Erinnerungen an ein Palastleben von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 3: Die Mission beginnt ------------------------------ Benjiro folgte Keiji nach draußen, doch sie kamen nicht weit. In der Mitte ihres Lagers befand sich das Versorgungszelt, in dem sämtliche Mahlzeiten zubereitet wurden. Genau an diesem Zelt mussten sie vorbei um zu Kazuma und der Frau zu kommen, aber der Weg blieb ihnen versperrt. Alle Männer, die nicht gerade in den Wachdienst oder zur Patrouille eingeteilt waren, drängten sich um das Zelt. So, dass man unmöglich sehen konnte, was darin vor sich ging. Nur die aufgeregten Rufe der Männer und das ständige drängeln der hinteren Reihen ließen darauf schließen, dass jeder dorthin wollte um auch etwas abzubekommen. Keiji warf Benjiro einen kurzen Blick zu. „Was geht da vorne vor sich?“ Benjiro verschränkte seine Arme vor der Brust. „Ich habe absolut keine Ahnung!“, sagte er und versuchte die Menge zu überblicken. Er war zwar größer als Keiji, doch er konnte trotzdem nicht mehr sehen als das Dach des Zeltes. „Ich kann nichts erkennen. Wir müssen uns wohl einen Weg nach vorne bahnen!“, sagte er nach einem Moment und seufzte. So wie die Männer auf das Zelt fixiert waren, würde das sicher im Chaos enden. Keiji, dem kein Problem zu wagemutig oder verrückt genug war, stürzte sich nach dieser Erkenntnis in die Massen, kam aber nicht sonderlich weit. Wie schafften es diese Männer nur, ihren Hauptmann zu übersehen? Benjiro konnte es nicht begreifen und er löste resignierend seine Arme vor der Brust. Menschen waren manchmal schlimmer als Tiere. Eine Ader begann an seiner Schläfe zu zucken, je länger er sich das ganze Schauspiel ansah. Natürlich ließ er seinem Hauptmann stets den Vortritt aber so würden sie absolut nichts erreichen. Deshalb holte er tief Luft, stemmte seine Hände in die Seiten und ließ einen Schrei los, den man sicher noch in der Hauptstadt hören konnte: „Was verdammt noch mal ist hier los? Macht gefälligst Platz für euren Taii und verhaltet euch einmal wie die professionellen Soldaten des Daimyō, die ihr alle seid!“ Sofort herrschte totenstille auf dem Platz und alle Augen waren auf Benjiro gerichtet. Sogar Keiji sah ihn an, doch sein Blick war eher amüsiert anstatt verängstigt, wie der der restlichen Männer. Benjiro seufzte und trat zu seinem Hauptmann. Ohne ein Wort bildete sich vor diesem jetzt ein Weg, der ihn direkt zum Versorgungszelt führte. „Gut geknurrt, Wolf.“, sagte Keiji amüsiert. Benjiro wusste natürlich, dass sich sein Hauptman auch allein einen Weg gebahnt hätte, doch für solche Spielereien hatte er jetzt keine Geduld. Und so wie Keiji ihn ansah, hatte er es wohl darauf angelegt, dass er seine Stimme erhob. Mit einem abfälligen Schnauben folgte Benjiro seinem Freund durch die Massen. Er hatte nur Glück das er bereits als Ōkami unter den Soldaten bekannt war, sonst hätte er Keiji für die Bemerkung, dass er ein Wolf wäre, doch noch hinter dem nächsten Zelt verdreschen müssen. Sein Geheimnis einfach so heraus zu posaunen gefiel ihm ganz und gar nicht. Natürlich hielten die Soldaten ihn nur im übertragenen Sinne für einen Wolf. Wenn sie wüssten, dass er wirklich einer wäre, hätten Sie das Lager bei seinem Ton sofort geräumt vor Angst. Dieser Gedanke ließ Benjiro tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde Lächeln. „Lass uns jetzt einfach nachsehen was da vorne los ist!“, sagte er wieder ernst und weigerte sich noch jemanden anzusehen, während sie durch die Gasse schritten, die die Männer für sie geschaffen hatten. Was sie allerdings im Versorgungszelt vorfanden, damit hatten sie beide nicht gerechnet. So als hätten sie den Schrei von Benjiro nicht gehört, standen Kazuma und die Frau im Zelt und kochten offenbar einen Eintopf. Und sie waren dabei so vertieft, dass sie die Welt um sich herum komplett vergessen hatten. Benjiro sah zu Keiji hinüber, der stehen geblieben war und die Beiden genauso ungläubig ansah, wie sich Benjiro fühlte. Konnte es sein, dass in den letzten Minuten alle durchgedreht waren? Diese Annahme zerrte hart an Benjiros eiserner Selbstbeherrschung und er war kurz davor wieder in alte Gewohnheiten zurückzufallen. „Darf ich fragen was hier vor sich geht?“, fragte Keiji schließlich, nachdem er seine Stimme wieder gefunden hatte. Alle Augen waren immer noch auf ihn gerichtet und man hätte eine Stecknadel fallen hören können, wäre da nicht das Klappern von Geschirr aus dem Zelt gekommen. Doch mit seiner Frage verstummte auch das, denn Kazuma und die Frau sahen jetzt beide zu ihm auf. Wobei der Blick der Frau nach einer Sekunde sofort auf Benjiro fiel, woraufhin sie einen Schritt zurück trat und sich halb hinter Kazuma versteckte. Benjiro seufzte auf. Warum nur fürchtete sich diese Frau so vor ihm? Er hatte ihr doch wirklich nichts getan? Kazuma trocknete sich schnell die Hände ab, bevor er aus dem Zelt heraus trat. „Kasumi hatte Hunger. Sie hat ja leider das ganze Essen auf Benjiro verteilt, also habe ich sie her gebracht und wie sich heraus gestellt hat, ist sie ein wahres Genie in der Küche. Sie kann sich zwar an nichts erinnern, aber wenn sie einfach handelt ohne darüber nachzudenken, kann sie irgendwie alles richtig machen!“ Keiji zog eine Augenbraue nach oben. „Kasumi?“, fragte er nur und über Kazumas Gesicht breitete sich ein breites Lächeln aus. Er schlang seine Arme um einen Arm der Frau und rieb seinen Kopf an ihren, während er zufrieden erklärte: „Ja Kasumi. Sie ist ab heute meine kleine Schwester und jeder der ihr zu nahe kommt wird es bitter bereuen!“ Bei seinem letzten Satz ließ er seinen Blick über die Männer um ihn herum wandern und alle traten sie einen kleinen Schritt zurück. Auch wenn Kazuma ein fröhlicher, immer optimistischer Kerl war, niemand wollte gerne seinen Zorn auf sich ziehen. Dennoch erwartete Benjiro eine harsche Antwort von Keiji, die Kazuma in seine Schranken verwies. Nach allem was ihm heute passiert war, würde es ihn freuen, wenn er nicht der Einzige mit einem schlechten Tag bleiben würde. Doch stattdessen setzte sich Keiji auf eine Bank vor dem Zelt, den wachsamen Blick auf die Frau gerichtet. „Na gut. Wenn sie wirklich so gut kochen kann, dann hätte ich gerne eine Schüssel davon, Imōto-san.“, sagte er und schenkte ihr ein unwiderstehliches Lächeln. Benjiro wäre die Kinnlade herunter gefallen, würde er seine Zähne nicht so fest zusammenbeißen. Was war nur mit allen hier los, dass sie dieser Frau sofort über den Weg trauten? „Du… Du spielst das auch noch mit Keiji?“, knurrte er deshalb und ihm entging nicht der Blick der Frau, der zwischen ihm und Keiji hin und her huschte. Jetzt wandte sich Keiji mit diesem widerlichen Lächeln an ihn. „Ich glaube ich sehe jetzt, warum sie Angst vor dir hat, Benjiro. So wird sie aber unmöglich mit uns sprechen, also entspann dich und setzt dich zu mir!“ „Verzichte!“ Benjiro hatte schneller geantwortet als nachgedacht, doch das spielte jetzt keine Rolle. Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Menge der Soldaten. Sollten diese Verrückten doch machen was sie wollten. Er würde sich erstmal aus dieser Sache heraus halten. Kasumi. Der Name, den Kazuma ihr gegeben hatte. Wie passend er doch war, wo doch all ihre Gedanken im Dunst des Vergessens verschwunden waren. Am Anfang hatte sie Angst gehabt. Angst vor dem Wolf. Benjiro. Und vor all den anderen Männern. Doch Kazuma hatte ihr Raum gegeben. Hatte mit ihr gesprochen und ihr wild pochendes Herz beruhigt. Er war ein guter Kerl und nur deshalb war sie zu ihm gekommen. Seine alles erdrückende, spontane Bruderliebe zu ihr, war ihr jedoch fast wieder zu viel gewesen. Irgendwas tief in ihr hatte ihr gesagt, dass sie ihre Freiräume liebte und nicht erdrückt werden wollte. Doch er war so niedlich dabei, dass sie ihn machen ließ. Immerhin konnte es nicht schaden jemanden auf ihrer Seite zu haben. Jemanden, der nett und freundlich zu ihr war und diese unglaubliche Fähigkeit besaß in die Zukunft sehen zu können. Er war auch so nett gewesen, sie zum Versorgungszelt zu bringen, als ihr Magen begonnen hatte zu knurren. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber sie fühlte sich, als könne sie einen ganzen Bären verschlingen. Doch jetzt, als sie vor dem Hauptmann dieser ganzen Soldaten stand, hatte sie ihren Hunger fast vergessen. Die Macht, die er ausstrahlte und der Respekt, den sie in den Augen der Soldaten sah, das berührte etwas in ihrem inneren. Bei seinem Anblick hatte sie fast mit einer Standpauke gerechnet, nicht aber damit, dass er sich einfach setzte und etwas zu Essen probieren wollte. Das Kochen war Kasumi einfach zugeflogen. Sie hatte zwar angenommen, dass sie als Frau einigermaßen kochen könnte, doch sie hatte Angst gehabt, alles vergessen zu haben. Aber das Gegenteil war passiert. Als sie dieses Zelt betreten hatte, da war ihr alles klar gewesen. Sie hatte zwar keinen ihrer Schritte erklären können, doch sie hatte gewusst was sie tat und offenbar war sie es gewohnt für viele Menschen zu kochen, denn die Portion die sie gekocht hatte, würde das gesamte Lager sättigen. Die scharfen Worte des Wolfes, ließen Kasumis Blick wieder zu ihm wandern und sie sah zu, wie er wütend davonstapfte. „Ich wollte nichts Falsches tun.“, sagte sie bei diesem Anblick an Kazuma gewandt. Dieser sah mit diesem Lächeln zu ihr, das die ganze Welt zu vereinnahmen schien. Dieses Lächeln, das seine grünen Augen zum Glitzern brachte, wie Smaragde. „Das hast du nicht. Mach dir keine Sorgen. Benjiro ist jemand, der nur schwer Vertrauen zu jemandem aufbauen kann. Er muss sich erst einmal an deine Anwesenheit gewöhnen.“, erklärte er ihr und dann zu seinem Hauptmann gewandt: „Wir werden sie doch mitnehmen oder Keiji?“ Der Hauptmann sah von Benjiro zu Kazuma und dann zu ihr. Seine eisblauen Augen schienen dabei jedes noch so kleine Detail von ihr in sich aufzusaugen und zu analysieren. „Da wir nicht wissen können, was passiert, werden wir sie erstmal mitnehmen, bis sie sich wieder erinnern kann.“, erklärte er ruhig, lehnte sich dann aber weiter vor um einen noch besseren Blick auf Kasumi zu erhalten und ihr war, als versuchte er sogar ihr tiefstes inneres lesen zu wollen. „Aber natürlich nur, wenn du das auch wünscht… Kasumi“ Sein Blick erzeugte ein seltsames Gefühl in ihr. Sie fühlte sich wie etwas Neues, Unbekanntes, das studiert und im Zweifel sogar in seine Einzelteile zerlegt werden musste. Was auch immer der Hauptmann von ihr dachte, er musste sie für jemand Besonderes halten, denn warum sonst sollte er einer Frau, die alles vergessen hatte, solch eine Aufmerksamkeit schenken? Dennoch schuldete sie ihm eine Antwort, also löste sie sich von Kazuma, griff sich eine gefüllte Schüssel und stellte sie vor den Hauptmann auf den Tisch. „Nur, wenn ich keine Last darstelle.“, sagte sie dabei. Es war verrückt, dass wusste sie selbst. Sie kannte keinen dieser Männer, aber sie kannte sowieso niemanden mehr, also warum sollte sie ihnen nicht folgen, wenn sie es anboten. Niemand von ihnen hatte versucht ihr etwas zu tun, also konnte sie davon ausgehen, dass sie es gut meinten. Und sie hatte keine Ahnung was passieren würde, wenn sie hier blieb. Von Kazuma hatte sie gehört, dass sie wohl von einem Anwesen geflohen war, dass überfallen worden war. Wenn diese Angreifer irgendwo da draußen waren und erfuhren, dass sie noch lebte, dann würden sie vielleicht nach ihr suchen. Da war es auf jeden Fall sicherer bei einer Streitmacht, als allein. „Das bist du ganz und gar nicht. Setz dich. Ich würde gerne mehr über dich erfahren!“ Der Hauptmann deutete auf den Platz ihm gegenüber und Kasumi sah kurz zu ihrem neuen großen Bruder, der auf keinen Fall älter als sie selbst war. Sein honigblondes Haar schimmerte leicht Rot in der Sonne und unterstrich die Sommersprossen auf seinen Wangenknochen. Er hatte sich zwei weitere volle Schüsseln gegriffen und stellte sie auf den Tisch, bevor er sich mit einem Nicken ebenfalls setzte. So, dass neben ihm noch genug Platz für sie übrig blieb. Also konnte sich Kasumi nur gegenüber des Hauptmannes setzen. In den ersten Minuten aßen sie still den Eintopf, bevor sich der Hauptmann zurück lehnte. „Du kannst dich also an nichts erinnern? Nicht einmal an deinen eigenen Namen?“ Kasumi ließ ihren Löffel sinken und sah den Mann ihr gegenüber an. Er war jung. Kaum älter als sie und sein offenes, hüftlanges, mahagonibraunes Haar verlieh seinem fein gezeichneten Gesicht eine angenehme weiche. Doch sie konnte sich schon jetzt gut vorstellen, wie tödlich er aussehen musste, wenn er sein Haar zu einem Zopf zusammenband. „So wenig, wie Ihr euch an eure ersten Schritte, eure ersten Worte oder eure erste Mahlzeit erinnern könnt.“, entgegnete Kasumi. Der Hauptmann musterte sie einen Moment, dann huschte ein Lächeln über seine Lippen und er wandte sich wieder seinem Essen zu. „Du bist klug. Das ist gut. Hat dir Kazuma von diesem Anwesen und dem Dorf erzählt?“ Sein Blick wanderte zu Kazuma, doch offensichtlich wollte er von ihr eine Antwort. „Er hat mir gesagt was er gesehen und von den Dorfbewohnern gehört hat. Auch das von der Inunoseifuku-sha-sama, aber es ruft keinerlei Erinnerung in mir wach. Es kommt mir vor wie eine wundervolle Geschichte, die man kleinen Kindern vor dem schlafen gehen erzählt. Und dennoch…“ Kasumi unterbrach sich und legte ihre Hand auf ihren Bauch. Kazumas Geschichte würde natürlich viel erklären und sie empfand auch keine Angst, wenn sie daran dachte die Frau eines Yōkais zu sein. Was ihr allerdings Angst bereitete, war der Gedanke daran, dass alle, die sie gekannt, mit denen zu zusammen gelebt hatte, getötet worden waren und sie die einzige Überlebende sein sollte. Sie war sich zwar sicher, dass sie auch allein ein Kind großziehen konnte, doch die Leere, die in ihrem Herzen herrschte, trieb ihr jedes Mal die Tränen in die Augen, wenn sie daran dachte. In ihrem vergessenen Leben hatte sie jemanden über alle Maßen geliebt und auch wenn sie sich jetzt nicht daran erinnern konnte, tat es dennoch so schrecklich weh. „Deine Erinnerungen werden mit Sicherheit zurückkehren. Und bis dahin bist du bei uns in Sicherheit, das versichere ich dir Kasumi!“ Die Stimme des Hauptmanns war fest entschlossen und ein einziges Versprechen. Und als sie Kazumas Hand spürte, die ihre drückte, wische sie sich mit der anderen über das Gesicht und sah den Hauptmann wieder an. „In Ordnung.“, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln. „Nachdem das jetzt geklärt ist, können wir dieses deprimierende Thema endlich ruhen lassen? Ich will nicht dass sich Imōto-chan so sehr aufregen muss. Das ist nicht gut für meinen Neffen!“, sagte Kazuma, bevor er sich wieder über seine Portion her machte. Der Hauptmann verschluckte sich bei diesen Worten an seinem Essen und Kasumi musste unwillkürlich Lächeln. Kazuma war wirklich eine Person für sich, die wusste, wie man jede Situation aufheitern konnte. Irgendwie schien er genau zu wissen, was man gerade brauchte. „Du musst meinen Berater entschuldigen, Kasumi. Meistens trifft er die richtigen Entscheidungen, doch manchmal lässt ihn seine Gabe etwas im Stich.“, erklärte der Hauptmann zu ihr gewandt, bevor er zu Kazuma sah. „Nachdem du sie zu deiner kleinen Schwester auserkoren hast, ist dir doch hoffentlich klar, dass du sie nicht für dich allein haben kannst, Bruder! Und wer sagt, dass es ein Junge wird? Ein Mädchen würde dir so viel besser stehen!“ Diese Aussage brachte Kasumi zum Kichern. Sie waren wirklich Brüder im Geiste. Vor allen anderen professionell und höchst effizient, doch wenn man sie unter sich ließ, waren sie nichts weiter als die ausgelassenen Jungs, die sie wirklich waren. Die Blicke der Beiden wanderte zu Kasumi und sie konnte nicht anders als weiter zu lachen. So lange, bis sie beide ebenfalls mit einstimmten. Kurz nach dem Essen war ein Bote mit einer dringenden Nachricht für Keiji im Lager angekommen. Jetzt stand Kasumi am Ausgang seines Zeltes und beugte sich zu Kazuma, der direkt neben ihr stand. „Ich sollte nicht hier sein. Das hier geht mich doch überhaupt nichts an.“, flüsterte sie ihm zu. Am liebsten würde sie sich in Luft auflösen oder verschwinden, doch Kazuma hielt sie fest, so als könnte er ihre Gedanken lesen. „Keine Sorge. Keiji lädt niemanden in sein Zelt ein, ohne sich etwas dabei zu denken. Du gehörst jetzt zur Familie, da gibt es keine Geheimnisse!“ „Ihr kennt mich gerade einmal ein paar Stunden. Wie könnt ihr da wissen worauf ihr euch einlasst? Was, wenn ich eigentlich dem Feind angehöre oder eine Spionin bin? Was, wenn man mir nicht trauen sollte?“ Kasumi hatte gesehen, wie Keiji sie immer wieder musterte. Dass sie eine Spionin sein könnte, war sicher auch sein erster Gedanke gewesen. Die Zeiten mussten schlimm sein, wenn sich nicht einmal mehr die Menschen untereinander vertrauten. Und da sie sowieso nicht verstand was vor sich ging, weil ihr die Zusammenhänge fehlten, war Kasumi noch verunsicherter darüber was sie hier sollte. Während die Soldaten damit beschäftigt waren das Lager abzubauen saß Keiji vor seinem Arbeitstisch auf dem unzählige Karten ausgebreitet waren. Neben ihm stand Benjiro, der über die Schulter des Hauptmanns ebenfalls einen Blick auf die Karten warf. Der Bote hatte ihnen berichtet, dass die Truppen im Westen einen neuen Schlag auf einen kleineren Lord geführt hätten. Was Keiji veranlasste zu handeln. So viel hatte Kasumi schon verstanden. Er war damit beauftragt worden, diese Rebellen zu finden und zu bestrafen. Und während alle zusammenpackten, studierte er den Weg dorthin und welche Gefahren drohen konnten. „Selbst wenn das so wäre. Du erinnerst dich an nichts, Kasumi! Und wenn du dich wieder erinnerst, dann hast du uns bereits in dein Herz geschlossen und würdest uns doch niemals etwas tun oder nicht?“ Auf Kazumas Frage konnte Kasumi ihn nur überrascht ansehen. Seine Gutgläubigkeit würde ihn noch einmal Kopf und Kragen kosten, doch sie macht ihn so sympathisch, dass sie Lächeln musste. „Da hast du wahrscheinlich Recht.“, lenkte sie deshalb ein. Wenn Keiji sie hier haben wollte, dann hatte er sicher seine Gründe und vielleicht war es auch nur, weil er sie im Auge behalten wollte. Was er sich dabei dachte, erfuhr sie dann schneller als erwartet, denn schon im nächsten Moment rief er sie zu sich: „Kasumi, bitte komm hier her und sieh dir das an!“ Kasumi sah noch einmal zu Kazuma, bevor sie zum Tisch trat und sich auf der gegenüberliegenden Seite setzte. Dabei ließ sie Benjiro zu keiner Zeit aus den Augen, doch er bewegte sich keinen Millimeter. Das beruhigte sie so weit, dass sie sich auf die Unterlagen vor sich konzentrieren konnte. Sofort drehte Keiji die Karte, die oben auf lag und ihr gesamtes Land zeigte. Gefolgt von einer Karte, die nur die Region um Kyoto darstellte. „Hier ist das Anwesen niedergebrannt.“, erklärte er und wies auf den Punkt, den er vorher in der Karte verzeichnet hatte. „Das müsste ungefähr hier sein.“, fuhr er fort während er auf die Karte des gesamten Landes wies. „Kommt dir irgendetwas bekannt vor, wenn du das siehst?“ Jetzt wusste Kasumi, was er von ihr wollte. Auch wenn sie ihre Erinnerungen verloren hatte, er wollte ihr helfen sich zu erinnern. An ihr früheres Leben als Frau eines mächtigen Yōkais. Sie ließ den Blick über die Karten wandern. Versuchte sich an etwas zu erinnern. Doch obwohl ihr Blick nicht nur hier, sondern auch im Norden verweilte und ihr Herz sagte, dass es dort Zuhause war, war sie nicht leichtfertig mit einer Antwort. „Wenn ich mich erinnere. Was habt ihr dann mit diesen Informationen vor?“, fragte sie deshalb, bevor sie ihm antwortete und sah zu ihm auf. Keiji musterte sie und als sich ihre Blicke trafen, lehnte er sich etwas zurück. Auch Benjiro veränderte seine Haltung. Er verschränkte die Arme vor der Brust und Kasumi zuckte automatisch zurück. Kaum merklich, doch etwas blitzte in seinen Augen auf, dass ihr sagte, dass er ihre Reaktion sehr wohl bemerkt hatte. „Du weißt natürlich wem wir dienen und auch wenn du nur wenig gehört hast, kannst du dir sicher denken, wie hart das für die Yōkai in diesem Land sein muss. Aber du weißt auch wer Benjiro ist. Was also glaubst du, würde ich mit deinen Erinnerungen tun?“ Fast hätte Kasumi gelächelt. Keiji gab nicht einfach so eine Antwort oder verriet seine Pläne, doch sie konnte sich denken, was er tun würde, weshalb sie sich vor beugte und einen Kreis um eine nördliche Region des Landes zog. Dabei beobachtete sie Keiji, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen, während er versuchte sich einen Reim darauf zu machen. „Ihr seid ein Freund der Yōkai und versucht ihnen zu helfen wo ihr könnt. Das sehe ich. Leider wecken diese Karten keine Erinnerungen in mir, aber ich kann spüren, dass mein Herz auch zu dieser Region gehört.“, erklärte sie ruhig. „Der Sommerpalast!“ Es war Benjiro, der das sagte und sowohl Keiji als auch Kasumi sahen ihn an, wobei Kasumis Blick eher zurückhaltend war. „Du hast noch mehr gehört, Benjiro?“, fragte Keiji sofort und Benjiro nickte. „Es heißt der Inu-Daiyōkai weilte nur in den Wintermonaten hier und verschwand im Sommer. Demnach muss er noch einen weiteren Palast besitzen zu dem er gehen kann. Mehr weiß ich allerdings auch nicht!“ Ein Sommerpalast. Kasumi sah auf den Punkt, den Keiji eingezeichnet hatte. Dort hatte sie also den Winter verbracht und nachdem der Frühling nicht mehr lange auf sich warten ließ, wäre sie sicher bald in den Norden aufgebrochen. Wenn sie früher gegangen wären, dann könnte sie jetzt vielleicht noch ihre Erinnerungen haben und ihre Familie. „Wenn die Mission beendet ist, könnten wir doch Urlaub beantragen und Kasumi dorthin bringen. Vielleicht erinnert sie sich dann wieder an alles. Oder wir finden jemanden, der sie kennt und ihr helfen kann sich zu erinnern!“ Kazumas Worte veranlassten alle zu ihm zu sehen und Kasumi war den Tränen nahe. Das Gefühl geliebte Menschen verloren zu haben und vielleicht nie wieder zu sehen war in diesem Moment so stark und gleichzeitig milderten Kazumas Worte diesen Schmerz. „Das ist eine ausgezeichnete Idee Kazuma!“, bestätigte Keiji seinen Berater. „Also lasst uns aufbrechen und schnellstmöglich diese Mission abschließen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)