Last verse of dawn von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: 11 -------------- Reglos kaure ich dort. Nur meine Schultern heben und senken sich unter den dünnen Atemzügen, die über meine Lippen sickern. Der Boden unter mir ist kalt und feucht, doch ich spüre ihn nicht, denn meine Existenz wird beherrscht vom quälenden Stechen meines Beines und den dumpfen Schlägen, die mein Herz durch meinen Körper jagt. Es rast, als würde es für uns beide schlagen. Kandas Kopf ruht auf meinen Schoß. Unter meinen Händen, die auf seine Wangen gebettet sind, spüre ich die Kälte der Leblosigkeit. Kein Blut, das durch seinen Körper fließt, kein Zucken der Muskeln. Ich betrachte ihn mir nicht, darf es nicht, denn meine vollständige Aufmerksamkeit ruht auf der runden, steinernen Öffnung des alten Abwasserkanals. Das leise Plätschern führte mich zu diesem Loch, in dem ich mich verkroch wie ein verwundetes Beutetier. Und ich kroch weit, Kanda mit mir ziehend, eine Spur aus Blut und Hilflosigkeit hinterlassend. Irgendwann hatte ich das Gefühl, mein Körper würde vom Schmerz betäubt, an Beweglichkeit verlieren, doch meine Finger hielten Kandas Uniform weiterhin umklammert. Meine letzten Kräfte schliffen ihn über den Boden und als ein verrostetes Gitter den Fluchtweg beendete, endete auch meine Stärke. Ich blinzle kaum, während ich durch das Loch die Außenwelt fixiere, ebenso kaum atmend, um jedes Geräusch früh genug aufzufangen. Permanent erwarte ich Schatten, permanent das Auftauchen des unbekannten Feindes, doch es bleibt still. Die Nacht, von der mich wenige Meter trennen, scheint noch immer friedlich. Flatternd bewegt sich Kandas schwarzer Golem vor der Öffnung in der Luft. Der erste Angriff, so hoffe ich, wird ihn treffen und mir die Möglichkeit schenken, rechtzeitig zu reagieren. Vielleicht ist es nicht klug, die derzeit einzige Kommunikationsmöglichkeit zu opfern, doch der Rahmen ist zu klein, um klug zu handeln. Übrig bleiben die Notwendigkeit und die Bevorzugung des geringeren Übels. Noch immer umhüllt mich der weiße Mantel meines Innocence. Nicht nur schützend, sondern mir durch sein gleißendes Licht auch die Umgebung offenbarend. Karges Gestein umgibt mich nahezu zu allen Seiten, während dünn und kraftlos ein schmales Bächlein neben mir plätschert. Der Boden unter mir besteht aus Beton, über den sich eine dünne Schlammschicht zieht. Stockend gleiten meine Finger zu Kandas Hals. Ein weiteres Mal, um nach einem Puls zu suchen. Noch immer versuche ich auch zu begreifen, was innerhalb der letzten Augenblicke geschah, was uns trennte vom gemütlichen Sitzen auf jenem Dach. Dabei ist es doch ein Teil unseres Lebens, die Unvorhersehbarkeit der Dinge erdulden zu müssen. Vor kurzem noch spielte es eine Rolle, dass der Finder sich verspätet und nun stelle ich mir die Frage, wie und gegen was ich uns zu verteidigen hätte, würden wir in den nächsten Momenten erneut angegriffen. Ich zurrte meinen Gürtel um meinen Oberschenkel, um den Blutverlust zu reduzieren, auch die Pentagramme auf meiner Haut verblassten bereits, doch das, was zurückbleibt, genügt nicht für Zuversicht und berechtigt ebenso wenig zu Ruhe. Meine Wunden heilen nicht so schnell und ein weiteres Mal beiße ich die Zähne zusammen, als sich der Schmerz peinigend aufbäumt. Unwillkürlich driften meine Hände zu Kandas Wangen zurück und zum ersten Mal seit langem löse ich mich von meiner starren Beobachtung und betrachte ihn mir. Im Licht meines Innocence‘ wirkt sein Gesicht nahezu weiß. Selbst seine Lippen haben keine Farbe mehr inne und wie starr bleibt mein Blick dem neuen Punkt treu. Wie erschreckend fremd erscheint mir der Mensch, den ich doch so inniglich liebe. Wie erschreckend fremd, wenn kein Leben mehr in ihm steckt. Das Gesicht ohne jede Mimik, kein Zucken der gesenkten Lider. Keine Regung des Brustkorbes. Als wäre es eine weiße, kalte Hülle, die bei mir liegt und wie verengt sich mein Rachen unter der Vorstellung, sein Tod wäre endgültig. Wenn es hier vorbei wäre. Wenn ich ihn tatsächlich verlieren würde. Nicht durch einen heroischen Kampf, um zu schützen, was uns wichtig ist. Ohne Prinzipien oder eine Wahl. Ich weiß, er würde kämpfen, bis jeder Knochen seines Körpers zertrümmert und kein Muskel mehr zu Regung fähig wäre. Sterben würde er nicht leichtfertig, doch er würde es tun für ein Ziel voller Bedeutung und Nachhaltigkeit. Nur nicht auf einem Dach und inmitten eines abgelegenen Friedens. Nicht durch einen feigen Hinterhalt. Nicht, ohne dass er etwas entgegengesetzt hätte. Ich schöpfe tiefen Atem, schlucke gegen den Druck in meinem Hals und wie stockend neige ich mich dann hinab. Sein Tod ist nicht endgültig, sage ich mir ein weiteres Mal, als würde sich tief in mir Unsicherheit dagegenstemmen. Doch auch auf seiner Haut sind die Pentagramme bereits verblasst. Das Gift der Akuma erlosch bereits und auch die klaffende Wunde in seinem Kopf scheint sich von Innen zu schließen. Er kehrt zurück, sage ich mir, bevor ich die Lider senke und meine Stirn auf seine Schulter bette. Er kehrt zurück, bleibt bei mir. So bleibe ich kauern, bald wieder auf den Eingang konzentriert, vor dem der Golem flattert, doch der Akuma nähert sich nicht und zeitweise versuche ich meinen müden Kopf zu Grübeleien zu bewegen. Dieses Versteck schenkt keine Sicherheit, macht uns genau betrachtet ebenso angreifbar, wie wir es auf dem Dach waren. Es wäre ein Leichtes, auch diesen Golem außer Gefecht zu setzen und uns zu erreichen. Erschöpft lehne ich mich irgendwann zur Seite und suche Halt an der feuchten Mauer. Nicht weit entfernt ist Tim wohl immer noch an diese Fassade genagelt. Ich erinnere mich an den Anblick, den er bot und auch bei ihm suche ich nach der Überzeugung, dass er sich regenerieren wird, sobald man ihn aus seiner Lage befreit. Auch er findet sein Ende nicht an einem solchen Ort. Er ist nahezu unzerstörbar und bei den Nadeln handelt es sich höchstwahrscheinlich um Waffen, die ihre Gefährlichkeit aus den Wunden und dem Gift schöpfen. Flüchtig verschwimmt das Bild des dunklen Lochs vor meinen Augen. Meine Lider werden schwer und konzentriert löse ich mich von der Mauer und blinzle mich wach. Ich bin müde und ausgelaugt, dabei vergingen vermutlich erst wenige Stunden. Die Dämmerung ist noch weit entfernt, doch in dieser Lage streckt sich selbst eine Minute ins Endlose. Ein leises Ächzen entrinnt mir, bevor ich meine Augen reibe. Meine Beine endsenden bereits ein leichtes Gefühl der Taubheit, doch ich bewege mich nicht, harre aus wie eine Statue, wach und angespannt und wie ewig wirkt die Dunkelheit der Nacht. Als würde es keine Tage mehr geben, keine Helligkeit. Es bleibt finster, still und kühl und als die Schwärze irgendwann doch einem dunklen Blauton weicht, wirkt es so irreal. Ein neuer Tag bricht an. Bald darauf beginnen die Vögel zu singen, als wäre nichts geschehen, doch sonst bleibt die Welt auf der anderen Seite des Loches still. Dieser Teil der Stadt scheint wirklich recht unbelebt. Ich höre weder Schritte noch Stimmen, obwohl die Geschäftigkeit der Bewohner längst erwacht sein muss. Was für ein Zufall, dass wir hier mit dem Finder verabredet waren, denke ich mir und spüre das Zucken eines humorlosen Grinsens an meinem Mundwinkel. Es ist eine Farce ohnegleichen, denn trotz der Helligkeit und den nahen Menschen wage ich mich nicht aus meinem Versteck. Vermutlich würden mich meine Beine auch nicht mehr tragen. Vermutlich käme ich auch aus anderen Gründen nicht sehr weit, denn ich glaube zu spüren, dass er noch immer lauert, heimtückisch hinter der Mauer aus Vogelgezwitscher und Sonnenschein. Leise dringt das Rauschen eines Atemzuges an meine Ohren. Abermals werden meine Lider schwer. Erschöpft verliert mein Kopf weiterhin an Umsicht und wie vernebelt erreicht das wiederholte tiefe Durchatmen mein Bewusstsein. Ich räuspere mich, kämpfe gegen die Trockenheit in meinem Rachen, doch wie erstarre ich, als ich begreife, dass der nächste Atemzug nicht meiner ist. Gestochen scharf lenkt sich meine Aufmerksamkeit zurück auf Kanda. Sein Gesicht zeigt noch immer keine Regung, die Wunde auf seiner Stirn jedoch hat sich komplett geschlossen und ich wage kein Blinzeln, als ich mich auf seine Brust fixiere. Auch sie scheint so bewegungslos wie in den letzten Stunden, in der die Lungen keine Luft in sich aufnahmen, doch ich warte, den eigenen Atem unterdrückend und längst abermals nach seinem Hals tastend. Und dann hebt sich seine Brust, dann atmet er erneut ein und aus, rauschend und tief. Meine Finger zittern, als sie nach der Halsschlagader suchen und wie konzentriere ich mich auf das Gefühl unter meinen Kuppen. Das Schlagen seines Herzens, ich muss es eindeutig spüren und kurz darauf ächze ich, laut und erleichtert, sinke auf ihn und ergötze mich endlos an dem Leben, das in ihn zurückfloss. Noch sind die Atempausen lang, selbst der Puls gewinnt nur langsam an Kraft und Rhythmus aber er kehrt zurück und ich klammere mich an ihn, als würde ich ihn zu mir führen wollen. Nur selten besaß eine Nacht einen solchen Schrecken, doch mit dem ersten Licht des Tages bröckelt viel an Grausamkeit von unserer Situation. Ich bin nicht mehr alleine und lausche versunken jedem Atemzug. Sie werden tiefer, regelmäßiger und nur matt richte ich mich auf, als ich die ersten, leichten Bewegungen seines Körpers wahrnehme. Kitzelnd bahnt sich eine Träne ihren Weg über meine Wange und beiläufig wische ich sie fort. Dezente Farbe fließt zurück in sein Gesicht, kurz zucken auch die gesenkten Lider und endlos genieße ich jede dieser winzigen Regungen. Er erwacht nur langsam, ebenso stockend fließt Gefühl zurück in die starren Glieder. Kalte Muskeln spannen sich, blind tasten seine Finger ins Nichts und irgendwann öffnet er die Augen. Vorsichtig stütze ich seinen Kopf, halte ihn sachte auf meinem Schoß und verfolge das ziellose Driften seiner Pupillen. Sie wirken stumpf, wie sie über das Bild der Umwelt schweifen, ohne an etwas hängen zu bleiben. Als würden sie das Gestein nicht erkennen, als würde der Eindruck nicht in ihn dringen. Er ist noch nicht bei mir, begreife ich, als ich ihn mir betrachte. Noch steigt er der Oberfläche entgegen und wie ruhig schlägt das Herz wieder in meiner Brust, als ich auf ihn warte, absent den Schmutz von seinen Wangen streichend. Ich flüstere seinen Namen, als er blinzelt, schluckt, noch immer nur rein körperlich zu leben scheint. Sein Leib sucht offensichtlich nach Orientierung, die plötzlich, konfus erwachten Impulse nach Ordnung, doch bald darauf glaube ich ihn in der Schwärze seiner Augen zu erkennen. Als würde er auftauchen, als würde er mich tatsächlich erreichen. Seine Seele scheint sich zurück an ihn zu schmiegen, ihm die alte Wärme zu schenken und es ist ein einziges Blinzeln, mit dem er letztendlich vollständig erwacht. Sein Blick erfasst mich, erfasst die Umwelt und nur wenige Momente später tastet er nach dem Boden und stemmt sich in die Höhe. Es fällt ihm schwer. Seine Arme haben kaum genug Kraft inne und mit einem flüchtigen Druck bin ich ihm dabei behilflich, sich aufzusetzen. Er reibt sich die Augen, den Nacken, rollt mit den Schultern und dann späht er erneut um sich, aufnehmend, ganz offenbar auch nachdenklich, doch in seinen Erinnerungen klafft ein Loch, das er selbst nicht schließen kann. Unentwegt sehe ich ihn an, als bräuchte ich den Anblick als Bestätigung, die tief genug in mich dringt. „Was ist passiert?“, erhebt sich kurz darauf seine Stimme. Als er sich etwas zu mir wendet, begegnen sich unsere Augen. Neben all den Fakten würde mein Gesicht wohl die deutlichste Antwort erbringen. Ich bin ausgelaugt von Anspannung und Schmerz und während ich vorerst nur tiefen Atem schöpfe, wird er auf mein Bein aufmerksam. Es ist nicht verwunderlich, denn alles an diesem Ort riecht nach Blut. „Wir sind wohl in eine Falle getappt.“ Abermals erreicht meine Schulter die Mauer. „Und ich kann dir wenig sagen, denn ich habe den Akuma nicht ein einziges Mal gesehen. Seit wir hier hocken, hat er nicht mehr angegriffen.“ Noch immer spüre ich seinen Blick, glaube selbst seine Gedanken wahrzunehmen und wie beruhigt es mich, dass zumindest einer von uns fähig ist zu Konzentration und der Suche nach Lösungsansätzen. „Wo ist Tim?“ Er streicht eine störende Strähne hinter das Ohr, bevor er näher zu mir rückt. „Lass mich sehen.“ Seine Hände erreichen mein Bein. „Tim ist außer Gefecht gesetzt. Er hängt an der Fassade. Das Biest schießt mit riesigen Nadeln und wie es aussieht, ist es verflucht schnell.“ Ich zucke zusammen, als Kanda mein Bein aus der Schonhaltung herausbewegt. Er streckt es und schenkt meinem flüchtigen Kampf keine Beachtung, dabei fühlt es sich an, als würden Muskeln reißen und gebrochene Knochen gegeneinander schaben. Ächzend bleibe ich lehnen und ringe mit der Übelkeit, die die Welle des Schmerzes mit sich brachte. „Er hat uns ganz schön erwischt“, stöhne ich, während Kanda abermals mein Bein betastet. Ich spüre seine Hände und den Druck, den sie auf mich ausüben. „Halb so schlimm“, höre ich ihn dann murmeln. „Halb so schlimm.“ Ein ungläubiges Schmunzeln zieht an meinen Lippen, bevor ich den Kopf schüttle. So leichtfertig tut er es ab. Ich reibe mir die Augen, als wolle ich die vergangenen Bilder aus ihnen entfernen. Seinen blassen, leblosen Körper. Fast ausnahmslos jeder hätte durch einen solchen Angriff endgültig unsere Welt verlassen. Stoisch verfolge ich, wie er sich aufrichtet. Seine Hand findet zum Mund und reibt ihn, während er sich abermals umblickt. „Dein Oberschenkel ist gebrochen. Damit kommst du nicht weit.“ Somit stemmt er sich in die Höhe und wie leicht scheint es seinen Beinen zu fallen, ihn zu tragen. Kein Schwanken oder Straucheln und noch immer sehe ich ihn schweigend an, als er sich hinaufstreckt zu einem kleinen Schacht. Er ist durch ein Gitter versperrt, doch nur ein leichtes Rütteln lässt es ächzen und quietschen. „Das erste, was wir benötigen, ist ein zweiter Ausgang.“ Er tastet an seinem Gürtel und zückt ein verstecktes Messer. Wie beherrscht er sich bewegt, fällt mir auf. Als wäre seine Kontrolliertheit gegen jede Störung gefeit. Kaum kommt er auf die Beine, da gedenkt er, sich von ihnen weiter tragen zu lassen und bevor ich mich versehe, hat er die rostigen, annähernd losen Schrauben entfernt. Ein Ruck, dann löst sich das Gitter und landet im Meer aus Schlamm. So erstreckt sich offen der Schacht über ihm und nur flüchtig betrachtet er sich die rutschige Enge. „Jetzt hole ich erst einmal Tim“, sagt er dann, kurz zum großen Ausgang spähend, bei dem sich noch immer der schwarze Golem bewegt. „Wie auch immer wir handeln, wir brauchen ihn.“ „Kanda.“ Seine Augen driften an mir vorbei, während er das Messer wieder in der Scheide verstaut. Seine Gedanken scheinen kaum noch hier zu sein, denn während es für den Körper Schranken gibt, bewegen sie sich grenzenlos voran, durch jeden Winkel dieser Situation und stetig dem Feind entgegen. Und wie müssen sich die Beine danach sehnen, ihnen zu folgen. Ohne dass sie durch Worte zur Reglosigkeit und Geduld gezwungen werden. „Kanda.“ „Es spielt keine Rolle, dass wir nichts über den Akuma wissen, in einem Gebiet ist er so durchschaubar wie der Rest seiner Sippe.“ Somit streckt er sich hinauf und betastet den rostigen Rahmen, den das Gitter zurückließ. „Ein Akuma greift prinzipiell an, wenn er in der Lage dazu ist. Das bedeutet, es ist ihm offenbar nicht möglich, sich in diesem Kanal zu bewegen. Wären weitere Akuma hier aufgetaucht, hätten sie längst angegriffen. Ich denke, du bist hier sicher.“ Seine Hand scheint festen Halt zu finden und wie resigniert schöpfe ich tiefen Atem. „Yu.“ Endlich hält er inne, endlich finden nicht nur seine Augen sondern auch seine Gedanken zu mir und wie zermürbt erwidere ich seinen Blick, während er den Arm sinken lässt. Nur einen Moment des Stillstandes, mehr fordere ich nicht und wie unwillkürlich schüttle ich erneut den Kopf und reibe meine müden Augen, bevor ich seinen Blick geradlinig erwidere. „Die Nadel hat deinen Kopf durchschlagen“, erhebe ich dann die Stimme. „Du warst tot. Ich habe deinen leblosen Körper in diesen Kanal gezerrt und die ganze Nacht bei ihm gesessen. Du kennst deine Gabe, ich allerdings war mir nicht sicher, ob dein Herz jemals wieder schlagen wird. Das war nicht ‚halb so schlimm‘.“ Keinen Moment lang verlieren sich unsere Blicke und wie offensichtlich ist seine Nachdenklichkeit in diesen stillen und reglosen Sekunden. Meine Worte erreichten ihn mit dem Nachdruck, den ich beabsichtigte und lange sehen wir uns an, bevor er die Lippen schürzt. „Was erwartest du von mir?“ „Dass du meine Sorgen ernst nimmst“, antworte ich. „Diese Nacht war nicht banal. Sie war ein Alptraum. Ich hatte Angst um dich und jeden Grund dazu. Es ist wichtig für mich, dass du das anerkennst.“ Er deutet ein Nicken an, erreicht mich mit wenigen Schritten und dann erreicht mich seine Hand. Ich spüre sie, wie sie flüchtig über meinen Schopf gleitet und hinab zur Wange, auf der sie sich bettet, einen Moment länger, als wolle sie mich davon überzeugen, dass Wärme in ihr steckt. Und wieder schöpfe ich tiefen Atem, entlastet diesmal und genüsslich, bevor er sich von mir trennt. „Das tue ich.“ Ich sehe ihm nach, als er zu dem Schacht zurückkehrt. Abermals blickt er auch zum großen Eingang des Tunnels. Natürlich ist mir nicht wohl dabei, dass er den Schutz aufgibt und sich einem Feind ausliefert, den wir nicht einzuschätzen wissen. Würde ihm etwas zustoßen, ich wäre nicht einmal in der Lage, ihn zu erreichen. „Pass auf dich auf“, bitte ich ihn, als er sich erneut emporstreckt und seine Finger nach Halt suchen. „Mich so zu erwischen gelingt ihm nicht zweimal“, antwortet er, tastet, wird fündig. Und wie leicht und behände zieht er sich dann empor. Als fiele es seinen Armen nicht einmal annähernd schwer, sein eigenes Gewicht zu stemmen. Als hätte er nie bei mir gelegen. Er wird verschluckt vom dunklen Schacht, tastet höher, stemmt kurz darauf den Fuß auf den Gitterrahmen und so verschwindet er vor meinen Augen. Leise Geräusche zeugen davon, dass er höher steigt, hin und wieder bröckelt etwas Schmutz und Gestein zu Boden und wie konzentriert lausche ich in die annähernde Stille, bis auch der letzte Laut verstummt. -tbc- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)