This Love is a Lie von ElenaMorris ================================================================================ Kapitel 1: First Meet --------------------- Raphael     Es war ein warmer Tag, die Vögel sangen ihre Lieder, es gab keine einzige Wolke am strahlend blauen Himmel. Schöner hätte ein Tag nicht beginnen können. Die Betonung liegt auf ‚hätte’. Wäre da nicht dieser Faktor ‚Schule’ der diesen Tag ruinierte. Doch das war nicht der einzige Grund. Missmutig stand ich am Fenster und blickte hinaus. Dort draußen wartete die Freiheit auf mich. Oder zumindest ein frischer Windhauch. „Alter, es ist gerade mal halb 8 Uhr morgens und schon sind hier fast 50° drin.“ grummelte ich mehr als genervt und inhalierte nun die stickige Luft des alten Gebäudes. Ich strich mir meine etwas zu lang gewachsenen Haare nach hinten. Ich müsste mal wieder zum Friseur. Nur war ich akut zu faul dafür. Und als wäre das nicht schlimm genug, presste sich meine Freundin oder auch Nervensäge an meinen Arm. Hat sie nicht mitbekommen wie warm es war? Ich rollte leicht mit den Augen und sah wieder hinaus, nachdem ich kurz auf die Kleinere herab sah. Ich beobachtete die Vögel die frei im Wind flogen. Ich glaube zu denken, dass es kein schöneres Gefühl gibt, als frei durch die Luft zu gleiten, keine irdischen Grenzen zu haben. Viele denken, ich habe ein absurdes Bild meiner Gedanken, Handeln und den Blick auf die Gesellschaft. Daher weiß es hier auch kaum einer. Ich behalte meistens alles für mich.   „Ach Raphael.“ kicherte sie wie ein japanisches Schulmädchen und reibt sich leicht mit ihrer Oberweite an meinem Arm. Michelle stellte sich auf ihre Zehenspitzen und hauchte mir mit einem verführerischen Ton in mein Ohr. „Bald sind die Sommerferien, dann werde ich dich ablenken.“ ich höre schon allein wie sie sprach, dass schelmische Grinsen heraus. Dieses Weib war wuschelig wie drei Hamburger Hafendirnen zusammen. Das war interessant, wie sie oft zum Teil abgehen konnte und nie genug bekam. Aber wenn ich daran denke, dass in ein paar Tagen die Sommerferien anstanden und ich diese Bordsteinschwalbe von Freundin so lange um mich haben musste. Mir wurde ganz anderes. Sommerkurs klingt gar nicht so schlecht dagegen. Wieso war ich eigentlich überhaupt noch mit ihr zusammen? Ich wusste dass, sobald ich keine Zeit für sie und ihre Vulva habe, dass sie sich einen anderen sucht.   Ich glaube da hilft es nicht mal mehr das sie einfach nur verboten scharf aussieht. Sie nervt ohne Unterlass. Manchmal textet sie mich mit so vielen SMS zu, dass ich nicht mal weiß auf was ich als erstes antworten soll, wenn ich es dann mal tat. Das hält doch kein Mensch, der noch bei klarem Verstand war, aus. Oftmals schlimmer als die Hölle, dachte ich mir still. Wir waren erst seit einem Jahr zusammen aber trotzdem war es jetzt einfach kaum noch zum aushalten. Wir sind ein so paradoxes Paar. Wir verletzen um zu lieben. Ich glaube, ich sollte es beenden bevor ein größeres Unglück geschieht. Aber erst wenn die Ferien anfangen. Ich will die letzten Schultage in Ruhe und Zufriedenheit verbringen und ohne Drama.   „Wie schön…“ murmelte ich leise und schob sie sachte von meinem Arm. Durch ihr leichtes Schniefen, welches ich hörte, wusste ich das es ihr nicht gefiel. Aber es war einfach viel zu warm um zu kuscheln, oder Körperkontakt zu haben.   „Guten Morgen!“ Diese quälend hohe Stimme von Viviane drang in meine Ohren. Es kann nicht schlimmer werden. Ich drehte mich zu ihnen um und schenkte ihr nur ein leichtes nicken, während Michelle ihre beste Freundin um den Hals fiel und knuddelte. Waren alle Mädchen so? Knuddeln sie sich immer ab? Langsam glaubte ich immer mehr, dass Frauen von einem anderen Stern kommen.   „Habt ihr gehört, dass wir heute noch einen neuen Schüler bekommen?“ fragte Viviane uns. Sie war die Schülersprecherin und bekam solche pikanten Informationen über andere Schüler immer als erste. Da haben sie sich die perfekte ausgesucht, sobald sie was weiß, tratscht sie es in der ganzen Schule herum, sodass es wirklich selbst der letzte Nerd erfuhr.   „Echt? Es sind doch nur noch ein paar Tage, dann ist das Schuljahr doch vorbei. Wieso bekommen wir jetzt noch einen neuen? Und in welche Klasse wird er kommen? Sieht er auch gut aus?“   Nun begann das Tratschen. Typisch Weiber. Allerdings kann ich dieses mal nicht verneinen, dass es mich nicht interessiert. Es war sehr unüblich, dass so kurz vor Ende des Schuljahres jemand umgeschult wird.   „Er ist ein heißer Russe, hihi. Er wird deshalb hier eingeschult, weil sein Vater von Russland nach Deutschland ausgewandert ist. Er bekommt das Zeugnis von seiner alten Schule hier ausgehändigt. Da aber auch für ihn Schulpflicht hier gilt, muss er die letzten Tage hier zur Schule gehen.“   Michelle machte große Augen. Ein Russe also. Dann weiß ich ja, mit wem sie mich als nächstes betrügen wird. Wieso finden alle Frauen Russen sexy? Ist es der Moschusgeruch den die Weiber so anziehend finden? Das sind doch auch nur Kerle, wie jeder andere.   „Und in welche Klasse kommt er nun?“ fragt Michelle wissbegierig und tippelt auf der Stelle hin und her. Sie hoffte natürlich in ihrer Klasse. Jedenfalls hatte ich da vor ihr Ruhe. Michelle und Ich waren nicht in der selben Klasse. Und Viviane war eine Klassenstufe unter uns.   „Er kommt in Raphaels Klasse. Leider.“   Ja, ermutige deine beste Freundin, meine Freundin, dazu andere Kerle anzugaffen und fremdzugehen. Dir Bitch wüsche ich was. Nun ja, muss ich mit leben. Also bekomme ich nachher einen neuen Klassenkameraden. Da nun mein Bedarf an Klatsch, Tratsch und Schnackerei gedeckt war, gebe ich meiner Freundin einen flüchtigen Kuss und ging dann in meinen Raum. Weg von denen. Ich setze mich neben meinen Sitznachbarn, Malek. Malek und ich kannten uns seit der 6. Klasse, als ich hier eingeschult wurde. Ich kam von der Sekundarschule hier hoch auf das Gymnasium. Wir haben uns gehasst. Aber so richtig. Die ersten Wochen haben wir uns nur geschlagen und gegenseitig gemobbt. Ich weiß nicht mal genau wie es auf einmal dazu kam, dass wir nun so unzertrennlich sind. Er war einfach da. Alles vom Anfang war vergessen. Vielleicht war es auch das pubertäre Dominanzverhalten was wir beide austesten wollten. Seitdem konnte ich mit ihm über alles reden was mich beschäftigt, auch über das mit Michelle.   „Du ziehst ein echt hässliches Gesicht am Morgen! Ich glaube, ich habe hier noch Tesafilm , ich klebe dir einfach ein neues auf!“ kam es wahnwitzig von meinem besten Freund.   „Danke für dein Mitgefühl, Arschloch!“ gab ich grummelig von mir. Malek lachte nur leise. So ein Bastard.   „Aber dein Lieblingsarschloch.“ kontert er. Nun, ich musste zugeben, dass stimmt leider. Weiter kamen wir nicht mit dem Albern. Es klingelte zum Unterricht und wie immer war Herr Friedrich pünktlich. Im Schlepptau mit dem neuen russischen Zugang.   Als ich ihn sah, stieg in mir ein komisches Gefühl auf, ich wusste nicht ob es gut oder böse war. Ich wusste nicht ob er es war. Man konnte nichts aus seiner Mimik ersehen, ob er auf Krawall aus war, oder schüchtern. Er sah mit seinen stechenden goldenen Augen durch die Klasse. Zum Schluss blieb sein Blick an mir haften. Seine Augen drangen tief in meine Seele ein, so fühlte es sich an, als wäre ich ihm schutzlos ausgeliefert. Ihm und diesen außergewöhnlichen Augen. Ich konnte nicht anders als mich diesem Blick zu ergeben. Ich betrachte ihn jedoch auch genauer. Er hatte helle Haut, fast schneeweiß. Seine Haare waren rabenschwarz. Die enganliegende Kleidung zeigte mir, dass er einen athletischen Körper hatte. Er sah aus wie eine männliche Version von Dornröschen. „Guten Morgen, „Schüler“.“ ja, wir waren mehr seine Raubtiere, Chaoten, Idioten. Oft brachten wir Herr Friedrich zur Weißglut.   „Das ist Lawrence Nikita Privorius. Er kommt aus Russland und geht ab heute hier zur Schule. Da er neu ist, wollte sein Vater, dass er die letzten Tage hier zur Schule geht, damit Lawrence über die Ferien einige neue Kontakte aufbauen kann, also seid einmal nett, und begrüßt euren neuen Mitschüler ohne Prügeleien und ohne Streiche. So, Lawrence, Du kannst dich dort hinter Raphael setzen.“   Nachdem Herr Friedrich endlich mit seiner lobenden Ansprache über uns fertig war, ging der Junge mit der russischen Abstammung langsam durch den Gang. Die Mädchen konnten es nicht lassen ihm verstohlene Blicke hinterher zu werfen. Kleine Flittchen halt. Als er an mir vorbei ging, drangen seine tiefgehenden Blicke wieder in meine Augen. Erschrocken fühlte ich einen kurzen Moment, ein elektrisierendes Gefühl, welches mir rasch durch die Adern pumpte. Doch so schnell das Gefühl da war, war es auch wieder verschwunden. Lawrence setzte sich also hinter mich und Herr Friedrich schob in der Zeit einfach eine DVD mit einer Tier Doku in den Player.     Lawrence   Diese „Lehrer“ hier waren echt „freundlich“. Man merkte das sie ihren Job hassten, aber mussten sie es an mir, dem Neuzugang auslassen? Unfassbar. Ich kann doch nichts dafür. Mein neuer Klassenlehrer, ein Herr Friedrich, rempelte mich nur leicht an der Schulter an und grunzte missmutig „Mitkommen!“. Nett war anderes. So ein Spast. Wir gingen durch eine Vielzahl an Gängen bis wir den Klassenraum erreichten. Als wir eintraten klingelte es gerade. Es klang so schrecklich dieses Geräusch. Als ich mir die neuen Gesichter so ansah, stellte ich fest, dass es alles nur kleine Mädchen und ein paar zurückgebliebene Kerle waren. Ich kotze jetzt schon ab. Mami legt den armen Jungs auch bestimmt noch ihre Sachen zu recht, kommen nach zwei Minuten wichsen von einem Porno und haben sicherlich kein einiges Haar am Sack. Als ich mir weiter diese mehr oder weniger durchschnittlichen Leute ansah, blieb mein Blick bei einem Jungen hängen. Er hatte nussbraune Haare. Ozean-blaue Augen, dich selbst vom weiten so klar und hell waren. Doch sein Blick war leer. Ausdruckslos.   Das war interessant. Weshalb schauen seine Augen so aus, als würde er gleich aus dem Fenster springen wollen? Hatte er etwas tragisches erlebt? War er der Menschen überdrüssig? Ich wusste nicht wieso, aber ich würde gerne das Geheimnis seiner leeren Augen erkunden und erforschen. Etwas das ich ergründen möchte. Den Lehrer höre ich nur im Rausch. Ich starre ihn wie paralysiert in die Augen, doch auch er wendete den Blick nicht von mir ab. Er ist standhaft. Mal sehen, wie lange er es aushalten wird.   „...So, Lawrence, Du kannst dich dort hinter Raphael setzen.“ War das der Junge? Ich gehe einfach hin. Der bessere Pädagoge wird meinen Weg schon korrigieren. Ich laufe durch den Gang der Tische und setze mich hinter ihm. Er roch nach einem schönen Männer Parfum. Nicht zu maskulin und nicht zu feminin. Ich glaube, er und ich, werden bald viel Spaß haben.   Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen und dachte darüber nach, was ich alles mit diesem Jungen anfangen könnte, wie man die spaßige Zeit genießen könnte. Ich weiß, es wird nicht dazu kommen. Er sieht nicht gerade nach einem Kerl aus, der auf einen Schwanz in seinem Arsch steht. Aber träumen darf man doch noch. Was bleibt einem Menschen der weder Hoffnung noch Freude hatte? Ihm blieben nur seine Träume. Träume die einem eine falsche Hoffnung widerspiegeln und vorspielen wie angenehm das Leben sein könnte. Nur könnte. Denn weder das dumme Herz, noch der dumme Kopf wird es jemals verstehen, dass auch dies ungesund für eine kaputte Seele war.   Meine Gedanken zogen weiter. Ich kann mich an diese Schrottstadt noch sehr gut erinnern. Damals bin ich allerdings auf die Sekundarschule gegangen, bis zur 7. Klasse. Ich kann mir nicht helfen, aber der Name Raphael, kam mir aus der Zeit noch bekannt vor. Auch diese Augen. Ich muss mal in meine alten Fotobücher schauen. Es kann ja auch einfach sein das ich etwas verwechsle.   Bis jetzt war es kein einfaches Leben für mich gewesen. Meine Mutter war eine Deutsche, sie lernte wohl damals meinen Vater in Russland kennen und es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, wie sie gerne erzählt hatte. Sie schrieben sich jede Woche, bald wanderte mein Vater dann für sie, hier nach Deutschland aus, sie heirateten und bekamen mich. Als ich 12 Jahre war, also in der 7.Klasse, starb meine Mutter bei einem Unfall. Ein Auto hat sie übersehen und angefahren. Mein Vater war so niedergeschlagen, ich ebenfalls, dass er mich zurück nach Russland mitnahm. Es war die Hölle. Alles war fremd, keine Freunde, keine Familie. Nur ich und mein Vater. In der Zeit entwickelte ich mich nicht gerade zu einem Primadonna Kind, weshalb er es für ratsam fand, das wir wieder zurück zogen in die Heimat, die ich kannte. Wieder entwurzelt und entrissen. Niemand kann sich in dieser Schrottstadt an mich erinnern, weshalb also wieder herkommen? Wegen meiner Oma die im Pflegeheim mit Alzheimer lag? Sehr weise, gelobter Vater. Es stresste mich und verletzte mich jedes mal aufs neue. Immer wenn ich Freunde hatte, wurde ich entrissen. Nur, weil er denkt das ich hier ein besseres Umfeld habe, weg von den Drogen, von den falschen Menschen, doch mein lieber Vater, solche Menschen gab es überall, und ich werde auch hier wieder welche finden.   Gelangweilt sah ich kurz zu der Flimmer Kiste, die solche nervigen Geräusche von sich gab. Eine Tierdokumentation? Sind wir alle in der dritten Klasse oder wie? Leise seufzte ich über die Motivation des Lehrers aus, und sah mich in meiner neuen Klasse um, die ich noch ein paar Jahre lang an der Backe haben werde. Es war alles vertreten. Von Hipster, über Nerds, zu Barbies die ich sich frisch Lippenstift auftragen und dann mit schelmischen Blicken zu mir sahen. Schauderhaft! Dann gab es noch die Emos, die Gruftis, ein Punk. Und natürlich noch so ein bis zwei normale Leute. Das wird ja lustig werden. Dreiviertel dieser Leute war noch auf der Selbstfindungsphase. Bestimmt benehmen sie sich auch so. Nun ja, warum auch nicht? Wenn sie noch Hoffnung und Glück empfinden können. Ich glaube, nach dem, was ich durch gemacht habe, ist es kein Wunder das ich einen etwas zynischeren Blick auf das Leben habe. Ich glaube wäre alles etwas anders verlaufen, wäre ich wohl genau so wie sie. Voller Fröhlichkeit, irgendeine Hoffnung das es auch mal besser werden kann. Wenn ich nie von hier weg gemusst hätte, dann wäre ich nie so schnell an Drogen oder Alkohol gekommen. Doch ich war in Russland, alleine. Keine Freunde, niemanden mit dem ich diesen Schmerz teilen konnte. Mein Vater war auch nur arbeiten um alles irgendwie zu verdrängen. Ich brauchte lange um in Russland Anschluss zu finden. Da frage ich mich, was wäre aus mir geworden wenn wir Deutschland nie verlassen hätten? Wenn meine Mutter nie gestorben wäre? Wenn der Autofahrer aufmerksam gewesen wäre? Das sind alles Fragen auf die ich niemals eine Antwort bekommen sollte. Ich warf einen Blick auf den Jungen vor mich. Raphael. Ich schließe meine Augen und versuche mich an damals zu erinnern. Nussbraune, wuschelige Haare, eine laute Stimme, aber es fiel mir kein Gesicht dazu ein. Das macht mich wahnsinnig! Habe ich mir mein Hirn schon so weg gekokst, dass ich mich nicht einmal mehr an ein Gesicht von vor ein paar Jahren erinnern kann? Oder war er so unwichtig? Ich weiß es nicht. Ich habe so gut wie alles aus dieser Zeit verdrängt. Den Schmerz verdrängt um irgendwie weiter machen zu können. Ich wollte nicht an dem Leid ersticken.   Die Gedanken in meinem Kopf werden schwerer, weshalb ich tief durchatme und meinen Blick wieder aus dem Fenster wand. Ich muss es einfach vergessen, diesen Ärger, dass mir das Gesicht zu dem Namen nicht einfiel und ob es genau dieser Raphael ist. Ich werde wohl nachher etwas in meiner Vergangenheit graben müssen. Etwas das ich eigentlich nicht vor hatte. Aber dann bleibt mir wohl keine andere Wahl.   Nachdem ich die Gedanken bei Seite schob, merkte ich die wallende Hitze in diesem Raum, das ist echt fürchterlich. Also war ich einfach mal so frei, ergreife den Griff des Fensters und drehte ihn herum, mit einem Ruck machte ich das Fenster weit auf. Der Punk, ich nehme einfach an das er einen darstellen möchte; durch seine grünen Spitzen im blondierten Haar, drehte sich zu mir um und sah mich an.   „Gute Entscheidung, hättest du das jetzt nicht gemacht, hätte ich es.“ Gluckste er leise vor sich her. Ich lächle ihn nur schräg an, wandte mich dann von ihm ab und schaute wieder aus dem Fenster, in der Hoffnung der, was auch immer er darstellen will, tat das gleiche; doch leider war dem nicht so. Glück hatte ich wohl einfach nicht.   „Du kommst also aus Russland? Meine Eltern kommen auch von dort hehehe. Ich heiße übrigens Malek.“ Danke für die Kurzeinführung deines Lebens, auf die ich nur gewartet habe. Oh man, er meint es sicherlich nicht mal böse und bin so fies und reudig in meinen Gedanken.   „Freut mich.“ sagte ich leise, ebenso kurz und knapp. Was sollte ich sonst auch anderes darauf erwidern? Ich war nicht so der Typ für Smalltalk, das war von Anbeginn der Zeit nicht meine Stärke.   „Sollen wir dich vielleicht nachher etwas in der Schule herum führen?“ er versuchte wohl wirklich nett zu sein, damit ich schnell Anschluss finde. Probieren kann man es ja, wenn er oder seine Freunde zu nervig werden kann ich mich ja immer noch abwenden.   „Ja, das wäre nett, ist ja auch ziemlich verwinkelt eure Schule.“ Der kleine Punk kicherte leise und nickte.   „Als ich hier in der 5. Klasse herkam, ging es mir auch so, richtig schrecklich, am Anfang habe ich mich immer verlaufen.“   „Verständlich, ich hoffe einfach nur das über den Tag die Hitze hier nicht noch mehr ansteigt.“ Er grinste mich auf meine Aussage hin etwas schief an.   „Oh doch, dass wird es definitiv noch, aber sieh es Positiv, dann haben wir bald verkürzt und sind spätestens um 11.30 Uhr hier draußen.“ So früh schon? Das klingt endlich mal nach etwas Positivem. Ich nicke ihn nur zustimmend zu, da sein Nachbar Raphael ihn schon mit dem Ellenbogen anstößt das er leise sein soll. Der Grund? Herr Friedrich wollte wohl einfach seine Ruhe haben und betrachtet Malek und mich schon mit finsteren Blicken. Der kleine Punk drehte sich deshalb wieder genervt zum Geschehnis des Fernsehers. Herr Friedrich, sie haben eindeutig den falschen Beruf gewählt. Und wenn sie nicht ein Schlaganfall bei ihrer Wut ereilt, sitzen sie hier noch die nächsten 20 Jahre fest und ein Versprechen kann ich ihnen geben, es wird nicht besser werden.   Ich wandte meinen Blick ab und sah wieder aus dem Fenster, beobachte die vorbeigehenden Menschen, die Vögel, genieße jede leichte Brise die in das Klassenzimmer hinein wedelte. Es war so langweilig. Ein Glück wurden wir bald von dem schrillen läuten der Glocke geweckt und befreit. Über die Lautsprecher der Schule wurde eine Ansage von der Schulleitung rausgegeben, dass wir durch die viel zu hohe Temperatur in den Klassenräumen verkürzten Unterricht bekamen, das bedeutet, heute um 11.30 Uhr ist Feierabend. Das klingt herrlich. Malek war danach wirklich so freundlich, mir die wichtigsten Räume zu zeigen, danach erklärte er mir die wichtigsten Gruppenverteilungen auf dem Schulhof, wo halt jede Clique ihr Revier quasi hatte. Es war schon interessant zu sehen, das es durch diese Verhalten so gut wie kein Mobbing auf dem Schulhof gab. Es scheint ja eine ganz integrative Schule zu sein. Ich muss sagen, ich bin fasziniert, von ihrem Verhalten zu denken, dass jeder seinem Freiraum auf dem Hof ließ. Sah man nicht oft. Was ich sehr witzig und amüsant fand, war das Raphael uns währenddessen überall hin gefolgt ist, immer mit einem widerwilligen seufzten, nach dem Motto: Habt ihr es bald? Es ist warm, ich hab kein Bock auf den Kram mit dem neuen! Tja, ich würde sagen, Pech gehabt kleiner Raphael. Es kann ja nicht immer nach deiner Nase laufen. Innerlich ergötzte ich mich ein wenig daran, den schon so leidenden Jungen durch die unbändige Hitze noch ein wenig mehr genervt zu sehen. Ich beobachtete ihn ein wenig aus dem Augenwinkel und bemerkte das er mich auch mit argwöhnischen Blicken des öfteren mustert. Sehe ich so abgefuckt aus oder was? Kam ich ihm vielleicht auch bekannt vor? Oder das wahrscheinlich unwahrscheinlichste, steht er auf mich?     Raphael   Einerseits freue ich mich das ich heute nur bis Mittag diese Qual aushalten muss, auf der anderen Seite kotze ich gerade so dermaßen. Wieso muss Malek so scheiße freundlich zu dem Kerl sein? Nur weil sie irgendwo die gleiche Abstammung besitzen? Gibt es unter den Russen einen geheimen Bro-Code oder was? Sonst hasst er auch jeden auf Anhieb, oder,…, nein, eigentlich nur mich. Der Typ sieht ja jedenfalls nicht so aus, als würde er lange etwas mit uns zu tun haben wollen. Ein Glück auch. Er wirkt echt komisch. Ich habe irgendwie gespürt das er mich vorhin im Unterricht beobachtet hat. Ich habe seine bohrenden Blicke in meinem Rückkrad gespürt. Gott, wenn ich allein wieder daran denke schüttelt es mich heftig. Und ich weiß ganz genau, hängt er länger als nötig bei uns herum, wird Michelle selbst nach der Trennung die ganze Zeit bei uns sein. Nur wegen ihm! Um mir unter die Nase zu reiben, dass sie geilen und heißen Sex mit dem Scheiß-Russen hat. Eigentlich sollte es mich nicht stören, aber das tut es, weil ich ja Ruhe vor ihr wollte. Sie wird eh gleich an gehüpft kommen und ihm zeigen was sie zu bieten hat, während ich teilnahmslos neben ihr stehe, wir nach der Schule uns wieder streiten, uns anschreien und zur Versöhnung dann eine Runde bumsen werden. Es war schon immer so gewesen. Aber weil sie mich dann irgendwann betrügt, tue ich es selbstverständlich auch. Ich war sogar kurz in Versuchung ihre kleine beste Freundin einfach zu ficken. Dann hätte dieser Trauershow ein schnelles Ende gehabt, wenn ich ihre beste Freundin als erstes zum juchzen gebracht hätte. Warum mache ich es nicht einfach? Ach ja, stimmt, weil ich keinerlei Gelegenheit habe um mich an Viviane heran zu machen, da Michelle ja ihre treue Begleiterin ist.   Ein Glück waren wir jetzt schon endlich am Schulhof angelangt. Malek erklärt ihm noch einiges zum Gruppenverhalten. Relativ langweilig.   „Wo… kann man hier eine rauchen gehen?“ Oh. Unser neuer Russe raucht also. Ein ungesunder Lebensstil, den ich jedoch befürworte. Ich rauche selber auch.   „Damit wartest du besser zur richtigen Pause. Wir sollten jetzt erst einmal zum nächsten Raum gehen. Die nächste Stunde geht gleich los.“ erklärte der Malek ihm. Man merkte an dem Gesicht das Lawrence zog, das er lieber eine geraucht hätte. Doch was würden deine neuen Lehrer und deine lieben Eltern von dir halten, wenn du anstatt die letzten paar Tage tatkräftig zu lernen, lieber eine rauchen gehen willst? Gott, ich war heute selbst in meinen Gedanken sehr zynisch. Liegt bestimmt an der reudigen Wärme.   „Und wann haben wir richtige Pause?“   „Na, wir müssen jetzt nur noch Frau Dreiling die zwei Stunden ertragen, dann haben wir Pause. Dann nochmal zwei Stunden und wir haben Schluss. Das praktische an verkürztem Unterricht hier ist, die Unterrichtsstunden gehen nur noch eine halbe Stunde. Die Pausen werden aber nicht verkürzt. Das heißt, eine ganze Stunde noch ohne Kippe mein Freund.“ Malek, der Meister der umfassenden Erklärungen. Anstatt einfach zu sagen, eine Stunde mein Freund! Nein. Da kommt er mit einem um schweifenden Epos, der Geschichte der Literarstunden des Gymnasiums „Johann-Wolfgang“ um die Ecke.   „Ich glaube es hätte auch eine Kurzfassung gereicht Malek.“ Oh! Wo kam das her? Ja, es kam aus meiner trockenen Kehle.   „Ach halt die Schnauze Raphael haha. Ich gebe einfach mein Bestes zu Teil.“ schmunzelt er vor sich hin.   „Du hörst dich einfach nur gerne selber reden du Vollidiot. Du bist einfach ein Möchtegern-Politiker“   „Ich bin kein Politiker. Ich bin ein Präsident!“ lauthals lachte er los. Doch Himmel Herr, er kann es verkaufen wenn er will.   „Jetzt labere nicht, lass uns zurück. Frau Dreiling bekommt sonst ihren Tobsuchtsanfall.“ Malek nickte leicht. Also setzten wir uns, die scheinbar drei Musketiere auf den Weg wieder in das Gebäude hinein und liefen mit unserem neuen Anhang. Neuen Bekannten? Neuen Freund, aus Maleks Sicht? Ich hoffe nicht. Ich bete das der neue bald wieder dem Rücken gekehrt wird. Ich denke mal das passiert aber erst spätestens zu den Sommerferien.   Als wir endlich den Raum erreichten setzten Malek und ich uns auf unsere Plätze, der Neuzugang nahm wieder hinter uns Platz. Müde lasse ich meinen Kopf auf die Bank gleiten. Mathematik Unterricht, hieß für mich immer Schlafenszeit. Mathe mit Frau Dreiling war das schlimmste was ich am Tag durchstehen musste. Doch wie ich das alte Biest kannte, würde sie nicht lockerlassen und mich malträtieren wie jeden Tag. Entweder mit Tests oder mit Klassenspaßaufgaben, wobei, nun kurz vor den Ferien und nach dem Notenschluss, war es mir egal. Da konnte sie noch so viel meckern und auf und nieder springen. Ich sehne die sechs Wochen schon so sehr herbei. Endlich Ruhe vor den ganzen Möchtegern, Schlampen und Posern, die sich für so wichtig halten. Allgemein freue ich mich wenn endlich das Gymnasium ein Ende hat. Geplant für die freie Zeit von Lernen und Pein, ist ein Angelausflug mit meinem Vater. Ich habe eigentlich gar keine Lust darauf. Die Familiensituation war schon schwer genug. Ich weiß nicht wie mein Vater es geschafft hat die Frau vom Jugendamt einzulullen, aber er hatte nun Besuchsrecht für mich.   Ich seufzte schwer und sah aus dem Fenster, beobachte die Vögel wie sie frei am Himmel flogen. Frei sein. Was bedeutet es heutzutage frei zu sein? Jeder hat eine andere Definition. Für die einen, ist es ein Teil von frei sein, wenn sie unabhängig sind von den Eltern, dem Job oder ein eigenes Grundstück zu besitzen wo man einem nicht so viele Verordnungen halten. Für andere ist es das Reisen, das fliegen über den Wolken, wie das der Vögel. Freiheit ist ein Wort. Und das bleibt es auch. Der Mensch wird meiner Meinung nach nur Frei sein, wenn er tot ist. Tiere können frei sein. Sie können tun was sie wollen, hingehen wo sie wollen, ohne bestraft oder verurteilt zu werden. Bei den Menschen sieht es anders aus. Alle Augen sind stets auch dich gerichtet. Man gaukelt dir vor du hättest die Freiheit alles zu tun, was du möchtest, aber die hast du nicht. Egal wie weit entwickelt der Mensch sein möge, er ist die dümmste Rasse auf Erden.   Ich schließe die Augen, blende alle Geräusche aus und erinnere mich unweigerlich an dem Tag zurück, an dem mir die Illusion der Freiheit geraubt wurde…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)