Drei Haselnüsse sind nicht genug von Morathi ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Kapitel 2: Filips POV Filips Blick war starr auf den Mann vor ihm, die Armbrust direkt auf dessen Oberkörper gerichtet. Dieser Mann sah nicht nach einem Verbrecher aus, aber man konnte sich nie sicher sein. Er war zudem mit Sicherheit Matej gefolgt. „Warum versteckt Ihr Euch hinter Bäumen wie ein Feigling? Kommt raus und stellt euch!“ Der Mann blinzelte mehrfach, bevor er erschreckt die Arme hoch nahm. „Ich tue niemandem etwas, bitte glaubt mir!“ „Dann sagt mir, was Ihr hier zu suchen habt und warum Ihr euch während unserer Jagd versteckt habt.“ Noch immer schwankte die Waffe nicht, auch wenn Filip sich wieder etwas entspannte. Der Mann schien zu überlegen wie er sagen sollte, was er sagen musste und Filip hatte langsam eine Vorahnung um was es ging. Oder genauer: um wen es ging. „Ich tue niemandem etwas und ich bin nicht im Auftrag von jemandem hier, sondern aus Sorge.“ „Sorge?“ „Ja, Sorge. Es geht um euren Gast . . .“ „Ah, um Matej.“ Wieder ein Blinzeln. Natürlich war das nicht ihr richtiger Name gewesen. Und doch war Filip ein klein wenig enttäuscht. „Ja, um Matej . . .“ Scheinbar wusste der Mann wieder nicht, was er sagen sollte. Sollte er ihm auf die Sprünge helfen? Ihn aus seiner misslichen Lage befreien? Aber was wusste dieser? Was konnte er selbst verraten ohne Matej in Schwierigkeiten zu bringen? Wer wusste noch, dass sie eine Frau war? Wobei das Geheimnis wohl eher ihre Verkleidung als Mann war. Und das kam sicher nicht gut bei ihrer Familie an. War der Diener deshalb geschickt worden? Dieser hatte sie zumindest schon gesehen. Er wusste, dass sie sich als Mann ausgab und jagen ging. Sie schützen konnte Filip jetzt nur auf andere Weise. Und dafür musste er erst einmal wissen was los war. „Ich hoffe sie ist nicht in Schwierigkeiten?“ „Sie?“ Der arme Mann wirkte ganz verwirrt und Filip senkte langsam die Armbrust. „Ja, sie. Oder nicht?“ „Doch, doch. Ich wusste nur nicht ob Sie . . . wer sind Sie überhaupt?“ Filip hob die Waffe wieder: „Noch stelle ich die Fragen hier.“ Und nach einem Moment der Stille: „Wie heißen Sie?“ „Vinzek.“ „Okay, Vinzek. Wussten Sie, dass Matej sich als Mann verkleidet?“ „Ich wusste dass sie die Uniform zum Ausreiten anzieht, aber nicht, dass sie sich als Mann ausgibt um zu jagen.“ „Sie ist gut“, Filip lachte, „Aus diesem Grund darf sie auch dabei sein. Sie ist besser als der Rest von uns zusammen. Woher kann sie das?“ Vinzek verschränkte die Arme: „Das sollten Sie sie besser selbst fragen.“ Filip seufzte und senkte die Armbrust vollständig: „Da sie nicht weiß, dass ich weiß, dass sie eine Frau ist, ist das ein etwas heikles Gesprächsthema. Aber eine ganz andere Frage: Warum habt Ihr sie verfolgt?“ „Ich musste wissen woher die Beute kam. Habt ihr eine Genehmigung des Königs? Ich möchte nicht, dass sie in Schwierigkeiten gerät.“ „Seid Ihr ihr Vater oder weshalb machen Sie sich solche Sorgen? Sie sehen nicht aus wie ein Adeliger.“ „Mein Stand tut nichts zur Sache. Habt Ihr eine Genehmigung?“ Filip wollte schon aus Prinzip auf dem Thema verharren, aber dann würde er wohl gar nichts mehr herausfinden. Zudem blieb die Frage offen wie viel Einfluss dieser Vinzek auf Matej hatte. Konnte er dafür sorgen, dass sie nicht mehr ausreiten konnte? Konnte er sie einsperren? „Ich bin die Genehmigung.“, stellte er also stattdessen klar und präsentierte seine Hand, das köngliche Siegel gut sichtbar auf seinem Ring. Es dauerte auch nur einen Moment, dann sank Vinzek vor Schreck zu Boden: „Eure Majestät, Prinz Filip?“ Filip nickte so majestätisch wie er nur konnte. Warum ihm das königliche Benehmen immer dann schwer fiel wenn es darauf ankam war ihm selbst ein Rätsel. Mit einem Mal wurde Vinzek bleich. Er stand wieder auf und kam näher an Filip heran, die Stimme fast nur ein Flüstern: „Ist sie in Schwierigkeiten, Sir?“ „Nein. Nein!“, versuchte Filip ihn zu beruhigen. Er musste die Situation eindeutig entschärfen, sonst wäre es aus mit dem wöchentliche Jagdtreffen. Und er genosse diese Jagdtreffen. Sie war eine würdige Konkurrenz und weit davon entfernt ihm ununterbrochen zu schmeicheln. Ihr einziger Wunsch war es zu jagen und das gefiel ihm. „Sie ist nicht in Schwierigkeiten. Solange sie mit mir jagt, gibt es keine Probleme. Und ich werde auch nicht verraten, dass sie eine Frau ist. So weit ich es beurteilen kann möchte sie einfach nur jagen. Sie ist gut und ich sehe keinen Grund ihr das zu verbieten. Ich verstehe jedoch, wenn ihre Familie damit ein Problem hat.“ Vinzek gab so etwas wie ein Schnauben von sich, erklärte sich jedoch nicht weiter und Filip fragte nicht nach. Es würde besser sein nicht mehr zu wissen. Der andere Mann blieb für einen Moment länger stumm und schien nachzudenken. „Ich werde niemandem von unserer Begegnung erzählen, wenn Euch das recht ist, Eure Majestät. Ich werde sie auch nicht davon abhalten mit auf die Jagd zu gehen. Solange Ihr versprecht auf sie auszupassen.“ Der Blick, den Filip erhielt, glich einem Vater, welcher seine Tochter in die Ehe geben musste. Nicht, dass er diesen bisher schon einmal auf sich gerichtet gesehen hatte, aber als seine beiden Schwestern geheiratet hatten, waren dies die Blicke seines Vaters gewesen. Nicht, dass er Matej heiraten wollte. Aber zu wissen dass sie inmitten einer Gruppe an Männern allein unterwegs war, war wahrscheinlich noch schlimmer als sie zu verheiraten, also sagte er nichts dazu. „Ich werde auf sie aufpassen, ich verspreche es.“ „Und wenn jemals etwas sein sollte“, Vinzek holte tief Luft „Ihr findet mich auf Gut Nemec. Auch wenn Nemcova inzwischen passender ist.“ „Danke.“ Für einen weiteren Moment blieben beide Männer stumm. Dann verbeugte sich Vinzek, murmelte „Meine Empfehlung, Eure Majestät“ und ging mit seinem eigenen Pony an Filip vorbei zurück zur Hauptstraße. Na wenn das mal keine seltsame Begegnung gewesen war . . . _______________________________ Matej war wieder da. Filip hatte nicht gedacht, dass er nervös oder angespannt war, aber als er Matej auf Nikolaus an ihrem Treffpunkt warten sah, merkte er wie er vor Erleichterung ein wenig in sich zusammen sank. Er hatte gehofft, dass sie keine Konsequenzen erleiden müsste, doch die Chance dass sie nicht wiederkommen würde, hatte bestanden. Auch ihre Begrüßung schien normal zu sein. Sie gab ihm, selbst in einer kurzen Unterhaltung zu zweit, nicht zu verstehen, dass sie von seinem Gespräch mit Vinzek wusste. Er würde diese Charade zwar gerne auflösen und ihr die Freiheit geben als Frau dabei zu sein, aber gleichzeitig wusste er, dass dies alles ändern würde. Denn es gab keine Freiheit für sie, wenn sie sich als Frau zeigte. Erst Recht nicht in Begleitung von mehreren Männern und einem Prinzen. Der auch ein Mann war . . . Die Treffen waren, als wäre nie etwas geschehen und bald schon kam ihm das Gespräch im Wald wie ein böser Traum vor. Ein böser Traum, der das Ende einer guten Zeit hätte hervorrufen können. Denn diese Jagd, diese Ritte und diese Zeit mit seinen Freunden und Matej waren sein Lebensinhalt. Sein Vater wollte, dass er lernte und sich eine Braut suchte, aber am Hofe fühlte er sich eingeengt und erstickt. Er hatte gehofft dass sein Vater die Hochzeitspläne zumindest über den Winter vergessen würde, aber stattdessen hatten sie noch mehr Gestalt angenommen. Es schien als wäre es dem König zu langweilig geworden. Und so wurde eine Woche voller Bälle geplant. Nicht von ihm selbst und auch nicht von seinem Vater, aber von seinen Beratern und seiner Mutter. Nicht, dass er auch nur eine der anwesenden Damen kennen würde. Oder kennenlernen würde an so einem Abend. Er akzeptierte, dass er wohl eine Frau heiraten würde, die ihm unbekannt war. Aber konnte das nicht noch ein wenig warten? „Denkst du an deine Tanzstunden, mein Sohn?“ Seine Mutter war eine gute Frau, aber warum sollte er tanzen lernen? Wen sollte er beeindrucken? Bei wem konnte er sich blamieren, wenn er doch niemanden kann . . . Matej! Matej würde dort sein. Sie war adelig, dessen war er sich sicher. Und da jede Adelige im Umkreis eingeladen war, würde sie auch dabei sein. Das bedeutete, dass er jemanden kannte und dass er jemanden hatte, den er zum Tanzen auffordern konnte, ohne sich komplett zu blamieren. Und doch war es ihm bei ihr, aus freundschaftlichen Gründe, umso wichtiger ihr nicht auf die Füße zu treten. Und so kam es, dass Filip tanzen lernte. Nicht besonders gut und auch nicht besonders motiviert, aber er versuchte es und zwang sogar Kamil und Vitek dazu mitzumachen. Immerhin würden sie auch bei dem Tanz dabei sein. Ob sie Matej wiedererkennen würden? Er hatte nie mit ihnen darüber gesprochen welches Geschlecht ihr neuer Freund hatte, aber er war sich sicher sie hatten zumindest eine Ahnung. Diese Qual mitzumachen sollte sich besser lohnen . . . ________________________ Der Ballabend kam. Der Ballabend verging. Und egal wie verzweifelt er suchte, Filip konnte Matej nicht finden. Er kannte doch ihr Gesicht, warum aber fand er sie dann nicht? War sie doch unter den Männern? Aber auch hier hatte er kein Glück, ebenso wenig als er seine Freunde dazu befragte. Niemand hatte sie gesehen und er wusste nicht einmal ihren Nachnamen. Wieso war sie nicht aufgetaucht? Hatte sie etwa Angst er würde sie erkennen und bloß stellen? Das musste es sein! Aber das konnte er nicht auf sich sitzen lassen! Gut Nemec hatte Vinzek gesagt. War sie auch von dort? Eine Tochter? Oder eine Bekannte auf Besuch? Als er unauffällig den Berater seines Vaters nach Gut Nemec fragte, zeigte dieser auf eine Mutter und eine Tochter, die beide mit großer Sicherheit nicht Matej waren. Wo Matej blond und klein war, war die Mutter dunkelhaarig und groß, noch unterstützt durch einen riesigen Schirm als Kopfbedeckung. Die Tochter war schlank und hoch gewachsen und hätte niemals in die Schuhe von Matej gepasst. Aber vielleicht konnten sie ihm ja eine Antwort bieten. Und so kam es, dass er Dora zum Tanz aufforderte. Riskant, so wusste er, aber er wollte eine Antwort. „Es ist eine Ehre mit euch zu tanzen, Eure Majestät.“ Filip versuchte verzweifelt sich an die Schritte zu erinnern und gleichzeitig Konversation zu betreiben und sich eine Strategie auszudenken. „Obwohl ich Euch die ganze Zeit auf die Füße trete?“ Das mit der Konversation konnte er wohl vergessen. Doch Dora lachte nur und wiederholte: „Es ist mit eine Ehre.“ Dieser kurze Austausch reichte schon, dass er wieder weg wollte. Doch zuvor musste er noch eine Antwort erhalten. „Ihr seid von Gut Nemec, habe ich recht?“ Jetzt strahlte sie wahrlich: „Ja, das habt ihr euch gut gemerkt, Eure Exzellenz.“ „Ich konnte leider bei dem Besuch meines Vaters nicht dabei sein. Erzählt mir doch ein klein wenig von euch. Habt ihr noch Schwestern, Brüder oder Cousinen bei euch? Und ist Euer Vater heute Abend auch hier?“ Der letzte Satz war ein Fehler, das merkte er zu spät. Wahrscheinlich dachte sie jetzt bereits an einen Heiratsantrag und er versuchte sich noch schnell zu retten: „Ich frage nur, weil ich meine keinen Mann bei der Vorstellung gesehen zu haben.“ Dora zwinkerte langsam, bevor sie sprach: „Da habt Ihr Recht, Eure Majestät. Gut bemerkt. Mein Stiefvater starb vor wenigen Jahren und hat meiner Mutter und mir das Gut hinterlassen. Ich habe keine weiteren Geschwister, aber eine Menge Cousinen und Cousins, das stimmt.“ Oh, dann war es wohl eine weiter entfernt Verwandte. Kein Wunder, dass alles etwas ominös war. Hatte sie gedacht sie dürfte nicht mit? Oder doch, dass er sie erkennen würde? „Mein Beileid Euch und Eurer Mutter. Ich hoffe die Arbeit ist nicht zu schwer nach so einem Verlust.“ „Vielen Dank, mein Herr, ich bin ...“ „Mein Vater hat mir gerade gewunken, ich muss leider zu ihm zurück kehren. Bitter verzeiht mir meine Unhöflichkeit. Vielen Dank für diesen Tanz.“ Und damit verschwand Filip in der Menge. Morgen würde er nach Gut Nemec reiten und sich nach Vinzek erkundigen. Morgen würde er erfahren wer sie war. Oder ihr zumindest zu einer Einladung verhelfen. Denn wenn er ehrlich war, sie war der einzige Grund gewesen, weshalb er sich auf diesen Ball gefreut hatte. Und wenn er jetzt eine Woche lang diese Bälle ohne sie durchstehen musste, würde er verrückt werden. Warum das so war? Darüber wollte er lieber gar nicht erst nachdenken. Matej war ein Freund, oder eine Freundin und in Zeiten von Not braucht man Freunde. Das war alles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)