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Drei Haselnüsse sind nicht genug

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo an alle lieben Leser! Schön, dass ihr den Weg hierher gefunden habt ;)
Ich habe mich ein wenig inspirieren lassen und das Original ein wenig abgeändert (zB. bekommen jetzt ganz viele einen Namen!). Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über Rückmeldungen ^^

Ps. Ich bemühe mich um korrektes Schreiben, aber es kann sein, dass sich mal ein Fehler dazwischen schleicht. Ihr dürft sie gerne behalten, wenn ihr sie findet ;) Komplett anzeigen

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Vinzek POV
 

„Vinzek! Fahr sofort in die Stadt. Unser Stoff ist nicht genug und du musst unbedingt . . .“
 

Vinzek folge den Anweisungen der Gutsherrin so gut es ging. Zum Glück war er ihre Art ja gewohnt. Auch wenn er trotzdem das ein oder andere vergessen würde. Besser er nahm von dem gelben Stoff etwas mehr mit, das konnte sicher nicht schaden. Warum die Herrin nicht selbst in die Stadt fuhr und sich um die Mode kümmerte, verstand er jedoch nicht. Er war nur ein Knecht, was verstand er schon von Stoffen und Kleidern? Aber er hatte inzwischen Erfahrung in dieser Aufgabe, auch wenn ihn die Verkäuferin immer noch verwundert ansah, wenn er ihren Laden betrat.
 

„Aschenbrödel!“
 

Vinzek zuckte zusammen und sah zu dem Mädchen neben ihnen, welches sich bemühte zu erraten was sie schon wieder falsch gemacht hatte.
 

„Das ist nicht die Kette, die ich wollte!“

„Aber Ihr sagtet doch ‘Die Kette mit dem Rubin und dem silbernen Verschluss.’.“
 

Zusammen mit ihren Worten hob sie eine Kette hoch, welche einen funkelnden Stein und einen silbernen Verschluss besaß.
 

„Kannst du nicht mehr recht hören? Ich sagte die Kette mit dem Diamant und dem goldenen Verschluss!“
 

Ohne ein weiteres Wort drehte sich Aschenbrödel wieder um. Mit der Herrin oder Dora zu diskutieren hätte nichts gebracht, dass wusste auch Vinzek. Und doch hatte er das Bedürfnis ihr zu helfen. Nicht nur weil sie seinen Sohn an diesem Tag vor Schlägen beschützt hatte, sondern weil sie es immer tat: sich vor andere stellen und die Wut ihrer Stiefmutter auf sich ziehen, auch wenn sie selbst nichts getan hatte. Aber sie ließ sich auch nicht helfen. Er hatte es häufig genug versucht. Und er würde es immer wieder tun.
 

„Soll ich dir etwas aus der Stadt mitbringen?“

Er hatte genug Geld dabei um ihr eine kleine Schleife oder einen Keks mitzubringen. Den Verlust würde die Herrin sicher nicht bemerken bei all dem was sie bestellt hatte. Am liebsten hätte er Aschenbrödel jedoch eingepackt und mit zu seiner Frau in die Hütte genommen. Das kleine Ding war sicher ganz verfroren so wie sie am Fluss die Wäsche wusch.
 

„Bringt mir mit, was Euch vor die Nase fällt.“
 

Vinzek musste lachen, was Aschenbrödel ein noch breiteres Grinsen hervorlockte.

„Wie du möchtest. Ich bin mir sicher ich finde etwas.“
 

Das würde leicht werden, hatte er gedacht. Zumindest bis er auf dem Heimweg war und trotz riesigen Rollen an Stoff kein Geschenk für Aschenbrödel dabei. Doch er wusste, dass sie ihm nicht böse sein würde und so wartete er ab. Nicht umsonst, wie sich herausstellte, als ihm ein Nest mit drei Haselnüssen in den Schoß fiel. Drei Haselnüsse . . . dazu kannte er eine Legende. Das könnt er Aschenbrödel auch erzählen, das würde ihr gefallen. Oder aber . . . Vinzek hatte eine Idee.
 

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Als die Herrin mit viel Geschrei zu ihrer Tochter rannte und die Stoffe hoch hielt, lehnte sich Vinzek zu Aschenbrödel: „Mir ist tatsächlich etwas vor die Nase gefallen. Komm nach dem Abendessen kurz in die Stube, dann gebe ich es dir.“
 

Als Aschenbrödel ein paar Stunden später die Küche betrat, glänzten ihre Augen bereits erwartungsvoll. Würde er sie nicht so gut kennen, er hätte sich Sorgen gemacht dass sie zuviel erwarten würde. Doch sie setzte sich brav und mit Erleichterung auf das Kaminsims, als er sie dort hin wies.
 

„Habe ich dir jemals von der Prinzessin mit den drei Haselnüssen erzählt?“

Sie schüttelte den Kopf, ein Lächeln auf den Lippen und die Augen fest auf ihn gerichtet.
 

Es war einmal eine Prinzessin, die hatte alles, was sie sich wünschte. Geld, Freunde und Familie. Und weil sie das alles so mochte, wollte sie auch nichts davon hergeben. Doch eines Tages passierte ein großes Unglück. Ihre Eltern starben und der neue König schickte sie hinaus. Sie hatte nichts mehr und wollte doch so viel. Sie musste nun betteln. Doch wenn sie nach etwas zu essen fragte, reichte ihr das Brot nicht. Sie wollte Kuchen. Wenn sie übernachten wollte, verlangte sie das Bett des Hausherren und wollte nicht auf Stroh liegen. Bald schon gab ihr niemand mehr Essen. Keiner ließ sie bei sich übernachten. So ging sie einsam nachts im Wald umher als sie plötzlich ein Feuer bemerkte. An diesem Feuer saß eine alte Frau. Die Prinzessin war so hungrig und müde, dass sie zu dem Feuer stürzte und das halbgare Kaninchen vom Stock riss und aß, ohne zu fragen. Da stand die alte Frau auf und ihre Stimme klang wie ein Donner: „Du nimmst ohne zu fragen oder bitten?!“
 

„Aber ich habe solch einen Hunger! Niemand gibt mir etwas und ich habe seit Tagen nicht gegessen und nicht geschlafen.“
 

„Und doch isst du anderen das Essen weg? Weißt du, ob ich nicht schon viel länger ohne einen Bissen bin? Hättest du gefragt, hätte ich mit dir geteilt. Doch nun muss ich dich bestrafen!“
 

Und sie gab der Prinzessin drei Haselnüsse.
 

„Diese Haselnüsse erfüllen dir Wünsche. Aber sie erfüllen nur gerechte Wünsche. Wenn du für jede Nuss einen gerechten Wunsch gefunden hast, wird das Glück zu dir kommen.“
 

Und damit verschwand die alte Frau im Wald. Die Prinzessin aber wünschte sich ein Schloss und einen Berg voll gebratener Truthähne sowie das weichste Bett auf Erden. Doch nichts geschah. Immer wieder versuchte sie es, doch keine der Nüsse erfüllte auch nur einen Wunsch.
 

Nach zwei weiteren Tagen wurde sie krank und merkte, dass sie nicht mehr lange so leben könnte. Zitternd nahm sie eine Nuss in die Hand und wünschte sich eine Flamme, um sich zu wärmen. Die Nuss fiel zu Boden, doch es gab kein Feuer. Also ging sie weiter und stieß auf ein kleines Haus. Sie klopfte an der Türe und ein alter Mann öffnete. Er sah sie frieren und lud sie ein, sich an sein Feuer zu setzen. Dankbar wärmte sich die Prinzessin. Doch sie wagte es nicht nach Essen zu fragen. Stattdessen ging sie wieder, sobald es ihr besser ging. Der Mann verabschiedete sie freundlich. Zurück im Wald holte sie die Nüsse heraus. Sie wünschte sich eine Hand voll Beeren und die Nuss fiel herunter. Mit offenen Augen machte sich die Prinzessin auf die Suche nach den Beeren und stieß kurz darauf auf einen vollen Busch. Doch da der Busch an einem Feld stand, wollte sie den Bauern fragen. Die Frau des Bauern kam vorbei und die Prinzessin fragte, ob sie ein paar Beeren pflücken dürfte. Die Frau sah wie schlecht es dem Mädchen ging und gab ihr einen Korb mit Möhren, Kartoffeln und Beeren.

„Wenn du uns morgen bei der Ernte hilfst, kannst du noch mehr haben.“

Da bedankte sich die Prinzessin und ging wieder. In dieser Nacht schlief die Prinzessin mit dem Kopf auf einem Stein. Als ihre Glieder am morgen schmerzten holte sie die dritte Haselnuss hervor und wünschte sich etwas Stroh zum Schlafen. Sie aß ein paar Beeren und eine Karotte bevor sie zurück zu dem Feld ging und der Bäuerin bei der Ernte half. Am Ende vom Tag gab diese ihr einen Korb mit etwas zu essen. Das ging so ein paar Tage lang.

Jeden Tag fragte die Bäuerin sie nur eine Frage. Ansonsten arbeiteten sie schweigend.

Am fünften Tag fragte sie: „Hast du ein Heim?“

Da sagte die Prinzessin: „Der Wald ist mein Heim, Eure Beeren meine Mahlzeit und die Sonne mein Feuer.“

„Ist dir nicht kalt?“

„Es ist sehr kalt.“, sagte die Prinzessin. Und dann fragte sie: „Ich wünsche mir etwas Stroh für die Nacht. Würdet ihr mir etwas Stroh geben? Ich arbeite auch dafür.“

Da sagte die Frau: „Komm mit.“

Sie luden alle Körbe mit Ernte auf einen Wagen und gingen mit dem Wagen zurück zu dem Haus der Bäuerin. Es war das Haus, in dem sich die Prinzessin gewärmt hatte.

„Dieses Mädchen hat uns geholfen.“, sagte die Bäuerin zu ihrem Mann. Der Bauer hatte einen Klumpfuß und konnte nicht auf das Feld hinaus gehen.

„Lasst mich euch helfen.“, sagte die Prinzessin, „Damit Eure Ernte nicht schlecht wird. Ich werde am Morgen kommen und den Wagen holen.“

Da lachte der Bauer: „Setz dich, Kind. Iss etwas und wärme dich auf. Du brauchst nicht mehr in den Wald gehen. Wenn du uns hilfst, kannst du hier bleiben. Unser Sohn ist ausgezogen und wir haben eine Kammer zu viel. Es ist nichts besonderes und das Bett ist aus Stroh, aber du wirst es warm haben und keinen Hunger leiden.“
 

Da freute sich die Prinzessin und wusste, dass die alte Frau die Wahrheit gesprochen hatte. Sie mochte nicht mehr auf Seide schlafen und keine gebackenen Truthähne mehr haben, aber das was sie hatte, war ein Geschenk. Sie hatte ihr Glück gefunden. Und wer weiß? Vielleicht backt sie heute ihren eigenen Kuchen oder fängt selbst einen Truthahn für das Festessen?
 

Aschenbrödel hatte von Anfang bis Ende zugehört und nichts gesagt. Nun lächelte sie: „Die Prinzessin ist ein glückliches Mädchen.“

Vinzek holte statt einer Antwort die drei Haselnüsse heraus und legte sie dem Mädchen auf den Schoß. Bevor sie etwas sagen konnte, erhob er sich: „Denk daran, es müssen gerechte Wünsche sein.“

Und mit diesen Worten ging er in die Nacht hinaus.
 

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„Warum erzählst du dem Mädchen solch einen Unsinn? Und so traurig für ein junges Mädchen. Dass sie sich nichts wünschen darf.“
 

Vinzek sah von seiner Pfeife auf und zu seiner Frau, welche am Feuer saß und einen Socken stopfte. Ihr Sohn wuchs zu schnell, das war klar.
 

„In unserer Position können wir uns kaum ein Schloss wünschen, Schatz.“
 

„Und trotzdem sollte es erlaubt sein zu träumen.“
 

„Aschenbrödel traut sich nicht einmal sich etwas einfaches zu wünschen. Hätte ich ihr ein Schloss versprochen, hätte sie mir nie geglaubt.“
 

„Du denkst sie glaubt, dass die Nüsse magisch sind?“
 

„Selbst wenn sie es nicht glaubt, sie wird es aus Neugierde ausprobieren. Und ich werde da sein wenn sie sich etwas wünscht, das wir erfüllen können.“
 

Seine Frau sah ihn mit einem milden Lächeln an: „Das wird der Herrin gar nicht gefallen.“
 

Vinzek lachte. Seine Frau verstand ihn zu gut.
 

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Aschenbrödels Wünsche herauszufinden war nicht schwierig. Sie fragte, ob sie die Wünsche geheim halten müsste und als er verneinte, gab sie zu, dass sie gerne wieder ausreiten würde. Vinzek sprach mit den restlichen Bewohnern des Guts über seinen Plan und sie stimmten ein, dass sie ihm helfen würden. Und so dauerte es nicht lange, bis sich die erste Gelegenheit ergab und kurz vor dem Besuch des Königs alles bereit war und niemand mehr Aschenbrödels Hilfe benötigte. Nicht dass sie in der ersten Reihe hätte stehen dürfen. Und ihr Interesse an dem König war wohl auch sehr gering. Als sie zurück kehrte strahlte sie Glück und Zufriedenheit aus, wie es der Rest seit langem nicht mehr gesehen hatte. Die Herrin war dagegen gar nicht glücklich. Ob das an dem fehlenden Prinzen oder Aschenbrödels guter Laune lag, konnte Vinzek jedoch nicht sagen.
 

Vinzek wusste auch, dass sie sich wünschte wieder zu jagen. Der Wunsch würde etwas schwieriger werden, denn als Frau und Bedienstete musste sie vorsichtig sein. Doch ein Besuch beim Jäger half aus. Dieser hatte noch eine Uniform seines Sohnes, bevor dieser ausgezogen und in den direkten Dienst des Königs getreten war.
 

„Erinnere sie daran vorsichtig zu sein.“, mahnte er noch, doch Vinzek wusste dass er diese Mahnung nicht an Aschenbrödel weitergeben musste.
 

Seit ihrem ersten Ausritt traute sie sich immer häufiger hinaus zu gehen. Manchmal nur für ein paar Minuten, manchmal für eine ganze Stunde. Der Hof deckte sie heimlich und alle halfen mit, wenn sie wieder unnötige Aufgaben erhielt. Mal schickte der Mönch seine trainierten Tauben zur Hilfe, mal kamen andere wie zufällig vorbei. Zu sehen wie Aschenbrödel immer fröhlicher wurde und die Gutsherrin sich verzweifelt den Kopf zerbrach warum das Mädchen bei all der Tyrannei noch fröhlich war, war die beste Belohnung. Zudem arbeitete Aschenbrödel weiterhin hart und gönnte sich nur ein oder zweimal in der Woche diesen Moment mit ihrem Pferd Nikolaus.
 

Einen knappen Monat nach ihrem ersten Ausritt hörte Vinzek Aschenbrödel zu Nikolaus flüstern: „Ach wenn ich doch noch einmal jagen könnte. Ich würde der Köchin so gerne eine frische Taube mitbringen. Oder ein Kaninchen.“
 

„Aschenbrödel?“
 

Sie schreckte hoch.
 

„Könntest du noch frisches Wasser für die Küche holen?“
 

„Natürlich. Was soll ich sonst noch tun?“
 

„Bis heute Abend gibt es nichts mehr für dich zu tun, Kind. Kümmer dich um Nikolaus.“
 

Als sie freudestrahlend zum Brunnen ging, lief Vinzek jedoch schnell zu seiner Frau und holte die Uniform des Jägers. Dann schickte er einen Nachbarsjungen los, diese in die kleine Waldhütte zu bringen, welche der frühere Gutsherr immer genutzt hatte. Sie alle wussten, dass Aschenbrödel dort ihr wichtigstes Hab und Gut verwahrte.
 

An diesem Abend erwartete Vinzek ein noch glücklicheres Mädchen, doch als er sie wiedersah, wirkte sie verwirrt. Und auch den Rest der Woche ritt sie nicht mehr aus, vermied den Stall und den Blick auf die Wiesen um jeden Preis.
 

„Was ist mit dir?“
 

Vinzek konnte es nicht lassen. Zu wissen dass es Aschenbrödel schlecht ging und das vielleicht auch seine Schuld war . . .
 

„Nichts, Vinzek. Es ist nur so viel zu tun wegen dem König.“
 

Sie versuchte ein Lächeln und scheiterte kläglich.
 

„Komm mit in die Stube, Aschenbrödel. Etwas warme Milch wird dich aufmuntern.“
 

„Sehe ich so schlimm aus?“
 

„Du wirkst nicht wie du selbst.“, sagte er als er die Milch über das Feuer hängte.

„Selbst die Herrin ist verwirrt, dass du dich von ihr einschüchtern lässt.“
 

„Oh nein.“

Sie versuchte ein weiteres Mal zu lächeln, bevor sie schweigend auf ihre Knie starrte bis er ihr eine Tasse mit warmer Milch reichte.
 

Am nächsten Tag ritt sie wieder aus.
 

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Ab diesem Tag veränderte sich alles.
 

Aschenbrödel ritt häufiger aus und blieb länger weg. Sie erledigte ihre Aufgaben noch schneller als zuvor und bemühte sich weiterhin niemandem Umstände zu bereiten, doch es war offensichtlich, dass etwas passiert war. Während ihre Stimmung so traurig gewesen war, war sie jetzt umso fröhlicher. Sie summte und sang so häufig es ging, bewegte sich manchmal tanzend voran und trieb ihre Stiefmutter in den Wahnsinn. Dass sie beim Jagen erfolgreich war, merkten alle, denn sie brachte regelmäßig frische Beute mit und verteilte sie in der Küche oder unter den Leuten.
 

Vinzek kam die Warnung des Jägers wieder in den Sinn und er stellte Aschenbrödel als sie einmal von solch einer Jagd zurück kehrte.
 

„Pass auf, Aschenbrödel. Die Tiere gehören dem König und er wird nicht wollen dass du sie jagst. Wenn sie dich erwischen sieht es schlecht für dich aus!“
 

Zu seiner Verwunderung lachte Aschenbrödel nur: „Hab keine Sorge, Vinzek. Der König wird sich nicht beschweren.“
 

Und mit diesen Worten verschwand sie im Haus, einen gefüllten Sack über den Schultern.
 

Vinzek zweifelte an sich selbst. War er zu gutgläubig gewesen? Waren seine Taten zu voreilig und unbedacht? War Aschenbrödel nicht das vorsichtige und vernünftige Mädchen wie sie alle gedachte hatten?
 

Was auch der Grund für ihr Verhalten war, Vinzek würde es herausfinden. Und wenn sie sich in Gefahr brachte, würde er sie zurückholen und zur Vernunft bringen.
 

So kam es, als sie das nächste Mal die Gelegenheit ergriff und mit Nikolaus hinaus ritt, dass er ihr folgte. Sein altes Pony war sicher nicht so schnell wie Nikolaus, aber im verschneiten Wald war es nicht schwer der Spur zu folgen. Und als er sie fand war er sprachlos.
 

Da stand ihr Schimmel zwischen vier weiteren Pferden, angebunden und glückselig am Fressen. Und nicht unweit entfernt stand eine Gruppe an Männern. Zwei hatten Armbrüste erhoben, während der Rest entspannt an der Seite stand und redete.
 

Ein Schuss fiel und die Männer jubelten und schlugen einem der Armbrust-Schützen auf den Rücken. Einer von ihnen rannte, um die Beute zu holen, während der zweite Schütze weiterhin in den Himmel starrte.
 

„Lasst es!“, rief einer der Männer, „Er ist zu weit weg!“
 

Doch der erste Schütze rief sie alle zur Ruhe und wartete schweigend auf den nächsten Schuss. Welcher fiel und ebenfalls erfolgreich war. Wieder kam es zu Jubel und die Beute wurde verglichen. Wie es schien war es ein Wettbewerb zwischen den beiden Schützen, doch wer gewonnen hatte, konnte Vinzek nicht verstehen. Lautes Gelächter erfüllte den Wald und sorgte dafür, dass bald keine Beute mehr da sein würde.
 

Aber wo war Aschenbrödel? Wenn Nikolaus hier war, konnte sie nicht weit sein. Vorsichtig schlich er weiter um die Bäume herum, bis er einen besseren Blick auf die Gruppe werfen konnte. Und ihm der Atem stockte.
 

Dort stand Aschenbrödel. Inmitten einer Gruppe adeliger Männer stand sie als Mann verkleidet mit einer Armbrust in der Hand, ein stolzes Lachen im Gesicht. Einer der Adeligen legte ihr den Arm um die Schulter als wäre sie ein Freund und Vinzek hatte das untrügliche Bedürfnis sie zu beschützen. Doch nichts passierte. Der Mann nahm seinen Arm wieder herunter und gesellte sich zu seinen Freunden, welche eine Schneeballschlacht gestartet hatten. Nur Aschenbrödel und der zweite Schütze blieben stehen und redeten, die Köpfe nah beieinander um sich verstehen zu können.
 

Was für eine Gruppe hatte sie gefunden? Wer waren diese Männer? Adelige wohl, aber wie kam es dass sie im Wald jagen durften? Hatte der König es ihnen erlaubt? Und warum hatte wohl noch niemand bemerkt, dass dieser unbekannte Jäger ein Mädchen war? Ungefähr in ihrem Alter, aber ein Mädchen trotz alledem!
 

Leise ließ Vinzek sich auf den Boden sinken, den Blick weiter auf die Gruppe gerichtet. Was sollte er jetzt tun? Aschenbrödel verbieten sich mit ihnen zu treffen? Als ob sie auf ihn hören würde. Doch, sie würde auf ihn hören, aber sie würde trauern. Und würde sie ihm je wieder vertrauen? Was sollte er tun?
 

Es dauerte nicht lange bis die Gruppe wieder aufbrach und Aschenbrödel sich auf den Rückweg machte. Ihre neuen Freunde hatten versucht sie zum Bleiben zu bewegen, aber sie hatte vehement abgelehnt. „Bis in ein paar Tagen“, hatte sie gesagt. Das bewies wohl, dass die Treffen geplant waren.
 

Als alle verschwunden waren, machte sich auch Vinzek langsam auf den Rückweg. Wenn er einen kleinen Umweg ging, würde er an einer anderen Stelle auf den Hauptweg zurück kommen als sie.

Doch zu dem Umweg kam er nicht mehr.
 

Ein paar Meter weiter, hinter einem großen, verschneiten Holzhaufen, stand der zweite Schütze, die Armbrust auf ihn gerichtet.



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