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Von Abenteuern und dergleichen

Die Geschichte eines Hobbitmädchens
von

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Die Freunde im Streit


 

Auch Ihr seid stark, auf eine andere Art und eines Tages wird Euer Vater das erkennen. – Peregrin Tuk
 

An der Straße, die vom Auenland über Bree bis nach Bruchtal führte, lag die Wetterspitze. In einem anderen Zeitalter war sie eine Wachstation der königlichen Garde gewesen. Doch gleichsam mit dem Zerfall des Königtums in Gondor war auch die Wetterspitze ein Opfer der Zeit geworden. Wind und Wetter hatten den Stein mit scharfen Kanten wieder und wieder geschliffen und Moose, Flechten und hartnäckige Sträucher hatten ihren Weg in und an die Gemäuer des Turms gefunden. Heute fügte die Wetterspitze sich nahtlos in die Landschaft ein und dennoch hatte sie sich den Nimbus von Pracht und Historie bewahrt.

Goldfranses Herz klopfte heftig, als sie die sagenumwobene Wetterspitze das erste Mal mit eigenen Augen sah. Onkel Bilbos Zeichnungen hatten sie perfekt wieder spiegeln können, hatten sogar einen Hauch der Ehrfurcht einfangen können, die man beim Anblick der des Monuments empfand. Aber nun leibhaftig davor zu stehen, war um ein Vielfaches besser!

Hier hatten Generationen lang gondorianische Wachen die Bedrohung aus dem Norden im Auge behalten und Frieden und Sicherheit der Handelsstraße bewahrt. Beinahe jeder König von Gondor hatte den großen Wachturm wenigstens einmal in seinem Leben aufgesucht. Elben- und Zwergenfürsten hatten hier auf ihren Reisen Quartier bezogen…

Dieser Ort war Geschichte zum Anfassen! Zu gerne wäre Goldfranse hinauf geklettert, um das Land einmal so zu sehen, wie die Soldaten von Gondor es damals immer gesehen hatten, aber Merry und Pippin hatten sich dafür entschieden, näher an der Straße zu rasten. Sie wollten den Weg nach Bruchtal schnell hinter sich bringen, weil es dieser Tage viele Berichte von Wegelagerern auf dieser Straße gab. Die Leute in Bree hatten die Hobbits gebeten, ein Hilfegesuch mit nach Bruchtal zu nehmen, wo auch gondorianische Wachen stationiert waren.

Eifrig – sehr viel eifriger als Faramir und Eómer – hatte Goldfranse beim Aufbau des Lagers und bei der Zubereitung des Essens geholfen. Sie hatte ein Händchen für solche Aufgaben und verrichtete sie auch gerne. Sie mochte es nur nicht, wenn ihr diese Aufgaben einfach deswegen aufgetragen wurden, weil sie eine Frau war. Merry und Pippin jedoch hatten von Anfang an auch ihre Söhne für diverse Aufgaben abkommandiert. Sie machten keinen Unterschied zwischen den drei jüngeren Hobbits.

Nach dem Essen hatten die beiden Ringgefährten die Wachen für die Nacht eingeteilt. Zuerst sollte Faramir Wache halten, danach Eómer und zuletzt Pippin. Merry und Goldfranse hatten in der vorherigen Nacht Wachdienst gehabt. Geduldig wartete Goldfranse fast eine Stunde, bis die Anderen tief und fest schliefen und Faramir ihr den Rücken zudrehte, dann stand sie lautlos auf, drapierte einige ihrer Habseligkeiten so, dass es so aussah, als würde jemand unter ihrer Decke liegen, und schlich sich davon.

Als sie sicher sein konnte, dass sie weit genug entfernt war, wickelte sie ihr abgegriffenes Übungsschwert aus und band ihre langen, lockigen Haare zusammen. Sie verspürte tiefe Zufriedenheit, dass sie dieses Mal nicht wie sonst ihren Rock hochbinden musste. Hosen zu tragen, war ein fantastisches Gefühl!

Noch einmal sah sie sich vergewissernd um, dann wirbelte sie herum und begann mit ihren Übungen, schlug, stach und schnitt unsichtbare Gegner. Zielte auf unterschiedliche Körperstellen und –höhen, wich zur Seite aus, nach hinten, tauchte nach vorne weg, rollte sich fort – vorwärts, seitwärts, rückwärts -, hielt feindliche Hiebe auf, blockte sie ab, kombinierte mit Tritten und Sprüngen.

Niemand hatte sie jemals in die Schwertkunst eingeweiht oder sie ihr wenigstens demonstriert und außer dem Roten Buch der beiden Beutlins gab es in der Bibliothek ihres Vaters kein einziges Buch, das auch nur ansatzweise kriegerische Szenen enthielt. Von Anfang an hatte Goldfranse sich alles selbst ausgedacht. Sie hatte sogar selbst dahinter kommen müssen, wie man ein Holzschwert schnitzte und welches Holz sich überhaupt dafür eignete. Bis auf ihrem Bruder Frodo wusste niemand hiervon. Das war ihr kostbarstes Geheimnis. Etwas, das nur ihr gehörte. Etwas, das ihr niemals jemand nehmen würde….

„Was soll das?“

Vor Überraschung verlor Goldfranse in einer Drehung das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Das Holzschwert flog ihr aus der Hand und landete zu Faramirs Füßen. Der junge Hobbit hob die Übungswaffe auf und blickte von ihr zu Goldfranse und wieder zurück. Zuerst wusste Goldfranse seine Miene nicht so recht zu deuten, aber dann erkannte sie mit einem schmerzhaften Ziehen in der Brust: Spott und Unglaube lagen in seinem Blick.

„Ist das dein Ernst? Für diesen Blödsinn schleichst du dich weg? Wie kannst du nur so leichtsinnig sein? Du weißt doch, dass hier Wegelagerer unterwegs sind!“

„Das ist kein Blödsinn“, protestierte Goldfranse schwach und rappelte sich wieder auf.

Faramirs Worte taten weh. Richtig weh. Es presste Goldfranse das Herz zusammen, dass Faramir so abfällig über sie sprach.

„Stimmt, es ist schlimmer als Blödsinn“, ereiferte Faramir sich. „Es ist vollkommen sinnlos. Glaubst du allen Ernstes, dass du mit so einem lächerlichen Ding hier etwas lernen kannst?“

„Warum nicht?“, erwiderte Goldfranse trotzig, blickte dabei jedoch zu Boden.

„Weil es ein Spielzeug ist, aber nie und nimmer eine getreue Schwertnachbildung“, schnaubte Faramir.

„Es kann nicht jeder so ein verwöhntes Jüngelchen wie du sein und ein richtiges Schwert haben.“ Eifersucht brannte sich wie ein ätzendes Gift durch Goldfranses Gedanken und ließ sie ihre vorherige Verletztheit fürs Erste vergessen.

Sie sprang vor, stellte Faramir ein Bein und entriss ihm noch im Fall ihr Übungsschwert. Sie achtete gar nicht auf sein Ächzen, sondern wandte sich gleich ab, um zum Lager zurück zu kehren.

Eómer saß aufrecht an einen Baum gelehnt. Goldfranse konnte seinen forschenden Blick spüren, aber sie schlich zu ihrer Decke, versteckte ihr Übungsschwert im Gepäck und legte sich dann hin, die Decke über ihren Kopf gezogen, um ihre Tränen zu verbergen.

Sie hörte noch, wie Faramir kurz nach ihr zurückkehrte, aber er sprach weder mit ihr noch mit Eómer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-01-30T21:27:50+00:00 30.01.2019 22:27
Oh Mann. Na das lief ja wirklich spitze. Nicht. Das kann ja noch heiter werden.
Ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.

LG


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