Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [25.03.2011 – S01 – Babysitter] ------------------------------- Pakhet hätte wissen müssen, dass es irgendetwas mit Michael zu tun hatte. Sie hätte ahnen müssen, dass es die Neulinge gewesen waren. Sie hätte damit rechnen müssen, dass es auf sie zurückfallen würde! Bemüht ihre Fassung zu wahren, starrte sie Smith an. „Das kann nicht dein Ernst sein.“ Smith erwiderte ihren Blick. Er stand auf, klopfte ihr auf die Schulter und lächelte. „Jetzt sieh' es nicht so eng, Pakhet.“ Sie schnaubte. „Du weißt genau so gut, wie ich, dass es Michaels Plan ist, mir auf den Keks zu gehen“, erwiderte sie. Verlegen seufzte Smith. Er war ein großgewachsener Mann, der trotz seines deutlich zu bemerkbaren Alters noch immer kräftig wirkte. Seine Haut war dunkel, sein Bart glattrasiert. Aktuell zierte ein ordentlicher Drei-Tage-Bart sein Kinn. „Ich möchte nicht ausschließen, dass Mr Forrester weiterführende Gründe für seine Entscheidung hatte.“ Er räusperte sich. „Doch ich stimme ihm zu. Unsere Neulingsgarde braucht erfahrene Unterstützung. Du bist erfahren. Du hast schon öfter Teams angeführt. Entsprechend liegt die Entscheidung nahe.“ „Warum sind die fünf überhaupt noch hier?“, fragte Pakhet. „Sie haben es vergeigt. Aber so richtig. Wieso zur Hölle haben wir sie nicht ausgeliefert und das ganze als einen Terroranschlag verkauft?“ Smith biss sich kurz auf die Lippen. Er lächelte verlegen. „Ich vertrete noch immer die Meinung, dass jeder eine zweite Chance verdient.“ Erzählte er ihr gerade wirklich, dass er sie nicht herausgeworfen hatte, da er es moralisch nicht hätte vertreten können? Ja, fraglos war Smith das absolute Gegenteil von Michael, wenn es zur Frage des Charakters kam, doch sie arbeiteten in einem Feld, wo Entscheidungen pragmatisch getroffen werden mussten. Emotionale oder gar moralische Entscheidungen führten, wenn man übertrieb, zum Tod oder zum Scheitern der Mission. „Nicht, wenn er damit die Leben anderer Menschen gefährdet“, warf sie ein. „Jetzt komm schon, Pakhet“, meinte Smith. „Versuch es.“ Er hielt ihr ein Tablet hin, auf dem offenbar die Lebensläufe ihrer explosiven Neulinge waren. Lebensläufe war zu viel gesagt. „Bisherige Erfahrungen“ war die direktere Bezeichnung. Mit einem Seufzen ließ sie sich zurück auf den Stuhl fallen, nahm das Tablet und sah die Unterlagen an. Ihr Bauchgefühl am Vortag hatte sie nicht betrogen. Es waren die Neulinge, von denen Michael ihr erzählt hatte, gewesen, die für die Explosion im Hafen verantwortlich gewesen waren. Eigentlich hatte Smith sie losgeschickt, um Daten aus der Fabrik zu stehlen. Es war ein Probeauftrag gewesen, um zu sehen, ob die fünf etwas taugten. Und dann hatte sie jemand bemerkt, einer von ihnen war panisch geworden und hatte es für eine glorreiche Idee gehalten, den Sprengstoff als Ablenkung zu zünden. Das von den fünf dabei niemand gestorben war, grenzte an ein Wunder. Die fünf waren: Ein Möchtegern-Meisterdieb mit Namen Spider. Dessen Bruder, zumindest wenn sie Smiths Notiz glauben durfte, mit dem einfallsreichen Namen Mik. Ein Hacker namens Agent. Ein Magier, namens Orion, und ein einfacher Kämpfer, dessen Name Punches alle anderen in Sachen Einfallsreichtum bei weitem übertraf. Ob er so einfallslos war oder einfach nur wenig auf Codenamen gab? Es hatte nicht jeder Verständnis für das System. Wenn sie ehrlich war, fand auch sie es manchmal albern, selbst wenn sie die Notwendigkeit gerade bei internationalen Aufträgen sah und sich lange an ihren Namen gewöhnt hatte. Meistens dachte sie von sich selbst als Pakhet, nicht mehr als Joanne. Allerdings war unter den Daten von Mr Punches ein Vermerk von Smith: „Nicht zurückgekehrt.“ Sie sah auf. „Nicht zurückgekehrt?“ „Ist abgehauen“, erwiderte Smith und zuckte mit den Schultern. „Ich gehe persönlich davon aus, dass er derjenige mit dem explosiven Gemüt war.“ Pakhet seufzte. „Okay.“ „Dafür haben wir noch jemanden“, meinte Smith und bedeutete ihr, die nächste Datei zu öffnen. Sie tippte auf den Button, blätterte weiter und hob im nächsten Moment die Augenbraue. „Der neue Doktor?“, fragte sie und überflog das Profil des Arztes, der sich unter dem Codenamen „Doctor Heidenstein“ eingetragen war. Kein sonderlich guter Codename, da diese idealer Weise kurz waren, um schnell Anweisungen oder Warnungen geben zu können. Er würde das Schicksal jedes anderen teilen, dessen Codename mit „Doctor“ begann: Man würde ihn einfach „Doc“ nennen. „Ja“, erwiderte Smith. „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass diese Gruppe einen Arzt brauchen wird.“ „Sie sollten selbst erste Hilfe lernen“, erwiderte Pakhet tonlos und hob dann wieder den Blick, um Smith zu mustern. Eine Sache verstand sie nicht. „Warum ein Team? Das ist nicht, wie wir normal vorgehen.“ „Ich dachte, es wäre einmal ein Experiment wert“, antwortete Smith mit einem fröhlichen Lächeln. „Ich meine, wir haben gesamt vier Dreier-Teams, ein Vierer-Team und sie sind effizienter, da sie aufeinander eingespielt sind. Also dachte ich mir, ich versuche, selbst ein Team zu bauen.“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Und Mr Forrester hat mir zugestimmt.“ Langsam verstand sie. „Und zugleich beschlossen, dass ich die arme Sau bin, die das Experiment leiten darf.“ Smith zuckte mit den Schultern und streckte die Hand aus, um das Tablet zurück zu nehmen. „So in etwa.“ Pakhet verdrehte die Augen und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Sie stöhnte genervt, verzog dann aber den Mund zu einem grimmigen Lächeln. Manchmal erinnerte Michael sie an das Arsch, wegen dem sie überhaupt in dieser Situation gelandet war. An denjenigen, der sie vermeintlich vor sieben Jahren getötet hatte. Nur, dass Michael nichts tat, weil sie eine Frau war – er tat es, um ihr persönlich auf den Keks zu gehen, sich mit ihr zu messen. Er tat es, um sich zu amüsieren, wenn sie die Beherrschung verlor, und ihm eine verpasste. Auf irgendeine masochistische Art und Weise schien ihn das mehr als alles andere zu amüsieren. Nein, es ging ihm darum, zu zeigen, dass er ihr überlegen war. Sollte er doch krepieren! Diese Truppe würde es nicht lange tun. Sie würden sterben oder gefangen genommen werden. Wahrscheinlich sterben. Sie hatte keine Lust, dafür verantwortlich zu sein – aber was hatte sie für eine Wahl? „Von mir aus“, sagte sie mit grimmiger Stimme. „Bring mich zu den Chaoten.“ Sie seufzte. „Dann sehen wir, was wir mit ihnen machen können.“ „Sieh es als Herausforderung“, meinte Smith. Sie richtete sich auf. „Was meinst du, das ich tue?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)