ein neues. Deine Bilder und Kontakte konnten wir aber retten.“ Er lächelt und ich bin genervt. Jetzt muss ich dieses neumodische Ding annehmen, weil dort Bilder drauf sind, die mir wichtig sind und Kontakte, die ich mir noch nicht aufgeschrieben habe. Ich seufze tief.

„Danke, aber du hättest mir nicht extra ein neues kaufen müssen.“

„Doch, schließlich habe ich deine Tasche auf den Boden geworfen.“

Ich sage nichts, ich weiß nämlich nicht, was ich sagen soll. Schließlich sagt er aber etwas.

„Da waren ein Paar sehr interessante Bilder drauf.“ Er zwinkert mir zu und grinst.

„Du hast dir die Bilder angesehen?“, frage ich fassungslos. Er zuckt mit den Schultern, als wäre das selbstverständlich, da er die Bilder ja irgendwie retten musste.

„Der grüne Bikini steht dir übrigens hervorragend.“

Er hat sich also wirklich die Bilder angesehen. Die von mir, als ich diesen Sommer am Strand war und sicherlich auch die ganzen Selfies mit Mell, Molly, als wir betrunken waren. Ich hoffe bloß, er hat sich nicht das Video angesehen, denn das wäre noch peinlicher.

„Du hast sie dir angesehen?“, schnauze ich ihn an und er macht es sich auf dem Bett gemütlich.

„Ja, ich hatte keine Wahl, schließlich musste ich die Bilder, die nicht auf deiner Speicherkarte waren, einzeln herüberschicken. Ist das ein Problem für dich?“

„Das war meine Privatsphäre, Lucifer. Du kannst dir nicht einfach meine ganzen Bilder ansehen, die ich auf dem Handy hatte!“ Ich bin überrascht darüber, wie laut ich sein kann, wenn ich wütend bin, denn das bin ich eigentlich selten.

„Doch, konnte ich. Und nicht nur das.“ Sein grinsen wird breiter und er starrt verträumt auf die Decke.

„Was hast du dir noch angesehen?“ Bitte nicht das Video!

„Ein paar Videos.“ Er mustert mich und zwinkert mir wieder zu. „Am besten hat mir das eine gefallen, wo du dein Bikini Oberteil ausgezogen hast. Das habe ich mir ungefähr 100 Mal angesehen, weil ich nicht genug davon kriegen konnte.“

Verdammt! Ich wusste, ich hätte es löschen sollen.

Ich schnappe nach Luft. „Dreckschwein!“, zische ich und würde am liebsten gehen, aber er hat den Schlüssel und ich komme nicht raus ohne den.

„Früher oder später hätte ich sowieso gesehen, was du schönes unter deinen Sachen zu verbergen hast.“ Er wirft mir einen verschmitzten Blick zu.

Ich halte ihn meine Hand hin und bevor ich nach den Schlüssel fragen kann, zieht er mich vor sich und sieht zu mir hinauf. „Gib mir bitte den Schlüssel.“, bitte ich ihn freundlicher.

Er holt ihn aus seiner Hosentasche, gibt ihn mir aber nicht. Er lässt ihn neben sich aufs Bett fallen.

„Vielleicht möchtest du mir ja sogar jetzt zeigen, was du unter diesem hinreißenden Kleid verbirgst.“. Er spricht langsam und sinnlich, streicht zärtlich über meinen Handrücken und weckt damit wieder dieses kribbeln in mir. „Wenn du möchtest, verschaffe ich dir Gefühle, die du noch nie zuvor gefühlt hast. Sag nur, dass du mich willst und ich gebe dir alles, was du möchtest.“

Er lässt meine Hand los und schiebt mein Kleid nach oben. Ich beobachte ihn, wie er mit der Hand zärtlich meinen Innenschenkel berührt und mir damit eine Gänsehaut verschafft.

„Gestern hat dir doch gefallen, oder? Was ich mit dir im Büro angestellt habe.“

Mir fehlen die Worte. Ich war gerade eben noch wütend und nun fühle ich mich erregt. Das allein, nur durch seine Worte und seinen zärtlichen, sinnlichen Berührungen. Wie macht er das bloß?

„Ich weiß, dass es dir gefallen hat.“

Er spreizt seine Beine und schiebt mich dazwischen. Zärtlich küsst er meinen Oberschenkel und sieht mir dabei direkt in die Augen. Ich schlucke.

„Es hat mir gefallen“, gebe ich zu. Das ist die Wahrheit. Vorsichtig vergrabe ich eine Hand in sein Haar. Ruckartig ziehe ich seinen Kopf zurück, was ihn sichtlich überrascht. „Aber es war ein Fehler und passiert nicht wieder. Du hattest mich in die Enge getrieben, ich war verwirrt, wusste nicht, was ich da tat. Aber um ehrlich zu sein“ Ich mache eine kleine Pause und lasse sein Haar los. „wenn ich es mir selber mache, gefällt es mir besser.“

Mit großen Augen blickt er zu mir hinauf. Ich bin selbst darüber überrascht und frage mich, wo das auf einmal herkam, auch wenn es gelogen war. Und obwohl ich ihn damit kränken wollte, scheint es, als würde sich dieses knistern zwischen uns sich zu verstärken, und meine Worte ihn zu erregen.

„Ich würde zu gern sehen, wie du es dir selber machst.“, sagt er leise, während er eine Hand an meine Kniekehle legt, damit ich nicht verschwinde. „Zeig es mir!“, fordert er leise, sieht mir direkt in die Augen, als würde er tief in mich hinein blicken können. Als wäre ich für ihn ein offenes Buch, genau in seiner Sprache. Seine Pupillen sind so groß, dass von dem schönen blau fast nichts mehr übrig ist.

Ich beuge mich nach unten. Er glaubt, ich möchte ihn küssen, aber ich schnappe mir den Schlüssel und gehe einige Schritte rückwärts, damit ich ihn nicht mehr so nahe bin.

„Ich schlafe nicht mit dir und schon gar nicht mache ich es mir selbst, weil du es so willst. Das mit uns passiert nicht heute, nicht morgen, niemals.“, erläutere ich ihn und verschwinde aus der Tür, bevor er mich aufhalten kann. Ich schließe die Tür auf und lasse den Schlüssel stecken. An der Bar steht Mike und redet wie wild auf Alice ein, die von rein gar nichts Bescheid weiß und aussieht, als wäre sie kurz davor, ihm die Wodkaflasche über den Kopf zu ziehen. Ich ziehe ihn weg von ihr und lächle sie entschuldigend an.

„Wo zur Hölle warst du?“, brüllt er über die Musik hinweg und ich ziehe ihn hinter mich her, bis er sich draußen von mir losreißt.

„Ich habe mein Handy. Wir können gehen.“

„Was ist da drin passiert?“ Er ist laut und wir werden bereits angestarrt.

„Wir haben kurz geredet, Mike. Er hat mir erklärt, das mein Handy kaputt war und er mir deshalb ein neues gekauft hat. Jetzt komm bitte, mir ist kalt.“ Ich fühle mich so schlecht ihn anzulügen. Er ist mein bester Freund und macht sich sorgen um mich. Ihn so zu sehen, so wütend und verletzt, weil er mir nicht glaubt, tut mir unendlich leid. Aber er ist zu nett, um weiter auf mich einzureden und steigt ins Auto. Er wartet, bis ich auch einsteige und fährt, ohne ein Wort zu mir zu sagen, los.

„Tut mir leid. Wirklich.“, entschuldige ich mich, weil ich die Stille zwischen ihn und mir nicht ertrage.

„Ich hab mir sorgen gemacht, Lilith.“ Er nennt mich selten bei meinem richtigen Namen, weshalb ich merke, dass er wirklich wütend ist. Es tut mir so unfassbar leid. Ich hätte sofort die Schlüssel fordern und gehen sollen, als ich die Chance hatte, statt ihn warten zu lassen.

„Ich weiß, es tut mir wirklich leid. Wirklich Mike.“

Ich lege meine Hand auf seine, die er am Lenkrad hat. „Ich hätte sofort gehen sollen, als ich die Schlüssel hatte, aber ich habe mit ihm diskutiert, weil er sich meine Fotos auf dem Handy angesehen hat. Deshalb hat es solange gedauert.“, erkläre ich ihn ruhig, in der Hoffnung, er ist mir nicht länger wütend, aber ich würde verstehen, wenn er es immer noch ist.

„Lass mich beim nächsten Mal mit kommen. Ich will dich nicht mit diesem Typen allein lassen.“

Ich nicke und lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen.

Ich bin bereits neun Uhr auf den Beinen und mache mich auf dem Weg nach Starbucks. Heute ist es nicht so voll wie in der Woche und ich bin schnell dran um zu bestellen. Landon arbeitet leider Sonntags nichts. Stattdessen bedient mich ein Typ mit gegeelten Haaren, der aussieht wie 30, aber aussehen möchte wie 17. Obwohl er bei dem Typen vor mir genervt scheint, ist er ziemlich freundlich zu mir, als ich dran bin. Ich bestelle einen Latte und warte, bis er ihn fertig hat. In meiner Tasche vibriert mein Handy und mir fällt ein, dass ich es seit gestern nicht mehr in der Hand hatte. Ich krame es heraus und entsperre den Bildschirm. Eine Nachricht von Lucifer. Dieser Idiot hat meine anscheinend Nummer und seine hat er hier eingespeichert. Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.

Ich öffne die Nachricht.
 

Gut geschlafen?
 

Ich stecke mein Handy zurück in meine Tasche, ohne ihm zu antworten, nehme meinen Latte entgegen und bezahle. Als ich mich umdrehe, kommen drei Typen ins Lokal. Einer davon ist überraschenderweise Lucifer.

Er starrt auf sein Display, ohne mich zu bemerken. Erst als er fast vor mir steht, sieht er auf und wirkt dabei fast genauso überrascht wie ich.

„Hallo“, bringe ich leise heraus und auf seiner Stirn bilden sich leichte Fältchen. Wieso bin ich plötzlich so eingeschüchtert?

„Du hast meine Nachricht ignoriert.“

„Ich bin noch nicht dazu gekommen, zu antworten.“, lüge ich.

Der Typ hinter mir reicht Lucifer wortlos einen Becher und er reicht ihm das Geld.

„Hab' ich mir schon gedacht.“, sagt er und der Sarkasmus in diesem Satz ist nicht zu überhören. Zwischen uns herrscht schweigen, nur die Musik aus dem Radio ist zu hören und als wäre die Situation, zwischen ihn und mir, nicht schon komisch genug, fängt dieses eine Lied an zu spielen.

„Wollen wir uns setzen?“, fragt er.

„Nein, Mike wartet auf mich. Ich muss los.“, erwidere ich schlicht und ich achte nicht auf seine Reaktion. Ich lächele dem eingeschüchterten Verkäufer freundlich zu und gehe. Aber die muskelbepackten Männer versperren mir den Weg nach draußen und vier pechschwarze Augen blicken mich mit einer Ausdruckslosigkeit an, die mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Will er mich hier gegen meinen Willen festhalten?

Ich wende meinen Kopf zu Lucifer, der eine Handbewegung macht. Die beiden Männer machen Platz und lassen mich zum Glück raus.

Als ich draußen bin, atme ich erleichtert aus. Nichts wie weg von hier!

„Lilith“, ruft Lucifer, und ich gehe weiter. Ich weiß keinen Grund, wieso ich stehen bleiben sollte, außer das ich unfassbar Neugierig darauf bin, zu wissen,was er schon wieder von mir will. Ich zögere , bevor ich langsam stehen bleibe und mich mit schief gelegtem Kopf zu ihn umdrehe. Wieso bin ich bloß so neugierig?

Er macht einige Schritte auf mich zu. So, dass genug Abstand zwischen uns ist und ich mich ausnahmsweise nicht von ihm bedrängt fühle.

„Ich wusste gar nicht, dass der Teufel Bodyguards benötigt, wenn er sich einen Kaffee holt.“

„Das sind keine Bodyguards. Das sind... Machst du dich über mich lustig?“ Er blickt mich finster an und ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht amüsant finde.

„Ein bisschen.“, gebe ich zu und seine finstere Miene weicht zu einem amüsierten grinsen.

Ich erwarte ja, dass er mich fragt, ob ich mit rein komme, aber das tut er nicht. Stattdessen sagt er etwas unerwartetes. „Wir hatten einen ziemlich schlechten Start, oder?“

Wo kommt denn der Sinneswandel auf einmal her?

„Nein, wie kommst du bloß darauf?“, frage ich, während der Sarkasmus kaum zu überhören ist.

Er lächelt und ich beobachte die Menschen, die an uns vorbei gehen, sich aber nicht für uns interessieren.

„Du bist unfassbar nervig, weißt du das?“ Er lacht, als er das sagt und ich habe nicht damit gerechnet, dass so etwas von ihm kommt.

„Das sagst ausgerechnet du?“ Er ist derjenige, der unfassbar nervt. Er taucht doch ständig bei mir auf Arbeit auf, bedrängt mich und jetzt treffe ich ihn ganz zufälligerweise hier. „Ich glaube, nicht ich nerve dich, sondern eher die Tatsache, dass du mich nicht haben kannst.“, mag ich zu behaupten und er wendet nichts ein.

Als er nichts sagt, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und sehe auf die Uhr, damit es glaubwürdiger rüber kommt, wenn ich jetzt sage, dass ich los muss.

„Ich muss dann los“ Ich lächle freundlich und drehe mich auf dem Absatz meiner Schuhe um, um dann zu gehen.

„Ich werde dir nicht hinterherrennen.“, ruft er mir zu und ich drehe mich beim laufen zu ihn um, um ihn anzugrinsen.

„Falls du es noch nicht mitbekommen hast: Das tust du schon die ganze Zeit.“ Dann drehe ich mich um und gehe weiter.

Ich kann beim weiter gehen, seinen Blick in meinem Nacken spüren. Es ist, als würde mir eine Stimme im Kopf zuflüstern, dass ich mich umdrehen soll, doch ich wehre mich dagegen. Erst als ich an einer Kreuzung bin, sehe ich nochmal in seine Richtung und er steht tatsächlich noch da, mit verschränkten Armen, aber ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Dafür ist er zu weit weg.

Ich liege im Bett und kriege die Augen nicht zu. Meine Gedanken sind woanders. Genau dort, wo ich sie nicht haben möchte. Wüsste er, dass ich an ihn denke, würde er selbstgefällig in sich hinein grinsen. Ich kann direkt vor mir sehen, wie seine Lippen sich zu diesem grinsen formen, wobei seine perfekten Wangenknochen so gut zur Geltung kommen und seine Augen wieder dieses amüsierte glitzern in sich haben.

Gedanken bei Seite.

Mein Handy vibriert auf meinen Nachttisch und ich schalte das Licht an, bevor ich es zur Hand nehme und nachsehe, wer mir geschrieben hat.
 

Name: Lucifer

Zeit: 22:32 Uhr
 

Denkst du an mich?
 

Himmelherrgott! Woher weiß er das? Ist es etwa eine Sünde, an ihn zu denken?

Ich fühle mich ertappt und lege mein Handy bei Seite, ohne zu antworten. Nur wenige Minuten später kommt eine weitere Nachricht.
 

Name: Lucifer

Zeit: 22:35 Uhr
 

Ich denke nämlich an dich.
 

Natürlich tut er das, sonst würde er nicht auf die Idee kommen, mir jetzt zu schreiben.

Ich überlege etwas zurück zu schreiben. Mir fällt bloß nicht ein, was ich schreiben kann.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 22:41 Uhr
 

Gut zu wissen.
 

Das muss reichen. Eine weitere Abfuhr, sollte doch endlich genügen. Oder etwa nicht?
 

Name: Lucifer

Zeit: 22:43 Uhr
 

Es gefällt dir, meinen Stolz zu verletzen, nicht wahr?
 

Ich starre mit einem grinsen auf mein Handy. Mit so viel Ehrlichkeit, hätte ich ganz und gar nicht gerechnet.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 22:43 Uhr
 

Und dir gefällt es, mich zu nerven. Wenn du nett wärst, wäre ich nett zu dir. Aber was bin ich denn schon: eine Langweilerin.

Hör auf mir zu schreiben.
 

Die nächste Antwort kommt schnell.
 

Name: Lucifer

Zeit: 22:44 Uhr

Ich entschuldige mich ungern, aber es tut mir leid, dass ich dich damit verletzt habe. Du bist alles andere als langweilig. Sonst würde ich nicht so oft an dich denken. Gute Nacht
 

Wie bitte? Ich lese mir die Nachricht noch einmal durch. Er hat sich entschuldigt. Was eine Überraschung. Plötzlich bin ich also nicht mehr so langweilig. Das lasse ich nicht so liegen.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 22:47 Uhr
 

Danke für die Entschuldigung, aber ich bin mir nicht sicher, ob das nicht wieder nur einer deiner kleinen Spielchen ist. Ich bin mir sicher, dich kränkt einfach nur die Tatsache, dass du mich nicht haben kannst, so sehr du dich auch bemühst. Gute Nacht, Lucifer.
 

Ich drücke auf senden. Stoff zum nachdenken für ihn. Ich will mein Handy weg legen, aber es vibriert schon wieder und mein Herz beginnt zu rasen.
 

Name: Lucifer

Zeit: 22:53 Uhr
 

Du bist unfassbar nervig. Hat dir das schon mal jemand gesagt? Ich spiele nun mal gern Spielchen, besonders mit dir, aber was ich geschrieben habe, war ernst gemeint. Es tut mir leid. Du bist alles andere als langweilig, was nicht nur daran liegt, dass du unfassbar schön bist, sondern du sagst, was du denkst, ohne darüber nachzudenken und das gefällt mir und nervt mich zur selben Zeit. Ich stehe auf mutige Frauen. Besonders stehe ich aber auf dich. Ich bin nicht gekränkt, auch wenn es nicht nett ist, mich ständig stehen zu lassen oder mir gar keine Chance zu geben. Ich weiß, dass ich dich haben kann und du weißt das auch.

Alles zu seiner Zeit. Schlaf gut, Lilith.

Süße Träume...
 

Ich zerbreche mir jetzt nicht den Kopf darüber, was er geschrieben hat. Stattdessen schalte ich mein Handy stumm und lege aus auf meinen Schrank zurück. Dann schalte ich das Licht aus, schließe die Augen und versuche nicht an ihn zu denken. Der Versuch schlägt aber fehl.
 

Arbeit beginnt um sieben Uhr morgens und endet um sechs Uhr Abends. Obwohl es Montag ist, schleift Mell mich mit in eine Bar, die voll bis oben hin ist. Mike ist natürlich auch anwesend, sowie Taylor, Molly und jemand an ihrer Seite, den ich nicht kenne. Der Fremde steht auf und lässt dabei Mollys Hand los, um sie mir entgegen zu strecken.

„Ethan“, stellt er sich vor.

„Lilith“ Ich lächele, obwohl ich keine Ahnung habe, woher Molly ihn plötzlich aus dem Hut gezaubert hat. Er hat hellbraunes Haar, eine gerade Nase und er ist wirklich attraktiv. Sein Handschlag ist fest, aber irgendwie auch zärtlich.

Ich setze mich neben Mike und bestelle ein Glas Wein.

Im laufe des Abend erfahre ich, dass Ethan und Molly sich bereits seit 3 Jahren

kennen und sich vor ein Paar Tagen wieder gesehen haben. Seit dem gehen sie miteinander aus. Ethan ist 27 und studiert Architektur.

Irgendwann trinke ich meine zweite Margarita und lache über einen schlechten Witz von Taylor. So süß er auch ist, aber er ist total unwitzig. Mell ist da anderer Meinung, denn sie kriegt sich manchmal kaum noch ein vor lachen.

Mike geht kurz an die Bar und die anderen unterhalten sich bereits darüber, was sie am Samstag vorhaben. Ich werfe währenddessen einen Blick auf mein Handy. Ich habe keine Nachrichten. Ich gehe meine Kontaktliste durch und bleibe bei Lucifer's Namen hängen. Keine Ahnung, wieso ich plötzlich den Drang habe, ihn eine Nachricht zu schreiben,aber ich tue es.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 20:34 Uhr
 

Was machst du?
 

Klingt dumm. Wieso schreibe ich ihn überhaupt?
 

Name: Lucifer

Zeit: 20:35 Uhr
 

Nichts. Warum?
 

Ja, warum frage ich eigentlich? Weil dir langweilig ist und du bereits ein Glas Wein und zwei Margaritas hattest.
 

Name: Lilith

Zeit: 20:37 Uhr
 

Mir ist langweilig.
 

Fast sofort kommt eine Antwort.
 

Name: Lucifer

Zeit: 20:37 Uhr
 

Willst du, dass ich vorbeikomme? ;)
 

Will ich das? Mike ist an der Bar und unterhält sich mit der Barkeeperin. Mell und Molly haben auch eine Begleitung und ich sitze hier rum, wie das fünfte Rad am Wagen. Ja, ich will das er vorbeikommt. Das könnte theoretisch witzig werden. Entweder das oder er beleidigt mich wieder.
 

Name: Lilith

Zeit: 20:39 Uhr
 

Klar. Ich bin im Dead Rabbit.
 

Ich klicke auf senden und lege mein Handy wieder weg. Ich blicke zur Bar, aber Mike ist verschwunden. Wahrscheinlich ist er auf der Frauenteillote und vergnügt such mit der Barkeeperin, die ebenfalls nicht zu sehen ist. Wie macht er das bloß?

„Wo ist Mike?“, fragt Mell in die Runde.

„Ich glaube, er ist mit der Barkeeprin verschwunden. In ungefähr zehn Minuten sollte er wieder hier sein.“

Mell und Molly lachen und Taylor und Ethan werfen sich einen komischen Blick zu.

„Das ist untypisch für ihn.“, sagt Mell. Ich blicke sie fragend an. Ebenso wie Molly.

„Das tut er doch immer.“, wendet Molly ein und Mell schüttelt den Kopf.

„Nicht wenn Lilith in der Nähe ist. Weißt du noch letztens, als er pitschnass war?“

Die Frage ist an mich gewendet und ich nicke.

„Ich glaube, er wollte sie loswerden, als er dich gesehen hat und hat deshalb etwas gesagt, was sie dazu gebracht hat, ihm den Drink ins Gesicht zu schütten.“

Molly runzelt die Stirn. „Wieso sollte er das tun?“, fragt sie, und Mell wirft ihr einen vielsagenden Blick zu, den ich nicht verstehe. Genau, wieso sollte er das tun? Es hat ihm noch nie interessiert, was ich von seiner Lebensweise denke. Sein Sexualleben geht mich rein gar nichts an und es interessiert mich nicht, was er und mit wie vielen Frauen tut. Das hat es noch nie.

„Mike interessiert nicht im geringsten, was ich darüber denke, genauso wenig, wie mich sein Sexualleben interessiert. Er ist Schwein und ein Herzensbrecher. Er weiß, dass ich so denke.“

„Also interessiert es dich doch.“ Molly sieht mich an. Ich schüttle den Kopf.

„Nein. Wenn es dann tun würde, wäre ich nicht mit ihm befreundet.“

Mell öffnet den Mund um etwas zu sagen, verstummt aber und starrt auf etwas oder jemanden, der hinter mir steht. Ich neigen meinen Kopf zur Seite und es ist Lucifer.

„Guten Abend, Ladys.“ Er lächelt Molly und Mell charmant an. Den Männern nickt er zu und mir legt er eine Hand auf die Schulter. Ich rutsche, damit er sich setzen kann und Mell hat wieder dieses Honigkuchenpferd grinsen im Gesicht. Weil alle uns anstarren, werfe ich Molly und Mell einen wütenden Blick zu und sie beschäftigen sich mit ihren Männern.

„Wie viel hast du schon getrunken?“ Er klingt überraschend streng und ich sehe ihn nur verwirrt an.

„Nicht viel, wieso fragst du?“

„Du solltest nicht so viel trinken, wenn du am nächsten Tag arbeiten musst.“, erwidert er in einer Mischung aus Sanftheit, aber mit ein bisschen strenge im Unterton. Was interessiert es ihn, wie viel ich trinke? Es geht ihn nichts an.

„Bist du nur hier, um mir zu sagen, dass ich nicht so viel trinken soll?“, frage ich zerknirscht und nehme meine Margarita vom Tisch. Er legt einen Arm um meine Schulter und setzt sich so hin, dass er mich ansehen kann.

„Jemand muss doch aufpassen, dass du keine Fehler begehst.“

„Und derjenige bist du?“, frage ich spöttisch und er schüttelt den Kopf.

„Nein, ich bin eher der Fehler.“

„Den einzigen Fehler, den ich heute gemacht habe, war dich herzubitten.“ Ich versuche es mit einem Lächeln, damit er mich nicht allzu ernst nimmt und es funktioniert.

„Hast du deine Meinung etwa geändert?“

Meine Meinung? Über ihn? Nein. Die ist noch dieselbe. Er ist ein schwanzgesteuertes Arschloch. Aber er sieht gut aus und ich fühle mich so anders in seiner Nähe. Offengestanden, ich mag ihn nicht, aber ich mag es, wie ich mich bei ihm fühle.

„Nein“, antworte ich leise.

„Wieso wolltest du dann, dass ich herkomme?“

„Weil mir langweilig war.“

Er lächelt geheimnisvoll. „Und was schlägst du vor, was wir gegen deine Langeweile anstellen?“

Er legt seine freie Hand auf meinen Oberschenkel und streichelt mich sanft. Ich werde rot und mein Unterleib zieht sich auf angenehme Weise zusammen. Ein Gefühl, was ich bisher nur bei ihm hatte. Durch eine einzige Berührung.

Jemand macht sich mit einem gespielten husten bemerkbar. Es ist Mike, der Lucifer und mich misstrauisch mustert. Er steht vor dem Tisch und wirft erst mir einen fragenden Blick zu, dann Mell. Da Mell völlig unwissend ist, zuckt sie mit den Achseln. Lucifer lässt mich los und richtet sich auf. Die beiden stehen sich gegenüber. Mike beäugt ihn misstrauisch, hält ihm dann die Hand hin und Lucifer ergreift sie, ohne ihn aus dem Auge zu lassen.

Um Himmelswillen, das ist ja da reinste Platzhirschgehabe!

„Ich bin Mike.“

Lucifer mustert ihn. „Lucifer. Ihr Freund.“ Er lässt seine Hand los und Mike mustert ihn nochmal finster, bevor er mich ansieht.

Freund? Ein Freund! Will ich schreien, aber ich lasse es sein.

Lucifer setzt sich und legt mir wieder einen Arm um die Schulter. Dieses Mal zieht er mich fester an sich und ich weiche Mikes Blicken aus. Er setzt sich ebenfalls, weit weg von uns und schnappt sich sein Glas, um es mit einem Zug zu leeren. Er ist stinksauer auf mich. Ich habe gesagt, dass ich mich von ihm fernhalte und jetzt sitzt er hier, weil ich ihn eingeladen habe. Ich kann mich auf ein ernstes Wörtchen gefasst machen, sobald Mike und ich allein sind.

„Mein Freund?“, flüstere ich ihm zu, bevor ich ein Stück wegrutsche. Aber er rückt ein Stück näher. Also sitze ich wie immer in der Falle. Und es macht mir nichts aus.

„Wir sind doch Freunde.“ Seine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln und ich kann meinen Blick nicht mehr von diesen nehmen.

„Freunde flirten nicht miteinander.“

„Manche Freunde schon.“, antwortet er mit einem süffisanten grinsen.

Macht er sich schon wieder über mich lustig?

„Willst du gar nichts trinken?“, wechsle ich das Thema.

„Nein, ich möchte einen klaren Kopf behalten. Du solltest auch nichts mehr trinken.“

Da fällt mir ein, was er zu mir gesagt hat. „Ich mag Frauen, die wissen, was sie tun.“

„Ich mag es aber, nicht zu wissen, was ich tue.“, erwidere ich so leise, damit niemand uns hören kann, aber laut genug, damit er es versteht.

Er hebt eine Augenbraue. „Was willst du denn tun?“

Ich weiß nicht, was ich tun will, ich weiß nur, das ich es gern mit ihm täte, obwohl er ein Arschloch ist.

„Ich muss mal.“, lüge ich. Das ist die einzige Ausrede, die ich gerade finde, um kurz verschwinden zu können.

Ich stehe auf und halte mich an seiner Schulter fest, weil ich sich mir kurz alles dreht.

„Alles in Ordnung?“, fragt Mike und steht auf. Ich hebe eine Hand, damit er sich wieder setzt.

„Ja, alles gut.“

Ich gehe zur Toilette und wasche meine Hände und betrachte mich im Spiegel.

Mir blickt ein Wesen mit blauen Augen entgegen. Die lockigen Haare wild und zerzaust, so wie ich sie am meisten hasse und meine Wangen rot, vom Alkohol.

Ich sehe scheiße aus.

Die Tür geht auf und Mike kommt rein. Ich hab vergessen die Tür abzuschließen.

„Geht's dir gut?“, fragt er.

„Wenn du mir jetzt eine lange predigt halten möchtest, lass es sein.“

„Gut, ich halte meine Klappe. Ich habe dir gesagt, was ich weiß und wenn du dich trotzdem auf ihn einlassen willst, ist das dein Problem. Aber wenn er dich verletzen sollte, brauchst du nicht auf mein Mitgefühl zu hoffen, Lilith.“

Wie bitte? Ich funkle ihn wütend an. Wenn er meint. Ich schubse ihn zur Seite und öffne die Tür. Er hält mich fest und zieht mich zurück.

„Warte“

„Was?“, blaffe ich und ziehe meinen Arm aus seiner Hand.

„Tut mir leid.“, murmelt er und kommt näher. „Ich mache mir nur sorgen um dich. Versteh das bitte. Er ist nicht gut für dich. Er will nur das eine.“

„Und du bist besser?“, frage ich spöttisch und verschränke die Arme vor meiner Brust.

„Ich weiß, was ich will.“, antwortet er leise.

Ich verdrehe die Augen und will gehen. Er hält mich schon wieder fest.

„Mike, was willst du von mir?“, hersche ich, lauter als gewollt.

„Das kann ich dir nicht sagen.“

„Wieso nicht?“ Ich versuche mich aus seinem Griff zu entwinden, aber er ist zu stark für mich.

„Es tut mir leid, wirklich.“ Er zieht mich näher. Ich beginne mich unwohl zu fühlen. Was soll das? Wieso lässt er mich nicht los?

„Mike“, beginne ich und verstumme, als er versucht mich zu küssen.

„Bitte hör auf damit.“, flehe ich ihn an. Er soll mich loslassen, sofort, bevor ich gezwungen bin, ihm wehzutun.

„Mike, lass mich los. Ich will das nicht!“ Seine Lippen sind dicht vor meinen und er hält inne. Ich fühle mich der Luft entraubt. Wieso tut er das? Er weiß, dass wir nur Freunde sind. Wieso versaut er alles?

Ich werde weggezerrt.

„Finger weg!“, knurrt Lucifer und schubst Mike. Er taumelt zurück und wirkt überrascht. Lucifer sieht aus, als würde er ihn gleich zusammen schlagen wollen. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und ist bereit, Mike wehzutun, doch das möchte ich nicht. Ich ziehe an Lucifers Jackett und er sieht mich an. „Lass ihn in Ruhe. Er ist betrunken.“, versuche ich ihn zu verteidigen, obwohl er das nicht verdient hat.

Lucifer wirft Mike einen finsteren Blick zu, der so viel bedeutet wie „Verpiss dich“, und ich merke, wie Mike mich um Erlaubnis bittet. Aber ich schenke ihm keine Beachtung, also verschwindet er wortlos.

„Hast du nicht gesagt, du bist wie eine Schwester für ihn?“, knurrt er und zieht nimmt meine Hand.

„Das dachte ich, bis gerade eben...“, sage ich kleinlaut und sehe ihn nicht an.

Verdammt! Seit er in mein Leben getreten ist, ist alles so kompliziert, wie noch nie. Ich weiß nicht mit alldem umzugehen.

„Wollen wir gehen?“

Wir? Er bemerkt meinen Blick. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, will er wissen. Ich nicke. Ich muss morgen zur Arbeit. Und ich muss dringend unter die Dusche, um den Kopf freizubekommen.

„Gut, dann komm. Hattest du eine Jacke dabei?“, fragt er mich, als wir wieder in dem befüllten, stickigen Raum sind, wo die anderen uns ansehen.

„Nein“

„Dann nimm mein Jackett. Es ist kalt draußen.“ Er lässt meine Hand los, zieht sein Jackett aus und legt es mir über meine Schulter. Mit so viel Freundlichkeit, habe ich nicht von ihm gerechnet.

„Danke“, murmle ich und schnappe mir mein Tasche.

„Ist alles gut?“, fragt Mell.

„Ja, bis morgen. Tut mir leid.“

Lucifer nimmt wieder meine Hand und wir verschwinden von hier.

Im Auto ist es eiskalt und ich ziehe sein Jackett enger um mich. Es riecht nach ihm. Eine Mischung aus teurem Duschgel und Meer.

Der Geruch gefällt mir.

„Ich sagte doch, dass es kalt ist.“, lächelt er und fährt los. „Soll ich die Heizung einschalten?“

Ich nicke wortlos. Ich war schon immer eine Frostbeule.

„Den Abend habe ich mir anders vorgestellt.“ Er legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und ich mag das Gefühl, was er damit in mir verursacht. Wieso hat er bloß diese Wirkung auf mich?

„Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe.“

„Wie kommst du darauf, dass du meine Zeit verschwendet hast?“

Ich zucke mit den Achseln und er presst die Lippen aufeinander.

„Sollte er nochmal versuchen, dich zu anzufassen, verspreche ich nichts.“ Er verübt leichten Druck auf meinen Oberschenkel und ich bekomme Gänsehaut, als er mein Kleid nach oben schiebt, um sie auf meine nackte Haut zu legen.

„Bist du eifersüchtig?“, necke ich ihn und er sieht mich an. Sein Blick ist ernst und seine Hand auf meinen Oberschenkel besitzergreifend fest.

„Du hast ja keine Ahnung...“

Als wir da sind, hält er mir die Tür auf und hilft mir beim aussteigen. Ich bin glücklich, dass meine Eltern nicht da sind, denn wenn sie mich so sehen würden, mit ihm, hätte ich ein ernstes Problem. Da sie nicht wissen würden, wer er ist, würden sie davon ausgehen, dass er mein Freund ist und dies würde bedeuten, dass sie ihn kennenlernen wollen würden. Das würde ich nicht gut finden. Schließlich ist er nicht mein freund und wird es nie sein.

„Danke fürs fahren.“ Ich halte ihn sein Jackett hin und er nimmt es, wirft es sich über die Schulter und beugt sich zu mir nach vorn, um mich auf die Wange zu küssen. Mein Puls beschleunigt sich und irgendwas an der Atmosphäre zwischen uns ändert sich.

Er sieht mich an und ich könnte mich in seinen Augen verlieren. Sie sind hellblau, erinnern mich an Meer. Ich beiße mir auf die Unterlippe.

Ich will von ihm geküsst werden. Das erste Mal, seit ich ihn kenne, will ich wirklich von ihm geküsst werden. Aber keiner von uns wagt den Schritt. Ich bin mir sicher, er tut es bloß nicht, weil er will, dass ich es tue. Er brauch die Bestätigung, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle. Genauso wie er es brauch, dass ich ihm sage, dass ich ihn will. So ist er nun mal. Trotzdem ändert das nichts an meinen Gefühlen.

„Du solltest rein gehen, bevor du noch erfrierst.“ Seine Stimme ist leise und rau. Ich nicke und starre kurz zu Boden. Das ist keine gute Idee. Das war es von Anfang an nicht. Mike liegt richtig: Er will nichts ernstes.

Er ist nicht gut für mich. Er ist der Teufel. Er hat schlimme Dinge getan. Aber er steht vor mir und scheint so normal. Sein weißes Hemd liegt eng an seiner Haut, lässt seine Muskeln erahnen, die ich gern nochmal betrachten würde. Die ersten drei Knöpfe sind offen und man sieht ein paar schwarze Härchen.

Scheiß drauf!

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, lege eine Hand auf seine Brust, um mich festzuhalten, und hoffe, dass er mich nicht abweist. Dann küsse ich ihn zaghaft. Nur kurz, denn er erwidert den Kuss nicht. Innerlich seufze ich. Das war dumm. Und ich fühle mich schlecht.

„Tut mir leid“ Ich möchte ihn loslassen.

„Bist du dir sicher?“, fragt er, und ich versuche abzuschätzen, was er gerade fühlt.

Bei was sicher? Das es mir leid tut?

„Ja“, erwidere ich, obwohl ich mir nicht sicher bin, was er meint.

Ehe ich darüber nachdenken kann, drückt er mich gegen sein Auto, presst seine Hüfte gegen meine und küsst mich. Mit seiner freien Hand, packt mich am Haar und zieht es nach unten. Ich stöhne auf, öffne meinen Mund und seine Zunge gleitet hinein, um meinen Mund zu erforschen. Ohne Widerwillen, erwidere ich, was er tut.

Als er sich von mir löst, lässt er zärtlich Finger über meine Wange gleiten.

„Du ahnst gar nichts, wie sehr ich dich begehre, Lilith.“, sagt er mit tiefer Stimme.

Und ich begehre ihn. Ausgerechnet ihn.

„Ich muss jetzt rein.“, sage ich atemlos. Ich kann das noch nicht. Ich weiß nicht wieso, aber ich brauche noch Zeit, um mir über uns beide, den Teufel, klar zu werden.

„Wann sehen wir uns wieder?“

Er ist mir immer noch so nahe und ich bin total durch den Wind.

„Ich weiß es noch nicht.“

Vorsichtig streicht er mir eine Strähne hinters Ohr und küsst mich noch einmal. Ich könnte dahinschmelzen, reiße mich aber zusammen. Wir lösen uns voneinander und er hebt sein Jackett vom Boden auf.

Die Mittagspause verbringe ich heute allein, weil Mell sich krank schreiben lassen hat. Sie ist nicht krank, sie möchte nur ein paar Tage mit Taylor verbringen.

Also sitze ich für die nächsten drei Tage allein hier und versuche meine Zeit sinnvoll zu nutzen.

Ich gehe schnell zu Starbucks, hole mir einen Chai Latte und einen Blaubeermuffin.

Landon sieht müde aus, als er mir alles hinreicht und redet viel weniger als sonst. Er erzählt mir nur schnell, dass ein Pärchen nebenan bei ihm eingezogen ist und die beiden öfters, mitten in der Nacht, laut Musik hören. Deshalb kriegt er kaum noch ein Auge zu. Er tut mir leid. Ich schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln und lasse ihm fünf Dollar Trinkgeld da, die er erst nicht annehmen möchte, aber ich nehme es auch nicht mehr zurück, weshalb er sich geschlagen gibt und es ins Gemeinschaftsglas steckt.

Beim raus gehen fällt mir auf, dass ich seit Ewigkeiten nicht mehr auf mein Handy gesehen habe.

Ich habe vier Nachrichten. Drei von Mike, die ich mir als erstes durchlese.
 

Name: Mike Mikelson

Zeit: 09: 13 Uhr
 

Tut mir leid wegen gestern. Ich hatte zu viel getrunken...
 

Ich öffne die zweite.
 

Name: Mike Mikelson

Zeit: 09:43 Uhr
 

Bist du wütend? Es tut mir wirklich leid. Es kommt nicht mehr vor, versprochen. Bitte schreib mir, wenn du kannst.
 

Er tut mir leid. Ich glaube zwar nicht, dass allein der Alkohol schuld war, aber ich bin ihm trotzdem nicht sauer. Er ist mein bester Freund; mein einziger, richtiger Freund, mit dem ich über alles rede.

Ich lese mir die dritte durch.
 

Name: Mike Mikelson

Zeit: 11:34 Uhr
 

Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber bitte melde dich, damit ich weiß, ob alles gut zwischen uns ist oder ob du mich nicht mehr sehen willst. Das gestern hatte für mich nichts zu bedeuten. Ich weiß auch nicht, wieso ich dich küssen wollte. Alkohol ist scheiße. Ich lasse vorläufig die Finger davon weg. Bitte schreib mir zurück
 

Ich weiß nicht, was ich schreiben soll, deshalb schreibe ich nur kurz und knapp, dass alles gut ist und ich die Sache längst vergessen habe. Er brauch sich keine Sorgen machen und das war es auch schon.

Die dritte Nachricht ist von Lucifer und mein Herz beginnt aus irgendein Grund schneller zu schlagen. Krieg dich wieder ein, Grey!
 

Name: Lucifer

Zeit: 12: 03 Uhr
 

Gut geschlafen?
 

Nur zwei Wörter. Mehr nicht. Ob ich gut geschlafen habe? Das fragt er mich um diese Uhrzeit? Vielleicht wusste er nicht, wie man eine normale Konversation anfängt? Das kann ich mir sogar sehr gut bei ihm vorstellen.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 12:11 Uhr
 

Sehr gut sogar. Und du?
 

Ich drücke auf abschicken.

Als ich wieder auf der Arbeit bin, vibriert mein Handy. Ich sitze mit den anderen in der Küche, beteilige mich aber nicht am Gespräch über Politik, denn dafür interessiere ich mich zu wenig. Also nehme ich mein Handy und schaue nach, wer mir geschrieben hat.
 

Name: Lucifer

Zeit: 12:26 Uhr
 

Du hast hoffentlich von mir geträumt. ;)
 

Ich schmunzle, als ich mir die Nachricht nochmal durchlese. Ich hoffe nur, dass hat jetzt keiner gesehen.
 

Name: Lilith Grey

Zeit: 12:27 Uhr
 

Nein, zum Glück, meine Alpträume sind weg.
 

Gott, fühlt sich das gemein an. Ich frage mich, wie er wohl darauf reagiert und versuche mir sein Gesichtsausdruck vorzustellen, aber ich habe wirklich keine Ahnung, wie er reagiert.
 

Name: Lucifer

Zeit: 12:27 Uhr
 

Aha. Du bist heute besonders frech zu mir.
 

Bevor ich antworten kann, kommt noch eine Nachricht.
 

Name: Lucifer

Zeit: 12:28 Uhr
 

Was hast du an?
 

Was? Er will wissen, was ich anhabe? Wieso interessiert er sich dafür, was ich trage?
 

Name: Lilith

Zeit: 12:29 Uhr
 

Einen hässlichen, alten Sack. Nichts besonderes.
 

Schnell klicke ich auf senden, bevor ich es mir anders überlege.
 

Name: Lucifer

Zeit: 12:29 Uhr
 

Und was trägst du unter diesem alten Sack?
 

Weil sich Beth neben mich setzt, ziehe ich mein Handy weiter weg, damit sie nicht auf mein Bildschirm sehen kann. Ich bin rot wie eine Tomate und blicke kurz in die Runde, um sicherzugehen, dass mich niemand ansieht. Glück gehabt.
 

Name: Lilith

Zeit: 12:30 Uhr
 

Das geht dich nichts an..
 

Meine Mittagspause ist vorbei. Ich mache mich wieder an die Arbeit und lege mein Handy in meine Tasche.

Als es sechs ist, mache ich Schluss und gehe mit Beth zusammen nach draußen. Ich verabschiede mich schnell von ihr und hole mein Handy heraus. Keine Nachrichten. Gut, er wird wohl gemerkt haben, dass ich nicht ihm ihm flirte und hat es für heute aufgegeben. Ich stecke mein Handy wieder zurück in die Tasche und als ich mich umdrehe, bleibt mir fast das Herz stehen.

„Lucifer“, keuche ich erschrocken, springe einen Schritt zurück und lege mir eine Hand aufs Herz. Er hat wirklich ein Talent dafür, dann aufzutauchen, wenn ich nicht damit rechne. Das ist glaube ich das dritte Mal, dass er mich erschreckt hat und ich glaube, mein junges Herz macht das nicht mehr oft mit.

„So überrascht mich zu sehen?“

„Du hast mich schon wieder erschreckt. Könntest du dich nicht Mal etwas sanfter bemerkbar machen? So, dass ich keinen Herzinfarkt bekomme?“

Er zuckt mit den Schultern und lässt seinen Blick an mir auf und abgleiten, bis seine blauen Augen wieder auf meine treffen. „Ein sehr schöner Sack, wenn ich das sagen darf.“ Er grinst.

„Was?“, frage ich, bis mir einfällt, was er damit meint. „Oh“, mache ich. Mir fällt nichts besseres ein.

„Hast du heute vor, dich wieder in einer Bar zu betrinken? Oder kann ich dich für heute entführen?“

„Ich habe mich nicht betrunken.“, widerspreche ich ihn sofort.

„Du hast nicht auf meine Frage geantwortet.“ Er lächelt.

„Kommt darauf an, wohin du mich entführst und welche Erwartungen du dann von mir hast.“, antworte ich und verschränke meine Arme.

Er kommt mir näher und ich lasse die Nähe zu, ohne auszuweichen.

Sein Daumen fährt zärtlich über mein Kinn und er zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen.

„Ich habe keine Erwartungen an dich. Ich will dir bloß eine Überraschung zeigen. Mehr nicht.“, verspricht er, und sein Blick ist fest auf mich gerichtet. Er lässt mein Kinn los und legt seine Hand um mein Gesicht. Dann küsst er mich. Einfach so und auf offener Straße, wahrscheinlich ohne darüber nachzudenken, wer uns alles sehen könnte. In meinem Bauch kribbelt es und ich erwidere den sanften Kuss. Ich kann mich nicht daran erinnern, je so zärtlich, aber trotzdem so intensiv geküsst worden zu sein und genieße es, wie er auch die andere Hand, um meine andere Gesichtshälfte legt, um den Kuss zu intensivieren, falls das überhaupt möglich ist. Seine Zunge stößt an meine Unterlippe und ich öffne meinen Mund, um ihr Einlass zu gewähren.

Als ich mit meinen Händen vorsichtig seinen Hemdkragen packe, lächelt er, ohne mit dem küssen aufzuhören.

Nach einer Ewigkeit unterbreche ich den Kuss, aber er lässt mich nicht los.

„Kommst du nun mit, oder bedarf es mehr davon?“ Er küsst mich nochmal. Kurz, aber lang genug, damit ich kurz nachdenken kann. Wie kann es sein, dass ich seine Nähe auf einmal so genieße, obwohl ich ihn nicht mag? Nicht nur, das er ein arrogantes Arschloch ist, er ist auch noch der Teufel. Und ich will mich auf ihn einlassen. Selbst wenn es nur für kurze Zeit ist, möchte ich es, denn ich genieße es, von ihm begehrt zu werden. Mich hat noch nie jemand begehrt. Und würde ich ihn nicht begehren, würde ich nicht Mal glauben, dass man jemanden wirklich begehren kann.

Ich bin mir sicher, ich werde das eines Tages bereuen, aber das ist mir lieber, als mich zu fragen, was hätte sein oder passieren können. Mell wäre stolz auf mich, da bin ich mir sicher.

„Ja, solange du mich danach nach Hause fährst.“

„Ich denke, dass kriege ich hin.“ Er grinst und ich verdrehe gespielt die Augen.

Als wir im Auto sitzen, schnalle ich mich an und schalte das Radio an, aber er schaltet es wieder aus.

„Finger weg.“ Er wirft mir einen tadelnden Blick zu und ich strecke erneut die Hand nach dem Radio aus. Er schnappt sie aber, bevor ich den Knopf berührt habe und legt sie auf seinen Schoß, ohne sie loszulassen.

„Deine Musik ist schrecklich. Also Finger weg.“, schimpft er.

„Du weißt doch gar nicht, was überhaupt im Radio läuft.“, widerspreche ich ihn und ziehe meine Hand weg. Ehe ich es schaffe, das Radio anzuschalten, schnappt er erneut meine Hand.

„Ich sagte: Finger weg“ Er lacht und ich verdrehe schon wieder die Augen. „Und hör auf, deine Augen zu verdrehen.“

„Bist du immer so herrisch?“

„Ja“, erwidert er nur und lässt meine Hand los. Ich lege sie auf meinen Schoß und tippe ungeduldig auf meinem Oberschenkel herum.

„Wo fahren wir hin?“, frage ich nach ein Paar Minuten und sehe mich um. Wir sind immer noch in Manhattan, um genau zu sein, in der Upper East Side. Das eleganteste und vornehmste Stadtviertel New Yorks. Was wollen wir hier?

„Wir sind gleich da.“, antwortet er, aber das beantwortet nicht im geringsten meine Frage.

„Wo genau fahren wir denn überhaupt hin?“

„Das ist eine Überraschung. Sei geduldig.“

Ich hasse Überraschungen. Man weiß nie, was auf einem zu kommt und wie man sich verhalten soll. Was ist, wenn er mich wirklich entführt, was ich nicht glaube, aber das könnte doch theoretisch sein? Oder nicht?

Lucifer legt eine Hand auf mein Oberschenkel und drückt sanft zu. „Hast du etwa Angst?“, fragt er mich amüsiert, ehe ich meinen Blick zum Fenster hinaus wende. Neben uns fährt ein Taxi. Darin ein älterer Mann, der völlig fertig aussieht. Ich kann nicht verhindern, dass er mir leid tut.

„Nein, aber ich würde schon gern wissen, wo wir hinfahren.“, erwidere ich und sehe woanders hin.

„Wir sind gleich da. Keine Sorge.“ Er lacht leise in sich hinein.

„Wann gleich?“ Ich weiß, dass ich nerven kann, aber das tue ich jetzt extra, damit die Zeit schneller vergeht.

„Jetzt gleich“, erwidert er. „Und jetzt hör auf so ungeduldig zu sein. Du fängst schon wieder an zu nerven.“ Er wirft mir ein Lächeln zu und da ist es schon wieder. Ich verdrehe die Augen. Er nervt mich mindestens genauso sehr, wie ich ihn nerve.

„Gut, ok“, gebe ich mich geschlagen und sehe wieder aus dem Fenster.

Irgendwann biegen wir ab und er parkt vor einem sehr großen Stadthaus.

Bevor ich fragen kann, wo wir sind, steigt er aus. Ich öffne wieder die Beifahrertür, bevor er sie mir öffnen kann und er verdreht dieses Mal die Augen, hält mir aber seine Hand hin, die ich aus irgendeinen unerklärbaren Grund, ganz automatisch ergreife.

„Was machen wir hier?“, will ich wissen, bevor er die Tür öffnet. Hier unten sieht es aus, wie in einem kleinen, etwas gemütlicheren Foyer und geradeaus ist ein Fahrstuhl, den wir zusteuern.

„Das ist, wie bereits gesagt, eine Überraschung.“ Er drückt meine Hand und als wir im Fahrstuhl sind, betätigt er einen Knopf, der in die oberste Etage führt und gibt einen Code ein. Es gibt sechs Etagen. Ob er hier wohnt? Aber wieso will er mir seine Wohnung zeigen? Außer er denkt, ich werde mit ihm Sex haben. Das werde ich nicht. Jedenfalls nicht heute. Keine Ahnung, ob ich je mit ihm Sex haben werde.

„Wenn wir oben sind, werde ich dich fesseln und nicht mehr gehen lassen.“

„Wie bitte?“ Ich reiße mich von ihm los und er schnappt sofort meine Hand, um mich wieder zu sich zu ziehen und lacht.

„Das war ein Scherz! Hab dich nicht so“, lacht er und der Fahrstuhl hält ganz oben.

„Nicht witzig!“ Das war kein bisschen witzig. Ich habe gerade wirklich einen riesigen Schreck bekommen.

„Hab dich nicht so, Baby.“ Er lässt meine Hand los, um einen Arm um meine Taille zu legen und führt mich ins innere. Wir sind in einem wunderschön möblierten Apartment. Der Flur ist klein und führt sofort ins innere. Nämlich dem Wohnzimmer. Es gibt in der Mitte des Raumes eine große, schwarz- weiße Wohnlandschaft in Form eines U. Davor steht ein etwas größerer Glastisch mit einer großen Vase, in welche aber keine Blumen sind. Das Wohnzimmer ist riesig und hell. Die Wände bräunlich gehalten und der Fußboden besteht aus hellbraunem Laminat. Es gibt ungefähr sieben Fenster hier, mit Ausblick auf den Central Park und die Küche scheint gleich nebenan zu sein.

„Wohnst du hier?“, frage ich erstaunt und drehe mich zu ihm um. Er zieht sein Jackett aus, wirft es auf die Couch und lockert seine Krawatte.

„Nein“, erwidert er und lässt sich auf der Wohnlandschaft nieder. Ich sehe ihn mit verschränkten Armen an.

„Und was wollen wir hier?“, hake ich nach.

„Du brauchst eine Wohnung. Hier ist eine.“, antwortet er. Mir fällt die Kinnlade runter. Das kann er unmöglich ernst meinen?

„Ich kann mir das hier nicht leisten, Lu...“ Er steht auf, lässt mich nicht ausreden. „Die Wohnung ist bereits bezahlt. Sie ist ein Geschenk von mir, für dich. Schließlich habe ich dir nichts zum Geburtstag geschenkt.“ Er schmunzelt und ich schüttle unwillkürlich den Kopf.

„Nein!“, sage ich und er kommt auf mich zu. Ich gehe rückwärts, will ihm ausweichen.

„Die Wohnung ist bereits bezahlt. Es wäre unhöflich, wenn du sie nicht annimmst.“

Er hält mich am Handgelenk fest und ich versuche mich loszureißen.

„Wir kenne uns nicht Mal ganze zwei Wochen und du schenkst mir ein Apartment in der Upper East Side? Vergiss es, das nehme ich nicht an.“, protestiere ich und versuche ihn von mir wegzuschieben. Er hält auch meinen anderen Arm fest. Ich zapple herum, aber er ist zu stark. Es bringt nichts, mich gegen ihn zu wehren, also halte ich still und blicke ihm finster entgegen.

„Bist du fertig?“ Er grinst. Ich starre ihn bloß an und irgendwie verfliegt meine Wut, je länger ich in ansehe, immer mehr. „Ich will, dass du die Wohnung annimmst. Keine Widerworte, Lilith.“

Da ich nichts einwende, lässt er mich los und umfasst meine Hüfte, mit beiden Händen. Er zieht mich näher an sich und ich kann seinen atemberaubenden Duft einatmen.

„Ich werde dein Geschenk nicht annehmen, Lucifer. Und falls du dachtest, ich springe dir um den Hals, und hüpfe mit dir ins Bett, hast du dich geschnitten. Das werde ich definitiv nicht tun. Ich lasse mich nicht kaufen.“, verkünde ich ruhig und nehme seine Hände von mir. So schwer mir das auch fällt. Gerade wo ich dachte, er und ich würden uns gut verstehen, kommt er mit so was. Glaubt er wirklich, ich falle so einfach auf ihn herein? Indem er mir eine schicke, teure Wohnung im reichen Viertel New Yorks kauft? Das kann er vergessen.

„Du wirst es annehmen. Wenn nicht, war das im Fahrstuhl doch kein Scherz und ich fessle dich, bis du dich bereit erklärst, hier zu wohnen. Ich schenke sie dir nicht, um dich zu kaufen. Ich erwarte rein gar nichts von dir. Ich schenke sie dir, weil du eine Wohnung brauchst. Du bist 21 Jahre, Lilith, du solltest nicht mehr bei deinen Eltern wohnen. Du brauchst auch deine Privatsphäre.“

„Privatsphäre für was? Ich habe zu Hause mein eigenes Zimmer und ein eigenes Badezimmer. Das reicht mir. Ich brauche dieses ganze“ Ich breite meine Arme aus. „Luxuszeug hier nicht.“ Ich bemühe mich, um einen einschüchternden, festen Tonfall, doch er schüttelt bloß den Kopf und kommt wieder näher. Wieso kommt er mir bloß immer so nahe?

„Das braucht niemand. Aber es zu haben, schadet einen nicht. Vor allem, wenn man es haben kann.“

Ich atme tief durch und sehe mich im Raum um. Ich werde dieses Geschenk nicht annehmen. Das kann und will ich einfach nicht. Wenn ich es nämlich annehme, auch wenn er das Gegenteil behauptet, wird er etwas von mir erwarten. Und ich möchte mich nicht kaufen lassen.

„Danke, wirklich, das ist lieb von dir, aber...“

„Ich mache dir einen Vorschlag.“, unterbricht er mich.

„Und der wäre?“

„Du wohnst so lange hier, bis du eine andere Wohnung gefunden hast. Das kann so lange sein, wie du möchtest.“

„Lucifer...“, beginne ich, aber verstumme, weil sein Blick einschüchternd ist.

„Ich diskutiere darüber nicht.“ Seine Stimme ist fest und lässt keine Widerworte zu. Ich halte die Klappe. Ich will die Wohnung nicht. So schön sie auch ist, ich kann das nicht. Wenn ich mit ihm schlafen würde, würde ich mir schäbig vorkommen. So als hätte ich mich bezahlen lassen und ich möchte nicht, dass er so denkt. Aber vor allem möchte ich mich nicht so fühlen.

Gott, dass ist so kompliziert! Ich will die Zeit zurück spulen und nein sagen, als er mich gefragt hat, ob er mich entführen darf. Dann stünde ich jetzt nicht so unter Druck.

Unsicher, was ich tun oder sagen soll, starre ich ihn an. Ihm zu widersprechen, bringt rein gar nichts. Das ist frustrierend.

Er tritt einige Schritte auf mich zu, bis er vor mir steht. Es kommt unerwartet, dass er meine Hand nimmt, sie an seinen Mund führt um einen Kuss auf dessen Handrücken zu hauchen.

„Dann hätten wir das ja geklärt. Hast du Hunger?“, fragt er mit lodernden Augen und meine Kopfhaut prickelt.

„Ja“, erwidere ich leise. Er lächelt.

„Auf mich oder etwas essbares?“

„Auf etwas essbares.“, lüge ich und er schüttelt den Kopf.

„Du Lügnerin“, murmelt er, dann lässt er meine Hand los um mein Kinn zwischen seine Finger zu nehmen.

„Du sagtest doch, du hast keine Erwartungen.“, erinnere ich ihn.

„Vergessen wir einen Moment die Sache mit der Wohnung und den Erwartungen. Ich will dich schon, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Und ich weiß, dass du mich auch willst, Lilith. Das hast du mir gestern bewiesen.“, sagt er leise und verführerisch, während er mit dem Daumen über meine Unterlippe entlangstreicht.

Welche Frau, würde ihn nicht wollen? Er ist der Teufel, versteckt in einem Adoniskörper.

„Hm“, mache ich und er schnappt zischend nach Luft, als ich in seinen Daumen beiße. In meinem Unterleib beginnt es zu brennen und lodern, denn sein Blick ist voller Hunger und Gier. Und ich bin mir bewusst, dass er Hunger nach mir hat. Dieses Gefühl ist irgendwie... berauschend.

Vorsichtig nehme ich seinen Daumen in den Mund, ohne meinen Blick von seinen Augen zu nehmen, die mich aufmerksam beobachten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dabei verführerisch wirke oder aussehe wie eine Idioten, doch sein Blick sagt mir, dass das Erste zutreffend ist, was mich unglaublich stolz macht. Langsam lecke ich über seine Fingerspitze und er leckt sich genießerisch über seine vollen Lippen.

„Ich würde deine Lippen zu gern um meinen Schwanz spüren.“, raunt er, langsam und verführerisch. Ich bin unerfahren in Sachen Dirty Talk, aber ich weiß jetzt schon, dass mir gefällt, was er sagt, denn es macht mich unfassbar an und das erschreckt mich.

Ich kann spüren, wie ich feucht werde und ich wünschte, mir noch ein anderes paar Höschen eingepackt zu haben. Aber wer rechnet schon mit so was?

„Willst du mich?“, fragt er. Ich nicke, bevor ich nachdenke. Mein Verstand hat sich bereits verabschiedet, als er mich gefragt hat, ob ich Hunger habe.

„Ich will, dass du es sagst.“, fordert er leise. Sein Tonfall ist dominant und auf der einen Seite schüchtert er mich ein, aber auf der anderen turnt es mich an. Ich habe mir zwar geschworen, die Wörter nicht auszusprechen, aber ich kann nicht widerstehen. Nicht jetzt und nicht heute. Dafür will ich ihn zu sehr. „Ich will dich“, sage ich fest entschlossen und er packt meine Hüfte, drängt mich nach hinten, bis meine Kniekehlen die Wohnlandschaft berühren.

„Braves Mädchen“ Er packt die Hinterseiten meiner Oberschenkel und hebt mich hoch. Reflexartig schlinge ich meine Beine um seine Hüfte und spüre seine Erektion. In seiner Unterhose, muss es bereits schmerzhaft eng sein und ich kann es kaum noch abwarten.

Lucifer trägt mich ins Schlafzimmer und ich achte nicht darauf, wie schön es hier aussieht, denn mich interessiert nur er.

Er setzt sich auf das Bett, sodass ich rittlings auf ihn sitze und mich auf seinem Schoß, vorsichtig vor und zurück bewegen kann. Ich weiß, dass es ihm gefällt, denn er packt meine Hüfte noch fester und bringt mich dazu, mich etwas schneller zu bewegen.

Eine Mischung, aus einem keuchen und ein stöhnen, dringt aus seiner Kehle, bevor er seine Lippen auf meine drückt und seine Zunge in mich drängt. Er schmeckt genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nach Pfefferminz, Whisky und Lucifer. Ich kann nicht genug von ihm kriegen. Alles in mir verzehrt sich nach ihm und ich bin nicht in Stande, noch klar zu denken, geschweige denn, jetzt noch auf die Idee zu kommen, aufzuhören.

Als er sich kurz von mir löst, wimmere ich frustriert, weil ich nicht will, dass er aufhört. Ich will, dass er weiter macht.

„Du bist einfach unglaublich“, ächzt er dicht an meinen Lippen und zieht an meinen Haaren. Er zieht so fest, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen muss und er beginnt mich an meinem Hals zu küssen. Erst sanft und je mehr ich mich an ihn reibe, desto grober wird er und ich stöhne.

Ich frage mich für einen kurzen Moment, wie wir auf einmal hier gelandet sind: Zusammen auf einem Bett, und machen miteinander rum, wie zwei Teenager, die die Finger nicht voneinander nehmen können.

Eigentlich war ich doch gerade noch dabei, ihm irgendwie zu vermitteln, dass ich sein Geschenk nicht annehmen werde?

Doch dann hebt er mich ein Stück weit nach oben und schiebt mein Kleid über meine Hüfte. Als er mit seiner kalten Hand, meinen Oberschenkel berührt, keuche ich vor Lust und Schreck auf. Er entschuldigt sich mit einem hinreißenden Lächeln und ich beginne sein Hemd aufzuknöpfen. So schnell es geht. Als es offen ist, lässt er mich kurz los und ich ziehe es ihm über seine breiten Schultern. Ich bin kurz abgelenkt von seinem Oberkörper. Er ist verdammt muskulös, seine Bauchmuskeln sehr definiert und seine Brust ist übersät mit kleinen, schwarzen Härchen. Bis vor kurzen fand ich Männer mit Brustbehaarung noch abstoßend, aber an Lucifer sind sie einfach nur männlich und ich hoffe, er rasiert sie sich nie ab.

Ich räuspere mich und versuche am Reißverschluss meines Kleides heran zu kommen, doch das bleibt ohne Erfolg, bis er mir hilft. Und in Sekundenschnelle öffnet er es und sagt, dass ich aufstehen soll. Ich gehorche, denn nein sagen, steht für nicht mehr zur Debatte und er steht ebenfalls auf, um mir das Kleid über den Kopf zuziehen und es irgendwo hinzuwerfen.

Jetzt stehe ich nur in Unterwäsche da und er leckt sich genießerisch über die Lippen. Er setzt sich wieder und zieht mich zurück auf seinen Schoss.

„Fuck, du kannst dir nicht vorstellen, was ich jetzt gern alles mit dir anstellen würde“, raunt er und mein Unterleib zieht sich vor Vorfreude zusammen.

„Dann tu, was du nicht lassen kannst“ Meine Stimme ist rau vor Lust und ich erkenne mich selbst nicht wieder. So sehr wollte ich noch nie jemanden, wie ich ihn will.

„Bist du sicher?“ Ich nicke und umschlinge seinen Nacken um ihn näher zu mir zu ziehen.

Er haucht mir Küsse auf meine Wange, lässt seine weichen Lippen zärtlich über mein Kinn, bis zu meinem Hals entlanggleiten und ich seufze wohlig, weil es sich so gut anfühlt.

Ich muss daran denken, was er im Büro mit mir angestellt hat und wie gut es sich anfühlte. Ich will ihn auch berühren. Langsam bahnen sich meine Hände über sein Oberkörper entlang. Ich bin mir nicht sicher, ob er merkt, was ich vorhabe, denn er reagiert nicht auf meine Berührung. Erst als ich den Reißverschluss offen habe und mit meiner Hand in seine Boxershorts gleite, gerät er kurz ins stocken. Dann umfasse ich ihn. Er ist hart und fühlt sich groß an. Lucifer atmet schwer und ich beginne, meine Hand auf und abgleiten zu lassen.

„Hör auf!“, sagt er dann aus dem nichts, und packt meine Hand. Ich sehe ihn verwirrt an. „Wenn du so weiter machst, werde ich gleich kommen und das will ich noch nicht.“

Ich ziehe meine Hand aus seiner Shorts und er beginnt meinen Bh zu öffnen. Aber dann klingelt etwas.

Nein.

Bitte nicht jetzt.

Ich glaube Gott will nicht, dass wir das tun, sonst würde nicht ständig etwas dazwischen kommen.

„War das mein Handy?“, frage ich und er wirft frustriert den Kopf in den Nacken.

„Nein, das ist meins.“ Er setzt sich ein wenig auf und holt das Handy aus seiner Hosentasche. Er sieht aufs Display und verdreht die Augen.

„Dass kann doch wohl nicht wahr sein...“, knurrt er.

„Was ist?“

Er schüttelt den Kopf, hebt mich an und setzt mich aufs Bett. Er verlässt das Schlafzimmer und ich bleibe verwirrt zurück. Der Anruf muss wichtig sein, sonst, da bin ich mir sicher, hätte er weiter gemacht. Ich werfe mich zurück. Ich war gerade bereit, mich wirklich auf ihn einzulassen, und jetzt das.

Nachdem ein Paar Minuten vergangen sind, stehe ich auf und folge ihm ins Wohnzimmer. Ich komme gerade richtig, denn er steckt sein Handy zurück in seine Hosentasche. Als er sich zu mir umdreht, lässt er seinen Blick auf und abgleiten.

„Zieh dir bitte etwas an.“ Es hört sich an wie ein flehen.

„Warum?“

„Weil ich sofort los muss und ich dir am liebsten deine restlichen Sachen vom Leibe reißen würde, um dich dann genau hier zu vögeln.“, erklärt er ungeniert und ich schnappe nach Luft.

„Wieso tust du es dann nicht?“

Er fährt sich durchs Haar. „Weil ich los muss. Sofort. Brauchst du Geld für ein Taxi?“

Ich schüttle den Kopf. Er kommt zu mir und küsst mich noch einmal. Aber nur kurz, denn er muss sich wirklich zusammenreißen. „Morgen machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben. Es gibt kein zurück mehr, Lilith.“

Die Zeit will einfach nicht vergehen. Lucifer hat mir geschrieben, dass er mich von der Arbeit abholt. Danach gehen wir essen und was danach passiert, weiß ich noch nicht. Gut, ich kann es mir denken. Und ich kann hoffen. Wir werden heute da weiter machen, wo wir aufgehört haben und ich spüre pure Vorfreude in mir. Wenn ich daran denke, wie weit wir gestern waren, muss ich mir auf die Unterlippe beißen und meine Beine zusammen pressen.

Es klopft an meiner Tür. Schluss mit den Tragträumereien. Ich bin auf Arbeit.

„Ja?“, sage ich, laut genug, damit man es von draußen verstehen kann und die Tür geht auf. Mike ist hier. Die Tür ist nur ein Spalt offen und er lehnt sich gegen den Türrahmen. Er bittet mich wortlos um Erlaubnis hier rein kommen zu dürfen.

„Du kannst ruhig rein kommen. Aber mach schnell, ich hab erst in zehn Minuten Mittagspause.“, erkläre ich ihm und er nickt, ehe er rein kommt und die Tür vorsichtig schließt.

„Ich hab mich wohl in der Zeit geirrt.“ Er lächelt entschuldigend und ich blicke auf die Tüte in seiner Hand.

„Was ist das?“, frage ich und deute auf die Tüte.

Er stellt sie auf meinen Schreibtisch und packt alles aus, was darin ist. Zwei belegte Bagel, zwei Kaffee und ein pinker Cup Cake, den er mir vor die Nase stellt.

„Als Entschuldigung.“ Er legt lächelnd seinen Kopf schief und ich kichere, weil der Cup Cake aussieht wie ein Einhorn.

„Wirklich? Ein pinkes Einhorn?“

Mike lacht und kratzt sich etwas verlegen am Kopf. „Sieht doch lecker aus“, meint er und ich nicke. Gut, der Cup Cake sieht wirklich lecker aus. Er ist eingepackt in pinkem Papier, mit Einhörner abgebildet und auf der Creme sind zwei Zuckerperlen und ein spitzes etwas, was essbar aussieht, als Horn. Dazu mit ein paar pinken, kleine Streuseln verziert. Es ist ganz süß. Wenn ich 14 wäre, würde mich das jetzt komplett vom Hocker hauen.

„Danke. Ich esse ihn später.“ Ich lächle und schnappe mir einen Kaffeebecher. Doch als ich einen Schluck trinke, verziehe ich das Gesicht. „Der ist schwarz! Du weißt, ich hasse schwarzen Kaffee.“

„Tut mir leid, hab ich vergessen.“

„Ich komme gleich wieder, ich geh nur schnell in die Küche.“

Es kommt mir gerade richtig, dass wir so was wie eine eigene Küche haben, mit einem Kühlschrank. Wenn ich dort bin, kann ich vielleicht belauschen, was heute so über mich getratscht wird. Mir ist schon heute morgen, als ich zur Arbeit kam. Aufgefallen wie komisch mich alle außer Beth ansehen. Aber mir war von Anfang an klar, das über mich geredet wird, als Lucifer hier aufgetaucht ist. Es ist mir egal, was sie sagen, solange ich meine Ruhe vor Zickereien oder so habe.

Ich öffne die Tür und vor Schreck, weil Mr. Baldwin direkt vor mir steht und mich anrempelt, verschütte ich den Kaffee auf mich selbst.

„Scheiße!“, fluche ich und gehe in Richtung Bad, ohne auf meinen Boss zu achten. Das Kleid wollte ich auch heute Abend anziehen! Wieso passiert das ausgerechnet heute?

Im Badezimmer schnappe ich mir haufenweise Toilettenpapier, halte es ganz kurz unter dem Wasserhahn und versuche, den riesigen Kaffeefleck von meinem dunkelroten Kleid zu schrubben. Aber je mehr ich schrubbe, desto schlimmer wird es.

Ich fluche schon wieder. Laut und deutlich.

Mr. Baldwin steht an der Tür und beobachtet mich. Wäre er nicht mein Boss, würde ich ihn jetzt irgendwas gegen den Kopf werfen, aber ich reiße mich zusammen, schließlich bin ich auch irgendwie daran schuld.

„Wer ist das in ihrem Büro?“, fragt er mich und ich schmeiße das Papier in die Toilette und spüle es herunter.

„Was?“, frage ich.

„Der Mann in dein Büro. Wer ist das?“

Scheiße! Jetzt gibt’s ärger...

„Äh... ein Freund. Er heißt Mike, er wollte mir nur schnell etwas zu Essen bringen. Tut mir leid, Sir.“

Mein Boss nickt, aber er sieht verärgert aus.

„Sie sind hier auf Arbeit, Miss Grey, dass ist Ihnen bewusst, oder? Ich hatte Letzte Woche vielleicht nichts dagegen, als der andere Mann kurz hier war, aber das war eine Ausnahme. Sollte das nochmal passieren, haben wir ein Problem. Bitten Sie den Mann zu gehen.“ Er klingt kühl und distanziert. Ich nicke und ich versuche an ihn vorbei zu kommen. Aber er bleibt dort stehen, wo er ist und starrt auf den Kaffeefleck, auf meiner Brust. Entweder täusche ich mich, oder er starrt mir tatsächlich auf die Brüste.

„Mr. Baldwin, würden Sie mich bitte durchlassen?“, frage ich freundlich und er nickt, tritt zur Seite, damit ich in mein Büro gehen kann. Und wieder spüre ich die Blicke meiner Kollegen in meinem Nacken. Wieder etwas zum reden. Wenn ich noch nicht Thema Nummer eins war, bin es es definitiv jetzt.

„Mike, du musst gehen. Mein Boss ist stinksauer auf mich.“, erkläre ich ihm schnell und lasse mich in meinen Drehstuhl fallen.

„Meinetwegen?“, fragt er, während er die Tüte nimmt und sie in den Müll befördert.

„Ja, keine Ahnung. Wir sehen uns ein andermal.“

Er nickt und er sieht ein bisschen enttäuscht aus. Das hindert ihn aber nicht daran, kurz zu mir zu kommen, sich herunterzubeugen und mir einen fetten Kuss auf die Wange zu drücken.

Er grinst. „Bis dann“, verabschiedet er sich und öffnet die Tür.

„Bis dann, Mike.“

Als er weg ist, sehe ich an mir hinunter und seufze.

Der Kaffeefleck ist deutlich sichtbar. Genauso wie die Toilettenpapier Stückchen.

Da Lucifer mich nach der Arbeit sofort abholt, kann ich mich nicht nochmal umziehen.

Ich kann versuchen, schnell nach Hause zu fahren, mich umziehen und wieder herkommen, aber das schaffe ich nicht in einer halben Stunde. Also muss ich wohl oder übel so bleiben.

Verdammt...
 

Mr. Baldwin wechselt nur die nötigsten Dinge mit mir aus. Wir reden kurz über mehrere Artikel, ich hole ein paar Unterlagen für ihn und er bedankt sich dafür, das war es aber auch schon.

Als die Uhr endlich auf 6 zeigt, atme ich erleichtert aus, lasse alles stehen und liegen, schnappe meine Jacke und meine Tasche und verschwinde so schnell wie möglich, nachdem ich Mr. Baldwin, der mich neuerdings wieder Miss Grey nennt und mit Sie anspricht, Tschüss gesagt habe.

Unten im Foyer kommt mir Lucifer bereits entgegen. Als er den Fleck entdeckt, runzelt er die Stirn.

„Wie ist das denn passiert?“

„Ich will nicht darüber reden.“, brumme ich. Meine Laune ist total vermiest, aber als er mich an sich zieht, um mir einen Kuss zu geben, bessert sie sich wieder deutlich und ich fühle tief in mir wieder dieses Verlangen nach ihm.

„Wollen wir zu erst etwas essen gehen?“, fragt er mich, und ich nicke, bevor seine Worte in meinem Gehirn ankommen. „Möchtest du dich vorher umziehen?“

Ich möchte jetzt nicht nach Hause fahren, denn meine Eltern sind dort. Sie würden mich fragen, wo ich hingehe und mit wem. Und ich lüge sie ungern an, auch wenn ich das zurzeit oft tue. Deshalb schüttle ich meinen Kopf. Lucifer nickt.

„Ist alles in Ordnung?“, fragt er mich, als wir bereits im Auto sitzen. „Oder hast du es dir anders überlegt?“ Er versucht sachlich zu klingen, aber ich kann merken, wie er das Lenkrad ein wenig stärker umfasst.

„Nein, wie kommst du darauf?“

„Du bist so abwesend. Was beschäftigt dich?“, erkundigt er sich und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel. Ich glaube, dass wird zur Gewohnheit.

„Nichts“, lüge ich und lege meine Hand auf seine. Doch als ich das tue, zieht er sie wieder weg. Ich versuche das zu ignorieren. Mir ist nicht klar, wieso es ihn plötzlich stört, wenn ich seine Hand halte. Nicht, dass es mich groß interessieren würde, aber ich finde es eigenartig.

„Was hältst du von Italienisch?“

Die komische Anspannung, die bis gerade eben noch in der Luft lag, ist wie weggefegt, als er mich anlächelt.
 

„Klingt gut.“, erwidere ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

Ich verstehe nicht, wieso ich in seiner Nähe so anders bin. Fast schon, als wäre ich jemand anderes. Genauso wenig kann ich glauben, dass ich mich wirklich auf ihn einlasse. Vielleicht liegt es daran, weil er so charmant ist. An irgendetwas muss es liegen, sonst könnte ich mir das nie erklären. Sein gutes Aussehen alleine, wird es nicht sein.

Ich trage die Kette, die Mum mir zu meinem Geburtstag geschenkt hat und stelle mir vor, sie mich ansehen würde, wenn ich ihr erzähle, dass ich mich auf den Teufel eingelassen habe. Ich glaube wirklich, sie wäre enttäuscht von mir. Und dieser Gedanke nagt ganz schön heftig an mir. Und die Vorstellung an den Blick: Die Enttäuschung in ihren Augen... Das tut weh, dabei geschieht das gerade alles nur in meinem Kopf.

„Wieso hast du sie umgebracht?“, frage ich unvermittelt, während ich den Anhänger an meiner Kette in der Hand halte, und zu ihn sehe. Er runzelt verwirrt die Stirn und das Auto gerät ins stehen. Wir sind da, aber ich möchte das erst wissen.

„Wem?“ Seiner finsteren Miene nach zu urteilen, weiß er genau, von wem ich rede.

„Lilian“

„Würdest du mich weniger hassen, wenn ich dir sage, wieso ich es getan habe?“

Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ihn wirklich hasse. Aber ich hasse mich, weil ich ihn dafür nicht hasse, obwohl ich es tun sollte.

„Spielt das eine Rolle?“, frage ich.

„Willst du wirklich jetzt darüber mit mir reden?“

Ich werfe einen Blick aus dem Fenster, um ihn nicht in die Augen sehen zu müssen. Vielleicht hasse ich ihn dann mehr, was ich bezweifle.

„Ja“, antworte ich sicher. Ich kann ihn seufzen hören, drehe mich aber immer noch nicht zu ihn um.

„Du kanntest sie nicht, Lilith.“, fängt er an zu erklären. Ich möchte etwas sagen, aber er sagt, dass ich still sein soll und ich bin natürlich Gehorsam. Wie immer.

„Wenn du sie so gekannt hättest, wie ich sie kannte, hättest du sie verachtet. Dämonen sind schreckliche Wesen, Lilith. Sie hat Dinge getan, die du dir nicht vorstellen kannst.“, fährt er fort.

„Was für Dinge?“ Nun drehe ich mich doch zu ihn um.

„Das ist egal. Ich will nicht, dass du sie hasst, schließlich ist sie deine Mutter.“

„Dir ist es also lieber, dass ich dich hasse? Und du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich möchte wissen, wieso du sie umgebracht hast.“

Sein Gesichtsausdruck ist völlig nichtssagend. Er wirkt ganz kühl und distanziert. Ich frage mich, ob er sie geliebt hat.

„Weil sie mich hintergangen hat. Mehrmals und auf mehrere Weisen.“

„Und mein Vater? Womit entschuldigst du seinen Tod?“

„Das würdest du nicht verstehen.“

Ehe ich etwas sagen kann, steigt er aus und knallt die Autotür mit voller Wucht zu, sodass ich vor Schreck zusammenzucke. Als mir plötzlich die Beifahrertür geöffnet wird, zucke ich wieder zusammen.

„Steig aus.“, sagt er kühl und ich schnalle mich ab und steige aus.

„Wenn du es mir erklären würdest, könnte ich es verstehen. Versuch es doch wenigstens.“

Weil er mir so weit voraus ist, rufe ich es ihm beinahe zu. Ein Paar Menschen, die an uns vorbei gehen, sehen mich kurz an, aber beachten mich nicht weiter.

Wahrscheinlich bin ich nur eine verrückte Freundin für sie, die ihren Freund dazu drängen möchte, mir zu erklären, wieso er was weiß ich getan hat.

Lucifer bleibt kurz stehen. Er steht kurz einfach nur da, bis er sich zu mir umdreht, mit erhobenen Haupt und auf mich zukommt. Sein Blick durchbohrt mich und jagt mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Ich taumle ein paar Schritte Rückwärts, bis er vor mir zum stehen kommt und auf mich herab blickt.

„Dein Vater hat sich von ihr manipulieren lassen und weil er vorhatte, mir etwas zu nehmen, was mir gehörte, habe ich ihn erwürgt. Wenn ich ihn am Leben gelassen hätte, hätte er nie wieder wie früher werden können. Bist du zufrieden?“ Sein Tonfall ist monoton und kalt. So als wäre es nichts schlimmes. Erst jetzt begreife ich, wie viel unterdrückte Wut in ihn stecken muss.

„Inwiefern manipuliert? Wieso hätte er nie wieder wie früher werden können? Sag es mir!“, dränge ich und versuche leise zu reden. Ich möchte das unbedingt beantwortet haben, bevor wir weiter gehen.

„Du würdest vieles nicht verstehen, Lilith. Ich rede nicht über meine Vergangenheit. Mit niemanden. Merk dir diese Regel in Zukunft. Und jetzt komm.“ Er greift nach meiner Hand und zerrt mich neben sich her. Als wir im Lokal sind, reiße ich mich unauffällig von ihm los, weil eine Kellnerin auf uns zu geschlendert kommt. Sie sieht mich prüfend an, starrt kurz auf meinen Fleck und ignoriert mich dann, als wäre ich Luft.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Die Frage ist nicht an uns beide, sondern an ihn. Dabei klimpert sie mit ihren Augen und zupft unauffällig an ihrem blonden Haar herum.

„Ein Tisch für zwei.“ Er klingt immer noch so kühl. Ob sich das im Laufe des Abends legen oder bleibt er so? Ich hoffe es legt sich und ich hoffe, ihm weitere fragen stellen zu können. Auch wenn er gesagt hat, er redet nicht gern über die Vergangenheit, lasse ich es nicht sein, nachzubohren und nach antworten zu verlangen. Habe ich diese nicht verdient?

Als uns die bildschöne Kellnerin zu unserem Platz führt, wackelt sie besonders mit ihren Hüften vor Lucifer herum. Am liebsten würde ich lachen, denn er beachtet sie kaum.

Lucifer bestellt für uns beide, keine Ahnung wieso. Und er möchte jetzt schon Wein trinken. Wahrscheinlich um die angespannte Stimmung zu lockern.

„Wieso redest du nicht gern über deine Vergangenheit?“, frage ich, um die unangenehme Stille zu verscheuchen.

„Wenn ich dir das erzählen soll, muss ich über meine Vergangenheit reden. Also erwarte keine Antwort von mir. Wie ist das mit dem Fleck auf deinem Kleid passiert?“, wechselt er prompt das Thema. Was er kann, kann ich schon lange.

„Hast du sie geliebt?“

„Nein.“, sagt er trocken. „Das ist das Letzte, was ich dir beantwortet habe. Und jetzt beantworte du meine Frage.“, fordert er.

Das ist hoffnungslos. Ich möchte mehr über seine Vergangenheit erfahren. Ich möchte erfahren, was Lilian für schlimme Dinge getan hat und ich möchte erfahren, wieso Michael nicht mehr so hätte werden können, wie er vor Lilian war. Jetzt habe ich noch mehr fragen, als ich vorher hatte. Am liebsten würde ich die Zeit zurückspulen. Dann hätte ich diese Frage nie gestellt und ich hätte Lilian immer noch als die ganz unschuldige in meinen Erinnerungen. Nun herrscht Chaos in meinem Kopf.

Nach ungefähr einer Stunde haben wir aufgegessen. Er hat Pasta bestellt und es war köstlich. Ich habe ihn erzählt, wie das mit dem Kaffee passiert ist, habe dabei aber Mike ausgelassen, damit die Situation nicht noch komischer wird. Nach zwei Gläsern Wein, beginnt seine kühle Fassade endlich zu bröckeln und ich frage ihn, wieso er gestern so schnell los musste. Eigentlich erwarte ich, dass er sagt, er will darüber nicht reden oder es sei egal, aber er beantwortet mir die Frage.

„Irgend ein Arschloch hat meine Bar verwüstet und Alice war nicht im Stande, ihn aufzuhalten.“

„Kanntest du den Mann?“

„Ja, er ist ein alter Freund von mir.“, sagt er kurz und knapp.

„Wieso hat er das getan? Hatte er einen Grund das zu tun?“, frage ich ganz vorsichtig, und hoffe wirklich, nicht wieder zu weit zu gehen.

„Nein. Er ist ein Arschloch. Belassen wir es dabei.“, erwidert er und trinkt sein zweites Glas leer, während meins noch fast voll ist. Er bestellt sich ein weiteres.

„Ok“, sage ich, und nippe an meinem Wein. Er schmeckt süß und fruchtig und ich glaube, ich habe nach diesem Glas genug.

„Wollen wir fahren?“ Jetzt wirkt er fast wie ausgewechselt. Ich komme nicht mit seinen Stimmungsschwankungen klar. Wieso ist er bloß so rätselhaft?

„Ich habe meinen Wein noch nicht ausgetrunken.“ Dann füge ich noch hinzu: „Und ich bin mir nicht sicher, ob ich da weiter machen will, wo wir aufgehört haben.“ Nicht nachdem, was vor einer Stunde im Auto war und wie er sich während dem Essen verhalten hat. So sehr ich ihn auch will, ich will auch meine Fragen beantwortet haben.

Lucifer beugt sich nach vorn und er legt seine Hand auf meine, die neben dem Weinglas liegt. Er streichelt mich dort zärtlich. „Ich habe dir gesagt, dass es kein zurück mehr gibt, Lilith.“ Er spricht meinen Namen langsam und sinnlich aus, während er sich kurz über seine Lippen leckt und mich damit kurz zum stocken bringt.

„Dann beantworte meine Fragen.“ Ich sehe keine andere Möglichkeit, als das von ihm zu verlangen. Er schüttelt nachdenklich den Kopf. „Ich breche meine Regeln nur ungern.“, gibt er von sich und ich blicke ihn fragend an. Regeln? Es gibt mehrere?

„Du hast noch mehr Regeln?“, frage ich ihn.

„Ja, die habe ich. Und ich halte mich an jede.“

„Die lauten?“

„Die erste Regel kennst du bereits.“ Seine Finger streicheln mich weiter und damit macht er es mir schwer, mich zu konzentrieren. „Die zweite ist: Ich bleibe nicht bei Nacht. Ich möchte, dass du das akzeptierst, denn sonst funktioniert das mit uns beiden nicht.“

Funktionieren? Er will, dass das zwischen uns funktioniert? Inwiefern? Eine lockere Affäre? Freundschaft Plus? Was meint er damit?

Ich muss mich zügeln, ihn nicht mit fragen zu überhäufen.

„Die dritte: Ich beende es, Lilith.“

„Wie meinst du das?“

Er legt seinen Kopf schief und seine Mundwinkel zucken. „Ich bestimme, wann das zwischen uns vorbei ist."

„Das heißt, wenn ich nichts mehr mit dir zu tun haben möchte, ist das egal? Ich verstehe das nicht ganz.“

Ich weiß nicht, ob mir seine Regeln gefallen. Noch weniger weiß ich, wieso wir überhaupt Regeln brauchen. Für was sind die gut? Etwa dafür, damit man keine richtige Beziehung zu ihm aufbauen kann? Oder er hat schlechte Erfahrungen mit der Liebe.

„Genau“ Er lächelt, ohne das dieses Lächeln seine Augen erreicht. Wieso ist er bloß so komisch?

„Um es richtig auszudrücken: Sobald du genug von mir hast, schmeißt du mich weg wie eine heiße Kartoffel.“, sage ich und presse die Lippen zusammen.

Wenn ich mich heute auf ihn einlasse, könnte er bereits genug von mir haben. Das wäre doch möglich? Schließlich ist er nicht der Typ für feste Bindungen, wie Mike mir erzählt hat. Das war mir von Anfang an klar, aber jetzt stört es mich und ich weiß nicht wieso. Ich hatte schon Mal Sex, ohne gleich eine feste Beziehung einzugehen, aber nur einmal und das war es auch schon. Ich bin, im Gegensatz zu ihn und Mike, nicht dafür geschaffen, etwas lockeres zuführen. So etwas wie eine offene Beziehung. Ich würde den Gedanken einfach ekelhaft finden, wenn ich mich einem Mann vollkommen hingebe, während dieser zwischen durch mit einer anderen, vielleicht viel schöneren Frau, eine Nummer schiebt. Bei diesem Gedanke schüttelt es mich.

„Wollen wir fahren?“, fragt er. Er ignoriert also was ich gesagt habe. Das heißt dann wohl ja.

„Nein. Ich hätte gern noch ein Glas Wein.“

Er sieht kurz zu meinem halbvollen Glas und runzelt die Stirn. Ich hebe es an meine Lippen und leere es in einem Zug.

„Ich glaube, du hast genug. Lass uns fahren. Ich gehe nur schnell bezahlen.“

„Ich gehe schon Mal raus.“, meine ich, als er schon aufgestanden ist, stehe ebenfalls auf und verlasse das Restaurant. An der frischen Luft fühle ich mich viel wohler als dort drinnen, aber ich merke auch die Wirkung des Weins. Jetzt bin ich mir nicht mehr allzu sicher, ob das die richtige Entscheidung war, mich auf mehr einzulassen. Natürlich sieht er gut aus, aber ich muss bedenken, wer er ist, auch wenn ich es oft vergesse oder verdränge. Das heute scheint einfach keine gute Idee mehr zu sein.

Meine Gedanken kreisen um seine Regeln und Lilian. Darüber, was sie wohl für schlimme Dinge getan haben musste.

Irgendwie sehe ich jetzt vieles mit anderen Augen. Wieso haben meine Eltern das nie erwähnt? Sie haben nur gesagt, dass er sie getötet hat. Ich habe nie gefragt warum, weil ich immer dachte, er hätte es getan, weil sie ihn betrogen hatte, aber jetzt bin ich mir sicher, dass noch viel mehr dahinter steckt, als ich dachte.

„Alles ok mit dir?“, fragt er, als er neben mir zum stehen kommt und einen Arm um mich legt. Ich frage mich, ob er wirklich so nett ist oder ob das alles nur ein Spiel ist. Aber im Moment ist mir das egal und ich nicke einfach nur stumm. Ich brauche andere Gedanken und wie Mell vor ein Paar Wochen zu mir gesagt hat: Ich muss abschalten. Wenigstens nur einen Abend.

Keine Ahnung, ob ich das heute Abend hinbekomme, aber ich will es versuchen.

„Ja, ich bin nur etwas betrunken.“, sage ich und lache. Dann stellt er sich direkt vor mich und packt mein Kinn, sodass ich ihn ansehe. „Ich hoffe doch, du kannst noch klar denken.“

„Leider ja.“, erwidere ich, und klinge dabei ernster, als ich eigentlich will. Deshalb lächle ich schwach. Er schüttelt bloß den Kopf und runzelt die Stirn. „Wieso leider?“, fragt er schließlich und ich möchte ihm keine ehrliche Antwort darauf geben. Stattdessen küsse ich ihn kurz auf dem Mund und gehe zum Auto. Dort warte ich, bis er es aufgemacht hat und steige ein.

„Wo fahren wir eigentlich hin?“, frage ich und schnalle mich an, als er losfährt.

„In dein neues Apartment. Ich muss dir noch den Code für den Fahrstuhl geben.“

Toll. Jetzt muss ich ihn irgendwie beibringen, dass ich das Apartment wirklich nicht möchte.

„Ähh“, mache ich und er sieht kurz fragend zu mir rüber. „Was ist?“, will er wissen.

„Na ja, ich möchte das Apartment nicht.“, sage ich kleinlaut und kaue auf meiner Lippe herum. Jetzt ist es gesagt und er wirkt nicht einmal wütend. Eher ein wenig verwirrt.

„Gefällt dir das Apartment etwa nicht?“

„Doch, na ja, aber ich habe bereits eine eigene Wohnung gefunden, die ich mir nächste Woche Mal ansehen werde.“ Ich lüge wie gedruckt und fühle mich dabei sogar schlecht. Was stimmt nicht mit mir? Es ist nur Lucifer...

„Ach wirklich?“, fragt er und klingt dabei so, als würde er mir kein bisschen glauben. „Wo denn?“

Verdammt...

„Brooklyn“

„Und wo in Brooklyn? Welche Straße?“, hakt er nach.

Gott, wieso fragt er mich das? Ich hab keine Ahnung, was ich jetzt sagen soll. Mir fällt nur die

Straße meiner Eltern ein, aber die kennt er. „Es gibt keine Wohnung.“, stellt er fest.

„Doch, mir fällt bloß nicht mehr ein, wie die Straße heißt.“

„Ich merke wenn du lügst.“, sagt er.

Wie bitte?

„Du kaust dann immer auf deiner Lippe herum oder spielst mit deinen Händen.“

„Bin ich so durchschaubar?“, frage ich ihn etwas genervt, aber zu meiner Überraschung, schüttelt er den Kopf.

„Nein, nicht immer. Mich würde manchmal wirklich interessieren, was in deinen Kopf vorgeht.“

Er legt die Stirn in falten, so als würde er gerade selbst über etwas nachdenken und ich würde auch gern wissen, was gerade in ihn vorgeht.

„Wieso redest du nicht gern ü...“, beginne ich zu fragen, aber er unterbricht mich. Ich glaube nicht einmal, dass das Absicht war, ich denke eher, er hat mir nicht zugehört, weil er gerade selbst in Gedanken war. Und ein zweites Mal traue ich mich nicht nachzufragen.

„Wir sind da.“

Er steigt aus und ich sehe ihn hinterher, bis ich auch aussteige. Draußen nimmt er schon wieder meine Hand, obwohl er bis vor zwei Stunden noch etwas dagegen hatte. Lucifer verwirrt mich so. Ich bin mir sicher, dass ich ihn nie verstehen werde. Genauso wenig werde ich nie verstehen, wieso ich mit ihm gehe.

Im Fahrstuhl zeigt er mir den Code an. „34879364“

Ich werde mir den Code niemals merken und das brauche ich auch nicht. Ich ziehe hier nicht ein.

Oben angekommen, betrachte ich nochmal das Apartment. So schön wie ich es in Erinnerung hatte. Und die Erinnerungen sind noch frisch. Ich hatte gestern nicht die Möglichkeit, mir in Ruhe das Schlafzimmer anzusehen, deshalb erledige ich das jetzt.

Als erstes sticht mir der Spiegel an der Decke ins Auge und ich muss grinsen. Das nächste die beigefarbenen Wände und das weiße, sehr große Bett, mit vielen Kissen, in welche ich mich am liebsten rein werfen würde. Etwas weiter neben dem Bett ist eine weitere Tür, doch bevor ich dazu komme, mir das Zimmer dahinter anzusehen, legen sich zwei Hände an meine Hüfte. Er drückt mich gegen sich, schiebt mein Haar zur Seite und beginnt meinen Hals zu küssen. Er hat anscheinend kein Interesse daran, weiter mit mir über irgendetwas zu reden und will sofort da weiter machen, wo wir stehen geblieben sind. Kein zurück mehr. Und bevor ich mich versehe, hat er den Reißverschluss meines Kleides geöffnet und lässt es nach unten gleiten. Wegen der Kälte bekomme ich Gänsehaut, die noch intensiver wird, als er mit seinen Fingern zärtlich meine Arme streichelt. „Dreh dich um“, befiehlt er leise, aber sinnlich und ich tue es. Allein durch seinen Blick, merke ich, wie ich feucht werde.

Er betrachtet mich nur und beginnt sein Hemd aufzuknöpfen. Langsam, als würde er mich quälen wollen, aber das lasse ich mir nicht gefallen. Ich nehme seine Hände weg und öffne es selbst. Dann lasse ich es nach unten fallen. Er zieht mich unvermittelt an sich, dreht sich, zieht mich dabei mit und setzt sich auf das Bett, mit mir auf seinem Schoß, genauso wie gestern. Ich berühre seine Bauchmuskeln. Seine Haut ist heiß und sein Atem geht schnell, genauso wie meiner. Jetzt kann ich es kaum noch abwarten.

Dann berührt er meine Wange. Irgendwie ist er... zärtlicher als gestern.

Als ich das denke, zieht er mich fester an sich.

Sein Atem kitzelt an meiner Nase, bis er seine Lippen auf meine drückt und ich einen Arm um seinen Hals lege, die andere in seinem Haar verschwinden lasse. Ich ziehe fest daran und er beißt mir auf die Lippe. Ruckartig drehe ich meinen Kopf zur Seite. „Du hast mich gebissen!“, japse ich, als ich das Blut in meinem Mund schmecken kann. Grinsend nimmt er mein Kinn zwischen seine warmen Finger und dreht meinen Kopf wieder zu sich. „Das ist nur Blut. Hab dich nicht so.“

Von zärtlich, zu grob und es gefällt mir. Lucifer nimmt meine beiden Hände und legt sie an seinen Reißverschluss. „Öffnen“, befiehlt er. Ohne zu zögern, öffne ich den Reißverschluss, lasse meine Hand in seine Boxershorts gleiten. Noch bevor ich seinen Penis ertasten kann, legt er seine Hand um mein Handgelenk. Ich halte inne und lasse meine Hand, über seinen durchtrainierten Oberkörper gleiten. Mein Herz hämmert schmerzhaft schnell gegen meine Brust. Das passiert wirklich! Kein Zurück mehr...

Ohne mich von sich runter zu nehmen, schafft er es seine Hose, samt Boxershorts herunter zuziehen. Dann drückt er mir das Kondompäckchen in die Hand, welches er noch schnell aus seiner Hosentasche zieht. Ich brauche ein paar Sekunden und werde rot, als ich merke, dass ich seinen steifen Penis anstarre, dessen Größe wirklich beachtlich ist. Im Moment fühle ich mich, als hätte ich das erste Mal Sex. In gewisser weise ist es das erste Mal... Das erste Mal mit ihm. Mit zitternden Händen reiße ich das Kondompäckchen auf, hole es heraus und ziehe es über ihn. Als ich damit fertig bin, lasse ich meine Lider wieder nach oben gleiten. Sein Blick ist voller Begierde und Verlangen, was meine Kopfhaut prickeln lässt. Seine Hände legen sich auf meine Hüften und er schiebt mich weiter zu sich, bis ich seinen Penis zwischen meinen Beinen spüren kann. Bevor ich mich völlig fallen lasse, lege ich Lucifers Hand grinsend auf den Vorderverschluss meines BHs und sage: „Öffnen“

Heute trage ich ausnahmsweise keinen schlichten weißen Bh, sondern einen mit schwarzer Spitze, und dieser scheint ihm zu gefallen.

Seine Mundwinkel zucken, sonst versucht er ernst zu bleiben, auch wenn ihm das nur teilweise gelingt. Mit einem leisen Knipsen entblößt er meine Oberweite und hebt mich so weit hoch, sodass ich seine Erektion zwischen meinen Beinen und kurz unter meiner Scham spüren kann. Er schiebt meinen Slip zur Seite und dringt dann in mich ein. Quälend langsam, bewege ich mich, lege meine Hände auf seine angespannte, harte Brust und schließe vor Lust die Augen und stöhne auf. Mit einem gewaltigen Ruck, zieht er mich an sich. Brust an Brust und sieht mich so lüstern an, dass es mir beinahe den Atem raubt. Mein Atem wird mir im nächsten Moment jedoch aus einem anderen Grund geraubt. Denn er stößt fest zu und entlockt mir einen Schrei, den er dämpft, indem er seine Lippen auf meine legt. Gierig saugt er an meiner Zunge, neckt sie, während ich mich rhythmisch auf ihn bewege. Sanft zieht er die Linie meiner Wirbelsäule nach. Meine Haut prickelt und in meinem Unterleib beginnt es zu zucken. Seine Lippen gleiten an meinen Hals, bringen mich immer mehr zum stöhnen. Gierig saugt und knabbert er daran, während ich mich auf und ab bewege. Mal langsam, Mal schneller. Diesen Moment will ich solange wie nur möglich auskosten. Ich kralle meine Hände in seine Brust, was ihn ebenfalls leise stöhnen lässt. Knurrend löst er sich von meinem Hals und widmet sich meinen Brüsten. Seine Zunge gleitet über meine Brustwarze, welche hart wird, als sie liebkost. Wieder und wieder. „Schneller“, spornt er mich mit kehliger Stimme an.

Ich werde schneller. Meine Fingernägel krallen sich fest in seine erhitzte Haut. Der Druck in meinem inneren erhöht sich, während er nun die andere Brust liebkost. Seine freie Hand, gleitet zu meinem Kitzler, den er beginnt zu stimulieren.

„Komm für mich.“, raunt er, nachdem er sich von meinen Brüsten gelöst hat. Die Worte bewirken etwas in mir, bringen mich beinahe aus der Verfassung. Es fühlt sich an, als würde ich zerbersten. Mein Unterleib zieht sich zusammen und dehnt sich weder aus. Ein Unbeschreiblicher Orgasmus durchzuckt mich. Nur am Rande, irgendwo in meinem Unterbewusstsein, spüre ich, wie er kommt. Wie sein Penis in mir zuckt und er noch weitere male in mich stößt. Schwer atmend schmiege ich meinen Kopf auf seine Schulter, löse meine Hände von seiner Brust und lege sie um ihn.
 

Es braucht ein Weile, bis ich wieder im hier und jetzt bin. Lucifer hebt mich hoch, legt mich ins Bett und deckt mich zu. Dann beginnt er seine Sachen aufzusammeln und ich beobachte ihn erschöpft aber auch misstrauisch dabei, wie er sich wieder anzieht. Es ist komisch, aber ich will, dass er bei mir bleibt.

"Du willst schon gehen?" Ich richtig mich ein wenig erschöpft auf und ziehe die Tagesdecke fest um mich. Ich bekomme ein komisches Gefühl, als er mir nicht antwortet. Er sieht mich nicht einmal an.

"Lucifer?"

Als er dabei ist, sein Hemd zuzuknöpfen, sieht er mich endlich an und etwas Erleichterung macht sich in mir breit, die sich im nächsten Moment in Luft auflöst.

"Ja, was hast du erwartet?" Er wirkt anders und ich kriege kein Ton raus. Ich war mir zwar bewusst, das wir die Nacht nicht hier verbringen würden, aber das er sofort gehen will, hätte ich nicht erwartet.

Seine Lippen verziehen sich zu einem sarkastischen Lächeln.  So hat er noch nie gelächelt.

"Du hattest also, was du wolltest?", will ich wissen. Ich klinge ausdruckslos, dabei geht gerade so viel in mir vor

"Genau", erwidert er, schnappt sich sein Jackett und wirft es sich über die Schulter.  Ich fühle mich ausgenutzt . Genau deshalb wollte ich mich nicht auf ihn einlassen. Genau deshalb habe ich mich dagegen gewehrt. Jetzt hat er, was er wollte und nun will er es nicht mehr. Obwohl ich ihn kaum kenne, bin ich mir sicher, dass das typisch für ihn ist. Ich bin ja selbst Schuld. Ich kann ihn nicht einmal Vorwürfe machen.

"Wow", bringe ich nur tonlos heraus.

"Was  wow?", will er wissen. Er klingt genauso ausdruckslos wie ich.

Ich lache bitter.   "Ich bereue es jetzt schon, mit dir geschlafen zu haben."

Er zuckt mit den Schultern. Das ist ein richtiger Stich ins Herz und tut irgendwie unfassbar weh.

"Wir hatten beide unseren Spaß. Also beruhig dich.", sagt er und bevor er geht, sagt er noch "Bis dann."

Ich hoffe, ich muss ihn nicht mehr sehen.

„Wo sind meine Schlüssel?“

„Da wo du sie hingelegt hast.“, antworte ich meinem Dad und beiße in eine trockene Toastscheibe hinein.

„Nein, da sind sie nicht. Hast du sie irgendwo hingelegt?“

„Nein, habe ich nicht.Warte.“

Ich stehe auf und beiße nochmal vom Toast ab. Im Flur öffne ich die Kommode, neben der Garderobe, nehme die Schlüssel und drücke sie ihm skeptisch in die Hand.

„Die waren da vor fünf Minuten nicht drin.“, murmelt er und zieht sich seine Jacke an. Ich grinse und verkneife mir ein Kommentar dazu.

„Vielleicht solltest du zum Augenarzt? Ist schon wieder sehr lang her, als du das letzte mal warst.“, schlage ich vor. Natürlich schüttelt er sofort den Kopf. Was für ein Sturkopf. Er will einfach nicht einsehen, dass seine Augen schlechter geworden sind und er eine neue Brille braucht. Wenn er meinen Rat nicht in den nächsten Wochen nachgeht, zerre ich ihn persönlich zum Augenarzt. Ob er will oder nicht.

„Bis später. Wie lange hast du Urlaub?“

„Vergesslich bist du also auch schon?“, necke ich ihn und gebe ihn einen Kuss auf seine glattrasierte Wange. „Bis Freitag, dann noch das Wochenende und am Montag ist Baldwin wieder zurück. Das habe ich dir gestern Abend schon erzählt.“, erinnere ich ihn.

Ich weiß schon seit einigen Wochen dass Jones nach Seattle muss. Eigentlich müsste ich ihn dort hin begleiten, aber er wollte lieber Beth dabei haben, was mich nicht wundert. Sie ist sicherlich bereit dafür, ihm die Beine breit zu machen.

O Gott, was ich denke ich bitte? Ich kenne Beth nicht und so was auch nur zu denken, ist ganz untypisch für mich.

Ich brauche andere Gedanken.

Als Dad weg ist, bin ich allein mit Mum im Haus. Sie müsste jede Sekunde runter kommen und ebenfalls zur Arbeit fahren. Dann habe ich das Haus für mich allein bis um acht, kann Dads Alkoholvorrat unter die Lupe nehmen und gönne mir ein sehr langes, heißes Bad, während ich auf meinen Laptop eine Serie schaue. Ich seufze beim Gedanken daran, endlich wieder zu entspannen und lasse mich in der Küche auf meinen Platz nieder.

Mum kommt die Treppe runter, dann in die Küche und strahlt mich an. Sie trägt eine knielange Hose und eine dunkelblaue Bluse. Ihre dunkelblonden Haare sind nach oben gesteckt und ihre Wangen werden durch etwas Rouge betont. Sie sieht toll aus.

„Guten morgen“, wünsche ich ihr, während ich mir mein Toast schmiere. Erst mit etwas Butter, dann mit Konfitüre. Als ich fertig bin, beiße ich etwas davon ab und frage Mum ungehalten, mit vollen Mund, wann sie heute wieder nach Hause kommt. Daraufhin gibt sie mir einen leichten Klaps auf den Hinterkopf.

„Hör auf mit vollem Mund zu sprechen. Ungefähr um sechs müsste ich wieder hier sein.“

„Tut mir leid“, murmle ich, nachdem ich heruntergeschluckt habe und einen Schluck Orangensaft trinke.

„Um sechs, wie immer. Dein Vater hat sein Handy vergessen.“ Sie seufzt und es klingelt an der Tür. Dad hat anscheinend auch bemerkt, dass er sein Handy liegen lassen hat.

Ich stehe auf, um zur Tür zu gehen, aber Mum schnappt sich bereits das Handy und eilt zur Tür. Also setze ich mich wieder hin und esse weiter. Bis Mum mich ruft und ich aufstehen muss. Zum Glück habe ich frei und bin nicht in eile.

„Wie war nochmal Ihr Name?“

Ich wische mir meinen Mund ab und stelle mich zu Mum. Die Tür versperrt mir die Sicht, also öffne ich sie weit.

„Louis“

Lucifers grinsen ist breit und meine Mum ist völlig verwirrt und zugleich sieht sie sehr beeindruckt aus. Er nimmt ihre Hand und haucht ihr einen Kuss auf den Handrücken.

Dann sieht sie mich an und verabschiedet sich schnell. Als Lucifer und ich allein sind, macht er einen Schritt vorwärts, als würde er ins Haus kommen wollen. Aber ehe er einen Schritt hier rein tut, gehe ich nach draußen und ziehe die Tür so weit zu, bis sie nur noch einen kleinen Spalt offen steht.

„Willst du mich nicht ins Haus lassen?“

„Nein.“, erwidere ich fast ausdruckslos. „Wieso bist du hier?“

„Ich wollte dich sehen.“

Ich lache auf und halte mir eine Hand vor dem Mund. Er sagt nicht nichts. Also versuche ich wieder ernst zu wirken.

„Gut, du hast mich gesehen. Dann kannst du ja wieder gehen. So wie letzte Woche.“, erwidere ich zuckersüß und lege den Kopf ein wenig schief. Erst vögelt er mich, verschwindet kurz darauf und meldet sich eine Woche nicht bei mir. Ich hatte mich damit abgefunden, ausgenutzt worden zu sein. Und nun steht er vor meine Tür. So gutaussehend wie immer. In einem schwarzen Anzug und einer dazu passenden Krawatte. Denkt wahrscheinlich, ich würde ihn ins Haus lassen und gemütlich einen Kaffee mit ihm trinken.

„Komm schon, Baby. Du bist wirklich wütend, weil ich nicht geblieben bin, um mit dir zu kuscheln?“ Er zieht einen Schmollmund und kommt einen Schritt auf mich zu. Wenn er es wagt, mich anzufassen, trete ich ihn dort hin, wo es weh tut.

„Ich bin nicht wütend.“, antworte ich ihn und öffne wieder die Tür hinter mir. Ich gehe zurück ins Haus, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Anscheinend denkt er ich würde wollen, dass er rein kommt, denn er setzt einen Schritt nach vorn, aber ich halte ihn ab, indem ich eine Hand gegen seine Brust drücke.

Er breitet die Arme aus. „Nun komm schon. Lass mich rein“, jammert er gekünstelt, also nehme ich meine Hand weg.

„Wir hatten einen Deal, falls du dich daran zurück erinnerst.“

„Der Deal ist nichtig. Den hab ich gemacht, als ich noch dachte, mir würde eine Nacht mit dir genügen.“

„Das was wir hatten, war ein Fehler. Ich bereue es mehr als alles andere. Jetzt geh weg, bevor ich die Polizei rufe!“, zische ich und werfe die Tür zu. Aber sie bleibt einen Spalt offen, weil sein Fuß dazwischen ist.

„Und was glaubst du, wird die Polizei tun? Mich festnehmen? Hast du vergessen, wer ich bin? Sieh mich an. Denk noch einmal ganz scharf nach, Süße.“

Er knallt die Tür auf und der laute Knall lässt mich vor Schreck nach hinten taumeln. „Wenn ich etwas will, kriege ich das auch und im Moment will ich dich gegen die Wand drücken und vögeln, bis du nicht mehr stehen kannst.“

Als er noch einen Schritt auf mich zu kommt und versuchen will, mich zu berühren, schlage ich seine Hand weg und blicke ihn ebenso bedrohlich an, wie er mich im Moment.

„Ein Anruf an Mike und ich kann den Ruf deines Clubs ruinieren, also denk besser nach, was du als nächstes tust!“

Er zieht sich langsam zurück, zu meiner Überraschung. Grinsend hebt er die Hände vor seiner Brust und geht einige Schritte rückwärts. „Ich stehe drauf, wenn du einen auf böse machst. Vor allem weil deine Nase dann immer so niedlich zuckt.“, zieht er mich auf und ich würde ihn am liebsten eine reinhauen. „Du wirst mir nicht mehr lange böse auf mich sein. Da bin ich mir sicher.“, sagt er und ich knalle ihm die Tür vor die Nase zu.

Er flucht und ich bin mir sicher, dass die Tür gegen seinen Fuß geknallt ist.

Ich hoffe dadurch versteht er endlich, dass er mich in Ruhe lassen soll.

„Mach die Tür auf!“, sagt er nach einer Weile. Es klingt wie eine Drohung. Ich bleibe hartnäckig und verriegele das Schloss. Nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Zum Glück ist das kleine Fenster an der Tür verdeckt. Aber ich kann trotzdem seine Silhouette erkennen. So erkenne ich auch, dass er näher an die Tür kommt.

„Mach die Tür auf, Lilith, oder ich verschaffe mir einen anderen Weg hier rein.“, meint er leise, aber bedrohlich.

Ich denke kurz über seine Worte nach. Ich sollte die Polizei rufen. Mein Handy liegt im Wohnzimmer, also ist es relativ schnell zu erreichen. Mir ist natürlich klar, dass Lucifer die Polizei irgendwie um seinen kleinen Finger wickeln wird, vielleicht hat er das auch schon, aber ich kann hier nicht tatenlos rumstehen und darauf hoffen, dass er einfach von allein geht. Denn wenn er das nicht tut, habe ich ein Problem.

Ich warte ein paar Sekunden, bis ich Schritte höre, die sich vom Haus entfernen.

Misstrauisch öffne ich die Vorhänge vom kleinen Fenster, aber er ist nicht zu sehen. Doch sein Auto erkenne ich.

Scheiße! Die Terrassentür im Wohnzimmer steht offen. Ich renne ins Wohnzimmer und behalte recht. Ich versuche sie zu schließen, aber gerade jetzt klemmt diese verdammte Tür. Im Augenwinkel kann ich bereits Lucifer um die Ecke kommen sehen.

„Komm nicht näher, Lucifer!“, verlange ich von ihm.

Er grinst und sagt nichts. Bleibt einfach nur neben der klemmenden Tür stehen und beobachtet jeder meiner Bewegungen ganz genau, als ich zurück ins Wohnzimmer gehe, um so weit Abstand wie nur möglich von ihm zu halten.

Er bemerkt, dass ich mein Handy anstarre und schüttelt warnend mit dem Kopf.

„Das würde ich nicht tun.“

„Lass mich einfach in Ruhe und geh! Du hattest doch, was du wolltest. Ich hab mit dir geschlafen, du warst zufrieden und bist abgehauen. Was willst du denn noch von mir?“

Es ist unheimlich, ihn so da stehen zu sehen. Fast so wie in einem Thriller, wo der Mörder einen auf ruhig macht und meint, er würde einen nichts tun und wenn man dann eine falsche Bewegung macht, hat man ein Messer oder eine Kugel im Bauch.

Die Schritte, die er macht, hören sich laut an, obwohl sie ganz leise sind. Er sieht sich im Wohnzimmer um und versucht mir immer näher zu kommen. Ich will weg rennen, am besten zu den Nachbarn und dabei will ich mein Handy schnappen. Er wird mir nichts tun! Er hat mal gesagt, ich brauche keine Angst vor ihn zu haben. Er tut mir nichts. Und das habe ich ihn geglaubt. Auf gewisse Art und Weise vertraue ich ihn in dieser Hinsicht.

„Bitte geh“, sage ich nach langer Stille, die drohte mich zu ersticken und drehe mich um, um auf den Tisch nach meinem Handy zu greifen. Ich höre Schritte und plötzlich steht er neben mir.

„Ich sagte, dass würde ich nicht tun!“ Er schnappt sich mein Handy und steckt es sich in seine Hosentasche. Er dreht mich zu sich. Sein Griff ist grob und tut beinahe weh.

„Lass mich los!“, schreie ich. Er lässt mich los und ich gebe ihm einen Stoß gegen die Brust. Er bewegt sich keinen Zentimeter, durchbohrt mich mit einem Blick, der mir Angst macht. Dann packt er mich. Ich schreie und frage mich, wieso die Nachbarn mich nicht hören. Dann hebt er mich hoch und wirft mich auf die Couch. Das alles passiert so schnell, dass ich keinen Zeitpunkt finde, aufzustehen und wegzurennen. Und als er über mir ist, presst er bereits seine Lippen auf meine. Grob und schmerzhaft. Ich schlage wie wild auf seine Brust ein und versuche ihn von mir wegzustoßen. Sein Versuch zärtlich zu sein, zieht nicht bei mir. Er küsst meinen Hals, bahnt sich den Weg weiter nach unten zu meinen Dekolletee. Ich wehre mich weiter, doch er hält meine Handgelenke fest.

„Hör auf!“, kreische ich und in dem Moment sieht er mich an und ich stoße ihn von mir runter.

Schnell springe ich von der Couch auf und sehe ihn wütend an.

„Du... du wolltest...?“ Mir fehlen die Worte. „Hast du sie noch alle?“

Seine Haare sind zerzaust, sein Blick wild und als er einen Schritt auf mich zukommt, gehe ich einen Rückwärts.

„Du bist doch krank!“

Er blickt zu Boden, als würde er sich schämen. „Es tut mir leid... Ich... irgendwas stimmt nicht mit mir.“

„Da sind wir einer Meinung.“, erwidere ich wütend.

Seine Miene ist ernst, in seinem Blick liegt so etwas wie Reue. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich kenne ihn nicht gut genug, um seine Blicke richtig deuten zu können.

„Nein, das meine ich nicht. Ich... Schlaf mit mir.“

Meine Kinnlade fällt herunter. „Wie bitte? Nein! Vergiss es!“

Wie zur Hölle kommt er auf Idee, dass ich jetzt mit ihm schlafen würde? Ist er völlig verrückt geworden? Natürlich ist er das! Er ist gerade ohne deinen Willen über dich hergefallen, wie ein Löwe auf ein Reh!

„Lass mich nicht betteln“, sagt er leise und klingt unfassbar erbärmlich dabei.

„Ich werde nicht mit dir schlafen! Das letzte Woche war einer der größten Fehler, die ich je gemacht habe. Ein anderer Fehler war, nicht nur ein dreckiges Arschloch und einen Mörder in dir zu sehen! Jetzt hau endlich ab!“

„Das es ein Fehler war zu glauben dass ich anders sei, stimmt, aber das du es als Fehler ansiehst, mit mir geschlafen zu haben, glaube ich dir nicht.“, widerspricht er meinen Worten. Er liegt völlig falsch. Ich bereue es wirklich.

„Weißt du eigentlich, wie ich mich gefühlt habe, nachdem ich mit dir geschlafen habe?“ Ich sehe ihn abwartend an. Da er nichts sagt, fahre ich fort. „Ich habe mich dreckig gefühlt.“ Sogar unfassbar doll. Ausgenutzt und dreckig. So habe ich mich noch nie gefühlt und so will ich mich nicht mehr fühlen.

Und meine Worte treffen ihn. Glaube ich. Aber versucht einen auf cool zu machen und lässt es sich nicht anmerken.

„Ich bitte dich nur um ein einziges, letztes mal, danach bist du mich los. Danach ist alles wieder...gut.“

„Nein, vergiss es! Jetzt verschwinde!“

„Bitte“ Er kommt näher.

„Wann verstehst du endlich, dass ich das nicht will?“, frage ich.

Er öffnet seinen Mund um etwas zu sagen. Dann schließt er ihn wieder.

„Gehst du jetzt bitte?“, frage ich ruhiger. Er nickt. Bevor er endlich geht, holt er mein Handy aus seiner Hosentasche und legt es zurück auf den Tisch. Ich gehe zur Tür und höre wie er mir folgt.

„Tut mir leid“, meint er. Zum Abschied will er mir einen Kuss auf die Wange geben, jedoch weiche ich einen Schritt zurück und blicke zur Seite. Meine Abweisung überrascht ihn nicht.

„Es nicht nicht meine Schuld, dass du dachtest ich wäre anders.“, sagt er.

„Ich habe kein Interesse daran, weiter mit dir zu diskutieren.“, sage ich. Ich will einfach nur dass er geht und mich in Ruhe lässt, damit ich wieder eine Woche damit verbringen kann, ihn aus meinen Gedanken auszusortieren.

„Ich will dich wieder sehen.“, meint er. Die Worte klingen ehrlich und ich vergesse für einen kleinen Moment meine Wut. Aber als ich ihn ansehe, sehe ich einen Mann, der mit solch Worten jede Frau um den Finger wickeln kann. Das ist der Mann, der mich ausgenutzt und allein gelassen hat.

„Ich will dich aber nicht wieder sehen.“ Er hat mich bereits genug ausgenutzt und seinen Spaß mit mir gehabt.

„Das glaub ich dir nicht.“

„Mir egal, ob du mir nicht glaubst.“ Ich packe ihn an der Hand und zerre ihn nach draußen. Ich kann nur hoffen, dass meine Nachbarn nichts davon mitkriegen.

Ich versuche etwas zu sagen, aber er hält mich davon ab, indem er seinen Mund wieder öffnet und redet.

„Du bist wütend, weil ich nicht bei dir geblieben bin und weil ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Das verstehe ich. Aber was dachtest du, wird danach passieren? Das wir eine Beziehung haben mit kuscheln und all den scheiß?“

Ich verdrehe die Augen. Dass muss ich mir nicht anhören und will es auch nicht. Ich wende mich von ihm ab und marschiere wieder Richtung Haus zurück.

„Du dachtest das wirklich, oder?“, ruft er mir hinterher, und ich ignoriere es einfach, obwohl sich die Wut immer weiter in mir ausbreitet und ich mir wünsche, ihn noch einen heißen Kaffee ins Gesicht zu schütten. „Was erwartest du von mir, Lilith? Blümchen? Vielleicht Rosen? Das ich vor dir auf die Knie gehe, und um Verzeihung bitten, nur weil wir beide andere Dinge im Kopf haben?“

Ich wirbele herum. „Ich erwarte von dir, dass du mich gefälligst in Ruhe lässt!“, zische ich lauter als beabsichtigt und starre ihn wütend ihn. „Du hattest bereits was du wolltest! Es gibt sicherlich genügend andere Frauen, die sich gern von dir ausnutzen lassen, aber zu denen gehöre ich nicht, falls du es immer noch nicht kapiert hast!“

Weil mir was ins Auge fliegt und mein Auge beginnt zu tränen, drehe ich mich weg. Hoffentlich denkt er nicht, ich heule wegen ihm.

„Weinst du jetzt?“, will er verwirrt wissen.

„Nein!“, blaffe ich.

Er macht drei Schritte auf mich zu und ich weiche einen zurück. „Lass mich in Ruhe!“, warne ich ihn und versuche den Schmerz wegzublinzeln.

Er entfernt die Distanz zwischen uns. Dann nimmt er mein Kinn zwischen seine Finger und hebt meinen Kopf an. Als ich mich wehre, sieht er mich tadelnd an. „Ich will nur sehen, was du im Auge hast.“, erklärt er.Widerwillig halte ich still. Er sieht sich mein Auge an und runzelt die Stirn.

„Was?“, will ich wissen.

„Nichts, du hast eine Wimper im Auge. Halt still.“, erwidert er konzentriert und entfernt sie mir vorsichtig. Ich blinzele ein paar mal und es fühlt sich schon viel besser an als vorher. Da er mich nicht loslässt, mich einfach nur anblickt, werde ich unsicher. Wenn er mir so nahe ist, bin ich nicht mehr so mutig, fällt mir auf.

Lass mich los! Die Wimper ist weg, meinem Auge geht es gut. Warum sieht er mich so an?

Er versucht mich zu küssen. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und er lässt mein Kinn los.

„Ist das dein ernst?“, frage ich verärgert. Er muss wirklich glauben, ich lasse mich wieder so schnell um den Finger wickeln. Mache ich wirklich diesen Anschein?

„Ich will mehr als eine Nacht mit dir.“, behauptet er ernst.

„Du willst also eine lockere Affäre mit mir?“, erkundige ich mich. Seine Antwort interessiert mich.

Er zuckt mit den Schultern. „Ich will dich öfter in meiner Nähe haben.“

„Das beantwortet nicht meine Frage.“ Ich gehe einen Schritt zurück, um Abstand zu gewinnen.

„Wenn du es so siehst... ja. Solange ich dich öfter sehen kann.“

„Dafür musst du dir jemand anderes suchen. Dafür bin ich nicht die richtige.“ Ich verschränke die Arme. Solange er mich öfter sehen kann...

„Ich will keine andere. Ich will dich, das habe ich dir schon mal gesagt.“

Auch wenn seine Worte mir gefallen, lautet meine Antwort nach wie vor die gleiche.

„Wie würde das aussehen? Wir treffen uns zum Sex, sehen uns eine Woche nicht, in welcher du mit anderen Frauen ins Bett gehst, bist du wieder Lust auf...“ Er unterbricht mich.

„Darum geht es ja. Ich will keine andere Frau. Ich... das ist mein verdammtes Problem...“

„Was meinst du damit?“

Er presst die Lippen zusammen. Unbehaglich tritt er ebenfalls einen Schritt zurück und kratzt sich am Kopf.

„Ich hab Probleme... mit anderen Frauen. Seit letzter Woche.“

Ich sehe ihn verständnislos an. Was meint er damit, er hat ein Problem mit anderen Frauen?

Etwa das, was ich denke?

„Was meinst du damit?“, hake ich nach, auch wenn ich glaube, die Antwort zu wissen.

„Ich komme nicht in Stimmung.“, sagt er schnell, presst die Lippen fest aufeinander und versucht mich nicht anzusehen. Ist ihm das etwas peinlich?

„Und was hat das mit mir zu tun?“

Er hält kurz inne und atmet einmal tief durch. „Seit ich mit dir gevögelt habe, bekomme ich bei keiner Frau einen hoch.“

Nun halte ich kurz inne. Eigentlich finde ich das ja echt zum lachen, aber dann fühle ich mich beleidigt. „Was soll da denn jetzt heißen? Das ich so schlecht war, dass du...“

Lucifer verdreht die Augen und unterbricht mich.

„Nein, so meine ich das definitiv nicht. Bei dir ist das einfach... anders. So ein Problem hatte ich noch nie.“

Gott, ich sehe ihm an, wie unangenehm das für ihn ist, deshalb verkneife ich mir mein grinsen.

„Tut mir leid für dich, ehrlich, aber das ändert nichts. Ich will nicht nochmal ausgenutzt und weggeworfen werfen. Dafür besitze ich noch genügend Selbstachtung. Unsere Beziehung würde nur aus Sex bestehen und für so etwas, bin ich wirklich nicht die richtige, Lucifer.“

„Was ist an Sex so schlimm? Wir beide hätten unseren Spaß und es muss ja niemand wissen, dass wir nichts ernstes haben. Wir sehen uns so oft wir wollen, können von mir aus diesen ganzen anderen Kram machen, was Paare eben so tun, wie essen gehen. Nur eben bleiben meine Regeln erhalten. Denk wenigstens darüber nach“

„Wirst du gehen, wenn ich dir sage, dass ich darüber nachdenke?“

Er nickt und ich spüre Erleichterung.

„Ich denke darüber nach. Und jetzt geh, bitte.“, sage ich. Natürlich denke ich nicht darüber nach. Meine Entscheidung steht bereits jetzt fest. Ich will nicht zu seinem Spielzeug werden. Aber ich will dass er geht und mich in Ruhe lässt. Das tut er dann auch und ich verschwinde zurück ins Haus. Ich gehe ins Wohnzimmer und versuche auf andere Gedanken zu kommen. Aber jetzt erinnert mich alles an das, was gerade passiert ist und an daran, was er gesagt hat.

Mein Handy klingelt. Ich schrecke aus dem Schlaf und suche mit halboffenen Augen nach meinem Handy. Es liegt unter meinem Kopfkissen und ich hebe schnell ab.

„Ja? Hallo?“ Ich setze mich schnell auf und reibe mir verschlafen die Augen.

„Hast du noch geschlafen?“, fragt mich Mell überrascht.

„Ja, was ist los?“

Ich stelle sie auf Lautsprecher und lege das Hand auf meinen Nachtschrank um mich ausgiebig zu strecken. Als ich auf die Uhr sehe, traue ich meinen Augen nicht. Es ist halb zehn. Ich schlafe nie solang. Und obwohl ich weniger schlaf gewohnt bin, bin ich immer noch müde und könnte mich hinlegen und weiter schlafen.

„Ich ziehe heute zu Taylor und wollte fragen, ob du mir mit den Kartoons helfen kannst? Also nur wenn du Zeit hast. Wenn nicht, ist das nicht schlimm, aber ich würde mich echt freuen. Ich bin einfach so unfassbar aufgeregt, Lily!“, plappert sie aufgeregt vor sich hin und ich schnappe nach Luft.

„Du ziehst mit Taylor zusammen? Ihr kennt euch doch erst zwei Wochen?“

„Ich weiß, dass ist alles so verrückt und es geht so schnell, aber es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen und ich glaube wirklich, dass es das richtige ist. Bitte rede mir das nicht aus“

Die Tatsache, dass sie wirklich denkt, ich würde ihr das ausreden wollen, kränkt mich. Ich habe mich noch nie in ihr Leben eingemischt. Aber ich lasse mir nichts anmerken.

„Wieso sollte ich dir das ausreden? Es ist deine Entscheidung und ich freue mich für dich.“ Das mache ich wirklich, nur bin ich mir nicht sicher, ob das vielleicht nicht doch ein wenig sehr übereilt ist. Aber was weiß ich schon. Ich bin noch nie an diesen Punkt angelangt, wo mein Partner mich fragt, ob ich bei ihm einziehen möchte oder sogar andersherum. Mit Jack war sowieso alles anders. Er war auch anders, als die meisten Männer, die ich kenne. Wieso denke ich schon wieder an ihn? Jack ist Vergangenheit. Ich werde ihn höchstwahrscheinlich nie wieder sehen. Und das ist auch gut so. Er erinnert mich nur zu sehr daran, was ich bereits alles in meinem leben verbockt habe. Wie die zehnte Klasse zu wiederholen, nur um ein Jahr länger in seiner Nähe sein zu können. Er war wütend auf mich, das weiß ich noch. Er hat mir gesagt, dass das nicht richtig ist und ich längst auf dem College sein sollte. Aber insgeheim weiß ich, dass er erleichtert war, sich nicht daran gewöhnen zu müssen, mich nicht mehr jeden Tag zu sehen. Das waren wir beide, aber das wollte keine von uns zugeben. Ich war noch zu jung, fast 17 um genau zu sein. Und er war 29 und was wir hatten, war verboten. Glaube ich. Ich bin mir nicht sicher, denn wir haben nie miteinander geschlafen.

„Danke, also hilfst du mir?“

„Ja, wann soll ich bei dir zu Hause sein?“, frage ich.

„Na ja, wir stehen vor deiner Tür. Brauchst du lange, um dich fertig zu machen?“

Ist das ihr ernst? Sie steht bereits vor meiner Haustür? Ich versuche mir schon wieder nichts anmerken zu lassen.

„Zehn Minuten, bis gleich.“, murmle ich und lege auf, bevor sie noch etwas sagen kann. Mir ist das alles schon wieder viel zu blöd. Ich helfe ihr gern, wenn sie Hilfe braucht, selbst bei einem Umzug, der sehr überstürzt kommt. Aber ich kann es nicht ausstehen, so überrumpelt zu werden. Vor allem am frühen morgen. Ich habe nicht mal Zeit, mir einen Kaffee zu machen und etwas zu essen. Ich stehe auf und hole mir eine hässliche, alte, verwaschene Jeans aus dem Schrank und ein weißes Shirt, dass bereits ein Loch hat und deshalb eingesaut werden darf. Das gleiche gilt für die hässliche Jeans. Ich wechsle schnell meine Unterwäsche, entscheide mich wie immer für etwas gemütliches. Heute ist es ein Sport BH und ein normaler schwarzer Slip. Ich gehe nebenan ins Badezimmer und putze mir schnell die Zähne. Meine Zahnpasta ist bald leer. Wenn wir nachher fertig sind, muss ich nochmal schnell in die Drogerie um mir neue zu holen. Dann kann ich mir auch Zopfhalter holen, denn ich besitze nur noch zwei. Vor einen Monat waren es noch sieben, aber weil meine Haare so dick und lockig sind, gehen sie so schnell kaputt.

Als ich auf die Uhr sehe, sind die zehn Minuten bereits um, aber das ist mir egal. Ich wasche mir schnell mein Gesicht und creme es ein, wie fast jeden morgen. Dann tusche ich mir meine Wimpern mit etwas Mascara und trage etwas von Mamas Rouge auf, um nicht so blass auszusehen. Jetzt sehe ich wenigstens wieder wie ein Mensch aus, stelle ich fest, als ich in den Spiegel blicke. Trotzdem sieht man mir noch an, dass ich gerade erst aufgestanden bin, aber das ist ja egal.

Unten in der Küche schnappe ich meine Tasche und werfe mein Handy einfach hinein. Kurz bevor ich gehe, sehe ich nach, ob meine Geldbörse drin ist und ob ich meine Hausschlüssel habe. Dabei bemerke ich einen kleinen Zettel. Darauf ist der Code für den Fahrstuhl, um in mein Apartment in Manhattan zu gelangen. Besser gesagt, Lucifer seines. Ich ziehe dort nicht ein.

„Wieso hat das solange gedauert?“, fragt sie, während sie an der Wand lehnt und auf ihr Handy starrt.

„Tut mir leid“, erwidere ich und starre zum weißen Audi, der vor der Einfahrt steht. „Ist das deiner?“, frage ich beeindruckt, aber dann sieht erst mich verwirrt an, dann zum Auto.

„Was? Der Audi? Nein, der gehört Lucifer. Er hat mir letztens in der Bar seine Nummer gegeben, falls irgendwas sein sollte, damit ich ihn anrufen kann. Er hilft uns heute. Ich hoffe doch, du hast nichts dagegen?“ Sie knabbert an ihrer Unterlippe und schenkt mir ein Lächeln. Er hat ihr seine Nummer gegeben, falls etwas sein könnte?! Ungläubig sehe ich zum Wagen. Keiner sitzt drin. Will sie mich verarschen?

Nein, natürlich will sie das nicht. Sobald ich einen Schritt vorwärts mache, taucht Lucifer in meinen Augenwinkeln auf und er telefoniert. Er läuft gerade zurück zum Auto und legt auf.

„Wieso hast du mich nicht erst gefragt?“, frage ich verärgert und sehe sie an.

„Wollte ich ja erst, aber er meinte, du hättest mit Sicherheit nichts dagegen.“

Natürlich meint er das. Meinen, ist nicht wissen, würde ich gern sagen, aber lasse es lieber bleiben.

Mell steigt hinten in den Wagen und ich stehe immer noch vor meiner Tür mit verschränkten Armen. Er kommt zu mir mit einem grinsen im Gesicht.

„Hast du schon darüber nachgedacht?“, will er wissen.

„Wieso hast du Mell deine Nummer gegeben?“, fahre ich ihn an.

Seine Schultern zucken. „Falls irgendetwas mit dir sein sollte.“

„Tu nicht so, als würdest du dich um mich sorgen!“

„Das tue ich nicht. Du bist erwachsen, du weißt natürlich, wie man auf sich selbst aufpasst. Jetzt komm, wir müssen unserer Freundin bei ihrem Umzug helfen.“

„Dann verstehe ich nicht, wieso du ihr deine Nummer gegeben hast.“, sage ich.

„Du brauchst nicht eifersüchtig sein. Sie ist zwar ganz hübsch, aber eine noch größere Nervensäge als du. Und sie redet viel zu viel.“

„Und du bist ein schwanzgesteuertes Arschloch.“, sage ich aus versehen laut und gehe zum Auto. Er kommt mir hinterher.

„Zur Zeit bin ich brav.“ Er zwinkert mir zu und hält mir die Autotür auf. Ich halte mich an der Tür fest, bevor ich einsteige und sehe ihn an. „Ach stimmt ja, deine Erektionsprobleme.“ Ich lächle ihn zuckersüß an. Ehe ich einsteige, hält er meine Hand an der Autotür fest und kommt einen Schritt näher.

„Nicht in deiner Nähe“, raunt er sinnlich und lässt mich dann los.

Als ich drin sitze, beginnen meine Wangen zu brennen und er wirft die Tür zu.

„Hab ich mich da gerade verhört?“, will Mell wissen, bevor Lucifer einsteigt.

„Ich will nicht darüber reden. Nicht jetzt.“, warne ich sie und da steigt er auch schon ein und wir fahren los.
 

Zwei Stunde später hocke ich in irgendeiner Ecke in Mells Wohnung und sehe dabei zu, wie sie ihre Bücher, die sie einfach nur als Dekor benutzt, in einen Umzugskarton räumt. Ich bin gerade damit fertig geworden, ihr ganzes Geschirr in Zeitungspapier zu wickeln und dann vorsichtig in die Kartons zu legen. Mein Bauch knurrt und ich brauche Kaffee. Lucifer und Taylor sind nicht zu sehen und ich hoffe, was auch immer sie gerade machen, dass es noch lange dauert.

„Wieso ist Mike nicht hier und hilft mit?“, frage ich Mell. Sie neigt ihren Kopf in meine Richtung und sieht mich an.

„Ich hatte das Gefühl, dass Lucifer und er sich nicht wirklich mögen. Das musst du doch auch gemerkt haben“

Klar habe ich das gemerkt, aber Mike ist auch ihr Freund, deshalb halte ich es für Fragwürdig, dass sie statt ihn, lieber Lucifer hier haben will.

„Aha“, erwidere ich leise, bevor ich aufstehe und gucke, was ich als nächstes tun kann. Ich fange einfach an die Schränke auszuräumen.

„Du kannst mir ruhig sagen, wenn du ihn meinetwegen eingeladen hast.“

Sie sagt nichts, aber ich kann sehen, dass sie leicht schmunzelt und sich schnell wegdreht um das letzte Buch aus dem Regal zu nehmen und es durchzublättern.

„Wie kommst du darauf?“, fragt sie.

„Ich kenne dich.“, erwidere ich und sehe sie an. Sie lächelt und ich kann nicht sauer auf sie sein.

„Was war das vorhin im Auto? Erektionsstörungen?“, will ich wissen und lacht kurz.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr alles erzählen soll, aber ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann also beschließe ich, ihr einfach alles zu erzählen. Ich lasse eben nur aus, wer er wirklich ist und woher er mich kennt. Ich erzähle ihr, dass ich ihn vor fast vier Wochen, was ebenfalls nicht stimmt, in einem Coffeshop begegnet bin und nicht genug Kleingeld dabei hatte, weshalb er mir meinen Kaffee und Jones seinen bezahlt hat. Daraufhin haben wir angefangen zu reden und er hat mich zum essen eingeladen. Dann erzähle ich, was nach dem Date passiert ist, als er sich ausgezogen hat und ich seine Sachen mitgenommen habe. Als ich das erzähle, fängt sie an zu lachen und mittlerweile finde ich das auch ziemlich witzig. Natürlich sage ich ihr auch, dass er mir ein Apartment in Manhattan geschenkt hat, welches ich nicht angenommen habe. Sie versucht mir kurz einzureden, wie blöd ich doch sei und was sie alles tun würde, um in der Upper East Side leben zu können. Nachdem sie damit fertig ist, fahre ich fort.

Ich erzähle ihr sogar, dass ich letzte Woche mit ihm geschlafen habe und er danach einfach gegangen ist und sich bis gestern nicht mehr gemeldet hat. Aber ich erzähle ihr nicht von seinem Angebot, über welches ich nachdenken soll. Aber was ich ihr auch erzähle, ist die Sache mit seinem... kleinen Problem, dass er hat. Nur Mell schafft es, es süß zu finden, dass er anscheinend mit keiner anderen Frau mehr schlafen kann. Und wenn ich schon dabei bin, sage ich ihr auch, dass ich es nicht besonders toll finde, dass er hier ist. Sie entschuldigt sich dafür, aber ich bin ihr längst nicht mehr böse.

„Dreckiges Arschloch!“, flucht sie und es klopft an der Tür. Ich hoffe es ist ist Taylor und nicht Lucifer. Aber natürlich ist er es. Wenn man vom Teufel spricht...

„Ich habe meinen Namen gehört“ Lucifer lächelt und ich verdrehe die Augen. Sein lächeln wird wieder zu diesem grinsen, welches ich so hasse, aber es lässt ihn so verdammt gut aussehen. Er sieht auch ohne dem grinsen verdammt gut aus, aber dieses grinsen passt einfach perfekt zu ihm. Ich drehe mich weg und blättere in irgendwelche Papiere rum, die mich eigentlich nichts angehen, aber ich lese mir nichts davon durch.

„Kann sein. Wir haben gerade über dich geredet.“

„Ach wirklich? Ich hoffe doch, es wurde nur gutes über mich gesagt“

Ich verkneife mir eine sarkastische Bemerkung und auch Mell sagt nichts mehr. Wahrscheinlich sieht sie ihn jetzt mit anderen Augen.

„Wie weit seid ihr?“, fragt er, als keiner von uns beiden etwas erwidert.

„Fast fertig.“, sage ich und lege den Stapel Papiere in den Karton. Dabei bücke ich mich und neige den Kopf, um zu gucken, wo Lucifer ist. Er steht bei Melanie, hat ein Buch in der Hand, welches er sich mit Sicherheit aus dem Karton genommen hat und starrt mir auf den Hintern. Ich richte mich schnell wieder auf und werfe ihm einen finsteren Blick zu. Daraufhin zuckt er mit den Schultern und legt das Buch zurück.

Ich widme mich wieder der Kommode und räume die restlichen Dinge in den Karton, bis Lucifer irgendwann hinter mir steht und über meine Hüfte streicht.

„Hast du schon darüber nachgedacht?“, fragt er leise, damit Melanie uns nicht hören kann.

„Nein“

„Nein was?“, will er wissen.

„Nein, ich habe noch nicht darüber nachgedacht.“

Er sagt eine Weile nichts, aber ich merke, dass er sich kurz umdreht, um nach Mell zu sehen, dann drückt er sich etwas an mich und ich wehre mich nicht einmal dagegen.

„Dann denk jetzt darüber nach. Ich halte das nämlich nicht aus.“, seufzt er leise und ich schüttle den Kopf.

„Jetzt habe ich keine Zeit dafür. Falls du es noch nicht mitbekommen hast, ich bin beschäftigt. Hast du eigentlich nichts zu tun?“

Auch wenn ich gleich fertig bin. Danach ist das Badezimmer dran und dann können die Männer die Kartons nach unten bringen und ich gehe nach Hause, esse endlich etwas und trinke einen Kaffee um wach zu werden.

„Dieser Taylor nervt. Er redet die ganze Zeit nur von Isabelle.“

„Isabelle?“, frage ich nach.

„Die blonde hinter uns.“

Ich stoße ihm meinen Ellenbogen in den Bauch, aber es scheint ihm nichts auszumachen.

„Ihr Name ist Mell du Vollidiot“

„Vollidiot?“, lacht er leise und dann schließt er die leere Kommode und lehnt sich an ihr.

Ich nicke. „Ja, Vollidiot. Du bist ein Vollidiot und jetzt lass mich in Ruhe.“

„Ich kann nichts dafür, dass ich schlecht darin bin, mir Namen zu merken. Wie heißt du nochmal? Tara?“, neckt er mich und ich verdrehe meine Augen, gehe weg von ihm, weil er mich nervt.

„Nein, warte, dein Name war Leila, richtig?“

„Halt die Klappe“, rufe ich ihm zu und Mell sieht mir hinterher, als ich den Raum verlasse um ins Badezimmer zu gehen.

Ich vernehme Schritte, die mir folgen, drehe mich aber nicht um, weil ich mir denken kann, dass es Lucifer ist. Dafür dass er keiner Frauen hinterherrennt, folgt er mir wirklich unfassbar oft. Das beunruhigt und schmeichelt mir gleichermaßen.

Im Badezimmer ist bereits alles eingeräumt. Ich habe also nichts mehr zu tun. Und jetzt bin ich allein mit ihm. Vielleicht ist im Schlafzimmer noch irgendwas, was ich tun kann. Wenn nicht, ist es Zeit für mich zu gehen.

„Wieso folgst du mir?“, frage ich Lucifer auf dem Weg zum Schlafzimmer.

„Mir ist langweilig“

„Und du glaubst, eine so langweilige Person wie ich, könnte das ändern?“

Im Schafzimmer ist ebenfalls alles zusammen gepackt, abgesehen davon, dass das Bett noch steht. Ich fange an die Bettwäsche abzuziehen.

„Das wirst du mir ewig vorhalten, oder?“

Ja, vermutlich werde ich das. Und es macht mir sogar ein wenig Spaß.

„Wer weiß“, erwidere ich. Lucifer geht zum offenen Fenster hinüber und sieht hinaus. Er streift sich seine Lederjacke ab und wirft sie auf den kleinen Sessel neben dem Bett. Er trägt ein rotes Shirt. Es sitzt eng an seinen durchtrainierten Körper und zeigt seine breiten Oberarme. Er sieht gut darin aus- sogar mehr als gut. In diesem roten Shirt, gefällt er mir sogar noch mehr, als in seinem dunkelblauen Pullover. Nachdem ich ihn eine Weile angestarrt habe, beginne ich zögerlich die Kissenbezüge zusammenzulegen.

„Wieso bist du nicht aufs College gegangen?“

„Woher weißt du das?“, frage ich.

„Du hast es mir erzählt, falls du dich erinnern kannst.“

Stimmt. Das war am Abend, als er mich nach Hause gefahren hat und mehr über mich erfahren wollte. Kommt mir vor, als wäre das eine halbe Ewigkeit her.

„Ich wurde nicht angenommen, also habe ich es nicht weiter probiert.“, schwindle ich. Er dreht sich zu mir um.

„Ich merke, wenn du lügst.“

Natürlich merkt er das.Ich bin eine schlechte Lügnerin. Das war ich schon immer.

„Ich möchte nicht darüber reden.“ Ich habe heute bereits genug Zeit damit verbracht, an meine Fehler zu denken. Ich wäre gern aufs College gegangen. Ich hatte auch eine zusage, aber dann war da Jack und ich habe einfach absichtlich die Prüfungen verhauen. Jack war der größter Fehler, den ich je begannen habe. Wenn ich eine Sache aus meinem Leben rückgängig machen könnte, dann wäre es Jack.

„Ich will dir auch ein Paar Fragen stellen“ Ich will einfach nur das Thema wechseln und auf andere Gedanken kommen.

„Solange sie nichts mit meiner...“

„Sie haben nichts mit deiner Vergangenheit zu tun. Keine Sorge.“, versichere ich ihn und er nickt, lehnt sich gegen das Fensterbrett und verschränkt die Arme. Dabei sieht er unwiderstehlich aus. Ich wende schnell den Blick ab und widme mich dem anderen Kissen.

„Wie läuft es mit den Drogengeschäften?“, frage ich frei heraus und erwarte, dass er mich fragt, wie ich darauf komme, dass er Drogengeschäfte am laufen hat. Aber nein. So kommt es nicht. Er ist völlig unbeeindruckt von meiner Frage.

„Ganz gut“, antwortet er. Ich muss mich beherrschen, ihn nicht mit geweiteten Augen überrascht anzublicken. Aber mein Mund steht kurz offen.

„Also stimmt es? Du verkaufst Drogen?“, frage ich entsetzt, und er schüttelt den Kopf.

„Na ja, ich persönlich verkaufe sie nicht. Das machen andere für mich.“ Er klingt so locker, als er das sagt. Als wäre es so normal, wie ein Job im Büro.

„O Gott“, sage ich und höre sofort auf, mit dem, was ich die ganze Zeit gemacht habe. „Sag nicht, du machst auch noch illegale Waffengeschäfte? Nimmst du auch Drogen? Wirken die überhaupt bei dir?“ Die Fragen sprudeln einfach so aus mir heraus. Schnell und viel zu laut. Er schließt die Tür und ich bin allein mit ihm. Ganz allein. Das war ich zwar vorher auch schon, aber die offene Tür war mein Ausweg. Gleich nebenan sind Mell und Taylor. O Gott, ich hoffe sie haben uns nicht gehört. Nein, ich hoffe sie haben mich nicht gehört.

„Beruhige dich“, sagt er und kommt zu mir. Ich weiche zurück.

„Nicht anfassen!“, warne ich ihn. Er nickt und entfernt sich einen Schritt von mir, um mir Platz zu lassen.

„Waffengeschäfte nein. Ich steh nicht so auf Schusswaffen. Ab und zu habe ich Drogen genommen, aber zur Zeit nicht mehr. Und ja, sie wirken bei mir. Genauso wie Alkohol. Nur brauche ich immer ein bisschen... mehr davon.“, klärt er mich auf. Keine Ahnung, was ich davon halten soll.

„Ich hoffe, dass beeinflusst nicht deine Entscheidung. Du wolltest sicherlich eine ehrliche Antwort.“

Mein Entscheidung? Meine Entscheidung steht schon seit gestern fest... auch wenn ich ab zu über die Pros und Contras nachgedacht habe. Es gab mehr Contras, als Pros. Und jetzt kommen noch mehr Contras dazu!

„Meine Entscheidung stand bereits gestern fest: Nein!“ Ich stemme meine Hände in die Hüften und weiche seinen Blick aus. Er streckt eine Hand nach mir aus, die ich nicht beachte. Also lässt er sie wieder sinken.

„Die Drogengeschäfte sind nur ein kleiner Nebenverdienst. Nichts großes. Vertrau mir“

„Die Drogengeschäfte sind nicht das Problem“, entgegne ich barsch. „Ich will das einfach nicht“, fahre ich fort und blicke ihm entgegen. Seine Miene ist undurchschaubar. Ich weiß nicht ob er wütend, traurig oder glücklich ist. Vermutlich nichts von dem. Ich lehne mich gegen die Wand und fummle an meinen Pferdeschwanz herum.

„Du hast gesagt, dass du mich willst.“ Jetzt ist seine Miene steinhart.

„Ja, ich weiß was ich gesagt habe. Aber das ist falsch!“, versuche ich ihn zu erklären, doch davon will er nichts hören.

„Wer bestimmt, was richtig und was falsch ist? Du etwa? Hat es sich wirklich so falsch angefüllt, als du auf meinem Schoß saßt und wir gevögelt haben? Oder hat es sich falsch angefühlt, als du betrunken mit mir rumgemacht hast?“ Seine Stimme ist jetzt lauter.

„I-ich weiß es nicht“ Ich bin verwirrt. Es hat sich im Nachhinein falsch angefühlt, aber nicht währenddessen. Ob das anders wäre, wenn ich auf ihn eingehe? Ob es sich immer richtig anfühlen würde? Er verwirrt mich immer. Wie macht er das bloß? Wieso werde ich in seiner Nähe immer so schwach?

Er stützt sich mit einer Hand an der Wand ab. Direkt neben meinen Kopf.

„Ich wollte noch nie jemanden so sehr, wie ich dich will.“

„Weil du weißt, dass du mich nicht haben kannst.“ Meine Stimme ist leise, damit uns niemand hört. Obwohl Mell und Taylor uns sicher schon gehört haben müssen.

„Du gehörst bereits mir.“, säuselt er. „Das mit uns beiden fühlt sich gut an. Du fühlst dich gut an“

Er berührt meine Taille. Nur ganz vorsichtig. Aber mir stockt es trotzdem den Atem. Er verharrt mit seiner Hand an dieser Stelle. Er versucht mich nicht so zu bedrängen, wie er es sonst immer macht. Dieses mal bittet er mich stumm um Erlaubnis. Ich ertappe mich dabei, wie ich meine Hand an seinen Hals lege.

„Nein, ich gehöre dir nicht.“, widerspreche ich ihn. Bevor er etwas einwenden kann, spreche ich weiter, „Versprich mir, mich nirgendwo mit hineinzuziehen.“, fordere ich.

Seine Augen weiten sich kaum merklich. Erleichterung ist ihm ins Gesicht geschrieben.

Das ist noch kein ja, will ich sagen, lasse es dann aber bleiben.

„Ich verspreche es.“, versichert er mir.

Er lächelt und ich lächle zögernd zurück, als es an der Tür klopft und sie aufgeht. Lucifer löst sich aber nicht von mir.

„Kannst du mir mal kurz behilflich sein, Bro?“, fragt Taylor.

„Ich bin gleich da.“, erwidert Lucifer und Taylor geht wieder. Er lacht amüsiert.

„Hat er mich gerade Bro genannt?“ Er schüttelt mit den Kopf und löst sich von mir.

Ich sitze wieder im Wohnzimmer und ruhe mich etwas aus. Ich bin müde und hungrig. Und ich frage mich, wo die anderen sind. Aber eigentlich interessiert mich das im Moment nicht. Ich will bloß für einen kurzen Moment meine Ruhe haben.

Nach ungefähr zehn Minuten war es das auch schon mit der Ruhe. Lucifer kommt ins Wohnzimmer und lässt sich ebenfalls auf der alten Couch nieder.

„War das vorhin ein Ja?“, bricht er die Stille und ich sehe ihn an.

„Nein“, erwidere ich.

„Wieso sollte ich dir dann versprechen, dich nicht in meine Geschäfte hineinzuziehen?“

„Das war ein vielleicht“, sage ich und er grinst, sieht mich ebenfalls an.

„Was muss ich tun, damit aus dem vielleicht ein Ja wird?“

Aufhören, so ein arroganter Idiot zu sein.

Wahrscheinlich könnte ich ihn genauso darum bitten, mir einen Stern vom Himmel zu holen. Beides wäre für ihn sicherlich unmöglich. Ein leichtes grinsen schleicht sich in mein Gesicht.

„Was?“, will er wissen.

„Nichts, schon gut. Keine Ahnung. Du könntest versuchen nett zu sein.“, schlage ich vor. Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin immer nett“

Ich lache leise. Seinem Blick nach zu urteilen, meint er das vollkommen ernst. Er merkt anscheinend gar nicht, was für ein Arschloch er manchmal ist.

„Nein, bist du nicht. Jedenfalls nicht zu mir. Und hör auf, mich ständig zu bedrängen.“

„Du willst also, dass ich zu einem braven Schoßhündchen werde? Wie dieser Typ, mit dem du befreundet bist?“

„Mike?“, frage ich nach und er nickt. „Mike ist kein... Schoßhündchen. Zu Frauen ist er ebenfalls ein Arschloch. Genauso wie du.“

„Ich dachte er ist dein Freund?“

„Ist er auch...“, sage ich und öffne meinen Pferdeschwanz. Er beobachtet mich aufmerksam.

„Wenn er ein Freund wäre, hätte er nicht versucht, über dich herzufallen.“ Lucifer presst die Lippen zusammen. Ich suche nach Entschuldigungen, für diesen Abend und was dort passiert ist.

„Er hatte zu viel getrunken.“, entgegne ich leise.

„Das ist keine Entschuldigung“, widerspricht er. Natürlich ist das keine Entschuldigung. Jedenfalls keine richtige. Aber ich bin mir sicher, dass es einfach nur am Alkohol lag.

„Ist doch jetzt völlig egal. Wo sind die anderen?“

„Unten, glaub ich.“

Ehe ich aufstehen kann, hält er mich fest.

„Was?“, frage ich ungeduldig.

„Ich will, dass du endlich in das Apartment ziehst.“

Ich verdrehe sofort die Augen, als er wieder damit anfängt und stehe auf. Er macht es mir gleich und schneidet mir den Weg ab.

„Wieso bist du so stur?“, will er wissen.

„Wieso bist du so aufdringlich?“, entgegne ich.

„Wäre ich nicht so aufdringlich, würde zwischen uns vieles anders sein.“

„Und wäre ich nicht so stur, wäre ich einfach nur leicht zu haben. Jetzt lass mich durch, bitte.“

Ich versuche ihn erfolglos wegzuschieben. Langsam bin ich echt genervt von ihm.

„Wir sollten die beiden unten in Ruhe lassen“, sagt er, nimmt mein Handgelenk und zieht mich mit sich zurück auf die Couch. Will er mir damit sagen, dass die beiden gerade...?

„Willst du mir damit sagen, dass die beiden da unten...?“ Er nickt bereits, bevor ich weiter rede.

„Ernsthaft?“, frage ich und sinke nach hinten. Er schmunzelt belustigt. War klar, dass er das witzig findet.

„Ist die Vorstellung, zehn Minuten mit mir allein zu sein, denn so zum weglaufen?“, fragt er amüsiert, und ich verdrehe die Augen. Die Vorstellung, zehn Minuten mit ihm hier oben allein zu sein, macht mich ein wenig nervös. Nicht mehr so nervös, wie vor einer Woche, aber nervös genug, um keine Antwort auf seine Frage zu haben.

„Darf ich dir ein Kompliment machen?“, fragt er aus dem nichts und verwirrt mich. Ich sehe ihn fragend an und er lächelt. „Ich frage extra nach, weil ich nicht aufdringlich wirken möchte.“

„Was denn?“, will ich wissen. Ich bin schon ein wenig neugierig.

„Du hast schöne Augen“, sagt er und berührt meine Wange. Eine zärtliche und sogar etwas zurückhaltende Berührung. Mit so etwas habe ich nun gar nicht gerechnet. Vor allem nicht von ihm und diesem Moment. Aber das gehört sicher zu seinem Spiel. So was sagt er bestimmt zu jeder Frau.

„Du weißt, wie man Frauen um den Finger wickelt. Das zieht bei mir nicht.“

„Ich kann jede Frau um den Finger wickeln, nur dich nicht. Woran liegt das?“, fragt er voller Neugier und rückt ein Stück näher.

„Ich besitze Selbstbeherschung, Lucifer. Und stolz. Du suchst dir nur eben immer die Frauen aus, die sich gern leicht um den Finger wickeln lassen. Dazu gehöre ich nicht.“

„Sag doch gleich, dass du dich gern erobern lässt.“

„Ich lasse mich gern erobern, wie fast jede Frau.“, gebe ich zu. Das ist kein Geheimnis. Die meisten Frauen, die ich kenne, lassen sich gern erobern. Ich mag es einfach, wenn ein Mann sich um mich bemüht und ich kann es nicht leiden, wenn man mich als selbstverständlich ansieht. Welche Frau mag das schon? Ich kenne keine.

„Nicht die Frauen die ich kenne. Die meisten lassen ihre Höschen runter, sobald ich mit den Finger schnipse.“

„Und du willst, dass ich so eine Frau bin?“

Jetzt schüttelt er hastig den Kopf. „Nein, auf keinen Fall. Wärst du wie die Frauen, wärst du für mich nicht mehr so interessant.“

„Aha“, erwidere ich bloß. Hätte ich mich sofort auf ihn eingelassen, wären wir jetzt nicht hier. Aus irgendeinen Grund bin ich sogar froh darüber, mir will bloß nicht einfallen, wieso ich so fühle. Alles wäre viel einfacher ohne ihn.

„Bist du sauer?“, fragt er leise. Ich schüttle den Kopf. „Gut“, meint er ruhig und beugt sich zu mir rüber. Ich tue es ihm gleich und wir küssen uns. Ich weiß nicht wieso ich das tue, aber ich will es einfach. Ganz kurz will ich einfach nicht daran denken, wie viele Frauen er schon gehabt haben muss. Ich versuche nur daran zu denken, dass ich gerade die einzige bin, die zur Zeit interessant für ihn ist. Zur Zeit.

Selbst wenn es nur für einen kurzen Moment ist, vielleicht ein paar Tage oder wenige Wochen, versuche ich es im Moment zu genießen, von jemanden gewollt zu werden. So richtig gewollt zu werden.

Ich öffne meine Lippen einen Spalt und er lässt sofort seine Zunge in meinen Mund gleiten. Seine Zunge streicht sanft über meine, während ich meine Hände um sein Gesicht lege und er mich, mit den Händen an meinen Hüften, auf seinen Schoß dirigiert. Mein ganzer Körper fängt Feuer und als seine kalte Hand unter mein Shirt gleitet, zucke ich zusammen. Sofort hört er auf, und sieht mich an.

„Alles ok?“, will er wissen und ich nicke sofort und ziemlich schnell.

„Deine Hände sind bloß kalt“, erkläre ich.

„Tut mir leid“ Er lächelt und will mich erneut küssen. Aber es reicht nur noch für einen kleinen Kuss, denn die Wohnzimmertür geht auf und Mell und Taylor stehen am Türrahmen. Lucifer seufzt und ich klettere schnell von seinem Schoß herunter.

Mells Lippen formen sich zu einem lautlosen „Oh“ und Taylor wirft Lucifer einen entschuldigenden Blick zu.

„Wenn ihr dann fertig seid... mit dem da, sagt Bescheid. Wir wollten nämlich los.“ Grinsend dreht Mell sich wieder um und schiebt Taylor weg, bis sie aus unserem Blickfeld verschwinden.

Die beiden sahen gerade nicht so aus, als hätten sie unten ihren Spaß gehabt. Es sah eher so aus, als hätte Taylor mit Lucifer abgesprochen, dass sie nicht nach oben kommen. Das würde seinen entschuldigenden Blick erklären, welchen er Lucifer zugeworfen hat.

Ich sehe zu Lucifer und er sieht mich ebenfalls an. Er weiß, dass ich es weiß.

„Du bist ein Vollidiot“, wiederhole ich meine Worte von vorhin und stehe auf. Ich bin nicht wütend, aber ich werde ihn sicherlich nicht um den Hals fallen, dafür, dass er Taylor dazu gebracht hat, Mell zu beschäftigen, damit er und ich allein sind.

„Komm her“, bittet er mich.

„Die anderen wollen los und ich will nach Hause.“

„Dann lass mich dich wenigstens nach Hause fahren.“

„Von mir aus“, sage ich und er sieht mich ungläubig an.

„Wirklich?“, fragt er. Ich verdrehe die Augen und nicke. Spreche ich spanisch?
 

Ich verabschiede mich schnell von Mell und Taylor.

„Wollt ihr nicht mitkommen? Wir wollten noch essen gehen“, fragt mich Mell. Lucifer steht bereits am Auto und Taylor unterhält sich noch mit ihm. Sein Lächeln sieht etwas gespielt aus. Er sieht zu mir rüber und ich wende den Blick schnell wieder ab.

„Nein, ich will nach Hause. Und ich stehe nicht so auf Doppeldates.“

„Verstehe, ihr wollt allein sein“ Sie zwinkert mir zu und verpasst mir einen Klaps auf den Oberarm.

„Nein! So war das nicht gemeint... Ich will nach Hause und was er danach macht, weiß ich nicht.“, sage ich schnell und drehe mich kurz um, um sicher zu gehen, dass die beiden weit weg sind und uns nicht hören.

„Auch wenn er ein Arsch ist... Ein bisschen Spaß schadet doch niemanden? Vielleicht kommst du dann endlich mal aus dir heraus.“

„Ich gehe jetzt. Wir sehen uns.“ Ich umarme sie noch kurz und gehe dann zum Auto. Taylor winkt uns beiden noch zu und ich steige schon ein. Als auch endlich Lucifer einsteigt, seufzt er genervt.

„Was ist?“, frage ich.

„Der nervt“

„Wer? Taylor? Wieso redest du dann mit ihm?“, will ich wissen. Mir ist natürlich schon aufgefallen, dass Lucifer ihn nicht wirklich mag. Das war nicht zu übersehen. Für mich jedenfalls nicht. Mell und Taylor selbst, sehen das natürlich nicht.

„Weil er mich ständig anquatscht. Er redet immer über Football und den ganzen quatsch. Hat er nichts besseres zu tun?“

Während ich ihm zuhöre, wie er sich weiter unnötig über Taylor aufregt, beobachte ich wie seine Lippen sich dabei bewegen. Ich kenne keinen Mann, der so schöne Lippen hat wie er.

Als es plötzlich still im Auto ist und er mich abwartend ansieht, wende ich meinen Blick geradeaus.

„Du bist ein Arschloch“, fällt mir bloß dazu ein. „Ich finde Taylor... er ist ein ruhiger, netter Typ“

„Ruhig? Er ist langweilig und nervig.“

Ich schürze die Lippen. „Also so wie ich?“

Er sieht mich kurz an. „Du bist auf eine angenehme Art nervig.“, sagt er. „Und du bist süß, wenn du schmollst.“, meint er. Ich versuche das Gefühl in mir zu ignorieren, als er mich süß nennt.

Ich richte den Blick sofort wieder nach vorn. „Wie kann man auf eine angenehme Art nervig sein?“

Bei meiner Frage, zuckt er mit den Schultern. „Du bist es eben. Willst du noch was essen?“

Ich überlege nein zu sagen, aber dafür habe ich viel zu großen Hunger. Also nicke ich bloß.

Ich spüre, dass er mich ansieht, aber ich schaue weiterhin aus dem Seitenfenster.

„Danach holen wir ein paar Sachen bei dir zu Hause ab.“, bricht er die kurze Stille im Auto.

„Sachen wofür?“

„Das Apartment. Sachen eben. Handy, Ladekabel, Laptop, was auch immer du dort brauchst.“

Ich seufze. „Von mir aus“ Das könnte meine neue Standard Antwort sein. So verhindere ich wenigstens Diskussionen, die ich nicht führen möchte. Ich weiß nur nicht, wie ich das meinen Eltern sage. Die werden entweder ausflippen und mich mit fragen überhäufen oder sie werden sich freuen und mich dann mit fragen überhäufen.

„Wollen wir das jetzt machen oder willst du erst etwas essen?“, fragt er sanft. Vorsichtig legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel.

„Erst nach Hause. Ich will mich umziehen.“

Daraufhin wendet er nichts ein.
 

Den Rest der Fahrt streiten wir nochmal kurz wegen dem Radio, aber am Ende gibt er auf und schaltet es selbst an.

Als wir da sind, bitte ich ihn im Auto zu warten, steige aus und mache mich auf dem Weg zum Haus. Vor der Tür suche ich meinen Schlüssel und stecke ihn bereits ins Schloss hinein, ohne ihn umzudrehen, denn ich höre, wie eine Fahrertür geöffnet und wieder geschlossen wird. Als ich mich umdrehe, steht Lucifer nicht mal einen Meter von mir entfernt.

„Ich sagte doch, du sollst im Auto warten“

„Vielleicht brauchst du Hilfe beim tragen“, meint er und stellt sich mit an die Tür.

„Ich brauche keine Hilfe. Jetzt geh, ich bin in fünf Minuten wieder da!“, befehle ich und warte, dass er zurück zum Auto geht. Aber das macht er nicht.

„Mir ist langweilig“

„Dann fahre eine Runde um den Block!“

„Bin ich dir etwa peinlich?“, fragt er amüsiert und steckt sich die Hände in den Hosentaschen.

„Was?-“ Bevor ich weiter reden kann, öffnet sich die Tür abrupt und ich falle nach vorn, aber Lucifer reagiert schnell und hält mich fest.

„Lilih?“

Es ist meine Mutter. Scheiße

Als ich wieder aufrecht stehe, lässt Lucifer mich los und ich klopfe mir den Staub von den Sachen. Welchen Staub verdammt?

„Bist du betrunken?“, fragt sie mich besorgt und mit strenge im Unterton.

„Was? Nein! Du hast nur so schnell die Tür aufgemacht“, erkläre ich, aber sie hört mir gar nicht zu, weil Lucifer viel interessanter ist, als ich im Moment.

„Oh, Louis, richtig?“

Lucifer nickt und lächelt charmant und ausgesprochen freundlich. Er kann sogar meine Mutter um den Finger wickeln!

Meine Mum reicht ihm die Hand und bevor Lucifer ihr wieder diesen dummes Handrücken Kuss gibt, stupse ich ihn unauffällig in die Seite. Natürlich ignoriert er das und macht das, was er eben immer tut. Frauen um den Finger wickeln.

„Ich bin Martha, kommt rein. Es ist frisch draußen“

Ich sehe Lucifer an und versuche ihn zu signalisieren, dass er sofort verschwinden soll, aber er lächelt, legt einen Arm um mich und schiebt mich ins Haus.

„Wo ist Dad?“, frage ich und folge meiner Mum in die Küche. Es riecht nach essen und mein Magen beginnt zu knurren. Sie hat Hähnchen und Salat gemacht.

„Arbeiten. Er hat Spätschicht. Das Abendessen ist gleich fertig. Wollen Sie mitessen, Louis?“

„Wir wollten eigentlich gleich wieder los.“, erkläre ich schnell, bevor Lucifer ja sagt.

„Wo wollt ihr denn hin?“

„Ich habe eine Wohnung... gefunden und wollte ein paar Sachen abholen. Eigentlich wollte ich dir das in Ruhe erklären, aber...“ Ich werfe einen Blick zu Lucifer, der es sich auf einen der Stühle am Esstisch gemütlich gemacht hat. Er hat ein breites grinsen im Gesicht. Ich hasse ihn.

„So schnell? Hier in Brooklyn?“, fragt sie und stellt die Schüssel Salat auf den Tisch.

„Nein, in Manhattan“, antwortet Lucifer ihr, statt ich.

„Ach, wirklich? Wie bist du denn da an eine Wohnung ran gekommen? Die sind doch da schweineteuer?“

Da fängt es an. Sie überhäuft mich mit fragen und ich weiß nicht, was ich antworten soll.

Lucifer antwortet ihr, statt ich und dieses mal bin ich ihn sogar etwas dankbar dafür.

„Ich hatte noch ein leer stehendes Apartment. Da ich es nie benutze und es nur leer stehen würde, kann sie es haben, bis sie etwas eigenes gefunden hat.“, erklärt er. Meine Mum nickt. Sie wirkt verwundert. „Lily hat mir gar nicht erzählt, dass sie einen Freund hat.“

Erst sieht meine Mutter mich an und dann Lucifer. Er findet das sicherlich richtig witzig, mich so leiden zu sehen. Ich will ihr erklären, dass er nicht mein Freund ist, aber Lucifer kommt mir zuvor.

„Du hast also nie von mir erzählt, Baby? Das kränkt mich, denn ich erzähle fast jeden Menschen davon, wie toll du bist.“

Ich versuche, ihn nicht wütend anzustarren. Ich kann nicht fassen, in was er mich hier hineinreitet.

Wenn meine Mum denkt, dass er meint Freund ist, wird sie erwarten, dass ich ihn öfters zum essen mit nach Hause bringe und das möchte ich nicht. Ich will auf gar keinen Fall, dass meine Eltern sich falsche Hoffnungen für mich machen.

Meine Mum fragt mich ständig, wie es in meinem Liebesleben aussieht. Jetzt denkt sie sicherlich, dass ich sie immer angelogen habe, wenn ich zu ihr sagte, dass ich keinen Freund habe.

„Ich gehe nach oben und packe ein paar Sachen.“, sage ich schlicht und verschwinde auch schon.

„Soll ich euch etwas zum Essen einpacken?“, ruft sie mir hinterher. Ich antworte ihr sofort mit einem Ja, weil ich einfach Riesenhunger habe.

Lucifer folgt mir bis in mein Schlafzimmer. Ich beachte ihn nicht, weil ich wütend bin, schnappe mir eine große Tasche und fange an ein paar Sachen einzupacken. Damit fertig, drehe ich mich zu ihm um. Er betrachtet die vielen Fotos an meiner Wand.

„Du warst Cheerleaderin?“, fragt er erstaunt.

„Ist das so überraschend?“

Er dreht sich zu mir um und ich weg, um den Schrank zu schließen.

„Was ist dein Problem?“

Ist das eine ernst gemeinte Frage? Fragt er mich wirklich, was mein verdammtes Problem ist?

„Wieso hast du meiner Mutter gesagt, du wärst mein Freund?“ Ich versuche leise zu sprechen, damit sie uns nicht hören kann.

„Hätte ich ihr die Wahrheit sagen sollen? Wäre dir das lieber gewesen?“

„Nein, mir wäre lieber gewesen, wenn du im Auto geblieben wärst.“, keife ich leise und suche nach meinem Ladekabel. Schließlich finde ich es in meinem Nachtschrank und packe es ein.

„Hab dich nicht so“, meint er gelassen, und allein für diesen Spruch, würde ich ihn am liebsten eine runter hauen.

„Weißt du was, hör auf mich zu nerven.“

„Du nervst doch“, entgegnet er lachend. Sein lachen besänftigt mich ein wenig. Aber nur sehr wenig.

„Hast du dann alles?“, fragt er schließlich, immer noch ganz ruhig und kommt zu mir, um mir meine Tasche abzunehmen.

Vielleicht ist ja jetzt der richtige Zeitpunkt zu sagen, dass ich eigentlich nicht in dieses Apartment ziehen möchte. Ich bin mir bloß nicht sicher, wie ich es ihm sage.

„Ja, glaube schon“, sage ich unsicher. So unsicher, dass man es nicht überhören kann. Und es klappt. Er runzelt die Stirn. „Was?“, fragt er.

„Ich will nicht“, antworte ich ihm wie aus der Kanone geschossen.

„Was willst du nicht?“

„In dieses Apartment ziehen.“

Er verdreht die Augen und lässt meine Tasche auf den Boden fallen. „Du machst mich irre“

„Das sagst ausgerechnet du.“ Ich verschränke die Arme.

„Ich habe das Apartment für dich gekauft. Wenn es dir nicht gefällt, sag es mir und ich kaufe dir ein anderes. Besseres.“

„Nein, darum geht es nicht. Ich will es einfach nicht.“

Er kommt einen Schritt auf mich zu. „Gut, also muss ich mir die Mühe machen dich zu fesseln und vor Martha aus dem Haus und in mein Auto zu tragen? Willst du das?“

„Das würdest du nicht tun!“

Er kommt noch einen Schritt näher. Ich lasse mich sicherlich nicht davon einschüchtern. Auch wenn er so aussieht, als würde er seine Drohung wahr machen wollen.

„Bist du sicher, dass du nicht freiwillig mitkommen möchtest?“, fragt er, darum bemüht nicht zu schmunzeln. Aber seine Mundwinkel zucken verräterisch.

Ich hebe beschwichtigend meine Hände vor die Brust. „Schon gut“

Ich versuche mich an ihn vorbeizudrängen.

„Hast du den Tag über genug über uns nachgedacht?“

Ich bleibe stehen und sehe ihn an. „Wieso bist du so ungeduldig?“, will ich wissen, ignoriere, was was dieses eine Wort, uns, in mir auslöst, und er umfasst mit seiner Hand meinen Oberarm, was dieses Knistern wieder zwischen uns weckt. Woher kommt das nur?

„Weil ich, jedes mal wenn wir allein sind, am liebsten über dich herfallen würde. Aber dafür will ich dein Einverständnis“

Mit so einer Antwort habe ich nun gar nicht gerechnet und meine Antwort darauf, kommt für ihn genauso überraschend, wie für mich. „Ich bin mit deinen Regeln nicht einverstanden“,

„Meine Regeln bleiben!“, erwidert er ernst.

„Nur mit einer, meine ich...“

„Ich rede nicht über meine...“, fängt er an und ich unterbreche ihn. „Die Regel meine ich nicht. Ich meine die Regel, die besagt, dass du es beendest, sobald du keine Lust mehr auf mich hast. Die muss weg. Dass du nicht über deine Vergangenheit redest, akzeptiere ich. Und das mit dem Schlafen ist mir egal, solang du nicht wieder das gleiche, wie letzte Woche, mit mir abziehst.“, erkläre ich, und er sieht aus, als würde er nachdenken.

„Gut, die ist gestrichen. Wars das?“, will er dann wissen und ich schüttle meinen Kopf. Er seufzt.

„Was?“, erkundigt er sich ruhig.

„Ich habe ebenfalls Regeln.“

Weil er sich ein lachen verkneifen muss, sehe ich ihn finster an und nehme seine Hand von meinen Oberarm.

„Schieß los“

„Dann hör auf zu lachen!“

Er setzt ein gespieltes, ernstes Gesicht auf . Ich schnalze mit der Zunge, verdrehe die Augen und schubse ihn zur Seite, um vorbei gehen zu können. Im Moment benimmt er sich wie ein kleines Kind und das nervt mich. Was ist daran so urkomisch, dass ich ebenfalls Regeln habe? Er hat schließlich auch welche und ich habe nicht darüber gelacht.

Er hält mich an meinem Handgelenk fest. „Schon gut, schon gut. Jetzt sag endlich“

Ich ziehe meinen Arm weg, sodass er mich loslassen muss.

„Erstens: Du hältst dich von meinen Eltern fern.“ Ich warte auf seine Reaktion und er nickt nur.

„Zweitens: Du tauchst nie wieder bei mir auf Arbeit auf.“ Dieses mal zögert er, bevor er nickt. Wieso hat er gezögert?

„Wars das?“

Ich nicke und er lächelt. „Also bedeutet das Ja?“, hakt er nach.

„Ja“, sage ich und bin mir sicher, dass ich diese Entscheidung bereuen werde. Aber im Moment fühlt es sich überraschend gut an, ja gesagt zu haben. Aber noch besser fühlt es sich an, als er zu mir kommt und mich küsst. Ich fühle mich schrecklich, dass es mir so sehr gefällt, von ihm geküsst und berührt zu werden, aber ich kann nichts dagegen tun. Er zieht mich näher an sich und lässt eine Hand unter mein Shirt gleiten. Sanft und vorsichtig, damit ich nicht wieder zusammen zucke, wie

ich es vorhin getan habe. Seine Berührung löst eine Gänsehaut auf meinen ganzen Körper aus und ich spüre das verlangen, mich von ihm überall berühren zu lassen. Als ob er meine Gedanken lesen kann, schiebt er mich zu meinem Bett und raunt mir zu, dass ich mich hinlegen soll. Ich gehorche und lasse mich zurück auf das Bett fallen. Lucifer zieht sich sein Shirt über den Kopf und ich kann nicht genug von dem Anblick, der sich mir bietet, kriegen. Er lässt mich nicht aus den Augen, beobachtet mich ganz genau und sein Blick allein reicht, und ich winde mich vor Erregung. Er lächelt selbstzufrieden und öffnet den Reißverschluss seiner Hose. Dann beugt er sich endlich über mich. Mit einer Hand, stützt er sich neben meinen Kopf ab und die andere, zieht mein weißes Shirt nach oben. Er hilft mir es auszuziehen, bevor wir da weiter machen, wo wir gerade aufgehört haben. Seine Lippen wandern an meinen Kinn hinunter und er beginnt meinen Hals zu küssen. Da scheppert es unten in der Küche. Es hat sich angehört, als wäre ein Glas runter gefallen.

Plötzlich kommt mir in den Sinn, dass ich hier zu Hause bei meinen Eltern bin und meine Mutter unten ist. Es wäre mir unfassbar peinlich, wenn sie wüsste, was wir hier oben mache.

„Warte“, sage ich atemlos und löse mich von ihm. Er sieht mich an. Sein Blick ist dunkel und lüstern und am liebsten würde ich nicht aufhören, aber hier zu Hause, während meine Mum unten ist, kann ich das nicht.

„Meine Mum ist da unten“, erinnere ich ihn. Eigentlich rechne ich ja damit, dass er so was wie „Ist doch egal“, sagt, aber stattdessen nickt er, lässt mich sofort los und steht auf.

Während er sein Shirt vom Boden aufsammelt, ziehe ich meines an und stehe auf.

Er schnappt sich ohne ein einziges Wort mit mir zu wechseln meine Tasche vom Boden und verschwindet. Er ist wütend. Wahrscheinlich eher frustriert, weil ich ihn wieder nicht ran gelassen habe. Vielleicht eine Mischung aus beidem. Ich seufze innerlich. Es kotzt mich ja schon selbst an, wie prüde ich bin, wenn es um solche Sachen geht. Aber ich weiß einfach, dass die Wände hier unfassbar dünn sind.

Ich schnappe mir mein Portmonee, weil ich nochmal schnell in die Drogerie muss und verlasse dann ebenfalls mein Zimmer und gehe nach unten.

„Wo ist Lu... Louis?“ Ich muss mich ganz schön zusammenreißen, nicht versehentlich seinen richtigen Namen auszusprechen.

„Er wartet im Auto. Er ist wirklich nett. Ist er Geschäftsmann?“, fragt sie mich und ich weiß ganz und gar nicht, was ich ihr antworten soll. Die Wahrheit? Abgesehen von den Drogengeschäften...

„Er besitzt einen Nachtclub, hier in New York.“, erkläre ich ihr und versuche zu lächeln.

Sie reicht mir das eingepackte Essen und ich gebe ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange.

„Wann sehen wir uns das nächste mal?“

„Morgen, vielleicht. Hab dich lieb“, rufe ich, bevor ich raus gehe. Lucifer steht am Wagen. Als er mich sieht, öffnet er die Beifahrertür. Bevor ich einsteige, nimmt er mir das Essen ab und schließt dann die Tür. Als er auch im Auto ist, herrscht immer noch diese komische, distanzierte Stimmung zwischen uns.

„Bist du wütend auf mich?“, frage ich.

„Nein, wie kommst du darauf?“, will er sofort wissen, als er losfährt.

„Du bist gegangen, ohne ein Wort zu sagen“

„Weil ich mich abreagieren musste.“

„Abreagieren von was?“

„Davon, dass ich dich gerade wieder beinahe gevögelt habe.“ Seine direkte Wortwahl, lässt mich rot werden. Ich wende den Blick ab.

„Ich verstehe nicht, was du meinst“, sage ich, und es ist mir sogar ein wenig peinlich, weil ich wirklich keinen blassen Schimmer habe. Lucifer greift nach meinem Handgelenk.

„Lilith“, fängt er etwas genervt an. Er holt tief Luft. „Ich war hart und wäre ich mit dir in einem Raum geblieben, hätte sich daran nichts geändert.“

Er lässt mein Handgelenk los und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel, was mich irgendwie beruhigt.An seine Wortwahl werde ich mich nie gewöhnen.

„Oh“, mache ich. Dieses mal schaue ich aus dem Seitenfenster, damit er nicht sieht, wie rot ich bin.

Er lacht und drückt sanft auf meinen Oberschenkel. Ich kann spüren, dass er mich kurz anstarrt, aber dann wieder den Blick geradeaus wendet.

„Könnten wir vielleicht kurz zu Target oder so?“

„Klar, wieso?“, will er wissen.

„Ich brauche noch etwas“

Und zwar Zahnpasta, Haargummis und... da ich ein eigenes Apartment habe, fast alles.

„Und was?“, hakt er nach und ich kann mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen.

„Alles, schließlich werde ich gezwungen in ein Apartment zu ziehen, welches ich nicht haben möchte.“, scherze ich. Gut, ich scherze nicht ganz. Ich werde ja irgendwie schon dazu gezwungen. Und haben möchte ich das Apartment auch nicht. Egal wie wunderschön es ist. Ganz abgesehen von der Aussicht und das es nicht weit von meiner Arbeit entfernt ist. Und ich kann in den Central Park gehen, wann ich will.

„Das meiste ist bereits da. Alice war einkaufen.“

„Alice scheint deine Frau für alles zu sein“, sage ich leise. Mehr zu mir selbst, als zu ihm. Aber natürlich hat er das gehört.

„Fast alles“ Er lächelt und sieht mich kurz an. „Außer für Sex“ Er zwinkert mir zu und seine Hand, die er wieder auf meinen Oberschenkel hat, rutscht ein bisschen zwischen meine Schenkel. Obwohl ich eine Jeans trage, kann ich seine Hand ganz deutlich auf mir spüren.

„Aber ich muss auch nach etwas holen, also ja.“, sagt er schließlich und nimmt seine Hand weg.
 

Lucifer verschwindet irgendwann von meiner Seite, nachdem er mich gefragt hat, ob ich die Pille nehme und ich verneint habe, während ich noch dabei bin, die Haargummis zu suchen. Schließlich finde ich welche, die aussehen wie alte Telefon Kabel, aber anscheinend total In sein sollen. Die sehen aus, als würden sie nicht so schnell kaputt reißen. Hoffe ich.

Am Ende des Ganges sehe ich Lucifer und fange beinahe an zu lachen, als ich ihn mit dem Korb in der Hand sehe. Grinsend nimmt er irgendetwas heraus und wirft es mir zu. Ich fange den Gegenstand nur ganz knapp und sehe mir die Verpackung an.

„Wirklich?“ Ich verdrehe die Augen. Es sind extra große Tampons.

„Wenn schon, denn schon“.

„Du weißt schon, dass man die Dinger nicht spürt, oder?“ Ich muss mir verkneifen, nicht zu lachen.

„Echt nicht?“ Er wirkt ernsthaft überrascht. Mir steht beinahe der Mund offen. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich ihn auslachen oder mit offenen Mund ansehen soll. Der Mann, der bis vor kurzen wahrscheinlich jede Nacht eine andere Frau im Bett hatte, scheint rein gar nichts über Frauen zu wissen. Das ist irgendwie süß.

„Nein, man spürt sie nicht.“

„Wo bleibt dann da der Spaß?“

Ich starre ihn an und warte, dass er mir irgendein Anzeichen gibt, dass er das nicht ernst meint, aber nein. Das ist sein voller ernst.

„Du meinst das ernst, oder?“, will ich von ihm wissen.

„Ich kenne mich mit dem scheiß nun mal nicht aus.“, sagt er und nimmt mir die Packung wieder ab. Ich hole sie mir zurück und werfe sie in den Korb. Lucifer sieht mich an.

„Keine Sorge, ich kriege sie erst nächste Woche oder so“, beruhige ich ihn, weil ich mir genau denken kann, was er gerade gedacht hat.

Als letztes gehe ich zum Alkohol, weil ich meinen Lieblingswein holen möchte. Bevor ich es schaffe, die Flasche in den Korb zu legen, sieht sie sich Lucifer an und schüttelt mit dem Kopf.

„Was ist?“, frage ich und nehme sie ihn aus der Hand, um sie in den Korb zu legen.

Er holt von ganz oben im Regal eine Flasche herunter.

„Der ist besser.“

„Und kostet sieben Dollar? Nein, danke. Mir reicht mein vier Dollar Wein.“, protestiere ich, nehme ihn die Flasche ab und stelle sie zurück ins Regal. Dann nehme ich noch eine Flasche vom vier Dollar Wein. Plötzlich nimmt sie mir Lucifer wieder aus der Hand und holt stattdessen den anderen Wein von oben herunter.

„Wir vergleichen ihn und du entscheidest dann, welcher besser ist.“ Er lächelt mich an und das bewirkt ein komisches, angenehmes Gefühl in mir, welches ich nicht beschreiben kann, deshalb sage ich nicht nein und nicke nur.

„Gut, von mir aus.“ Mein Versuch genervt zu klingen, schlägt fehl und ich merke, wie ihn das zum grinsen bringt.

An der Kasse packen wir alles aus und ich sehe jetzt erst, was er sich mitgenommen hat. Mindestens zehn Packungen Kondome. Ich sehe ihn mit offenen Mund an und schließe ihn sofort wieder, als die ältere Frau vor Lucifer an der Kasse, mich und dann die vielen Packungen anschaut.

Lucifer lacht und tritt ganz dicht an mich heran. „Du sagtest, du nimmst keine Pille.“ Er zuckt mit den Achseln, während es an der Kasse nur langsam voran geht.

„Die reichen ja für ein ganzes Jahr.“, sage ich leise. Die ältere Frau vor uns starrt uns die ganze Zeit an. Das macht mich nervös.

„Was? Die reichen höchstens einen Monat.“ Er lacht leise und ich hebe meinen Blick an.

„Du verarscht mich doch?“ Er schüttelt grinsend den Kopf, ohne mich anzusehen.

„Wer. Zur Hölle. Hat so viel Sex?“, frage ich ganz leise und schaue unauffällig auf den Boden, weil die Frau vor uns ja vielleicht Lippen lesen kann. Ich hasse es angestarrt zu werden.

„Wir“, erwidert er. „Bald jedenfalls.“, fügt er leise hinzu und legt einen Arm um mich. Für Außenstehende könnten wir glatt wie ein Paar aussehen, dass haufenweise Kondome kauft. Ich würde darüber lachen, wäre mir das nicht ein wenig peinlich und unangenehm. Ich habe noch nie Kondome gekauft. Früher, auf der Highschool, hat das immer Joel gemacht.

Eigentlich ist es nicht außergewöhnlich, Kondome zu kaufen, aber in solch einer Menge irgendwie doch. Als wir an der Kasse dran sind, versuche ich so gut es geht, nicht rot zu werden. Selbst als die Verkäuferin erst mich unauffällig ansieht und dann Lucifer. Für meinen Geschmack, sieht sie ihn ein bisschen zu lange an. Er beachtet sie nicht wirklich. Ich nehme meine Kreditkarte aus dem Portmonee, aber Lucifer kommt mir zuvor, und reicht der jungen Verkäuferin bereits seine und schenkt mir daraufhin ein amüsiertes grinsen. Ich verdrehe die Augen, was ihn nur noch mehr amüsiert.

Auf dem Weg nach draußen schweigen wir. Ich kann fühlen, dass er mich manchmal ansieht, versuche aber so zu tun, als würde ich das nicht merken. Den Einkauf verstaut er im Kofferraum und gerade als ich einsteigen will, hält er mein Handgelenk fest.

„Wollen wir noch etwas essen fahren?“, fragt er ruhig und seine Stimme ist weich wie samt, als würde er versuchen wollen, mich zu verführen. Hätte meine Mum mir nichts mitgegeben, würde ich glatt ja sagen.

„Nein, falls du vergessen hast, meine Mum hat mir etwas mitgegeben.“ Ich deute auf die große Tüte, auf dem Rücksitz, wo das essen eingepackt ist und er scheint sich wieder zu erinnern. Dann nickt er bloß. Es ist interessant zu merken, dass er mich anscheinend doch in seiner Nähe haben will. Oder er will dich einfach nur flachlegen, Lilith.

Gerade als er mich loslassen will, sage ich was. „Und ich dachte eigentlich, wir vergleichen den Wein.“

Daraufhin grinst er. „Stimmt“, sagt er und hält mir die Autotür auf. „Aber bist du sicher, dass du mit mir Wein trinken willst?“

Er hält sich am Autodach und an der Autotür fest und beugt sich zu mir runter, um mich besser sehen zu können. Ich weiß sofort, auf was er hinaus will.

„Ja, bin ich. Wieso?“

„Weißt du noch, was ich vor letzten Samstag zu dir gesagt habe?“ Ich nicke zaghaft. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. „Gut, denn ich will nicht, dass der Abend auch so endet.“

Er zwinkert mir zu und schließt dann die Autotür. Als er einsteigt, blicke ich ihn verärgert an. Das bringt ihm nur noch mehr zum grinsen, als er es so schon tut.
 

In meinem neuen Apartment angekommen, suche ich als erstes den Lichtschalter, werde jedoch nicht fündig. Lucifer findet ihn natürlich sofort und schaltet das Licht im Wohnzimmer an. Staunend sehe ich mich hier um, denn es hat sich hier einiges getan. In der Vase, auf den kleinen Glastisch vor der Wohnlandschaft, sind nun weiße Tulpen drin. Auf der Wohnlandschaft selbst, liegen Unmengen von weißen Kissen. Ordentlich aneinander gelegt. Und eine zusammengelegte, dünne und kuschelige Stoffdecke. In der offenen Küche sind die Schränke voll mit neuem Geschirr und Kochutensilien. Der Kühlschrank ist ebenfalls voll mit frischem Obst und Gemüse und vielen anderen Dingen.

„Du sollst dich hier schließlich wohlfühlen.“, meint Lucifer nur Achselzuckend und stellt die Einkaufstüte auf der Kücheninsel ab.

„Warst du das oder...“

„Alice hat das gemacht. Der Kleiderschrank ist auch voll. Sie hatte einen riesigen Spaß, dir Sachen zu kaufen, weil sie extra eine Frau besorgen musste, die ungefähr deine Größe hat.“

„Das war nicht nötig gewesen.“, brumme ich und packe mein Zeug aus der Tüte und die drei Weinflaschen.

„Doch, irgendwie schon. Obwohl ich sagen muss, dass du dich nicht mehr so komisch kleidest, wie vor zwei Wochen.“

Ich verdrehe die Augen. „Wieso habe ich das Gefühl, dass der Kleiderschrank voll mit knappen Kleidern und anderen freizügigen Sachen sein wird?“

Lucifer greift nach der Weinflasche in meiner Hand, dabei streifen seine kalten Finger meine und das sendet Stromstöße durch meinen Körper. Nicht nur ich habe das gespürt, auch er ringt kurz um Fassung, versucht aber, sich nichts anmerken zu lassen.

„Keine Sorge. Ich glaube, die Sachen werden dir gefallen.“, verspricht er und holt aus einer der Schubfächer einen Korkenzieher, um den Wein aufzumachen. Ich sehe ihm dabei zu, solange, bis mein Magen anfängt zu knurren.

„Willst du auch was essen?“

„Nein, iss du ruhig.“ Er schenkt in ein Glas meinen Wein und dann öffnet er erst die andere, während ich den Salat auspacke, mich gegen die Kücheninsel lehne und anfange ein bisschen zu essen. Mein Magen ist mir dafür sehr dankbar und ich merke schon nach dem dritten bissen, dass es mir viel besser geht, jetzt, wo ich etwas im Magen habe.

In dem anderen Glas, schenkt er nun seinen sieben Dollar Wein ein und reicht es mir.

Während ich einen Schluck nehme, kostet er von meinem Salat und wirkt erstaunt.

„Was?“, frage ich, als ich runter geschluckt habe. Zugegeben: Der Wein ist köstlich. Aber ich finde nichts außergewöhnliches an den Geschmack. Er ist süß und erfrischend. Nicht so süß wie mein vier Dollar Wein, was ein plus Punkt ist, aber meiner tut es auch.

„Der schmeckt gut.“ Er sagt es, als hätte er sich, bevor er gekostet hat, nicht vorstellen können, dass der Salat gut schmeckt. Das ärgert mich.

„Ist das so eine Überraschung?“, frage ich etwas verärgert und trinke noch einen Schluck. Dann nimmt er es mir aus der Hand, leer den Rest in einem Zug und reicht mir das andere Glas.

Er ist mir ganz dicht. Von außen versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, was seine Nähe und sein Blick in mir auslösen. Nämlich völliges Chaos.

„Nein, du hast mich schon wieder falsch verstanden. Jetzt trink und sag mir, welcher besser ist. Und sei ehrlich“ Der Ton seiner Stimme ist dominant und ich gehorche aufs Wort und verziehe gegen meinen Willen mein Gesicht. So habe ich meinen Wein gar nicht in Erinnerungen. Vielleicht liegt es daran, weil ich vorher den anderen getrunken habe und die beiden sich vom Geschmack her anscheinend doch sehr stark unterscheiden.

Lucifer lacht bloß und erntet sich einen finsteren Blick meinerseits. „Und? Welcher ist besser?“, will er wissen und lächelt jetzt schon triumphierend. Diesen Sieg gönne ich ihn nicht. Eigentlich bin ich kein schlechter Verlierer, aber sein lächeln nervt mich unfassbar.

Ich nehme nochmal einen Schluck, in der Hoffnung, dass der besser schmeckt, als der erste und ich habe recht. Süß, leicht fruchtig, aber der Nachgeschmack ist ein wenig sauer. Lucifers Wein gefällt mir besser.

„Mein Wein ist besser“, lüge ich und reiche ihm das Glas. Ich verpasse ihn einen kleinen Stoß, damit er Platz macht und ich meinen Salat weiter essen kann.

Ich sehe ihn nicht an, als er den Wein trinkt, aber merke, wie er den Kopf schüttelt und dann das Glas abstellt.

„Lügnerin“, flüstert er mir ins Ohr, legt seine Hand genau neben meiner und umschlingt mich mit seinen anderen Arm. Mir stockt der Atem, aber ich versuche in Ruhe weiter zu essen.

„Woher willst du wissen, dass ich gelogen habe?“

„Du bist eine sehr schlechte Lügnerin.“

„Aha“, antworte ich. So ungern ich es zugebe, ich kann wirklich nicht besonders gut lügen, was daran liegt, dass ich noch nie gerne gelogen habe.

Als er mein Haar zur Seite streicht und sein Atem an meiner Haut kitzelt, weiß ich genau, was er vorhat. Er will mich verführen und sich nicht länger mit mir unterhalten, so wie ich es gern tun würde.

„Was machst du da?“, frage ich, um irgendwas zu sagen. Auf der einen Seite will ich nicht, dass er aufhört, auf der anderen Seite schon, denn der Abend ist noch so lang und ich weiß, dass er, kurz nachdem wir miteinander geschlafen habe, verschwinden wird. Komischer will ich ihn noch etwas länger in meiner Nähe haben, als höchstens 20 Minuten.

„Du riechst gut“, flüstert er.

„Das sagst du doch zu jeder?“, lache ich, dabei finde ich nichts daran witzig.

Er löst sich ein Stück von mir, um mir ins Gesicht sehen zu können.

„Mit den meisten Frauen, komme ich gleich zur Sache und mache ihnen deshalb keine Komplimente in dieser Hinsicht: Also nein.“ Er klingt etwas verärgert, bleibt aber immer noch dicht bei mir.

„Tut mir leid, wenn ich nicht wie diese Frauen bin und mich vorher lieber unterhalte, bevor ich mich von dir...“ Ich suche nach dem richtigen Wort. „Flachlegen lasse“

Ich trinke einen großen Schluck Wein, doch er nimmt es mir weg und stellt es woanders hin.

„Du verstehst alles falsch, was ich sage. So habe ich das nicht gemeint. Du riechst gut und das sage ich nicht zu jeder Frau. Jetzt nimm das Kompliment an und hör auf zu diskutieren.“

„Gut, dann danke.“

Er verdreht die Augen, aber beginnt zu schmunzeln. Ich strecke meinen Arm aus, um an mein Weinglas zu kommen. Vergeblich, denn er schiebt es noch weiter weg.

„Du willst dir doch nicht etwa Mut antrinken?“, fragt er amüsiert und jetzt verdrehe ich die Augen.

„Nein, den brauche ich nicht. Gibst du mir jetzt mein Glas?“

Er schüttelt den Kopf. „Erst wenn du bitte sagst.“

Ich betrachte ihn argwöhnisch. Ist das jetzt sein ernst? Ich strecke mich weiter nach dem Glas aus. Seine Hand umfasst plötzlich mein Handgelenk. Sein Blick ist fordernd und fest. „Sag bitte“

Wieder kommt diese dominante Seite aus ihn hervor.

„Vergiss es“ Mein Blick ist herausfordernd. Für einen kurzen Augenblick scheint er verblüfft.

„Dann gibt es auch keinen Wein.“

Meine Augen verengen sich zu zwei schlitzen.

„Bist du dir da sicher?“, frage ich nach. Seine Augen werden ebenfalls zu zwei schlitzen und er nicht bedächtig. Er lässt mein Handgelenk immer noch nicht los und sein anderer Arm ist immer noch um mich geschlungen, sodass ich mich kaum bewegen kann. Langsam beuge ich mich zu ihm vor, bis unsere Lippen sich für einen hauch berühren. Ich ignoriere das mein Herz schmerzhaft schnell gegen meine Brust pocht und hoffe auch, dass er davon nichts mitkriegt.

„Immer noch?“, frage ich leise und er nickt, ohne sich einen Zentimeter wegzubewegen oder mich loszulassen. Also küsse ich ihn, in der Hoffnung, er würde mich loslassen, weil er zu sehr abgelenkt ist. Ohne jegliches zögern erwidert er meinen Kuss. Doch statt dass er mein Handgelenk loslässt, drückt meinen Arm hinter meinen Rücken und mir entfährt ein frustriertes keuchen und er lacht.

„Glaubst du wirklich, dass ich so blöd bin?“ Er lässt meinen Arm los und schiebt mir mein Weinglas zu. „Du hast mir soeben bewiesen, dass du keinen Mut brauchst, also bitte.“ Er nickt auf das halbvolle Glas.

„Das hast du extra gemacht!“, werfe ich ihn vor und er streitet es nicht einmal ab und nickt, drückt mir nochmal einen Kuss auf die Lippen und sagt dann: „Trink schnell aus, wir müssen nämlich zwei Flaschen leeren.“, erinnert er mich. Ich löse mich von ihm und nehme den leeren Teller um ihn in die Spüle zu stellen.

„Wie viele Frauen hattest du schon?“, frage ich interessiert. Mir ist klar, dass das gar nicht zum Thema passt, aber diese Frage schwirrt mir schon eine Weile durch den Kopf.

Er kratzt sich am Kopf. „Gleichzeitig oder...?“, scherzt er und ich schlage gegen seinen Oberarm.

„Nein, das meine ich nicht...“ Obwohl mich das auch interessieren würde.

„Viele“

„Wie viele?“

„Sehr viele.“, erwidert er.

„Waren es wirklich so viele, dass du mir nicht mal eine Zahl nennen kannst?“ Ich versuche nicht allzu empört zu klingen, was sehr schwer ist, wenn man sich das mal vorstellt. Obwohl es schon leichter vorzustellen ist, wenn ich daran denke, wie lange er schon leben muss und wie unglaublich gut er aussieht.

Unschuldig zuckt er mit den Achseln.

„Gut, dann eben die andere Frage... Mit wie vielen... gleichzeitig?“ Diese Frage ist mir unangenehmer, als die davor.

Darauf hat er sofort eine Antwort.

„17“

Mein Mund steht offen. „17? Du hattest mit 17 Frauen gleichzeitig...? Oder waren da auch andere Männer?“

Im Internet habe ich so viel gelesen, dass es für mich gar nicht unmöglich scheint, dass er auf Frauen sowie auf Männer steht.

„Nur Frauen! Schwänze sind so gar nicht mein Ding“

„Hast du denn schon mal... mit einem Mann?“ , bohre ich nach.

Lucifer lacht, wird dann aber wieder ernst. „Nein und das werde ich auch niemals. Ich stehe auf voll und ganz auf Brüste und...“

Ich halte ihn den Mund zu. „Sag es nicht!“, warne ich ihn.

Er hebt seine Hände an, als wäre das ein Friedensangebot und ich nehme meine Hand weg.

„Vaginas“, sagt er. Ich rolle mit den Augen.

„Wie hast du das gemacht? Ich meine... das waren 17 Frauen und du nur ein Mann? Geht das überhaupt?“

„Ich habe ein sehr gutes Durchhaltevermögen.“, gibt er stolz Preis.

„Sicher?“, frage ich skeptisch. Seine Miene verdüstert sich und ich fange an zu lachen.

„Wenn du willst, kann ich dir beweisen, wie lang und wie oft ich in einer Nacht kann.“ Nichts an seinen Worten klingt irgendwie verführerisch. Es fragt mich das, als würde er mich gerade ganz gelassen fragen, wie das Wetter draußen. Ich beschließe, seine Frage zu ignorieren.

„Warst du schon mal verliebt?“, frage ich.

Die Frage überrascht ihn. „Nein“, antwortet er schlicht.

Ungläubig sehe ich ihn an. Er lebt schon solange auf dieser Welt, ohne sich jemals verliebt zu haben?

„Du warst wirklich noch nie verliebt?“

„Lilith...“ Er presst die Lippen zusammen.

„Das hat doch nichts mit deiner Vergangenheit zu tun?

„Doch, irgendwie schon. Und jetzt lass gut sein.“, sagt er etwas aggressiv, und ich schrecke ein wenig zurück. Er merkt, dass ich zurückgeschreckt bin und seine Miene wird etwas weicher.

„Ich war noch nie verliebt. Das ist nicht mein Ding. Und jetzt komm her“ Er streckt eine Hand nach mir aus. Zwar zögere ich kurz, gehe dann aber doch zu ihm und er presst mich sanft an sich, hebt mich hoch und setzt mich auf der Kücheninsel ab. Er presst meine Beine auseinander, damit er sich zwischen ihnen stellen kann. Wir sind jetzt genau auf Augenhöhe, sodass wir uns direkt in die Augen sehen können. Ein komisches Gefühl.

„Darf ich dir noch eine Frage stellen?“

Mir schießen zwar tausende durch den Kopf, aber die eine wird er mir vielleicht beantworten.

„Aber nur eine.“ Ich lächle und er schaut mir für einen Augenblick auf die Lippen, bevor er mir wieder in die Augen sieht.

„Warst du je einer Frau wirklich nahe?“ Die Frage klingt irgendwie dumm.

„Ich war schon sehr vielen Frauen nahe, Lilith.“

Er nimmt mich nicht für ernst.

„Du weißt, dass ich das anders meine.“

„Ja, weiß ich und nein, war ich nicht.“

„Lass mich raten: Das ist nicht dein Ding.“, äffe ich ihn nach und er berührt meine Wange. Ganz zärtlich und sogar etwas vorsichtig.

„Nein, eigentlich ist es nicht mein Ding.“, sagt er eindringlich, ohne den Blick von mir abzuwenden. Unter seiner zärtlichen Berührung fällt es mir schwer, klar zu denken, doch ich versuche es.

„Eigentlich?“ Sein Daumen streicht über mein Kinn, wodurch mir das denken und meine Konzentration noch schwerer fällt.

„Ja, eigentlich“ Diese Aussage ist so nichtssagend, wie die davor, aber er scheint auf irgendwas hinaus zu wollen. Er meint doch nicht, dass ich ihm nahe stehe oder irgendwann nahe stehen könnte? Das kann ich mir nicht vorstellen.

„Wie meinst du das?“, frage ich konkreter und hoffe, eine richtige Antwort zu bekommen.

„Wir haben uns auf eine Frage geeinigt.“, erinnert er mich, während seine andere Hand bereits wieder unter meinem Shirt ist und mich näher zu sich zieht, bis wir uns richtig nahe sind.

„Deine Antwort war sehr nichtssagend“, erkläre ich. Dann vergräbt er sein Gesicht an mein Haar und meinem Hals und ich kann hören, wie er meinen Geruch einatmet. Seine Lippen berühren eine Stelle, kurz unter meinem Ohr. Zärtlich, aber nicht so zurückhaltend, wie seine Berührungen zuvor. Genießerisch schließe ich meine Augen und lege meine Hände in seinen Nacken.

„Ich bin dir jetzt schon viel näher, als ich je einer anderen Frau war.“, gesteht er. Dieses Geständnis verursacht ein köstliches Kribbeln in meinem Bauch. Scheiße! Ich darf nicht vergessen, dass ich ihn nicht mag. Das zwischen uns wird nie mehr, als rein körperlich sein. Mich in ihn zu verlieben, wäre wahrscheinlich der größte Fehler überhaupt.

Er zieht seinen Kopf zurück und sieht mich wieder an. Ich will nicht wissen, wie verwirrt ich gerade aussehen muss.

„Wie viele Männer hattest du schon?“, fragt er mich plötzlich, wahrscheinlich um mit diesen Gefühlsduseleien aufzuhören. Ob man das überhaupt so nennen kann? Zwischen Lucifer und mir gibt es keine Gefühle. Seinerseits sicherlich nicht und meinerseits auch nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Ich mag ihn nach wie vor nicht besonders. Auch wenn er heute etwas anders war, als sonst und ich ihn ein klein wenig mehr mag. Nur ganz minimal.

Lucifer wartet auf eine Antwort und ich habe die Frage bereits vergessen. Denk nach!

Sie fällt mir nicht mehr ein.

„Was war nochmal die Frage?“, frage ich verwirrt.

„Mit wie vielen Männern hast du schon gev... geschlafen?“, wiederholt er seine Frage.

„Zwei“ Mit ihn und mit Joel. Meine Beziehung zu Jack war ganz anders. Lucifer ist fassungslos.

„Das ist ein Scherz? Du hast dich nur von zwei Männern in deinem Leben... Das ist ein Scherz?“

„Nein, das ist mein ernst. Ich habe nur mit Joel, einem Junge aus meiner Highschool Zeit, und dir geschlafen.“ Ihm steht der Mund kurz offen. So habe ich ihn noch nie gesehen. Sprachlos.

Als er seine Stimme wieder gefunden hat, fragt er: „Und warst du schon mal verliebt?“

„Ja, auch zweimal.“ Er runzelt die Stirn. O nein „Nein! Nicht dich... Ich war mal mit jemanden zusammen, abgesehen von Joel, aber wir hatten nie Sex. Sein Name war Jack.“

Auf den Namen Jack, reagiert er komisch. „Was?“

„Nichts, ich kannte mal einen Jack. Ich kenne viele Jacks.“, sagt er. „Wie alt warst du da?“, fragt er schließlich.

„Ich war 17, fast 18.“

„Und der Typ hat dich nicht gefickt?“

„Lucifer!“

Er sieht mich entschuldigend an. „Er hat dich nie gevögelt?“

„Das Wort ist nicht besser, aber nein. Unsere Beziehung war kompliziert.“

„Ach ja? Erzähl mir, was so kompliziert war, dass er dich nie...“

„Halt einfach die Klappe, ja?“, lache ich und er beginnt zu Lächeln. „Du redest nicht über deine Vergangenheit, ich rede nicht über Jack.“

„So sind aber nicht die Regeln.“, knurrt er leise. Zärtlich streichelt er meine Wange und mir entfährt ein seufzen.

„Jack war mein Mathe- und Sportlehrer.“

„Du warst in deinen Lehrer verknallt?“ Er klingt überrascht, aber irgendwas in seinem Blick finde ich komisch. Er sieht nicht im geringsten überrascht aus, eher als hätte er das bereits gewusst.

„Mehr erzähle ich dir nicht. Ich rede darüber nicht gerne.“

Er sieht mich einen Augenblick an, als würde er nachdenken.

„Gut, dann verschwenden wir eben keine Zeit mehr mit dem reden, außer du hast ein besseres Thema.“ Er beugt sich zu mir vor, um mich zu küssen und seine Hand unter meinem Shirt gleitet höher, zieht mich enger an ihn. Aber ich unterbreche den Kuss.

„Darf ich dir vielleicht noch eine Frage stellen?“

„Nein“Er will mich erneut küssen, sodass ich meine Hand gegen seine Brust drücke, um ihn abzuhalten.

„Nur eine einzige. Bitte“ Ich sehe ihn flehend an und er zieht seine Hand aus meinem Shirt und fährt sich mit ihr durch sein Haar. „Gut, von mir aus. Was willst du wissen?“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage stellen soll, aber meine Neugier gewinnt die Oberhand.

„In welcher Situation hast du gesteckt, als du gemerkt hast... na ja... das du Probleme hast?“

Er sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Er versteht nicht auf was ich hinaus will.

„Könntest du dich bitte genauer Ausdrücken, denn ich habe keine Ahnung wovon du redest.“

„Na ja“ Ich deute mit roten Wangen, aber einem leichtem schmunzeln im Gesicht, auf seinen Schritt und er fährt sich durchs Gesicht.

„Ist das dein ernst?“, will er wissen. Ich nicke bloß. Er seufzt und greift nach seinem Glas und trinkt einen Schluck.

„Du solltest auch trinken.“, sagt er.

„Wieso sollte ich?“

„Weil du ständig rot wirst und bei den Sachen, die ich heute noch mit dir anstellen will, wäre Scham am falschen Platz.“

Schluckend nehme ich mein Glas entgegen und trinke es leer. Daraufhin lächelt er stolz.

„Braves Mädchen“, sagt er und ich beiße mir auf die Unterlippe. Sein Blick heftet sich auf meine Lippen.

„Gibst du mir nun eine Antwort auf meine Frage?“, erinnere ich ihn und er sieht mir wieder in die Augen.

„Wie war nochmal deine Frage?“, will er wissen. Ich verdrehe die Augen, weil ich mir sicher bin, dass er meine Frage noch weiß.

„Schon gut“, beruhigt er mich und lächelt. „Willst du das wirklich wissen?“

Ich nicke als Antwort.

„Ich habe eine alte Freundin wiedergesehen, wollte mit ihr zur Sache gehen, habe aber keinen hoch bekommen. Hast du eine Ahnung wie unangenehm das ist?“

„Nein, habe ich nicht, ich bin kein Mann und ich schlafe nicht mit jeden Mann der mir über den Weg läuft.“

„Ich schlafe nicht mit jeder Frau die mir über den Weg läuft.“, widerspricht er und ich sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

„Ich schlafe mit jeder attraktiven Frau die mir über den Weg läuft. Nicht mit jeder beliebigen.“

Erneut verdrehe ich meine Augen. Er legt eine Hand an meine Wange und streichelt zärtlich mit seinem Daumen an meinen Wangenknochen entlang. Zärtlich und beruhigend.

„Wolltest du was anderes hören?“, will er wissen. Ich schüttle ganz leicht meinen Kopf.

„Nein. Ich hab mir schon gedacht was von dir kommt.“

„Ach ja? Bin ich für dich so leicht zu durchschauen?“, will er leise wissen, ohne seine Hand von meiner Wange zu nehmen. Es ist angenehm, von ihm so zärtlich berührt zu werden und es fällt mir immer schwerer, ihn nicht zu mögen, obwohl er so ist wie er ist. Er ist nicht gut für mich, auch wenn es im Moment so scheint. Und der Tag wird kommen, der sehr wahrscheinlich nicht wirklich fern liegt, wo er genug von mir hat und sich die nächste sucht. Allein der Gedanke verletzt mich.

„Nein, aber du verbirgst eben nicht, dass du so ein Mann bist.“

„So ein Mann?“ Auf seiner Stirn bilden sich Falten.

„Ein Mann der jede die gut aussieht vögelt und fallen lässt. Ich gebe uns beiden ein paar Wochen.“

Er lässt meine Wange los. „Im Moment habe ich nicht das Gefühl, genug von dir zu kriegen.“, gibt er zu.

„Haben das Männer nicht anfangs bei jeder Frau? Und sobald sie ein paar mal hatten was sie wollten, wollen sie es nicht mehr.“

„Ich nicht.“, sagt er ernst und sein Blick ist eindringlich.

„Natürlich nicht.“, erwidere ich ungläubig.

„Glaubst du etwa dass ich dich anlüge?“

„Nein, ich glaube dir, dass du das glaubst, aber ich bin einfach nicht davon überzeugt. Ist das jetzt nicht egal? Wir beide wollen schließlich keine Beziehung eingehen, sondern nur Spaß haben.“

Mein Handy klingelt. Es liegt auf der anderen Seite der Küchenzeile, aber ich kann Mike's Namen erkennen. Ob er mir böse ist, wenn ich nicht ran gehe?

„Was will der schon wieder von dir?“, fragt er mich und geht zu meinem Handy. Ich schiebe mich nach vorn und stelle mich wieder hin.

„Gib mir mein Handy“, sage ich, als er es nimmt. Er soll da bloß nicht ran gehen!

„Wieso ruft er dich noch an?“, will er wissen. Ich versuche ihm mein Handy wegzunehmen, aber er hält es nach oben und ich bin zu klein um heranzukommen.

„Lucifer, gib mir sofort mein Handy!“

„Er hat dich bedrängt und du hast immer noch Kontakt zu ihm?“

„Ja, habe ich. Er hat sich bei mir entschuldigt und es wird nie wieder vorkommen. Jetzt gib mir das Handy

„Aha“ Seine Augen verengen sich.

„Gib mir mein Handy!“

Er schüttelt seinen Kopf und geht ins Wohnzimmer. Ich folge ihm schnell und versuche erneut ihm mein Handy aus der Hand zu reißen, indem ich von hinten meine Hand danach ausstrecke, aber er hält es wieder in die Luft. Also bin ich so frech, stütze mich mit beiden Händen an seinen Schultern ab und springe auf seinen Rücken, als würde er mich Huckepack nehmen. Er stolpert einen Schritt nach vorn und lässt das Handy auf die Couch fallen.

Ich seufze genervt und klettere unbeholfen von seinem Rücken, bevor ich mein Handy schnappe und ihm einen wütenden Blick zuwerfe, als er sich zu mir umdreht und so tut als würde ihm der Rücken wehtun.

Mike hat bereits aufgelegt und als ich versuche ihn zurückzurufen geht nur die Mailbox ran.

„Na toll. Ich danke dir.“ Ich werfe mein Handy auf die Couch.

„Mir gefällt nicht, dass du noch Kontakt zu ihm hast.“ Er sieht mich wütend an.

Oha.

„Es geht dich nichts an, mit wem ich befreundet bin und es ist mir egal, ob es dir gefällt oder nicht.“, sage ich leise. Sein wütender Blick schüchtert mich ein. Ich versuche es mir aber nicht anmerken zu lassen.

„Es geht mich sehr wohl etwas an, denn der Typ will etwas, was mir gehört und das lasse ich nicht einfach so auf mich sitzen.“

Ich schlucke. Ich gehöre ihm.

„Ich gehöre dir nicht.“ Meine Stimme ist leise und kratzig. Er schüchtert mich ein. Damit habe ich nicht gerechnet.

Er kommt einen Schritt auf mich zu.

„Doch, das tust du. Und ich will nicht, dass du nochmal mit ihm redest.“

„Du schüchterst mich nicht ein.“, lüge ich.

Er lächelt nichtssagend. „Doch, das tue ich und das wissen wir beide.“

Ich schlucke schwer. „Ich gehe jetzt in die Küche und hole den Wein.“, sage ich und gehe voran zur Küche.

Ohne jede Vorwarnung zieht er mich an sich und presst mich gegen eine naheliegende Wand. Eine Hand liegt auf meinen Rücken, die andere vergräbt sich in meinem Haar. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem Entfernt. Meine Atmung geht schnell und mein Herz klopft wie wild.

„Wieso kannst du nicht einfach tun, was ich dir sage?“

Er küsst mich ungestüm. Seine Zunge drängt sich zwischen meine Lippen und ich erwidere den Kuss ebenso leidenschaftlich und ungestüm wie er.

Gott, wie sehr ich ihn jetzt gerade will, obwohl ich gerade eben noch so wütend auf ihn war. Trotz all der Dinge, die so dagegen sprechen, will ich ihn und lasse mich auf ihn ein.

Meine Lust nach ihm brennt tief in mir, bis in meinem Unterleib und ich presse mich fest ihn an ihn.

Er löst sich kurz von mir, zieht mir mein Shirt über den Kopf und es ist mir völlig egal, dass ich einen Sport Bh trage.

Seine Nase streicht über mein Ohr und küssend bahnt er sich seinen Weg immer weiter nach unten. Von meinem Hals, bis zu meiner Schulter, die er mit weiteren federleichten küssen überhäuft, ehe er leicht hinein beißt. Unerträglich langsam küsst er sich seinen Weg bis zu meinem Oberkörper, das einzige was ihn und seinen Lippen von meinen Brüsten trennt, ist dieser verdammte Sport Bh.

Deshalb überspringt er dieses Teil und setzt seine langsame, zärtliche Folter an meinem Bauch fort, bis er inne hält und zu mir auf schaut. Ich seufze. Ein freches grinsen bildet sich in seinem Gesicht, ehe er sich wieder aufrichtet.

„Ich gehe jetzt in die Küche und hole den Wein.“

„Was?“, hauche ich verwirrt, eher er bereits nebenan in der Küche ist. Ich bleibe einige Sekunden verwirrt gegen die Wand gelehnt. Er will mich tatsächlich foltern, dieser Mistkerl!

Ich gehe ins Schlafzimmer und schließe die Tür. Der Kleiderschrank steht einen Spalt offen und ich öffne ihn, um einen Blick darauf zu erhaschen, was Alice wohl ausgesucht hat und bin positiv überrascht. Es gibt hier drin fast alles von elegant, bis sportlich oder lässig und normal.

Dann schaue ich mir die Unterwäsche an. Hier hat sie sich offensichtlich mächtig ins Zeug gelegt.

Ich greife einmal hinein und erwische einen schwarzen Spitzen Bh mit Pailletten. Er fühlt sich weich und teuer an. Ich erhasche einen Blick auf das Preisschild und komme ins stocken. 119 Dollar für einen einzigen Bh? Ich richte mich auf und schaue mir die Preisschilder von ein paar der Sachen an. Eine schwarze Hose für 180 Dollar? Ein Bordeauxrotes Etuikleid für 530 Dollar? Ich bin sprachlos. Ich weiß wirklich nicht was ich davon halten soll und traue mich nicht, die anderen Preisschilder anzusehen.

Beruhige dich, Lilith.

Das alles wird dir nicht für immer gehören.

Genauso wie dieses Apartment.

Ich atme tief durch und schließe die Schranktür und öffne eine weitere. Hier drin sind Schlafoberteile. Eines sticht mir sofort ins Auge. Es ist beige und der Stoff ist ganz dünn. Ich nehme es heraus und halte es mir an den Körper. Es ist kurz, es geht mir gerade mal knapp bis zu meinen Knien.

Der Stoff ist angenehm weich und ich kann mir vorstellen, dass sich darin sehr gut schlafen lässt. Und ich wette dass ich darin sexy aussehen würde.

Meine Neugier hat mich gepackt und ich ziehe mir meine Schuhe, Socken, Hose und Bh aus, bevor ich hinein schlüpfe und mich im Spiegel betrachte.

Ich hatte recht, ich sehe wirklich gut aus darin. Nur meine Haare gefallen mir nicht, aber das tun sie fast nie.

Es klopft an der Tür und obwohl ich ihn nicht herein gebeten habe, öffnet er sie trotzdem.

„Ist da jemand bockig und will sich jetzt vor mir...“

Er bleibt stehen, als sein Blick auf mich trifft und lässt ihn ungeniert über meinen Körper gleiten.

„Ich bin nicht bockig, ich wollte mir etwas anderes anziehen und wollte dass hier nur kurz anprobieren.“, erkläre ich. Ich drehe mich wieder um und will es mir ausziehen.

„Lass es an. Es steht dir“

Er kommt zu mir und positioniert sich hinter mich. Unsere Blicke treffen sich im Spiegel und er legt eine Hand auf meine Schulter. Mir wird ganz heiß und ich bekomme Gänsehaut, als er sie langsam an meinen Arm hinab gleiten lässt und mit der anderen Hand meine Haare zur Seite schiebt.

„Ich will dich“, haucht er mir ins Ohr. Drei Worte, die mein Blut sofort in Wallung bringen. Ich presse mich an ihn und spüre seinen harten Schwanz an meinem Hintern.

„Sag es“, befiehlt er und knabbert an meinem Ohrläppchen. Ich lege meinen Kopf zur Seite und schließe genießerisch meine Augen.

„Ich will dich auch“, sage ich mit rauer, leiser Stimme.

Seine andere Hand hat er um mich gelegt, um mich fester an sich zu ziehen. Seine Lippen fahren an meinem Hals entlang, bis zu meiner schnell pochenden Halsschlagader und ich kann fühlen, wie auch sein Herz ganz schnell schlägt. Ich will, dass er mich nimmt und mich Dinge fühlen lässt, die ich noch nie zuvor gefühlt habe, genauso wie er es mir versprochen hat und genau dieser Moment, ist der Anfang davon. Kaum zu glauben, dass ein Mann wie er mich begehrt und kaum genug von mir kriegen kann.

Ich spüre die wärme seines kraftvollen Körpers an meinen Rücken. Mutig nehme ich seine Hand an meinem Bauch und führe zu meiner linken Brust, damit er sie massieren kann. Sofort stellen sich meine Brustwarzen auf und ich stöhne, als er sie zwischen seinem Zeigefinger und Daumen nimmt und leicht daran zieht.

Als ich in den Spiegel blicke, sieht er mich mit seinen stürmischen blauen Augen an. Voller Verlangen und Gier und ich bin jetzt schon ganz feucht.

Ehe ich weiß, wie mir geschieht, liege ich auf dem Bett und er direkt über mir und sein Mund presst sich auf meinen. Mit sanften kreisen massiert er meine Brüste unter dem dünnen Seidenhemd und erforscht langsam und sinnlich meinen Mund. Ich schlinge meine Finger in sein volles Haar und wölbe ihm mein Becken entgegen. Ich will ihn unbedingt, ich kann es kaum abwarten, bis er endlich wieder in mir ist.

„Lucifer...“

„Immer mit der Ruhe, Baby“,erwidert er und saugt an meiner Unterlippe, während er mit seiner Hand zwischen meine Beine fährt und sie auseinanderdrückt.

Vorsichtig lässt er seine Hand über meine Scham gleiten, die vom Stoff meines Slips bedeckt ist. Er schiebt ihn zur Seite und lässt einen Finger in mich hineingleiten.

„Du bist ja schon ganz feucht“, murmelt er, während er seinen Kopf ein Stück tiefer wandern lässt und meine Brüste über den Stoff hinweg zärtlich küsst, bevor er mir die Träger von den Schultern schiebt und das Hemd so weit hinunter zieht, bis meine Brüste freigelegt sind und er seine Lippen um eine Brustwarze umschließen kann.

Behutsam lässt er seinen Finger wieder aus mir hinausgleiten und wieder hinein. Ungeduldig strecke ich mich ihm erneut entgegen.

„Ich weiß, Baby, aber wir haben die ganze Nacht Zeit. Zuerst will ich dich mit meinen Fingern kommen lassen.“

Er bewegt zwei Finger in mir und ich stöhne auf. Ich klammere meine Hand in sein Hemd und die andere in die Bettdecke. Immer heftiger stößt er mit seinen Fingern in mich hinein und ich glaube, jede Sekunde explodieren zu können. Er weiß genau, was er da tut und wie er es tun muss.

Sanft reibt er mit seinem Daumen über meine Klit und meine Anspannung steigert sich immer mehr, von Sekunde zu Sekunde.

„Komm für mich, Lilith“, haucht er mit rauer Stimme und ich komme. Laut und hemmungslos, komme ich durch seine Finger und schaue ihn dabei direkt in die Augen, was wohl das intimste ist, was ich je in meinem Leben erlebt habe. Ich bin ihm jetzt schon vollkommen verfallen und kann nichts dagegen tun, außer mich darauf einzulassen und es zu genießen.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ich werde mitten in der Nacht wach, als sich etwas neben mir bewegt. Es ist Lucifer. Ich muss eingeschlafen sein und er ist immer noch hier. Als er zu mir rüber schaut, schließe ich meine Augen und tue so, als würde ich noch schlafen. Ich kann hören, wie er seine Sachen vom Boden aufsammelt und sich anzieht. Er versucht leise zu sein und ich versuche gleichmäßig und ruhig zu atmen, damit er nicht merkt, dass ich noch wach bin. Am liebsten würde ich ihn dabei beobachten, wie er sich anzieht, aber ich traue mich nicht, weil ich Angst habe, er könnte es sehen, deshalb reiße ich mich zusammen und lasse sie geschlossen. Ausnahmsweise kann ich wirklich meine Neugier zügeln.

Kurz ist es still im Zimmer. So still, dass ich fast glaube, er sei schon weg, jedoch spüre ich dann, wie das Bett nachgibt, als würde sich jemand hinsetzen. Dann spüre ich eine Hand, die mir ganz zärtlich und vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht streicht und Lucifers leise Stimme, die mir süße Träume wünscht, bevor es wieder kurz still wird, bis sich die Matratze erneut bewegt. Er knipst das kleine Nachttischlicht aus und geht dann. Ich sehe ihm hinterher. Leise schließt er die Schlafzimmertür hinter sich und ich schlinge die Decke fester um mich. Nur kurze Zeit später schlafe ich ein und träume von Jack. Den gleichen Traum hatte ich schon mehrmals.
 

Wir hatten Sport und spielten Volleyball. Ich war noch nie gut darin und stand meistens nur im Feld rum und bekam fast nie mit, wann wir die Position wechseln mussten.

„Lilith!“, riss mich Jacks Stimme aus meiner Tragträumerei und ich sah zu ihm rüber.

„Wechsel!“, erinnerte er mich Kopfschüttelnd. „Wenn du keine Lust hast, kannst du dich auch auf die Bank setzen. Dort stehst du wenigstens niemandem im Weg.“

Ich verdrehte meine Augen. „Na endlich“, murmelte ich und setzte mich auf die Bank.

„Hast du was gesagt?“, fragte er mich mit strenger Stimme. Ich schüttelte meinen Kopf und nahm mein Handy aus meiner Sporthose heraus, als er nicht hinsah. Jedoch stand er nur wenige Augenblicke später vor mir und hielt mir seine offene Hand hin. Ich blickte zu ihm auf. Sein Gesicht war schon fast genervt.

„Muss das sein? Ich stecke es ja schon weg.“, protestierte ich.

„Handys sind in der Turnhalle verboten und das weißt du. Du kannst es dir nach der Stunde von mir zurück holen.“

Erst dachte ich darüber nach, stur zu bleiben und es ihm nicht zu geben, aber dann dachte ich daran, dass ich nach der Stunde kurz mit ihm allein bin und das wahrscheinlich auch der Grund ist, warum er es mir wegnehmen will. Er wollte mich allein sprechen, ohne das jemand Verdacht schöpfen konnte. Also übergab ich es ihm und langweilte mich die ganze Stunde, aber dafür beobachtete ich Jack, wie er meinen Platz im Team einnahm und Volleyball mit den anderen Spielte. Mit ihm im Team hatte das andere Team natürlich keine Chance. Nach der Stunde zog ich mich um und ließ mir extra lang Zeit, bis alle weg waren und kontrollierte auch unauffällig, dass niemand der Jungs noch da war, dann ging ich nach oben zur Lehrerumkleide und klopfte an. Die Tür ging auf und Jack bat mich wortlos herein. Als die Tür geschlossen war, schlang er seine Arme um mich und küsste mich zärtlich. Lächelnd erwiderte ich den Kuss und legte meine Hände auf seine nackte, glattrasierte Brust.

„Für einen Moment dachte ich schon, du bist wirklich genervt von mir.“, schmollte ich und er setzte sich auf einen Stuhl und zog mich auf seinen Schoß.

„War ich auch, du hast nur rumgestanden und bist vor dem Ball ausgewichen.“

„Ich hasse Volleyball.“

„Ich weiß.“, erwiderte er und strich mit seiner Nase über meine Wange. Ich schloss meine Augen und genoss den Moment der Nähe.

„Wieso spielen wir es dann so oft? Irgendwelche Vorteile muss es doch haben, mit seinem Sportlehrer zusammen zu sein.“

„Weil ich nicht nur nach dir gehen kann, Süße.“

Ich schmollte immer noch, aber sein ernster Blick ließ mich inne halten. Irgendwas war heute anders an ihm. Er war in der Schule sonst nie so anhänglich.

„Was ist los?“, wollte ich unsicher wissen.

Er schüttelte seinen Kopf. „Habe ich dir heute schon mal gesagt, dass ich dich liebe?“, fragte er.

Ich lächelte liebevoll. „Ich liebe dich auch“, erwiderte ich und küsste ihn. Er zog mich noch etwas enger an sich, bis er mich schließlich umarmte und seinen Kopf auf meine Schulter bettete.

Ich machte es ihm gleich und strich ihm durchs Haar.

„Ist wirklich alles in Ordnung? Du wirkst heute so komisch.“

„Tue ich das?“, fragte er.

„Ja, tust du. Sag mir was los ist.“

„Es ist nichts... Ich bin einfach nur glücklich, dich jetzt bei mir zu haben.“

Ich lächelte, obwohl ich ein komisches Gefühl hatte.

„Meine nächste Stunde beginnt gleich.“, erinnerte ich ihn. Sie hatte eigentlich bereits begonnen und ich wusste, dass ich ärger kriegen würde.

„Gut, steh auf.“, sagte er und ich stand auf. Er richtete sich ebenfalls auf und zog mich ein letztes mal an sich.

„Ich liebe dich“, sagte er. Mit gerunzelter Stirn erwiderte ich die Worte und ging dann, nach einem weiteren Kuss und irgendwie fühlte sich das gerade an, als würde er sich von mir verabschieden.

Als ich am nächsten Tag zur Schule kam, wusste ich auch warum, denn er war nicht anwesend. Er hatte mir nichts gesagt, obwohl er mir immer sagte, wenn er frei hatte oder einen auf krank machte, um den Tag mit mir verbringen zu können.Ich wusste, dass irgendwas faul war. Als ich dann in den nächsten Tagen zur Schule ging, war er immer noch nicht anzutreffen und ich versuchte ihn mehrmals per Telefon und per E-Mail zu erreichen- ohne Erfolg. Er war weg.

Vor dem Lehrerzimmer hörte ich eine Woche später zufällig, dass er urplötzlich gekündigt haben soll, wegen einer anderen Stelle an einer Uni und ich wusste nicht, ob ich dem glauben schenken sollte. Das war alles so komisch. Wir hatten kaum Geheimnisse voreinander. Es war so untypisch für ihn, einfach zu kündigen und zu verschwinden. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Als ein Monat vergangen war, indem ich nichts von ihm hörte und er weiterhin meine Versuche ihn zu erreichen, ignorierte, gab ich es auf. Er war weg. Er hat sich von mir verabschiedet, statt mit mir Schluss zu machen und ist jetzt weg. Ich versuchte ihn zu hassen, aber ich schaffte es einfach nicht. Ich verspürte nur Schmerz und verkroch mich oft in mein Zimmer um zu weinen. Ich hatte alles für ihn aufgegeben, meine Chance auf ein College, nur um ein weiteres Jahr bei ihm sein zu können. Und was tat er? Er ergriff die nächst beste Chance auf einen Job an einer Uni und ließ mich allein. Das war doch ein Grund, um jemanden zu hassen? Oder etwa nicht?

Irgendwann fand ich mich auf dem Dach eines Hochhauses wieder und betrachtete New York von ganz oben. Dann ist alles schwarz.
 

Am nächsten morgen wache ich zufrieden ziemlich entspannt auf. Aber als ich mich bewege, spüre ich den brennenden Schmerz. Ich bin wund. Kein Wunder, wir hatten so viel Sex, dass es klar war, dass ich heute wund sein werde.

Vorsichtig stehe ich auf und gehe ins Badezimmer, um duschen zu gehen. Das heiße Wasser entspannt meine Muskeln und ich komme auf andere Gedanken und versuche nicht mehr an Jack zu denken und daran, was für ein Arschloch er war. Es ist drei Jahre her und ich bin darüber hinweg. Hauptsächlich sind es nur die ganzen Fragen, die ich gern beantwortet hätte. Wieso ist er gegangen? Warum hat er es mir nicht gesagt?

Ich schüttle meinen Kopf. Weg mit den Gedanken, ich kann sie nicht mehr ertragen. Wenn ich fertig bin mit dem Duschen, rufe ich Mell an und frage sie, ob sie vorbei kommen möchte. Ablenkung würde mir nicht schaden.

Nachdem ich fertig bin, ziehe ich mich an und beschließe etwas aus dem Kleiderschrank zu nehmen. Heute entscheide ich mich für eine schwarze Hose und einer dunkelroten Satinbluse, dazu passende Pumps, die nicht allzuhoch sind und in denen ich laufen kann.

Als ich auf die Uhr sehe ist es bereits 11 Uhr. Ich hole mein Handy aus dem Wohnzimmer, pflanze mich auf die Couch und checke meine Nachrichten ab. Eine davon ist von Lucifer, die andere von Mell. Zuerst öffne ich die von Mell.
 

Lust zusammen Mittag zu essen? Oder bist du beschäftigt? ;)
 

Ich grinse, als ich ihre Nachricht lese.
 

Nein, ich bin nicht beschäftigt und ja gerne.
 

Ich drücke auf senden und öffne die Nachricht von Lucifer.
 

Auf dem Küchentisch liegt eine Salbe. Wir gehen heute Abend essen und

ich will schließlich nicht, dass du kaum laufen kannst. ;)
 

Ich verdrehe meine Augen, auch wenn ich dabei grinsen muss und gehe in die Küche und schaue mir an, was er mir dagelassen hat. Ich frage mich, ob er die bereits im voraus besorgt hat oder ob er mitten in der Nacht nochmal kurz hier war.

Nachdem ich sie angewendet habe, sind die Schmerzen nicht mehr so unangenehm, aber ich spüre trotzdem noch bei jeder Bewegung, dass dort etwas ist.
 

Ich treffe mich mit Mell an unserem Lieblingsburgerrestaurant am Madison Square Park. Wir müssen zwar eine Weile anstehen, aber dafür lohnt es sich. Ich bestelle mir einen Smoke Shack Burger und einen Vanille Milchshake.

Während dem essen unterhalten wir uns zuerst über den Abend in der Bar, als Mike versucht hat mich zu küssen, aber ich wechsle schnell das Thema. Ich will darüber nicht mehr reden und daran denken möchte ich erst recht nicht mehr.

„Was hast du gestern Abend so getrieben?“, will sie wissen und ich verkneife mir ein grinsen, was ihr natürlich nicht entgeht.

„Ich bin in mein neues Apartment gezogen, aber nur vorübergehende und habe den Abend mit Lucifer verbracht.“, erzähle ich ihr. Ihre Augen funkeln vor Neugier und sie hört kurz auf mit dem essen.

„Du meinst, du hast die Nacht mit ihm verbracht? Deshalb läufst du, als hättest du einen Stock im Arsch! Du bist völlig wund!“, plappert sie drauf los und ich schlürfe an meinen Milchshake.

„Vielleicht“, erwidere ich schmunzelnd und zucke mit den Achseln. „Und ich laufe nicht, als hätte ich einen Stock im Arsch, ich versuche mich an die hohen Schuhe zu gewöhnen!“

Sie ist völlig aus dem Häuschen.

„Miss Grey, Sie sind ja ein richtiges Luder! Wie oft habt ihr es denn getrieben, dass du so wund bist? Dreimal?“

Ich zucke mit den Schultern. „Nach dem fünften mal habe ich nicht mehr mitgezählt.“, gebe ich zu und beiße in meinen Burger.

„Wow. Ich wette er ist der Teufel im Bett. Wie groß ist er? So riesig wie ich glaube?“, durchlöchert sie mich mit intimen Fragen, ohne ihren Burger zu beachten, der sicherlich bald kalt wird.

„Mell, bitte...“ Ich schaue mich unauffällig um, um sicher zu gehen, dass uns niemand zuhört.

„Was denn? Das ist eine berechtigte Frage.“ Sie zuckt mit den Schultern.

„Es war wahnsinnig gut. Mehr sage ich dazu nicht.“

Sie schmollt, aber ich gebe nicht nach und esse meinen Burger weiter. Er schmeckt köstlich, aber nach der Hälfte bin ich bereits fast satt. Aber da ich gestern kaum etwas gegessen habe, quäle ich mir den Rest auch noch hinter, nach einer kleinen Pause und spüle ihn mit meinen Milchshake herunter.

„Und wie kommt es eigentlich dazu, dass ich dich in so sexy Sachen zu sehen bekomme?“

Ich runzle die Stirn. „Was ist an einer schlichten Hose und einer Bluse so sexy?“

„Glaub mir, du siehst rattenscharf aus. Vor allem mit den Schuhen. Dieses rot steht dir hervorragend. Triffst du dich heute noch mit ihm?“

Ich nicke und kann es kaum erwarten. Wer hätte gedacht, dass ich mich mal so freuen würde, ihn wiederzusehen?

„Wenn du noch deine Haare zusammen machen würdest, würdest du wie eine scharfe Sekretärin aussehen. Darauf steht jeder Mann. Vor allem wenn sie so unschuldige Augen und so einen Schmollmund haben wie du. Vielleicht noch ein bisschen Rouge und Mascara, dann kann er dir gar nicht mehr widerstehen. Vertrau mir. Ich habe sehr viel Erfahrung.“

Ja, das hat sie wirklich. Jedoch bin ich unsicher, ob ich ihrem Rat folgen soll. Ich will nicht zu übertrieben aussehen.

Unsicher trinke ich meinen Milchshake weiter, bis er leer ist. Wir unterhalten uns über alles mögliche. Sie erzählt eine Weile von Taylor und dann darüber, wie gern sie mein Apartment sehen würde. Wir beschließen nach zwei Stunden, und nach unserem dritten Milchshake, in eine Rooftop-Bar in der 230 Fifth Avenue zu gehen, uns einen Cocktail zu bestellen und das ohne jeglichen Anlass. Einfach nur weil wir Lust haben. Und ich merke, wie viel Spaß das eigentlich macht. Das würde ich gern öfter tun, vor allem mit ihr.

Wir machen sogar einige Selfies und ziehen auf manchen davon witzige Grimassen. Wir ignorieren die Leute, die uns abwertende Blicke zuwerfen und machen unser Ding.

„Wo trefft ihr euch heute eigentlich?“

Da fällt mir ein, dass ich keine Ahnung habe, wann er mich überhaupt abholt.

„Scheiße, ich hab vergessen ihn zu fragen, wann ich fertig sein soll. Wie spät ist es?“

Sie schaut auf ihre Armbanduhr.

„Halb vier. Vielleicht solltest du ihn mal fragen?“

Ich hole meine Handy heraus und schicke ihm eine Nachricht. Er antwortet nur wenige Minuten später.
 

Um sechs
 

Ich stecke mein Handy wieder rein und trinke meinen Cocktail aus.

„Ich muss um sechs fertig sein, also hätten wir theoretisch noch genug Zeit, dass ich dir das Apartment zeigen kann.“

Mell freut sich und nachdem sie auch ausgetrunken hat, fahren wir mit dem Taxi zu mir.

Als der Fahrstuhl zum stehen kommt und er sich öffnet, staunt Mell nicht schlecht.

„Verdammt, dieses Apartment muss unfassbar teuer gewesen sein!“

Ich nicke verlegen und zeige ihr jeden einzelnen Raum, bis sie meinen Kleiderschrank in Betracht nimmt und aus dem staunen gar nicht mehr heraus kommt.

„Ich bleibe hier aber nur so lang wohnen, bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe. Ich will nicht, dass er denkt, dass er mich mit diesem ganzen Zeug kaufen kann.“

Allein der Gedanke lässt mich unwohl fühlen. Ich schiebe ihn bei Seite und konzentriere mich auf andere Sachen.

„Soll ich das wirklich heute Abend anziehen?“, frage ich unsicher und betrachte mich im Spiegel.

„Auf jeden Fall. Was hast du für Unterwäsche an?“, will sie wissen.

„Schwarze Spitze“

„Einwandfrei. Dann müssen wir jetzt nur noch deine Haare hochstecken, dich schminken und du bist fertig. Hast du Wein hier?“

Ich nicke und gehe in die Küche, um die offene Flasche aus dem Kühlschrank zu nehmen. Sie ist gestern übrig geblieben, weil Lucifer mich nicht mehr aus dem Bett lassen wollte. Grinsend nehme ich zwei Gläser aus dem Regal und schenke uns Wein ein. Dann reiche ich ihr ein Glas und wir stoßen an.

„Darauf, dass er den ganzen Abend eine Dauerlatte bei deinem Anblick haben wird.“

Ich proste los, als ich mir das vorstelle und sie stimmt mit ein.

„Wenn ich mit dir fertig bin, wird das nämlich der Fall sein. Das verspreche ich dir.“ Sie zwinkert mir zu.

Als sie halb sechs endlich fertig ist, betrachte ich mich im Spiegel. Meine Haare hat sie zu einem Dutt hochgesteckt, jedoch hängen einzelne Locken heraus, damit es nicht zu streng wird. Sie hat mir ein komplettes Make Over verpasst, mit allem drum und dran. Das letzte mal war ich richtig geschminkt, als ich Mike zu einem Geschäftsessen begleitet habe und selbst da sah ich nicht annähernd so gut aus wie jetzt. Ich fühle mich pudelwohl und ausnahmsweise mal wirklich sexy.

Mittlerweile sitzen Mell und ich im Wohnzimmer und vergessen die Uhrzeit, bis wir den Fahrstuhl hören.

„Ich glaube da ist er.“ Sie schenkt mir ihr Viel Glück Lächeln, schnappt sich ihre Tasche und als wir uns auf dem Weg zum Fahrstuhl machen, öffnet er sich und Lucifer steht da.

Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit Weste darunter und einer silbergrauen Krawatte. Dazu edle Manschettenknöpfe, die jedem sofort ins Auge springen, denn sie wirken unfassbar teuer.

„Viel Spaß euch beiden“, wünscht uns Mell und verschwindet im Fahrstuhl, als Lucifer einen Fuß ins Apartment tritt. Er sieht sie kurz an, bevor sein Blick auf mich trifft und gerät ins stocken.

„Ich hole nur schnell meine Jacke.“, sage ich nervös, denn er gibt keinen einzigen Ton von sich, Starrt mich einfach nur von Kopf bis Fuß an und meine Selbstsicherheit verschwindet direkt wieder.

Auf direktem Weg in die Küche, kann ich seine Schritte hinter mir vernehmen. Ich schnappe mir meine Jacke und als ich mich umdrehe, steht Lucifer direkt hinter mir.

„Was ist?“, frage ich. Ich versuche seinen Blick zu deuten.

„Weißt du noch, was ich gestern zu dir gesagt habe? Dass ich nicht will, dass ein anderer Mann dich nackt betrachten darf, außer ich?“

„Natürlich“, erwidere ich.

„Eigentlich will ich auch nicht, dass ein anderer Mann sieht, wie du jetzt aussiehst.“

„Wie meinst du das?“

„Du siehst so verdammt scharf aus, dass ich so unfassbar hart bin, dass ich dir am liebsten diese Klamotten vom Leib reißen würde, um dich bis zur Ohnmacht zu vögeln.“

Ich keuche auf und beiße mir provozierend auf die Unterlippe. Mell hatte recht, ich hätte nie daran zweifeln sollen.

„Willst du, dass ich mich umziehe?“, frage ich ihn, in der Hoffnung, dass er nein sagt. Ich muss zugeben, ich fühle mich mehr als wohl in den Sachen, erst recht, als Lucifer das eben zu mir gesagt hat. Ich will es zum essen anbehalten und ich möchte, das er es mir später auszieht.

Mit heißem, dunklem Blick sieht er mich an und schüttelt ganz leicht seinen Kopf.

„Nein, behalte es an. Aber ich kann nicht versprechen, bis zum essen zu warten, bevor ich dich vögle.“, warnt er mich mit sexy, rauer Stimme.

Ich lächle zögernd. „Hallo erstmal“, begrüße ich ihn und entlocke ihm damit ein leichtes schmunzeln.

„Hallo meine Schöne“ Er streicht mir eine Locke hinters Ohr und sieht mich ganz genau an, bevor er mich zärtlich auf dem Mund küsst. Selbst so kleine Dinge, verursachen ein kribbeln in mir, dass einfach nicht aufhören will. Vor allem nicht, wenn er mich so ansieht.

„Ist Mell dafür verantwortlich?“, will er von mir wissen, als er seinen Daumen über meine Wange gleiten lässt. Mit gerunzelter Stirn sehe ich ihn an.

„Für was?“

„Dein Gesicht“

„Was ist denn mit meinem Gesicht?“ Ich versuche mich nicht gekränkt anzuhören.

„Das ganze Make Up. Das hast du nicht nötig. Ich finde dich schöner, wenn du es nicht trägst.“

„Zum Glück habe ich mich nicht für dich hübsch gemacht, sondern für mich selbst. So wie wie ich dich kenne, schleppst du mich in irgendein teures Nobelresteraunt, dass unsagbar teuer ist. Da möchte ich nicht aussehen, als hätte ich die ganze Nacht kein Auge zugemacht.“

Er presst mich mit seinen Hüften gegen die Frühstückstheke und ich spüre seine harte Erektion.

„Da hast du recht, genau das werde ich tun, aber nur wenn du aufhörst beleidigt zu sein, weil sonst fühle ich mich gezwungen, dich noch wunder zu ficken, als du so schon bist.“

Als ich meine Hand auf seinen flachen Bauch lege, fühle ich, wie seine Muskeln sich ganz deutlich unter meine Berührung anspannen.

„Ich dachte, das hattest du heute Abend so oder so vor.“ Ich sehe ihn mit meinem unschuldigsten Blick an, den ich auf Lager habe und dieser zeigt seine Wirkung, denn er knurrt etwas unverständliches vor sich hin. Dann drücke ich ihn einen Schritt von mir weg und drehe mich um, um mich nach meiner Handtasche zu beugen, die auf der anderen Seite liegt, Als ich sie habe, legen sich zwei Hände an meine Hüfte und er presst seine Schenkel dagegen. Um ihn zu ärgern, reibe ich meinen Hintern an ihm und er schnappt scharf nach Luft. Sein Schwanz wird noch härter und ich fange an zu grinsen. So mutig bin ich nur, weil ich bereits etwas getrunken habe, anders kann ich mir mein untypisches Verhalten nicht erklären.

„Benimm dich, Lilith“, ermahnt er mich. „Ich will nicht mit einem Fleck auf der Hose in die Öffentlichkeit gehen müssen.“

„Dann solltest du wohl einen Schritt von mir weg gehen.“, sage ich, aber er presst seinen Oberkörper noch enger an meinen. Sein warmer Körper schmiegt sich fest an meinen und ich atme seinen tollen Duft ein.

„Hast du wenigstens ein bisschen schlafen können?“, wechselt er auf einmal das Thema, was mich die Stirn runzeln lässt.

„Ein bisschen, wieso?“

„Nur so. Wir sollten langsam los.“

„Sollten wir?“

Er lacht. „Mir gefällt es, dass du heute so gute Laune hast. Du hast was getrunken, stimmts?“

„Nur einen Cocktail und zwei Gläser Wein.“

„Gut. Ich mag es, wenn du gute Laune hast. Daran könnte ich mich gewöhnen.“

Er kneift mir wie gestern in die Seite, während er sich von mir löst und ich zucke zusammen.

„Lass das sein!“, sage ich und schnappe mir Jacke und Tasche, bevor ich ihm zum Fahrstuhl folge.

„Was soll ich sein lassen?“, fragt er, als wir auf den Fahrstuhl warten.

„Du weißt genau was ich meine.“ Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich ihn an. Er steckt seine beiden Hände in die Hosentaschen und schmunzelt, bevor er mich ansieht. Sein Blick fesselt mich für einen kurzen Moment, bis er es wieder tut und ich ihn lachend schubse, damit er mich in Ruhe lässt. Er verkneift es sich zu lachen, was deutlich an seinem grinsen zu erkennen ist.

Als wir im Fahrstuhl sind, sehe ich mir noch einmal kurz und unauffällig an. Er ist wahrscheinlich der schönste Mann, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Seine Haltung ist stets dominant, was gut im Kontrast zu seinen teuren, ich schätze maßgeschneiderten Anzügen steht. Er flößt einen bereits auf den ersten Blick Respekt ein und das schaffen meistens nur harte Geschäftsmänner oder Männer wie seine Bodyguards, mit doppelt so breiten Schultern und breiten Oberarmen wie er, die fast zwei Meter groß sind.

Wieso will so ein Mann wie er, ausgerechnet etwas von mir?

„Du starrst mich an“

Ich räuspere mich. „Ich habe nur über etwas nachgedacht.“

„Über was hast du nachgedacht, Sag es mir.“ Die Neugier ist ihm förmlich anzusehen, aber es ist mir viel zu peinlich ihm die Wahrheit zu erzählen, also lüge ich.

„Wieso trägst du eigentlich ständig Anzüge?“, frage ich. Er runzelt die Stirn.

„Darüber hast du nicht nachgedacht. Aber um dir deine Frage trotzdem zu beantworten: Ich mag es, wenn man mir Ansicht, dass ich Macht und Geld besitze.“

Leise gebe ich einen verächtlichen Laut von mir. „Findest du das nicht ein bisschen Oberflächlich?“

„Die Menschen sind nun mal Oberflächlich.“

„Nein, das stimmt nicht. Nicht alle Menschen sind so.“ Ich bin es nicht.

„Dann stelle mir den besagten Menschen vor. Ich bin gespannt darauf, ihn kennenzulernen.“

„Das hast du bereits. Mehr oder weniger.“

Der Fahrstuhl kommt unten an und ich gehe voraus. Er nimmt meine Hand beim laufen und ich sehe ihn verwirrt an.

„Mehr oder weniger?“, fragt er.

Wir treten nach draußen und sein Auto steht bereits bereit und jemand, der uns die Tür öffnet. Einer seiner großen Jungs, die mir so Angst machen. Ohne zu Lächeln oder mit der Wimper zu zucken, nickt er Lucifer zu.

Ich steige ins Auto und rutsche auf die andere Seite, damit Lucifer ebenfalls einsteigen kann.

„Wieso fährst du denn nicht?“

„Weil ich auch meine faulen Tage habe.“, sagt er.

Kopfschüttelnd, aber mit einem schmunzeln im Gesicht, schnalle ich mich an.

„Du möchtest doch einfach nur schon wieder demonstrieren, wie viel Geld du doch hast.“

Er neigt seinen Kopf in meine Richtung und grinst. Er sieht dabei jungenhaft und unbeschwert aus und ich bin hin und weg.

„Ich muss dir nicht demonstrieren, wie viel Geld ich besitze, ich glaube das kannst du dir mittlerweile denken.“

„Stimmt“, erwidere ich. „Du Angeber“, necke ich ihn.

Schulterzuckend rutscht er zu mir rüber, und drückt einen Knopf an der Tür und eine schwarze Wand fährt zwischen uns und dem Fahrer hoch.

„Ich dachte sowas geht nur bei Limousinen?“ Erstaunt beobachte ich, wie die Wand hochfährt, bis man uns von vorn nicht mehr sehen kann. Erst jetzt sehe ich, dass es hier viel geräumiger als in einem normalen Auto ist. Nicht annähernd so wie eine Limousine, das versteht sich von selbst, aber geräumig genug, dass man Bein Freiheit besitzt und sich nicht eingeengt fühlt.

„Mit Geld kann man eben sehr viel möglich machen.“

Er sieht mich eine Weile an, bis ich sein starren erwidere.

„Was ist?“

„Ich will dich endlich ficken“, sagt er freiheraus und ich schnappe nach Luft. Er sieht mich ernst an, abwartend auf meine Reaktion.

Dann hebt er eine Hand und legt sie an meine Wange. „Sag was“, wispert er.

„Nicht hier“, erwidere ich nur. Ganz ruhig und gelassen, obwohl mir ganz heiß ist und ich schon wieder erregt bin. Ich presse meine Beine zusammen und schlage sie über einander.

„Und was ist, wenn ich dich jetzt und genau hier ficken will?“, flüstert er mit feurigen Blick. Ich bin kurz sprachlos und meine Wangen fangen an zu brennen.

Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, während er ganz genau mit seinen Augen jede Bewegung meiner Lippen beobachtet, weshalb ich zögere und mir auf die Unterlippe beiße, um ihn zu reizen, bevor ich spreche.

„Dann wirst du wohl abwarten müssen, du Teufel.“ Ich wende den Blick ab und sehe nach draußen. Durch die getönten Scheiben kann uns niemand sehen.

Er lässt die schwarze Wand ein Stück runter fahren. „Fahr eine Weile rum, bis ich Bescheid gebe, wie geplant zum Restaurant zu fahren.“

Dann fährt sie wieder nach oben und er schnallt mich ab.

„Ich will dich. Jetzt. Ich habe schon eine dauerlatte seit ich dich oben heute das erste mal erblickt habe.“

„Wir befinden uns mitten in Manhattan und nicht mal einen Meter vor uns sitzt jemand!“

„Er kann nichts hören“, entgegnet er.

„Lucifer“, jammere ich.

Er nimmt mein Gesicht in seine Hand, während er über mir gebeugt ist. „Ich kann schon den ganzen verfickten Tag an nichts anderes denken, als an dich. Wie du gestern nackt unter mir lagst, meinen Namen gestöhnt hast und deine Fingernägel in meine Haut gegraben hast. Du kannst mir nicht sagen, dass du nicht auch total erregt bist, wenn du daran denkst.“

Mir wird auf einmal so unfassbar heiß, dass ich es kaum aushalte. Er weckt erneut die unbändige Lust in mir, dass ich nur noch ein ok hauche.

„Zieh deine Hose aus“

Ich zögere zwar einen Moment, aber dann schlüpfe ich aus den Schuhen und aus der schwarzen Hose. Dann zieht er mich auf seinen Schoß und küsst mich leidenschaftlich. Ich vergrabe meine Finger in sein Haar und erwidere den Kuss, mit genau der selben Leidenschaft wie er. Ich merke jetzt, wie sehr ich mich den ganzen Tag nach seinen küssen und seinen Berührungen gesehnt habe.

Er knöpft mir die Bluse auf, um sie mir auszuziehen und nimmt eine Brust in seine Hand, um sie zu massieren, mit der anderen, streicht er meinen nackten Rücken entlang und beschert mir eine angenehme Gänsehaut.

„Du machst mich Wahnsinnig. Ich kann nicht genug von dir kriegen“, stößt er atemlos aus.

Ich taste nach seinem Hosenbund und öffne den Reißverschluss.

Sobald ich seinen Schwanz in der Hand habe, stöhnt er auf. Von diesem Geräusch kann ich nie genug kriegen. Er ist steinhart und fühlt sich noch großer an, in meiner kleinen Hand, die ich auf und ab gleiten lasse, was ihn nochmal ein stöhnen entlockt. Kehlig und erotisch.

Er tastet nach meinem Tanga und schiebt ihn zur Seite.

„Ich will in dir sein“, murmelt er, bevor er meine Haare zur Seite schiebt und mich am Hals küsst.

Dann holt er etwas aus seiner Hosentasche und gibt es mir. Ein Kondom.

Ich reiße es auf und ziehe es über seinen Penis. Dann hebt er mich an den Hüften an, sodass er in mich eindringen kann.

Ich nehme ihn ganz tief in mir auf und bewege mich langsam, um das Gefühl von ihn in mir drin, genau auskosten zu können. „Du bist so eng!“, stößt er atemlos hervor.

Er füllt mich vollkommen aus und in diesem Moment, merke ich, dass ich ihm gehöre. Und zwar voll und ganz.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ich sitze auf der Küchentheke, nur mit Lucifers Hemd bekleidet und esse Erdbeeren. Lucifer ist noch im Schlafzimmer und ruht sich aus. Ich hatte noch nie so viel Sex in einer Nacht und dabei ist es erst mal ein Uhr morgens. Dieser Mann ist unersättlich, genauso wie ich.

Mein Handy vibriert.

„Leg das Handy weg.“

Ich blicke zu Lucifer, der nackt im Türrahmen steht. Es ist dunkel, aber ich kann trotzdem sehen, wie seine hellblauen Augen mich durchdringlich ansehen.

„Wie Sie mir befehlen, Sir.“ Ich lege es bei Seite und nehme mir eine weitere Erdbeere, als er zu mir kommt. Mit einer Hand fährt er an meinem Oberschenkel bis in meinen Innenschenkel entlang und spreizt meine Beine, sodass er sich dazwischen stellen kann.

Er versucht mich zu küssen, doch ich weiche aus und halte ihm grinsend eine Erdbeere an die Lippen.

Er schüttelt schmunzelnd den Kopf und beißt ab.

„Du hast zu viel an.“

Er zieht an seinem Hemd, was ich trage, und ich sehe an mir hinunter.

„Findest du?“ Ich ziehe es auseinander, sodass er meinen nackten Oberkörper betrachten kann.

„Zieh es ganz aus“

„Es ist aber kalt.“, protestiere ich und als er zum Thermostat gehen will, schlinge ich meine Beine um ihn und hindere ihn daran.

Er legt lächelnd seinen Kopf schief.

„Nochmal?“, fragt er, doch er kennt die Antwort bereits.

Ich lasse meine Hände auf seiner Brust herumwandern und fühle die starken Muskeln, während ich mit meinen Fingerspitzen immer tiefer entlangfahre.

„Ich will dich, Lucifer“, flüstere ich und bevor ich mit meiner Hand, seinen harten Schwanz umfasse, hält er mein Handgelenkt fest und presst sie auf die Küchenplatte. Das selbe tut er auch mit meiner anderen Hand.

„Wie willst du denn, dass ich dich ficke? Sag es mir“ Seine Augen leuchten im Halbdunkel und ich beiße mir auf die Unterlippe.

„Erst will ich, dass du mich ausziehst.“

Er lächelt verführerisch.

„Sehr gern, Miss Grey“

Er legt seine Hände um meinen Hals und zieht mich an sich, um seine Lippen zärtlich auf meine zu drücken. Leicht gleiten seine Hände zu meinen Schultern und unter das Hemd, um es mir abzustreifen.

„Und jetzt?“

Ich lege meine Hand auf seine Brust und schiebe ihn ein stück von mir weg.

„Such dir etwas aus.“

„Wenn du es so willst“

Er packt meine Hüfte, dreht mich um und presst mich gegen die Küchenplatte.

„Beug dich nach vorn, Baby.“, murmelt er. Ich beuge mich nach vorn.

„Und jetzt verschränke deine Hände hinter deinem Rücken.“

Ich schlucke kurz und gehorche, dann packt er meine Hände mit einer Hand, sodass ich mich kaum bewegen kann.

„Spreiz die Beine“

Ich spreize meine Beine und er dringt in mich ein. Stöhnend schließe ich meine Augen.

„Du bist so verdammt eng, Lilith.“, keucht er und dringt noch tiefer in mich, bis er mich ausfüllt und ich darum bettle, dass er sich bewegt. Ich kann es kaum aushalten. Er macht mich so unfassbar scharf.

„Ich werde dich so heftig zum kommen bringen, Baby“ Dieses dunkle versprechen bringt mich noch mehr zum stöhnen. Ganz langsam bewegt er sich vor und zurück und legt einen Arm um mich, um mit seiner anderen Hand meine Klitoris zu stimulieren. Ich stehe bereits jetzt vor einem gewaltigen Orgasmus...
 

„Guten morgen“, wünsche ich meinen Arbeitskolleginen, die sich zu einer Lästerrunde in der Firmenküche zusammengetan haben.

Plötzlich sind sie allesamt still und wünschen mir ebenfalls einen guten morgen.

Ich weiß, dass sie über mich geredet haben, sonst hätten sie mich nicht so ertappt angeschaut und wären plötzlich still gewesen.

Es interessiert mich nicht wirklich, was sie von mir denken oder über was sie reden. Deshalb hole ich mir nur schnell einen Apfel und bringe danach meinem Boss seinen Kaffee.

„Danke. Haben Sie mein Jackett gestern in die Reinigung gebracht?“

„Alles erledigt. Ich hole es in der Mittagspause ab. Jennifer ist auf Leitung vier. Sie möchte mit Ihnen über einen Artikel sprechen. Mehr hat sie nicht gesagt.“

„Gut, danke. Reservieren Sie bitte einen Tisch für zwei im San Carlo für heute Abend um sieben.“

„Wird erledigt:“, erwidere ich und verschwinde an meinen Schreibtisch. Ich musste vor einigen Tagen mein Büro ausräumen, weil es umgebaut werden soll. Nun unterscheide ich mich nicht mehr von den anderen und habe einen einzelnen Schreibtisch neben ganz vielen. Das stört mich nicht weiter. Aber als ich auf meinen Schreibtisch blicke, steht dort ein riesiger Strauß roter Rosen.

Jetzt weiß ich auch, worüber die Kolleginnen geredet haben.

Gott verdammt! Der ist wirklich riesig! Wie konnte ich den beim hereinkommen übersehen haben?

„Von wem der wohl ist?“, fragt mich Mell. Ich setze mich und sie zieht eine kleine Karte aus dem Strauß.

„Vergiss nicht unser Essen heute Abend.

Bis um sechs“

„Die sind von Lucifer“, hauche ich ungläubig. Ich kann nicht fassen, dass er mir Blumen geschickt hat. Rote Rosen, um genau zu sein.

„Lilith, dieser Mann ist total in dich verknallt!“, quikt sie und zieht sich eine Rose aus dem Strauß heraus um daran zu riechen.

„Glaubst du?“

Das glaube ich eher weniger. Er ist einfach nur netter zu mir, nachdem er mich verletzt hatte. Vielleicht hat er noch ein schlechtes Gewissen.

„Ich bin mir sicher! Und du bist verliebt in ihn, stimmts?“

„Nein, ich... dafür ist es noch zu früh, um darüber zu sprechen.“

Es wird nie einen Zeitpunkt geben, um laut über meine Gefühle für ihn zu sprechen. Ich bin nicht ihn verliebt. Ich fühle mich nur extrem zu ihm hingezogen. Glaube ich.

„Darf ich dich heute wieder stylen? Bitte“, bettelt sie und schaut mich mit ihren großen, blauen Augen an.

„Ich weiß nicht...“

„Hat es ihm nicht gefallen, wie du ausgesehen hast?“

„Doch, aber... gut. Ja, von mir aus.“, gebe ich ziemlich schnell nach und sie grinst mich fröhlich an.
 

Am Abend stellt sich heraus, dass wir in das gleiche Restaurant gehen, wie mein Boss.

Der Kellner führt uns zu unserem Tisch, an welchem Francesco und eine sehr schöne, junge Frau sitzen. Ihre halblangen, dunkelblonden Haare sind glatt und glänzend. Sie trägt ein langes, schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern und als sie Lucifer begrüßt, erhasche ich einen Blick auf ihren nackten Rücken.

Lucifer und sie tauschen ein paar Italienische Worte miteinander aus, die ich nicht verstehe, aber ich glaube, sie sagen einander, wie toll sie doch aussehen, da sie einander intensiv und sehr auffällig von oben bis unten mustern.

„Lilith, schön Sie wiederzusehen. Ich habe schon gedacht, Lucifer versucht Sie vor mir zu verstecken.“ Er lacht und ich schenke ihm ein kleines, gezwungenes Lächeln, bevor er näher an mich heran tritt, um mir Küsse auf meine Wangen zu hauchen. Nachdem er damit fertig ist, werfe ich einen hilfesuchenden Blick zu Lucifer, aber der kümmert sich lieber um Francescos bildschöne Begleitung. Die beiden sitzen bereits am Tisch. Francesco hilft mir, meinen Mantel auszuziehen. Erst dann dreht sich Lucifers Kopf kurz in meine Richtung. Jedoch sagt die Frau, die mir immer noch nicht vorgestellt wurde, etwas zu ihm und erlangt seine Aufmerksamkeit. Ich könnte kotzen.

Sobald ich mich hingesetzt habe, kommt ein Kellner und schenkt mir ein Glas Weißwein ein.

„Danke.“

Ich trinke einen großzügigen Schluck und ehe ich mich versehe, ist das Glas leer.

„Da scheint wohl jemand Durst zu haben.“, sagt Francesco, während er den Kellner zurück winkt.

„Lassen Sie die Flasche hier und bringen sie gleich noch eine weitere.“

Der junge Kellner nickt, stellt die Flasche auf den Tisch und verschwindet ganz schnell. Ich sehe ihm hinterher.

Dann zucke ich leicht zusammen, als eine kalte Hand meinen Oberschenkel leicht drückt.

„Trink langsamer“, flüstert Lucifer mir mit einem strengen Unterton zu. Ich sehe ihn an, aber er sieht bereits wieder weg. Genauso wie sein Blick, verschwindet auch seine Hand.

Ich atme einmal tief ein.

„Wer ist eigentlich deine Begleitung, Lucifer?“, fragt die Schönheit, dessen Name ich noch immer nicht weiß.

Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, aber Lucifer kommt mir zuvor.

„Das ist...“, will er mich vorstellen.

„Ich denke, sie kann für sich allein sprechen, Bello.“, unterbricht sie ihn. Sie hat einen noch stärkeren italienischen Akzent als Francesco und wenn ich mich nicht täusche, hat sie ihn gerade „Schöner“ genannt.

Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie unsympathisch sie mir ist.

„Ich bin Lilith, eine gute Freundin von Lucifer.“

Sie lächelt mich an, aber es wirkt noch falscher als meines.

„La tua ragazza?”, wendet sie sich kurz an Lucifer.

„Cosa ne pensi?“, erwidert er und beide fangen an zu lachen.

Ich verdrehe meine Augen.

„Lucifer, wann hast du dein Benehmen verloren? Hört auf Italienisch zu sprechen. Das ist unhöflich gegenüber deiner schönen Begleitung.“

Er legt einen Arm um mich und trinkt einen Schluck Wein.

„Verzeihst du mir, Bellezza?“

Ich schenke ihm mein breitestes, gefälschtes Lächeln, welches ich parat habe und trinke einen Schluck Wein.

„Bellezza heißt Schönheit, Süße. Ich hoffe bei deinem nächsten Lächeln, strengst du dich etwas mehr an.“, flüstert er mir knapp ins Ohr.

„Mein Name ist Vittoria. Woher kommen Sie, wenn ich fragen darf.“

„Aus New York. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Um genau zu sein in Brooklyn.“, erzähle ich knapp.

„Sind Sie ganz sicher? Sie kommen mir unheimlich bekannt vor. Waren Sie einmal...“

„Haben Sie sich schon für etwas entschieden?“ Der Kellner ist aus dem nichts neben unserem Tisch aufgetaucht, sodass Vittoria nicht aussprechen kann. Das tut mir nicht im geringsten leid für sie.

Ich habe noch gar nicht geschafft in die Speisekarte zu schauen. Doch zum Glück bestellt Lucifer etwas für mich.

„Was machen Sie beruflich, Lilith?“, fragt mich Francesco.

„Ich arbeite bei der New York Post. Um genau zu sein bin ich die Assistentin des Chefredakteurs und nebenberuflich fotografiere ich gern, wenn ich die Zeit dazu habe.“

„Schreiben Sie auch selber?“, fragt mich Francesco.

„Ab und zu habe ich bei einigen Artikeln geholfen, aber ansonsten nein. Das überlasse ich lieber den richtigen Autorin.“

Wieso bin ich so interessant für die beiden? Wir sind sicherlich nicht hier, um über mich zu sprechen. Deshalb lenke ich das Thema auf Vittoria.

„Und was machen Sie, Vittoria?“ Mit gespielter Interesse sehe ich sie an.

Elegant wirft sie ihre halblangen Haare nach hinten und nippt an ihrem Wein. Ihre Augen blicken in Lucifers. Sie flirtet mit ihm. Und er scheint darauf einzugehen. Was kein Wunder ist. Vittoria ist wahrscheinlich die schönste Frau, die ich je gesehen habe.

„Ich Modele ab und zu.“ Sie lächelt und Lucifer lacht.

„Wieso so bescheiden? Du kannst ruhig zugeben, das dein Gesicht bald auf der Vogue zu sehen ist.“

Sie verdreht spielerisch ihre Augen und lehnt sich zurück. Francesco legt einen Arm um ihre Schulter.

Ich ringe mir ein mühsames Lächeln ab.

Nachdem wir mit dem essen fertig sind, entschuldige ich mich und gehe auf die Toilette, um kurz allein sein zu können. Ich habe mehr getrunken, als gut ist.

Ich wusste bereits, dass dieser Abend nicht so toll sein wird, aber dass er so abläuft, dass Lucifer mich kaum ansieht oder mit mir spricht, aber stattdessen einer anderen Frau seine Aufmerksamkeit schenkt, hätte ich nicht erwartet. Die Eifersucht versetzt mir einen regelrechten Stich. Ich fühle mich an diesem Tisch so unwohl, dass ich kaum ein Wort herauskriege, außer wenn mich jemand direkt anspricht. Ich kann im Moment keinen klaren Gedanken fassen.

Nachdem ich mir die Hände gewaschen und meine Haare ordentlich gemacht habe, beschließe ich zurück zu gehen. Doch dann geht die Tür auf und Vittoria spaziert, so elegant sie nun mal ist, mit leicht schwingedenen Hüften herein.

„Geht es Ihnen gut, Pupetta?“

Ich weiß, was das heißt, da mich mein Vater schon mal so genannt hat.

„Verzeihen Sie, aber bitte nennen Sie mich nicht Püppchen.“

Ihre Augen werden kaum merklich etwas schmaler.

„Aber das sind Sie doch. Eine neue Pupetta an Lucifer`s Seite.“

„Wie bitte?“ Ich schnappe nach Luft.

Sie stellt sich vor einen der Spiegel und zupft an ihrem teurem Kleid herum.

„Sie haben mich schon verstanden, Pupetta. Lucifer wird sehr schnell sein Interesse verlieren. Erst recht nachdem er Sie an Francesco ausgeborgt hat. Das ist der einzige Grund, weshalb Sie hier sind.“

Ich schüttle einfach nur meinen Kopf. Was fällt dieser blöden Kuh ein, soetwas zu behaupten?“

„Denn wenn Lucifer das nicht tut, platzt der Handel. Sie wissen schon, um was es geht.“

„Wie bitte?“

„Ach, Sie wissen auch das nicht? Dann halte ich lieber meinen Mund.“

Sie lächelt mich an und klimpert mit ihren Augen.

„Das wäre wohl das beste, denn da kommt nur scheiße heraus, wenn Sie mich fragen. Und nun entschuldigen Sie mich, Pupetta!“

Ich kann noch hören, wie sie den Wasserhahn betätigt. Dann verlasse ich den Raum und höre nur noch einen erschrockenen Schrei. Das Wasser wird wohl zu heiß für sie gewesen sein.

An der Bar bestelle ich mir einen doppelten Scotch.

Der Mann hinter dem Tresen schaut mich stirnrunzelnd an, als wäre es so unnormal, das eine Frau einen doppelten Scotch bestellt.

„Hier bitte“

Ich nehme das Glas und kippe mir die Hälfte in den Rachen und muss husten, weil der so verdammt in der Kehle brennt.

„Ein Glas Wasser bitte.“, bestellt Francesco plötzlich und klopft mir leicht auf den Rücken, bis ich mich wieder beruhigt habe. Doch seine Hand verharrt dort.

„Hier, trinken Sie.“

Ich nehme das Glas entgegen und trinken einen Schluck.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, wie hinreißend Sie in diesem eleganten Kleid aussehen?“

Seine Hand rutscht hinunter an meinen Hintern und ich stoße mich erschrocken von ihm weg. Dabei rämple ich einen anderen Mann von einem Hocker.

„Hey, pass doch auf!“

„Ich entschuldige mich für meine Begleitung. Sie hat ein wenig zu tief ins Glas geschaut.“ Er packt mich am Ellenbogen und zieht mich einige Meter weg. Ich reiße mich von ihm los.

„Lilith, ich möchte Sie nur an die frische Luft begleiten. Nichts weiter.“, versichert er mir. Ich fasse mir an meinen Kopf. Ich muss wirklich an die Luft. Und zwar schnell. Sonst ersticke ich noch in diesem mit Menschen befüllten Raum. Also folge ich Francesco. Doch als wir draußen angekommen sind und ich mich einige Meter weiter an die Hausfassade lehne und meine Augen schließe, presst er seine ekelhaften Lippen an meine. Ich stoße ihn von mir weg und hole aus, um ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Aber er fängt sie ab und holt stattdessen selber aus.

Reflexartig halte ich mir meine brennende Wange fest.

„Flittchen!“

Dann verschwindet er. Eine Träne rinnt aus meinem Auge. Meine Wange tut weh. Ist das eben wirklich passiert? Habe ich mir das nur eingebildet?

„Lilith?“

Ich schaue zu Lucifer hinüber. Er steht direkt vor dem Eingang und schaut sich gelassen nach mir um. Als er mich sieht, sieht er nicht mehr so gelassen aus. Er läuft zu mir und nimmt die Hand von meiner Wange.

„Was soll der schei...“ Er verstummt, als er meine Wange betrachtet.

Dann sieht er mir direkt in die Augen. „Francesco?“

Ich wende beschämt den Blick ab. Ich kriege kein einziges Wort heraus.

„Ich bring ihn um!“, brüllt er.

Voller Zorn löst er sich von mir. Meine Schockstarre löst sich und ich halte ihn fest.

„Du hast gesagt, du ziehst mich nicht in deine Geschäfte hinein!“, schreie ich ihn lauthals an. Er versucht mir den Mund zuzuhalten.

„Sei still!“, knurrt er und zieht mich an sich, damit es nicht aussieht, als würde er mich belästigen.

Ich beiße ihm in die Hand und er zieht sie zurück.

„Lass dich nie wieder bei mir blicken! Niemals wieder!“, fauche ich, schubse ihn und verschwinde, ohne mich nach ihm umzudrehen.

Ich wische mir vorsichtig die Tränen weg und versuche mein Augen Make Up dadurch nicht völlig zu zerstören. Sobald ich im Taxi sitze, fällt mir ein, das ich meine Tasche im Resteraunt liegen lasse habe.

Verfluchte scheiße!

„Stop!“, sage ich, bevor der Fahrer sich in Bewegung setzen kann und steige aus. Er ruft mir irgendwas hinterher, doch ich höre gar nicht hin. Mein Blick fiel auf meinen Boss, der mich ebenfalls sah und zu sich rüber winkte.

„Lilith, was ist denn mit Ihnen passiert? Ihre Wange ist ja ganz rot.“

Wenn Sie wüssten.

„Ach nichts weiter. Ich muss auch gleich weiter, ich habe meine Tasche im Restaurant liegen lassen.“

„Dort drin? Da sollten Sie lieber nicht wieder rein gehen. Da gab es eben eine ziemlich heftige... Schlägerei. Oder sowas ähnliches. “

„Wie meinen Sie das?“, will ich wissen.

„Na ja, eine Schlägerei wäre es gewesen, wenn der Herr die Chance gehabt hätte, sich zu wehren, doch er hatte keinen Chance gegen den jungen Mann.“

Lucifer hat Francesco verprügelt. Es wundert mich, dass noch nicht die Pilzei aufgetaucht ist.

Baldwin schaut kurz zum Eingang rüber und in diesem Augenblick stürmt Lucifer heraus. Er hat sogar meine Sachen im Arm.

O nein.

„Mr Baldwin, ich muss gehen.“, verabschiede ich mich mit einem Lächeln. Er nickt und steigt in mein Taxi. Ich gehe Lucifer entgegen. Sein Miene ist eisern wie Stahl, seine Lippen fest aufeinander gepresst und er zieht mich am Arm. Er kocht vor Wut, aber er schweigt, im Gegensatz zu mir.

„Finger weg von mir!“, keife ich, reiße ihm meine Sachen aus der Hand und krame mein Handy heraus. Ich rufe Mell an und frage, ob sie mich abholen kann. Mike traue ich mich nicht anzurufen, nachdem was zur Zeit alles vorgefallen ist. Er würde kochen vor Wut, wenn er wüsste, dass ich mich wieder mit Lucifer getroffen habe.

„Steig in meinen verdammten Wagen, Lilith!“, brüllt er mich plötzlich an. Passanten werfen uns Neugierige Blicke zu. Mr Baldwin ist zum Glück gleich ins Taxi gestiegen und muss sich das nicht mit anhören.

„Einen scheiß werde ich tun!“, sage ich mit zusammengepressten Lippen, um nicht ebenfalls so laut zu werden wie er.

„Ich warne dich...!“ Die Adern an seinem Hals treten deutlich hervor. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt.

„Wovor?“, provoziere ich ihn, drehe mich um und halte mir mein Handy ans Ohr.

„Hey Mell. Ich...“ Er reißt mir das Telefon aus der Hand, legt auf und steckt es in seine Hosentasche.

„Bevor ich dich dazu zwinge!“, zischt er laut und reißt mir meine Sachen aus der Hand. Dann öffnet er das Auto und wirft sie auf seinen Rücksitz, zusammen mit seinem Jackett und lockert seine Krawatte. Auf seinem Hemd ist Blut. Vermutlich von Francesco.

Er öffnet mir die Autotür.

„Das wirst du bereuen, Lucifer! Hast du verstanden!“, brüllt Francesco, der aus dem Laden geworfen wird. Vittoria sieht zu mir rüber und ich wende meinen Blick ab und steige in den Wagen. Eine andere Wahl habe ich schließlich nicht.
 

Er hat mich zu meinem Apartment gefahren. Die dicke Luft zwischen uns erdrückt mich fast. Und das bessert sich nicht, als wir beide allein im Fahrstuhl sind.

„Du hast gesagt...“, beginne ich. Da packt er mich und drückt mich gegen die verspiegelte Wand.

„Sei still!“, knurrt er und hält mir einen Finger warnend vor mein Gesicht. So verharren wir, bis sich der Fahrstuhl öffnet und er von mir ablässt, um ins Apartment zu gehen. Ich folge ihm.

Denkt er wirklich, ich lasse mir von ihm meinen Mund verbieten? Das kann er vergessen.

„Was sonst? Bringst du mich dann um?“ Meine Stimme bebt vor Wut.

„Wärst du nicht allein abgehauen, wäre das nicht passiert!“

„Du hast versprochen, mich davon fernzuhalten, aber du hast mich zu diesem Essen mitgenommen!“

Auf einmal macht er auf dem Absatz kehrt, kommt zu mir und holt mit seiner Faust aus.

Ich halte mir beide Hände vors Gesicht, da ich jeden Augenblick damit rechne, einen weiteren Schlag ins Gesicht zu bekommen, doch ich zucke vor einem lauten, dumpfen Knall zusammen und springe zurück. Er hat auf die Wand geschlagen und hinterlässt mit seiner Faust ein sehr großes Loch in der Wand. Zwei Bilder, die an dieser Wand hängen, fallen herunter und es gibt erneut ein dumpfes Geräusch.

„Halt endlich deine Klappe!“

Dieses Mal halte ich sie.

Er fährt sich durch die Haare und reißt dann seine Krawatte vom Hals. Ich beobachte, wie er zurück ins Wohnzimmer geht und folge ihm ganz langsam. Was soll ich machen? Er spricht nicht mit mir und ich darf nicht den Mund aufmachen. Und um ehrlich zu sein, habe ich ein bisschen Angst. Er ist unkontrollierbar. Diese Seite kenne ich noch nicht von ihm. Diese unfassbar aggressive und angsteinflößende Seite.

Er läuft auf und ab und scheint über irgendetwas nachzudenken, bis sein Blick erneut auf mich trifft und er mich fixiert. Da liegt plötzlich etwas anderes in seinen Augen. Ich kann es nicht genau deuten, aber mein Herz beginnt zu rasen.

„Du machst mich so unfassbar wütend, ist dir das bewusst?“

Mein Mund bleibt versiegelt. Wahrscheinlich würde ich auch gar keinen Ton heraus kriegen, wenn ich es versuchen würde.

„Ich weiß, dass es falsch war von mir, dich mitzunehmen, aber du hättest nicht so viel trinken sollen. Ich habe dir gesagt, du sollst langsam trinken und du hast den Wein in dich hineingeschüttet, als würdest du halb verdursten, verdammt“ Er wird immer lauter, je mehr er spricht und mir Vorwürfe macht.

Er dreht sich kurz um und verpasst der Vase, die auf dem Abstelltisch, neben meiner Couch steht, einen gewaltigen tritt. Mit hoher Geschwindigkeit fliegt sie gegen die Wand und verfehlt nur knapp das Fenster.

„Hör auf!“, flehe ich laut.

„Er sagte, es würde nur ein essen unter alten Freunden werden. Ohne Hintergedanken. Ich hätte es besser wissen sollen!“ Er setzt sich auf die Couch und ich laufe ins Badezimmer. Mein Versuch, die Tür zu schließen, wird von Lucifer verhindert.

Er spaziert zu mir rein und bleibt direkt vor mir stehen. Sein Atem geht schwer, seine Haare sind völlig zerzaust und sein Hemd ist fast komplett offen.

Als er mein Gesicht anfassen will, schlage ich seine Hand weg, daraufhin packt er und küsst mich hart. Ich wehre mich nicht dagegen.

Ich liege im Bett, mit offenen Augen und konzentriere mich auf die Dunkelheit.

Lucifer liegt immer noch neben mir. Am liebsten würde ich mich umdrehen und sagen, dass ich möchte, dass er geht. Ich brauche Abstand, denn das, was heute Abend passiert ist, war mir eindeutig zu viel. Er hat mich angebrüllt und mir Angst gemacht. Und trotzdem habe ich mit ihm geschlafen. Weil ich mich nicht wehren wollte. Und obwohl er mich anfangs grob behandelt hat, wurde er, sobald wir im Bett waren, zärtlich und behutsam zu mir, als hätte er unfassbar Angst, mir körperlich weh zu tun.

"Lilith?", flüstert er. Ich reagiere nicht und schließe meine Augen.

Bitte geh!

Er steht tatsächlich auf und fängt an, sich leise anzuziehen und sobald er das Schlafzimmer verlassen hat und ich höre, wie der Fahrstuhl betätigt wird, schnappe ich mein Handy und schreibe Mike.

Bist du zu Hause?

Ich hoffe das er dass ist.

Ja, wieso?, schreibt er.

Ich antworte ihm sofort.

Kann ich vorbei kommen?

Er schreibt nur Klar und ich mache mich sofort auf dem Weg, nachdem ich mich geduscht und angezogen habe.

Vor seiner Tür schaue ich unter der Fußmatte nach seinem Ersatzschlüssel und schließe damit die Tür auf. Er liegt auf der Couch, fast eingeschlafen. Es ist ziemlich dunkel, nur der Fernseher erhellt sein Wohnzimmer ein klein wenig. Ich ziehe meine Schuhe aus, gefolgt von meiner Jacke und ehe ich etwas zu Mike sage, hebt er die dünne Decke an, mit welche er auf der Couch liegt, damit ich mich zu ihm legen kann.

Sobald er die Decke um uns verteilt hat, zieht er mich an sich und erzählt mir wie sein heutiger Tag war. Ich bleibe während dessen still und horche ihm, bis ich ganz langsam einschlafe und nicht mehr mitbekomme, was er dann erzählt.
 

"Wollen wir was trinken gehen?"

Ich tippe eine Nachricht an Mike, bevor ich ihr antworte.

"Ich weiß nicht. Ich bin ein bisschen müde.", erkläre ich ihr. Mell verzieht ihre Lippen zu einem Schmollmund.

"Bitte lass uns ins Luce gehen!", bettelt sie.

"Auf keinen Fall."

Und dabei bleibe ich auch. Ich habe seit drei Tagen nicht auf Lucifers Anrufe reagiert. Es waren nur drei und die waren alle von vor zwei Tagen, aber das spielt ja keine Rolle. Ich brauche diesen Abstand. Ich sollte mich von ihm fernhalten. Im Moment gelingt mir das ziemlich gut. Auch wenn ein naiver, dummer Teil von mir ihn unbedingt wieder sehen will.

"Wieso nicht?"

"Es hat geschlossen, Mell.", antworte ich tonlos. Sie runzelt ihre Stirn, was ich ignoriere.

"Dann rufe ich Lucifer an und frage, ob er uns rein lässt. Das Angebot hat er mir neulich gemacht."

Mich wundert bei den beiden wirklich gar nichts mehr. Ich bin wirklich nicht überrascht darüber.

"Ich fahre jetzt nach Hause. Mach was du willst. Ihr scheint ja die besten Freunde geworden zu sein."

Ich brauche Mell nicht ansehen, um zu wissen, dass sie etwas entsetzt ist, doch ich steige einfach in Mikes Wagen und fahre auf direktem Weg in mein Appartement, um meinen Laptop zu holen und um anschließend wieder zu Mike zu fahren. Ich übernachte seit ein paar Tagen bei ihm. Das ist zwar keine Lösung für längere Zeit, aber die paar Tage weg aus diesem Appartement tun mir gut. Und ich mag es bei Mike. Die Zeit, die ich dort gewohnt habe, waren zwar ab und zu wirklich anstrengend, aber seine vier Wände vermitteln mir immer noch das Gefühl von einem zu Hause.

Als ich dort bin, hole ich meinen Laptop und suche die dazugehörige Tragetasche, doch dann bekomme ich einen Anruf. Ich nehme ab, ohne aufs

Display zu schauen.

"Hallo?"

"Wo bist du?"

"In meinem Appartement.", antworte ich ihm kurz und knapp.

"Kommst du heute nicht zu mir?", fragt er.

"Doch, natürlich. Ich hole nur schnell meinen Laptop und dann fahre ich auf direktem Weg zu dir."

"Gut, bis gleich Lily."

"Bis gleich Mike."

Ich lege das Handy bei Seite und puste mir eine Locke von der Stirn, als es plötzlich an meiner Schlafzimmertür klopft und ich erschrocken aufschaue.

"Du hast meine Anrufe ignoriert.", sagt Lucifer.

Er trägt einen schwarzen Dreiteiler, seine Haare liegen wie immer perfekt und er ist frisch rasiert. Ohne den Dreitagebart wirkt er jünger, aber nicht weniger dominant, wie ich es eigentlich erwartet habe.

"Wolltest du etwas wichtiges?" Etwas besseres fällt mir nicht ein. Wie erbärmlich.

Er schüttelt seinen Kopf und betrachtet meine nachdenkliche Miene.

"Was ist?", will er wissen.

"Was soll sein?", frage ich und setze mich auf mein Bett. Er tritt vor mich und legt zwei Finger unter mein Kinn, doch ich nehme vorsichtig seine Hand weg.

"Wieso willst du nicht, dass ich dich anfasse?"

"Ich will es im Moment einfach nicht."

"Lilith macht also grundlos einen auf kalt und unnahbar?", provoziert er mich. Ich springe nicht darauf ein, weshalb er sich neben mich auf das Bett setzt, ohne mich zu berühren.

"Ich habe dich drei Tage in Ruhe gelassen und ob du es glaubst oder nicht, das fiel mir verdammt schwer und jetzt willst du dich nicht mal von mir anfassen lassen. Was muss ich tun, damit ich dich berühren darf?"

"Du hast mir Angst gemacht. Ich dachte du..."

"Du dachtest ich tu dir weh?", fragt er fassungslos, fängt sich aber schnell wieder.

Einen Augenblick lang sitzen wir schweigend da.

„Ich hätte dir nicht wehgetan.“, beteuert er. „Du machst mich zwar manchmal unfassbar wütend, aber es würde niemals, das schwöre ich, dazu kommen, dass ich dich schlage oder dir anderweitig Schmerz zufüge.“

„Lucifer...“

Doch bevor ich etwas sagen kann, steht er auf und will gehen, ehe er nochmal stehen bleibt und kurz inne hält.

„Solltest du den Drang verspüren, dich wieder mit mir treffen zu wollen, kannst du dich jederzeit bei mir melden. “ Dann verschwindet er und ich lasse mich nach hinten auf das Bett fallen und starre an die Decke.

Auch wenn ich ihn eigentlich nicht mehr sehen wollte und mir fest vorgenommenen habe, mich absofort von ihm fernzuhalten, habe ich gehofft, dass wir noch weiter reden und er nicht einfach verschwindet. Ich wollte ihn aber auch nicht aufhalten, denn irgendwas hat mich daran gehindert.

Deine Gefühle für ihn.

Gefühle, die nicht sein sollten und die ich drei Tage versucht habe zu verdrängen, sodass sich diese drei Tage wie eine Ewigkeit angefühlt haben.

Ich fasse mir mit beiden Händen ins Gesicht. Es bringt nichts, sie zu verdrängen, denn sie sind immer noch da und verschwinden nicht einfach so schnell. Lucifer löst so viele verschiedene Sachen in mir aus. Dadurch habe ich keine Kontrolle mehr über mich selbst. Es ist fast so, als würde ich ihn viel länger kennen, als einen Monat. Als wären die Gefühle schon immer da gewesen.

Ich stehe auf, schnappe mir Jacke und Autoschlüssel und fahre ins Luce, in der Hoffnung, dort auf Lucifer zu treffen.

Ich sitze immer noch im Auto und starre das nicht beleuchtete Schild an, dass Samstags bisher immer beleuchtet gewesen ist. Weit und breit sind keine Menschen zu entdecken, die unbedingt ins Luce wollen, um eine vergessliche Nacht in diesem Club verbringen zu dürfen.

Ich sollte wieder los fahren. Es hat ganz offensichtlich nicht geöffnet. Also starte ich den Motor, drehe die Musik aus, aber bevor ich losfahre wage ich noch einige Blicke zur Tür, in der Hoffnung, dass betrunkene Menschen aus dem Club gestolpert kommen, doch stattdessen geschieht etwas ganz anderes. Eine kleine Gruppe schick angezogener Frauen schauen sich dort um. Eine von ihnen diskutiert mit den anderen und versucht die Tür zu öffnen. Genau in diesem Moment kommt ein groß gebauter, muskulöser Mann heraus, der mir bereits sehr bekannt ist. Lucifers gruseliger Türsteher. Er hat mich bisher immer rein gelassen. Die Mädels jedoch scheint er wegschicken zu wollen.

Ich schnappe meine Tasche, steige aus dem Wagen und laufe direkt auf ihn zu.

Er entdeckt mich sofort und kommt mir bereits entgegen, sodass ich stehen bleibe. Die Mädels bleiben mit verschränkten Armen stehen und betrachten mich.

„Ich muss zu Lucifer.“, erkläre ich, bevor ich versuche an ihn vorbei zu gehen, jedoch packt er mich am Oberarm und zieht mich mit einem kräftigen Ruck zurück.

„Lilith, du kommst heute nicht rein.“, sagt er völlig emotionslos und ich schaue verwirrt zu ihm auf.

„Hat Lucifer gesagt, dass du mich nicht rein lassen sollst?“, frage ich.

„Verschwinde. Komm morgen wieder.“ Mehr sagt er nicht. Er dreht sich um, lässt mich stehen und erklärt den Frauen, dass sie ebenfalls nicht rein kommen. Als die eine laut wird, scheint er abgelenkt zu sein. So schnell lasse ich mich nicht abwimmeln. Ich gehe unauffällig zur Tür und öffne sie, während mein Blick immer wieder zu meinem großen, emotionslosen, gruseligen Freund gleitet, der damit beschäftigt ist, eine Gruppe angetrunkener, wütender Frauen wegzuschicken, die nicht weggeschickt werden wollen. Leise öffne ich die schwere Tür, gehe hinein und schließe sie. Mein Blick fällt auf den Schlüssel, der noch steckt.

Tut mir leid mein Freund, aber du kommst hier nicht mehr rein.

Ich schließe die Tür ab und und mein Handy beginnt zu vibrieren. Ich schaue aufs Handy und lese Mikes Nummer. Ich seufze tief. Dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich will nur Lucifer finden und mit ihm sprechen. Aber vor allem möchte ich weg von der Tür, denn so wie es sich anhört, hat mein Freund gemerkt, dass ich drin bin.

Ich schiebe mich durch die zweite Tür und dann die Treppe runter. Nach jeder weiteren Treppenstufe, wird mir unbehaglicher. Das Licht um mich herum ist dunkelrot. In der Luft liegen komische Gerüche. Zigarettenqualm, verschiedene Parfüms und... Sex. Dann öffne ich die letzte Tür und betrete den Raum. Besser gesagt, ich bleibe oben auf der Treppe stehen, halte mich am Geländer fest und blicke mich um. Erstarrt bewege ich mich keinen einzigen Zentimeter, denn was ich hier sehe, lässt mir das Blut in den Adern erfrieren.

Was zur Hölle ist das?

In einer Ecke, wird eine Frau von einem Mann gevögelt, der sie gleichzeitig mit... beißt? Er beißt sie, aber nicht auf erotische Art und Weise.

Verdammt er saugt sie aus. Das ist ein Gottverdammter Vampir.

Mein Blick gleitet zu anderen Leuten, die einander befummeln und eine rote Flüssigkeit von einander ablecken, die welche sie sich über ihre Körperteile fließen lassen.

In einer weiteren Ecke sitzen nur Frauen, die sich unterhalten und irgendetwas in ein Buch kritzeln.

Und genau eine dieser Frauen bemerkt mich. Sie blickt in meine Richtung und ihre Augen weiten sich kaum merklich.

Wir sehen uns direkt an und auf einmal schauen mich alle an. Sie durchbohren mich mit ihren Blicken. Doch sie sehen nicht aus, als würden sie mich für einen Eindringling halten. Etwas anderes liegt in ihren Augen.

Erneut blicke ich zu der Frau und sie steht auf. Mit einer Kopfbewegung signalisiert sie mich, nach

unten zu kommen.

Mein Gang ist nervös und langsam, denn ich werde weiterhin von allen angestarrt.

Die mysteriöse Frau geht an die Bar und ich folge ihr, versuche krampfhaft, nicht auf die Augen zu achten, die mich beobachten. Sie trägt ein schwarzes, sehr kurzes Kleid. Ihre dunklen, langen Haare sind glatt und zu einem Zopf geflochten. Als ich ihr näher komme, betrachte ich ihr makellos schönes Gesicht, das von einer kleinen Narbe an ihrer Wange geziert ist.

„Dich hier zu treffen, habe ich zwar nicht erwartet, aber ich bin trotzdem froh, dich zu sehen.“ Ihre Stimme ist weich, aber trotzdem dominant und auf eine komische Art wirkt sie vertrauenswürdig.

„Sie kennen mich?“

Eine nackte Frau bietet mir ein komisches, dunkelrotes Getränk an und ich nehme eins von ihrem Tablett, damit sie wieder verschwindet.

„Mein Name ist Juliana. Und ich weiß auch wer du bist. Wir kennen uns.“

Sie steckt sich eine Zigarette in den Mund und zündet sie an, bevor sie mir eine anbietet.

Eigentlich will ich ablehnen, doch ich nehme sie an, stecke sie mir langsam zwischen die Lippen, damit Juliana sie mir anzünden kann.

„Wie meinst du das?“ Ich kenne diese Frau nicht. Ihr Gesicht kommt mir nicht bekannt vor.

„Dein Name ist Lilith. Lucifer hat mir von dir erzählt.“, erklärt sie.

Hat er das? Wieso sagte sie dann, dass wir uns kennen?

„Du stehst ein bisschen... unter Schock, schätze ich. Trink das. Dann geht es dir besser.“

Sie deutet auf das dunkelrote Getränk in meiner Hand.

„Was ist das?“, will ich sicherheitshalber wissen.

„Es ist ungefährlich für dich. Schließlich bist du ja sozusagen wie wir.“

„Wie ihr? Ihr seid...“

„Trink es.“, befiehlt sie sanft und streicht mit ihren weichen Fingerspitzen über meine Wange.

Ihre Augen glänzen und schimmern im roten Licht.

„Nein.“ Ich stelle das Glas ab und drücke de Zigarette in einem Aschenbecher aus.

Sie scheint verwirrt und beeindruckt zu sein, zieht genüsslich an ihrer Zigarette und verschränkt ihre Arme.

„Ich zeige dir, wo Lucifer ist, aber er wird nicht erfreut sein, dich hier zu sehen.“

Sie hält mir ihre Hand hin, jedoch schüttle ich meinen Kopf und deute ihr, dass sie vorgehen soll. Sie erwidert meine Abfuhr nur mit einem Lächeln und führt mich dann zu einem Raum, in dem ich noch nie war. Wir müssen durch einen kleinen Gang und dann öffnet sie die Tür.

„Viel Glück Llilith.“

Als ich reingehe, entdecke ich Vittoria. Sie sitzt auf einer roten Ledercouch und bemerkt mich erst, als Lucifer, der kein Hemd trägt, zu mir rüber sieht.

Seine Augen weiten sich und Vittoria beginnt zu lachen.

„Verfluchte scheiße... Was tust du hier?“, brüllt Lucifer mich an. Mein Blick wandert von Vittoria, die in einem dünnen, seidenen Morgenmantel da sitzt, zu Lucifer, der kein Hemd mehr trägt.

„Ich hätte nicht herkommen sollen. Tut mir leid.“, sage ich tonlos und drehe mich um, um zu verschwinden. Lucifer hatte ganz offensichtlich mit ihr Sex und hat somit unseren Deal mit den Füßen getreten, aber was habe ich anderes erwartet. Das er mir treu bleibt? Wie in einer richtigen Beziehung? Ich hätte es von Anfang an besser wissen müssen, aber ich war zu naiv.

„Da hat sie recht.“

Als ich ihre Stimme höre, reiße ich meinen Kopf herum, hebe meine Hand und drücke sie zu einer Faust zusammen. Ihr Glas, dass sie in der Hand hält, zerspringt in tausend Teile und sie springt erschrocken vom Sofa auf.

„Merda!“

Lucifer, der mir erst folgen will, bleibt abrupt stehen und schaut erst zu Vittoria, die selbst ziemlich erschrocken wirkt, dann zu mir. Erst als ich, über mich selbst erschrocken, meine Hand runter nehme, merke ich, was ich getan habe. Ich habe nicht nur Vittorias Glas zum zerspringen gebracht, sondern alles, was aus Glas in diesem Raum bestand, liegt nun verteilt im ganzen Raum.

Wie habe ich das gemacht? Das habe ich zuvor noch nie getan. Beim betrachten meiner Hände fällt mir auf, wie rot sie sind, doch es verblasst augenblicklich wieder.

„Verschwinde!“, knurrt Lucifer. Doch er meint nicht mich, sondern Vittoria. Sie steht auf und ich mache ihr Platz, damit sie gehen kann. Lucifer kommt auf mich zu. Er knallt die Tür zu, packt mich am Arm und schubst mich auf das Ledersofa.

„Wer hat dich reingelassen?“, will er wissen.

„Ich habe mich rein geschlichen.“

Wütend läuft er auf und ab und kneift sich in den Nasenflügel. „Wäre ich nicht so unfassbar erleichtert, dass zu gekommen bist, dann wäre ich jetzt...“

Weil ich mich im Moment unfassbar mutig fühle, stehe ich auf und gehe zu Lucifer. Versuche, seine Hand zu ergreifen, doch er geht einen Schritt zurück und schaut mich total verwirrt an. Seine Wut scheint wie weggeblasen. Keine Ahnung, ob das nun gut oder schlecht ist.

„Was wird das?“, will er wissen.

„Ich will nur, dass du dich beruhigst.“, erkläre ich vorsichtig und gehe ebenfalls einen Schritt zurück, da mir seine Abfuhr einen Stich verpasst hat. Jetzt weiß ich, wie er sich gefühlt haben muss, als ich nicht von ihm berührt werden wollte. Das ist ein mieses Gefühl.

„Ich bin ruhig.“

„Bist du nicht“

„Doch, bin ich!“, erklärt er mir knurrend.

Als ich nur den Kopf schüttle, fährt er sich mit beiden Händen durchs Haar und holt tief Luft.

„Du hättest nicht herkommen sollen. Ich hab dir gesagt, du sollst dich telefonisch bei mir melden. Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin?“

„Keine Ahnung, ich bin einfach hergefahren. Ich wusste nicht, was hier... los ist. Und es tut mir leid. Ich weiß selber nicht, wieso ich hergekommen bin. Du hast ja bereits Ersatz für mich gefunden.“, stelle ich fest und schaue mir den Dreck an, den ich verursacht habe. Überall liegen Glasscherben und Blumenwasser ist auf dem roten Teppich verteilt.

„Was?“

Ich drehe mich zu ihm und deute auf sein nackten Oberkörper und das Hemd, das unordentlich auf dem Ledersofa liegt.

„Verarsche mich nicht, Lucifer. Die Spielchen mache ich nicht mit. Sag mir, wenn du was mit ihr hattest, dann ist die Sache beendet und du bist mich los. Ich werde dir auchnicht sauer sein.“

Während ich mich bemühe, sachlich zu sprechen, versuche ich gleichzeitig, dieses unangenehme stechen in meiner Brust zu ignorieren. Nein, ich werde nicht sauer auf ihn sein. Sondern auf mich. Weil sich der naive Gedanke, von einer richtigen Beziehung mit Lucifer, in mein dummes Köpfchen geschlichen hat.

Er blickt mir in die Augen, aber ich wende mich ab.

„Zwischen Vittoria und mir ist nichts passiert. Jedenfalls nicht das, was du denkst. Ich will die Sache mit dir nicht beenden.“ Er macht einen Schritt auf mich zu. Ich weiche zurück und hebe abwehrend meine Hände. Daraufhin bleibt er stehen.

„Dann zieh mich nie wieder in solch Sachen hinein!“

„Das hatte ich nie vor, ich...“, versucht er zu erklären, bevor ich ihn unterbreche.

„Das habe ich verstanden, aber das ist nicht das einzige, was ich zu sagen habe.“

Ich atme einmal tief durch. „Mach mir nie wieder so eine Angst. Niemals wieder! Tut mir leid, wenn ich dich manchmal wütend mache, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, so mit mir umzugehen. Von mir aus kannst du mich anbrüllen und mit mir streiten, obwohl man gewisse Dinge auch normal miteinander klären kann, aber behandle mich nie wieder so grob, wie du mich an diesem Abend behandelt hast. Versprich es mir!“

„Ich verspreche es.“

Ich wünsche mir, dass ich ihm glauben könnte. Trotzdem akzeptiere ich seine Antwort. Weil ich nicht anders kann. Dieser Mann hat irgendwas an sich. Nicht nur sein unfassbar gutes, perfektes aussehen, oder sein durchtrainierter, muskulöser Körper. Das sind nur die Sachen, die mich ihn begehren lassen. Irgendwas an seiner Art fasziniert mich und ich will ihm näher sein. Ihn besser kennenlernen. Ich will ihn verstehen können.

„Gut. Dann wäre alles geklärt. Ich gehe jetzt. Und bitte halte mir deinen Freund da draußen vom Hals.“

Er schmunzelt. Ehe ich an ihn vorbeigehen kann, greift er nach meiner Hand und hindert mich am weiter gehen. Nur um meinen Handrücken zu küssen.

„Wie machst du das nur?“, fragt er, aber ich habe keinen blassen Schimmer wovon er spricht.

„Wie mache ich was?“

Mit dem Kopf schüttelnd, legt er einen Arm um meine Hüfte und zieht mich an sich. Das beweist mal wieder, wie schlimm seine Stimmungsschwankungen wirklich sind. Erst ist er stinksauer auf mich und im nächsten liebkost er mich sanft und mit, wenn ich es nicht besser wüsste, sehr viel Gefühl.

„Du bleibst heute bei dir im Apartment. Ich will nicht, dass du zu Mike fährst.“, sagt er, ehe er mich küsst und loslässt, um sich sein Hemd anzuziehen. Ich beobachte ihn mit verschränkten Armen.

„Woher weißt du davon?“, will ich wissen. Ob er mich von jemanden ausspionieren lassen hat?

„Tja“

„Wenn ich schon nicht zu Mike gehen darf, kommst du dann wenigstens mit zu mir, oder musst du hier bleiben, damit alles unter Kontrolle bleibt?“

„Das würde dir sicher gefallen, wenn ich mit zu dir kommen würde, richtig?“ Der scharfe Ton in seiner Stimme provoziert mich.

„Dir etwa nicht?“

„Ich würde an einem Abend wie diesen nichts lieber machen, als dir die Klamotten vom Leib zu reißen, um dir anschließend zu befehlen, dich auf allen vieren aufs Bett zu positionieren, damit ich dich hart ficken kann, während ich an deinen Haaren ziehe und du meinen Namen stöhnst.“

Ich schlucke und er hört auf, sein Hemd weiter anzuziehen, zieht es stattdessen wieder aus und öffnet seinen Gürtel. Ich weiß, was er vor hat.

„Würdest du mich das tun lassen?“, fragt er mich mit noch tieferer Stimme als sonst.

Ich sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Daraufhin erwidert er meinen Blick und legt seinen Kopf dabei schief, während er langsam auf mich zu kommt. Seine Augen funkeln wie die eines Raubtiers und ich fühle mich wie die Beute.

„Ich habe eine bessere Idee: Wir fahren zu mir und dann...“ Bevor ich aussprechen kann, beschleunigt er sein Schritttempo. Er packt mich und reißt meine Bluse auseinander. Die Knöpfe reißen ab und fallen zu Boden, genauso wie meine Bluse. Erschrocken weiche ich zurück, doch er packt mich erneut, drückt mich gegen die geschlossene Tür und öffnet den Knopf und Reißverschluss meiner Hose, bevor er vor mir auf die Knie geht und sie mir herunterzieht.

Als ich mich nicht bewege und er mir die Hose nicht richtig ausziehen kann, sieht er zu mir hoch.

„Darf ich?“, bittet er um Erlaubnis und ich nicke stumm, bin immer noch völlig überrumpelt und steige aus meiner Hose hinaus. Dann, ohne Vorwarnung, zieht er meinen Slip hinunter und vergräbt seinen Kopf zwischen meine Beine. Als seine Zunge meinen Kitzler trifft, greife ich ihm ins Haar. Keuchend stöhne ich seinen Namen...

Doch dann befinde ich mich nicht mehr dort. Es ist, als hätte ich das eben geträumt. Ich kann mich kaum nach an das erinnern, was eben passiert ist. War ich eben noch in mein Appartment? Nein, ich war auf dem Weg zu Lucifer...

Es ist alles so dunkel um mich herum. Ich kann kaum etwas sehen. Doch dann rauscht ein Auto an mir vorbei und ich spüre die eisige Kälte auf meinem Körper. Ich trage nichts außer einer schwarzen Jeans und eine hellblaue Bluse.

Ich laufe schnell und meine Schritte sind laut. Keine Ahnung, wohin ich gehe, aber ich tue es einfach. Mein Atem geht ganz schnell, ich bin ein wenig aus der puste. Doch dadurch lasse ich mich nicht aufhalten. Ich muss weiter gehen. Weg von hier. So schnell wie möglich.

„Bleib endlich stehen!“, ruft er mir zu.

Nein, ich bleibe nicht stehen. Ich gehe weiter.

„Lilith, bitte“

Eine warme Hand umfasst mein Handgelenk und hindert mich am weiter gehen. Also drehe ich mich um, aber sehe ihn nicht an. Ich kann ihn nicht ansehen. Nicht nachdem, was grad passiert ist.

„Wir müssen darüber reden. Du musst mir zuhören.“

„Ich will nicht.“ Ich kann nicht, möchte ich eigentlich sagen. Ich bin viel zu verletzt, aber das sage ich ihm nicht. Wieso hast du das getan, Jack? Was hat es dir gebracht?

„Lilith... ich...“

„Nein Jack!“

Ich sehe auf. Musik dröhnt in meine Ohren. Es ist viel zu laut auf einmal.

„Hast du gehört?“, fragt mich Lucifer. Er sieht anders aus. Anders, als ich ihn in Erinnerung hatte.

Träume ich? War ich nicht eben noch ganz woanders, mit einer ganz anderen Person? Oder war ich die ganze Zeit hier.

Lucifer greift nach meiner Hand. „Du hast mir gar nicht zugehört.“

Ich schüttle meinen Kopf und trinke von meinem Getränk. Hatte ich das schon die ganze Zeit in der Hand?

Cranberrysaft mit Vodka, Kirschsaft und einem Schuss Tequila. Ich lächle. Mein Lieblingsgetränk.

„Ich finde, wir sollten nach Hause gehen. Ich will allein mit dir sein.“, flüstert er und macht einen Schritt auf mich zu, bevor er den Kristalltumblr an seine Lippen führt und den Rest von der bräunlichen Flüssigkeit in sich schüttet. Die Idee gefällt mir. Ich will auch nach Hause. In unser zu Hause.

Er drückt meine Hand, hebt sie an seine Lippen und küsst sie.

„Ich bin auch dafür, zu gehen.“ Ich lächle und fühle mich glücklich. Schmetterlinge in meinem Bauch flattern wie wild umher, je länger ich Lucifer ansehe.

Sein Lächeln ist liebevoll. Seine Augen sehen niemanden außer mich. Und ich sehe nur ihn.
 


 

Lucifer
 

Sie sitzt neben mir im Auto. Ihr Lider geschlossen, ihr Atem hat sich wieder beruhigt. Sie sieht etwas gutes. Und murmelt dabei meinen Namen.

Lucifer

Immer wieder. Musik in meinen Ohren. Sie soll ihn nochmal flüstern.

Als ich an einer roten Ampel halte, sehe ich zu ihr rüber. Sie lächelt. So habe ich sie noch nie lächeln gesehen. Und es erfüllt mich mit etwas undefinierbaren. Vor allem, weil sie eben meinen Namen geflüstert hat. Das bedeutet, ich bin der Grund, wieso sie so lächelt und hoffentlich auch bald im wachen Zustand lächeln wird.

Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihrem Gesicht aus, um ihr die rote Flüssigkeit, die noch an ihren Lippen klebt, weg zu wischen. Aber beim wegwischen, halte ich kurz inne und betrachte sie einmal ganz genau.

Sie sieht so unglaublich schön aus, wenn sie schläft und von mir Visionen hat.

Dann schaue ich nach vorn und stelle erschrocken fest, dass die Ampel schon grün ist und fahre weiter. Ich muss sie ins Bett bringen. Wenn sie aufwacht, muss sie irgendwo sein, wo sie sich wohlfühlt. Und ich hoffe, dass ihr Apartment dafür der richtige Ort ist. Sehr lange wohnt sie schließlich noch nicht dort.
 

Nachdem ich es geschafft habe, sie ins Bett zu bekommen, ohne dass sie aufgewacht ist, entledige ich mich meines Jackets und lockere meine Krawatte, ehe ich es mir auf den runden, dunkelbraunen Ledersessel, in der Ecke des Zimmers, gemütlich mache. Ich wische mir mit beiden Händen übers Gesicht und streiche meine Haare nach hinten. In dieser Position verharre ich einige Sekunden. Wenn nicht Minuten. Dabei lasse ich Lilith nicht aus dem Auge.

Wenn sie aufwacht, wird sie sich entweder an nichts erinnern oder sie wird glauben, sie hat das alles nur geträumt haben. Dabei ist das, was sie dort drin erlebt, alles andere als ein Traum.

Was werde ich ihr sagen, wenn sie aufwacht? Soll ich ihr die Wahrheit sagen? Oder soll ich sie in dem glauben lassen, dass sie das wirklich nur geträumt hat?

Ich hasse es, sie anzulügen. Aber das ist wohl das beste.

Ich lehne mich entspannt zurück und beobachte sie weiterhin. Keinen Zentimeter hat sie sich bisher bewegt. Ob ihr kalt ist? Ich habe sie nur auf das Bett gelegt, ohne sie zugedeckt zu haben.

Soll ich sie zudecken?

Ich stehe auf und decke sie zu. Dann setze ich mich wieder hin und lehne mich zurück.

Ihr Atem geht schneller. Ihre Finger zucken.

Bleib ruhig, Lucifer.

Ich lasse sie solange nicht aus dem Blick, bis ihr Atem wieder langsamer wird und ihre Finger ruhig bleiben. Dann schließe ich die Augen. Ich bin müde. Mehr als müde. Aber ich darf nicht einschlafen. Ich bleibe niemals über Nacht. Und bei ihr mache ich keine Ausnahme.

Wach bleiben!
 

1923
 

Lucille sitzt dort. Sie streicht mit ihren zarten, kleinen Fingern über die Seite, des alten Buches, welches sie sich aus meinem Regal genommen hat. Ich beobachte sie dabei. Ihre schwarzen, mittelangen Haare sind wild gelockt und unfrisiert. Sie trägt ein weißes Hemd und eine schwarze, weite Hose. Sie ist gekleidet wie ein Mann, sieht aber eleganter aus, als jede Frau, die ich bisher gesehen habe.

Als sie aufiseht, fühle ich mich ertappt von ihr. Ich habe sie angestarrt. Und sie lächelt darüber. Es ist ein sanftes Lächeln und wärmt mich im inneren.

„Du lächelst viel zu selten.“, sagt sie.

Ich zucke mit meinen Schultern. „Du auch.“, eriwidere ich und lächle.

„Wie war deine Nacht gestern?“, fragt sie mich.

Wieder Schulterzucken. „Wenn du wissen willst, ob ich eine nette Dame ins Hotel gebracht habe, dann musst du mich das nur fragen.“

„Hast du gestern eine nette Dame verführt?“

„Nein. Ich lag brav in meinem eigenen Bett.“ Ich grinse. Bin stolz auf mich selbst. Dafür lag ich fast die ganze Nacht wach, habe an Lucille gedacht und mir dabei mehrmals einen runtergeholt.

Sie nickt. Richtet ihren Blick wieder auf die aufgeschlagene Seite des Buches, das auf ihrem Schoss liegt. Aber sie liest nicht. Sie tut nur so. Denkt über etwas nach und runzelt kaum merklich ihre Stirn. Irgendwas beschäftigt sie. Vielleicht das, was gestern passiert ist?

„Wie war deine Nacht?“

Sie hebt ihren Kopf nicht an. Dabei will ich so sehr, dass sie mich anschaut. Mir sagt, dass sie auch nicht schlafen konnte. Dass sie an mich gedacht hat. An das, was passiert ist.

„Ich habe gut geschlafen, in meinem Bett, danke der Nachfrage.“

Das ist alles, was sie zu mir sagt. Ich seufze lautlos.

„Willst du nicht darüber sprechen?“, frage ich sie. Endlich schaut sie mich an. Fragend.

„Wovon sprichst du?“

„Über das, was du gemacht hast.“

„Was habe ich denn gemacht?“

„Du weißt es nicht mehr?“

Sie schüttelt ihren Kopf. „Lucifer, ich habe gestern... ich habe gestern Vampirblut getrunken..“, gesteht sie.

Sie macht Scherze? „Du trinkst dieses Zeug immer noch?“

„Ich bekomme dadurch klarere Visionen. Aber vergesse oft, was ich tue, kurz nachdem ich es eingenommen habe. Die Wirkung tritt irgendwie schneller ein, als sonst... Es ist ganz komisch.“

„Wenn du dich nicht mehr an das erinnerst, was du vorher getan hast, wieso trinkst du es dann?“

Sie seufzt. Leise, aber hörbar. Vorsichtig schlägt sie ihr Buch zu und legt es endlich bei Seite. Endlich habe ich ihre volle Aufmerksamkeit.

„Ich erinnere mich an die Visionen. Nur nicht mehr daran, was ich tue, kurz nachdem ich es eingenommen habe. Meine Realität und meine Visionen fangen an sich zu vermischen und ich unterscheide nicht mehr, was Realität und was Vision ist.“, erklärt sie mir ruhig und langsam.

„Du hast mich geküsst.“, platzt es aus mir heraus. Ihre Augen weiten sich. Aber dann, ganz plötzlich und für mich völlig unverständlich, fängt sie an zu lachen. Sie lacht. Ich kann nicht glauben, dass sie mich auslacht. Soll ich wütend sein? Bin ich wütend? Ja, es macht mich wütend, dass sie mich auslacht. Mehr als das. Am liebsten würde ich...

„Ein Kuss, Lucifer. Es war nur ein Kuss.“, antwortet sie, nachdem sie sich ganz langsam wieder beruhigt hat und ich sie mit zusammengekniffenen Augen anschaue.

„Was ist daran so witzig?“, knurre ich sie an und sie schüttelt grinsend ihren Kopf. Verdammt, ich hasse es, sie nicht einschüchtern zu können. Ich hasse es, dass sie über mich lacht. Und ich hasse es, dass mich das so verdammt anmacht. Ich will sie von der Couch zerren, ihr diese Sachen vom Leib zerren und ihr zeigen, wie sehr ich es hasse, wenn man mich auslacht.

Stattdessen bleibe ich sitzen und versuche mich so hinzusetzen, dass sie meine Erektion nicht bemerkt. Ich bin so unfassbar hart, dass wenn ich auch nur noch einen Bruchteil der Sekunde daran denke, wie sie unter mir liegt und meinen Namen stöhnt und keucht, kommen würde.

Hör einfach auf zu denken, Lucifer!

„Lucifer“ Sie liebkost meinen Namen, als sie ihn auspricht. Dann schaut sie mich eine Weile forschend an, ehe sie aufsteht. Sie geht um den Glastisch herum, stellt sich hinter den Ledersessel, auf dem ich es mir bequem gemacht habe, und bleibt hinter mir stehen. Ihre Hände befinden sich im nächsten Augenblick auf meinen Schultern. Sie lässt sie langsam nach unten, zu meiner Brust gleiten, die sich viel zu schnell hebt und wieder senkt. Bevor sie ihre Arme um meinen Hals schlingt und ihren Kopf seitlich auf meine Schulter legt. Sie sieht mich an- ich spüre es. Ihr Atem streicht über meinen Hals. Ihr süßer Duft steigt mir in die Nase.

„Du küsst ständig irgendwelche Frauen. Du machst noch ganz andere Sachen mit ihnen. Wieso beschäftigt dich unser Kuss?“, flüstert sie. Ich senke den Blick auf meinen Schritt. Die Beule darunter ist nicht zu übersehen.

Unheilige scheiße. So schnell hat mich noch nie eine Frau erregt.

„Ich habe dich noch nie vorher geküsst oder irgendwelche Sachen mit dir gemacht.“

Sie streichelt meine Brust. Ich glaube, ich platze gleich. Jedes mal, wenn sie mich berührt, habe ich das Gefühl, gleich meine Kontrolle über mich selbst zu verlieren. Ich muss standhalten. Standhalten.

„Willst du mich denn küssen und irgendwelche Sachen mit mir anstellen?“

Ich schlucke. Mein Schwanz zuckt vor Erregung. Ich will sie einfach nur küssen. Überall. Sie schmecken. In sie eindringen. Für immer in ihr bleiben.Alles andere vergessen. Als würde es nur uns beide geben.

„Lilith...“, knurre ich leise, mit zusammengepressten Zähnen.

„Lucifer?“

Ihre Hände öffnen die ersten Knöpfe meines Hemdes, bevor sie mit einer Hand hineingleitet und meine Bauchmuskeln abtastet. Dann berühren ihre Lippen meinen Hals. Ich schließe meine Augen. Lasse alles, was sie macht, über mich ergehen- und genieße es. Ich träume. Ich weiß, dass ich Träume, weil eben noch Lucille hier war,aber jetzt ist sie weg. Lilith ist bei mir.

Ich atme ihren Duft ein. Flüstere ihren Namen und spüre ihr Lächeln an meinem Hals.

Dann nehme ich ihre Hand und ziehe sie aus meinem Hemd.

„Komm her“, sage ich. Sie löst sich von mir, tritt vor mich und geht dann auf die Knie. Ihre hellblauen Augen blicken mich völlig unschuldig an. Sie sieht aus wie ein Engel. Ein Engel, den ich verderben werde.

Ich strecke eine Hand nach ihr aus. Berühre ihr dunkles Haar. Dann nehme ich ihre Hand und lege sie auf den Knopf meiner Hose. Sie öffnet ihn und holt meinen Schwanz heraus. Ich stöhne leise auf und lege meinen Kopf in den Nacken. Dann merke ich, wie sie ihren Kopf nach vorn beugt und ich muss sie ansehen. Ich will- nein ich muss!- sehen, wie sich ihre vollen, weichen, warmen Lippen langsam um meine Eichel legt. Ihn in den Mund nimmt. Mich anschaut. So unschuldig. So unfassbar wunderschön.

„Lilith...“ Ich streichle ihr Haar und sie nimmt ihn noch tiefer in den Mund...
 

Fuck. Ich öffne meine Augen. Bin verwirrt. Wieso bin ich aufgewacht? Wieso verdammt?

Wieso war es nur ein Traum? Und wieso, verdammte scheiße, tut mein Schwanz so furchtbar weh.

Ich reibe mir mit der Hand den Schritt. Streichle ihn. Verfluchte scheiße. Eine Sekunde länger in diesem Traum und ich hätte Erlösung gefunden. Ich hatte wegen Lilith viel zu lange keinen Sex mehr. Ich hätte so viele Frauen haben können, aber ich will nur sie. Ich will einzig und allein in dieser Frau stecken und sie vollkommen ausfüllen. Ich will hören, wie sie meinen Namen...

„Lucifer?“ Ich halte inne. Richte mich auf.

„Du bist wach...“, stelle ich tonlos fest. Sie richtet sich ebenfalls auf. Streckt sich und gähnt.

„Was ist passiert?“, fragt sie. Es scheint, als hat sie wirklich keine Ahnung. Das ist gut so. Aber ich lüge sie nicht an. Ich will sie nicht anlügen.

„Du hast Vampirblut getrunken und hast mich angegriffen.“Ihre Augen weiten sich.

Toll gemacht. Ich hätte die Klappe halten sollen.

„Wie meinst du das?“

„Du warst im Luce, erinnerst du dich?“, beginne ich dieses mal anders.

Sie nickt langsam, nachdem sie angestrengt nachdenkt. „Dort hast du einen Drink angeboten bekommen. Du hast ihn getrunken. Danach ist alles verschwommen, richtig?“

Ich muss richtig liegen. Durch Lucille weiß ich, wie manche auf dieses Zeug reagieren.

„Vampirblut... Vampire!“ Sie vergräbt das Gesicht in ihre Hände. Ich stehe auf. Und bleibe stehen. Was soll ich machen? Ihre Welt, die bereits vor langer Zeit auf den Kopf gestellt wurde, als sie erfahren hat, was sie wirklich ist- was nicht mal ganz der Wahrheit entspricht- wird nun erneut mit dieser Information durcheinandergebracht. Und ich stehe einfach nur da. Wie ein Idiot, der nicht weiß, was er tun soll.

„Weißt du, was danach passiert ist?“

Ich warte auf eine Antwort. Auf irgendwas. Aber es kommt nichts. Sie liegt einfach nur da, das Gesicht gegen ihre Handinnenflächen gepresst.

Beim nächsten mal, wäre zu Lügen, die bessere Variante gewesen.

Ich verkrieche mich an meinem Schreibtisch. Ich versuche ich mich zu konzentrieren, als ich ein paar Artikel von Mr Baldwin durchschaue, aber ich werde sie später noch einmal kontrollieren müssen, da ich wahrscheinlich viele Fehler, falls es welche gibt, übersehen haben muss.

Ich schließe alle Dateien und starre auf den Computer Bildschirm.

Das, was gestern Abend passiert ist, geht mir nicht aus dem Kopf. Oder besser gesagt, es geht mir nicht aus dem Kopf, an was ich mich erinnere. Nicht an viel, aber vor allem an eins. Diesen Geruch. Diese Stimme. Jacks Stimme. Ich habe von ihm geträumt. Ich habe ihn gesehen. Er sah so anders aus. Seine Haare, seine Kleidung. Der Ausdruck in seinen Augen. Ich weiß nicht mehr, wo ich war, wo ich hinwollte oder wieso ich genau dort war. Aber er war dort.

Seufzend lehne ich mich in meinem Schreibtischstuhl zurück. Er soll raus aus meinem Kopf. Ich will nicht an ihn denken.Nicht schon wieder.

Ich halte Ausschau nach Mell. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und beobachtet mich. Sie wirkt unentschlossen. Aber als ich sie zu mir winke, springt sie auf und schlendert zu mir rüber.

„Was beschäftigt dich?“, fragt sie mich, setzt sich auf meinen Schreibtisch und überschlägt ihre Beine aufeinander.

„Jack“, antworte ich wahrheitsgemäß. Sie weiß von Jack. Sie weiß alles. Als ich mich vor Jahren in einer Bar vollaufen lassen habe, habe ich ihr alles erzählt. Sie hat geschworen, sollte sie ihn irgendwann zu Gesicht bekommen, was sehr unwahrscheinlich ist, wird sie ihm den Hals umdrehen.

Ich hoffe für ihn, dass dieser Tag nie kommen wird.

„Sag mir nicht, dass er in New York ist?“

„Nein, ich habe... letzte Nacht von ihm geträumt. Und seitdem kann ich an nichts anderes denken.“

Und an das, was letzte Nacht im Luce passiert ist. Was ich gesehen habe. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich daran denke, dass es Vampire wirklich gibt. Dass sie Blut trinken. Und das dort Menschen waren, die sich freiwillig von ihnen beißen lassen haben, nur um an ein bisschen Vampirblut zu kommen, damit sie sich berauschen.

„Dich beschäftigt noch etwas anderes.“

Sie hat mich durchschaut. Wie immer. Aber ich werde ihr kein Wort über letzter Nacht erzählen. Das kann ich auch nicht. Sie würde mich für verrückt halten.

Langsam halte ich mich selber schon für verrückt.

„Alles gut. Lucifer und ich haben uns nur gestritten.“

Mell blickt mich skeptisch an, bevor sie von meinem Schreibtisch springt, als Mr Baldwin aus seinem Büro kommt.

„Lilith, sie können Feierabend machen.“, sagt er beiläufig, als er kurz in mein altes Büro geht und ein paar Papiere holt.

„Wie bitte?“

„Machen sie Feierabend. Holen sie mein Jackett von der Reinigung und bringen sie es morgen mit. Ach ja, und vereinbaren sie ein treffen mit Mike Mikelson, ihrem Freund. Morgen um zehn in meinem Büro.“

Was hat er mit Mike zutun? Was will er von ihm?

„Ähm, natürlich Mr Baldwin.“

Ich schaue auf die Uhr. Ich habe die Zeit vollkommen vergessen. Ich hätte bereits vor einer halben Stunde gehen können.

Mell und ich tauschen verwirrte Blicke aus. „Du hast unseren Boss gehört, Mach Feierabend. Und treff dich mit Lucifer. Vertragt euch und habt wilden Sex in deinem neuen Apartment.“ Sie zwinkert mir zu und ich verdrehe die Augen.

„Den hatten wir bereits. Sehr, sehr oft.“

Sie grinst mich an und wackelt mit ihren Augenbrauen.

„Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Wäre ich er, könnte ich auch kaum die Finger von dir lassen.“

Als ich aufstehe und mir meine Jacke schnappe, kneift sie mir in den Po und ich schlage lachend ihre Hand weg.

„Du meinst wohl, wenn du ich wärst, könntest du die Finger nicht von ihm lassen?“

„Ja, das auch.“ Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange.

„Hast du nicht auch schon Feierabend?“

Normalerweise verschwinden wir fast immer zusammen.

Sie nickt, aber zeigt auf einen Stapel von verschieden farbigen Mappen auf ihrem Schreibtisch.

„Ich hab noch ein bisschen zu tun.“

Ich lächle. „Überarbeite dich nicht.“, sage ich eindringlich und sie nickt, schenkt mir ein Lächeln und ich verschwinde zum Aufzug. Als ich unten bin, hole ich mein Handy heraus und rufe Mike an.

Er hebt sofort ab.

„Hey“

„Hey Mike. Kannst du mir bitte erklären, was mein Boss von dir will?“, frage ich, ziehe mir dabei meine Jacke an und bin mir sicher, dass ich dabei sehr komisch aussehe, wie ich mein Handy mit der Schulter, gegen mein Ohr presse und hineinschlüpfe.

„Dein Boss? Wovon sprichst du?“

Er hat also wirklich keine Ahnung. Er weiß offensichtlich genauso wenig wie ich.

„Er möchte dich morgen um zehn in seinem Büro sprechen. Mehr weiß ich auch nicht. Hast du wirklich keine Ahnung, was er von dir wollen könnte?“

Es entsteht eine kurze Pause. Ich schaue zur Tür. Zwei blaue Augen blicken bereits von weitem in meine. Hätte ich gewusst, dass er hier ist, wäre ich oben geblieben.

Ich habe ihn gestern einfach nach Hause geschickt. Ich habe, nachdem er über eine halbe Stunde versucht hat, das was gestern passiert ist, zu erklären, einfach gesagt, nach einer sehr langen Pause, dass er gehen soll. Er hat mich angesehen. Ich weiß nicht, was er gedacht hat. Er ist undurchschaubar. Aber als er kurz über meine Hand streichen wollte und ich sie weggezogen habe, ist da dieser komische Ausdruck in seinen Augen aufgeblitzt. Doch so plötzlich dieser da war, so schnell war er wieder weg. Daraufhin ist er aufgestanden, hat seine Sachen genommen und ist gegangen. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich es kurz danach ein wenig bereut. Denn in dem Moment, als er von meinem Bett aufgestanden ist, mich nicht mehr angesehen hat, fühlte ich mich allein und wollte, dass da jemand ist, der mich hält. Und ich wollte nicht, dass irgendwer mich hält. Ich wollte, dass er mich hält. Dass er zu mir in Bett kommt, mich an sich zieht und nicht verschwindet, wie er es jede Nacht tut.

„Alles klar. Hab verstanden.“, sagt Mike.

„Was will er von dir?“

Lucifers Mundwinkel zucken, als ich ihn fast erreicht habe. Er macht einen Schritt auf mich zu, ehe ich an ihn vorbei gehe und die Drehtür allein durchquere und ohne ihm weiter Beachtung geschenkt zu haben.

„Das erkläre ich dir ein anderes mal. Ich muss auflegen. Wir hören uns?“, fragt er.

Ich nicke, obwohl er mich nicht sieht und bleibe vor Lucifers Wagen stehen.

„Bis dann Mike.“

„Bis dann Lily.“, flüstert er und ich lege lächelnd auf.

Lucifer steht bereits neben mir und deutet mir, dass er mir die Tür aufhalten möchte.

„Das schaffe ich schon.“

Sein Blick ist steinern, aber er lässt die Wagentür los und geht zur Fahrerseite.

Ich steige ein und schnalle mich an. Lucifer fährt los, ohne ein Wort mit mir zu wechseln.

Eigentlich hat er nicht verdient, dass ich ihn so behandle. Er hat gestern versucht, mich zu beruhigen, hat mir viele Sachen erklärt, die ich trotzdem noch nicht verstehe und immer noch nicht fassen kann. Er war netter, als ich ihn je zuvor erlebt habe. Und wenn ich mich nicht irre, hat er sich sorgen um mich gemacht. Ich bin mir sogar fast sicher, dass er sich sorgen gemacht hat. Ich blicke nach draußen. Versuche die Ereignisse von gestern aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Doch sie haben sich tief in mein innerstes gepflanzt. Den Geruch. Die Musik und das gedämmte rote Licht. Die Augen, die mich angestarrt haben.

„Tut mir leid“, sage ich leise. „Das gestern war einfach zu viel für mich...“ Ich sehe ihn an. Er sieht unfassbar gut aus. Seine Haare sind etwas kürzer. Er war beim Frisör. Er hat sich seinen Dreitagebart abrasiert. Trägt eine dunkelblaue Jeans, ein weißes Hemd und diese hinreißende Lederjacke.

Er sieht mich nicht an. Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst, aber seinem Blick nach zu urteilen, denkt er nach. Wenn ich mich nicht irre, dann überlegt er, was er erwidern soll. Aber da er nichts sagt, schaue ich wieder nach draußen. Ich weiß nicht, ob er wütend auf mich ist. Vielleicht denkt er nach, ob er wütend sein soll?

Und dann legt er seine Hand auf meine. Verwirrt blicke ich auf unsere Hände.

Lucifer hat meine Hand genommen. Er hat sie genommen. Und ich starre sie wie ein Idiot an. Verwirrt.

Ungläubig.

Zärtlich streicht er mit seinem Daumen über meinen Handrücken, bevor er seine Finger mit meinen umschlingt und sie behutsam drückt.

Ich würde alles geben, um zu erfahren, was er denkt.

„Wo fahren wir hin?“, frage ich ihn.

„Ins Luce“, erwidert er, nach einer kleinen Pause. Ich starre wieder auf unsere Hände. Weiß er, was er da tut? Hat er eine Ahnung, was das in mir auslöst?

Mein ganzer Körper kribbelt.

Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch.

Vorsichtig setze ich mich gerade hin und versuche, das Gefühl, was er mit dieser Geste in mir auslöst, zu verdrängen. Doch gelingen will es mir nicht.
 

Mein Körper spannt sich an, als ich beginne zu erahnen, wo er mit mir hinfährt.

„Bitte bring mich nicht dort hin“, flehe ich ihn an und will meine Hand aus seiner ziehen, aber er hält sie fest umschlungen.

„Vertrau mir“ Er wirft mir einen beruhigenden Blick zu. Sein Lächeln ist ungewohnt warm. Ich versuche mich zu entspannen, aber ich schaffe es nicht.

Sobald wir da sind und ich aus dem Wagen steige, fange ich an zu zittern. Ich sehe die Augen vor meinem geistigen Auge, die mich anstarren, während ich den Raum betreten habe.

„Bitte vertrau mir.“

Er hält mir seine Hand hin. Zögernd ergreife ich sie und wir gehen ins Luce.

Drinnen ist es angenehm warm, der unangenehme Geruch von gestern ist fast verflogen. Die Nackenhaare stellen sich mir trotzdem auf.

„Töten sie Menschen?“, frage ich ihn. Er führt mich zur Bar und lässt meine Hand los, um uns etwas zu trinken einzuschenken. Sich schenkt er eine braune Flüßigkeit in einen Tumblr und mir ein Glas Rotwein.

„Nein.“ Mehr sagt er nicht.

Unbehagen erfüllt mich, als ich mich umdrehe und meinen Blick durch den Raum gleiten lasse. Das Licht ist warm und gedimmt. Vor der Bühne steht Lucifers Klavier, welches gestern nicht dort stand.

„Spielst du Klavier oder tun das andere?“, wechsle ich das Thema und versuche mich zu entspannen. Ich nippe an meinem Rotwein.

„Ich spiele. Sehr oft sogar.“

Er kommt zu mir und nimmt mir meine Jacke ab, um sie auf den Tresen zu legen.

„Ich habe früher Klavierunterricht genommen, habe aber damit aufgehört, als ich 16 wurde. Ich habe irgendwie das Interesse daran verloren.“

Ich habe angefangen, mich für andere Sachen zu interessieren. Wie meinen neuen Sportlehrer. Bevor Jack und ich uns näher gekommen sind, habe ich ihn mehrere Monate lang von der Ferne angehimmelt.

Irgendwann wurde er Vertrauenslehrer und ich bin statt zu meinem Klavierunterricht zu gehen, nach der Schule zu ihm gegangen, um mit ihm über meine Probleme zu reden. Monate lang, um genau zu sein. Wenn ich mit ihm geredet habe, habe ich alles um mich herum vergessen. Er wusste Dinge über mich, die niemand anderes wusste. Ich habe ihm sogar erzählt, wie anders ich bin. Und irgendwann hat er angefangen, über sich zu sprechen. Er wusste, dass es falsch war. Er wusste, dass er alleine dadurch seinen Job verlieren könnte. Aber ich versicherte ihm, niemandem etwas zu erzählen und er vertraute mir. Und ich vertraute ihm. Irgendwann haben wir angefangen, uns zu schreiben. Wir haben uns Nachrichten geschickt, wenn es uns nicht gut ging. Irgendwann haben wir uns auch Nachrichten geschickt, wenn etwas gutes passiert ist. Und irgendwann haben wir fast jede freie Minute damit verbracht, uns belangloses Zeug zu schreiben. Was wir zum Beispiel gerade gegessen haben oder welcher Song uns nicht mehr aus dem Kopf ging.
 

Kennst du den Song?

Audiodatei Play
 

Nein, aber der ist gut. Hast du noch mehr davon?
 

Soll ich dich abholen und ich zeige dir noch ein paar mehr seiner Songs...?
 

Klingt gut. :)
 

„Worüber denkst du gerade nach?“ Lucifer betrachtet mich voller Neugier. Ich trinke einen weiteren Schluck Wein.

„Nichts wichtiges.“

Es ist nicht wichtig, rede ich mir selber ein. Auch was gestern mit mir geschehen ist, ist nicht wichtig, lüge ich mich selbst immer mehr an.

„Vertraust du mir?“, fragt er mich. Ich sehe ihn an. Weiß nicht, was ich antworten soll. Ich schweige einen Moment lang.

„Wieso fragst du mich das?“

Er nimmt seinen Drink und greift nach meiner Hand, um mich vorsichtig vom Hocker zu ziehen.

„Komm mit. Setzen wir uns woanders hin. Ich will mich mit dir unterhalten.“

Ich muss lachen. „Du willst eine Unterhaltung mit mir führen?“

„Wenn du mich nochmal auslachst, verschiebe ich die Unterhaltung und versohle dir stattdessen deinen Hintern. Ist dir das lieber?“

Ich grinse, als wir uns auf eine schwarze Ledercouch setzen und unsere Getränke auf den Glastisch vor uns platzieren.

„Ich finde es nur komisch, dass du dich mit mir unterhalten möchtest.“, erkläre ich.

„Um genau zu sein, möchte ich wissen, was du gestern gesehen hast. Wovon du geträumt hast. Und ich will, dass du ehrlich zu mir bist, dann bin ich auch ehrlich zu dir.“

Jetzt wo er es anspricht, erinnere ich mich an noch etwas. An jemanden, der mich würgt. Erst sehe ich Lucifer vor mir, aber dann erkenne ich das Gesicht nicht mehr. Nicht Lucifer, sondern jemand oder etwas anderes. Mit unvorstellbarer Kraft.

„Jemand der versucht mich zu erwürgen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Ich dachte erst, du warst es, aber dann habe ich versucht, mich genauer daran zu erinnern..“

Lucifers Blick verrät rein gar nichts. „Was noch?“
 

„Lass uns weg fahren. Irgendwohin.“, flüstert Lucifer, streichelt meinen Kopf, während wir hinten im Auto sitzen und ich mich an ihm gelehnt habe. Ich bin müde, aber will unbedingt noch nicht einschlafen.

„Wohin willst du?“, frage ich leise und unterdrücke ein gähnen. Er schmiegt seine Wange an meinem Kopf, bevor er mir einen Kuss auf den Scheitel haucht. Ich schließe meine Augen und nehme seine Hand. Egal, wie ich hier hingekommen bin, ich will für immer bleiben.

„Mir egal. Solange wir allein sind... Und du da bist, Baby.“

„Ist nicht wichtig.“

„Erzähl es mir.“, fordert er.

„Wieso willst du das alles wissen?“

Er trinkt etwas und hält dann sein Glas fest. Seine Augen beobachten mich scharf und dann stellt er sein Glas ab.

„Weil du im Schlaf meinen Namen gesagt hast und ich will wissen, warum.“, rückt er dann endlich mit der Sprache heraus.

„Es war nichts weiter.“
 

„Steh auf!“, sage ich zu ihm. „Lucifer, steh auf!“, nun etwas lauter.

„Ich dachte du...“ Weint er?

Alles ist so verschwommen. Ich streichle seine Haare, während er seinen Kopf weiterhin gegen meinen Bauch drückt und mich festhält, sodass ich mich nicht fortbwegen kann.

„Lucifer...“, flüstere ich.
 

Ich habe Kopfschmerzen. Ständig erinnere ich mich an weitere fetzen, von meinen absurden träumen.

„Ich kann mich nicht mehr so gut erinnern. So ist das nun mal bei träumen.“

Er nickt zögernd. Hoffentlich gibt er jetzt Ruhe.

„Eine alte Freundin von mir, ihr Name war Lucille, sie hat Visionen bekommen, wenn sie Vampirblut getrunken hat. Die meisten davon sind eingetroffen. Nur etwas anders.“

„Inwiefern anders?“

„Ich kann es dir nicht genau erklären. Sie hatte einmal eine Vision von ihrem Bruder, der versucht hat, sie zu misshandeln. Einige Monate später wurde sie auf der Straße beinahe überfallen und misshandelt worden, doch es war nicht ihr Bruder, sondern nur irgendein betrunkener.“

„Glaubst du etwa, meine Träume, sind in Wahrheit Visionen gewesen?“

„Nein. Ich weiß es nicht.“

Plötzlich verspüre ich so etwas wie.. Hoffnung. Wenn meine Träume, nicht nur Visionen waren, heißt das, ich werde Jack wieder sehen.

Andereits war da jemand, der versucht hat, mich umzubringen.

Und Lucifer...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Seufzend drehe ich mich zu ihm um, stütze mich mit dem Ellenbogen am Boden ab und lege meinen Kopf auf meine Hand.

Ich betrachte ihn forschend. Er wirkt nachdenklich und in sich gekehrt.

„Was ist los?“, frage ich.

„Wie kommst du darauf, das etwas mit mir los ist?“, will er wissen.

Eine Frage mit einer Frage beantworten.

Er will mir ausweichen.

„Du fragst mich ständig, worüber ich nachdenke. Jetzt möchte ich aber wissen, über was du nachdenkst.“

Mittlerweile hat er seine Augen geschlossen, weil er es nicht für angebracht hält, mich anzusehen, wenn ich mit ihm rede.

Doch dann öffnet er sie kurz und schaut mich an. „Ich denke, wir haben genug für heute geredet.“

Wie bitte? Mein Blick ändert sich schlagartig und ich ziehe meine Augenbrauen hoch, doch er hat seine Augen bereits wieder geschlossen. Lautlos schnalze ich mit der Zunge.

Typisch.

Ich warte einen Augenblick, bevor ich mich aufrecht hinsetze und mich nach meinem Bh ausstrecke.

„Schreib mir, wenn du wieder reden willst. Du hast ja meine Nummer.“

Als ich meinen Bh habe, ziehe ich ihn an und schaue mich kurz im Raum nach meinen anderen Sachen um, als plötzlich mein Bh aufspringt.

„Leg dich wieder hin.“, sagt er plötzlich.

„Nein, es ist schon spät und ich werde langsam müde.“, gestehe ich, auch wenn ich gern bleiben würde.

„Leg dich einfach zu mir. Nur für einen Moment.“

Er streichelt meinen Rücken, langsam und zärtlich, bevor er mir die Bhträger von der Schulter streicht und ich ihn wieder ausziehe. Jedoch verharre ich einige Momente in meiner sitzenden Position. Mir ist kalt.

Lucifer setzt sich ebenfalls aufrecht hin. Er streicht meine Haare zur Seite und küsst meine Schulter, bevor er aufsteht, um sein Hemd zu holen und es mir über die Schulter zu legen. Dann legt er sich wieder hin.

„Komm her.“

Verwirrt lege ich mich wieder hin und er zieht mich an sich.

Heilige scheiße!

Will er etwa kuscheln? Bilde ich mir das nur ein?

Nein, es passiert wirklich, dass Lucifer mich an sich zieht, ich meinen Kopf auf seine Brust lege und er meine Kehrseite entlang streichelt. Mein Herz klopft wie wild. Seins hingegen klopft gleichmäßig und entspannend, ich versuche mich auf dieses Geräusch zu konzentrieren.

„Die zwanziger hätten dir bestimmt gefallen.“, sagt er. „Ich habe gern in den zwanzigern gelebt.“, spricht Lucifer weiter, womit ich nicht gerechnet habe. „Ich habe 1923 das Luce eröffnet. Es war ein Geschenk von einem sehr alten Freund und seiner Schwester, Lucille.“

Lucille

Er hat sie bereits erwähnt.

„Lucius und Lucille waren nicht wirklich blutsverwandt. Lucille war die Tochter von zwei unbekannten Bauern, die in den Wäldern Salems wohnten. Ihr Vater starb vor ihrer Geburt an einem Fieber und die Mutter verstarb während der Geburt. Sie war also noch ein kleines Baby, als sie von einer wohlhabenden Familie aufgenommen wurde. Als Lucille 13 wurde, brachte ihr Vater einen jungen mit nach Hause. Er war voller Dreck und seine Kleidung war durchlöchert. Sie nannten ihn Lucius. Die beiden verbrachten jede freie Minuten miteinander. Er beschützte sie und sie kümmerte sich im ihn.“

Lucifer hält inne.

„Ist dir immer noch kalt?“, fragt er mich leise.

„Nein, rede weiter.“

Er zieht mich enger an sich und ich schließe meine Augen. Ich genieße seine Nähe. Mehr als mir gefällt.

„Die beiden waren anders. Lucius konnte Dinge bewegen, ohne sie anzufassen und als er dabei von seinen Eltern erwischt wurde, dachten diese, er sei vom Teufel besessen. Der Mann, der ihn einst von der Straße gerettet hatte, schlug nach ihm. Er schrie ihn an, bespuckte ihn, nannte ihn eine Ausgeburt der Hölle. Er schlug ihn beinahe zu Tode und Lucius wehrte sich nicht. Doch Lucille konnte es. Sie sprach Worte, die sie selber nicht einmal verstand und ihr Vater, sowie ihre Mutter zerfielen zu glühender Asche.“

„Was waren die beiden? Dämonen?“

Ich spüre, wie er seinen Kopf schüttelt. „Lucille war eine Hexe und Lucius ein Hexer. So würdet ihr sie nennen. Die richtige Bezeichnung lautet „Diener des Waldes“ oder „Schatten des Waldes“.

Lucille nannte sich selbst aber gern eine Künstlerin der Nacht.“

Ich stütze mein Kinn auf seiner Brust ab und sehe ihn an. Er hat die Augen geschlossen und lächelt. Aber er redet nicht weiter. Also lege ich meinen Kopf zurück auf seine Brust und schließe meine ebenfalls.

Das Lucifer gerade so mit hier liegt, eng umschlungen, kommt mir vor wie ein Traum. Er hat sich immer zurückgezogen nach dem Sex. Damit hatte ich mich abgefunden. Umso überraschter bin ich, jetzt mit ihm hier zu liegen. Doch noch überraschender ist, dass er mir etwas erzählt hat. Auch wenn er mir nichts über sich erzählt hat.

„Bist du betrunken?“, frage ich leise. Ich darf nicht einschlafen.

„Angetrunken“, gesteht er. „Aber nicht so sehr wie du.“

Ich verpasse ihm einen leichten Schlag in den Bauch. „Ich bin nicht... ein bisschen vielleicht.“

Er lacht leise und ich hebe meinen Kopf an, um ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. Daraufhin stupst er meine Nase mit dem Zeigefinger an.

„Du bist süß“ Er lächelt. Und ich versuche nicht zu grinsen.

Wir sehen einander an. Er streicht mir einzelne Strähnen zärtlich hinter mein Ohr, bevor er aussieht, als würde er sich jeden Millimeter meines Gesichtes anschauen.

„Ihr beide seid ja wirklich zuckersüß“, ertönt Alice Stimme plötzlich und Lucifer räuspert sich, ehe er mich beinahe von sich schiebt und zu Alice an der Bar rüber schaut. Ich schlinge das Hemd fester um mich.

„Was tust du hier? Ich habe gesagt, ich möchte heute niemanden im Luce haben. Auch dich nicht.“

Er klingt wütend, doch Alice zuckt nur mit ihren Schultern. Ihre Gelassenheit hätte ich gerne.

„Ich wollte wissen wofür und jetzt weiß ich es. Für dich und deine Freundin also.“

„Hör auf!“, knurrt er und steht auf, um sich anzuziehen.

Ehe ich meine Sachen selbst hole, bringt er mir sie und ich ziehe mich an.

„Wieso denn? Sie ist doch deine Freundin oder etwa nicht?“

Auch wenn ich sie nicht anschaue, kann ich ihr provozierendes grinsen hören.

„Sie ist nicht meine Freundin.“

Seine Worte fühlen sich wie ein Stich ins Herz an, dabei war ich mir die ganze Zeit bewusst, dass Lucifer und ich kein Paar sind und das auch niemals sein werden. Doch die Art, wie er es sagt, so herablassend, trifft mich.

„Aber du bist in sie verliebt? Oder liege ich da auch falsch?“

Was wird das hier?

„Nein“, erwidert er ohne zu zögern. Und mir wird etwas schmerzhaftes bewusst. Etwas, was ich mir nicht eingestehen konnte.

„Das heißt, du empfindest rein gar nichts für sie?“

Ich will hier weg, doch ich bewege mich nicht.

Wieso stehe ich nicht auf und gehe?

„Nichts“

Das reicht. Ich stehe auf und gehe zur Bar, um meine Tasche zu holen. Alice wirft mir einen komischen Blick zu.

„Beweis es mir.“

Ich schaue sie an. Dann schaue ich zu Lucifer. Er wirkt kurz überrascht, doch dann scheint ihn eine Erkenntnis zu treffen. Eine, von der ich ahne, dass sie nichts gutes bedeutet.

„Warum tust du das?“, fragt er.

„Weil du wegen ihr alles andere vernachlässigst und ich kann mich daran erinnern, dass du zu mir sagtest, dass du nur eine einzige Nacht mit ihr willst und sie mehr nicht Wert ist. Und jetzt sagst du bereits Veranstaltungen ab, nur um mit ihr in Ruhe auf deinem scheiß Klavier zu vögeln? Merkst du etwa nicht, dass sie auch....“

„Du hast Recht.“

Was?

„Dann tut euch beide den gefallen - und mir- und trifft euch nicht mehr.“ Dann nimmt sie sich eine Flasche Vodka und verschwindet. Ich sehe ihr hinterher, bevor ich Lucifer anschaue, aber er sieht mich nicht an.

„Hörst du auf sie?“

Sag nein.

Doch er wird nicht nein sagen. Er sieht mich nicht mal an. Ein schreckliches Gefühl der enge macht sich in meiner Brust breit.

„Sie hat recht. Wir sollten uns nicht mehr sehen. Das Apartment kannst du behalten.“

Er klingt nicht überzeugend. Und ansehen kann er mich immer noch nicht.

„Tu das nicht“, bitte ich ihn.

Jetzt bin ich froh, dass er meinen Blicken ausweicht, denn er soll nicht sehen, wie verletzt ich bin. Gerade eben noch, liegen wir nackt und eng umschlungen auf dem Boden... Er hat mir Sachen erzählt, die etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben und jetzt beendet er es einfach. Ich könnte mich selbst Ohrfeigen, weil ich beinahe wirklich dachte, er könnte sich ändern. Und weil ich zugelassen habe, etwas für ihn zu empfinden.

„Was hast du erwartet? Das aus uns mehr werden könnte? Ich will dich nur ungern verletzen, aber...“

„Halt den Mund!“, brülle ich beinahe, obwohl ich nicht sauer bin. Verletzt und gekränkt, würde meine Gefühlswelt im Moment besser beschreiben.

„Tut mir leid“, ruft er mir hinterher, nicht sonderlich bemüht darum, es ehrlich klingen zu lassen.

Ich wende mich zum Gehen, doch kurz vor der Treppe drehe ich mich wieder um.

Ok, ich bin doch sauer. Ich bin stinksauer. Wieso hat er nicht einfach seine scheiß Klappe gehalten?

„Was tut dir leid? Dass du meine Zeit verschwendet hast? Das du ein verdammtes Arschloch bist, dass sich nicht eingestehen kann, dass er Liebe empfinden kann? Denn wir beide wissen, dass du Lucille geliebt hast. Du bist einfach nur...“

„Verschwinde!“, brüllt er.

„Du bist Feige!“, brülle ich zurück. „Du bist einfach nur ein feiges Arschloch!“

Plötzlich kommt er auf mich zu. Angst, dass er mir was antun könnte, packt mich und drehe mich um, um schnell zu verschwinden, doch dann packt er mich auch schon am Arm und wirbelt mich herum.

Vor Schreck stolpere ich und lande unsanft auf mein Hinterteil.

Lucifer beugt sich vor Schreck zu mir runter und will mir helfen, doch dann hole ich aus und verpasse ihm eine. Ich bin wahrscheinlich genauso überrascht über meinen Wutausbruch, wie er.

Lucifer fasst sich an seine Wange, ehe er mich anschaut.

„Ich würde dir nie wehtun!“, sagt er.

„Das hast du bereits.“, erwidere ich, richte mich auf und gehe, ohne ihn noch einmal anzusehen.

Drei Wochen später
 

Frustriert stöhnt Mike auf und ich schiebe ihm einen weiteren Tequilashot rüber. Dieses Spiel macht wirklich verdammt Spaß. Auch wenn es mich an die letzte Nacht mit Lucifer erinnert, aber ich bin bereits angetrunken und ich habe das erste mal seit drei Wochen wieder richtig viel Spaß mit meinen Freundin. Deshalb schiebe ich alle negativen Gedanken bei Seite und konzentriere mich auf die Menschen, die mir gut tun und es tatsächlich geschafft haben, mich aus diesem einengenden Apartment zu bekommen. Noch einen Tag mehr und ich hätte angefangen es auseinander zu nehmen.

„Das ist unfair.“, murmelt er, streut sich Salz auf die feuchte Stelle an seinem Handrücken, leckt es ab, trinkt den Shot und beißt in die Zitrone.

„Wir können nichts dafür, dass du so ein grauenhafter Lügner bist.“, lacht Mell.

„Halt die Klappe, du musstest bereits mehr trinken als ich.“, mault er rum und Mell verdreht ihre Augen.

„Schon gut. Kein Grund ausfallend zu werden, Michael.“

Er stützt sich mit dem Ellenbogen am Tisch ab, streckt seinen Zeigefinger nach ihr aus und wirft ihr einen Todesblick zu. Er hasst es, mit seinem vollen Namen angesprochen zu werden.

„Wenn du so weiter machst, bewerfe ich dich mit von mir abgeleckten Erdnüssen, Mellanie.“

„Wenn du so weiter machst, bewerfe ich dich mit...“, will sie ihn nachäffen, doch Mike schnappt sich mehrere Erdnüsse, steckt sie sich in den Mund und Mell geht bereits in Deckung und krallt sich an Taylor fest, der sich die Getränkekarte schnappt und schützend vor Mell richtet.

„Scheiße Taylor, wir Männer sollten zusammenhalten!“

Er zuckt mit den Schultern. „Sorry Bro“

Ehe er erneut etwas zu den beiden werfen kann, schlage ich ihm auf die Schulter. „Hör auf damit, Michael!“

Er wirft mir den selben Blick zu, denn er Mell vor wenigen Augenblicken zugeworfen hat und kaut auf den Erdnüssen herum, bevor er sie runter schluckt und ich grinse frech in mich hinein.

„Ihr beide habt es doch heute auf mich abgesehen!“

„Nein, Michael, haben wir nicht.“

Dieses mal spricht sie seinen Namen auch noch vollkommen falsch aus und wir beide prosten los vor lachen, bevor er erst sie mit Erdnüssen bewirft und mir durch die Haare wuschelt. Ich schlage lachend nach seiner Hand.

„Hör auf damit!“, protestiere ich lachend.
 

Einige Drinks später beschließen Mike und ich uns ein Taxi zu ihm zu nehmen. Das Apartment engt mich nur ein und brauche Abstand. Keine Ahnung, wieso ich dort weiterhin wohne.

Du hast deine Privatsphäre, Lilith.

Das Apartment ist wunderschön.

Du hast eine Dusche und eine Badewanne.

Du bist 21 Jahre alt und würdest sonst wieder bei deinen Eltern leben müssen. Oder bei Mike.

Obwohl mir die Vorstellung, wieder bei Mike zu wohnen, nicht schlecht vorkommt. Er hat es mir bereits mehrmals erneut angeboten.

Doch dann erinnere ich mich wieder daran, wieso ich überhaupt ausgezogen bin. Den Gedanken habe ich eigentlich verdrängt, bis ich darüber hinweg war und das hat etwas gedauert.

Es hat eindeutig an meinen Gefühlen für Mike gelegen. Ich war eine Zeit lang verschossen in ihn.

Ich betrachte Mike einen Augenblick. Er tippt auf seinem Handy herum.

Seine dunkelblonden Haare und frisch geschnitten, sein Gesicht ist glattrasiert. Er trägt ein schlichtes weißes Shirt und eine dunkelblaue Jeans. Das Shirt sitzt ziemlich eng an seinem Oberkörper und bringt seine muskulösen Oberarme zur Geltung, sowie sein Sixpack lässt sich darunter erahnen. Er ist nicht so muskulös wie Lucifer, aber dennoch würde man sich nicht mit ihm anlegen wollen. Auch wenn ich nichts mehr für Michael empfinde...- aber er ist wirklich unfassbar heiß. Wirklich, wirklich heiß.

Verdammt, ich bin wirklich betrunken.

Er ist immer noch super heiß, wenn ich nüchtern bin, doch dann denke ich nicht so stark darüber nach.

„Alles in Ordnung?“

Ertappt räuspere ich mich.

„Ja, alles gut. Ich musste eben nur an etwas denken.“

„An was?“, will er wissen.

Ich lache. „Nein, das ist lächerlich.“

Das Taxi hält vor dem großen Gebäude, in dem Mike lebt. Er reicht dem Fahrer das Geld und wir steigen aus. Er beschleunigt sein Tempo, um zu mir zu kommen, einen Arm um meine Schulter zu legen und mich an sich zu drücken, während wir hinein gehen, als uns die Tür aufgehalten wird.

„Guten Abend Miss Grey und Mr Mikelson.“

„Guten Abend Trevor.“, begrüße ich den alten Mann und schenke ihm ein fröhliches Lächeln.

Sobald wir im Fahrstuhl sind, will Mike erneut wissen, über was ich nachgedacht habe und ich verdrehe meine Augen.

„Nur darüber, dich zu vernaschen, sobald wir oben sind.“, scherze ich.

„Ok“, erwidert er, als hätte ich ihm gerade erzählt, wie das Wetter morgen wird. Deshalb ist er mein bester Freund. Ich lächle und der Fahrstuhl hält. Während wir den Flur entlang gehen, holt er seine Schlüssel aus seiner Hosentasche.

„Wie läuft es eigentlich mit Lucifer? Seht ihr euch noch?“

Er schließt die Wohnung auf und lässt mich voran gehen.

Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet.

„Ich treffe mich bereits seit drei Wochen nicht mehr mit ihm.“, erwidere ich gleichgültig, dabei ist mir das alles andere als egal.

Nachdem ich vor drei Wochen das Luce verlassen habe und in diesem Apartment war, wo mich einfach alles an ihn erinnert, konnte ich nur sehr schwer meine Tränen zurück halten. Sein Geruch haftete noch an mir und obwohl mich das nur noch mehr geqäult hat, habe ich bis zum nächsten morgen gewartet mit dem Duschen. Und nachdem ich fertig war mit dem Duschen, ging es mir leider nicht besser. Ich habe mich wieder ins Bett gelegt und bin tatsächlich zu der Art Frau geworden, die ihren Ex Lover im Internet googeln. Lucifer ist so etwas wie ein Berühmtheit in New York. Das Luce ist einer der exklusivsten und beliebtesten Clubs in ganz New York. Und dann bin ich auf Bilder gegangen. Dort gab es tatsächlich viele Fotos von ihm. Und auf manchen war er natürlich nicht allein. Er hatte oft eine Frau an seiner Seite, doch nie dieselbe. Es war jedes mal eine andere und keine von ihnen hatte starke Ähnlichkeiten mit der anderen. Manche von ihnen waren Blond und sehr schlank. Einige Brünett, mit wohlgeformten Kurven. Einige hatten eine wirklich üppige Oberweite, manche von ihnen eher weniger. Doch eine Sache hatten sie alle gemeinsam: Sie waren allesamt wunderschön. Und nachdem ich mich mit den ganzen Fotos gequält habe, kamen doch die Tränen. Dann verspürte ich Wut gegen mich selbst. Weil ich viel zu schnell so starke Gefühle für ihn entwickelt habe.

So ging das eine ganze Woche, bis Mell es nicht mehr ertragen hat. Sie hat alles probiert, um mich abzulenken. Wir waren ein paar mal Shoppen, einige male haben wir uns in meinem Apartment volllaufen lassen und haben zusammen Game of Thrones und Jane the Virgin geschaut, ein anderes mal waren wir im Kino und haben uns einen Actionfilm angeschaut... Und irgendwann habe ich nicht mehr nur an ihn gedacht.

„Willst du darüber sprechen?“, fragt er. Ich habe mich auf die Couch gesetzt und er setzt sich zu mir.

„Kennst du noch Alice?“

Er nickt. „Ich weiß genau, wer Alice ist.“

Ich dränge den Gedanken bei Seite, ihn zu fragen, woher, denn das habe ich bereits versucht, doch er sagt immer wieder nur das gleiche, wovon ich der Überzeugung bin, dass es gelogen ist. Angeblich war er eine Zeit lang fast jedes Wochenende im Luce und kennt sie daher, ebenso wie Lucifer. Deshalb weiß er auch, wie er mit Frauen umgeht, denn er hat bereits einige von seinen hübschen Damen persönlich kennengelernt.

„Sie hat Lucifer dazu gebracht, es zu beenden, weil es für alle das beste wäre.“, erkläre ich knapp.

„Und er hat tatsächlich das getan, was man ihm sagt? Wow. Das klingt so gar nicht nach Lucifer.“

Ich lehne meinen Kopf zurück und erwidere nichts, da ich es selbst nicht verstehe.

„Bist du auch so betrunken wie ich?“, erkundigt er sich und ich nicke.

„Ich vermisse die Highschool“, sage ich.

„Wegen Jack?“, fragt er. Auch ihm habe ich davon erzählt. Natürlich war ich betrunken zu diesem Zeitpunkt.

„Nein“ Auch „Ich wäre jetzt einfach nur gerne bekifft.“

Er lacht auf und ich lache leise mit. „Du hast mir nie erzählt, dass du eine von dieser Sorte warst.“

Ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Eine von dieser Sorte?“

„Na ja, ich hätte dich nie eingeschätzt, dass du je mit so was zu tun hattest. Aber ich bin beeindruckt. Du bist wohl doch nicht so unschuldig, wie du immer tust.“ Er zwinkert mir zu und gibt mir einen leichten Klaps auf meinen nackten Oberschenkel und ich klimpere unschuldig mit den Wimpern. „Wenn du wüsstest...“

Er grinst. Dann schaut er mich von oben bis unten an und ich frage nur „Was?“

Etwa wegen dem Kleid? Es ist Weinrot, sitzt oben eng und an Hüften wird es lockerer. Außerdem reicht es mir bis knapp über die Knie.

Er zuckt mit den Achseln und ändert seine Sitzposition, indem er einen Arm hinter mich auf die Rückenlehne legt und sich mir voll und ganz zuwendet.

„Lucifer ist einfach nur verdammt dumm.“

Ein leichtes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. „Er ist ein Arschloch“

Er nickt und schweigt. Schaut auf seine Hände, bevor er seinen Blick wieder anhebt. „Kann ich dir eine komische Frage stellen, ganz ohne Hintergedanken?“

„Klar“

„Ich weiß, dass du denkst, dass ich wie Lucifer bin, wenn es um Frauen geht...“

Ich schüttle sofort meinen Kopf. „Das denke ich nicht. So ein großes Arschloch wie er bist du nun auch wieder nicht.“

Jetzt schüttelt er seinen Kopf. „Doch, bin ich. Ich glaube, ich war früher sogar noch dümmer als er.“

„Was meinst du?“, will ich wissen.

„Bitte verstehe mich nicht falsch... aber wäre ich schlau gewesen, hätte ich mich niemals mit dir angefreundet.“

Wie bitte?

Das habe ich versehentlich laut ausgesprochen.

„Du warst die einzige Frau, für ich die ich alle anderen abgeschrieben hätte. Doch stattdessen präsentierte ich dir sogar jede einzelne meiner Eroberungen. Ist das der Grund, wieso aus uns beiden Freunde wurde, statt ein... Paar?“

Damit habe ich nicht gerechnet. So ganz und gar nicht. Aber es ist mir nicht unangenehm. Irgendwie... bin ich einfach nur überrascht.

„Willst du eine ehrliche Antwort?“

„Lüg mich lieber an“, bittet er mich und lächelt schief. Er hat ein sehr attraktives Lächeln.

„Gut, dann Lüge ich.“ Ich mache eine kurze Pause. „Aus uns wäre auch kein Paar geworden, hättest du nicht jedes Wochenende eine andere Frau mit nach Hause gebracht, da ich nie etwas für dich empfunden habe. Ich hatte nie andere Absichten, als nur mit dir befreundet zu sein.“

Und all das ist tatsächlich gelogen. Hätte Mike damals anders gehandelt, wären wir vermutlich heute ein Paar.

Er wirkt nachdenklich. „Schade dass man die Zeit nicht zurück drehen kann.“, murmelt er.

Ich nicke zustimmend, ändere meine Position, wende mich ihm voll und ganz zu und lege meinen Arm direkt neben seinem auf die Rückenlehne.

„Du warst dumm.“, flüstere ich grinsend und er erwidert zustimmend: „War ich“

So verharren wir eine Weile. Wir schauen uns an. Und irgendwas ändert sich gerade zwischen uns. Vielleicht liegt es am Alkohol, doch ich verspüre den Drang, meine Lippen auf seine zu pressen.

Und er denkt genau das gleiche, denn im nächsten Moment, stürzen wir uns gleichzeitig aufeinander. Seine Lippen pressen sich gegen meine und ich lasse mich rittlings auf seinem Schoß nieder. Er vergräbt seine Hände in meinen Haaren und ich nehme sein Gesicht in meine Hände. Mikes Lippen sind weich, pressen sich aber fest gegen meine. Hitze breitet sich in meinem Magen aus. Seine Zunge umspielt meine und seine Hände bahnen sich ihren Weg zu meiner Taille voran. Doch dann löse ich meine Lippen von seinen, halte aber weiterhin sein Gesicht in meinen Händen. Wir schauen einander ganz genau an. Sein Blick fragt mich, ob er etwas falsch gemacht hat und ich stehe auf und küsse ihn erneut und er steht ebenfalls auf, während unsere Lippen sich voneinander lösen.. Jetzt denke ich nicht nach, ich handle einfach.

Ich greife nach seiner Hand und ziehe ihn in Richtung Schlafzimmer, doch direkt bei der Tür wirbelt er mich herum und drückt mich gegen den Türrahmen, sodass wir uns erneut stürmisch küssen. Er berührt meine Brüste, lässt seine Hand an meine Hüfte gleiten, bis hinunter zu meinem Oberschenkel, um meine Kleid nach oben zuschieben. Erneut lösen wir unsere Lippen voneinander, damit er mir das Kleid ausziehen kann, und er wirft es in irgend eine Ecke. Unter mehreren Küssen, ziehe ich ihm sein Shirt aus und er öffnet die Schlafzimmertür. Wir lassen uns ins Bett fallen, er überhäuft mich mit küssen an meinem Hals, an meiner Schulter... Ich stöhne, doch dann begreife ich, was hier gerade passiert und ich kann nicht weiter gehen.

Fuck, fuck FUCK!

„Michael...“, sage ich. Seine Lippen erreichen meinen Bauch. Er ignoriert mich.

„Mike hör auf!“ Dieses mal spreche ich lauter und er hört auf mich. Er kommt wieder zu mir hoch und schaut mich an.

„Was ist los?“, will er besorgt wissen und dann fange ich an zu weinen.

Was zur Hölle stimmt mit mir nicht?

Ich weine und ich weiß nicht wieso.

Natürlich weißt du wieso!

Er geht runter von mir und setze mich schlagartig aufrecht hin.

Was habe ich mir dabei gedacht?

„Es tut mir so leid, Mike!“, schluchze ich leise und vergrabe mein Gesicht in meine Hände.

„Brauch es nicht. Komm her“

Er setzt sich ebenfalls hin, zieht mich an seine Brust und weine immer noch. Ich weine, weine und weine. So lange habe ich seit Jahren nicht mehr geweint.

Und ich bin ihm so unfassbar dankbar, dass er mich einfach nur hält und keine Fragen mehr stellt.

Ich bin ein schlechter Mensch. Er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden von mir. Hätte ich mit ihm geschlafen, hätte das nichts an meinen Gefühlen für Lucifer geändert, genauso wie meine Gefühle für ihn. Ich bin nicht mehr in Mike verliebt. Doch ich schätze, er in mich schon. Ich liebe ihn, wie man einen besten Freund liebt, doch Freunde tun so etwas nicht. Sie spielen nicht mit den Gefühlen anderer.

Es vergeht einige Zeit. Irgendwann habe ich mich hingelegt und er hat mich zugedeckt, bevor er aufgestanden ist, um zu gehen. Ich murmelte leise, dass es mir leid tut und erwidert, dass es das nicht braucht. Doch ich wusste, dass er verletzt ist. Irgendwann schlief ich ein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kurze Frage: Gibt es eigentlich noch Aktive Leser hier? Denn ich habe die Geschichte auf mehreren Seiten und bin mir nicht so wirklich sicher, ob ich sie hier weiter hochladen soll. Falls ja, lässt es mich doch bitte wissen. :) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (73)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Milerna86
2023-01-18T05:29:18+00:00 18.01.2023 06:29
Huhu!
Ich bin relativ neu hier und hab gerade deine Geschichte zu Ende gelesen. Ich fand sie wirklich echt schön. Wie du Luzifer dargestellt hast,..... Wow! Auch diese Verbundenheit der beiden, man hat richtig mit gefiebert.
Schade nur, das es wohl nicht weiter geht. Ich würde zu gern wissen, was es sich mit der Beziehung zwischen Mike, Alice ect und Luzifer verhält. Auch wie es ausgeht ob die beiden sich bekommen?
Solltest du das hier mal lesen, wäre echt toll wenn du diese Wahnsinns Geschichte weiter schreibst.

LG

Milerna
Antwort von:  LauraFrye
18.01.2023 13:46
Hey :)
Es freut mich, wie sehr dir meine Geschichte gefällt. Sie ist bereits viel weiter auf Wattpad und Fanfiktion.de, falls du sie weiter lesen möchtest. Bin immer noch fleißig am schreiben.

Lg
Antwort von:  Milerna86
18.01.2023 20:13
Wow! Danke dir!
Heißt sie da genau gleich? Boah da freu ich mich ja. Dann hab ich wieder Lesestoff!
Danke und nicht aufgeben du schreibst wirklich sehr gut!
Von:  Haruno
2019-06-21T17:44:50+00:00 21.06.2019 19:44
Oh man oh man...
Jetzt wo es spannend wird, hörst du auf :( FOLTER! XD
Bin gespannt wie er das ruder wieder rumreißen wird >3


Gruß Cherry
Von:  Haruno
2019-06-15T14:07:38+00:00 15.06.2019 16:07
Juhuuu es geht weiter >3
Ich Liebe deine Story <3
Bin gespannt wie es weitergeht :)


Gruß Cherry
Von:  Sundy
2018-10-27T21:56:32+00:00 27.10.2018 23:56
Und schon ist alles vergessen, Wasser sich hinter der Tür abspielt
Von:  Sundy
2018-10-27T21:39:52+00:00 27.10.2018 23:39
Okay also dieses Kapitel entspricht nicht ganz dem was ich mir vorgestellt habe aber es ist trotzdem toll.
Von:  Haruno
2018-10-25T08:51:04+00:00 25.10.2018 10:51
Huhu <3
Es geht weiter ;//;
Ich Liebe die beiden Dank dir so sehr!>3
Binden gespannt was alles noch passieren wird :)


Gruuß Cherry
Von:  Sundy
2018-08-01T20:56:08+00:00 01.08.2018 22:56
Auch wenn es nicht den Anschein hat aber diesem Kapitel läuft einfach alles richtig. Bis auf die Sache, dass die immernoch nicht kapiert, dass er sie liebt und sie ihn. Bitte bitte bitte weiterschreiben.
Von:  Sundy
2018-08-01T20:46:53+00:00 01.08.2018 22:46
Also diesen Francesco mag ich schon Mal genauso wenig wie seine Begleitung. Aber laut Luzifers Reaktion zu urteilen war das so überhaupt nicht sein Plan.
Von:  Sundy
2018-08-01T20:26:40+00:00 01.08.2018 22:26
Also dieser Typ ist echt mysteriös. Haha nicht so der Kuscheltyp aber massieren und ein Kuss auf die Schulter. Genauso, dass er ja angeblich keiner Frau hinterher rennt aber naja was will man anderes erwarten, wenn sich der Teufel verliebt.
Von:  isaa-chan
2018-07-31T08:56:52+00:00 31.07.2018 10:56
Endlich nach langer Zeit wieder ein Kapitel ich hoffe es geht schnell weiter



Zurück