A Cats' Fishing Ground von Darklover ================================================================================ Kapitel 4: 4. Kapitel --------------------- Viola brauchte bei weitem länger, als sie es beabsichtigt hatte. Nicht nur, dass sie sich hatte erkundigen müssen, wie viel Salz man brauchte, um ein Meeresklima im Umfang einer Badewanne herzustellen, es war auch noch schwierig gewesen, Ted davon zu überzeugen, ihr Antibiotika zu verkaufen, obwohl ihr selbst nichts fehlte. Natürlich alles schwarz unter der Hand, woran er also immer noch anständig verdiente. Aber da der Kerl so ein herzensguter und vor allem ehrlicher Mensch war, fiel ihm das natürlich nicht leicht. Weshalb Viola ihn daran hatte erinnern müssen, wer Ted und seine Ehefrau Mary zusammengebracht hatte. Sie natürlich. Daraufhin gab er schließlich nach. Es würde ja keiner erfahren, und nachdem sie ihn weichgekocht hatte, war er sogar noch so nett gewesen, ihr noch ein paar wichtige Gebrauchshinweise und Tipps zu geben. Mit diesen Ratschlägen und der Medizin im Gepäck fühlte Viola sich bei weitem besser, als mit dem 10-Kilo-Meersalzsack. Gerade als sie zur Haustür herein kam, klingelte ihr Handy. Umständlich fummelte sie es aus ihrer Tasche und balancierte dabei den Salzsack auf dem anderen Arm. „Ja?“ Es war Dan. Ihr Boss. Fuuuuck ... „Nein, tut mir leid. Ich wollte gerade anrufen. Mir geht’s heute nicht so gut. Kann nicht jemand anderes für mich einspringen? Tina vielleicht? Ich hab’ letztens ihre Nachtschicht übernommen.“ Auf einem Bein hüpfend, schlüpfte sie aus ihren lose geschnürten Motorradstiefeln und es half dabei sogar, Dan eine überzeugende Geschichte herunterzurasseln, da sie langsam atemlos bei diesen ganzen Kunststücken mit dem Salzsack wurde. Anschließend klemmte Viola sich das Handy zwischen Schulter und Ohr, während sie kurz einen Blick zu Zin ins Zimmer warf, der immer noch zu schlafen schien. „Ja, das klingt gut. Und tut mir echt leid, dass ich nicht schon früher angerufen habe.“ Sie trug den Salzsack gleich ins Bad, wo sie ihn ächzend auf den Boden gleiten ließ. „Nein, mach dir keine Sorgen. Mir geht’s schon besser. Hm ... In ein paar Tagen vielleicht.“ Sie würde noch ein paar Tage brauchen, bis Zin über den Berg war, oder zumindest klar wurde, ob er es schaffte, oder nicht. Nun kramte sie hastig mit zittrigen Fingern die Antibiotika aus dem Plastikbeutel, den sie immer noch an ihrem Ellenbogen baumeln hatte. Die würde sie Zin zuerst geben, bevor sie irgendetwas anderes machten. „Nein, du brauchst wirklich nicht vorbei zu kommen. Danke. Ich hab mir schon was von Ted geholt. Das wird helfen.“ Das war noch nicht einmal gelogen! Gott, bitte hör auf zu quatschen. „Danke noch mal und ja, nächstes Mal melde ich mich früher ... Ist gut. Bis dann.“ Kaum hatte Viola ihr Handy wieder zugeklappt, war ihre Arbeit schon vergessen. So wie sie verschwitzt hatte, dass sie heute die Frühschicht gehabt hätte. Aber sie hatte derzeit ja wohl auch wirklich Wichtigeres zu tun. Schnell drehte sie das Badewasser auf, nachdem sie den Stöpsel fest in den Abfluss gestopft hatte, danach ging sie rasch zu Zin ins Zimmer und setzte sich wieder zu ihm ans Bett. Bereits die erste Pille in der Hand. Er würde drei verschiedene Tabletten schlucken müssen und das fünf Mal am Tag. Aber es würde ihm mit seinen Entzündungen helfen. „Zin?“ Viola strich über sein millimeterkurzes Haar, um ihn sanft zu wecken. Er dämmerte zwischen Wachsein und Schlaf hin und her. Immer wieder erkannte er den Lichtunterschied, obwohl er seine Augen nicht zu öffnen glaubte. War es der Wechsel zwischen Tag und Nacht? Irgendwann, als er glaubte, beobachtet zu werden, drehte er sich weiter auf die Seite. Aber als er diese Anstrengung hinter sich gebracht hatte, war das Gefühl verschwunden und er konnte sich schon kaum daran erinnern, was es gewesen war. Seine schlechten Träume klebten an ihm wie Teer. Mit zitternden Wimpern und leicht geöffneten Lippen entsprach seine äußere Haltung keinesfalls dem inneren Kampf, sich an die Oberfläche zu boxen. Wäre nicht die leise, sanfte Berührung an seinem Kopf, der Geruch nach Wärme ... Zin schlug die Augen auf und brauchte Sekunden, um sich zu orientieren. Immer noch fühlte er Violas Finger an seinem Nacken und es schmeckte nach Verlust, als sie die Hand zurückzog und sie vor ihm auf die Matratze ablegte. „Wie lange warst du weg?“ Wie lange war ich weg? Das war, was er eigentlich meinte. Denn er fühlte sich weder ausgeschlafen, noch erholt. Eigentlich waren seine Augenlider so schwer und sein Kopf so dröhnend, als hätte er seinen Zug in kühlere Gewässer hinter sich. „Zwei Stunden. Maximal zweieinhalb.“ Viola hätte sich am liebsten in den Hintern gebissen, da Zin so müde und fertig aussah, als hätte er noch wochenlang schlafen können. Aber das hier war wichtig. Sie würde ihn später ausreichend schlafen lassen. „Ich lass dir gerade das Wasser für dein Bad ein. Meersalz steht bereit, allerdings musst du mir selbst sagen, wann genug davon drin ist. Und-“ Viola betrachtete die riesige Pille in ihrer Hand, ehe ihr ein Rat von Ted wieder einfiel. „Moment, ich komme gleich wieder.“ Sofort sprang sie auf, nahm die Wasserflasche mit und eilte in die Küche, um das Wasser durch frische Milch zu ersetzen. Ted hatte gemeint, dass die Tabletten, wenn sie sich auflösten, leichtes Sodbrennen verursachen konnten. Wenn man sie aber mit Milch zu sich nahm, war das kein Thema und da Zin schon genug Probleme hatte, wollte sie ihm wenigstens das ersparen. Schon flitzte sie wieder zu ihm zurück. „Hier. Ich weiß, die sind wahnsinnig groß. Aber du musst sie schlucken. Sie werden deine Entzündungen von innen heraus bekämpfen.“ Viola drückte auch die anderen zwei Pillen in ihre Hand, ehe sie Zin eine davon zusammen mit der Flasche gab, während sie ihm so gut es ging, dabei half, ihn zu stützen, damit er das Zeug auch wirklich in die richtige Röhre bekam. „Es kann sein, dass dir davon etwas schwindlig wird und du dich noch müder fühlst. Aber es hilft und das ist das Wichtigste.“ Zin schenkte der Pille in Violas Hand nur einen nebensächlichen Blick. Er hatte schon Größeres am Stück geschluckt. Was ihn allerdings für eine Sekunde zögern ließ, war die Aussicht auf Schwindel. Dagegen sträubten sich alle seine kurzen Nackenhaare. Denn er wusste nur zu genau, wann er das letzte Mal so empfunden hatte. Die Erinnerung an Schreie gellte in seinem Kopf und auch das Gefühl, wie seine Schwimmblase riss ... Der Anblick der taumelnden Fische ... Er kniff die Augen zu, um die Bilder zu vertreiben. „Was ist das?“ Es roch anders und war definitiv kein Wasser. Da Zin sich mit Violas Hilfe zutraute, die Flasche ohne Strohhalm benutzen zu können, spähte er in die kleine Öffnung hinein und dann zu Viola hoch. „Milch?“ Von ... Ihm fiel der Name nicht ein. Irgendein Tier mit vier Beinen. Ziemlich groß und mit Fell. Es gab es in verschiedenen Farben ... Pferd! Zufrieden mit sich würgte er die Tablette hinunter, bloß um dann die nächste und die Dritte ohne Murren zu schlucken. Wenn seine Krankenschwester sagte, es würde helfen ... „Wie kommen wir ... zu dem Bad?“ Viola musste zugeben, dass sie ziemlich erleichtert war, als Zin die drei Pillen geschluckt hatte. Es würde nicht nur ihm helfen, sondern auch ihr eigenes Gemüt etwas beruhigen. So ungern sie Medizin mochte, manchmal half sie wirklich. Vor allem, wenn man nicht so ein starkes Immunsystem wie ein Gestaltwandler hatte. Praktisch jedoch war, wenn man einen im Haus hatte. Denn Zins nächste Frage ließ nichts anderes übrig. „Du musst aus dem Bett raus. Es ist eigentlich nur aus dem Zimmer, über den Flur, ins Badezimmer. Ich denke, wir schaffen das, wenn wir es langsam angehen. Allerdings muss ich schnell das Wasser abdrehen. Nicht, dass die Wanne noch überläuft.“ Dann hätte sie einen See im Bad, und wenn es einmal so weit kam, wäre der Tag wohl bald für sie gelaufen. Also lief sie schnell ins Bad. Momentan war die Wanne gut halbvoll, aber spätestens, wenn Zin darin lag, wäre es fast genug. „Also, denkst du, wir schaffen es bis dorthin?“, wollte sie wissen, während sie Zin die Decke ganz bis zu den Füßen herunter zog und für einen Moment stutzte, als ihr Blick an seinem knackigen Hintern hängen blieb, der nun gänzlich unbedeckt war. „Hm ...“ Vielleicht sollte sie ihm Shorts oder so geben. Männerklamotten hatte sie genug im Haus, noch aus der Zeit, als sich die meisten Typen hinausschleichen mussten, um ihre Omi nicht zu wecken. Da ließ man schon das eine oder andere Teil liegen. Andererseits, ein nackter Hintern war zu verkraften, vor allem, wenn er so schön definiert war, wie der von Zin und da sich vorne herum sowieso nicht viel tat, war es eigentlich egal. „Sicher.“ Das war alles, was er dazu sagte. Denn was war denn schon die Alternative? Hier liegen zu bleiben und Viola die Umstände mit dem Salz umsonst gemacht zu haben? Nein. Ganz gewiss nicht. Außerdem war schon allein die Erwartung von Salzwasser auf seiner Haut, dem Gefühl sich hineinlegen und darin ausruhen zu können Grund genug, um es nicht nur zu versuchen. Mit mehr Motivation als echten Chancen drehte Zin den Kopf auf die andere Seite ... und bemerkte erst dann, dass das so nicht funktionieren würde. Mist! Eigentlich hatte er vorgehabt, sich auf die andere Seite zu drehen und sich dann aufzusetzen. Dabei hatte er aber nicht bedacht, dass er sich damit genau auf seine schweren Verletzungen drehen würde. Was diese Variante vollkommen ausschloss. Also leider doch der längere Weg um das Bett herum. Kommando zurück und die Arme auf die Matratze gestützt, zog Zin seine Beine an, ließ das Rechte vom Bett sinken und versuchte sich gleichzeitig mit den Armen hochzudrücken, ohne das Schmerzfeuerwerk in seinem Rücken zu beachten. Dass er dabei ein Grollen in seiner Brust einkerkerte, merkte er kaum. Schmale, aber erstaunlich warme und starke Arme schlangen sich um seinen Oberkörper und Zin holte überrascht Luft, als Viola ihn in die Senkrechte zog und er auf einmal neben ihr auf dem Bett saß. Mit einem leicht schmerzverzerrten Lächeln sah er auf sie hinunter. Der Kerl hatte vielleicht Nerven! Da versuchte er doch tatsächlich, selbst hochzukommen, so dass sogar sie sehen konnte, wie sich die Verletzungen auf seinem Rücken anspannten und sich die Nähte strafften. Scheiße, wenn er so weiter machte, dann ... Sofort war Viola bei ihm, um seinen armen Rücken zu entlasten und ihn in die Senkrechte zu ziehen. Obwohl er vermutlich alleine für einen Moment sitzen konnte, hielt sie ihn doch an seinem Oberkörper fest, während sie sich in die richtige Position begab, die es ihnen beiden erleichtern würden, den weiten Weg bis zum Bad zu schaffen. Viola strich sich ihre Haare über die Schulter und nach vor, ehe sie Zins linken Arm nahm und sich über die Schultern um den Nacken legte. Ihr nächstes Problem bestand darin, dass sie ihren Arm nicht um seine Taille legen wollte, weil auf seinem Rücken dort ebenfalls Verletzungen waren, die sie dann voll berühren und belasten würde. Ach, das war alles so verdammt be- „Warte ... vielleicht geht’s, wenn wir es so machen.“ Viola beugte sich weiter hinunter und zog Zins Arm so weit über ihre Schulter, dass er sie fast im Schwitzkasten hatte. Zugleich drehte sie ihm weiter ihren eigenen Rücken zu und grabschte nach seinem anderen Arm, damit sie ihn so besser fixieren konnte. Sie umschlang ihn mit ihrem eigenen Arm und drückte ihn fest an ihren Bauch. „Okay, ich ziehe langsam und du versuchst aufzustehen.“ Viola war zwar für eine Frau absolut nicht klein, aber im Gegensatz zu Zins schlanken, hochgewachsenen Körper, ging sie in ihrer gebeugten Haltung fast unter. Zum Glück war sie aber stärker als sie aussah und gerade jetzt war der Größenunterschied von Vorteil, weil sie sich so nicht vollkommen ins Gehege kamen, als sie Zin aus dem Bett auf die Beine zog. Aufstehen hätte er das nicht unbedingt genannt, aber er kam mit Violas Hilfe zumindest auf die Fußsohlen und tat sogar einen wackeligen Schritt vorwärts, bis ihm etwas so hart in die Kiemen trat, dass er sich mit der rechten Hand kurz an Violas schmale Taille klammerte. Seine Schwimmhäute streiften ihren warmen Bauch und Zin konzentrierte sich für den Moment, den er brauchte, um wieder weiter machen zu können, nur auf den Duft von ihren Haaren. „Entschuldige. Geht wieder.“ Er lockerte seinen Griff ein wenig, allerdings immer bereit, sich wieder an ihr festzuhalten, falls es nötig sein sollte. Viola gab die Richtung, Zin die Geschwindigkeit vor, in der sie sich um das Bett herum, den langen Weg bis zur Tür und schließlich auf den Gang hinaus bewegten. Zin erkannte nichts von dem Palast, der ihn umgab. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, durch das Aufblitzen der weißen Flecken vor seinen Augen, überhaupt irgendetwas zu erkennen. Hauptsächlich seine eigenen Füße auf Holzboden, Violas schwarzes Haar, das immer wieder in sein Sichtfeld geriet ... und ein paar Dinge, denen er auf dem Fußboden begegnete. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er kühlen Untergrund unter seinen Sohlen spüren konnte. Vollkommen außer Atem, kurz davor, sich vor Anstrengung zu übergeben und zittrig wie Espenlaub, hellten sich seine Sinne auf, als er Salz riechen konnte. „Sind wir ... da?“ Anstatt eine Antwort zu bekommen, wurde er auf etwas sehr Kaltem abgesetzt. Sehr schmal war es außerdem ... „Warte ...“ Seine Augen drehten sich unkontrolliert nach oben und sein Griff um ihren Bauch erschlaffte, bevor Zin sich ins Bewusstsein zurückreißen konnte. Sein Kopf lag schwer auf Violas Schulter, er keuchte so stark, dass er den Geschmack ihrer Haut auf der Zunge hatte. Ihm war ... verdammt übel. Der Weg schien ihr unendlich weit zu sein. Aber vermutlich nicht einmal halb so weit, wie er Zin vorkommen musste. Er wurde mit der Zeit immer schwerer, was darauf hinwies, dass er sich unbewusst immer mehr auf sie stützte. Aber genau das war ihre Aufgabe und sie würde ihn nicht fallenlassen. Stattdessen ging sie stur weiter, bis sie es endlich bis zum Rand der Badewanne geschafft hatten. Erleichtert wollte sie ihn schon darauf niederlassen, als er ihr einfach wegsackte. Gerade noch so konnte sie ihn fassen und davor bewahren, unsanft in der Wanne zu landen. Dann war er auch schon wieder bei ihr und hielt sich mit zitternden Gliedern an ihr fest, während sein Atem heftig über ihre Haut streichelte. Für einen Moment hing Viola fest, ehe sie es schaffte sich unter seinem Griff herumzudrehen, so dass sie nun direkt an seinem Kopf vorbei sah und er sie förmlich umarmte, aber das war gut so. Sie musste nur noch ... Alles in ihr sträubte sich dagegen, als Viola ihren Unterkörper zur Seite schob, ihr Bein über den Rand der Wanne und ins Wasser gleiten ließ, bis sie rittlings auf dem Rand der Badewanne saß. Gott, wie sie es hasste, schon wieder nass zu werden. Aber Zins rasenden Herzschlag an ihrem Ohr zu hören, lenkte sie zuverlässig davon ab. „Ruh dich einen Moment aus, ich versuche derweil diesen -“ ... beschissenen Salzsack zufassen zu kriegen. Viola angelte blind mit ihrem Fuß nach dem Sack, während ihre Hände voll und ganz damit beschäftigt waren, Zin festzuhalten. Eigentlich hätte ihr die Position unangenehm sein sollen, so wie ihr Kopf da an seiner Brust gelehnt und sein Arm immer noch um ihren Nacken geschlungen war. Aber sie mochte seinen Duft, sofern sie den Geruch der Entzündung ignorierte und er war so schön angenehm kühl, ganz im Gegenteil zu ihrer erhitzten Haut, die langsam feucht vor Anstrengung wurde. Endlich blieb sie mit ihrem Zehen an dem Sack hängen und sie schob ihn mühsam in Reichweite ihres freien Arms. Zehn Kilo. Das würde sie schon mit einer Hand schaffen. Allerdings erst beim dritten Versuch landete der Sack auf dem bisschen Platz auf ihrem Schoß, dennoch war es ab hier nicht mehr schwer, mit einer Kralle ein Loch hineinzumachen und mehr als die Hälfte des Inhalts über ihr Bein ins Wasser zu schütten. Sie rührte mit ihrem Fuß etwas im Wasser herum, während sie angewidert an ihrer Unterlippe nagte und sich ganz allein auf Zins Atmung und seinen Herzschlag zu konzentrieren versuchte. Na, los. Lös dich schon auf. Komm schon. Viola spürte zwar nach einer Weile immer noch etwas von dem Salz auf dem Boden der Badewanne unter ihren Zehen, trotzdem blies sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte zu Zin hochzublicken. Zwecklos. Sie war total eingekeilt. „Kannst du mal testen, ob es für dich reicht?“, fragte sie daher gegen seinen Brustkorb. Oh man, er wollte das nicht. Wie er da so auf Viola hing, vollkommen unfähig seinen eigenen Körper auch nur einigermaßen aufrecht zu halten. Das ging ihm nicht nur gehörig auf die Nerven, es ... machte ihn unheimlich sauer. Seine Stimmung schwankte zwischen Zorn und Panik hin und her. Je nachdem, wie nah er daran war, sich in sein zukünftiges Bad zu übergeben oder selbst kopfüber und vermutlich ziemlich schmerzhaft hinein zu stürzen. Als Viola ihn gegen seine Brust murmelnd um einen Wassertest bat, nahm Zin noch einmal all seine Kräfte zusammen, drückte sich am glatten Wannenrand ab und ließ seiner Pflegerin damit etwas Platz, um atmen zu können. Mit zusammengepressten Lippen und starrem, konzentrierten Blick, sah er sie an. Jeder Atemzug war flach und nur dafür bestimmt, Kontrolle über seinen Magen zu erlangen, der sich immer noch für die Überanstrengung rächen wollte. Dass sein Rücken sich anfühlte, als bestünde er aus blubbernder Lava, war da fast mit hoch erhobenem Haupt zu ertragen. „Wirf mich einfach rein. Salz kannst du ... nachschütten.“ Viola zog eine ihrer geschwungenen Augenbrauen in die Höhe und sah Zin musternd an. Ja. Ja, jetzt wurde es langsam offensichtlich. Er war sauer. Geschwächt, total am Arsch, aber Hauptsache, er war sauer. Etwa auf sie? Viola nahm das jetzt einmal besser nicht an, weil das sofort auf ihr eigenes Gemüt schlagen würde und Zin ihren Zorn im momentanen Zustand nicht aushalten könnte. „Vergiss es. Ich werf’ dich doch nicht einfach rein!“ Was war er denn bitte schön? Ein Fisch, den sie dann doch noch gnädigerweise vom Haken ließ? „Halt dich gefälligst an meinen Schultern fest und steig dann mit einem Bein nach dem anderen ins Wasser.“ Sie selbst hatte ihn am Nacken gepackt, nicht gerade sanft, aber zumindest sicher und half ihm so Stück für Stück in die Wanne zu gleiten, selbst erleichtert darüber, dass sie ihr Bein endlich aus dem ekligen Nass herausziehen und wieder ins Trockene stellen konnte. Weit über ihn gebeugt, half sie ihm dabei, sich vorsichtig mit dem Rücken hinzulegen und schnappte sich noch schnell ein Handtuch, das sie zusammenrollte und Zin in den Nacken schob, damit sein Rücken nicht zu stark belastet wurde. Dann setzte sie sich wieder auf den Rand der Wanne und betrachtete ihn einen Moment lang still. „Besser so?“ Als der erwartete Schmerz aufbrandete, schloss Zin die Augen. Schon in die paar Schrammen an seinen Beinen biss das Salz unangenehm, aber das war noch nichts im Vergleich dazu, wie es sich anfühlte, als sein Po den abgeflachten Rand der Wanne berührte und er Stückchen für Stückchen immer weiter ins Wasser rutschte. Wie Schlangen fraß das Salzwasser sich an seinen Wunden fest, drang in seine Kiemen und ließ Zin die Zähne so fest aufeinander beißen, dass seine Kiefer knackten. Es würde aufhören. Irgendwann würde sich die Haut daran gewöhnen, das Salz würde seine Wirkung tun und die schlimmsten Wunden würden sich mit einer dämpfenden Schicht überziehen, die es erträglicher machte. Die Wanne gab ein quietschendes Geräusch von sich, als Zin ganz hineinrutschte und seinen Kopf dankbar auf den Stoff bettete, den Viola wieder irgendwo hervor gezaubert hatte. Immer noch mit geschlossenen Augen runzelte er seine Nase, als Violas Haare sie kitzelnd streiften. Dann ... war ihre Gegenwart verschwunden. „Besser so?“ Auf ihre Frage hätte er beinahe mit „Nein“ geantwortet. Aber eigentlich wusste er gar nicht, wieso. Etwas verwirrt öffnete er die Augen wieder, sah zu ihr hoch und nickte dann schwach, weil er seiner Stimme noch nicht ganz über den Weg traute. Es würde besser werden. Gerade jetzt fühlte er sich noch wie auf einem Nagelbett. Aber das gewohnte Gefühl von Losgelöstheit und Vertrautheit schlich sich ein und Zin konnte wenigstens ruhiger atmen. „Vielen Dank“, meinte er kratzig. „Das Wasser ist fast perfekt so.“ „Gut.“ Mehr konnte Viola dazu nicht sagen, weil sie sonst vielleicht deutlich gemacht hätte, wie viel Sorgen ihr sein Erscheinungsbild machte. Er war ebenso blass, wie grünlich um die Nase und seine Augen glänzten etwas, als könne er nur mit Müh und Not deutlichere Anzeichen auf seine Schmerzen verbergen. Es hätte ihr auch nichts ausgemacht, wenn er vor sich hingejammert hätte. Harter Kerl. Viola kam wieder auf die Beine, ging zu einem der Badezimmerschränke hinüber und kramte einen leeren Zahnputzbecher hervor. Den füllte sie dann bis zum Rand mit Salz und stellte ihn auf den Rand der Wanne. „Hier, du kannst dir selbst noch nachnehmen, wenn du noch mehr brauchst. Ich werde dann ein paar Sachen erledigen gehen. Wenn du was brauchst, ich bin ganz in der Nähe. Aber versuch dich etwas auszuruhen. Ich weck’ dich dann später, wenn die nächste Runde Tabletten fällig ist und falls du dann etwas essen möchtest, werde ich dir etwas machen.“ Viola nahm alles mit, was sie entsorgen wollte, ließ allerdings die Tür offen, damit Zin sich nicht so isoliert in ihrem Badezimmer vorkam. Danach leerte sie erst einmal die Flasche mit dem ... besonderen Inhalt weg. Verbrannte die benutzten Verbände im Kamin, steckte Handtücher und Bettwäsche in die Waschmaschine, damit er später frisches Bettzeug hatte, wenn Zin es wieder bis ins Bett schaffte. Eigentlich hätte es ja für sie seltsam erscheinen müssen, dass er sich in Wasser legen wollte, um dort besser zu genesen, aber wenn man es einmal von allen Seiten betrachtete, war es eigentlich nur logisch. Er war an ihren Strand gespült worden, hatte Kiemen und Schwimmhäute. Wasser musste also hauptsächlich seinen Lebensraum bestimmen, so wie Wald und Bäume, es bei ihr taten. Nein, sie fand das alles sogar ziemlich richtig. Flocke saß schon in der Warteposition neben ihrer Futterschüssel und blickte Viola so mitleiderregend an, dass sie nicht anders konnte, als alles stehen und liegen zu lassen, um ihre süße Kleine zu füttern. „Na, hattest du gestern eine schöne Nacht?“, fragte sie ihre Süße leise, während sie aus dem Kühlschrank eine Tuberbox mit gekochten Hühnerherzen und -lebern herausholte, um ihr ein paar davon in die Schüssel zu geben. Dosenfutter gab es bei Viola grundsätzlich nicht für Katzen. Was da alles für Mist drin war, wollte sie gar nicht erst wissen. Außerdem verdiente Flocke das Beste, was eine Katze kriegen konnte und das Auge aß am Ende schließlich auch noch mit. Das durfte man nicht außer Acht lassen. Zudem ekelte Dosenfutter sie schlichtweg an. Dazu bekam Flocke noch ein Schälchen Katzenmilch und ein paar Streicheleinheiten, ehe Viola sich wieder an die Arbeit machte. So viel geputzt wie in der letzten Zeit, hatte sie schon lange nicht mehr. Aber gerade wenn es um Verletzte ging, musste man sehr auf Sauberkeit achten. Daran würde sie sich halten. Ganz entgegen ihren Gewohnheiten. Zin sah an die Decke, die ein paar Flecken aufzuweisen hatte und wackelte mit den Fingern im Wasser. Kleine Wirbel ergaben sich daraus, die an seinen Seiten kitzelten und ihm so etwas, wie Wohlbehagen vorgaukeln konnten. War das zu glauben? Er lag in Violas Badezimmer, in einer Wanne mit Salzwasser und sollte sich ausruhen. Sein Blick wanderte an der Wand entlang nach unten, bis zu den Armaturen, die dafür benutzt werden konnten, mehr Wasser in die Wanne zu lassen. Das hatte er schon einmal gesehen. Aber ausprobiert hatte er es noch nicht. Würde er später. Im Moment war ihm mehr nach ... schlafen. Nicht nur, weil Viola ihm dazu geraten hatte, sondern auch, weil Zin sich nach diesem abenteuerlichen Lauf durch ihren Palast so fühlte, als hingen an jedem seiner Muskeln zusätzliche Gewichte, schloss er schließlich die Augen. Seine Wunden brannten, sein Rücken fühlte sich aufgerissen und unnütz an. Dabei hätte er so gern ... Er rutschte noch ein Stück nach unten, spürte, wie das Wasser zuerst seine Brust hinauf, dann zu seinem Kinn und noch höher stieg. Zin winkelte die Beine an, hängte eines über den Wannenrand nach draußen und ließ sich dafür mit dem Kopf ganz unter Wasser sinken, wo er seine Kieferkiemen aufstellte und versuchte zu atmen. Es war nicht viel Sauerstoff im Wasser. Und außerdem brannte es selbst auf der einigermaßen gesunden Seite wie Höllenfeuer. Und es schmeckte nach Rost. Trotzdem war es unglaublich ... gut, wieder in seinem Element zu sein. Es würde helfen. Ganz bestimmt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)