Scatter and Howl von yezz ================================================================================ Kapitel 25: Preparing for Judgement ----------------------------------- Die Sonne war nur ein klein wenig mehr als ein Fleck am Horizont, als Renji sich auf dem Weg zu Central 46 begab. Der morgendliche Duft von gebackenem Brot und köchelnder Miso-Suppe hing in der kalten Februar-Luft. Die meisten Geschäfte, an denen er vorbei ging, waren noch nicht geöffnet, die Fenster geschlossen und abgeschirmt. Renjis einzige Gesellschaft waren Lieferanten, die ihre Runden drehten, Essenshändler, die ihre Läden vorbereiteten und die Laternenanzünder, die die Laternen anfingen zu löschen, als die Sonne über die ockerfarbenen Dächer lugte. Renji freute sich nicht darauf, in die Nähe des Geländes von Central 46 zu gehen. Selbst ohne die kürzliche Verbindung mit Aizen und dem Tod, war das Gelände unheimlich, da es so viel weißer Mamor und leeren Raum beinhaltete. Er vermutete, dass die nackte Architektur ein Gefühl von schmuckloser Adelswürde und strenger Macht ausstrahlen sollte, aber es sah einfach nur verdammt gruselig für ihn aus. Zumindest musste Renji nicht tief in das Gelände eindringen. Es war ja nicht so, als benötige er eine Audienz bei Central, nur um einen Brief abzugeben. Mit etwas Glück konnte er Byakuyas Schreiben an einen der Kidō-Wachen am Eingangstor übergeben. Er sollte einfach in den Shunpo übergehen und damit fertig werden, doch Renji wusste, dass der Grund für seinen Auftrag war, ihn von der Division wegzuhalten. Er sollte nicht dort sein, wenn der Generalkommandant seinen Entschluss über Byakuya verkündete. Er konnte sich selbst nicht trauen, sich unter Kontrolle zu halten. Vor allem nicht nach letzter Nacht. Nach letzter Nacht fühlte Renji einen steigenden Drang, Byakuya zu beschützen. Was natürlich dämlich war. Byauya konnte weitaus besser auf sich selbst aufpassen, als Renji es jemals tun könnte. Das war die Wahrheit über jeden, den Renji liebte. Rukia war auch immer stärker gewesen… bis, ja, bis sie es nicht mehr war – bis zu ihrer Inhaftierung. Definitiv keine gute Idee anwesend zu sein und zu sehen, wie sie Byakuya mitnahmen. Die Angst kroch schon in Renji hoch, umfasste seine Wirbelsäule mit einem Schauder. Die Angst, dass sich einfach alles ändern könnte, wie bei Rukia, wurde nach und nach exponentiell schlimmer. Angst, dass er einfach zu hilflos war, es aufzuhalten. Kyōraku hatte Byakuya einen Handel versprochen, doch was waren die Details? Was, wenn es kein gemütlicher Hausarrest war, sondern etwas Härteres? Byakuya hatte ihm vor nicht allzu langer Zeit erzählt, dass Soi Fon eine Zelle im Madennest hätte, die speziell für einen Kuchiki gemacht worden war – genauer gesagt für Byakuya. Es war Renji sonderbar erschienen. Byakuya war der geradeste der geraden Pfeile, doch offensichtlich war er einmal danebengetreten und hatte einen Zivilsten mit dieser Spezialattacke von Senbonzakura niedergestreckt – die eine, von der er Ichigo erzählt hatte, dass er sie nur denen zeigte, denen er geschworen habe, sie mit eigenen Händen zu töten. Der Zivilist, vermutete Renji, musste der früher Missbrauchstäter sein, der Byakuya so kaputt gemacht hatte, was das wo und wie beim Thema Anfassen anging. Derjenige, den Byakuya schlussendlich hatte zur Seite schieben können, damit er letzte Nacht so offen und verletzlich sein konnte. Doch wie sehr dieser Bastard sein Schicksal vielleicht verdient hatte, konnte Renji vollkommen verstehen, dass die Onmitsukidō so etwas mitbekommt und Byakuya auf eine Art Beobachtungsliste gesetzt hatte. Natürlich konnte sich Renji genauso vorstellen, dass Tantchen Masama eine große Spende an die zweite Division geschickt hatte, um dieses verdammte Ding in Auftrag zu geben. Einfach nur, weil sie es konnte und weil es eine weitere Sache war, mit der sie ihren Neffen drohen konnte. Renji hatte ein sehr schlechtes Gefühl, dass Byakuya dorthin gehen musste. Als die Sonne über den Dächern stand, gab Renji das Gehen auf und ging zum Shunpo über. In kürzester Zeit kam Renji auf den Vorhof vor den äußeren Mauern an. Die äußeren Mauern waren aus weißem Stein, imposant und trostlos. Jede Mauer hatte einen Wachen in der Mitte der vier Himmelsrichtungen. Renji hatte kaum zwei Schritte gemacht, bevor er gegen eine unsichtbare Kidō-Barriere rannte. Er sprang zurück, als eine Stimme donnerte: „Vizekommandant Abarai der sechsten Division, nenne dein Anliegen mit Central 46.“ Renji rieb sich seine Nase, wo sie etwas flachgedrückt war und zog eine Grimasse. Offensichtlich hatten sie die Sicherheitsstufe nach Aizens Angriff erhöht. Es fühlte sich seltsam an, mit jemandem zu reden, den er nicht sehen konnte, aber er sagte: „Ich bin im Auftrag des Kommandanten der sechsten Division, Byakuya Kuchiki, gekommen. Ich habe einen Brief bekommen, von dem er möchte, dass es von Central sicher aufbewahrt wird und der Angelegenheiten der Kuchiki-Familie beinhaltet.“ Stille. Sollte er mehr sagen? Vielleicht versuchen, die Dinge besser zu erklären? Renji schirmte mit einer Hand seine Augen von der Sonne ab, um zu versuchen, zum Turm hinaufzusehen. „Hey, hast du mich gehört oder was?“, rief Renji. Er nahm den Brief aus dem Inneren seines Shitagi und wedelte damit in der Luft herum. „Ich bin hier wegen einer Familienangelegenheit der Kuchiki!“ Die körperlose Stimme sagte: „Du darfst dich dem Tor nähern. Ein Abgesandter wird dich dort treffen.“ Die Luft schien zu flimmern und Renji fühlte eine Bewegung wie ein pulsierendes Reiatsu. Er nahm das als Zeichen, dass die Barriere gelöst wurde. Nach ein paar vorsichtigen Schritten nach vorne, standen ihm die Nackenhaare zu Berge, da die Barriere zurück an Ort und Stelle war. Ein bisschen paranoid nach Aizen, eh? Auch wenn der Gedanke, innerhalb dieser Blase gefangen zu sein, Renji Gänsehaut bereitete, konnte er ihnen nicht wirklich dafür Vorwürfe machen. Bevor er auch nur zur Tür des Turms kam, tauchte eine Frau auf. Sie war vollkommen in weiß gekleidet, ein fließender Kimono, der leider Ähnlichkeiten mit dem Büßergewand hatte, den sie Rukia nach ihrer Haft haben tragen lassen. Vollständig mit Band um ihren Hals. Nur dass es nicht rot war, sondern weiß. Ihre schwarzen Haare waren lang und offen; ihr Gesicht hatte hohe Wangenknochen und war blass. Wenn sie nicht bereits im Land der Toten wären, hätte Renji geglaubt, dass sie ein Geist sei. Sie trafen sich in der Mitte des Hofes. Als er vor ihr stand, baute sich Renji vor ihr auf. Sie war größer als Rukia, aber nicht wirklich viel. Als sie ihren Kopf hob, um zu ihm aufzublicken, bemerkte Renji dicke, dunkle Wimpern, die seegrüne Augen umfassten und volle, blasse Lippen. Er hätte sich vielleicht von ihrer Schönheit einlullen lassen können, doch ihr Reiatsu knisterte um sie herum wie Blitze, rochen nach sengender Luft und Ozon. „Was ist die Familienangelegenheit der Kuchiki mit Central“, forderte sie zu wissen. „Warum schickt die Familie ein Repräsentant des Militärs?“ Renji hatte keine Ahnung, was er darauf sagen sollte. Also hielt er nur den Brief hin und zuckte mit den Schultern. „Meine Dame, ich gehe dorthin, wohin mich mein Kommandant schickt.“ „Ah, ja, natürlich“, sagte sie mit einem kleinen, nachsichtigen Lächeln für ihn. Sie nahm den Brief und überflog den Inhalt. „Ich verstehe“, sagte sie, faltete ihn, damit er in ihrem Ärmel verschwinden konnte. „Der Kuchiki ist besorgt, dass es vielleicht einen Widerstand gegen den ernannten Regenten gibt. Du kannst deinem Herrn versichern, dass Central nicht erlauben wird, dass Zivilisten Territorium der Hofgarden belagern. Es ist jedoch die Entscheidung des Kommandanten in Vertretung, ob oder ob nicht die sechste Division darin involviert wird, Attacken auf Privatgelände der Kuchiki abzuwehren.“ Keine Unterstützung von den Weicheiern, wie erwartet, dachte Renji reumütig. „Gratulation zu ihrer vorrübergehenden Ernennung, Kommandant in Vertretung Abarai.“ Diese Worte überraschten Renji. Er stammelte ein ‚danke‘, doch die Frau wandte sich bereits von ihm ab. Über ihre Schulter warf sie ihm noch ein umwerfendes Lächeln zu und sagte: „Sie brauchen die Ausrede ‚befolge nur die Befehle meines Kommandanten‘ nicht mehr, Kommandant in Vertretung. Viel Glück damit. Warum stach ihm dieser kleine, spitze Kommentar wie Eis in sein Herz? Byakuya klopfte höflich an die Tür zum Schlafzimmer des Erben. „Shinobu?“ Ein erschöpftes Wimmern kam von der anderen Seite der Tür, gefolgt von einem „Wie spät ist es?“ Dann mehr zusammenhängend und besorgt: „Byakuya-sama? Bist du das?“ „Ich muss mit dir über eine wichtige Angelegenheit sprechen“, sagte Byakuya zur geschlossenen Tür. Die Tür führte in den Raum, der einmal seiner gewesen war. Ein Raum, in den er sich nicht einfach hineindrängen konnte, egal wie schnell er mit dem Jungen reden wollte. Besonders weil ihm diese Höflichkeit oftmals so… gewalttätig verweigert worden war. Byakuya räusperte sich und fragte: „Kann ich reinkommen?“ „Ähm… Moment.“ Byakuya hörte Rascheln und Murmeln. Zog sich der Junge an oder versuchte er gerade hektisch, sein unordentliches Zimmer aufzuräumen? Es dauerte nicht mehr als einen Moment, bis sich die Tür aufschob. Shinobus Haare waren ein ungekämmter Wirrwarr an braunen Locken. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und deutete Byakuya, einzutreten. Er blinzelte und starrte dann mit großen Augen, als Byakuya den Raum betrat. „Ich glaube nicht, dass ich dich jemals ohne Kenseikan gesehen habe, mein Herr. Du siehst… nett aus?“ Weniger hoheitlich, ohne Zweifel. Zugänglicher. Jünger, wenn man Renji Glauben schenken konnte. Der Raum sah hastig gesäubert aus. Byakuya konnte ein verräterischen Fetzen Wäsche unter der Futon-Matratze erkennen. Ansonsten war der Raum noch so ziemlich so, wie zu der Zeit, als ihn Byakuya bewohnt hatte. Dieselben Kōan hingen an den Wänden. Viele seiner Lieblingsbücher aus seiner Kindheit belegten das gleiche Bücherregal. Byakuya fragte sich, ob Shinobu bereits das lose Brett auf dem Boden gefunden hatte und was er mit den Kindheitsschätzen machte, die dort versteckt waren. „Es hat tatsächlich etwas mit dem Kenseikan zu tun, was mich hierherbringt“, sagte Byakuya. Er öffnete seine Hände, um ihn dem Erben zu zeigen. Byakuya hatte ihn auf den Weg hierher ausgezogen, die Silberketten schlangen sich um seine Finger. Er hatte ihn so festgehalten, dass die Kanten Abdrücke auf seiner Handfläche und den Fingern hinterlassen hatte. „Erlaubst du mir, ihn dir anzuziehen?“ Shinobus Mund öffnete sich und hing für einige Momente offen. „Ich… verstehe nicht. Meine Einführung ist noch Monate hin.“ „Durchaus“, nickte Byakuya. „Doch ich werde in Kürze festgenommen. Ich werde ihn mir nicht ausziehen lassen. Das kann ich nicht erlauben.“ Das war auch der Grund, warum sich Byakuya nicht damit aufgehalten hatte, seine Uniform anzuziehen. Sie würden immer noch von ihm verlangen, seine Kleidung auszuziehen, ohne Zweifel in irgendeiner abscheulich erniedrigenden Weise, doch es war besser, nicht zu sehen, wie sie den Haori nahmen. Symbole und Stolz waren oft miteinander verflochten. „Festgenommen?“, krächzte Shinobu. „Festgenommen wofür? Von wem?“ „Die Hofgarden. Wegen Unzucht“, sagte Byakuya ruhig. Er gestikulierte zu der kleinen Frisierkommode und deutet dem Jungen an, dass er sich setzen sollte, während sie redeten. Obwohl es einen Moment dauerte, bis er es verstand, gehorchte der Junge. Seine Augen beobachteten Byakuya die ganze Zeit, flehten still nach mehr. Mit einem Seufzen nahm es Byakuya hin und erzählte ihm die ganze Geschichte. „Ich habe Unzucht vor dem Kommandanten der Militärpolizei gestanden. Ich wollte Renji vor einer Anklage wegen Ungehorsam bewahren, doch es wäre klüger gewesen, nichts zu sagen. Tatsächlich wäre es viel klüger gewesen, nicht einmal mit dem Streit mit Renji anzufangen.“ Shinobu saß im Seiza vor dem kleinen Tisch, beobachtete Byakuya immer noch mit großen, angsterfüllten Augen. Byakuya kniete neben ihm und versuchte herauszufinden, wie er die Locken mit dem Kenseikan bändigen konnte. Er entschied, mit Kämmen anzufangen. Er war nicht besonders gut in dieser Art von Dingen, doch er hatte Hisanas Haare oft genug gekämmt, als sie krank gewesen war. Außerdem musste der Kenseikan nur lange genug am Platz bleiben, dass Shinobu ihn sehen konnte. Während Byakuya kämmte, fragte Shinobu: „Verstehe ich das richtig? Du wirst festgenommen, weil du zugegeben hast, dass du Renjis Liebhaber bist, nicht… weil du es bist?“ „Hoffentlich“, sagte Byakuya. „Dein Kommandanten-Onkel nutzt seinen gewaltigen Charme, um den Generalkommandanten zu überzeugen, dass mein einziger Fehler war, zuzugeben, was viele hinter verschlossener Tür machen. Natürlich ist das keine Garantie. Yamamoto könnte entscheiden, mich vollständig nach Gesetz zu bestrafen. In diesem Fall ist es sogar noch wichtiger, dass du mit dem Kenseikan auf dem Kopf erscheinst, während ich zur Hinrichtung gebracht werde.“ Shinobu bedeckte seinen Mund. „Oh, sag das nicht, Byakuya-sama! Lass das die Götter nicht hören, damit sie nicht denken, dass du dir dieses Schicksal wünschst.“ Dann machte er eine komplexe Geste mit seiner freien Hand, ohne Zweifel ein Zeichen gegen das Unglück. Eine Geste die er nicht in einer Adelsfamilie gelernt haben konnte. Byakuya überlegte, ihn zu korrigieren, doch entschied sich dagegen. Vielleicht würden Shinobu solch rustikale Manieren Vorteile verschaffen, die Byakuya niemals erlangen konnte. Mit den Haaren soweit unter Kontrolle wie möglich, begann Byakuya, den Kenseikan an den Platz zu schieben. Während er das tat, erklärte er: „Der Kenseikan kann dir zuerst in die Haut schneiden. Er ist schwer und unbiegsam und… spürt die Veränderung. Mit der Zeit wird er sich verändern. Die Teile des Kenseikan, die aus Hollow-Knochen geschmiedet sind, sind immer noch lebendig. Dein Reiatsu wird sie zu einem neuen Design formen. Auch wenn der Kenseikan, den ich getragen habe, von Generation zu Generation weitergegeben wurde, trugen keine zwei Familienoberhäupter die gleiche Form. Dieser Kenseikan wurde von dem Ryoka, Ichigo Kurosaki, zerschmettert. Teile davon wurden in diesen hier eingearbeitet, genau wie du, repräsentiert er die neue Generation und vielleicht, wenn du es so wählst, eine neue Richtung für die Kuchiki-Familie.“ Die Korkenzieherlocken von Shinobu sprangen ungünstig unter dem Kenseikan hervor. Was gut an Byakuya ausgesehen hatte, schien… idiotisch am Erben. Doch innerhalb von einem Moment würde sich der Kenseikan in etwas Tragbarerem für sein Äußeres verwandeln. Byakuya hatte die Familie geschockt, als sich der Kenseikan innerhalb von Tagen zu seiner jetzigen wandelte, weil sein Reiatsu so stark war. Shinobus Gesichtsausdruck wurde wegen Byakuyas Worten ernst. „Ich werde mein Bestes geben. Ich werde dich stolz machen, Kuchiki-sama.“ Byakuya schüttelte seinen Kopf. „Nein, Shinobu Kuchiki. Denke nicht an den Pfad, den ich gegangen bin, sondern an deinen eigenen. Du musst deinem eigenen Herzen folgen. Die einzige Person, die du stolz machen musst bist du.“ Shinobu nickte ernst. „Hat das dein Großvater auch zu dir gesagt?“ „Hat er nicht. Der Kenseikan wurde von seiner Leiche geborgen. Die einzigen Worte der Weisheit, die er für mich an meiner Amtseinführung hatte war ‚Zappel nicht so rum‘.“ Shinobu lachte. „Auch ein guter Ratschlag, wenn auch nicht so tiefgründig.“ „Ja, in einer Weise“, stimmte Byakuya zu. Die Ketten waren ein Wirrwarr in Shinobus Locken, doch Byakuya war in der Lage, sie zu platzieren. Er setzte sich zurück und runzelte die Stirn. Sie sahen furchtbar aus. Der Stil stand seinem Haar nicht im Geringsten, die Locken wehrten sich stur gegen die Ausrichtung. Byakuya entschied, das als gutes Zeichen zu nehmen, statt als ein Schlechtes. Wie Renji wohl sagen würde ‚es ist eine Besonderheit, kein Fehler‘. Vielleicht würde Shinobus Führung auch widerstandsfähig und flexibel sein. Byakuya merkte, dass Shinobu auf mehr wartete, weiteres Positives über Ginrei zu hören. Byakuya kämpfte für einen Moment damit, doch fuhr dann fort: „Dein Urgroßvater war ein praktischer Mann, wenn auch sonst nichts. Er hat mir gelehrt, wie wichtig es ist, das Erscheinungsbild aufrecht zu halten. Eine Lektion, die du dir zu Herzen nehmen solltest, wenn du unserer Tante Masama gegenüberstehst. Versuche dich davon abzuhalten, ihr gegenüber Gesten für Flüche zu machen, wenn es dir möglich ist. Es sei denn natürlich, du denkst, dass sie stark genug sind, um ihr etwas anzuhaben.“ „Ich habe es versucht“, sagte Shinobu mit einem Grinsen und einem leichten Kopfschütteln. „Sie ist dagegen immun.“ „Eine Schande“, stimmte Byakuya zu. Er saß mit seinen Händen auf den Knien da, versuchte dabei an alle Dinge zu denken, auf die er Shinobu versuchen sollte, vorzubereiten. Er schüttelte seinen Kopf. Da gab es zu viel. Das Beste war, ihm das Kritischste zu vermitteln. „Rukia wird dein ernannter Vormund sein“, sagte Byakuya und stand auf. „Tante Masama wird Einwände erheben. Versuche dich daran zu erinnern, dass du die Macht hast, in meinem Namen zu handeln. Sie wird euch beide vielleicht ausmanövrieren, doch deine Stimme hat immer noch Gewicht. Du bist der Kuchiki-Erbe. Nutze das zu jeglichem Vorteil, den du finden kannst. Habe keine Angst davor, ihr nein zu sagen. Verweigere dich ihr. Wie du nun vorangehst, entscheidet vielleicht deine Zukunft.“ „Keinen Druck“, sagte Shinobu mit einem matten Lächeln. Byakuya bahnte sich den Weg Richtung Tür. „Das Familienoberhaupt zu sein ist nichts weiter als belastender Druck. Es tut mir leid, dass ich sie dir mit so wenig Vorbereitung aufbürden muss. Ich bete zumindest dafür, dass du nicht auch noch mit Kummer belastet wirst.“ „Du musst aufhören, über das Sterben zu reden, Byakuya-sama. Bitte.“ Der Junge klang, als sei er am Rande der Tränen, also sagte Byakuya. „Ich habe den Hausverwalter aufgetragen, dich vollständig anzukleiden. Ich möchte, dass du an meiner Seite stehst, wenn ich abgeholt werde, damit gesehen wird, dass ich die Familie nicht ohne ein Oberhaupt zurücklasse. Iss etwas, wenn du kannst.“ „Ja, mein Herr.“ „Ich habe noch eine Erledigung zu machen. Es ist… heikel, da ich unter Hausarrest stehe. Aber ich kann Senbonzakura nicht hinter Schloss und Riegel in der Neunten lassen. Wenn der Generalkommandant und seine Repräsentanten auftauchen, muss du mir Zeit schinden.“ „Oh“, sagte Shinobu und das Funkeln in seinen Augen kamen zum ersten Mal wieder, seit Byakuya ihm den Kenseikan aufgesetzt hatte. „Oh, nun das kann ich. Kein Problem.“ Obwohl er selbst ein langsames Tempo angeschlagen hatte, endete Renji bei der Dreizehnten, noch bevor sie die Tore am Morgen öffneten. Die Torwache sagte ihm, dass er weniger als eine Stunde zu warten hatte, also entschied er sich, die Reihe der Essenshändler an den Divisionsmauern abzuklappern, auf der Suche nach etwas, dass Urahara ‚zweites Frühstück‘ nannte. Da er noch einen zerknitterten Ken-Schein in der Tasche seines Hakama gefunden hatte, gönnte sich Renji eine Tasse heiße Schokolade und eine Neuheit aus der Welt der Lebenden, die sich ‚Power-Riegel‘ nannte. Er parkte seinen Hintern auf den Stufen einer Taverne, die fast direkt gegenüber dem Haupttor der Dreizehnten lag. Die Kälte der Steinstufen kroch schnell durch den Stoff, doch der Eingang bot angenehmen Schutz vor dem fiesen Wind. Renji schluckte den zähen, süßen Riegel in drei Bissen herunter. Die Schokolade hielt nicht viel länger, also lehnte er seinen Kopf gegen den Türrahmen und schloss die Augen. Er wachte von dem Klang von Rukias Lachen auf. „Nur ein Inuzuri-Köter wie du kann draußen bei diesem Wetter schlafen!“ Sie haute ihm verspielt auf den Kopf. „Es ist Februar, Renji! Außerdem kann ich nicht glauben, dass du der Landstreicher bist, wegen dem ich kommen musste.“ Renji blockte den nächsten Schlag, hielt ihren Arm fest, um sich daran hochzuziehen. „Du bist genau die Person, wegen der ich hergekommen bin.“ Aus seiner Kosode zog er Byakuyas Brief heraus. Als sie das offizielle Siegel sah, verschwand Rukias Lächeln und ihr Gesicht wurde blass. „Es ist schlimm“, sagte er. „Aber nicht so schlimm, wie du denkst. Dein Bruder und ich hatten letzte Nacht ein paar Probleme und die Kurzfassung ist, dass er diesen Morgen verhaftet wird, weil er Unzucht zugegeben hat.“ Rukia starrte auf den ungeöffneten Brief in ihrer Hand und dann zu Renji. „Was!?“ Sie schlug ihm auf den Arm. „Warum stehst du hier, du riesiger Tölpel? Warum hältst du sie nicht auf?“ „Sie aufhalten? Rukia, das ist Byakuyas Entscheidung!“ „Nii-sama stimmt einer Inhaftierung zu? Schwachsinn!“ „Hey, hey, ‚Schwachsinn‘, sollte so die amtierende Kuchiki-Regentin-Dingsi reden?“ Renji versuchte darauf eine Art neckenden Scherz zu machen, doch die Farbe aus Rukias herzförmigen Gesicht schwand noch mehr. Ihre Unterlippe zitterte und ihre Augen wurden groß. „Du meinst es ernst“, sagte sie, als würde sie es plötzlich erst wirklich richtig verstehen. Sie schaute runter auf den Brief, den sie fest in der Hand hielt. Sie riss den Umschlag so kraftvoll aus, dass das Wachssiegel wie die Blüten von Senbonzakura zersplitterte. Rukia überflog die Worte. Dann stach ihr Finger darauf ein, als wolle sie das Papier erdolchen und sagte: „Das ist ernst!“ Renji nickte. Sie schloss ihre Augen und seufzte. Es überraschte Renji, wie sehr sie in diesem Moment wie Byakuya aussah, doch dann sagte sie: „Die Familie wird sich in die Hose scheißen.“ Sie öffnete ihre Augen, ihr Gesichtsausdruck war ernst und ein wenig verärgert. „Zwei Kuchiki-Verhaftungen in einem Jahr. Nicht, dass sie mich wirklich dazuzählen würden, aber… scheiße.“ Renji runzelte die Stirn. „Natürlich zählen die dich mit.“ „Ja“, lächelte sie, „wenn es gegen uns spricht.“ Renji musste darüber glucksen. Sein Atem waren weiße Wolken in der kalten Luft. „Ja, genau.“ Sie lächelte ihn matt an. Dann blickte sie wieder auf den Brief und runzelte die Stirn. „Doch du musst mir das erklären, Renji. Ich verstehe das nicht. Wie kommt es, dass Nii-sama das hat passieren lassen?“ Renji zog an seinem Ohr. „Nun ja, ok. Also es begann irgendwie mit einem Streit, einem öffentlichen Streit, vielleicht ein wenig durch Alkohol beeinflusster Streit, auf der Straße…“ Zehn Minuten später hatte er ihr die ganze, schäbige Geschichte erzählt. Sie hatte ihn dazu überredet, vom Türrahmen wegzugehen und mit ihr einen Spaziergang an der Mauer und den Händlern entlang zu machen, die gerade für das Frühstücksgeschäft offen hatten. Er war nicht wirklich hungrig, nachdem er ein vollständiges Frühstück mit Byakuya und erst kürzlich seinen Snack eingenommen hatte, doch Renji wusste immer eine geröstete Satsuma Imo an einem kalten Wintertag zu schätzen. Er schob sich gerade das letzte Stück der Wurzel in den Mund, als er endete: „…und er meinte, dass ich vielleicht nicht anwesend sein sollte, wenn sie kommen, du weißt schon, weil… Nun ja, weil ich vielleicht etwas Dummes mache, wie zu versuchen, zu aufzuhalten. Wie auch immer, offenbar sagt der Brief, den ich bei Central abgegeben habe irgendetwas davon, dass er mich zum Kommandanten in Vertretung ernannt hat. Entweder das oder die gruselige Dame ist eine Art von telepathischem Super-Ninja.“ Rukia schnaubte. „Nicht wahrscheinlich. Kommandant Abarai, huh? Wer hätte das gedacht?“ „Ich sicherlich nicht“, sagte Renji und dachte an die Bestrafungstattoos, die unter seiner Uniform versteckt waren und all die Jahre, die er damit verbracht hatte, Wasser und Lebensmittel in Inuzuri zu stehlen. „Und es heißt Kommandant in Vertretung.“ Rukia hob ihre Augenbrauen, legte ihren Kopf schief und schaute ihn an. „Ist es nicht das, wofür du so hart trainiert hast?“ „Nah“, lachte Renji. „Ich habe trainiert, um ihn zu schlagen, nicht um seinen Job zu übernehmen. Und was mich betrifft, ich habe beides noch nicht geschafft.“ Rukia blickte besorgt in Richtung der Sechsten. „Hey, du solltest gehen“, sagte er ihr. „Der Kommandant wollte nur, dass ich wegbleibe. Ich wette, er möchte dich gerne sehen.“ Er hatte kaum seinen Satz zu Ende gesprochen, da war sie schon verschwunden, ein Luftwirbel blieb dort, wo sie noch eben gestanden hatte. „Ja, geh du“, sagte Renji, auch wenn er wusste, dass er zu sich selbst sprach. „Ich muss vielleicht eh wieder mit Urahara sprechen.“ Byakuya verbrachte zehn Minuten damit, den Wächter des Wachhauses der neunten Division davon zu überzeugen, dass er tatsächlich der rechtmäßige Träger von Senbonzakura war. Offensichtlich war er ohne Haori und Kenseikan fast unerkennbar. Eine Welle von Reiatsu auf Kommandantenniveau, um seine Aussage zu unterstützen, schien jedoch überzeugend genug. Alleine nur zu sehen, wie diese Person Senbonzakura berührte, ließ Byakuya sicherer werden, was sein Plan anging. Auch wenn der Wächter Handschuhe trug und das Zanpakutō hauptsächlich auf dem Kissen, auf dem es lag, hochhob, fühlte Byakuya eine Welle der Erleichterung, als sich seine Hand um den Griff schloss und Senbonzakura nicht mehr bei dem Fremden verweilte. Senbonzakura begann sofort ein Lied über Heimkehr zu singen. Normalerweise würde Byakuya niemals überlegen, mit der Klinge zu sprechen, doch er fand sich selbst wieder, wie er laut aussprach, nachdem er das Wachhaus der Neunten verlassen hatte: „Wir werden wieder getrennt sein, doch ich werde nicht zulassen, dass sie dich nehmen.“ Tatsächlich wartete Byakuya nur so lange, bis er aus dem Haupttor und auf der Hauptstraße war. Die Nachbarschaft um der Neunten herum hat gerade erst angefangen, aufzuwachen. Ein paar Händler kehrten ihren Eingang und öffneten die Fensterläden, doch die große Straße war sonst leer. Byakuya zog Senbonzakura und streckte das Zanpakutō zu einer Seite aus und mit einem leisen „Senbonzakura Kageyoshi“ ließ er den Griff los. Die Klinge brach und zersplitterte wie Kirschblüten im Wind. Er hielt den Rest der Bankai-Energie zurück. Senbonzakura zögerte, hing in der Luft, bereit für ein Befehl. Byakuya konnte die Verwirrung seines Zanpakutō spüren. Wo ist der Feind? „Zerstreue*“, wisperte Byakuya zu Senbonzakura. Niemals in ihrem gemeinsamen Leben hatte Byakuya jemals einen solchen Befehl gegeben. Er meinte ‚gehe wohin du willst‘ und es war klar, dass das Zanpakutō eine solche Unabhängigkeit als… verwirrend empfand. Also gab Byakuya der Klinge einen mentalen Schubs und wiederholte: „Zerstreue.“ In seinen Gedanken gab er Senbonzakura die Idee mit, dass es, wenn es sich das wünschte, sich im heiligen, verstecktem Garten im Anwesen materialisieren konnte, um dort zu ruhen, aber… es konnte auch, wenn es der Wunsch wäre, frei herumzufliegen… auf dem Wind zu reiten, die Welt erkunden. Byakuya vertraute darauf, dass es zurück zu ihm kam, wenn er es brauchte und niemand würde damit rechnen, dass es bereits in der freigesetzten Form war. Nicht viele der anderen Bankai konnten das… sich wirklich zerstreuen. Vielleicht würde es nicht klappen. Sie hatten so etwas niemals zuvor ausprobiert. Das war der Grund, warum Byakuya hoffte, dass wenn es das müsse, die Klinge einfach in ihrem Garten im Anwesen in den versiegelten Zustand kollabieren und ruhen würde. Er musste immer loslassen, seine Deckung wortwörtlich aufgeben, damit Senbonzakura für ihn kämpfte. Nun bat er es… komplett zu gehen, so zu sein, wie echte Blüten im Wind… frei. Endlich schien die Klinge zu verstehen, was es tun sollte. Mit einer explosiven Eile schoss es in die Luft und war verschwunden. Byakuya berührte seine Wange. In ihrer Aufregung hatte eine Klinge ihm am Wangenknochen berührt und einen kleinen, oberflächlichen Schnitt zurückgelassen. Normalerweise wäre er wütend geworden. Stattdessen fühlte es sich wie ein Abschiedskuss an und Byakuya war dankbar, dass sein Zanpakutō sein Blut probiert hatte, ihre Verbindung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)