Now You See Me von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ „Mach es ab.“ „Loki...“ „Ich meine es ernst, Thor, mach es ab!“ „Das kann ich nicht.“ „Kannst du es nicht oder willst du es nicht?“ „Du weiß, was ich meine, Loki...!“ Thor senkte seine Stimme, als sich ein paar Passanten verwundert nach ihnen umsahen. Sein Bruder hatte den Kragen seines Wintermantels hochgeschlagen und seinen Schal fast bis zur Nase hochgeschoben, um sein blaues Gesicht zu verbergen, doch jeder, der mehr als einen flüchtigen Blick in seine Richtung warf, machte auf dem Absatz kehrt und suchte schleunigst das Weite. „Das ist erniedrigend!“, sagte Loki zerknirscht. „Du weißt genau, dass ich diese Gestalt hasse! Wieso tust du mir das an? Macht es dich glücklich zu wissen, dass ich darunter leide?“ Thor wusste genau, dass Loki ihn nur zu manipulieren versuchte, und doch versetzte ihm die Bemerkung einen Stich. „Dein Schmerz macht mich nicht glücklich, Bruder“, erwiderte er leise. „Das hat er noch nie getan.“ „Dann befreie mich von diesem Ding! Ich verspreche auch, dass ich mich nicht an dem Zauberer dafür rächen werde.“ Thor seufzte. Er wusste, dass Loki keinen Moment lang locker lassen würde, bis er bekam, was er wollte. Und es war nicht so, als könnte Thor seinen Bruder nicht verstehen. Seine Magie nicht nutzen zu können, war für ihn schon schlimm genug, aber in der Gestalt einer der Alptraumfiguren ihrer Kindheit gefangen zu sein, war einfach nur unnötig grausam. Und trotz der vielen kleineren und größeren Vorfälle, die es gegeben hatte, seitdem sein Bruder im Hauptquartier eingezogen war, empfand Thor Stranges Maßnahme als zu harsch. Seufzend packte er seinen Bruder am Oberarm und bog mit ihm in die nächste Seitenstraße ein. „Gib mir dein Handgelenk“, sagte er. Offensichtlich erleichtert, dass Thor endlich ein Einsehen hatte, schob Loki den Stoff seines Ärmels zum Ellenbogen hoch und streckte die Hand aus. Thor griff behutsam nach seinem Arm, um das goldene Band wieder zu lösen – und zog augenblicklich die Hand weg, als ein beißender Schmerz durch seine Finger fuhr, fast so, als hätte er sie verbrannt. „Was zum–!“, stieß er hervor, während er seinen Bruder ansah, und schob die Hand unter seine Achsel, um sie zu wärmen. „Was war das?“ Loki starrte derweil auf seine Finger herab. „Das war ich“, murmelte er und ballte die Hand zur Faust. Dann hob er den Blick und sag Thor an. „Ich habe dir wehgetan.“ Und in den vielen Jahrhunderten, die Thor ihn schon kannte, hatte er seinen Bruder noch nie so betroffen erlebt.   Das Armband ließ sich nicht lösen. Nachdem der erste Versuch missglückt war, versuchte Thor es erneut, wobei er dieses Mal sorgfältig darauf achtete, nur den Armreif zu berühren. Doch egal, wie sehr er am Verschluss rüttelte, er schaffte es nicht, ihn zu öffnen. „Ich verstehe nicht“, sagte er schließlich frustriert. „Strange sagte, nur ich wäre in der Lage, es zu öffnen.“ Loki, der seinen Versuchen mit steigender Resignation zugesehen hatte, war für eine Weile still. Dann lachte er auf einmal leise auf. „Oh, Strange ist ein gerissener Mistkerl...“, meinte er kopfschüttelnd. Thor warf ihm einen fragenden Blick zu. „Er sagte nicht, dass du es einfach so öffnen kannst“, erklärte Loki. „Er sagte, dass du es erst dann öffnen wirst, sobald du der Meinung bist, dass ich keine Gefahr mehr darstelle.“ Seine roten Augen richteten sich auf Thor. „Und du hältst mich offenbar noch immer für eine Bedrohung, Bruder.“ „Loki, nein, das ist nicht wahr...!“, protestierte Thor. Doch er konnte nicht leugnen, dass an seinen Worten etwas dran war. Von dem Tag an, an dem Wanda und er Loki zurückgeholt hatten, gab es Reibereien zwischen seinem Bruder und den Avengers. Loki hatte mehrfach klargestellt, dass er nur blieb, weil Thor da war, und er nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte. Ernsthafte Annäherungsversuche von seiner Seite aus hatte es bisher jedoch nicht gegeben. Nicht wirklich. Und wann immer ihm jemand näher kam, als ihm lieb war, setzte er sich zur Wehr. Dies äußerte sich dann entweder durch kleine „Unfälle“ und magische Streiche oder durch Lokis scharfzüngige Kommentare. Sein Bruder mochte keine Gefahr mehr für diese Welt darstellen, aber er war definitiv eine Gefahr für jeden, der ihn für längere Zeit ertragen musste. Während sie ihren Weg schweigend die 5th Avenue hinunter fortsetzten, begannen große, dicke Schneeflocken vom Himmel zu fallen. Loki blieb nach einer Weile stehen und schloss die Augen, während er das Gesicht seufzend dem kalten Wind zuwandte, als wäre es eine kühlende Sommerbrise. Der Schnee verfing sich in seinen Haaren und Wimpern und bedeckte sie mit einem weißen Schleier. Erstaunt bemerkte Thor, dass die Schneeflocken auch auf Lokis Haut nicht schmolzen, sondern sich an seinen Wangenknochen, seiner Nasenspitze und seiner Oberlippe sammelten. Schließlich öffnete Loki wieder die Augen und wischte sich mit der Hand irritiert den Schnee vom Gesicht, bevor er Thor einen Blick zuwarf, als würde er ihn persönlich dafür verantwortlich machen. „Lass uns gehen“, grummelte er und stapfte weiter, und Thor folgte ihm eilig.   Als sie das Hauptquartier schließlich erreicht hatten, entledigte sich Loki seiner Kleidung, bis er nur noch in Shorts und einem dünnen Shirt auf der Couch saß. Er sah elendig aus und hatte sich auf dem Rückweg mehrfach über die Hitze beklagt, trotz des Schneesturms, der mittlerweile draußen tobte. Sein Körper schien sich immer mehr auf die Bedürfnisse eines Eisriesen einzupegeln, und Thor, der nicht wusste, wie er seinen Bruder dabei unterstützen sollte, war einigermaßen hilflos. Gefrorene Dinge schienen Lokis Hitzewallungen jedoch zu lindern, und als schließlich die anderen Mitglieder des Teams nach und nach im Hauptquartier eintrafen, verschlang er bereits seine vierte Portion Eiswürfel, so wie andere Menschen Popcorn aßen. „Okay“, sagte Tony, nachdem er Loki geschlagene zehn Sekunden lang angestarrt hatte. „Was ist das und was tut es auf meinem Sofa?“ Loki griff wortlos nach der Fernbedienung, die neben ihm auf dem Polster lag, und warf sie nach dem anderen Mann. „Hey, autsch!“, rief Tony und rieb sich den Arm. „Ich bitte um Nachsehen, Stark, mein Bruder hatte einen schweren Tag und ist gerade nicht der besten Laune“, sagte Thor entschuldigend. „Dein Bru– ... Moment, soll das heißen, das ist Loki?“, fragte Tony und musterte den anderen Mann noch einmal genauer. „Aber er ist blau!“ „Ich habe immer noch zwei Hausschuhe, die ich nach dir werfen kann, Stark“, warnte Loki ihn vom Sofa aus. „Hi Thor“, ertönte in diesem Moment die Stimme von Natasha, die gemeinsam mit Bruce und Rhodey in das Wohnzimmer trat. „Wie war der Besuch bei Strange?“ „Bezaubernd“, sagte Loki trocken, dem die Situation langsam zu viel wurde, wie Thor besorgt erkannte, dem die wachsende Anspannung seines Bruders nicht entging. „Loki?“, fragte Bruce verwundert, als er die Stimme erkannte, während Natasha beim Anblick der blauen Gestalt einen leisen Fluch auf Russisch ausstieß. „Bist du das?“ Er runzelte die Stirn. „Warum hast du so wenig an?“ „Vorsichtig“, warnte Tony. „Er hat Hausschuhe und wird nicht zögern, sie gegen uns zu verwenden.“ Das schien das Fass endgültig zum Überlaufen zu bringen. Loki erhob sich ruckartig vom Sofa. „Entschuldigt mich bitte“, sagte er mit eisiger Stimme, bevor er sich abwandte und den Raum verließ. Thor sah ihm betrübt nach. „Was ist sein Problem?“, fragte Rhodey und verschränkte die Arme vor der Brust. Tony zuckte mit den Schultern. „Ich nehme an, er ist nicht so begeistert davon, dass Strange ihn in einen Schlumpf verwandelt hat.“ „Vermutlich.“ Bruce warf Thor einen fragenden Blick zu. „Was hat es damit auf sich?“ Thor sah sie nacheinander an, dann ließ er sich schwerfällig in einen der Sessel sinken und stieß ein Seufzen aus. Es war an der Zeit, ihnen die Wahrheit zu sagen. „Erinnert ihr euch noch daran, wie ich einst erwähnte, mein Bruder wäre adoptiert...?“, begann er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)