Sana von abgemeldet (tortured souls) ================================================================================ Kapitel 8: Neue Länder Neue Sitten ---------------------------------- Der neue Tag beginnt nicht, wie der alte geendet hat. Unter Deck herrscht lautes, hektisches Treiben. Scheinbar sind alle schon in Vorbereitung auf unsere baldige Ankunft. In dem Gewusel taucht plötzlich wieder der kleine Elf auf. Heute schaut er nicht mehr ganz so verängstigt drein, als er sich mir nähert. „Bitte Madam, mein Herr fragt, ob sie ihm beim Frühstück Gesellschaft leisten.“ Innerlich seufze ich auf, und mein Magen knurrt im gleichen Moment. Nun denn! - denke ich sarkastisch, schwinge meine Beine aus der Hängematte, erschlage dabei fast den armen kleinen Jungen, der gerade noch in Deckung springen kann, und taumele durch den Raum, da das Schiff gerade über ein paar Wellen hüpft. Welch ein Start in den Tag! Wieder begleitet mich der Kleine den Gang entlang bis zur Tür am anderen Ende. Vor dem Eingang steht nur noch eine Wache. Der Junge klopft zaghaft an die schwere Holztür, und sie wird prompt von innen geöffnet. Bei dem lächeln, welches mir gerade entgegen strahlt, hätte ich am liebsten die Tür wieder geschlossen, und wäre gegangen. Doch, die Ruhe hinter der Tür und der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee, locken mich einzutreten. Kaum ist die Tür hinter mir geschlossen, verstummen die letzten Laute aus dem Korridor. Und der Kronprinz begrüßt mich mit einem leichten Kuss auf die Wange. Ich erstarre ob der körperlichen Nähe. Er seinerseits erschrickt über meine extreme Reaktion. „Ich bin Euch wieder zu nahe getreten“, stellt er resigniert fest. Als ich mich wieder gefangen habe, winke ich fahrig ab. „Schon okay. Ich bin so ein Verhalten, nicht gewöhnt.“ Sein lächeln, welches kurz erstorben war flammt wieder auf. „Ich bin froh, dass Ihr es mir nicht nachtragt. Mein Verhalten war nicht anrüchig gemeint, bei uns begrüßt man sich häufig so.“ Der Tisch ist mit neuen Köstlichkeiten gedeckt, und wieder läuft mir das Wasser im Mund zusammen, als ich ihnen näher komme. Entspannter als gestern nehme ich seine freundliche Geste auf, den schweren Stuhl unter mir zurecht zu rücken. Nachdem wir die ersten Bissen der frischen Brötchen und den herrlichen heißen Kaffee zu uns genommen haben, räuspert er sich verlegen. „Ich wünschte ich könnte sicher gehen, Euch mit meinen nächsten Worten nicht wieder in Verlegenheit zu bringen. Ich habe in der vergangenen Nacht viel über Euch und mich nachgedacht, und die neuen Möglichkeiten die sich mir, durch Ihre Anstellung als Leibwächterin, eröffnen.“ Mein Körper versteift sich, und meine Hand verschließt sich fester um das Brotmesser, welches ich gerade in die Butter versenke. Der Kronprinz beeilt sich, weiter zu sprechen. „Ihr müsst verstehen, ich habe selten die Möglichkeit, unauffällig in der Öffentlichkeit aufzutreten, da ich stets von Bewaffneten umgeben bin. Mit Euch wäre es mir erstmalig möglich, mich zu zweit in einer fremden Stadt umzusehen. Ihr als Frau, fallt an meiner Seite nicht so sehr auf. Nur um das noch einmal klar zu stellen, ich erwarte von euch nichts weiter, als meine Sicherheit zu gewährleisten.“ Ich löse langsam meinen Schraubstockgriff um das Messer. Ich glaube ihm, und ein kleiner Teil von mir vertraut ihm auch. Aus einem mir unerfindlichen Grund beginne ich, zaghaft zu lächeln. „Das solltet Ihr öfter machen, es steht Euch.“ Mir wird warm ums herz, und ich fühle mich so wohl, wie schon lange nicht mehr. „Land in Sicht!“ schallt es ins offene Fenster hinein. Wir schrecken aus unserer Trance. Ich erhebe mich schnell, und schlage prompt mit dem kopf an die Holzdecke des Raums. „Keep cool, Baby“ Ich halte mir stöhnend den Kopf. Ich weiß nicht, ob es der Aufprall oder der idiotische Spruch ist, aber mein Kopf schmerzt ordentlich. „Es dauert noch eine ganze Weile bis wir anlegen, setz Euch doch wieder, und wir können noch in Ruhe zu Ende essen.“ Ich lasse mich wieder auf den Stuhl fallen. Zu etwas anderem bin ich gerade sowieso nicht in der Lage. Wir essen, ohne viele Worte, und das Puckern in meinem Kopf lässt langsam nach. Die Tür öffnet sich, und die zwei Wachen, so wie der Kleine Jaspur kommen herein, um bescheid zu geben, dass wir nun anlegen. Sie begleiten uns an Deck. Ich habe all mein Hab und Gut bereits bei mir, und der Kronprinz scheint sich um seines nicht kümmern zu müssen. Wir kommen gerade zur rechten Zeit oben an, um als erste von Bord zu gehen. Wie mir scheint, hat der Kronprinz seine Idee schon in die Tat umgesetzt. Wir verlassen das Schiff zu zweit - entweder ist er sehr naiv, oder aber er setzt bereits großes Vertrauen in mich - denn, von den Wachen oder Jaspur ist nichts mehr zu sehen.  Der letzte Schritt von Bord auf den Hafensteg kostet mich mehr Überwindung, als ich erwartet habe. Ich habe mein Heimatland nun endgültig verlassen. Mir steckt ein schwerer Klos im Hals.  „Alles in Ordnung bei Euch?“ Der Prinz sieht mir besorgt ins Gesicht. Ich nicke nur schnell. „Sollte Euch etwas bedrücken, sprecht gerne mit mir.“ „Es ist wirklich nichts“, versichere ich knapp. Er schmunzelt leicht. „Dann will ich Euch mal glauben, doch bitte bedenkt, dass es für mich gerade zu überlebenswichtig ist, dass Ihr konzentriert bei der Sache seid.“ Wieder nicke ich, straffe die Schultern. Mein Blick schweift prüfend über die Menge am Hafenbecken, welche darauf wartet, ihre Lieben wieder zu sehen. Mir fällt auf, dass die vorherrschende Spezies hier Elfen sind. Ich kann auch ein paar Tierwesen sehen, doch diese sind eher vereinzelt, und viele von ihnen haben schwere Metallringe um den Hals, dessen Nutzen sich mir noch nicht erschließt, und das es sich dabei um Schmuck handelt, kann ich mir nur schwerlich vorstellen. Endlich treten wir aus dem Gewusel. Ich atme auf.  „Mögt Ihr solche Aufläufe nicht?“  Agni scheint belustigt - in Gedanken nenne ich den Kronprinzen so, sein gesamter Name ist mir einfach zu lang.  „Lacht Ihr nur, ich muss mich ja darum kümmern, dass Euch nichts passiert, lasst Euch nicht den Spaß verderben.“ Mein Blick schweift erneut skeptisch über das Gedränge.  „Es tut mir leid, wenn mein Verhalten Euch Unannehmlichkeiten verursacht.“ Es ist offensichtlich, dass es ihm nicht leid tut. Ich verdrehe die Augen, und muss den Impuls unterdrücken ihn zu boxen. Wir schlendern über den Pier, in Richtung eines Gebäudes, das vor Protz und Prunk nur so überquillt. Insgeheim hoffe ich, dass dies nicht unser Ziel ist. Aber natürlich habe ich Pech.  Vor dem Eingang ist ein Aufgebot, welches den Prinzen bereits erwartet. Mistrauen und Argwohn, schlägt mir von den Wachen und den Bediensteten des Gast-„Hauses“ entgegen. Ich ignoriere das gekonnt.  „Ich hoffe Ihr hattet eine angenehme Überfahrt, bitte tretet doch ein.“ Mit einer Wegwerfbewegung meint der Mann neben mir - „Es war erträglich. Ich bin erschöpft.“, er bietet mir seinen Arm an. „Lasst uns auf mein Zimmer gehen, ich zeige Ihnen die Stadt von oben.“ Die Blicke die mir bei seinen Worten zugeworfenen werden, sind zum schießen. Von verhohlenem Unglauben bis hin zu offener Verachtung. Wäre mir nicht so unglaublich egal, was diese Leute denken, würde ich mich jetzt schlecht fühlen, doch wie gesagt, es ist mir herzlich egal. Als ich hinter Agni die Treppe hinauf gehe, sehe ich nur noch aus dem Augenwinkel, wie die Wachen gemeinsam mit Jaspur durch den Torbogen treten. Das Zimmer des Kronprinzen liegt im obersten Stock des pompösen Haus. Wie erwartet ist es gigantisch, mit edler Einrichtung und einem Badezimmer, das noch einmal ein eigenes Apartment sein könnte. Mein Auftraggeber setzt sich in einen Lehnstuhl, der aussieht, als wäre er eigens für ihn in diesen Raum gestellt worden. Ich sehe mich unschlüssig um - soll ich jetzt vor der Tür Stellung beziehen, im Zimmer in einer Ecke hocken und darauf warten, dass ich gebraucht werde, oder die Tür schließen, und mich neben ihn setzen? Was erwartet der Kronprinz von mir?! Mir erscheint alles irgendwie plausibel. „Schließt die Tür, und kommt doch zu mir.“ Ich rühre mich nicht, und versuche krampfhaft mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Bei dem Gesicht, das ich gerade ziehe, muss er herzlich schmunzeln. Nach zwei weiteren Augenblicken in denen wir uns nur anstarren, und ich einer Salzsäule alle Ehre mache, seufzt er angestrengt und steht auf. Langsam kommt er auf mich zu, kostet jeden Schritt aus, unsere Blicke verhaken sich ineinander. Ich kann erkennen, dass das lila seiner Augen von bernsteinfarbenen Fäden durchzogen ist. Er geht an mir vorbei, packt mich bei den Schultern, und schiebt mich mit sanfter Gewalt in den Raum. Dann schlägt er die Tür hinter uns zu. Ich bin so überrumpelt von seiner Nähe, dass ich mich nicht wehre. Er geht wieder um mich herum. Seine Hand ruht noch immer auf meiner Schulter. Meine Wangen werden warm, also wärmer, als sie sowieso schon sind. Der Prinz schaut mir tief in die Augen. Er ist mir so nah, wie ich noch nie jemanden, außer meine Familie oder Aska, an mich heran gelassen habe. Plötzlich prustet Agni los. Ich starre ihn entgeistert an. Er hätte mir auch eine Ohrfeige geben können, es hätte mich nicht weniger verwirrt. Ich bin überfordert, es hat mir niemand gesagt, dass dieser Prinz so ein Exzentriker ist. Er will gar nicht mehr aufhören zu lachen. Gerade schwanke ich wirklich dazwischen, rumzuschreien, oder dem hochwohlgeborenem Typen volle scholle eine runterzuhauen. Irgendwann kriegt er sich dann doch wieder ein, ich habe es schon nicht mehr für möglich gehalten. Er wischt sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. „Es ist nur so, meine Bediensteten haben auf dich genauso reagiert, wie ich es mir erhofft hatte. Du bist exotisch und schön, dazu kommt, dass du wahrscheinlich stärker bist als meine meisten Wachen.“ „Ja das stimmt vermutlich, aber, worauf wollt Ihr hinaus?“ - mir schwant übles, doch ich möchte, dass er es ausspricht. „Das sind die perfekten Vorraussetzungen dafür, das du meine Geliebte wirst.“  Ich mache augenblicklich einen Schritt zurück und schüttle energisch den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall! Nie im Leben!“  Er wirkt ein ganz klein wenig geknickt, ob meiner direkten und absoluten Abfuhr, doch das Lächeln auf seinem Gesicht erstirbt nicht. „Sana, ich möchte nicht, dass du tatsächlich meine Geliebte wirst, es soll in der Öffentlichkeit nur so scheinen, als ob. Das würde mir die Möglichkeit geben, zum ersten Mal in meinem Leben in den Genuss zu kommen ohne Gefolge, durch die Straßen zu ziehen. Also, denk bitte unter diesen Umständen noch einmal darüber nach.“ „Beim Hoden des Ra!“, das Ganze hier steigt mir sowas von über den Kopf. „Ehm... okay“ - nun bin ich vollends aus der Bahn gebracht. Agni fängt schon an zu grinsen, doch dann spreche ich weiter - „Gebt mir ein paar Minuten, um darüber nachzudenken.“ Er nickt. „Aber natürlich, wir haben es nicht eilig“, er bietet mir erneut seinen Arm an,„ich möchte dir etwas zeigen.“ Wir treten durch eine verglaste Flügeltür, auf einen Balkon. „Ist das nicht wunderschön!?“ Unser Blick fällt auf die Stadt, welche von der sich langsam tiefer senkenden Sonne, in ein warmes, angenehmes Licht getaucht wird. Ich schweife mit meinem Blick über die Dächer der Häuser. Dahinter, in weiter ferne, sind schon die Anfänge der Wüste zu erkennen. Der Horizont wabert von der enormen Hitze. Ich balle die Faust. Hinter diesem Ödland aus Sand liegt mein Ziel. Den Prinzen, der neben mir steht, habe ich total vergessen. Er räuspert sich geräuschvoll. „Du scheinst in Gedanken, ich lasse dich mal allein.“ Er löst seinen Blick von der Stadt. „Wenn du dich entschieden hast, komm zu mir, ich werde warten.“ Abwesend nicke ich. Agni tritt wieder durch die Tür ins Innere. Auf einem kleinen Tisch stehen eine Karaffe und ein filigranes Glas. Mit beidem bewaffnet setzt er sich wieder auf seinen “Thron“. Mir schwirrt der Kopf. Zum ersten Mal seit ich meine Reise begonnen habe, fühle ich mich wieder ein bisschen sicher und entspannt. Das Gedränge in den Straßen lässt langsam nach. Es wirkt alles so friedlich, die Bewohner hier scheinen gut mit einander auszukommen. Der Hafen ist im Vergleich zu dem auf unserer Seite der Meerenge sauber und es gibt auch keine Straßenkinder, welche dort herum lungern. Und doch habe ich auch das Gefühl, dass diese Stadt etwas düsteres an sich hat, eine Bedrücktheit. Ein Tumult ein paar Gassen entfernt, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Tierwesen der Gattung Rind ist umringt von schwarz Gekleideten. Es hat den Kopf drohend gesenkt, versucht so seine Widersacher auf Abstand zu halten. Ein lauter Knall ertönt, und ein paar Sekunden später schwankt das gehörnte Monstrum, bevor es umfällt, und auf dem Boden liegen bleibt. Es wird auf einen Karren gewuchtet, und weggebracht. Ich bin geschockt über das, was sich mir gerade geboten hat. Nach einigen Minuten kriecht ein kleineres Tierwesen aus einem Haufen Müll. Es sieht sich vorsichtig, suchend um. Plötzlich tritt aus dem Schatten einer der schwarz Gewandeten. Das kleine schreit auf, möchte fliehen. Es wird gepackt. Ich löse mich aus meiner starre, wenn ich über die Dächer springe, kann ich es vielleicht noch schaffen, und den Kleinen retten. Eine Hand packt mich, ich wirbele herum bereit, wen auch immer zu zerquetschen. Mir blickt das ausdruckslose Gesicht des Prinzen entgegen.  „Lass es, du kannst nichts für sie tun.“ - bedauern schwankt in seiner Stimme mit. „Nein!“ - mein Ruf schallt über die Stadt. „Den kleinen kann ich noch retten!“ Agni schüttelt mit dem Kopf. „Sana, das sind Sklaven. Sie gehören jemandem, sind dessen Eigentum. Wenn du dich da einmischst, ist das ein Verbrechen, welches hart bestraft wird. Außerdem könnte das die Situation für die beiden nur noch schlimmer machen, wenn es Ihnen als Fluchtversuch ausgelegt wird.“ Alle Kraft weicht aus meinem Körper. Schlaff hänge ich im Griff des Kronprinzen.  „Aber...“ - meine Stimme ist brüchig.  Mit einem Ruck hebt mich der Prinz hoch, trägt mich zu dem riesigen Bett. Er setzt mich vorsichtig ab. Schlägt die Decke zurück. Drückt mich in die Weichen Kissen. Ich will mich wieder aufrichten. Seine Hand hält mich zurück. Ich fühle mich so schwach. Schwächer noch als damals, als... ich kann nicht daran denken. Meine Kehle schnürt sich zu, meine Augen brennen. Schluchzend krümme ich mich zusammen. Ich fühle mich so unglaublich alleine. Eine Hand legt sich auf meinen Rücken. „Es ist okay...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)