Drei Haselnüsse sind nicht genug von Morathi ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Kapitel 7 Filips POV Vier Tage waren vergangen seit dem Ball der Katastrophen. Vier Tage ohne Bälle. Vier Tage, in denen seine Eltern nur mit kurzen, brüsken Aufforderungen mit ihm gesprochen hatten. Vier Tage ohne Matej. Vier Tage voller Kälte und Schnee, denn sie war nicht im Wald aufgetaucht. Stunden hatte er gewartet. So lange, dass sogar Kamil und Vitek zurück zur Burg geritten waren. Was für einen erneuten Wutanfall seitens seines Vaters gesorgt hatte. Denn wie konnte ein Prinz ohne Schutz unterwegs sein? Dass in diesen Wäldern bei dieser Kälte wohl kaum ein Räuber so lange ausharren würde, bis all seine Freunde weg waren, war jedoch nicht die Art Information und Antwort, die sich der König erhofft hatte. Filip war ratlos. Und verzweifelt. Es schmerzte tief in ihm drin und er hatte nicht gedacht, dass er solch einen Schmerz einmal spüren könnte. Er aß nicht mehr und trank nur, wenn es nicht mehr anders ging. Er konnte kaum schlafen und saß stattdessen auf seiner Fensterbank, hinaus in das Dunkle starrend. Vielleicht kam sie zurück. Vielleicht hatte sie nicht mitbekommen, dass die letzten Bälle abgesagt wurden. Vielleicht hatte sie es sich anders überlegt . . . Aber sie kam nicht. Doch als er am fünften Morgen mit Schmerzen in den Gliedern erwachte, wusste er, dass es so nicht weiter gehen konnte. Und das nicht nur weil Kamil und Vitek ihn mit denselben Worten aus seinem Zimmer schleiften. „So kann es nicht weitergehen, Filip!“ „Du machst dich noch selbst kaputt!“ „Sag endlich, was los ist!“ „Du kommst jetzt mit uns raus!“ „Was? Wohin?“ Kamil und Vitek stoppten für einen kurzen Moment und sahen ihn an als wäre er wahnsinnig geworden. Dann seufzte Kamil und machte sich weiter daran Filip für das Bad auszuziehen, während Vitek wieder auf ihn einsprach. „Natürlich um die Unbekannte zu suchen. Wir können dich doch nicht so leiden sehen, wenn wir an der ganzen Situation schuld sind. Und dabei habt ihr so glücklich gewirkt, ich kann wirklich nicht verstehen, wie ...“ „Sie ist keine Unbekannte.“ Noch einmal stoppten seine beiden Freunde mitten in der Bewegung und starrten ihn an, als hätte er das Fliegen gelernt. „Was? „Wie?“ „Wer?“ „Woher?“ Filip holte tief Luft: „Die Unbekannte ist Matej. Matej ist eine Frau, war es von Anfang an.“ __________________________ Vinzeks POV Sechs Tage schon war es her, seit Aschenbrödel weinend von dem Ball zurückgekehrt war. Sechs Tage, seit sie sich gewünscht hatte, dass sie den Prinzen nie wieder sehen will. Sechs Tage, in welchen sie das Gut nicht verlassen hat. Nicht einmal um mit Nikolaus auszureiten. Sechs Tage, in welchen Aschenbrödel schweigend jede noch so furchtbare Aufgabe erledigt hatte. Und nun, am siebten Tag, kam die Botschaft, dass der Prinz seine geheimnisvolle Braut sucht. Vinzek hörte es von dem Boten, welcher die Nachricht überbrachte. So schnell und unauffällig, wie er nur konnte, begab er sich in die Küche, wo Aschenbrödel dabei war, den Kamin zu säubern. Sie war bereits etwas hinein geklettert und kam voller Ruß und Spinnweben heraus als Vinzek sie rief. Sofort nahm er sie zur Seite und flüsterte so gut es ging. „Der Prinz sucht nach dir, Aschenbrödel. Er schickt eine Botschaft, dass er alle Familien der Umgebung besuchen wird, um dich zu finden. Ich werde die Glocke läuten, wenn er zu uns kommt, damit du dich verstecken kannst. Er wird dich nicht bei den Bediensteten suchen, du solltest hier in der Küche sicher sein.“ Aschenbrödels Miene verzog sich nur ein wenig, aber Vinzek konnte nicht erkennen ob die Nachricht sie schmerzte oder freute. Nach einem kurzen Moment nickte sie lediglich und stieg wieder in den Kamin. Wenn Vinzek kurz darauf in der Küche ein leises Schluchzen hörte, so sprach er sie nicht darauf an. Stattdessen ging er zum Stall und spannte seinen Esel vor die kleine Kutsche. Er musst sich beeilen, denn ihre Kleider waren noch in der Jagdhütte. Und wenn der Prinz tatsächlich alles durchsuchte, würde er sie dort finden. Und jeder konnte ihm sagen, dass diese Hütte dem ehemaligen Herren des Gutes gehörte. Aschenbrödels Vater. Er war noch keine hundert Schritte von dem Gut entfernt, als eine Gestalt auf den Weg trat und ihm den Weg versperrte. Trotz Kapuze war es nicht schwer Prinz Filip zu erkennen, der ihn aus eingefallenen Augen heraus anstarrte. „Was wollt Ihr?“ „Bitte, Vinzek, sagt mir, wo sie ist. Wer sie ist.“ Aber Vinzek schwieg. Was sollte er schon sagen? Sicher nicht, was er wollte. Denn dies war der Prinz. „Bitte. Ich möchte nur mit ihr reden.“ „Sie wird euch nicht sehen.“ Und mit diesen Worten trieb er den Esel wieder an und an dem Prinzen vorbei. Dass er die Verzweiflung sehr deutlich auf dessen Gesicht lesen konnte, ignorierte er. Er hatte schließlich einen Wunsch zu erfüllen. ___________________________ Aschenbrödels POV Die Glocke läutete und Aschenbrödel wusste, es war so weit. Sie hätte es auch ohne Vinzeks Hilfe gewusst, rannte doch der gesamte Hof wie ein Haufen Hühner umeinander. Ihre Mutter und Schwester waren bereits seit Tagen aufgeregter als sie sein dürften. Sie wussten doch, dass Dora nicht die Frau war, die er suchte. Oder dachten sie, er könnte es sich anders überlegen, wenn er sie sah? Der Gedanke schmerzte. Wie konnte ein Gedanke so weh tun? Es war kein Schnitt, keine Wunde, aber sie wollte sich zusammenrollen und weinen. Dabei hatte sie schon genug geweint. Zu viel. Er war diese Tränen doch überhaupt nicht wert. Und doch waren sie da. Tränen für die Freundschaft, die sie verloren hatte. Tränen für die mögliche Liebe, die sie verloren hatte. Für einen möglichen Weg aus ihrem Leben heraus. Sie hatte als erstes „Nein“ gesagt, hatte Filip ersparen wollen eine ihm unbekannte Frau zu heiraten. Eine Frau, die ihn zudem für Wochen bereits belogen hatte. Und doch hatte sie für einen Moment gehofft, „Ja“ sagen zu können. Um bei ihm zu bleiben und wieder mit ihm tanzen zu können. Aber sie wusste, sie konnte nicht, sie durfte nicht. Sie hatte Vinzek gesagt, dass Filip sie abgelehnt hat, als er sagte, dass sie Zeit bräuchten. Und es war auch kein Antrag gewesen, aber es war auch nicht der Grund gewesen, warum sie ihn nicht mehr sehen wollte. Sie hatte es gesagt, damit Vinzek nicht versuchte sie vom Gegenteil zu überzeugen. Es war ein Traum gewesen. Ein schöner Traum, aber nichts desto trotz ein Traum. Sie war eine Magd, egal wer ihr Vater gewesen sein mochte. Sie war eine Magd und keine Prinzessin. Sie war nicht dafür geeignet am Hofe zu leben und der König hätte es sicher nicht zugelassen, hätte er die Wahrheit erfahren. Warum hätte sein Sohn auch eine einfache Magd heiraten sollen, wenn man diese aufgrund von Betrug nicht auch einfach in den Kerker werfen konnte? Nein, das Leben einer Prinzessin war nichts für sie. Und wie könnte sie es auch ertragen, Filip belogen zu haben? Ihn zu belügen und der Grund für eine gezwungene Heirat zu sein, war zu viel. Er hatte ihr doch so häufig gesagt, dass er kein Interesse an einer Braut habe. Sie waren beide nicht bereit und nun war wohl jede Chance auf ein Leben zusammen verflogen. „Auf dein Zimmer!“, brüllte ihre Stiefmutter, bevor sie Aschenbrödel die letzte Treppe hinauf scheuchte und ihre Türe abschloss. Wusste sie etwas? Aschenbrödel lauschte dem Knarzen des Tores, dem Tönen der Fanfahren und der Begrüßung des Prinzen durch den Hofmeister. War das vielleicht ihre letzte Chance Filip zu sehen? Mit zwei Handgriffen schob sie ihr kleines Pult unter das noch kleinere Fenster im oberen Eck ihres Zimmers. Den alten Stuhl stellte sie noch darauf, so dass sie durch das alte Glas in den Hof sehen konnte. Als ob das Glück es so wollte, stand in ihrem Blickfeld der Prinz. Filip . . . Da trat ihre Stiefmutter auf ihn zu und begrüßte ihn. Da stieg Filip von seinem Pferd und rief aus: „Wer seid Ihr?“ Und da kam Dora dazu, ein grünes Kleid am Leibe und ein samtener Schleier vor ihrem Gesicht. Aschenbrödel überlief es kalt. Wie hatte sie die Kleider gefunden? Wann hatte sie diese gefunden? Es musste Tage her sein, sonst hätte sie es nicht verändern lassen können. Und dachte sie wirklich, Prinz Filip würde darauf hereinfallen? Doch dann dachte sie zurück an die Nächte im Schloss. An den dämmrigen Kerzenschein und an ihren Schleier, der immer ihr Gesicht versteckt hatte. Wie sollte Prinz Filip auch wissen, dass sie es nicht war? Er hatte ihr Gesicht nie gesehen. Nicht als Gast auf seinem Ball. Immer nur als Matej, als Mann. Er würde nicht erkennen, dass es ein Schwindel war. Er würde auf Dora hereinfallen und er würde sie heiraten. Eine unbekannte Wut ergriff von Aschenbrödel Besitz, als sie sah, wie Filip auf Dora zu trat. Dora hatte ihr schon so viel genommen, aber Filip würde sie nicht bekommen! Sie hatte ihn verdient und sie hatte kein Recht auf diese Kleider! „STOPP! HALT!“ Mit beiden Händen schlug sie gegen die Wand und auf das Fenster, als würde ihr Leben davon abhängen. Sie konnte nicht hören, was unter ihr gesagt wurde, aber sie sah, wie die Anwesenden kurz aufsahen, bevor sie sich wieder einander zu wanden. War sie etwa so leise? Frustriert schlug sie weiter auf die Wand ein, sodass der Mörtel bröckelte und ihr Stuhl schwankte. Wieso? Wieso? Wieso? Fassungslos beobachtete sie, wie Filip Dora noch näher kam und vorsichtig ihren Schleier ergriff. Mit einer kleinen Bewegung war der Schleier weg und eröffnete den Blick auf Doras Gesicht. Aschenbrödel hatte aufgehört auf die Wand zu schlagen und hielt sich an dem Fensterrahmen fest. Was . . . ? Der Prinz warf den Schleier auf den Boden, drehte sich um, sprang auf sein Pferd und ritt hinaus, ohne sich zu verabschieden. Was war passiert? _______________________ Kamils POV Filip war kurz davor vor Wut zu platzen. Kamil und Vitek kamen ihm kaum hinterher, so trieb er sein Pferd an. Aber was genau war vorgefallen? Kamil war verwirrt. „Filip!“ „Lass es“, meinte Vitek neben ihm, den Kopf schüttelnd, „Wenn er sich beruhigt hat, können wir mit ihm reden.“ „Aber was ist los? War das nicht Matej?“ Wie Vitek es mitten im Reiten schaffen konnte, ihm solch einen verurteilenden, enttäuschten Blick zuzuwerfen, war bewundernswert. „Matej ist klein und blond. Das war nicht Matej!“ Direkt vor ihnen brachte Filip seine Stute zu einem abrupten Halt, so dass sie ihm beide ausweichen mussten, bevor auch sie ihre Pferde zum Stehen brachten. „Was?“ „Was?“ „Sie hat ihr Kleid angehabt!“ „Ja?“, Kamil war vorsichtig. Filip schien immer noch kurz davor zu sein jemanden schlagen zu wollen. Beruhigt? Von wegen! „Diese Frau hat Matejs Kleid getragen. Ich selbst habe es Matej geschenkt. Wie kann sie es wagen, sich als Matej auszugeben?!“ „Bist du sicher, dass sie es nicht ist?“ Kamil hatte Matej noch nie so sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt. Warum auch? „Ich bin mir absolut sicher“, fauchte Filip, „Das hier war die Tochter der Gutsbesitzerin. Wir haben alle mit ihr getanzt. Ich bin ihr auf die Zehen gestiegen und sie hat mir Komplimente gemacht!“ „Vielleicht hat sie sich umgezogen?“ „Sie waren gleichzeitig dort!“ Filip lief auf und ab, den Blick vor sich gerichtet. „Aber“, begann Kamil, eine neue Idee im Kopf, „Wenn diese Tochter ihre Kleider hatte, dann muss Matej doch irgendwo auf diesem Gut sein. Gibt es keine Schwester?“ „Niemand, der mir vorgestellt wurde.“ „Und wenn sie eine Magd ist?“ Filip blieb stehen, als wäre er vom Blitz getroffen worden. Er schien nicht einmal mehr zu atmen. „Filip?“ Er hob seinen Blick, einen Funken Hoffnungen im Blick, gepaart mit Verzweiflung. „Deshalb hat sie mich abgewiesen . . .“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)