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Erinnerungen an ein Palastleben

von

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Asche und Staub

„Wo ist sie?“

Die Stimme des Hauptmanns ließ die Wache vor dem Zelt eine noch geradere Position einnehmen.

„Hier drin, Taii Maeda.“, sagte der Mann, trat zur Seite und verneigte sich tief.

Mit einem knappen Nicken in Richtung der Wache schritt der Hauptmann in das Zelt. Es war eins der kleineren Zelte für gerade mal drei bis fünf Mann und gehörte den Wachen, die den Neuankömmling bewusstlos im Wald gefunden und hier her gebracht hatten.

Der junge Hauptmann nahm sich nicht die Zeit die spärliche Einrichtung anzusehen. Seine Aufmerksamkeit lag allein bei der jungen Frau, die auf einem der Feldbetten lag. Benjiro, sein bester Feldwebel saß bei ihr und versuchte ihr gerade einen Löffel Suppe einzuflößen.

Bevor er zu ihm trat, hielt er einen Moment inne um die Frau zu begutachten.

Sie war blass und wirkte durch ihr schwarzes Haar nur noch blasser. Das ließ auf eine edle Herkunft schließen, was durch den hochwertigen Stoff ihres Yukata nur noch unterstrichen wurde. Dass sie keine Schuhe trug, verwunderte ihn dagegen und auch ihre Hände sahen so aus als müsste sie arbeiten. Zwar keine harte, körperliche Arbeit, aber dennoch etwas mit den Händen. Und bei näherer Betrachtung konnte er erkennen, dass sie ein Kind erwartete. Sie schien ein einziger Wiederspruch zu sein und das alles zerstörte leider seine Erwartungen.

Als er vor wenigen Minuten die Meldung erhalten hatte, dass seine Patrouille eine Frau im Wald gefunden hatte, hatte ihn nichts mehr an seinem Schreibtisch gehalten. Er hatte sie sofort sehen wollen, denn der letzte Fremde, der gefunden worden war, war ein feindlicher Spion gewesen und hatte seinem Finder große Ehre eingebracht.

Er, Keiji Maeda, hatte sich etwas Ähnliches von diesem Fund versprochen, doch jetzt wusste er nicht, was er von dieser Frau halten sollte. Sie konnte kaum älter als er selbst sein. Er schätzte sie auf Mitte Zwanzig. Aber was sollte sie allein in den Wäldern tun, vor allem in ihrem Zustand? Zwar gab es auch weibliche Spione, doch so sah sie ganz und gar nicht aus.

„Benjiro, deine Männer haben sie im Wald gefunden?“, fragte Keiji, nachdem sein erster Ehrgeiz verschwunden war.

Immer wieder musste sich der Hauptmann ins Gedächtnis rufen, dass er sich hier nicht am Hof befand, sondern auf einer Mission mit einigen seiner besten Soldaten und Freunde. Alle hier standen zu einhundert Prozent hinter ihm und er musste sich zu keiner Zeit mehr beweisen. Deshalb konnte er seine kühle, teilweise herablassende Art langsam ablegen und wieder zu dem mutigen, taktisch klugen Mann werden, der sich den Stolz seiner Kameraden verdient hatte.

Während seiner Mission würde er schon noch herausfinden, was es mit dieser Frau auf sich hatte, weshalb er jetzt zu einem seiner besten Freunde trat.

Er hatte ihn vor rund sieben Jahren auf einer Mission kennengelernt und die Kampfkraft und der unbändige Wille dieses Mannes hatten ihn so beeindruckt, dass er ihn sofort zu seinem Feldwebel auserkoren hatte.

Benjiro stellte die Schale zur Seite und stand auf. Seine fließenden Bewegungen und sein wild zerzaustes, silbernes Haar, zusammen mit seinen kastanienbraunen Augen, die wie heiße Kohlen glühten, gaben ihm ein unbezähmbares Aussehen. Manche sagten sogar, dass er vom Verhalten her einem Wolf glich, was ihm auch seinen Kriegernamen Ōkami – Wolf – eingebracht hatte. Eine Tatsache, die Keiji Lächeln ließ. Wenn die Leute nur wüssten, was er wirklich für ein Typ war. Sie würden auf Sichtweite Abstand von ihm halten.

„Sie haben sie so gefunden, das ist richtig. Ungefähr eine Stunde entfernt von hier. Aber es sah nicht so aus, als wäre sie auf dem Weg hier her gewesen. Außerdem erhielt ich eine Meldung von meinen Männern, dass vor zwei Nächten ein großes Feuer am Fuß der Berge gesehen wurde. Ich vermute, dass dort ein Dorf oder ein größeres Gut überfallen und niedergebrannt wurde. Wahrscheinlich kam sie von dort und befindet sich auf der Flucht, aber bisher ist sie noch nicht aufgewacht um sie zu befragen!“

Keiji nickte bei der Erklärung. Von dem Feuer hatte er ebenfalls gehört und es konnte gut möglich sein, dass sie in aller Eile von dort geflohen war.

„Ich möchte, dass du hier bleibst und mir sofort berichtest, wenn sie aufwacht.“, sagte er nach einem Moment in dem er die Frau noch einmal gemustert hatte.

Wer war sie nur, dass ihr Anwesen angegriffen und niedergebrannt wurde? Eigentlich dachte er alle Adligen in der Nähe der Hauptstadt zu kennen, doch sie sah er gerade zum ersten Mal. Auch wusste er von keiner Familie, die hier in der Nähe leben sollte.

„Was wird dann aus unserer Mission? Du wolltest doch heute noch weiterziehen?!“, fragte Benjiro und sah Keiji an.

„Auf einen Tag mehr oder weniger, kommt es auch nicht mehr an. Hätte sich an der Lage etwas geändert, dann hätten wir längst eine Nachricht erhalten. Deshalb können wir uns eine kleine Verzögerung leisten!“

Einen Moment zögerte Benjiro, bevor er nickte.

„Ganz wie du willst.“, bestätigte er, woraufhin sein Hauptmann das Zelt wieder verließ.
 

Die Frau war auch am nächsten Tag noch nicht aufgewacht. Deshalb hatte Keiji beschlossen mit ein paar seiner Männer die Stelle des Brandes zu untersuchen. Mit ihren schnellsten Pferden hatten sie sich am frühen Morgen auf den Weg gemacht und jetzt, kurz bevor die Sonne am höchsten stand, hatten sie diesen Ort erreicht.

„Hier muss ein großes Anwesen gestanden haben.“, sagte einer seiner Männer, während Keiji sein Pferd an einem unbeschädigten Baum festband.

Erst dann sah er sich um und auch er war erstaunt über die Zerstörungswut, die hier geherrscht hatte. Er stand direkt vor einer toten Landschaft aus Asche und Staub, die die Größe einer kleinen Stadt aufwies. Eine schwarze Wüste der Zerstörung bei der alles was hier einmal existiert hatte, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war.

Bedächtig machte er ein paar Schritte um einen besseren Überblick über die Gegend zu erhalten, wobei immer wieder Wolken aus Asche vom Boden aufstoben. Der nahe Bachlauf war durch das Feuer verdreckt und fast ausgetrocknet aber sonst war dieser Ort ein taktisch guter Punkt um ein Anwesen zu errichten. Die Berge im Rücken, genügend frisches Wasser und der angrenzende Wald für einen ausreichenden Holzvorrat. Außerdem ein Weg, der wohl ins nächste Dorf führte. Wer auch immer hier gelebt hatte, hatte ein Auge für die Wichtigen Dinge gehabt.

„Kazuma, ich will dass du diesem Weg folgst und im nächsten Dorf herausfindest wer hier gelebt hat und wer einen Groll gegen diese Leute hatte um diese so brutal auszulöschen.“, wies er Kazuma, seinen Berater, an, der sich knapp verneigte und mit einem breiten Grinsen wieder aufsah.

„So gut wie erledigt.“, sagte er, bevor er sich auf sein Pferd schwang und davon galoppierte.

„Der Rest sieht sich hier etwas um. Vielleicht hat irgendwas das Feuer überlebt, das uns einen Hinweis darauf geben kann, was hier passiert ist.“, wies er den Rest seiner Männer an, bevor er sich selbst ebenfalls etwas in dieser Einöde umsah.
 

Als Benjiro nach der Mittagessenausgabe das Zelt wieder betrat, blieb er am Eingang stehen. Durch eine Öffnung im Zeltdach fiel Sonnenlicht auf die Frau, die sie im Wald gefunden hatten. Das Licht ließ ihre helle Haut wie Alabaster leuchten und zauberte einen Glanz in ihr schwarzes Haar, der ihn innehalten ließ.

Da er allein war, erlaubte er sich einen Moment in diesem Anblick zu versinken, bevor er näher trat, das Essen auf einen Tisch stellte und sich wieder auf den Hocker vor das Bett setzte. Hier konnte er ganz genau den Geruch nach Wald und wilden Winden an ihr wahrnehmen. Dieser Geruch erinnerte ihn an seine Vergangenheit, an seine Freiheit und so war der Befehl, sie nicht aus den Augen zu lassen, ein leichter für ihn.

Dass sie bisher nicht aufgewacht war, beunruhigte ihn allerdings. Was konnte ihr nur widerfahren sein, dass sie sich so vehement weigerte aufzuwachen? Sollte sie wirklich von dem Anwesen kommen, dass niedergebrannt worden war, dann hatte sie sicher schreckliches mitansehen müssen und konnte froh sein überhaupt noch zu leben. Aber wenn sie hier noch länger liegen blieb, dann würde das sicher dem Kind schaden. Und am Ende würden sie sie noch zurücklassen müssen.

Benjiro stützte seine Ellenbogen auf seine Knie und verschränkte seine Hände. Einen Tag oder zwei konnten sie ihren Auftrag noch hinausschieben, doch dann müssten sie sich wieder auf den Weg machen. Der Daimyō würde es nicht einmal gutheißen, wenn er wüsste, dass sie sich bereits verspäteten. Denn wenn dieser etwas erledigt haben wollte, dann musste das am besten schon geschehen sein, bevor er den Befehl überhaupt aussprechen konnte.

Ihr Auftrag würde sie noch viel weiter in den Süd-Westen führen. Fast an das Ende ihres Landes und in die Nähe seiner ehemaligen Heimat. Dort sollten sie eine Rebellengruppe zerschlagen und für Frieden bei der ländlichen Bevölkerung sorgen. Das klang nach einer Aufgabe für ein paar niedere Soldaten, doch Benjiro hatte bereits Gerüchte gehört. Gerüchte über Yōkai, die unter den Rebellen sein sollten und ihre Schrecken verbreiteten.

Das war schon eher ein Auftrag nach ihrer aller Geschmack. Vor allem sein Taii war immer begeistert bei der Sache, wenn es um übernatürliche Wesen ging. Er war einfach der Beste, den man in solchen Fällen ausschicken konnte.

Ein Lächeln huschte über Benjiros Lippen bei dem Gedanken. Wenn die Leute am Hof nur den Grund dafür erfahren würden, würden sie Keiji nie wieder auch nur in die Nähe eines Yōkais kommen lassen.

Das erschreckte einatmen der Frau riss Benjiro aus seinen Gedanken.

Die Frau hatte die Augen aufgerissen und atmete flach, so als wäre sie immer noch auf der Flucht. Sie setzte sich auf und versuchte mehr Raum zwischen sich und ihn zu bringen, doch das Ende des Feldbettes erlaubte ihr nicht weiter von ihm wegzurücken.

Benjiro nahm seine Hände vor seinen Körper und zeigte ihr seine Handflächen, während er langsam aufstand und einen Schritt zurück trat.

„Ganz ruhig. Hier wird dir nichts passieren. Du bist in Sicherheit.“, sagte er so ruhig wie möglich und versuche sie zu besänftigen.

Sie zitterte wie Espenlaub und versuchte immer noch von ihm abzurücken, weshalb er noch einen Schritt zurück trat. Ihr Blick wanderte dabei an seinen Gürtel, wo er sein Katana trug. Er folgte ihrem Blick und hob seine Hände noch etwas weiter.

„Ich werde es weglegen, wenn dich das beruhigt.“, erklärte er und zog es vorsichtig und langsam mit zwei Fingern aus seinem Gürtel um es auf das nächste Feldbett zu legen.

„Siehst du? Niemand will dir etwas tun. Du kannst dich also beruhigen. Das würde deinem Kind sicher auch gut tun!“

Mit dieser Aussage glitt der Blick der Frau auf ihren leicht runden Bauch und nach einem Augenblick legte sie eine zitternde Hand darauf. Eine beschützende Geste, aber auch eine unsichere, wie Benjiro schnell erkannte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er deshalb sanft.

Ihr Blick, den sie ihm daraufhin zuwarf, war voller Angst und Verzweiflung und ein einziger Hilferuf.

„W- Wo bin ich hier?“

Ihre Stimme war glockenklar und klang angenehm in ihm nach, auch wenn ihm der verzweifelte Ton darin nicht entging. Benjiro ließ langsam seine Hände sinken, als er ihr antwortete:

„Du befindest dich hier im Lager von Taii Keiji Maeda. Wir sind gerade in einem Auftrag unseres Daimyōs unterwegs und haben dich gestern in den nahen Wäldern gefunden. Kannst du mir sagen was du dort gemacht hast? Bist du vielleicht vor einem Überfall geflohen?“

Die Frau sah sich kurz im Zelt um, bevor sie seinem Blick wieder begegnete. Benjiro zuckte zurück, als er die Tränen in ihren Augen sah.

„Ich… Ich weiß nicht… Ich kann mich an nichts erinnern!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war das erste Kapitel.
Vielen Dank an dieser Stelle für die netten Kommentare zum Prolog. Das hat mich sehr gefreut. Deshalb wollte ich auch unbedingt so schnell wie möglich weitermachen ^^.
In diesem Kapitel habe ich gleich mehr oder weniger die drei neuen Hauptcharaktere eingeführt (Steckbriefe gibt es schon!). Ich hoffe sie gefallen euch.

Und hier wieder die kleine Worterklärung:
Daimyō ist ein Fürst (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Daimy%C5%8D)
Taii ist ein Hauptmann (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserlich_Japanische_Armee#Dienstr.C3.A4nge) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2020-03-12T16:49:25+00:00 12.03.2020 17:49
😱😱😱😱 die schwangere Frau? ( Rin??? ) hat ihr Gedächtnis verloren. So eine verfluchte Scheiße.
Wo ist Sesshomaru. Das schloss ist total niedergebrannt was für eine vermaledamte Scheiße.

Und wer sind die neuen???? Taii Keiji Maeda.???? Benjiro????

Bei allen Flammen des Tartarus was für eine Scheiße geht hier den ab ????

Das ist ja so was von spannend und interessant 😈😈😈😈


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