Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben von ginakai ================================================================================ Kapitel 12: Möglichkeiten ------------------------- Gin ließ das Handy von seinem Ohr herabsinken. Er hörte Shuichis Schreie immer noch und sie ließen sich nicht so leicht wieder vertreiben. Er wollte sich gar nicht weiter ausmalen, was sein Geliebter noch alles erleiden musste. “Dann werde ich dir versprechen, dass ich ihn am Leben lassen werde.“, hallte zwischendurch dann auch Arraks Versprechen in Gins Kopf wieder. Er runzelte erbittert die Stirn. “Und was soll dieses Leben dann wert sein?“, fragte er sich und konnte sich überhaupt nicht vorstellen, den Rest seines Lebens unter Folter verbringen zu müssen, da wäre man mit dem Tod sogar eher belohnt. Zumindest würde die Organisation Shuichi niemals in Ruhe, geschweige denn freilassen. Das Versprechen von diesem Mistkerl war sozusagen wertlos. “Viel wichtiger ist aber, was ich stattdessen tun soll, um Shuichi vor seinem Schicksal zu bewahren...“, fing Gin jetzt an zu grübeln und ließ sich weiter zurück auf die Holzbank sinken, wobei er noch das zweite Handy, Shuichis, in seiner Tasche bemerkte. Er nahm es daraufhin in die Hand und steckte das fremde Handy dafür wieder zurück. Jedoch betrachtete er das ausgeschaltete Smartphone des Agenten nur. “Und wenn ich das FBI damit kontaktiere?“, kaum hatte der Gedanke in seinem Kopf Gestalt angenommen, verwarf er ihn sofort und fing beinahe an zu lachen. “Ich bin wohl echt am Ende.“ Auch dieses Handy steckte er wieder zurück in die Manteltasche, zog stattdessen eine Schachtel Zigaretten aus der anderen und kramte noch ein Feuerzeug heraus. “Es wäre viel zu Riskant mit denen Kontakt aufzunehmen, zu mal die ohne genauere Informationen auch nicht mehr ausrichten können...“, gestand der Silberhaarige sich ein, während er die Zigarette anzündete und einen kräftigen Zug davon nahm. “Und wenn ich morgen zum Treffpunkt gehe, helfe ich damit weder mir noch ihm. Es muss eine andere Möglichkeit geben. Immerhin können sie ihn noch nicht umbringen und werden ihn stattdessen wahrscheinlich weiter als Druckmittel gegen mich verwenden, bis sie mich geschnappt haben.“, dachte er weiter in Sorge um Shuichi und pustete den Qualm seiner Zigarette aus, der sich daraufhin in der kühlen Luft verteilte. Ein paar Minuten vergingen in Stille, wobei Gin versuchte eine andere Lösung zu finden, was wirklich schwer war. “Arrak also...“, ließ er sich den Namen des Organisationsmitgliedes noch einmal gründlich durch den Kopf gehen und wiederholte ihn dafür sogar ein paar Mal. Er versuchte noch alles an Informationen zusammenzukratzen, was er von dem Kerl wusste und welchen Einfluss dieser in der Organisation hatte. Viel war das nicht. Er war ihm nur ein paar Mal begegnet und das nur, weil der Boss zum Teil darauf bestanden hatte, dass dieser die Befragung des Gefangenen übernahm. Da Gin jedoch selbst erfolgreich genug bei seinen eigenen Befragungen war, hatte er mit Arrak nicht wirklich viel zu tun gehabt. Andere Mitglieder hatten hingegen öfter mal von ihm erzählt. Vermouth beschwerte sich regelmäßig, wenn sie nach einer erfolgreichen Gefangennahme die Übergabe an Arrak erledigen musste. Sie meinte immer er wäre zwar nicht hässlich, hätte aber eine Art an sich, dass sie ihm am liebsten nicht begegnen wollte. Gin erwiderte damals nur schadenfroh, dass sie scheinbar zu weichherzig wurde, doch sie war nicht darauf eingegangen. Stattdessen meinte sie, dass Arrak nicht nur ein geborener Foltermeister war, sondern dass er sich wohl so sehr an dem Leid seiner Opfer ergötzte, dass er unabhängig vom Geschlecht der gequälten Person einen Ständer bekommen würde. Sie betonte anschließend, dass solche Kerle unter ihrer Würde wären. Damals hörte Gin nur mit einem halben Ohr zu, als sie von den Gerüchten um den angeblich besten Foltermeister der Organisation berichtete. Jetzt lief ihm jedoch ein Schauer über den Rücken, als er daran dachte, was Shuichi erleiden musste. Schnell schob er den Gedanken beiseite und rief sich das Gespräch mit Vermouth wieder ins Gedächtnis. Dabei versuchte er sich konkret an die verschiedenen Orte zu erinnern, an denen die Organisation diesem Kerl extra Räume eingerichtet hatte, damit er schnellstmöglich Informationen aus seinen Opfern bekommen konnte. Gin empfand es bereits damals als sinnlos und unnötig. Wozu das erhöhte Risiko eingehen, entdeckt zu werden, wenn man immer wieder zu den gleichen Orten zurückkehrte, um jemanden zu foltern, wenn man das doch besser gleich an Ort und Stelle der Gefangennahme machen konnte. Weniger Risiko, weniger Zeitverschwendung und weniger Aufräumarbeiten zum Abschluss. Jetzt kam ihm Arraks Eigenart aber entgegen. Er erinnerte sich an Vermouths Aussage, dass der Typ eine Leidenschaft für große oder empfindliche Geräte zu haben schien, die nur schwer und mit großem Aufwand transportiert werden konnten. Das war wohl der Grund gewesen, mit dem er den Boss davon überzeugen konnte, verschiedene Räume in verschiedenen Stadtteilen zu erhalten. "Aber wo?…" Nur langsam fielen Gin ein paar Stadtviertel ein, die er mal im Zusammenhang mit Arrak gehört hatte. Er wusste, dass der Organisation überall mehrere große und kleine Gebäude gehörten, doch nicht alle würden sich für Arraks Zwecke eignen. Wütend zerknüllte er die Zigarettenschachtel, als er feststellte, dass sie bereits leer war. Er hatte nicht bemerkt, wie viel er verbrauchte. Die zerknüllte Schachtel landete auf dem Boden und er fischte sich eine neue Schachtel heraus. Der Vorrat, den er eigentlich für sich und Shuichi gerade erst gekauft hatte, wurde von ihm jetzt viel schneller verbraucht, als es der Fall gewesen wäre, wenn er jetzt noch mit Shuichi zusammen sein würde. "Hör auf! Das lenkt dich nur ab!", dachte Gin und schüttelte energisch den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Grübeleien gingen ihm eben gegen den Strich. Besonders, wenn er im Nachteil war. "Also... wo würde sich ein kleiner, ekliger, mieser Foltermeister mit seinem Opfer verstecken?...", beschloss Gin seinen Gedankengang zu ändern. "Es muss unauffällig sein, etwas wo viele Fahrzeuge und Kisten oder Gegenstände unterschiedlichster Größe hin und her wandern, wo niemand groß darauf achtet wer ein und aus geht und wo es unmöglich ist rauszukommen, wenn man einmal da gefangen ist. Also keine Fenster... und natürlich schalldicht oder weit genug entfernt, dass niemand die Schreie hört..." Gin umklammerte unbewusst Shuichis Handy in seiner Tasche. "Nur nicht dran denken! Bleib ruhig!", befahl er sich selbst. Doch erst nach ein paar weiteren Zügen aus seiner Zigarette gelang es ihm wieder, seine Gedanken zu ordnen. Als er die Gebäude der Organisation gedanklich durchging, fielen ihm nur eine Handvoll ein, die Arraks Bedürfnissen entsprachen und gleichzeitig in der Zeit erreichbar waren, die seit seinem Verlassen des Hauses und der ersten SMS mit Bild von Shuichi auf dem unbekannten Handy eingegangen war. "Na dann los," sprach Gin unbewusst aus. Er hasste es nichts zu tun und da er nun endlich ein paar Anhaltspunkte hatte, wurde es Zeit, ein paar Gebäude zu überprüfen. Zwei Stunden später lief Gin über eine breite, trotz der späten Stunde noch recht lebhafte Straße. Auf dem Weg hierher war ihm eingefallen, dass er nach Shuichis Befreiung auch einen Rückzugsort benötigen würde. Wenigstens für ein paar Stunden. Daher hatte er die Umgebung erkundet und ein paar Hotels entdeckt. Die meisten waren aber ungeeignet. Entweder konnte er schon auf den ersten Blick erkennen, dass die Rezeptionisten zu viele Fragen stellen würden, oder es war klar, dass die Organisation hinter der unauffälligen Fassade ihre Finger im Spiel hatte. Es hatte etwas gedauert, aber schließlich hatte er ein Hotel entdeckt, dass sie als Übergangslösung nehmen konnten. Zwar entsprach es überhaupt nicht seiner ursprünglichen Vorstellung und er hätte es fast übersehen, doch genau dadurch war es geeignet. Jetzt musste er nur herausfinden, ob sich Akai wirklich hier befand. Obwohl sich Gin darüber im Klaren war, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering war, dass er bereits beim ersten Gebäude Erfolg hatte, spürte er, wie die Hoffnung mit jedem weiteren Schritt wuchs. Zusammen mit seiner Entschlossenheit. Er würde seinen Geliebten befreien. Je näher Gin dem Gebäude kam, um so angespannter wurde er. Auch wenn ihm das niemand äußerlich ansehen würde. Er hatte seinen Mantel in der Nähe versteckt und trug wieder den Kapuzenpulli, den er zu Shuichis Entführung angezogen hatte. Mit seinem Hut und Mantel war das Risiko zu hoch, von einem Mitglied der Organisation erkannt zu werden, bevor er sie entdeckte. Kurz darauf zog eine Frau, die scheinbar betrunken in der Nähe des Eingangs herumlungerte, die Aufmerksamkeit des Silberhaarigen auf sich. Er durchschaute ihr schlechtes Schauspiel sofort. "Eine einfache Aufpasserin ohne viel Erfahrung," stellte er fest. Dann bemerkte er einen verwahrlosten Mann, der sich in ihrer Nähe niederließ, woraufhin sie sich aufrichtete und um die nächste Ecke verschwand. "Wachablösung... und noch dazu so offensichtlich," dachte er abfällig. Er betrachtete den Mann noch einen Moment länger. Dieser machte es sich auf dem Boden bequem und senkte den Kopf, um... "Der schläft doch tatsächlich!" Entgeistert stellte Gin fest, dass dies kein Schauspiel war. Er war kurz davor zu dem Typen zu gehen und ihn für seine Unfähigkeit ordentlich zu verprügeln oder ihm eine Kugel zu geben, hielt sich aber für Shuichi zurück. Den Aufruhr konnte er sich nicht leisten. "Wenigstens ist dadurch klar, dass er nicht hier sein kann," stellte Gin verbittert fest. "Selbst die größten Trottel sind aufmerksamer, wenn etwas Wichtiges im Innern passiert." Mit ruhigen Schritten entfernte sich Gin wieder und kehrte nach einem kleinen Umweg, auf dem er kontrollierte, dass er nicht verfolgt wurde, zu seinem Mantel zurück. "Auf zum nächsten Gebäude!" … Wütend schmiss der Silberhaarige die leere Zigarettenschachtel auf den Boden der Seitengasse, in der er sich gerade befand. Die Sonne war schon vor Stunden aufgegangen und er hatte nicht nur keinen Hinweis auf Shuichi gefunden, sondern auch schon den Zigarettenvorrat verbraucht, der eigentlich für mindestens zwei Wochen ausreichend gewesen wäre. Zudem bereute er die Entscheidung, zu Fuß von einem Gebäude zum nächsten gelaufen zu sein. In seiner Erinnerung waren sie nicht so weit voneinander entfernt gewesen. Aber sonst war er auch immer gefahren. Er vermisste seinen Porsche. Seufzend lehnte er sich gegen die Wand und zwang sich dazu, sich auf seine Atmung zu konzentrieren, um wieder ruhig zu werden. "Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten," versuchte er seine aufsteigende Angst und Sorge zu beruhigen. Was er tun sollte, wenn Shuichi an keinem dieser Orte festgehalten wurde, wusste er selbst nicht. Aber er wollte auch nicht darüber nachdenken. Zu schrecklich waren die Bilder in seinem Kopf. Zum wiederholten Mal zog der Silberhaarige das unbekannte Handy aus der Tasche und kontrollierte die Uhrzeit. 11:00 Uhr stand da. Die Zeit des vereinbarten Treffens war schon lange überschritten. Es gab kein Zurück mehr. Er musste Shuichi so schnell wie möglich befreien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)