Von Abenteuern und dergleichen von Yosephia (Die Geschichte eines Hobbitmädchens) ================================================================================ Kapitel 10: Hilfe vom Fangorn ----------------------------- So treffen wir uns wieder – jetzt wo das Blatt sich wendet. – Gandalf Das Erste, was Goldfranse spürte, als sie wieder zu Bewusstsein kam, war ein Kratzen an ihrer Wange. Unbeholfen, etwas grob, aber langsam, offenbar beruhigend gemeint. „Humm Homm, kleiner Hobbit, humm, wach’ auf.“ Die Stimme war ein Brummen und Knirschen, das in Goldfranses Brustkorb vibrierte. Das erinnerte sie an etwas, aber sie konnte nicht sagen, woran. Es kam ihr nur so vor, als müsste sie diese Stimme erkennen, obwohl sie sich sicher war, sie noch nie gehört zu haben. „Humm Homm, kleiner Hobbit, du bist doch wach, Homm?“, brummte es wieder und dann wurde Goldfranse unter der Nase gekitzelt. Ein angenehmer Laubgeruch stieg ihr in die Nase. Birke, wenn sie sich richtig an die Lehrstunden ihres Vaters erinnerte. Das Kitzeln ließ sie niesen. Ihre Augenlider flatterten. Über sich erkannte sie nur Weiß, Grau und Grün, ehe ihre Lider wieder zufielen. War sie im Wald? Etwa im Fangorn? Das würde erklären, warum sie aus dem Sattel gerissen worden war. Ein niedriger Ast im Weg genügte ja schon. Hoffentlich war ihrem Pony nichts passiert. „Humm Homm“, machte es wieder über ihr. Viel näher dieses Mal. Der Birkengeruch wurde stärker und das Rascheln von Laub und Knistern von Gezweig war nun deutlich zu hören. Goldfranse versuchte, ihre müden Lider zu öffnen. Es war anstrengender als alles, was sie jemals zuvor getan hatte. Ihr Kopf dröhnte, dröhnte, dröhnte… – als wollte er ihr tausendfach ihre Unaufmerksamkeit heimzahlen. Zuerst sah sie alles nur verschwommen. Sie musste noch oft blinzeln – jeder Lidschlag ein grausamer Kraftakt –, bis sie klare Konturen erkennen konnte. Dicht über ihr war ein uralter Birkenstamm, gebleicht von der Sonne, die Rinde aufgerissen von den Gezeiten. Viel vernarbter als jede Birke, die sie jemals zuvor gesehen hatte. Die Zweige setzten ungewöhnlich abrupt am Stamm an. Ein abgebrochener Stamm? Nein, er war frisch belaubt, die Blätter gesund und kräftig. „Humm Homm. Endlich bist du wach! Beinahe wäre ich ungeduldig geworden.“ Verwirrt und immer noch benommen blinzelte Goldfranse. Ihr wurde mulmig zumute, weil der Stamm über ihr erzitterte. Woher kam bloß die Stimme? Bildete sie sich das ein? Träumte sie noch? Ihr Blick huschte hin und her, aber sie sah keinen Menschen oder ein anderes sprachbegabtes Wesen. Und dann traf ihr Blick den von zwei großen, goldenen Augen, uralt und weise, ganz anders als die Augen von Menschen, Elben, Hobbits oder Tieren, aber ganz unverkennbar Augen. „Humm Homm, nun, kleiner Hobbit, wer bist du?“ Es dauerte Stunden, bis das verängstigte Pony sich von Merry beruhigen ließ. Eine ausgiebige Untersuchung hatte ergeben, dass das Tier zwar schwer erschöpft, aber unverletzt war. Leider gab das keinen Anlass zur Entwarnung, denn es konnte genauso gut sein, dass das Tier bei seiner Flucht mehr Glück gehabt hatte als seine Reiterin. Im harmlosesten Fall war Goldfranse vielleicht mit ein paar Kratzern und blauen Flecken davon gekommen, im schlimmsten könnte sie sich das Genick gebrochen haben. Keiner von ihnen wollte auch nur an die letzte Möglichkeit denken. Dennoch machten sie sich alle unbeschreibliche Sorgen. Merry und Pippin sprachen sich dafür aus, im Fangorn nach Goldfranse zu suchen, sobald es richtig hell war, aber der Anführer der Rohirrim hielt dies aufgrund der gewaltigen Größe des Waldes für ein Unterfangen, das von vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Eómer stand hilflos bei Goldfranses Pony, das müde an ein paar Grashalmen zupfte. Abwesend tätschelte er den Hals des Tieres, während sein Blick immer wieder zu Faramir hinüber glitt, der wenige Schritte von ihm entfernt im Dunkeln saß, das Gesicht in den zitternden Händen verborgen hielt und ganz so wirkte, als wäre er drauf und dran, einfach in den Wald zu stürmen. Noch während Merry mit dem Hauptmann eine hitzige Diskussion führte, begannen die Ponys wieder zu scheuen und auch die nervenstarken Pferde der Rohirrim wurden unruhig. Angespannt, eine Hand auf seinem Schwert, stand Pippin auf und ging um das Feuer herum, um die Tiere zu beruhigen. „Runter!“, bellte einer der Rohirrim. Pippin folgte der Warnung sofort und das rettete ihm wahrscheinlich das Leben, denn der Baum neben ihm wurde auf Brusthöhe von einem großen Stein getroffen. Im Nu waren alle auf den Beinen und wandten sich in die Richtung, aus welcher der Stein gekommen war. Dort standen Wildlinge – viel mehr als gestern –, bewaffnet mit Steinschleudern und Landwirtschaftsgeräten. Sie grölten laut und gingen zum Angriff über. Hastig trat Eómer von den Tieren zurück und an die Seite seines besten Freundes, der bereits sein Kurzschwert gezogen hatte. Allzu gefasst sah Faramir allerdings auch nicht aus, was Eómer irgendwie ein Trost war, denn er fühlte sich für den Kampf genauso wenig gewappnet wie gestern. Ehe einer der Rohirrim oder Hobbits auch nur an Rückzug denken konnte, erklang aus dem Wald ein gleichmäßiges Dröhnen. Es wirkte eigentlich sehr gemächlich, aber dennoch kam es schnell näher. Die Wildlinge warfen einander panische Blicke zu und selbst die Rohirrim wirkten beunruhigt und sahen immer wieder von den Wildlingen zum Wald und zurück, als würden sie abwägen, was die größere Gefahr darstellte. „Humm Homm…“ Eómer runzelte verwirrt die Stirn und suchte den Blick seines Vaters, welcher nun ahnungsvoll grinste. Genau wie Pippin, der sich wieder aufgerappelt hatte. Und dann brach der Verursacher des Lärms aus dem Wald hervor. Groß und recht schlank, weiß und schwarz gerindet, kleine, pfeilförmige Blätter. Hölzerne Arme erhoben. Die Wildlinge nahmen Reißaus und die Rohirrim glotzten sehr unkriegermäßig. Eómer musste sich selbst ermahnen, wieder seinen Mund zu schließen. Wie alle Kinder der Ringgefährten hatte er das Rote Buch gelesen und stets eifrig den Erzählungen seines Vaters gelauscht – aber jetzt diesem mächtigen Wesen zu begegnen, war beeindruckender als seine kühnsten Vorstellungen. „Ein Ent“, flüsterte er vor Ehrfurcht. „Flinkbaum!“, lachte Pippin erfreut und eilte zu dem Baumhirten. Auch Merry schob sein Schwert wieder in die Scheide, um den alten Freund zu begrüßen, und Eómer und Faramir nahmen sich an ihm ein Beispiel und folgten, wenn auch sehr viel zögerlicher. „Humm Homm, Herr Merry, Herr Pippin. Ihr Hobbits habt einen Riecher für Abenteuer, nicht wahr, homm?“ „Wohl wahr“, kicherte Merry und wollte noch etwas sagen, als eine kleine Hand neben Flinkbaums Kinn erschien, nach Halt tastete und dann kräftig zupackte. Neben Eómer keuchte Faramir erstickt, als niemand anderes als Goldfranse Gamdschie um Flinkbaums Hals herum und dann zu Boden kletterte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)