Noch einmal mit Gefühl von 4FIVE ([Itachi x Ino | Sasuke x Sakura | modern AU]) ================================================================================ Kapitel 18: Ein neuer Tag ------------------------- . . ♠   —Tokio, Japan; 2 Jahre zuvor   »Wenn du in ein paar Jahren die Firma übernimmst, Itachi, wirst du harte Entscheidungen treffen müssen. Denkst du, dass du dazu bereit bist?« »Ja, Vater. Ich bin bereit für jede einzelne harte Entscheidung. Verlass dich drauf.«   ♦   —Tokio, Japan; Gegenwart—   »Was wirst du jetzt tun?« »Duschen. Ich steh extrem auf deinen Regenduschkopf.« »Ino.« Sie zuckte die Schultern. Itachis Höllenwecker hatte sie aus dem Schlaf gebrüllt, die gemeinsame Joggingrunde hatte sie zerstört. Müde, ausgelaugt und in eine Kaffeetasse versenkt, hatte sie keine Lust, sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Vielleicht morgen. Oder nächsten Monat. Sie würde sich einen Job suchen müssen, vermutlich? Für den Moment reichte es ihr, Itachi dabei zu beobachten, wie er frisch geduscht mit noch feuchten Haaren sein Frühstück zusammenstellte. »Was?«, fragte er, als er ihren Blick bemerkte. »Ich seh dich einfach gerne an. Offene Haare stehen dir. Als Protagonist eines Jōsei-Mangas wärst du ein Hit.« »Das ist ein eigenartiges Kompliment.« Er überlegte kurz, während er seinen Teller auf der Anrichte platzierte. »Oder eine ziemlich gute versteckte Beleidigung. Wie wäre es mit einer Karriere als Politikerin?« Ein Seufzen schälte sich aus Inos Kehle. Hatte sie nicht eben versucht, von ihrer Zukunft abzulenken? »Dazu bin ich nicht schlau genug. Außerdem viel zu hübsch. So einen Körper kannst du doch nicht in einen prüden Hosenanzug stecken. Was ist mit dir? Holt ihr euch die Firma zurück?« »Wir werden es zumindest versuchen.« »Soll heißen? Stopp«, unterbrach sie ihn, bevor er eine Antwort geben konnte. Sie rutschte von ihrem Stuhl und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Er wäre eine liebevolle Geste gewesen, hätte sie ihn nicht kurz in die Wangen gekniffen. Seinen verwunderten Blick ignorierte sie. »Bevor du gleich sagst, dass du mich mit deinen Problemen nicht belasten möchtest, weil ich meine eigenen Sorgen habe, darf ich dich freundlich daran erinnern, dass du erst vorgestern einen ergreifenden emotionalen Durchbruch hattest, bei dem erkannt hast, dass du dich deinen Mitmenschen anvertrauen sollst? Außerdem hast du mich gestern angerufen.« Sie ließ ihn los und stemmte auffordernd die Hände in die Hüften. Erst sah es aus, als wollte Itachi protestieren. Es war so typisch für ihn. Aber Ino würde die letzten Monate nicht umsonst an seiner Defensive genagt haben. Wenn er nicht redete, würde sie ihn zu einer Antwort zwingen. Glücklicherweise schien er gelernt zu haben. »Ja. Wir holen uns die Firma zurück. Der Vorstand bekommt kein Gehalt, sondern Dividenden in Abhängigkeit des Gewinns. Letztes Geschäftsjahr gab es wegen der Releaseverzögerung von synCOM und der allgemein schlechten Wirtschaftslage keine Gewinne, also auch kein Geld für den Vorstand.« »Und das ist natürlich schlecht.« Er nickte und schob die Zeitung beiseite. »Katastrophal. Sie haben fest mit den Großkundenumsätzen von synCOM gerechnet und einer Universität ein Vermögen gespendet, das sie eigentlich noch gar nicht hatten. Das hätte sie in den finanziellen Ruin getrieben. Also haben sie die Finanzen auf dem Papier aufpoliert, um die fehlenden Umsätze als Gewinne aus dem Unternehmen zu waschen.« »Das klingt, als wäre es illegal. Also erhebt ihr Anklage?« »Schwierig«, sagte Itachi. Er war aufgestanden, um seine Geldbörse und die Autoschlüssel vom Beistelltisch zu nehmen. »Eine behördliche Untersuchung würde Jahre dauern und wahrscheinlich nichts Handfestes zutage fördern. Wir werden das auf die altmodische Art lösen.«   ♠   Noch Stunden später hatte Itachi Inos grüblerischen Blick vor Augen. Obwohl er ihr den gesamten Plan erklärt hatte, schien sie zu zweifeln. Er teilte ihre Vorbehalte. Was er und Sasuke vorhatten, war so einfach wie riskant. Doch es war der einzige Weg, wenn er die UCHIHA Corp. aus diesem Sumpf ziehen wollte. Darum navigierte er seinen Wagen in eine Parklücke vor dem Hauptgebäude des größten Finanzdienstleiters der Welt und zögerte nur einen Sekundenbruchteil, bevor er aufstand und Richtung Haupteingang schritt. Sasuke war bereits hier. Es gab kein Zurück, und doch war er nervös. Fast schon wünschte er sich einen von Inos dummen Scherzen herbei, der die angespannte Atmosphäre schlagartig und unaufgefordert aufbrechen würde. Er war überrascht gewesen, dass sie nicht darauf bestanden hatte, mitzukommen. Offenbar hatten ihre Neugierde und Aufdringlichkeit doch Grenzen. Stattdessen war sie in seinem Appartement zurückgeblieben. Nachdenken, hatte sie gesagt, und mit deinem Kühlschrank spielen. Wie kann etwas so Banales so viele Knöpfe haben? Dann hatte sie ihn rausgeworfen, und nun war er hier. Neben Sasuke vor ihrem gemeinsamen Finanzberater. Tamashima war kein Freund der Familie. Itachi hatte sichergestellt, dass seine und Sasukes privaten Finanzen weit weg von der restlichen Familie verwaltet wurden. »Uchiha-sama, ich …«, begann Tamashina fassungslos. Seine Brille war verrutscht, ebenso sein Blick. Unwirsch schüttelte er den Kopf. »Natürlich können Sie alle Firmenanteile verkaufen und Ihr gesamtes Vermögen auf sechs Scheck schreiben, aber als Ihr Finanzberater rate ich Ihnen dringend ab, das zu tun.« »Wir haben Ihren Hinweis zur Kenntnis genommen«, meinte Itachi. »Brauchen Sie noch etwas von uns? Die Zeit drängt, wir benötigen den gesamten Erlös nach Steuern nächsten Samstag.« »Nächsten – Uchiha-sama!« Hilfesuchend wandte Tamashima sich an Sasuke, der lediglich entschlossen nickte. Er senkte die Stimme. »Stecken Sie in Schwierigkeiten? Erpresst man Sie? Ich kann die Polizei für Sie rufen.« »Nichts dergleichen«, unterbrach Sasuke. »Hören Sie, wir haben diese Entscheidung gut überlegt. Jetzt geben Sie uns die Haftungsausschüsse zum Unterzeichnen und verkaufen Sie die blöden Anteile.« Itachi fügte hinzu, »Wenn Sie so freundlich wären.« Und er tat es. Widerwillig und mit deutlichen Zweifeln, aber gewissenhaft und akkurat. Es war eine Sache von einer halben Stunde; dreißig Minuten für viereinhalb Milliarden Yen. Und doch fühlte es sich so an, als würde Itachi etwas aufgeben. Die Aktien hatte er zu seiner Geburt bekommen. Sie waren sein Erbe, sein Leben. Er hatte sie niemals nicht besessen. Und wenn der nächste Samstag schiefging, würde er sie nie wieder besitzen. »Kommst du klar?«, fragte Sasuke beim Rausgehen. Tat er das? »Diese Firmenanteile waren immer dazu gedacht, das Erbe der Familie weiterzuführen. Genau das tun wir. Oder wir gehen unter. Daher … keine Ahnung.« Überrascht hob Sasuke eine Augenbraue. »Du kannst ja ehrlich sein. Hoffentlich werde ich jetzt nicht vom Blitz getroffen, wenn unmögliche Dinge anfangen zu passieren.« »Wie lange darf ich mir das jetzt noch anhören?« »Lange, großer Bruder. Ganz, ganz lange.« Itachi seufzte, mehr aus Reflex als irgendetwas anderes. Sasuke hatte lange nicht mehr so frei mit ihm gesprochen. Es war gut. In Tagen der Unsicherheit und Angst ein Lichtblick. Wer hätte gedacht, dass sie ein so gutes Team sein konnten? Wer hätte gedacht, dass Itachis Entscheidung, ihn zu beschützen, die falsche Richtung war? Am Ende war er – das Genie der Familie, die Hoffnung des Klans – ein Idiot gewesen. Es hatte viel gebraucht, um ihn an diesen Punkt zu bringen – sie alle an diesen Punkt zu bringen. Nun würden sie ein für alle Mal beweisen, dass es all der Frust und die Tränen wertgewesen waren. Warum Sasuke sein gesamtes Vermögen riskierte, konnte Itachi nur halb nachvollziehen. Etwas über Verantwortung und ich wollte Vaters ganzes Geld sowieso nie. Es schien etwas Katharisches für ihn zu sein. Ein letzter Befreiungsschlag, der längst überfällig war. Die restliche Woche lang übten sie. Was sie sagen sollten, welche Notfallpläne sie hatten, wie weit sie gehen würden. Mit Sakura und Ino dachten sie sich die absurdesten Szenarien aus, nur für den Fall, dass eines davon tatsächlich eintrat. Und dennoch fühlte Itachi sich unvorbereitet, als er seinen Anzug anlegte und die Manschettenknöpfe mit dem Familienwappen darauf fixierte. Willst du die Dinger wirklich gerade heute tragen?, hatte Ino gefragt und er hatte genickt. Heute war genau der Tag, um sie zu tragen. Fast wäre sie mitgekommen. Aus Neugierde und Anspannung, aber auch, weil sie sich nicht mit ihren eigenen Problemen beschäftigen wollte. Die ganze Woche lang hatte sie es aufgeschoben, nach Jobs oder Weiterbildungsprogrammen zu suchen. Heute ließ er ihre Ausreden nicht mehr gelten und hatte ihr das Ziel gesetzt, bis morgen früh drei Vorschläge für ihre weitere berufliche Laufbahn zu skizzieren. Konkrete und realistische Vorschläge, hatte er präzisiert und sie hatte ihm die Zunge rausgestreckt, bevor sie ihn aufs Bett geworfen hatte. Manchmal war sie wirklich wie ein verzogenes Kleinkind. Doch es beruhigte Itachi, beschäftigte seine Gedanken, bis er mit Sasuke zusammen in der UCHIHA Corp. ankam, wo heute in der obersten Etage synCOMs Release gefeiert wurde. Sie beide hatten so viel Herzblut in das Projekt gesteckt, dass es wehtun hätte müssen. Das tat es nicht. synCOM war ein kleiner Fisch, ein winziger Teil des großen Ganzen, wegen dem sie hier waren. Es war eine geschlossene Gesellschaft und sie konnten keine Einladung vorweisen, dennoch ließen die Empfangsdamen sie ohne nachzufragen durch. Wahrscheinlich hatten auch die strengen Blicke aus Itachis dunklen Augen geholfen, jeden Protest im Keim zu ersticken und ihnen sogar noch zwei Begrüßungsgläser Champagner mit Erdbeeren und Blattgold zu organisieren, obwohl der Empfang längst vorbei war. Und sobald sie den großen Veranstaltungssaal betraten, waren sie zurück in ihrer Welt. Als wären sie nie fortgewesen, als hätte es keine Kündigungen gegeben. Hände wurden geschüttelt, Anekdoten erzählt, zum Erfolg gratuliert. Offenbar hatte ihr Vater niemandem von den personellen Veränderungen in Management und Projektteam erzählt. Es überraschte Itachi nicht im Geringsten. Ein Führungswechsel um den Release herum war fatal schlechte Publicity, also blieb er höflich und vage, und lenkte ab, wann immer jemand Details wissen wollte, die er nicht beantworten konnte, ohne den Aufsichtsrat schlecht dastehen zu lassen. Wenn sein Plan funktionierte, brauchte er die UCHIHA Corp. in bestem Zustand. Es dauerte fast eine dreiviertel Stunde, bis ihr Vater sie entdeckte. Sein Glas glitt ihm fast aus der Hand, sein Hals spannte sich an, als er sich so schnell er konnte aus einer Konversation mit dem Bürgermeister verabschiedete und auf sie zu stapfte. »Was wollt ihr hier?«, fragte er. Keine Begrüßung, keine Entschuldigung. Itachi hatte nichts anderes erwartet. Sicherheitshalber sah er zu Sasuke, doch dieser schien wenig beeindruckt vom feindseligen Tonfall. Gut. »Wir wissen alles.« Demonstrativ hob Itachi seine Aktentasche. Ein Ordner war darin, und Fugaku musste ahnen, was sich darin befand. »Und wir wollen euch ein Angebot machen. Dir und dem Aufsichtsrat.« »Das kann nicht dein Ernst sein, Itachi.« »Ist es«, sagte Sasuke. »Und meiner auch. Jetzt ruf die Leute zusammen. Vater.« Noch nie hatte Itachi seinen kleinen Bruder so kompromisslos erlebt. Es war keine Bitte, kein Vorschlag, sondern ein Befehl, und Fugaku gehorchte. Mit geballten Händen und leisen Worten bewegte er sich durch den Raum hin zu den Mitgliedern des Aufsichtsrates, als wäre er der allerwichtigste Mensch auf dieser Veranstaltung. War er. Noch. Itachi ignorierte sein schlechtes Gewissen, als er den Gang entlangging und sich selbst in einen der Seminarräume ließ. Normalerweise fanden hier Workshops mit externen Dienstleistern oder größere Gesprächsrunden mit Kunden statt. Heute lag er in vollkommener Ruhe, aufgeräumt und nüchtern, und dominiert von einem großen Besprechungstisch, an dessen Kopf Itachi sich niederließ. Er zog den Ordner aus seiner Aktentasche, platzierte ihn vor sich, perfekt parallel zur Tischkante, und wartete, bis Sasuke Fugaku und den Vorstand hergebracht hatte.   ♦   »Du und Itachi-san also, hm?«, fragte Sakura. Von allen Themen hatte sie ausgerechnet dieses ausgesucht, um ihre Nervosität in Zaum zu halten. Ino konnte es ihr nicht verdenken. Sie hatte nur die Hälfte von Itachis und Sasukes Plan verstanden, aber es klang riskant. Sie leerte ihr Weinglas in einem Zug und schwang die Füße auf Sakuras Couchtisch. Sogar sie, deren Kapital und Einfluss nicht auf dem Spiel standen, war unruhig. »Ich und Itachi also.« Gemeinsam verfielen sie in Schweigen, während Sakuras Webserie im Hintergrund weiterlief. Es war das Serienfinale, sehr dramatisch und emotional. »Vielleicht könnte ich sowas machen«, meinte Ino. »Die Produktion sieht zwar nicht sonderlich professionell aus, aber wenigstens hat diese Serien eine Aussage. Denkst du, die verdienen Geld damit?« »Unwahrscheinlich. Die haben nicht mal Patreon.« Sakura schenkte ihnen beiden großzügig nach. »Willst du wirklich aussteigen, Ino? Das kommt alles so plötzlich.« »Ist es nicht. Ich war nur zu stur, das einzusehen.« Erneut breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus. Die Webserie ging mit einer überraschenden Tanzeinlage der gesamten Besetzung zu Ende, die gesamte Handlung war ein Traum gewesen. Ino rollte mit den Augen über den Twist. Warum konnte sie nicht aufwachen? Ach ja, weil das hier das wahre Leben war und sie sich endlich Gedanken machen musste, wie es weitergehen sollte. Vielleicht war YouTube doch keine schlechte Idee. Eine Webserie konnte sie nicht auf die Beine stellen, aber sie hatte immer noch eine Plattform. Ob die Sponsoringdeals in Japan ähnlich liefen wie in den USA? Es würde sich schon was finden lassen. Sie war eine Kämpfernatur, immer schon gewesen, und nun, da sie den Kampf angenommen hatte, würde sie sich durchbeißen. So wie früher auch. »Ich halte das nicht mehr aus!«, rief Sakura plötzlich und sprang auf. Vor Nervosität hatte sie sich mittlerweile einen Nagel abgekaut. Mit der anderen Hand zog sie Ino auf. »Komm mit, wir fahren da jetzt hin.«   ♠   Sobald die Tür aufging, entließ Itachi die Anspannung aus seinem Körper, lehnte sich zurück, als wäre das alles nichts. Als könnte es nicht schiefgehen. Sie hatten diesen Auftritt geprobt, und er zeigte Wirkung. Der Aufsichtsrat war angespannt. Inabi richtete nervös seine Fliegen, Kaede spielte mit ihrem Smaragdring. Der Rest hielt sich im Hintergrund, vertraute wahrscheinlich darauf, dass Fugaku wie immer die Drecksarbeit machte. Diesmal würde er ihnen nicht helfen können. »Vielen Dank, dass ihr gekommen seid.« Itachi machte eine Geste über den Tisch, als wäre er der Hausherr, beobachtete geduldig und unbeeindruckt, wie sie sich langsam setzten. Sasuke blieb bei der Tür, die Arme verschränkt. Niemand würde versuchen zu fliehen, die Symbolik allein war genug. Sie sollten nicht denken, dass sie dieses Zimmer einfach so verlassen konnten. »Was soll das werden?« Inabi. Natürlich war er es, der zuerst die Geduld und die Nerven verlor. Itachi schlug den Ordner auf und schob ihn in die Tischmitte, ehe er sich wieder in seinen Sessel zurücksinken ließ. »Wir Uchihas reden nicht gerne um den heißen Brei, nicht wahr? Darum fasse ich mich kurz. In diesen Dokumenten befinden sich belastende Beweise für die Veruntreuung von Firmengeldern in der Höhe von etwa einer Milliarde Yen, verschuldet durch die anwesenden Mitglieder des Aufsichtsrates der UCHIHA Corp. sowie durch den CEO.« Die Silben verklangen, die Stille zerriss. Kaede stürzte sich über den Tisch, riss den Ordner an sich. Die zweite, die ihre Nerven verlor. »Das sind natürlich nur Kopien«, fuhr Itachi gelassen fort. »Aber vielen Dank für die Bestätigung, Kaede-san. Nachdem Sasuke und ich all das zusammengetragen haben, sehen wir uns in der moralischen Verpflichtung, diesen Verstoß gegen das Finanzrecht behördlich zu melden.« Der Ordner fiel zu Boden, jemand atmete scharf ein. Wahrscheinlich Fumi. Sie war schon seit Jahren Lungenkrank. Itachi konnte keine Rücksicht darauf nehmen. Sie alle waren selbst schuld. Vielleicht hätte er ihnen eine Chance gegeben, sich zu bessern, ihren Betrug heimlich wiedergutzumachen, ihre Funktionen zu behalten, wenn er daran glauben hätte können, dass sie dazu fähig waren. Das tat er nicht. »Damit ruinierst du den Ruf unserer Familie – den Ruf der Firma!«, sagte Naka. Er musste seine Fliege lockern, um atmen zu können. »Das würdest du nicht tun.« »Wieso nicht? Sasuke hat gekündigt, ich wurde entlassen. Es gibt niemanden mehr, der die UCHIHA Corp. in das nächste Zeitalter führen kann. Ich habe kein Vertrauen in euch. Warum also sollte es mich kümmern, ob diese Firma jetzt schon zugrunde geht oder in dreißig Jahren?« Inabi sprang auf, rammte seine Faust auf den Tisch. »Du bist wahnsinnig! Wir haben ein Dutzend Zweigstellen, tausende Mitarbeiter, hunderte Zulieferer! Die UCHIHA Corp. ist ein verdammtes Ökosystem! Wenn du es zerstörst, zerstörst du tausende Familien mit!« Von allen Szenarien hatten sie dieses am häufigsten geprobt, und ein Teil in Itachi war fast schon enttäuscht, dass das Gespräch in diese vorhersehbare Richtung verlaufen war. Natürlich war es das Einfachste, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. An die soziale Verantwortung zu appellieren, die ein Arbeitgeber hatte und die Itachi so oft gepredigt hatte. Gespielt nachdenklich legte er einen Finger ans Kinn. »Du hast recht, Inabi-san. Darum habe ich einen Gegenvorschlag«, sagte er langsam, während er einen sorgsam präparierten Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts zog. Ein paar Sekunden lang hielt er ihn hoch. Ließ seine Zuhörer realisieren, dass man ihn nicht so einfach austricksen konnte. Es war fast schon beleidigend, dass sie darüber überrascht waren. Wer von ihnen hatte ihn nicht sein Leben lang als Genie gefeiert? »In diesem Umschlag befinden sich sechs Schecks, die zusammen über vier Milliarden Yen ausmachen. Das ist mein und Sasukes gesamtes Vermögen und etwa doppelt so viel wie ihr über die nächsten fünf Jahre in dieser Firma verdienen könnt.« Die aufkommende Pause war still, nur gestört durch Fumis Husten. »Legt all eure aktiven Funktionen in der UCHIAH Corp. zurück, verkauft die Hälfte eurer Anteile, dann gehört es euch. Ihr dürft weiterhin stille Teilhaber sein und bezieht gekürzte Dividenden, aber ihr werdet keinen Einfluss mehr auf die Unternehmensführung haben. Keiner von euch. Das Angebot gilt nur, wenn ihr euch einheitlich dafür entscheidet. Klingt das annehmbar?« Es war mehr als das. Ein Geschenk, viel zu großzügig für Itachis Geschmack. Dass sie dennoch zögerten, sich hilflose Blicke zuwarfen, bestätigte nur, was längst klargewesen war. Diese Familie war verloren. Zumindest so, wie sie jetzt war. Es war schade, aber wenigstens befreite es ihm von dem schlechten Gewissen, das er ansonsten vielleicht empfunden hätte. Er nickte leicht, als niemand hinsah, und Sasuke rammte seine Faust gegen die Tür. »So eine schwere Entscheidung ist das ja wohl nicht«, brummte er. Fumi japste. »Wir wollen uns zur Beratung zurückziehen.« »Was genau lässt euch denken, dass das hier eine Verhandlung ist?« Sasuke verengte die Augen. »Entscheidet euch. Jetzt.« »Das ist Wahnsinn!«, rief Inabi. Erneut fuhr er auf, stapfte durch den Raum auf Itachi zu. Bevor er ihn am Kragen packen konnte, durchschnitt Fugakus Stimme den Raum. »Inabi. Setz dich wieder hin.« Er hatte noch nie viel Autorität im Aufsichtsrat gehabt, hatte jahrelang nach ihrer Pfeife getanzt, weil er zu feige war, sich gegen sie aufzulehnen. Weil er Angst hatte vor den Veränderungen, der Unsicherheit, die aufkommen würde, wenn er nicht mehr auf ihren Rückhalt vertrauen konnte. Jahrelang hatte er gefürchtet, dass sie ihn stürzen und ersetzen würden durch jemanden, der noch leichter zu manipulieren war, ihnen noch mehr Gewinne ausschütten würde. Vielleicht würde er irgendwann einsehen, dass es der falsche Weg gewesen war. Dass in der UCHIHA Corp. schon lange nicht mehr von den Uchihas getragen wurde. Vielleicht sah er es auch jetzt gerade ein. Itachi wusste es nicht, es interessierte ihn auch nicht. Fugaku seufzte. »Wir nehmen euer Angebot an.«   ♦ ♠ ♥ ♣   »Und, was jetzt?«, fragte Sakura. Weder Sasuke noch Itachi waren sonderlich überrascht, sie und Ino vor der UCHIHA Corp. vorzufinden. Dennoch hatten sie keine Antwort darauf. Was jetzt kam, war ungewiss. Für sie alle. »Ist doch egal!«, rief Ino in die stille Nacht hinein und quittierte Sasukes vorwurfsvollen Gesichtsausdruck mit einer Grimasse. »Ich meine ja nur für heute. Ab morgen könnt ihr beiden euch gerne wieder den Kopf über eure Firma zerbrechen. Aber jetzt sollten wir feiern!« Itachi legte einen Arm um sie. »Du willst nur von deinen Hausaufgaben ablenken.« »Nein?« »Hast du sie denn gemacht?« »Natürlich«, behauptete sie. »Zirkusclown, Rauchfangkehrer, Golfballtaucher. Drei Karrierewege, wie gefordert.« Sasukes Augenrollen war fast hörbar. »Ich hab ja lange gezweifelt, aber nun beweist es sich vor meinen Augen. Ino, du bist wirklich die dümmste Person auf Erden.« »Du bist nur neidisch.« »Schluss, alle beide!«, ging Sakura dazwischen. »Ihr weckt die Nachbarn.« »Dein Mann beleidigt deine beste Freundin und das stört dich daran? Mein Herz ist gebrochen!« »Bitte, hör endlich auf zu reden. Mein Abend war lang genug.« »Jetzt sei keine Trantüte, Sasuke! Ihr habt eben eine verdammte Firma übernommen, wenn jemand kein Recht auf schlechte Laune hat, dann ja wohl du!« »Brüll das nicht so rum!« »Schrei mich nicht an!« Sie blieben stehen, sahen einander an. Vier Menschen im Aufbruch, vier Leben im Umbruch. War es das wert gewesen? Vielleicht. Morgen war jedenfalls ein neuer Tag, und es fühlte sich ziemlich gut an.   .:: E N D E ::. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)