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My Heavenly Soulmate

von

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„Und dann! Alex, ohne Mist, das musst du dir einfach geben!“ Wir waren wieder zuhause und hatten es uns auf unserem übergroßen Sofa mit ein paar Snacks (vor allem für Rene) und ein paar Videos gemütlich gemacht. Via Laptop und HDMI-Kabel übertrugen wir die auf einer Plattform gestreamten, von anderen Leuten selbstaufgenommenen Videos und unterhielten uns währenddessen. Und Rene, tja, der konnte nicht aufhören zu plappern und erzählte Alex prompt von den Geschehnissen während unserer Bewerbungsgespräche und das Treffen mit unserem Chef. „Du hättest dabei sein müssen. Weißt du, wir stehen so da. Da kommt dieser Kerl aus der Tür raus, Anzug und alles, lange Haare- Da kannst du dir ja schon vorstellen, was abgeht. Ich meine, ich fand den Typen ja schon nicht schlecht, aber Allie hier, die starrt den einfach an und bricht dann raus: Verdammt ist der heiß. Ich musste mich so zusammenreißen“ Beschämt rührte ich mein Getränk um und schmollte, ohne Rene auch nur eines Blickes zu würdigen. Stattdessen aber wandte ich mich zu Alex, welche mir einen überraschten Blick zuwarf.

„So schlimm?“, hakte sie nach und ich nickte nur.

„So schlimm“ Sie blinzelte einige Male, bevor sie sich eine Hand vor den Mund hielt, um sich ein Lachen zu verkneifen.

„Das schaffst aber auch nur du, Allie. Du siehst deinen Chef das erste Mal und nennst ihn gleich heiß. Du brauchst dringend mal ein Date“

„Das brauch ich auch“, seufzte Rene und lehnte sich auf der Couch zurück. „Die letzten Wochen waren so nervig, dass ich keine Zeit hatte, mir jemanden zu schnappen“

„Gab mir Zeit, etwas aufzuholen“ Alex grinste unseren Elf an, welcher ihr die Zunge rausstreckte. Ja, die beiden hatten eine Wette am Laufen, wer denn am ‚begehrtesten‘ war und mehr Männer zu einem Date überreden konnte. Ich konnte die meiste Zeit nur danebensitzen und mein Getränk schlürfen, während sie sich über ihren neuesten Fang unterhielten. Bislang konnte ich meine Dates an einer Hand abzählen, geschweige denn meine festen Freunde. Ich hatte zwei gehabt, beide während meiner Zeit an der Akademie und nun ja … beide wurden von meinem Vater vertrieben. Es war jetzt nicht so, dass es mich störte, niemanden zu haben. Es gab mir mehr Freiheiten, das zu tun, was ich wollte. Ich musste mich bei niemandem melden und war nicht von der Meinung eines anderen abhängig. Aber manchmal musste ich sagen, dass ich doch gerne jemanden an meiner Seite hätte. Wie meine Mutter halt. Sie hat meinen Vater, ihren Seelenpartner, ja auch auf der Akademie kennen gelernt. Da dachte ich mir, wieso ich nicht? Stellte sich heraus, dass das Ganze ordentlich nach hinten los ging und mein Vater unbedingt meinte, sich da einmischen zu müssen. Nachdem wir in ein Apartment gezogen sind, haben sich Alex und Rene vorgenommen, mir bei meinen Dates zu helfen. Oder eher wollten sie sich dem Projekt ‚Hoffnungsloser Fall‘ annehmen. Für die Bezeichnung musste ich mich bei den beiden noch bedanken.

„Jedenfalls“, fing meine beste Freundin wieder an, nahm die Fernbedienung und suchte nach einem neuen Video. Meistens schauten wir irgendwelche Video Logs, die Rene gefielen. Wenn Alex aber die Kontrolle hatte, wurden es schnell Videospiel-Walkthroughs, was mich durchaus nicht störte. Meine Affinität zu Spielen hatte ich von meiner Mutter, genauso wie meine Tendenz zum Schreiben. Ich tat es aber nur, wenn ich Dinge verarbeiten musste. Sogesehen führte ich also ein Tagebuch, auch wenn ich nicht regelmäßig schrieb und es vermutlich irgendwo in meinen noch nicht ausgepackten Kisten herumlungerte. „Ich hab jemanden für dich ausfindig gemacht, Allie“ Für mich ausfindig gemacht?

„Du machst doch jetzt Scherze, oder?“, fragte ich sofort und hob den Kopf. Um ihr nicht ausversehen das Getränk ins Gesicht zu schütten, stellte ich es auf dem Kaffeetisch vor mir ab und wandte mich zu ihr. „Ich will mich erstmal auf meinen Job konzentrieren. Du weißt, dass es mein erster ist“

„Und du wirst den Kopf klar bekommen, wenn du dich mal mit jemanden triffst. Du musst ja nicht gleich zur dritten Basis gehen, ist doch nur ein Treffen“ Sie zuckte mit den Schultern und legte die Fernbedienung wieder weg. Ich hingegen legte seufzend den Kopf in den Nacken. Manchmal konnte ich nicht glauben, in was für einer Gesellschaft ich mich eigentlich befand. Meine zwei Freunde wollten mich an irgendjemanden verkuppeln und versuchen, mein mageres Ich so gut es ging herzurichten. Das konnte doch nur schief gehen.
 

So oder so konnte ich Alexandra die Idee nicht ausreden, mir dieses Treffen zu arrangieren. Also gab ich klein bei und meinte, ich würde mich nach der Arbeit auf den Weg machen. So wurde die Zeit dafür auf 20 Uhr gesetzt, sodass ich nach meinem Werktag noch etwas Zeit hatte, mich frisch zu machen. Zum Glück konnte ich den Weg bis dorthin gemeinsam mit Rene bestreiten, sonst wäre ich vor Nervosität womöglich gar nicht erst dort aufgetaucht. Er war positiv und gut gelaunt, voller Elan und bereit, seine neue Arbeit anzugehen. Ich hingegen stand da mit eingezogenem Kopf, absolut verunsichert. Unser Chef war furchteinflößend und ich war auch noch diejenige, die mit ihm fast Seite an Seite arbeiten musste.

Die neueste Zeitung für Oben hatte ich extra noch eingesteckt, daran hab ich gedacht. Ich musste nur fix noch an der Rezeption vorbei und mir bei Addie den Schlüssel für das oberste Stockwerk abholen. Sie fing ebenfalls gerade an und richtete ihren Platz her, hing ihr Jackett über die Lehne ihres Bürostuhles, bevor sie sich mit einer bereits gelangweilten Miene zu mir umdrehte.

„Oh, du bist es schon wieder“, meinte sie nur. „Der Schlüssel, richtig?“

„Äh, ja, genau …“, nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und fing an, am Träger meiner Tasche zu zupfen. Für den Schlüssel hatte ich extra einen alten Anhänger aus meinen Kisten gekramt, damit ich diesen weder verliere noch verlege oder mit meinem Hausschlüssel verwechsle. Addie durchsuchte zunächst ihre Ablage, dann die verschiedenen Schubladen an ihrem kleinen Schreibtisch. Das gab mir etwas Zeit, die Frau unbemerkt zu betrachten. Sie trug ihre mittellangen Haare offen, eindeutig blond gefärbt, denn an ihrem Ansatz wuchs die Farbe langsam wieder heraus. Von Natur aus hatte sie anscheinend sehr hellbraune Haare. Sie schien an sich eine sehr ordentliche Person zu sein. Die Bluse hatte sie in ihren Bleistiftrock gesteckt und ordentlich gebügelt, bevor sie diese angezogen hatte. Es war kaum eine Falte zu sehen, die nicht durch ihre Bewegungen entstand. Genervt schnaubend richtete sie sich kurz auf und streckte ihren Rücken durch, wodurch ich ein leises Knacksen vernehmen konnte.

„Wo ist dieses Mistding nur …“, murmelte sie eher zu sich selber, doch ich verstand es trotzdem, da es sie wohl nicht wirklich interessierte, ob man sie hörte oder nicht. Sie durchwühlte ihre Unterlagen. Also, im Gegensatz zu ihrer äußerlichen Erscheinung war ihr Schreibtisch das reinste Chaos. Hie und da lagen Blätter verstreut, welche nun durch das Suchen verlegt werden mussten. Sollte es sich bei irgendwelchen davon um wichtige Schreiben handeln, könnten wir die nun vergessen. Wobei ich mir auch denken konnte, dass Briefe mit Anliegen von äußerster Dringlichkeit direkt an Domenicus gegeben wurden. Ich kratzte mich kurz am Nacken und warf dann einen Blick auf die Uhr. 7:50Uhr. Um 8 sollte ich an meinem Arbeitsplatz sein, sonst könnte es Ärger geben. Ob ich einfach Lavender anrufen sollte, da diese Addie den Schlüssel nicht zu finden scheint? Erneut richtete sich die Frau auf, diesmal stemmte sie beide Hände an die Hüfte und stieß ein ‚Das kann doch jetzt nicht wahr sein‘ aus. Das konnte sich wohl nur noch um Stunden handeln …

Um das Ganze abzukürzen, schnappte ich mir mein Handy und wählte die Nummer von Lavender. Es war gut, dass ich mir diese gestern noch eingespeichert habe, sollte irgendetwas sein. Und ich hatte keine Lust, wegen diesem Versäumnis zu spät an meinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Es klingelte nicht lang, da begrüßte mich die Dame mit einem übermäßig fröhlichen ‚Guten Morgen, Kätzchen!‘. Ich schnaubte, ich war noch immer kein verdammtes Kätzchen. Aber ich ließ es gut sein.

„Hey, uhm … Lavender. Wir haben gerade ein Problem wegen dem Schlüssel“

„Addie hat ihn verrammscht, oder? Warte einen Moment, ich bin gleich da.“ Sie war noch nicht im Gebäude? Kurz hörte ich auf die Hintergrundgeräusche und es klang tatsächlich so, als wäre sie gerade auf einer Straße. Vermutlich ganz in der Nähe, da ich mir Lavender nicht als jemanden vorstellen konnte, die den ganzen Weg zur Arbeit laufen würde. Und als würde sie wissen, dass ich über ihren Aufenthaltsort nachdachte, kam sie geradewegs durch den Eingang hinein geflitzt. Rene hatte noch bis zu diesem Moment gewartet, um die Frau zu begrüßen, bevor er sich aufmachte und bei seinen neuen Kollegen vorstellen ging. Ich hingegen hing noch immer in der Lobby fest, nun zusammen mit Addie und Lavender.

„Ach Mensch! Ich hab dir gestern doch gesagt, du sollst ihn dorthin legen, wo du ihn leicht wieder findest.“ Die Frau schüttelte den Kopf. War es mir bis jetzt nicht aufgefallen, oder hatte sie über die Nacht ihre Haare gefärbt? Denn diese erschienen mir nun in einem Pastel-Violett, auf dem Kopf zusammengebunden zu zwei Knoten und von dort aus frei über ihren Rücken verlaufend. Ihr Pony war genauso schräg wie meiner, wenn auch etwas länger und welliger. Ihre Augen strahlten zwar, doch der Ausdruck darin war alles anderes als ein freudiger.

„Ich hab schon überall gesucht“, meinte die andere Frau monoton und kratzte sich am Kopf. Damit hatte sie nicht ganz Unrecht, immerhin hat sie sogar ihre Ablagen auf den Kopf gestellt. Prima, ich würde zu spät kommen und das auch noch an meinem ersten Tag. Nun begann auch Lavender mit zu suchen, während ich nur am Schreibtisch stand und mich ängstlich umblickte. Eigentlich hätte ich sogar schwören können, mein Chef wäre bereits in seinem Büro. Diese Annahme aber stellte sich als falsch heraus, als er das Gebäude betrat und sich mit gehobener Braue neben mich stellte, dabei fragend anblickte.

„Sie suchen den Schlüssel für den Aufzug“, erklärte ich ohne Umschweife, woraufhin er nickte und die beiden Frauen beobachtete.

„Sorry Aeneas, Addie muss ihn verlegt haben“, entschuldigte sich Lavender und fluchte kurz darauf hin. So einen Schlüssel anzufertigen musste einiges an Geld kosten, wenn ich so darüber nachdachte. Immerhin war es eine Spezialanfertigung und nicht gestrickt wie einer, wo man sagen konnte ‚Oh ja, die Zacken sind so, da nehmen wir eben die Blaupause‘ oder so. Keine Ahnung, wie das eigentlich mit diesen Schlüsseln und allem funktionierte.

„Das hat sie durchaus“, meldete sich der Chef zu Wort und zog kurz daraufhin einen kleinen gefalteten Briefumschlag aus seiner Brusttasche, in welchem ein ganz kleiner Abdruck zu erkennen war.

„Oh. Mein. Gott. Du hast ihn einfach mitgenommen?“ Die Violetthaarige war entsetzt und stemmte ihre Hände an die Hüfte, bevor sie dann doch eine Hand wieder wegnahm und tadelnd den Zeigefinger bewegte. „Aeneas Domenicus, ich kann es nicht glauben, dass du mich darüber nicht in Kenntnis gesetzt hast!“

„Was denkst du, warum ich so spät erst hier bin?“ Ohne ein weiteres Kommentar drückte er mir den Umschlag in die Hand und wandte sich zum Gehen. Ich verbeugte mich kurz vor Lavender und Addie, entschuldigte mich für die Umstände und eilte hinterher in den Aufzug, sodass wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnten. Damit musste dieser nämlich nicht zwei Mal hoch und runter fahren und ich konnte den Schlüssel dann ganz in Ruhe auspacken und an den Anhänger basteln. Und Mann, war ich froh, dass mein Chef nicht der gesprächige Typ war. Die Fahrt nach oben schwiegen wir uns nur gegenseitig an und gingen dann getrennte Wege. Ich stellte sofort meine Dose in den Kühlschrank, bevor ich meinen Platz einräumte und die Zeitungen auf dem kleinen Kaffeetisch austauschte, die Alte natürlich sofort entsorgte. Danach begann ich, mich langsam einzuarbeiten.
 

Gelegentlich kam Mister Domenicus nach draußen, um sich einen Kaffee zu machen. Dementsprechend nahm ich an, dass es sich bei ihm schon einmal nicht um einen Vampir handelte. Im Allgemeinen ähnelte sein Äußeres eher den Beschreibungen von Engeln. Sie legten eine ernste und sehr kalte Art an den Tag, waren meist mit blasser Haut, eisblauen bis weißen Augen und weißblonden bis weißem Haar zu sehen. Viele von ihnen waren doch recht schlank, nur selten wirklich muskulös definiert. Und kaum einer war besonders gesprächig. Oder freundlich.

Ich versuchte, mich nicht allzu sehr von meinen Beobachtungen ablenken zu lassen. Nach den ersten Stunden hatte ich meine Dose aus dem Kühlschrank geholt, um mir ein paar der Drops zu gönnen. Mein Chef kam erneut aus seinem Büro, mit einigen Unterlagen in der Hand, welche er auf meinem Schreibtisch bugsierte und nicht nur meine kleine Mahlzeit musterte, sondern auch den Tee, den ich mir zubereitet hatte.

„Ich dachte, Vampire nehmen nur Blut zu sich?“, fragte er laut genug, sodass ich verstand, dass er auch eine Antwort wollte. Zudem verließ er mich nicht gleich wieder, was mir wiederrum Zeit gab, ihm auch eine zu geben.

„Da muss ich ehrlich sagen, dass ich etwas eigenartig bin“

„Ach“ …. Vielen Dank. Ich seufzte hoffentlich unbemerkt, beobachtete seine Hand, wie er langsam die Dose hochhob und den Inhalt musterte. „Was ist das?“

„Blutkugeln“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. Inzwischen war ich es gewohnt zu beantworten, um was es sich dabei handelte. Deswegen setzte ich meine Erklärung auch gleich fort: „Blut eingeschlossen in eine sich bei Kontakt mit Wasser oder Speichel auflösende Haut. Da ich leider bei dem Geruch von Blut fast ohnmächtig werde, ganz zu schweigen davon, wenn ich es fließen sehe, gaben meine Eltern es in Auftrag. Konserven sind nichts für mich, da sie sich länger halten und meist nicht geruchsdicht verschlossen werden können“

„Ein Vampir, der kein Blut sehen kann. Und was ist mit dem Tee?“ Da war aber jemand aber fast unerhört neugierig. Ich antwortete ihm trotzdem.

„Eine Mutation hat bei mir nicht ganz gegriffen. Im Gegensatz zu vielen Vampiren habe ich meine Geschmacksknospen behalten, weswegen Menschenessen und –trinken für mich nicht wie Asche schmeckt. Oder was auch immer“ Sicherheitshalber speicherte ich das Dokument, sollte dies hier nun noch ein längeres Gespräch werden. Meine Brille, die ich normalerweise trug, weil ich kurzsichtig war und nicht weil ich schlau aussehen wollte, hatte ich in das zugehörige Etui gelegt und diesem einen sichtbaren Platz auf dem Schreibtisch eingerichtet. Es würde sich irgendwann eh erübrigen, da ich mit der Zeit meine Brille irgendwo platzieren würde, aber gerade wollte ich doch etwas professioneller erscheinen.

„Du kannst ja überraschender Weise mehrere Sätze bilden, ohne zu stottern.“, meinte Domenicus nach einer Weile Schweigen und stellte meine Dose wieder ab. Die darin enthaltenen Kugeln ähnelten Kirschdrops, weswegen ich kein Problem damit hatte, sie anzusehen und mir ab und zu eine davon zu nehmen. Ich verdrehte die Augen auf seine Aussage hin, ging aber nicht weiter darauf ein und warf stattdessen einen Blick auf die Dokumente, die er mir gebracht hat. Das Ganze sah unglaublich kompliziert aus und ich wusste ab da schon, dass ich den restlichen Tag dafür verbrauchen würde. Also machte ich mich ohne weitere Umschweife an die Arbeit, weswegen mich mein Chef auch in Ruhe ließ.
 

Mir war bewusst, dass mir bei meiner Arbeitszeit auch eine gewisse Länge an Pause zustand. Jedoch war ich nicht darauf vorbereitet, dass Lavender einfach ins Vorzimmer gestürmt kommt, um mich ‚abzuholen‘. Sie scheuchte mich auf, wies mich an, alles abzuspeichern, was ich gerade offen hatte und ihr zu folgen.

„Jetzt warte doch einen Moment“, meinte ich nur überfordert und machte mich daran, in jedem Dokument das Tastenkürzel für Speichern zu verwenden, um das Ganze etwas zu beschleunigen. Bevor mich meine Kollegin noch anherrschen konnte, schnappte ich mir meine kleine Tasche und gab noch meinem Chef Bescheid, welcher von seinem eigenen PC erst einmal aufsah und den Kopf schief legte, als würde er versuchen, zu erkennen, wer hinter mir war.

„Holt sie dich also ab“, stellte er fest und strich sich eine störende Strähne aus dem Gesicht. „45 Minuten, dass du mir das ja nicht vergisst. Danach möchte ich auch einen Statusbericht“ Ich nickte ihm zu, um das Zeichen zu geben, das ich verstanden habe. Ich war etwas überrascht, dass die Pause länger war, als in der Stellenbeschreibung angegeben. Und die Arbeit war nicht so schwer, wie ich gedacht hatte. Sich durch den Papierkram zu wühlen war zwar nicht angenehm, aber wenn man herausfand, wie man es leichter angehen konnte, fand man leicht eine routinierte Vorgehensweise. Woran ich mich noch gewöhnen musste, waren die Anrufe, die ab und an getätigt oder angenommen werden mussten. Immer mal wieder, fast im Stundentakt, klingelte das Telefon oder ich musste jemanden anrufen, um Fragen zu beantworten oder Reservierungen zu tätigen. Manchmal hing Abheben und Anrufen zusammen, da ein Businesspartner von SW & H einen Termin haben wollte. Diesen musste ich dann mit Domenicus absprechen, im Planer vermerken, dem Anrufer eine E-Mail schreiben und dann die Reservierungen für entweder Restaurant oder Meetingzimmer machen. Wir hatten bestimmte Räume, in welchen solche Treffen stattfanden, da mein Chef nur selten Leute bei sich im Büro empfing. Dabei handelte es sich auch nur um Leute, welche auf einer bestimmten Liste standen und ohne weitere Fragen durchgelassen wurden. Diese Liste musste ich mir noch unbedingt einprägen.

In meiner Pause aber nicht, in welcher Lavender es sich zur Aufgabe machte, mich den anderen Kollegen vorzustellen und mir die Mensa zu zeigen, wo sich die meisten Arbeiter trafen und austauschten.

„Im ersten Stock sind die meisten Techniker. Mit ihnen wirst du nur zu tun haben, sollte dein PC mal den Geist aufgeben oder so. Sie halten die Soft- und Hardware auf dem neuesten Stand. Manchmal wirst du Nachrichten von ihnen erhalten, sollte etwas Neues auf dem Markt erscheinen. Das musst du umgehend an Aeneas weiterleiten“ Ich war noch immer verwirrt wegen dem ganzen Duzen und Siezen. Dass Lavender mich mit Du ansprach, fand ich jetzt nicht so ungewöhnlich, immerhin hatte sie es mir auch angeboten. Bei meinem Boss war das eine andere Angelegenheit. Während er von mir verlangte, ihn zu siezen und mit ‚Mister Domenicus‘ anzusprechen, nahm er es sich selber heraus, mich nicht nur nicht bei meinem Namen zu nennen, sondern mich auch mit ‚du‘ anzusprechen. Irgendwie war das eigenartig. „Stock zwei sind die Programmierer. Sie erhalten die Aufträge, die wir rein bekommen. Sie sind auch diejenigen, die meist über die Zehn Stunden Marke hinaus arbeiten. Solltest du also mal deinen Kumpel nach Ende deines Tages mal nicht antreffen, ist er womöglich in ein sehr wichtiges Projekt verstrickt. Und das wird nicht selten vorkommen, so talentiert wie er scheint. Alois hat sich auch schon sehr positiv geäußert“ Das klang doch schon mal gut. Alois war ja angeblich der Kopf des Programmier-Departments und hatte das meiste zu sagen. Mit ihm musste ich mich aufgrund eines Projektes bereits auseinander setzen und er kam mir doch sehr sympathisch vor. Lavender setzte ihre Erklärungen mit den Stockwerken fort. In der Mitte befand sich die Mensa. Man musste also den gleichen Weg aufwärts wie abwärts nehmen, um dorthin zu gelangen. Und in der fünften Etage befanden sich die Räumlichkeiten für diejenigen, die sich mit dem Personal auseinandersetzen und es managen mussten, bevor sie Vorschläge an Domenicus weitergaben. So wie es mir scheint, überließ er viele Entscheidungen den verschiedenen Departments, setzte sich selber mit den Partnern der Firma und den Auftraggebern auseinander, kümmerte sich aber nicht darum, wer denn eigentlich eingestellt wird. Sonst hätten sie meine Bewerbung nie angenommen. Er setzte nur seine Unterschrift unter Entlassungs- und Kündigungspapiere und erschien unter den Angestellten dann, wenn es für nötig befunden wurde. Meistens kümmerte sich entweder Lavender oder ein anderer Kollege darum, welcher mir gerade einmal beim Namen genannt wurde. Ich beließ es also dabei und fragte gar nicht erst nach.
 

Meine Pause verbrachte ich also mit einem kleinen Rundgang. Mir wurden die wichtigsten Leute vorgestellt und ich erhielt einen kleinen Einblick in deren Persönlichkeiten. Um zur Ruhe zu kommen und noch etwas abzuschalten, begaben Lavender und ich uns in die Mensa und setzten uns, nachdem die Frau sich etwas zu essen und zu trinken geholt hatte.

„Also. Wie ist dein erster Tag denn bislang?“, fragte sie mich zwischen den Bissen, wenn sie gerade ihren Mund nicht voll hatte. Als ich sah, wie sie die Brötchen aß, bekam ich selber Lust auf eines, wollte mich aber nicht wieder dazu verleiten lassen, eine Erklärung abzugeben und womöglich unnötige Fragen beantworten zu müssen. Irgendwann würde ich auch ihr davon erzählen, aber das musste nicht sofort sein. Domenicus hatte es auch eher durch Zufall erfahren. Ich wusste ja nicht, dass er doch so oft aus seinem Büro kam. Vielleicht wollte er mich aber auch einfach nur überwachen.

„Anstrengend“, gab ich zu. Ich legte meine Hände auf den Tisch, die Finger ineinander verschränkt und drehte Däumchen, während ich meinen Blick durch die doch recht kleine Mensa schweifen ließ. Einige Tische und dazugehörige Stühle waren anzufinden. Die Tische konnte man an zwei Händen abzählen. Eine hintere Tür führte in eine Art Unterhaltungsraum. Da es manchmal Events gab, zu denen die Mitarbeiter eingeladen wurden (zum Beispiel Weihnachten oder Neujahr), hatte man dafür extra ein paar Räumlichkeiten eingerichtet. Diese wurden mir vorher gezeigt. Es handelte sich dabei um eine Art Spielraum mit Billard- und Pokertisch, beides Spiele, die ich kein bisschen beherrschte oder verstand. Es gab noch einen anderen, komplett freien, wo man sich vermutlich eine andere Beschäftigung aussuchen konnte. In einem Schrank befanden sich diverse Bretter und Kartensätze, darüber hatte man einen Fernseher angebracht, aus welchem jedoch kein Ton kam. An den Wänden befanden sich Lautsprecher, welche mit einer Stereoanlage verbunden waren und somit Musik wiedergaben, sobald man sie anschaltete. Noch einen Raum weiter gab es eine Art Lounge, wo man sich entspannen und quatschen konnte. In dieser befanden sich zwei Sitzecken mit kleinem Tisch. Gegenüber davon befand sich eine Bar, bei welcher man sich entweder selber bedienen konnte, oder aber es wurde ein Mixer engagiert, was öfter der Fall war. Gelegentlich wurden auch dort Treffen mit Businesspartnern abgehalten, dies fand aber meist Abends statt und dann wurden auch mehrere eingeladen. Bei diesen handelte es sich aber auch nicht um Verhandlungsgespräche, sondern lediglich um ein gesittetes beisammen Sein, welches ein paar Mal im Jahr untereinander einberufen wurde, um sich nicht aus den Augen zu verlieren.

„Es ist viel zu verarbeiten, das stimmt“ Lavender nahm einen Schluck von ihrem Getränk. „Aber ich glaub, du wirst dich schnell bei uns einleben. Du bist nicht dumm, das hab ich an deiner Arbeit bemerkt“

„Wie das denn?“ Hatte sie etwa einen Blick auf meinen Schreibtisch geworfen?

„Deine Ordnung ist schnell zu durchschauen. Du magst es, die Dinge zu deiner Rechten zu haben, die du noch bearbeiten musst. Alles links von dir ist schon vollendet und kann abgegeben werden. Ich sollte dir ein paar Ordner zukommen lassen, damit du nicht irgendwann in Papierkram untergehst“

„Um ehrlich zu sein“, fing ich an und biss mir kurz auf den Daumen. „Ich habe bereits Mister Domenicus um die verschiedenen Ordner der Klienten gebeten, um die Papiere einzuheften. Viele müssen hinzu sortiert werden, sonst könnte es zu Problemen kommen. Obwohl mir auch ein paar Neue aufgefallen sind.“ SW & H war nun mal in dieser Stadt eine sehr berühmte und beliebte Firma. Man vertraute den Mitarbeitern und ihrem Chef. An diese Standards musste ich mich anpassen.

„Huh“ Die Violetthaarige schien überrascht über meine Einsatzbereitschaft. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell einfindest. Umso besser!“ Sie klatschte in die Hände und lachte auf. „Ich wusste doch, dass es eine gute Entscheidung war, dich gleich einzustellen. Hoffentlich bleibst du uns noch länger erhalten“ Ich nickte ihr zu und lächelte. Es machte mir nichts aus, direkt unter Domenicus zu arbeiten, da ich ihn zwar momentan oft sah, aber kaum mit ihm sprach. Bislang hat er sich auch noch nicht über meine abgegebene Arbeit beschwert, weswegen ich davon ausging, dass ich alles doch zu seiner Zufriedenheit fertig stellte.

Wir plauderten noch ein wenig, bevor sich unsere Pausen dem Ende entgegen neigten. Sie erzählte mir von verschiedenen Gesprächen und Komplikationen, da ihr Kollege Zack noch immer krank war. Sie meinte zwar auch, dass er am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen sollte, aber durch seinen zweiwöchigen Ausfall hatte sich einiges angestaut, was nun abgearbeitet werden musste. Ich wünschte, ich könnte ihr helfen, aber sie benötigte die Hilfe ihres Gedankenlesers und nicht die einer Amateur-Sekretärin. Beiläufig erwähnte ich, dass ich am Abend noch ein Treffen vor mir hatte. Eine Art Blind-Date, meinte ich auf ihre Frage hin und brachte sie zum Kichern. Ich solle ihr alles erzählen, fügte sie noch hinzu. Daraufhin zuckte ich nur mit den Schultern. Ich hoffte nur, dass das nicht in die Hose gehen würde. Denn ich war zugegebener Maßen schon etwas aufgeregt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Narudia
2019-03-22T06:07:33+00:00 22.03.2019 07:07
Huhu,

ohje arme allie wer solche freunde hat brauch keine feinde mehr. wobei sie sicher nur gut meinen und ihr wirklich helfen wollen oder ich verstehe allie ich such mir meine Dates auch lieber selbst aus und wenn das bedeutet längere pausen zuhaben dann ist das eben so.
auf der arbeit scheint es ja erstmal wunderbar zu laufen das freut mich, und auch gut das sie nicht weiter von ihrem Chef drangsaliert wird sondern scheinbar wirklich eine Chance erhält. und er scheint sich ja auch für sie zu interessieren sonst würde er sie ja nicht ausfragen. bin schon gespannt welche art von wesen er eigentlich ist.
was wohl ihr Chef sagt sollte er von dem date erfahren? XD
bin wirklich gespannt wie es weitergeht.

lg narudia


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