Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben von ginakai ================================================================================ Kapitel 20: Du liebst mich noch, oder? -------------------------------------- Wie vom Blitz getroffen blieb Gin mitten in der Tür stehen. Für einen winzigen Moment, indem seine Augen Shuichis Anblick in sich aufsogen, schien die Zeit stehen zu bleiben. Nichts anderes war mehr wichtig. Doch kurz bevor es seinen Gefühlen gelang, die kalte Fassade des Mörders zu durchbrechen, wurde er von einer bissigen Frauenstimme und einem schmerzhaften Stoß zwischen den Schulterblättern aus seiner Starre gerissen. "Flucht gibt’s nicht! Rein da!", befahl ihm Jodie grob. Zusammen mit der Erkenntnis, wo er sich gerade befand und in was für einer Situation, gewann auch der Mörder wieder die Oberhand über Gins Handlungen. "Als ob ich jetzt noch fliehen würde…", dachte der Silberhaarige, während er den Raum betrat. Hinter ihm traten die letzten Agenten ein und schlossen die Tür. Gin registrierte das mit der emotionslosen Berechnung des Mörders. Wie selbstverständlich ging er gedanklich alle möglichen Szenarien durch, die ihn in diese Situation gebracht hatten, und wie er sie zu seinen Gunsten wenden könnte. Umsetzen würde er aber nichts davon. "Hat er mich verraten?", stellte er sich gewohnheitsmäßig die Frage. Nur um gleich darauf gegen seine antrainierten Gedankengänge vorzugehen: "Nein… das glaube ich nicht. Dann wäre Shuichi nicht so nervös… Was hat er ihnen erzählt? Und warum hat er dafür gesorgt, dass ich festgenommen werde?" Dann kam ihm plötzlich ein erschreckender Gedanke: "Liebt er mich noch?... Kann er… mir verzeihen, dass ich so spät war?" Ihm fiel ein, wie abwesend Shuichi war, als er ihn gefunden hatte. "Kann er sich überhaupt daran erinnern?" Innerlich von seinen eigenen Gefühlen zerrissen, beobachtete Gin das Geschehen vor sich ohne jegliche Regung. Sobald sich die Tür geschlossen hatte, war die Blondine an ihm vorbei auf Shuichi zugegangen und hatte angefangen, auf ihn einzureden. Er selbst wurde dabei immer wieder mit misstrauischen und missbilligenden Blicken bedacht. Die Pistole in ihrer Hand immer in Bereitschaft. Die Worte kamen bei dem Silberhaarigen jedoch nicht an. Ihre Stimme ging ihm auf die Nerven, wie schon allein ihre Anwesenheit und die vertraute Art, mit der sie mit seinem Geliebten sprach. Doch er blendete sie genauso aus, wie er Vermouth ignorierte, wenn sie anfing zu viel zu labern. Seine Fragen konnte er nicht aussprechen. Seine Unsicherheit nicht zeigen. Nicht vor den ganzen Leuten hier. Nicht vor Shuichi, ohne zu wissen, wie dieser jetzt von ihm dachte. Mit festem Blick und ausdruckslosem Gesicht beobachtete er seinen Geliebten und analysierte jede Bewegung, jede Geste. Ohne die ausgesprochenen Worte wahrzunehmen, versuchte er die Gefühle, die in Shuichis Stimme mitschwangen, zu verstehen. Schließlich schob Shuichi sie zur Seite und sah ihm endlich in die Augen. Die Nervensäge war verstummt. Gin sah, dass sein Geliebter etwas sagen wollte und so sehr er sich nach seiner Stimme gesehnt hatte, so sehr er sich gewünscht hatte, seinen Namen wieder über diese Lippen kommen zu hören, so plötzlich kam jetzt die Angst, dass er abgewiesen werden könnte. Noch bevor auch nur ein Wort über die Lippen seines Geliebten kamen, sagte Gin mit dem kontrollierten, emotionslosen Tonfall, der ihn so viele Jahre begleitet hatte: "Du lebst." Ein Keuchen erklang. Aber nicht von Shuichi. Dieser kam unbeirrt auf ihn zu und sagte: "Ja. Du doch auch." Als Gin gerade antworten wollte, dass das eine doch nichts mit dem anderen zu tun hätte, schlang Shuichi seine Arme um ihn. Vor allen anwesenden Kollegen. Gin versteifte sich. Versuchte seine Gefühle und Sehnsucht zurückzuhalten. Sie nicht zu zeigen. Nicht hier. Die Blondine starrte ihn wütend an. Ihre Pistole hatte sie endlich gesenkt, doch dafür versuchte sie, ihn mit ihren Blicken zu töten. Fast hätte er gelächelt. "Das kann ich besser…" Da ließen ihn Shuichis Worte erneut erstarren: "Es tut mir Leid…" "Was?!" Während er noch verwirrt war, flüsterte ihm Shuichi weiter ins Ohr: "Ich lass dich nicht mehr gehen." Währenddessen hatten Shuichis Hände begonnen zu wandern. Eine tastete nach Gins Händen, die noch immer hinter seinem Rücken gefesselt waren, die andere fuhr hoch in seine Haare und drückte Gins Kopf in die Halsbeuge seines Geliebten. "Idiot…", lautete Gins Antwort, während er seinem Bedürfnis endlich nachgab. Er atmete den Geruch seines Geliebten ein und war froh, dass sein Gesicht nun vor allen Anwesenden verborgen war, denn es gelang ihm nicht länger, seine Tränen zurückzuhalten. "Dabei muss ich mich doch bei dir entschuldigen!" Shuichi zog ihn fester an sich und sagte dann: "Können wir... einen Moment für uns haben?" "Idiot! Als ob sie uns das gestatten!", dachte Gin. Die Ablehnung dieser Bitte war mehr als vorhersehbar. Sie war das einzig Richtige. Nach einem Moment der Stille, in der die Anspannung aller Anwesenden deutlich spürbar war, antwortete der ältere Herr von zuvor jedoch: "Fünf Minuten Akai." "Was?" Überrascht war Gin kurz davor, diesen Mann anzusehen. Doch Shuichis Hand in seinem Haar hielt ihn fest und erinnerte ihn daran, dass er sich so nicht sehen lassen sollte. Angespannt lauschte er, wie die Tür geöffnet wurde und mehrere Personen den Raum verließen. Doch eine bestimmte Frau weigerte sich offensichtlich: "Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wir können Shu doch nicht einfach allein mit diesem Mörder lassen!" "Er trägt noch die Handschellen und hat keine Waffe mehr...", erwiderte der Ältere. "Das macht ihn noch lange nicht harmlos! Er ist ein Profi! Wir können-" "Jodie bitte!", unterbrach Shuichi sie. "Lass uns allein." "Aber Shu, du-" "Mir geht es gut und ich kann auf mich selbst aufpassen. Bitte, lass uns allein." Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Gins Gesicht. "Punkt für mich. Dein Shu ist genervt. Er will mich, nicht dich." Es war seltsam befriedigend zu merken, wie Shuichi für ihn einstand. Zu spüren, dass er ihm noch immer wichtig war. Endlich schien sie aufzugeben und Gin hörte, wie die letzten Personen das Zimmer verließen und sich die Tür hinter ihnen schloss. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie vor der Tür Stellung bezogen und bereit hielten, um beim kleinsten Zeichen von seinem Geliebten wieder in den Raum zu stürmen. "Wie geht es dir?", fragte Shuichi. "Das müsste ich dich fragen... Du bist derjenige, der gefoltert wurde!", beschwerte sich Gin und ließ sich widerwillig von Shuichi etwas wegdrücken, damit dieser ihn ansehen konnte. "Ach, das Bisschen-" "Hör auf!", unterbrach ihn Gin. "Du brauchst es nicht herabspielen. Ich... ich hab es gesehen.", gab er leiser werdend zu. Einen Moment herrschte Stille, indem sie sich nur ansahen. Dann strich Shuichi ihm über die Wangen und wischte die Tränenspuren weg. "Entschuldige…" "Was? Was soll ich entschuldigen? Ich bin doch derjenige, der dich in das Alles reingezogen hat! Ich muss mich entschuldigen!", erwiderte der Silberhaarige aufgebracht und bemerkte nicht, wie ihm erneut Tränen über die Wangen liefen. "Ich hab dir den Brand verschwiegen…" Gin sah ihn wütend an. "Ja. Wenn ich es gewusst hätte, hätten wir die Wohnung verlassen können und sie hätten dich nicht gefunden. Und dann? Dann wärst du doch zurück zum FBI gegangen und hättest mich allein gelassen!", warf er seinem Geliebten vor. Dieser wollte etwas erwidern, aber Gin hatte endlich die Gelegenheit, seine ganzen Sorgen der letzten Wochen auszusprechen und ließ sich nicht unterbrechen. "Selbst wenn du nicht zurückgegangen wärst und mit mir geflohen wärst, hätten wir doch nur von einer Stadt in die nächste fliehen müssen. Immer auf der Hut vor der Organisation und dem FBI. Das wäre kein Leben gewesen." "Wir hätten eine Lösung gefunden.", meinte Shuichi. "Nein." Gin schüttelte den Kopf. "Es gibt keine Lösung. Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Das weißt du selbst. Darum hast du mich doch festnehmen lassen, richtig? Damit du wenigstens weißt, was mir passiert..." Traurig sah Gin seinen Geliebten an. "Nein!", widersprach Shuichi ihm und wischte erneut die Tränen weg. "Ich habe mit meinen Kollegen geredet. Sie wissen über uns Bescheid." Gins Augen wurden groß. "Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe. Und dass du mich liebst." Gin war innerlich wie erstarrt. "Er hat es ihnen gesagt? Aber... das... was ist mit seiner Anstellung? Warum…" "Du liebst mich doch noch, oder?" Die plötzliche Unsicherheit in Shuichis Stimme überraschte Gin. "Immerhin... trägst du den Ring noch…" "Wie kommt dieser Idiot jetzt darauf, dass ich ihn nicht mehr lieben könnte?!", fluchte Gin gedanklich. Dass er vor wenigen Minuten selbst noch gezweifelt hatte, ob Shuichi ihn noch liebte, war bereits vergessen. "Natürlich tue ich das! Ich liebe dich doch nicht weniger, nur weil du meinetwegen gefoltert wurdest!" Erst im Nachhinein wurde Gin bewusst, was er ohne zu Zögern zugegeben hatte. Eine leichte Röte schlich sich auf sein Gesicht, doch er sah seinen Geliebten weiterhin an. Es war die Wahrheit und das sollte Shuichi auch erkennen. Im Blick seines Gegenübers erkannte er Erleichterung und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr sich auch Shuichi vor einer Abweisung gefürchtet haben musste. Vielleicht sogar mehr noch als er selbst. "Warum tust du immer so stark? Dabei hast du mir doch selbst beigebracht, dass es ok ist, auch Schwächen zu haben und zu zeigen?", fragte er seinen Geliebten gedanklich. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um das anzusprechen. Auch Shuichi schien in seine Gedanken zu versinken. Doch das würde Gin nicht zulassen. Nicht, wo sie nur so wenig Zeit allein hatten. "Shuichi…" Dieser sah ihn wieder an und schien endlich zu verstehen. Er zog Gin zu sich ran und gab ihm einen Kuss. Ein langer, leidenschaftlicher Kuss, der langsam begann und den sie gemeinsam steigerten. "Danke.", flüsterte Shuichi ihm zu, bevor sich die Tür wieder öffnete und ihre Zweisamkeit beendet war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Unruhig ging Akai in seinem Krankenzimmer auf und ab. "Was, wenn er sich nicht ergibt? Wenn er vorher etwas merkt und nicht bis zu dem Raum mit geht? Oder wenn er versucht zu fliehen? Sie werden ihn aufhalten, aber dann wird es deutlich schwerer... James war ja sehr verständnisvoll, aber auch er hat seine Grenzen. Ich beanspruche die bereits auf extremste…" Er blieb stehen. "Und was, wenn es nicht Gin ist? Wenn es jemand von der Organisation ist?" Vor wenigen Minuten erhielt James die Nachricht, dass sich jemand nach Akai erkundigt hatte. Seit dem hielt es der Schwarzhaarige nicht mehr im Bett aus. Seine Verletzungen waren gut geheilt. Sitzen war zwar noch etwas unangenehm, aber nichts im Vergleich zu seinem Zustand vor einem Monat. Jetzt erinnerten nur seine neuen Narben und die Träume an das Geschehene. Nach seiner Offenbarung James gegenüber, hatte es viel Überzeugungsarbeit und Zeit gekostet, um seine Kollegen davon zu überzeugen, dass es nicht Gin war, der ihm das angetan hatte. Sie glaubten ihm auch nur unter Vorbehalt und blieben misstrauisch. Wenigstens war allen klar, dass mehr als nur eine Person bei den letzten Geschehnissen beteiligt gewesen sein musste. Und nachdem sie Kontakt zu Kir aufnehmen konnten, und sie ihnen berichten konnte, dass jetzt eine Person mit dem Codenamen Arrak vermisst wurde, war seine Aussage erst mal bestätigt. Aber Gins Veränderung glauben würden sie erst, wenn sie Gin treffen würden. Und sich dieser nicht wie ein kaltblütiger Mörder verhielt, der ohne Gefühlsregung alles tat, was die Organisation von ihm verlangte. Der momentane Plan war unter anderem genau darauf gestützt, seinen Kollegen genau diese Veränderung zu zeigen. Gin hatte seinen Stolz. Würde er mit Feinden konfrontiert werden, würde er entsprechend reagieren. Auch wenn er Akai gegenüber seine andere Seite, die der Mörder gerade erst wiedergefunden hatte, zeigte, zweifelte Akai nicht einen Augenblick daran, dass Gin anderen Personen nichts von den Veränderungen zeigen würde. Zumindest nicht durch direkte Worte oder Gefühlsregungen. Alles baute darauf, dass seine Taten bewiesen, dass er aufrichtig besorgt um ihn war. "Und wenn er es nicht ist, ist alles vorbei…" Akai schüttelte den Kopf. "Nein! So darf ich nicht denken! Ich muss ihm vertrauen! Was anderes bleibt mir nicht…" Eine weitere Sorge von ihm war: Selbst wenn die Festnahme erfolgreich war, Gin der als Krankenschwester getarnten FBI Agentin bis zum Raum folgte und sich dort ergab, konnte es sein, dass James ihn nicht herbrachte. Als er seinen Vorgesetzten darum gebeten hatte, meinte dieser nur: "Das kann ich Ihnen nicht versprechen Akai. Wenn ich das Gefühl habe, dass er eine Gefahr für Sie sein könnte, werde ich nicht erlauben, dass Sie sich treffen." Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als das zu akzeptieren. Daher war Akai jetzt so nervös. In genau diesem Moment entschied sich, ob er Gin wiedersehen würde oder nicht und er konnte nichts machen. Er war zum Warten verurteilt. Endlich ging die Tür auf und Akai wirbelte herum. James trat mit ein paar Kollegen ein und als er sagte: "Hier ist er, wie Sie es wollten." fiel dem Schwarzhaarigen ein Stein vom Herzen. "Vielen Dank.", sagte er aufrichtig, bevor sein Vorgesetzter zur Seite trat und den Blick auf seinen geliebten Gin freigab. Einen Moment lang konnte er ihn nur anstarren. Obwohl er sich in der gemeinsam verbrachten Zeit bereits daran gewöhnt hatte, den Silberhaarigen nicht nur in seinem schwarzen Mantel zu sehen, war es jetzt doch etwas ungewöhnlich, ihn mit Jeansjacke und Shirt zwischen seinen Kollegen zu sehen. Ungestört konnte er seinen Geliebten jedoch nicht lange betrachten, denn da dieser mitten in der Tür stehen geblieben war, konnten die nachfolgenden Agenten den Raum nicht betreten. Was insbesondere Jodie verärgerte. "Flucht gibt’s nicht! Rein da!", befahl sie ihm grob. Ausdruckslos machte Gin ein paar Schritte, bevor er erneut stehen blieb. Als Shuichi auf ihn zugehen wollte, drängte sich jedoch Jodie dazwischen: "Das ist nicht dein Ernst Shu! Ich gebe ja zu, dass ich vorschnell war, als ich angenommen habe, dass wir ihn zur Kooperation überzeugen können, wenn die Organisation ihn beseitigen will... Aber deswegen musst du doch jetzt nicht alles versuchen, um zu beweisen, dass er wirklich auf unsere Seite kommen kann!" "Ich habe dir bereits erklärt, dass ich zu dem Zeitpunkt aus einem anderen Grund dagegen war, es zu versuchen. Du hast gar nicht so falsch mit deiner Idee gelegen. Es war nur der falsche Zeitpunkt.", meinte er in ruhigem Tonfall zu ihr. Obwohl ihm bewusst war, dass sie sich davon nicht würde beruhigen lassen. Sie war am Meisten von den Neuigkeiten geschockt gewesen. "Ich kann es ihr ja nicht wirklich übel nehmen. Ich wusste immer, dass sie noch etwas für mich empfindet, obwohl ich unsere Beziehung beendet habe. Aber je länger sie sich an diese alte Hoffnung klammert, um so anstrengender wird sie." Und jetzt gerade ging sie ihm wieder gewaltig auf die Nerven. Jodie wäre jedoch nicht Jodie, wenn sie so einfach aufgeben würde: "Aber er ist ein Mörder! Du weißt doch, wie er ist! Wir können ihn doch nicht-" "Ich vertraue ihm.", unterbrach er sie, bevor er endgültig die Geduld verlor. Bevor sie darauf etwas erwidern konnte, schob er sie einfach zu Seite, um Gin wieder ansehen zu können. Sofort wurde sein Blick von den leuchtend grünen Augen eingefangen, die auf ihn gerichtet waren. "Er hat mich die ganze Zeit beobachtet.", wurde ihm bewusst. "Worauf wartest du? Was erwartest du?", fragte er seinen Geliebten gedanklich. Fragen, die nicht ausgesprochen werden konnten. Sie mussten vorsichtig sein. Nicht alles konnte gesagt werden. Aus verschiedensten Gründen. Gerade als er Gin mit einem neutral formulierten Satz vermitteln wollte, wie froh er war, dass er gekommen war, sagte Gin: "Du lebst." Der Tonfall war kalt. Abweisend. Emotionslos. Gin sprach wie der kaltblütige Mörder, der er einst war. Und das Keuchen von Jodie hinter ihm verriet Akai, dass sie davon überzeugt war, dass Gin genau das noch war. Aber Akai erkannte die Maske. Äußerlich unantastbar, stellte Gins Blick ihm eine Frage. "Ja. Du doch auch.", antwortete er schlicht, packte aber viel mehr in diese Worte, als nur diese einfache Aussage. "Ja, ich habe an dich geglaubt. Ich habe nie an dir gezweifelt. Ich vertraue dir. Ich liebe dich.", dachte Akai während er auf Gin zuging und ihn umarmte. Dank den Handschellen konnte Gin die Geste nicht erwidern, aber Akai hatte auch so seine Zweifel daran, ob er es überhaupt getan hätte. Gin wusste nicht, was er seinen Kollegen erzählt hatte. Es war verständlich, dass er sich versteifte, als Akai seine Zuneigung so offen zeigte. "Es ist ok...", versuchte er sich gedanklich zu überzeugen. "Er braucht etwas Zeit, um sich öffnen zu können. Gerade vor so vielen Leuten." Doch Gin blieb so steif. Schien sich nicht zu entspannen. "Ist er wütend wegen der Festnahme?" Seinem Gedanken einfach folgend flüsterte Akai seinem Geliebten zu: "Es tut mir Leid... Ich lass dich nicht mehr gehen." Und genau das meinte er auch. Egal was er dafür tun musste. Er würde alle Hebel in Bewegung setzten, um bei Gin bleiben zu können. "Selbst, wenn du mich nicht mehr willst…" Viel Zeit blieb ihm nicht, um seinen Kollegen zu zeigen, dass Gin keine Gefahr war. Er wusste, dass sie noch nicht davon überzeugt waren. Aber so wie Gin sich gerade verhielt, würde das schwer werden. Er fuhr mit einer Hand über Gins Haare und drückte den Kopf seines Geliebten zu sich, um ihn aus dieser Starre zu befreien. Glücklicherweise ließ Gin es widerstandslos geschehen. Mit der anderen Hand suchte er selbst nach einer Bestätigung, dass er für Gin noch wichtig war. Denn entgegen seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen schlich sich immer die leichte Sorge, dass Gin ihn nun abweisen würde. Weil er ihn durcheinander brachte, oder ihn aus seiner gewohnten Bahn warf, oder "...weil ich beschmutzt wurde." Doch da fanden seine Finger die Bestätigung. Gin trug den Ring, den er ihm geschenkt hatte. Erleichtert schloss Akai kurz sein Auge und überhörte fast das neben ihm geflüsterte Wort. "Idiot…" Er zog Gin fester an sich, sah James an und fragte ihn mit gefasster Stimme: "Können wir... einen Moment für uns haben?" Auf einen Schlag schien sich die Anspannung im Raum mindestens zu verdoppeln. Nicht nur seine Kollegen, auch Gin schien den Atem anzuhalten. Doch nach einem abschätzenden Blick auf die beiden traf James die Entscheidung, auf die Akai gehofft hatte: "Fünf Minuten Akai." Dankbar nickte er seinem Vorgesetzten leicht zu. Er beobachtete, wie seine Kollegen zögernd den Raum verließen. Doch Jodie blieb vor James stehen: "Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wir können Shu doch nicht einfach allein mit diesem Mörder lassen!" Akai verdrehte gedanklich die Augen. "Gib doch endlich mal Ruhe!" "Er trägt noch die Handschellen und hat keine Waffe mehr...", erwiderte ihr Vorgesetzter und Akai war ihm für die Unterstützung dankbar. "Das macht ihn noch lange nicht harmlos! Er ist ein Profi! Wir können-" "Jodie bitte!", unterbrach er sie. "Lass uns allein." "Wenn ich mich nicht einmische, dauert das noch ne‘ Ewigkeit.", dachte er missbilligend. "Aber Shu, du-" "Mir geht es gut und ich kann auf mich selbst aufpassen. Bitte, lass uns allein." In Gedanken fügte er hinzu: "Du störst und verschwendest kostbare Zeit." Mit einem missmutigen Gesichtsausdruck gab Jodie schließlich auf und verließ zusammen mit James das Zimmer. Sie schlossen hinter sich die Tür und er war allein mit Gin. "Endlich..." Erleichtert fragte er: "Wie geht es dir?" Eine einfache Frage, doch in ihr schwangen alle Sorgen mit, die er sich um seinen Geliebten gemacht hatte. "Das müsste ich dich fragen... Du bist derjenige, der gefoltert wurde!", lautete die bissige Antwort an seinem Hals. Akai schob Gin ein wenig weg, um ihn ansehen zu können. Erst jetzt bemerkte er die Tränen, welche die Augen seines Geliebten noch stärker glitzern ließen. "Hat er sich solche Sorgen gemacht?" Gin hatte ihn zwar gesehen und dort rausgeholt, aber vielleicht wusste er ja nicht alles. Zumindest hoffte Akai das. "Wenn Gin wüsste, was Arrak getan hat... Würde er mich dann noch wollen?" Eine Frage, die sich Akai bereits wiederholt gestellt hatte. "Ach, das Bisschen-", versuchte er es daher vor seinem Geliebten zu verharmlosen, wurde jedoch sofort unterbrochen: "Hör auf! Du brauchst es nicht herabspielen. Ich... ich hab es gesehen.", gab Gin leiser werdend zu. "Was?" Geschockt sah Akai ihn an. "Wie? Woher...? War er...dabei?" Seine Gedanken überschlugen sich, doch als er seine Erinnerungen im Schnelldurchlauf durchging, fiel ihm etwas ein: "Das Handy! Da war ein Handy angebracht! Arrak hat...!" Die Erkenntnis brachte eine gewaltige Erleichterung mit sich. Die Vorstellung, dass Gin dabei gewesen sein könnte, das alles mit eigenen Augen gesehen hätte... war schrecklich. "Aber er weiß es dennoch. Arrak hat ihm ein Video davon geschickt..." Vorsichtig strich Akai über die Wangen seines Geliebten und entfernte so die Tränenrückstände. "Entschuldige..." "Du hättest das nie zu sehen bekommen dürfen…" "Was? Was soll ich entschuldigen? Ich bin doch derjenige, der dich in das Alles reingezogen hat! Ich muss mich entschuldigen!", erwiderte der Silberhaarige jedoch aufgebracht. Erneut fingen Tränen an, ihm über die Wangen zu laufen. "Er wäre nur noch wütender, würde ich ihm sagen, dass er nichts davon hätte erfahren sollen, wenn es nach mir ginge...", dachte Akai und brachte daher einen anderen Grund vor: "Ich hab dir den Brand verschwiegen…" Wütende Augen blitzten ihm entgegen. "Ja. Wenn ich es gewusst hätte, hätten wir die Wohnung verlassen können und sie hätten dich nicht gefunden. Und dann? Dann wärst du doch zurück zum FBI gegangen und hättest mich allein gelassen!", wurde ihm vorgeworfen. Akai wollte widersprechen, doch Gin ließ sich in seinem kleinen Redeschwall nicht unterbrechen: "Selbst wenn du nicht zurückgegangen wärst und mit mir geflohen wärst, hätten wir doch nur von einer Stadt in die nächste fliehen müssen. Immer auf der Hut vor der Organisation und dem FBI. Das wäre kein Leben gewesen.“ "Wir hätten eine Lösung gefunden.", wollte er ihn überzeugen, doch die Aussage traf auf taube Ohren. Kopfschüttelnd antwortete Gin: "Nein. Es gibt keine Lösung. Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Das weißt du selbst. Darum hast du mich doch festnehmen lassen, richtig? Damit du wenigstens weißt, was mir passiert…" Weitere Tränen glänzten in den grünen Augen seines Gegenübers, bevor sie herabkullerten. Erneut wischte er sie weg und meinte energisch: "Nein! Ich habe mit meinen Kollegen geredet. Sie wissen über uns Bescheid." Gins starrte ihn mit großen Augen an. "Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe. Und dass du mich liebst." Seine Unsicherheit über den letzten Satz, konnte er trotz seiner Bemühung jedoch nicht verbergen. "Du liebst mich doch noch, oder?", fragte er nach. Als er die Überraschung seines Geliebten spürte, fügte er noch hinzu: "Immerhin... trägst du den Ring noch…“ "Bitte... sag, dass es egal ist, was passiert ist. Dass du mich trotz der Dinge, die mir Arrak angetan hat, noch liebst...", flehte Akai verzweifelt. Gins Antwort beendete die Grübeleien: "Natürlich tue ich das! Ich liebe dich doch nicht weniger, nur weil du meinetwegen gefoltert wurdest!" Diese Worte warfen Akai vollständig aus der Bahn. Zum einen war es das erste mal, dass jemand nicht um den heißen Brei herumredete, was die Geschehnisse bei Arrak betraf. Zum anderen hatte er nicht mit diesem Liebesgeständnis gerechnet. Ohne es zu bemerken, fing Akai an, in seine Erinnerungen abzutauchen. In die schrecklichen Geschehnisse. Und die verzweifelten Wunschvorstellungen. "Shuichi…" Dieses eine Wort genügte, um ihn aus seiner Gedankenwelt zurück in die Gegenwart zu holen. Er sah Gin nur einen Moment an, bevor er seinem Geliebten einen Kuss gab. Einen Kuss voller Leidenschaft, Verlangen und einem Hauch Verzweiflung, die in dem tanzenden Kampf ihrer Zungen unterging. "Danke.", flüsterte er seinem Geliebten zu, als er den Kuss beendete, und sah, wie die Tür geöffnet wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)