Wolkenwächter von Alligator_Jack (Die Chronik eines Ausgestoßenen - Teil 1) ================================================================================ Kapitel 40: ------------ Die Nacht war kalt und Brynne hatte scheußliche Laune. Er ging in der Mitte der Banditenhorde, flankiert von Gilroy und Brothain, und stierte mit einem Auge die Wolkenspitze hinauf. Das andere wurde von einem dicken, kühlenden Verband bedeckt, der seine gesamte linke Gesichtshälfte verhüllte. Die frischen Verbrennungen schmerzten fürchterlich und der Wundumschlag linderte seine Qualen nur ansatzweise. Brothains Schulter steckte in einem Verband und der Dunkelelf griff sich immer wieder schmerzerfüllt an die Verletzung, die Nironils Pfeil hinterlassen hatte. Die vergangene Nacht war ganz und gar nicht nach Brynnes Vorstellungen verlaufen. Er hatte einen seiner Leibwächter verloren und der andere war angeschlagen. Lediglich Gilroy war unverletzt. Der Dunkelelf war ein treuer Diener, aber kein großartiger Kämpfer. Inzwischen ärgerte sich Brynne darüber, dass er sich dazu hatte hinreißen lassen, Nironil zu töten. Der Waldelf wäre beim Sturm auf den Wolkentempel ein nützlicher Verbündeter gewesen. Immerhin hatte sein Tod den anderen Banditen unmissverständlich gezeigt, dass Brynne keinerlei Ungehorsam duldete. Die Angst hielt sie bei der Stange. Keiner dachte daran, gegen ihn aufzubegehren. Der einzige, der sich beschwerte, war Fjedor. Der Schmugglerkönig beklagte sich unentwegt über den Verlust seines Leibwächters, aber mittlerweile hörte ihm keiner seiner ehemaligen Untergebenen mehr zu. Das Blatt hatte sich endgültig gewendet. Brynne hatte die Horde fest im Griff. Nicht einmal von Loronk kamen Widerworte. In Fünferreihen marschierten die Banditen den ausgetretenen Pfad hinauf, der zum Gipfel der Wolkenspitze führte. Ihre Öllampen leuchteten wie Glühwürmchen in der Dunkelheit und schwankten bei jedem Schritt hin und her. Die Schurken waren einigermaßen ausgeruht und zu allen Schandtaten bereit. Brynne wunderte sich, dass ihre Verfolger noch nicht aufgeholt hatten, aber im Grunde war ihm dieser Umstand nur recht. Er hatte keine Geduld mehr und konnte auf weitere Zwischenfälle gut und gerne verzichten. Über der Wolkenspitze brodelte das Unwetter. Der Anblick der zuckenden Blitze besserte Brynnes Stimmung ein wenig. „Bald“, murmelte er geistesabwesend. Er konnte die Spannung in der Luft bereits spüren. Wie ein leichter Vorgeschmack auf die berauschenden Urkräfte, nach denen er sich sehnte, breitete sie sich über seinen Körper aus und ließ seine Haut kribbeln. „Morgen wird die Sonne nicht aufgehen. Sola, das ist meine Rache für deinen Verrat.“ Die Meute strebte dem Vorplatz des Tempels entgegen. Immer wieder tauchte das mächtige Bauwerk im flackernden Licht der Blitze auf. Wie ein flüchtiger Berggeist schälte es sich aus der Dunkelheit, nur um wenige Wimpernschläge später wieder von der Nacht verschlungen zu werden. Die Vorhut der Banditen erreichte die Freifläche vor den Toren des Tempels, als ein leises, unheilverkündendes Zischen die Nachtluft erfüllte. Brynne bemerkte es viel zu spät. Eine Pfeilsalve schoss aus der Dunkelheit heran und mähte die erste Reihe der Schurken nieder. Fünf Dunkelelfen stürzten getroffen zu Boden, der Rest blieb erschrocken stehen, ohne zu begreifen, was vor sich ging. Loronk war der erste, der die Situation erkannte und handelte. „Runter mit euch!“, brüllte der Ork alarmiert. „Und löscht die Lampen! Das ist ein Hinterhalt!“ Sofort warfen sich die Banditen flach auf den Bauch. Sie schleuderten ihre Öllampen den Hang hinunter und der Berg versank augenblicklich in Dunkelheit und Stille. Ängstlich spähten die Schurken den Pfad hinauf, doch die Nacht verbarg die Angreifer vor ihren Augen. „Das ist Gancielle“, zischte Loronk gehässig. „Irgendwie hat er es geschafft, uns unbemerkt zu überholen!“ „Sehen sie uns?“, flüsterte Fjedor ängstlich. Loronk hob vorsichtig den Kopf. Er konnte den Tempelvorplatz erahnen, aber ihre Feinde waren nicht zu sehen. „Ich glaube nicht“, knurrte er. „Ohne das Licht der Lampen ist es viel zu dunkel.“ Brynne lag direkt neben dem Ork und glotzte wütend in die Finsternis. „Dann sind die Bedingungen ausgeglichen“, grollte er und stieß einen Dunkelelfen an, der sich flach auf den Boden presste und vor Angst zitterte. „Steht sofort wieder auf! Wir stürmen den Tempel!“ „Aber die machen uns einfach nieder!“, japste er Dunkelelf erschrocken. „Das werden sie nicht“, knirschte Brynne zornig. „Ich gebe euch Feuerschutz und werde sie mit meinen Blitzen rösten. Diese schleimigen Maden halten mich jetzt nicht mehr auf!“ Und mit diesen Worten erhob er sich selbst. „Nicht, Herr!“, rief Gilroy besorgt, als fürchtete er, dass sofort wieder ein Pfeil durch die Luft zischen und seinen Meister treffen könnte. Doch auf dem Tempelvorplatz tat sich nichts. „Seht ihr?“ Brynne breitete triumphierend die Arme aus. „Sie sind genauso blind wie wir!“ Eng an den Berghang gepresst sah Craig zu, wie die Öllampen des Banditengesindels nach und nach erloschen. Die erstickten Schreie der Dunkelelfen, die von den Pfeilen getroffen worden waren, klangen ihm noch in den Ohren. Geyra und Gancielle standen mit einer kleinen Gruppe von Bogenschützen in der Mitte des Tempelvorplatzes. Dahinter hielten sich weitere Soldaten mit gezückten Schwertern bereit. Unter ihnen befanden sich auch Ratford, Wuleen und Ilva. Lazana war ebenfalls bei ihnen. Noch bereitete sie keinen Zauber vor, denn das magische Leuchten ihrer Eiskristalle würde den Banditen sofort ihren Standort verraten. Craig dagegen lauerte zusammen mit Knack und Vance hinter einem Felsvorsprung und wartete mit stockendem Atem ab. „Haben sie sich zurückgezogen?“, flüsterte er. „Ich kann sie nicht mehr sehen.“ „Ich glaube nicht“, murmelte Vance. Der Dorashen hielt sein Hackebeil in der zitternden Hand. „Sie sind noch da.“ Wie zur Bestätigung seiner Worte ertönten plötzlich laute Kriegsschreie. Einige der wartenden Bogenschützen verloren die Nerven und feuerten ihre Pfeile in die Dunkelheit. Sie wurden von einzelnen Schmerzensschreien belohnt, doch ein Großteil ihrer Schüsse ging ins Leere. Dann schälten sich die abgerissenen Gestalten der Banditen aus der Finsternis. Wie Kakerlaken aus einem Loch in der Wand strömten sie aus dem schwarzen Schlund und stürzten sich auf die Soldaten. „Bogenschützen, zieht euch zurück!“, brüllte Geyra, doch es war bereits zu spät. Mit schartigen Schwertern fielen das Lumpenpack über die Fernkämpfer her. Die übrigen Soldaten kamen ihnen sofort zu Hilfe und auf dem Tempelvorplatz entbrannte ein erbittertes Gefecht. Der Kaiserliche Trupp hatte die besseren Waffen und die solideren Rüstungen, doch die Banditen nutzten ihre zahlenmäßige Überlegenheit schonungslos aus. Auch Lazanas Eingreifen, die von der Seite spitze Eisspeere schleuderte, konnte daran nichts ändern. Doch noch hielten sich die Soldaten wacker. Mit aller Macht stemmten sie sich den Angreifern entgegen und konnten sie von den Toren des Tempels fernhalten. Sie blieben in Formation und wehrten sich entschlossen gegen den erbitterten Ansturm der Banditen. Trotzdem erkannte Craig in der Dunkelheit bereits zwei am Boden liegende Soldaten, die sich nicht mehr rührten. Und mit jedem Gefallenen wurde die Übermacht der Schurken nur noch erdrückender. Gancielle und Geyra hielten den Trupp zusammen. Sie kämpften an den Flanken und ließen Schwert und Streithammer entschlossen kreisen. Die Banditen bemerkten schnell, dass sie mit den beiden Kommandanten kein leichtes Spiel hatten, weswegen sie ihre Angriffe auf das Zentrum der Formation konzentrierten. Die Soldaten mussten zurückweichen, um weitere Verluste zu verhindern, und es drängten immer mehr Banditen nach. Bald war der ganze Vorplatz von zerlumpten Dunkelelfen regelrecht überschwemmt. Da erschien ein großgewachsener, schlanker Mann, dessen halbes Gesicht von einem dicken Verband verdeckt wurde. Er hob die Arme und aus seinen Fingerspitzen sprühten Funken. „Das ist Brynne!“, schrie Ilva alarmiert. Gancielle verschaffte sich mit einem ausladenden Schwertstreich Platz. „Haltet ihn auf!“, brüllte er und die Ader an seinem Hals schwoll an. Er versuchte sich, zu Brynne durchzukämpfen, doch es war zu spät. Gancielle sah noch, wie sich die magischen Funken entluden, dann zuckte ein gezackter Blitz durch die Reihen der Kämpfenden und hüllte den Vorplatz in grelles Licht. Ein Soldat schrie in Todesqualen, als sein Körper von blauen Flammen verschlungen wurde. Die Luft knisterte und dann folgte, wie ein Donnerschlag, eine gewaltige Explosion. Die Erschütterung riss Craig von den Beinen und er schlug, halb taub durch den gewaltigen Lärm, der Länge nach hin. Seine Ohren klingelten und er rollte sich benommen auf den Bauch. Neben ihm krümmte sich Knack wimmernd zusammen. Die Fortsätze an seinem Hinterkopf zuckten wild. Wie betäubt sah sich Craig um und erkannte verschwommen, was der Blitzschlag angerichtet hatte. Auf dem Vorplatz herrschte Chaos. Brynne hatte keine Rücksicht auf seine eigenen Leute genommen. Sein Angriff hatte sowohl die Soldaten, als auch die Banditen zu Boden geworfen. Die meisten Kämpfer waren verletzt, aber noch nicht geschlagen. Sie lagen verstreut auf dem Vorplatz und rappelten sich stöhnend auf. Der Blitzschlag hatte die Formation der Soldaten einfach gesprengt und auseinandergerissen. Kaum waren sie wieder auf den Beinen, wurden sie in zahlreiche Einzelkämpfe verstrickt und sahen sich zwei oder mehr Banditen gegenüber. Auch Craig stand auf. Der Kampfeslärm drang gedämpft und wie durch Watte an sein Ohr und er schwankte unkontrolliert von einer Seite auf die andere. Im Mondlicht erkannte er etwas abseits Gancielle, der sich einen Banditen vom Leib hielt. Blut sickerte aus dem Ohr des früheren Kommandanten und verklebte seine Wange. Gancielle riss immer wieder den Mund auf, aber Craig konnte zunächst nicht hören, was er rief. Erst, als er unsicher nähertaumelte, verstand er ihn. „Rückzug! Zieht euch zurück!“ In der jetzigen Situation war dieser Befehl das einzig Sinnvolle. In Formation hatten sich die Soldaten der Banditen erwehren können, aber derart verstreut waren sie der Überzahl schonungslos ausgeliefert. Craig sah sich panisch um. Der einzige Ort, an den sie sich zurückziehen konnten, war der Tempel. In Vance, der den Kampf bislang wie gelähmt mitverfolgt hatte, kam endlich Bewegung. Mit ein paar Sätzen war er bei Wuleen, der es mit zwei Banditen aufgenommen hatte und von einem großen Dunkelelfen mit einer verwundeten Schulter und einem spitzen Dolch böse am Bein verletzt worden war, packte ihn bei der Schulter und zog ihn kommentarlos mit sich. Lazana schloss sich ihm atemlos an. Sie stützte Ratford, der am Hals und am Bein blutete. Der Kopf des Axtkämpfers war hochrot vor Anstrengung und Schmerz. Auch Ilva flüchtete sich in Richtung Nebeneingang. Sie wirkte zwar erschöpft, aber bis auf die Schnittwunde an ihrer Schulter unverletzt. Gancielle, Geyra und fünf weitere Soldaten bildeten die Nachhut, deckten ihren Rückzug und verteidigten die Fliehenden gegen die nachsetzenden Banditen. Alle übrigen waren hoffnungslos abgeschnitten und kämpften verzweifelt gegen die Überzahl. Als Vance die Seitentür erreichte, verschwendete er keine Zeit mit höflichem Anklopfen. Stattdessen nahm er einmal kurz Anlauf und brach die Tür mit einem einzelnen Tritt aus den Angeln. „Rein mit euch!“, rief er hastig, stieß Wuleen durch die entstandene Öffnung und winkte auch seine übrigen Begleiter durch die Tür. Craig ließ sich das nicht zweimal sagen und rettete sich mit Knack ins Innere des Tempels. Seine Gefährten folgten ihm, ebenso wie Geyra mit dem bedrückend kleinen Haufen überlebender Soldaten. Nur Lazana wartete noch bei Vance an der Tür. Die Eismagierin schob den Dorashen sanft, aber bestimmt durch den Eingang und betrat den Tempel dann selbst. Die Banditen hatten die Soldaten, die vom Rest des Trupps abgeschnitten worden waren, im Nu niedergemacht und stürmten bereits auf den Tempel zu. Lazana breitete die Hände aus und formte Eiskristalle, die sich miteinander zu einer immer größer werdenden Wand verbanden, bis sie die gesamte Türöffnung ausfüllten. Die Magierin trat erschöpft zurück und betrachtete ihr Werk. „Vielleicht hält sie das eine Weile auf“, sagte sie leise. „Ich möchte lieber nicht hierbleiben und es herausfinden“, brummte Gancielle und sah sich im Inneren des Tempels um. „Wir müssen Ascor finden, bevor es die Banditen tun!“ Brynne strich mit den Fingern über den Stoff seiner Robe und ließ seinen Blick über den Tempelvorplatz schweifen. Etwa ein Dutzend Soldaten lagen erschlagen am Boden und ungefähr genauso viele Banditen. „Elende Schmeißfliegen“, knurrte Brynne verärgert und stieg über einen toten Dunkelelfen. Gilroy kam hastig herbeigelaufen. „Herr!“, rief er atemlos. „Die Überlebenden haben sich in den Tempel gerettet.“ „Dann folgt ihnen“, brummte Brynne ungeduldig. „Aber Herr, der Nebeneingang wurde mit einer Mauer aus Eis versiegelt“, meldete Gilroy. „Das hält euch doch wohl hoffentlich nicht auf“, grollte Brynne und ging schwungvoll auf die besagte Pforte zu. Ein Großteil der Banditen hatte sich davor versammelt. Die Dunkelelfen rieben sich ratlos die Hinterköpfe. Die Tür war aus dem Rahmen gebrochen worden, dafür schimmerte jetzt eine Wand aus purem Eis in der Öffnung. „Das war diese Magierin“, stellte Brynne knurrend fest. Zwei Banditen mühten sich an der Mauer ab und traten heftig dagegen, doch alles, was sie dadurch bewirkten, waren pochende Schmerzen in ihren Zehen. „Macht Platz, ihr Waschlappen!“, dröhnte Loronk und schob die Banditen ruppig zur Seite. Dann holte er weit mit seiner Kriegskeule aus. Mit dem ersten Schlag trieb er zahllose Risse in die Mauer, mit dem zweiten zerbrach er sie in tausend Stücke. Grimmig sah er zu, wie ein Regen aus Eissplittern niederging. Brynne rieb zufrieden die Hände aneinander. „Endlich jemand, der zu etwas nütze ist“, krächzte er heiser und richtete sein gesundes Auge auf Fjedor. Der Schmugglerkönig hatte sich aus dem Kampf fein herausgehalten und stand nun teilnahmslos neben ihm. „Lass die Horde plündern, wie es ihr gefällt. Das wolltest du doch, oder? Aber die Hälfte deiner Leute bleibt bei mir.“ Fjedors Augen glommen gierig. „Wie du wünschst“, erwiderte er schmeichlerisch. „Tötet jeden, der euch begegnet“, fuhr Brynne fort. „Diese Würmer haben meine Geduld schon zu lange strapaziert. Und Ihr, Brigadegeneral, kommt ebenfalls mit mir.“ „Und wo soll es hingehen?“, knurrte der Ork unwillig. „Wir suchen Ascor, was sonst?“, brummte Brynne und trieb die Banditen ungeduldig durch den Nebeneingang. „Ich habe schon eine Ahnung, wo ich ihn finde. Los jetzt, ehe wir hier noch die ganze Nacht vergeuden!“ Die Banditen strömten in den Tempel und die Horde teilte sich rasch auf. Fjedor führte seine Plünderer auf der Suche nach Schätzen in die Nebengänge, während Brynne mit seinem Gefolge die Haupttreppe hinaufstieg. Knapp zwanzig Dunkelelfen begleiteten ihn, hinzu kamen Brothain und Gilroy, die ihm nicht von der Seite wichen, und Loronk, der mit grimmiger Miene das Schlusslicht bildete. Der Tempel war wie ausgestorben. Kein Schüler des Hochmagiers begegnete ihnen. Brynne kannte die alten Gemäuer wie seine Westentasche. Immer wieder bog er in kleine Nebengänge ein, führte seine Begleiter über schmale Treppen stetig bergauf und würdigte die mit Ornamenten verzierten Wände des Tempels keines Blickes. Irgendwo tief aus den Eingeweiden des Gebäudes ertönte entfernter Kampfeslärm. Entweder hatten Fjedors Plünderer einige Adepten aufgestöbert oder sie waren auf die überlebenden Verbündeten der Armee gestoßen. Brynne war es gleich. Sein Ziel befand sich auf der Spitze des Tempels und er schritt zielstrebig die Gänge entlang, bis er mit seinen Begleitern eine gewaltige Treppe erreichte. Sie führte auf das Dach des Tempels und Brynne konnte hoch über sich bereits das Gewitter am Gipfel der Wolkenspitze sehen. Er zitterte vor freudiger Erregung, als er die breiten Stufen emporstieg. Grinsend trat er ins Freie und blieb stehen. Vor ihm saß Hochmagier Ascor im Schneidersitz, umringt von seinen Schülern. Ein Dutzend waren es, allesamt Dunkelelfen, und lächerlich wenig für die geräumigen Gemäuer des Wolkentempels. In ihren Händen knisterten blaue Funken. Brynne hob den Arm und sein Gefolge postierte sich neben ihm. „Also hatten die Lakaien des Kaisers recht.“ Ascors Augen waren geschlossen, aber trotzdem glaubte Brynne seinen durchdringenden Blick zu spüren. „Mein alter Schüler kommt, um sich mit Gewalt zu holen, was ihm durch List verwehrt blieb.“ „Ihr habt Euch lange genug an der Macht der Wolken berauscht, Hochmagier!“, lachte Brynne und sein Auge funkelte tückisch. „Ich habe bessere Verwendung für sie.“ „Ihr wart ein Narr und werdet immer ein Narr bleiben“, erwiderte Ascor kühl und stand langsam auf. „Und nun werdet Ihr als Narr sterben.“ Brynne griff in die weite Tasche seiner Robe. Ascor öffnete seine Augen. „Meine Schüler, wir sind ein friedlicher Orden“, rief er. „Wir halten nichts von der Kriegstreiberei der jungen Völker. Aber wer unseren heiligen Berg auf so schändliche Weise entweiht, muss vernichtet werden.“ Er reckte die Hand, an der sein Ring funkelte, hoch in die Luft. „Seht! Seht die Macht der Wolken!“ Das Gewitter über ihm fing an zu brodeln und zu kochen. Immer dunkler und größer wurde der schwarze Schleier. Die Blitze zuckten immer intensiver und der Ring sprühte blaue Funken. Und dann schob sich, zunächst wie in Zeitlupe, ein gewaltiger, glühender Keil aus den Wolken. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag ertönte und es wurde taghell, als der gigantische Blitz niederging. Die Banditen schrien vor Angst und selbst Ascors Schüler hielten den Atem an, doch Brynne, dem der vernichtende Angriff galt, blieb ruhig. Ruckartig zog er seine Hand aus der Tasche und reckte sie dem gezackten Blitz entgegen. Eine Säule aus grellem, bläulichem Licht fing ihn ein und der Stein in seiner Faust begann zu glühen. Dann wurde der blendende Schein immer schwächer. Wie eine Illusion löste er sich langsam auf und schien direkt in den Blitzstein hineingezogen zu werden. Dieser leuchtete wiederum immer heller und als er den ganzen Blitz absorbiert hatte, sprühte er ein paar Funken, erlosch schlagartig und zerfiel zu Staub. Und Brynne war vollkommen unversehrt. „Ein Blitzstein?“, rief Ascor erschrocken und wich zurück. „Aber…“ Brynne gab ihm keine Gelegenheit, sich von seiner Überraschung zu erholen. Mit einem Satz sprang er vorwärts, zog sein Schwert aus dem Gürtel und stieß es dem Hochmagier durch den Leib. Ascor starb mit einem Ausdruck grenzenloser Verblüffung auf dem Gesicht und noch während er mit gekrümmtem Körper zu Boden fiel, wirbelte Brynne herum und schleuderte einen seiner verheerenden Blitzzauber auf die Schüler des Hochmagiers, die wie gelähmt danebenstanden. Gleichzeitig kam Bewegung in die Banditen und sie stürzten sich grölend auf die Adepten, die nicht von Brynnes Magie getroffen worden waren. Sie versuchten noch, sich zu wehren, aber sie hatten keine Chance. Die Schurken, allen voran Brothain, machten sie in Sekundenschnelle nieder. Nur Loronk hielt sich zurück und sah grimmig zu, wie sich Brynne zitternd vor Erregung über Ascors Leiche beugte und ihm den Ring vom Finger zog. „Endlich…“, hauchte er. „Nach all den Jahren ist die Rache mein!“ Er steckte sich den machtvollen Ring an und ballte triumphierend die Faust. Kribbelnde Wellen liefen ihm über den Rücken und er spürte, wie ihn die Macht der Wolken erfüllte. „Solas Tage sind gezählt!“ „Und unsere vielleicht auch“, brummte Loronk und trat an den Rand der obersten Plattform des Tempels. Weit unter sich sah er eine Schlange aus zahlreichen Fackeln den Bergpfad hinaufkriechen. „Gancielle bekommt Verstärkung aus Eydar.“ „Noch mehr Idioten, die mich aufhalten wollen?“, krächzte Brynne. Er erhob sich und deutete auf die Treppe, die ins Innere des Gemäuers führte. „Ihr geht nach unten und seht zu, dass diese Trottel nicht in den Tempel vordringen. Nur Gilroy bleibt bei mir.“ „Und was tut Ihr, Herr?“, fragte Brothain zögerlich. Brynne ballte triumphierend die Fäuste. „Ich werde ihnen einen gebührenden Empfang bereiten“, lachte er heiser. „Ich kann es gar nicht erwarten, die Macht der Wolken zu erproben!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)