Insanity Love von mairio (I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.) ================================================================================ Chapter 1: The Hunt -------------------   Chapter 1: The Hunt   Die Nacht brach langsam über Momokuri hinein. Die Lichter der Gebäude und Laternen erhellten die Stadt vor der Dunkelheit. Die Straßen waren mäßig gefüllt. Für viele Leute begann das Nachtleben. Menschen zogen über die Straßen zu den angesagtesten Restaurant, Bars und Clubs, um ihren Alltagsstress zu entkommen. Andere verließen ihre Büros und konnten sich endlich den ersehnten Feierabend widmen. Wieder andere fingen mit ihrer Arbeit erst an. Eine junge Frau stand auf einem Dach, versteckt im Schatten der nächtlichen Umgebung. Sie trug ein kurzes, weißes Kleid mit kurzen Ärmeln, roten Bändern als Verzierung sowie einer große gelbe Schleife am Rücken. Darunter trug sie eine weiße Shorts und weiß-rote Stiefeln. Vor ihrer Brust hing ein prachtvolles, goldenes Kreuz mit roten Edelsteinkugeln als Ornamente. Die langen, blonden Haare waren dreigeteilt und die längste Strähne war zu einem großen Zopf zusammengebunden. Ihre violetten Augen waren auf eine Frau fixiert, die soeben ihr Wohnkomplex verließ. Diese war zwischen dreißig und vierzig Jahren, kurzes, schwarzes, gewelltes Haar, strenges Make-Up mit dunkelrotem Lippenstift und in einem teuren Hosenanzug gekleidet. Sie strahlte allein durch ihr Äußeres eine gewisse Stärke und Macht aus. Sie war schließlich auch die Bürgermeisterin der Stadt. Mit selbstsicheren Schritten ging sie über die Straßen, mit einem bestimmten Ziel im Kopf. Die junge Frau folgte ihr unbemerkt, sprang elegant und lautlos über die Gebäudedächer, wie eine Katze. Neben ihr flog ein geflügeltes Wesen umher. Ein grünhaariger Engel. „Was hat sie vor?“, fragte das kleine Wesen. „Keine Ahnung… Werden wir ja sehen.“, antwortete ihr die Blonde. Nach einigen Abbiegungen blieb die Frau vor dem abgesperrten Gelände eines verlassenen Hochhauses stehen. Sie warf einen prüfenden Blick nach hinten, um sicherzugehen dass sie niemand beobachtete, schob die Absperrung beiseite und ging in das Gebäude rein. Ihre Verfolgerin schaute ihr auf dem Nachbarsgebäude skeptisch nach. „Hmm. Sowas hatten wir bisher auch noch nicht, Fin….“, sagte die blonde Schönheit, „Trotz Warnung keine Polizei. Noch dazu handelt sie aus eigenem Antrieb.“ „Ob sie weiß, dass wir sie verfolgen?“, fragte die Angesprochene beunruhigt. „Bestimmt. So wie sie sich benahm… Sie wollte auf jeden Fall sicherstellen, dass sie alleine war.“ „Wie sieht dein Plan aus, Jeanne?“ „Ich gehe rein und werde den Dämon bannen. Du wartest draußen und gibst mir Rückendeckung. Insbesondere wenn er wieder auftaucht!“ Sie tauschten sich einander wissende Blicke zu. Fin nickte entschlossen. „Alles klar! Viel Erfolg!“ Sie trennten sich voneinander und Jeanne sprang ins Gebäude rein. „Möge das Spiel beginnen!“   Kaum hatte sie das alte Gebäude betreten, wurde sie von einer dunklen Energiewelle erfasst und aus dem Gleichgewicht gebracht. „Ich habe dich schon erwartet, kleine Diebin. Mir war schon so als würde mir eine streunende Katze hinterherlaufen.“ Die Frau in Anzug trat aus einer Ecke hervor und ging einige Schritte mit verschränkten Armen auf sie zu. Jeanne hatte sich unterdessen wieder aufgerichtet und stierte ihr Gegenüber mit einem selbstbewussten Blick an. „Fumiko Hayashi. Es ist eine Ehre Sie kennenzulernen, Frau Bürgermeisterin.“, sagte sie lächelnd und verneigte sich theatralisch. Ein kurzes, amüsiertes Lachen entkam ihrem Gegenüber. „Die Ehre ist ganz meinerseits, Kamikaze-Diebin Jeanne. Ich schätze mal du bist auf der Suche nach dem hier?“ Fumiko hielt einen übergroßen, vergoldeten Schlüssel in die Höhe. „Das ist der Schlüssel der Stadt. Ich würde dir vorschlagen, wenn du ihn unbedingt haben willst, dass du für die nächste Bürgermeisterwahl kandidierst.“, sagte sie mit Spott in ihrer Stimme. Ihre Augen begannen rot zu leuchten und sie ließ eine zweite Druckwelle auf Jeanne los. Im Gegensatz zum ersten Mal, hielt sie diese stand. „Nein Danke. Ich habe es nicht so mit Politik. Lieber bevorzuge ich die einfachere Methode und stehle es Ihnen!“ Mit den Worten holte die Kamikaze-Diebin ihr rotes Band hervor und griff die Frau an. Mit einer Hand blockte Fumiko den Angriff blitzschnell ab. „Dummes Gör!!!“, ihre Stimme nahm einen dunklen, unmenschlichen Ton an. Jeanne knirschte bitter mit den Zähnen. Sie ist stark!! Immer wieder versuchte die Blonde die beste Gelegenheit zu finden, den Schlüssel aus der Hand der Besessenen zu schleudern und den Dämon unschädlich zu machen, aber diese Aufgabe stellte sich als schwieriger dar als gedacht. Als schließlich der Moment kam, in der ihr Gegner für eine Bruchsekunde unaufmerksam war, ergriff sie ihre Chance und warf die Bürgermeisterin zu Boden. Gleichzeitig fiel der Frau der Schlüssel aus der Hand und er rutschte einige Meter von den beiden entfernt weg. Fumiko war sofort bewusstlos, doch aus dem Metallstück entsprang eine groteske Kreatur mit leuchtend roten Augen. „Gib es auf, Dämon! Sobald ich dich gebannt habe, wirst du kein Unheil mehr anrichten!!“, rief Jeanne dem Dämon entgegen und stellte sich in Angriffsposition vor ihm hin. „NEIN! VON EINER GESANDTIN GOTTES WERDE ICH MICH NICHT BESIEGEN LASSEN!!“ „Und wie wärst mit einem Diener des Teufels?“, kam es plötzlich von einer männlichen Stimme. Drei Messer kamen auf sie zu und beide wichen ihnen aus. Die blonde Diebin wandte ihren Kopf in die Richtung von der sie kamen und funkelte den Werfer wütend an.   „Sindbad!“ Der Angesprochene saß lässig auf einer Fensterbank und hatte ein freches Grinsen aufgesetzt. Seine schwarz bekleidete Gestalt verschmolz nahezu mit der Schwärze der Nacht. Dafür leuchteten seine kurzen, weißen Haare und eisblaue Augen im Kontrast zur Dunkelheit.  „Sindbad, der Dieb – ganz meine Wenigkeit! Mich überrascht es, dass du ohne Karte und Kompass hierhergefunden hast, Jeanne.“ Die Angesprochene verzog verärgert das Gesicht. „Das trifft wohl eher auf dich zu! Weshalb sonst wärst du so spät, ha?“ Sindbad lachte abfällig. „Ich habe nur auf den richtigen Moment für einen dramatischen Auftritt gewartet! Und bevor du fragst, Access kümmert sich blendend um deine Fin!“ In der Ferne konnte Jeanne ihren Engel Kämpfen und Fluchen hören. Sorge gegenüber ihrer Freundin stieg in ihr hoch. Sie wird schon klar kommen! Fokussier dich auf das Wesentliche!, ermahnte sie sich selbst. „Erspar mir das arrogante Getue und VERSCHWINDE!“ Sie peitschte ihr Band in Sindbad’s Richtung, doch mit einer blitzschnellen Bewegung war er von der Fensterbank verschwunden. Ehe Jeanne es registrieren konnte, bekam sie von der Seite einen Tritt verpasst und wurde an die nächste Wand katapultiert. Ein kurzer Schmerzensschrei entkam ihr. Ihre Augen waren wütend auf den jungen Mann gerichtet als sie sich wieder aufsetzte. „Du verdammter-!!!“ Sie hatte mittlerweile ihr Band mit ihrem Schwert ersetzt und rannte auf Sindbad zu. Dieser blockte den Schwerthieb ohne Mühe mit einem Messer ab. „Nanana! Spar dir die Energie fürs Kämpfen auf, meine Liebe!“ „Als ob du die Kalorien wert bist, die ich wegen dir gerade verbrenne!!“ Es war ein erbitterter Kampf zwischen den Dieben. Neben dem Klirren von Metall, konnte man Jeanne lautstark fluchen hören. „Auf keinen Fall überlasse ich dir diesmal den Dämon! Elender Teufelsanbeter!! Verdammter Satanist!!“ Sie packte ihm am Kragen seines Mantels und drückte ihn gegen die Wand. „Ooooh! Immer noch wütend vom letzten Mal? Ihr Frauen seid immer so nachtragend!“, lachte der Weißhaarige schadenfroh und schob Jeanne mit voller Wucht von sich. „Wer so eine Lady behandelt, kann nur ein Dreckskerl sein!!“ „Was bitte schön ist an dir ladylike?! Würdest du eine andere Attitüde auflegen, kann ich der totale Gentleman sein!“ Inzwischen war die Kleidung der Diebe an allmöglichen Stellen zerfetzt und sie bluteten sichtbar im Gesicht. Wieder trafen ihre Klingen aufeinander. Plötzlich wurden die Beide von riesigen Ranken unterbrochen. „ICH LASSE MICH WEDER VON GOTT NOCH VOM TEUFEL EINSAMMELN! ALSO SOLLT IHR BEIDE STERBEN!“, hallte die böse Stimme des Dämons. Fast hatten sie ihn vergessen. Konzentrier dich, Jeanne!! Du hast schließlich eine Mission!!, ging es der Kamikaze-Diebin durch den Kopf, gab Sindbad einen kräftigen Kinnhaken sowie einen Tritt in die Bauchgegend und sprang dem Dämon mit erhobenen Schwert entgegen. „Im Namen des Herrn, banne ich die Ausgeburten der Finsternis und mache sie unschädlich!! Schachmatt!“ Ein gerader Schnitt durchlief die Kreatur. Für einige Sekunden war es Totenstill. Dann ertönte durch das ganze Gebäude ein schmerzverzerrtes Kreischen. Der Dämon verschwand -zusammen mit dem Schlüssel- und eine weiße Schachfigur blieb zurück. Jeanne hob ihn mit ihrer behandschuhten Hand vom Boden auf und steckte ihn sich ein. Als sie sich wieder umdrehte, fand sie sich alleine im Raum wieder. Sindbad war verschwunden. Eine grüne Kugel kam auf sie stattdessen zugeflogen. „JEANNE! Hast du den Dämon?“, hörte sie Fin Fragen, die bis auf wenige Kratzer unverletzt war. Mit Stolz zeigte die Angesprochene ihr die Schachfigur. Erleichterung zeichnete sich auf dem Gesicht des Engels ab. „Komm verschwinden wir von hier!“ Bevor sich die Kamikaze-Diebin nach Hause begab, trug sie noch die bewusstlose Bürgermeisterin aus dem Gebäude raus und legte sie vorsichtig auf eine naheliegende Bank nieder. Vorbeilaufende Passanten entdeckten nach einigen Minuten die Frau und riefen sofort die Notärzte sowie Polizei. *** Zur selben Zeit hatte Jeanne ihr Wohnkomplex „Orléans“ erreicht und ging über den Balkon in ihre Wohnung rein. Ihre minimalen Wunden waren inzwischen alle verheilt, wie als wäre nie was passiert - ein besonders großer Vorteil den sie als Diebin hatte. Sie zog sich die rote Schleife aus dem Haar und wurde wieder zu ihrem zivilen Ego Maron Kusakabe. „Ich bin stolz auf dich, Maron!“, rief Fin ihrer Partnerin erfreut zu. „Danke. Würden uns bloß Sindbad und Access nicht jedes Mal in die Quere kommen!“ „Wen sagst du das. Tut mir leid, dass ich dir keine Rückendeckung geben konnte…. Aber mich hat Access richtig kalt erwischt.“ „Du brauchst dich doch nicht entschuldigen. Mittlerweiße sollten wir eigentlich wissen, wie die Beiden ticken.“, stöhnte die Braunhaarige auf und zog sich in ihr Pyjama um. „Was will man schon von Lakaien des Teufels erwarten! Die spielen immer mit schmutzigen Tricks!“ „Ich frage mich wer sich hinter Sindbad verbirgt…“, sagte Fin mit nachdenklich zusammengezogenen Augenbrauen. Maron zuckte desinteressiert mit den Schultern und ging in die Küche, um ihr Handy zu holen. „Was soll das bringen? Er ist unser Feind. Seit drei Jahren geht er uns auf die Nerven. Mehr brauchen wir nicht zu wissen. Jemand der freiwillig dem Teufel dient und ihm zum Weltuntergang verhilft, kann kein guter Mensch sein!“ Für die junge Frau war die Sache mehr als geklärt. Schließlich war Sindbad der Grund, weshalb der grünhaarige Engel vor drei Jahren auf sie zukam und sie darum bat Gott und die Welt zu helfen. „Der Herr hat dich auserwählt, Maron, um die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.“, sagte sie zu der damals 16-jährigen. „Du birgst die Kraft Gottes in dir und bist dazu fähig die Dämonen zu bannen, die der Teufel auf die Welt gesetzt hat. Diese Dämonen ernähren sich von den reinen Seelen der Menschen. Gottes Existenz hängt von den reinen Seelen ab, die er euch Menschen gab. Der Teufel hat nicht nur die Dämonen auf die Menschen losgelassen, sondern lässt sie von einem Diener wieder einsammeln, um Gott die Kraft zu rauben. Dieser Diener heißt Sindbad und er hat einen Gefallenen Schwarzengel als Partner namens Access. Ich bitte dich, Maron, hilf uns die beiden aufzuhalten und die Dämonen unschädlich zu machen! Mit deiner Hilfe kann der Herr seine Kraft wiederherstellen und den Teufel eines Tages besiegen!“ Als Maron den hilfesuchenden Blick in Fin’s Augen sah, wusste sie, dass sie ihr helfen musste. Das stand außer Frage! So musste sie es auch in Kauf nehmen ihr Doppelleben als Diebin vor Familie und Freunden strengst möglichst geheim zu halten. Für die Anfangszeit war es nicht leicht Schule und Diebesleben unter einem Hut zu bekommen, doch nach einer gewissen Zeit gewöhnte sie sich dran ohne ihr soziales Leben oder schulische Leistungen zu beeinträchtigen. Letztlich hatte sie es nun bis zum Abschluss durchgezogen. Zusätzliche entwickelte sich die Partnerschaft zwischen ihr und dem Engel zu einer sehr engen Freundschaft.   Die junge Frau schaltete das Küchenlicht an und fand ihr Handy auf der Arbeitsplatte liegen. Das Display zeigte zwei Nachrichten und einen verpassten Anruf an. Eine Nachricht war von ihrer besten Freundin Miyako und die andere sowie der verpasste Anruf von ihrer Mutter. Maron beschloss zuerst ihre Mutter anzurufen. Während die Leitung klingelte ging sie zurück in ihr Schlafzimmer und setzte sich aufs Bett. „Maron! Wo warst du denn, weshalb ich dich nicht erreicht habe?“, sprach eine besorgte Frauenstimme am anderen Ende. „Entschuldige Mama. Ich war mit Freunden unterwegs und da hatten wir schlechten Empfang. Gibt es was Wichtiges?“ „Ah verstehe! Nein, nein. Ich wollte nur hören wie es dir geht. Dein Vater und ich vermissen dich ganz doll und wollen sicher gehen, dass du gesund und munter bist!“ „Keine Sorge, mir geht es blendend! Ich vermisse euch auch! Wie geht es euch in Deutschland?“ „Ach ganz gut. Wir müssen uns noch etwas einleben, schließlich sind wir auch erst seit knapp einem Monat hier. Aber beruflich wurden wir bisher gut aufgenommen.“ „Das freut mich für euch beide.“ „Und bist du schon aufgeregt? Morgen beginnt dein neues Leben als Studentin!“ „Aufgeregt bin ich nicht, aber ich freu mich.“ „Gut, gut. Wie besprochen werden wir dir Geld für Miete und Unterhalt schicken. Wenn du Probleme hast, wende dich an die Toudaijis oder ruf uns an!“ „Ja, Mama!“ „Okay, es schon spät in Japan und du sollst nicht verschlafen, Liebes.“, lachte Korron. Maron konnte sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich verschlafe schon nicht, Mama! Bis später, okay? Habe euch lieb!“ „Wir dich auch!“ Mit leichten Tränen in den Augen legte Maron auf und starrte auf die Fotos, die an der Wand hingen. Fotos aus ihrer Kindheit. Fotos von gemeinsamen Familienurlauben. Fotos von ihrem Schulabschluss mit den Toudaijis zusammen. Sie vermisste ihre Eltern. Vor einigen Monaten hatte ihr Vater, Takumi Kusakabe, ein Angebot erhalten im Deutschland zuarbeiten, welches er nach langer Überlegung und Absprache mit der Familie annahm. Seine Frau entschied sich dafür ihn zu begleiten. Maron hingegen beschloss jedoch nach ihrem Schulabschluss in Momokuri zur Uni zu gehen, statt mit ihren Eltern ein Leben im Ausland anzufangen. So kam es letztendlich dazu, dass ihre Eltern vor knapp vier Wochen aus der Wohnung auszogen und Maron darin zurückblieb. Die 19-jährige musste schmunzeln. In normalen Familienhaushalten verließen die Kinder nach dem Abschluss das Elternnest und nicht umgekehrt.   Mit einem Lächeln öffnete sie die Nachricht von Miyako, welches jedoch direkt wieder verschwand. „Hey Maron, ich weiß wir wollten morgen zusammen zur Uni gehen, aber Yamato hatte mich spontan zu sich eingeladen und ich würde bei ihm auch übernachten :‘) Hoffe du kannst mir das verzeihen und du schaffst es morgen alleine hinzugehen? :/ “ Maron entkam nur ein kurzen Seufzen als sie ihrer Freundin zurückschrieb: „Keine Sorge, ich finde auch allein dorthin ;) Grüße an Yamato! Wir sehen uns alle morgen im Campus! :D“ Miyako Toudaiji und Yamato Minazuki. Zwei ihrer engsten Freunde, die seit der Oberstufe zusammen sind. Gemeinsam entschied sich das Dreiergespann an der Universität von Momokuri zu studieren. Maron medizinische Psychologie, Yamato Finanzwirtschaft und Miyako Jura. Miyako ging mit Maron zusammen in den Kindergarten und wie der Zufall es so wollte, waren sogar ihre Mütter Kindheitsfreunde. Seit sie fünf waren, sind die beiden Mädchen unzertrennlich. Noch dazu, dass die Toudaijis gegenüber von ihr wohnten, trug zur Freundschaft bei. Das einzige Problem zwischen ihnen wäre, dass Miyako’s Vater Polizeiinspektor von Beruf ist und für die SOKO Jeanne und Sindbad tätig war. Nicht selten kam es vor, dass die Polizeitochter ihrem Vater bei der Jagd begleitete. Yamato -Enkel des Minazuki Group Firmenchefs- lernten die Mädchen in der Oberstufe an der Momokuri Akademie kennen. Ein anfänglich schüchterner Kerl, der nach und nach an Selbstbewusstsein gewann, insbesondere nachdem er und Miyako ein Paar wurden. Und selbst nach zwei Jahren Beziehung wirkten die Beiden so frisch verliebt wie am ersten Tag. Maron freute sich sehr für das Glück ihrer Freunde, doch der Gedanke an sie versetzte ihr auch einen kleinen Stich in ihre Brust. Nicht weil sie eifersüchtig auf die Beiden war, sondern weil ihr jedes Mal Erinnerungen wachgerufen wurden, die sie zwanghaft versucht zu verdrängen. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf, die sie zwanghaft versucht zu verdrängen. Bilder von einer Person, der für sie seit langem gestorben war. Oft ging ihr gleichzeitig die Frage durch den Kopf, ob es sowas wie „wahre Liebe“ wirklich gab? Ihre Eltern sowie ihre Freunde waren das beste Beispiel für wahre Liebe! Doch würde sie selbst jemals sowas erleben? Schließlich ging sie damals davon aus, es wäre die wahre Liebe gewesen… Die junge Frau bemerkte nicht wie gedankenverloren sie in die Leere starrte, bis Fin mit einem besorgten Blick vor ihrem Gesicht schwebte. „Hey, Maron. Alles in Ordnung?“ Die Angesprochene riss sich aus den Gedanken und schüttelte energisch den Kopf. Anschließend schenkte sie der Grünhaarigen ein sanftes Lächeln. „Ja. Wir sollten schlafen gehen. Ich will schließlich nicht meinen ersten Uni-Tag verpassen!“, sagte sie und ließ sich aufs Bett fallen. Hör auf dir über solche Sachen Gedanken zu machen! Das Arschloch ist nach Frankreich abgehauen! Du bist glücklich Single! Du hast tolle Freunde und tolle Eltern! Du bist zufrieden mit deinem Leben!, ging es ihr abschließend durch den Kopf bevor sie in einen ruhigen Schlaf wegdriftete. *** Unterdessen -auf der anderen Seite der Stadt- saß eine Person hellwach auf seinem Bett und unterhielt sich mit einem schwarzbeflügelten Engel. „Hättest du dir nicht so viel Zeit gelassen für deinen sogenannten ‚dramatischen Auftritt‘, Sindbad, dann hätten wir den Dämon und mussten uns nicht wieder eine Standpauke von Boss anhören!“, meckerte Access abfällig. Sein Gegenüber ließ sich gelassen ins Kissen fallen und verschränkte die Arme hinter den Kopf. Auch dessen Wunden waren komplett verheilt. „Das war das erste Mal seit zwei Jahren, dass er uns wieder zu sich bestellt hat. Also reg dich nicht so auf!“ „Was mich aufregt ist diese Kamikaze-Diebin und ihr Engel, die uns seit drei Jahren die Tour vermasseln müssen!“ „Also mir persönlich macht es mehr Spaß mit ihnen als ohne! Wäre schließlich zu langweilig jedes Mal nur gegen solche schwächlichen Dämonen zu kämpfen wie am Anfang damals.“ Ein kurzes, herablassendes Lachen war zu hören. „Da müsste ich Gott ausnahmsweise danken, mir einen so schlagfertigen Engel geschickt zu haben!“ Access machte eine brechähnliche Grimasse. „Mir wäre es lieber gewesen, wenn er Fin im Himmel gelassen hätte…. Da fällt mir ein, ab morgen gehst du wieder zu dieser Uni, oder?“ „Japp. Drittes Semester.“ Der Student hielt sein Handy über das Gesicht und las sich ein paar Emails durch. Zig Einladungen sprangen ihm als erstes ins Auge - Einladungen zum Jahrgangstreff der ehemaligen Biwa High Schüler. Der 20-jährige verdrehte die Augen und scrollte weiter zu einigen Emails von seinem Vater. Alles Links und Empfehlungen für diverse Medizinpraktika. Desinteressiert schloss er die E-Mail-App, gähnte kurz und legte das mobile Gerät beiseite. Schläfrig ging er den heutigen Kampf mit Jeanne nochmals durch den Kopf durch. Ich frage mich wer hinter der Maske steckt…. Nach einigen Minuten schlief auch er traumlos ein. Chapter 2: First Meeting ------------------------ Chapter 2: First Meeting   Maron könnte sich ohrfeigen. Den Abend vorher hatte sie ihrer Mutter noch versichert nicht zu verschlafen und nun ist es doch geschehen! Fin musste ihren Schützling mit Not und Mühe wecken, bis sie endlich vom Bett aufsprang, sich in Rekordzeit die Zähne putzte, gleichzeitig eine blaue, zerrissene Jeans sowie weißes Oversize-T-Shirt überzog und mit Tasche aus der Wohnung rannte. Gerade so hatte noch den richtigen Busanschluss erwischt und begab sich nun von der Haltestelle aus im Schnellgang zum Campus. Eigentlich hätte Maron sich von Miyako chauffieren lassen, aber da diese eine spontane Planänderung machen musste, musste sie auf die Alternative „Öffentliche Verkehrsmittel“ und „Laufen“ zurückgreifen. Die Braunhaarige hatte zwar selbst einen Führerschein, jedoch kein Auto. Schwer atmend an der Universität angekommen musste sie zu ihrer Erleichterung feststellen, dass sie noch fünf Minuten Zeit hatte bevor ihre erste Vorlesung begann. Doch nun stand das nächste Problem an: Sie wusste nicht wo sich ihr Vorlesungssaal befand. Die 19-jährige ärgerte sich darüber die Orientierungstage verpasst zu haben, weil jedes Mal Dämonen dazwischen kamen. Immer wieder schaute sie auf ihren Stundenplan, scannte die Plaketten an den Türen und versuchte die passende Raumnummer ausfindig zu machen. Zum Glück liefen noch ein paar Studenten herum, die sie letztlich nach dem Weg fragte, womit sie endlich die richtige Etage fand und die richtige Tür in Sichtweite war. Bevor sie sich allerdings ins Zimmer begab, fand sie eine nach unten führende Treppe, welches direkt zu ein paar Snack- und Getränkeautomaten führte, die aneinander aufgereiht waren. In der Nähe von ihnen befanden sich Bänke und Tische, die wahrscheinlich zur Ess- und Lernmöglichkeit dienten.   Kaum hatte Maron die Automaten gesehen, meldete sich ihr Magen und erinnerte sie daran, dass sie vor lauter Morgenstress nichts gefrühstückt hatte. Sie schaute sich um. Niemand mehr zu sehen. Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr. In den ersten zehn-fünfzehn Minuten werden die Professoren sich garantiert nur vorstellen und eine grobe Einführung zum Stoff veranstalten…also werde ich schon nichts Wichtiges verpassen! Mit der Überlegung ging sie sorglos zum Snackautomat runter, setzte sie ihre Tasche auf dem Boden ab und suchte in ihrem Portemonnaie nach dem passenden Kleingeld. Gerade als sie die erste Münze reinwarf und die nächste in den Schlitz schieben wollte, fiel diese ihr aus der Hand und rollte unter dem Gerät weg. Innerlich fluchend beugte sie sich runter und suchte nach dem Geldstück. Nachdem sie ihn wieder an sich genommen hatte, warf sie ihn in die Maschine rein und drückte die Buchstaben-Zahlen-Kombination, die ihren Hunger stillen sollte. Geräuschvoll setzte sich der Automat bei den Gummibärchen langsam in Bewegung. Gerade als sich die Studentin auf ihren ersehnten Snack freuen wollte, passierte es. Es blieb stecken. Die Packung hing halb an einer Ecke klemmend auf Schräglage. Ernsthaft?! Maron stöhnte genervt auf und verdrehte die Augen. Sie gab nochmal den Code ein. Keine Reaktion. Ihre Gummibärchen waren in der Maschine gefangen. Mit der Handfläche schlug sie kräftig auf das Scheibenfenster ein. Kein Glück. Dann griff sie die Maschine an beiden Seiten und versuchte sie zu schütteln. Wieder nichts. Frustriert und hungrig gab sie dem Automaten einen kräftigen Tritt. Immer noch nichts. Wütend stierte sie die Maschine an. „Lass sie endlich raus!“, presste sie mit zusammengeknirschten Zähnen hervor und gab dem Gerät ein paar weitere Tritte. „Wow…Du hast ein ziemliches Aggressionsproblem.“, sprach auf einmal eine angenehm klingende Stimme von hinten. Erschrocken fuhr Maron zusammen und drehte sich zum Besitzer der Stimme um. Ein junger Mann ungefähr ihren Alters saß auf einer der Tische. Zu perplex von seiner plötzlichen Anwesenheit, musterte Maron ihn schrittweise von unten nach oben. Er trug schwarze, makellose Nike-Schuhe mit weißen Schnürsenkeln. Eine enganliegende, dunkelgraue Hose und ein schlichtes, weißes Hemd umhüllten seine schlanke Figur. Die Ärmel waren ordentlich bis zum Ellenbogen hochgekrempelt und ein schwarzer Blazer lag neben ihm, während er sich lässig zurücklehnte und sich mit den Handflächen nach hinten abstützte. Seine Gesichtszüge waren wie fein geschliffen und seine Augen schienen einen dunklen, schwarzähnlichen Farbton zu haben. Einzelne Strähnen seines kurzen, blauen Haares standen in allmöglichen Richtungen ab, wie als wäre er vor kurzem erst Aufgestanden. Er hatte relativ helle -nahezu blasse- Haut, nicht so braun gebrannt wie bei den meisten Leuten die hier rumliefen, stellte die Diebin fest. Ebenso musste sie sich eingestehen: Er war sehr, sehr gutaussehend. Man könnte ihn schon als schön bezeichnen. Kann man einen Mann als schön bezeichnen? Was Maron noch mehr verwirrte: er lächelte sie an. Er lächelte sie auf einer Weise an, wie als würde er sie kennen. Ihr Herz machte einen kurzen Sprung. Verunsichert drehte sie ihren Kopf, um zu sehen ob vielleicht irgendjemand hinter ihr stand, den er kannte. Doch es war niemand zu sehen, bis auf die Automaten. Als sie sich wieder zu dem Jungen wenden wollte, war er verschwunden. Stark blinzelnd, blickte sie sich kurz in alle Richtungen um, ehe sie sich zu ihrer Tasche herunterbeugte und sie wieder an sich nahm. Unterdessen hatte sich ihr Herz wieder beruhigt. Der mysteriöse Unbekannte war mehr als merkwürdig. Das allermerkwürdigste war allerdings: Maron fühlte sich wie als würde sie ihn (ebenfalls) schon kennen.   Sie hörte Schritte näher kommen, die aber abrupt stoppten ehe sie sie erreichten. Neugierig schaute sie auf. Ein perfekt gebräuntes Mädchen mit langem, dunkeltürkisen Haar stand plötzlich da und hatte sich bei einem gutgepflegten, übermuskulösen, blonden Jungen eingehakt. Beide schauten sie mit einer snobistischen Arroganz an. „Vorsicht!“, giftete sie das Mädchen an. Maron konnte zog leicht beleidig die Augenbrauen zusammen, obwohl sie gar nicht verstand für was die Warnung genau stand. Sie wiegte gedanklich ab ob sie mit einer spitzen Bemerkung zurückkontern sollte, oder nicht. Letztlich entschied sie sich dafür am ersten Uni-Tag sich keine unnötigen, neuen Feinde zu machen. „Sorry.“, entschuldigte sie sich, auch wenn sie keine Ahnung hat wofür sie sich entschuldigte. „Ich bin neu hier an der Uni, erstes Semester. Mein Name ist Maron Kusakabe.“ Aus Gewohnheit streckte sie den Beiden höflich die Hand aus, obwohl sie eigentlich keinerlei Bedarf empfand mit einen von ihnen die Hand zu schütteln. Ein falsches Lächeln zeichnete sich auf das hübsche Gesicht des Mädchens ob, die ihr Gegenüber von oben bis unten kurz musterte. „Willkommen.“, sagte sie knapp und ging mit ihrem Begleiter davon. Maron seufzte erschöpft aus. Zwei merkwürdige Begegnungen in so kurzer Zeit und sie hatte noch nicht mal die erste Vorlesung hinter sich. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie nun doch später dran war, als sie es geplant hatte. Eilig ging sie die Treppe hoch, bog zur Tür ab und öffnete sie. Maron versuchte so leise und unauffällig wie möglich reinzugehen, um die Professorin -eine schwarzhaarige Frau mittleren Alters mit Brille- nicht zu stören. Doch ehe sie sich versah, stolperte sie über ihre eigenen Füße und landete mit dem Gesicht voraus auf dem harten Laminatboden. Die Erstsemesterin konnte förmlich hören, wie der ganze Saal erschrocken nach Luft schnappte und zig Köpfe sich synchron zu ihr umdrehten. Der Tag wird immer besser und besser…, ging es ihr frustriert durch den Kopf. Sie spürte, dass ihre Nase blutete. Auch die Professorin hielt ihren Monolog an und lief bestürzt auf die junge Frau zu, die wie ein labbriges Toast noch auf dem Boden lag. Zu beschämt war sie um aufzustehen. „Uhmm, sind Sie okay? Können Sie mich hören?“, sprach die besorgte, gleichzeitig panische Stimme der Professorin auf Maron ein, die benommen nickte. „Kann jemand einen Arzt rufen, bevor die junge Dame mir hier in der Vorlesung noch zu Tode verblutet?“ Wie auf Kommando stand die Gemeinte auf, wischte sich den Staub von den Klamotten ab und hielt sich eine Hand über die Nase. „Mir geht’s gut! Mir geht’s gut! Keine Sorge!“, kündigte Maron mit etwas zu lauter Stimme an, warf einen unsicheren Blick durch die Runde und setzte ein gezwungenes Lächeln auf, obwohl sie sich vorstellen konnte dass sie wie jemand aussah, die aus einer Freakshow entstammte. „I-Ich tendiere schnell zur Tollpatschigkeit und Nasenbluten bekomme ich auch des Öfteren. Keine Sorge! Es blutet auch nicht mehr!“ Die ältere Frau schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen kritisch an. „Sie sind auch wirklich nicht verletzt? Dann würde ich vorschlagen Sie machen sich im Bad schnell sauber und kommen wieder hierher zurück, okay?“ „Ja. Danke.“, antwortete ihr die junge Studentin mit einer knappen Verbeugung und setzte sich Richtung Tür in Bewegung. Bevor sie den Saal verließ, warf sie noch einen flüchtigen Blick auf ihre Kommilitonen. Jeder von ihnen schaute sie mit großen Augen an. Darunter auch das hübsche Mädchen von vorhin, die anfing gehässig zu kichern. Was für ein toller Zufall! Entkräftet begab sich Maron zur Frauentoilette.   Die einstündige Mittagspause war angetroffen und die Kamikaze-Diebin war bereits fertig mit der Welt. Auch wenn die letzten drei Stunden so gut wie friedlich abliefen, so ließ sie das peinliche Morgendebakel nicht los. Nicht nur war ihr weißes T-Shirt mit roten Blutflecken übersät, die sie nicht weggewaschen bekam, ab und an erwischte sie Studenten, die sie verstohlen beäugten. Wahrscheinlich hatte es sich bereits rumgesprochen, wie sich eine Kommilitonin einfach mal im Vorlesungssaal hinlegte und den Boden voll blutete. Ein toller Start ins Studentenleben! Ebenso hatte sie den ganzen Tag noch nichts gegessen, bis sie aus der Cafeteria sich ein Tomatensandwich holen konnte. Miyako und Yamato wollten Maron in der Mittagspause antreffen, doch bis jetzt hatte sie das Paar noch nicht entdeckt. Schlecht gelaunt ließ sie sich auf eine freie Bank nieder, warf ihr Essen auf dem Tisch, stützte ihre Arme darauf ab und vergrub ihren Kopf in ihren Händen. „Du siehst aus als bräuchtest du eine Umarmung.“, hört sie jemand sagen. Als die 19-jährige aufschaut sah sie das freundlich lächelnde Gesicht eines Jungen in einem gelben Comic-Shirt, rot-schwarz karierter Hose, knallrot gefärbtem Haar und auffälligen Tattoos an den Armen. Maron konnte sich entsinnen ihn vielleicht in einige ihrer Veranstaltungen gesehen zu haben. „Danke für das Angebot, aber ich komme schon klar.“, entgegnete sie ihm höflich. „Das war kein Angebot, sondern nur eine Feststellung.“, lächelte er, setzte sich ihr gegenüber hin und streckte die Hand aus. „Ich bin übrigens Touya Kirishima.“ „Maron. Maron Kusakabe!“ Sie gab ihm die Hand, schüttelte sie kurz und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Welches Semester bist du?“ „Erstes. Studiere medizinische Psychologie. Und du?“ „Same, same. Dann sehen wir uns ja fast immer!“ Maron nickte. Touya ließ von seinem sympathischen Dauergrinsen nicht los. „So…Das Nasenbluten-Mädchen hat einen Namen. Wie geht’s deiner Nase? Sah heute Morgen sehr schmerzhaft aus….autsch!“ „Oh, eh… Ihr geht’s gut. Danke der Nachfrage. Du bist der Erste der fragt. Oder überhaupt ein nettes Wort mit mir wechselt.“ Maron wollte eigentlich was Zickigeres erwidern, doch als sie sah dass ihr tätowierter Gegenüber wirklich besorgt zu sein schien, entschied sie sich dagegen. Außerdem wäre es für sie nicht schlecht sich neue Freunde zu machen, die mit ihr dasselbe studierten, dachte sie sich. „Wer redet denn bitte schlecht über dich? Nenn mir einen Namen und ich gehe denjenigen verprügeln!“, sprach er empört und schlug ihr schauspielerisch auf dem Arm. Nun konnte sich die braunhaarige Studentin ein Lachen nicht verkneifen. „Als ob du alle aus der Uni kennen würdest.“ „Ich kenne genug Leute hier, vertrau mir. Also, schieß los!“ „Nun…da war ein Mädchen heute Morgen, die sagte zu mir ‚Vorsicht!‘ in einem ziemlich giftigen Ton.“ Maron beschrieb Touya wie sie aussah, woraufhin er erstaunt die Augenbraue hob. „Da war noch ein Typ bei ihr… der war genauso unhöflich wie sie…auch wenn er nichts gesagt hat.“ Der Rothaarige schüttelte nur lachend den Kopf. „Hört sich nach Yashiro Sazanka an. Bestimmt bist du Nagoya zu Nahe getreten, oder?“ „Wer ist Nagoya? So ein übermuskulöser, blonder Schnösel? Das war nämlich der Typ, der bei ihr war.“ Nun lachte ihr Gesprächspartner noch mehr und verschluckte sich fast an seiner Cola. „Nein, die Beschreibung passt eher zu vielen Kerlen an ihrer Seite, aber ich schätze mal es war Makoto Sato. Er und Yashiro sind sogenannte BFFs foreva and eva.“ Er klimperte übertrieben mit den Wimpern und machte Handgesten, wie als würde er Glitzer und Regenbögen herzaubern wollen. Maron fand den Rotschopf immer sympathischer. Belustig grinsend entpackte sie ihr Sandwich und biss genüsslich rein. „Also, was hast du ihr angetan?“, fragte Touya seinen Gegenüber interessiert, die ihn mit gespieltem Entsetzen anguckte und schluckte. „Wieso soll ich ihr was angetan haben?“ „Nun, irgendwie musstest du ja ihre Aufmerksamkeit bekommen haben. Normalerweise wärst du für sie wie Luft, aber falls Nagoya sich in deiner Nähe rumgetrieben hat, dann werden die Krallen ausgefahren.“ Er hielt kurz inne und schaut sie ernst an, ehe er weiter sprach. „Was er garantiert tun wird. Ich ging mit den allen zur Schule -war ein Jahr unter ihnen- und da hat er auch alle weiblichen Ressourcen ausgeschöpft, wenn du verstehst was ich meine… Und das sind keine Lügenmärchen die ich dir erzähle.“ Maron verzog das Gesicht. Sie dachte an den anderen Typ zurück, den sie am Morgen antraf. Hört sich nach einem ziemlichen Playboy an, der Kerl… „Du scheinst diesen Nagoya nicht besonders zu mögen, kann das sein?“, merkte sie trocken an. „Wir haben unsere Differenzen…“, brachte Touya ihr achselzuckend entgegen. „Nun, diese Yashiro braucht sich bei mir keinen Stress zu machen! Ich bin nicht interessiert irgendjemandes Freund zu stehlen.“ „Oh, er ist nicht ihr Freund. Sie waren in der Oberstufe für ein paar wenige Wochen mal zusammen, aber dann hat Nagoya ihr einen eiskalten Korb gegeben. Seitdem ist sie noch verrückter nach ihm als vorher. Total die bescheuerte Zicke!“ Maron entkam ein schnaubendes Lachen. Ihre Laune war um einiges besser als vor wenigen Minuten, was sie selbst ein wenig überraschte. „Maron! Da bist du!“, hörte sie auf einmal Miyako rufen. Die Angesprochene blickte zur Seite und winkte ihre Freundin zu, die mit Yamato Händchenhaltend auf sie zukam. „Wurde auch mal Zeit, Miyako!“, begrüßte sie die Dunkelhaarige und ihren Freund mit einer Umarmung. „Das ist übrigens Touya. Touya, das sind Miyako und Yamato. Schulfreunde von mir.“, stellte sie alle einander vor, die sich zum Tisch dazu gesellten. „Was ist mit deinem T-Shirt passiert?! Ist das…Blut?“, fragte Yamato entsetzt und zugleich besorgt als er die Flecke bemerkte. Die Diebin winkte nur ab. „Frag nicht. Hatte nur einen schlechten Start.“ „Sag mir nicht, du hast mal wieder verschlafen?“, kam es von Miyako belustigt. Maron warf ihrer besten Freundin einen vielsagenden Seitenblick zu. „Wäre alles nicht passiert, wenn wir zusammen gefahren wären!“ „Ja klar. Immer die Schuld auf andere schieben!“, lachte Miyako und wechselte abrupt das Thema: „Übrigens, hast du schon gehört, dass die Bürgermeisterin gestern von Jeanne beklaut wurde?“ „Meinst du Jeanne, die Kamikaze-Diebin?!“, kam es von Touya erstaunt und starrte sie mit offenen Mund an. „Ja! Mein Vater fahndet gegen sie und Sindbad. Auf jeden Fall wurde der Schüssel der Stadt geklaut. Das Komische ist, sie hat zwar die altbekannten Warnungen von den Beiden erhalten, jedoch nicht die Polizei eingeschaltet! Kannst du sowas verstehen? Das ist doch total unverantwortlich von ihr! Da hat sie sich den Diebstahl auch selbst zu verschulden!“ Maron setzte einen ratlosen Blick auf und zuckte nur mit den Schultern. „Das kann ich mir auch nicht erklären.“ Die restliche Mittagspause aßen und unterhielten sich die vier ausgelassen bis die nächsten Veranstaltungen anstanden.   Zuhause angekommen, ließ sich die junge Frau aufs ersehnte Bett fallen und kuschelte sich in ihr Kissen rein. „Und wie war dein Tag?“, kam Fin fröhlich auf sie zugeflogen. „Anstrengend… Frag nicht wieso! Aber! Ich habe mir einen neuen Freund gemacht!“, murmelte sie in ihr Kissen rein und hob bekräftigend den Zeigefinger nach oben. „Bitte sag mir, dass ich heute Abend frei hab!“, flehte sie ihren Engel an, als sie vom Kissen aufschaute. Diese schaute sie mit ihren grünen Augen nur verdutzt an und sagte lächelnd: „Heute scheint alles ruhig zu sein. Also, ja, du hast frei.“ „Danke!“, stöhnte Maron erleichtert auf, stand auf und ging ins Badezimmer. Sie brauchte dringend ein entspanntes, heißes Bad. Morgen ist ein neuer Tag. Dann wird alles hoffentlich besser ablaufen! *** Der zweite Tag verlief -im Vergleich zum ersten- deutlich besser ab. Maron fuhr mit Miyako zusammen gut gelaunt zur Uni. Die Vorlesungen liefen ohne Blutverluste ereignislos ab. Und immer wenn sie Touya in einer Veranstaltung antraf, war sie mehr als froh nicht alleine die Zeit absitzen zu müssen. Insbesondere wenn Yashiro in der Nähe war, die mit ihrem Laufburschen Makoto und sonstigen Freundinnen mehr als offensichtlich über sie tuschelten und Witze rissen. Die Lästereien und verstohlene Blicke ignorierte die Braunhaarige allerdings einfach, ohne sich davon unterkriegen zu lassen.  Die letzte Vorlesung war angetroffen. Die Studentin setzte sich auf einem freien Platz am Gang hin und legte ihre Tasche auf dem rechten Sitz neben sich ab. Es würde noch zehn Minuten dauern bis der Dozent kommen würde, weshalb sie sich aus Zeitvertreib ihr kleines Skizzenbuch rausholte und willkürlich ein paar Kritzeleien machte. Sie mochte es zu zeichnen. Es half ihr herunterzukommen und sich zu entspannen.   „Ist neben dir noch frei?“, hörte sie nach einigen Minuten plötzlich neben sich fragen. Erschrocken zuckte sie zusammen und schaute auf. Es war der blauhaarige Schönling vom Vortag – diesen Nagoya. Maron erinnerte sich, dass Touya erwähnt hatte, dass er ebenfalls in der medizinischen Richtung studierte. Sie schaute sich kurz um, um verblüfft festzustellen, dass alle anderen Plätze bereits belegt waren, bis auf der eine neben ihr. Na gut, wollen wir nicht so sein… Leicht seufzend nahm sie ihre Tasche vom Platz weg und stellte sie unter ihren Füßen ab. „Danke.“ Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln als er sich hinsetzte, was ihrem Herz aus unerfindlichen Gründen wieder einen leichten Sprung versetzte. „K-Kein Problem.“, fing sie an zu stottern. „Und? Heute werden keine Snackautomaten verprügelt?”, fragte ihr neuer Sitznachbar grinsend. „Ich habe das Ding nicht verprügelt. Er wollte nur meine Gummibärchen nicht frei lassen.“, rechtfertigte sie sich leise, die Wangen schimmerten verlegen rot. Eigentlich wollte sie es vermeiden mit ihm zu reden, ausgehend von den ganzen Playboy-Geschichten, die sie über ihn gehört hatte. „Ich heiße übrigens Chiaki. Chiaki Nagoya.“, stellte er sich vor und schaute ihr tief in die Augen. Unbewusst wich Maron etwas zurück. Kurioserweise fiel ihr auf, dass seine Augen nicht dunkel oder schwarz waren -wie sie ursprünglich annahm-, sondern eigentlich einen hellen Haselnussbraun aufwiesen. Ihr Herz wurde wieder etwas lauter. „Maron Kusakabe.“ „Einen hübschen Namen hat das Automatenmädchen.“, grinste Chiaki seine Sitznachbarin an. Flirtet er mit mir??, ging es ihr alarmierend durch den Kopf. „Und Talent scheint sie auch zu haben.“, fügte er erstaunt hinzu als er ein Blick auf ihren Skizzenbuch warf, welches immer noch offen auf dem Tisch lag. Sie hatte noch nicht mal mitbekommen, dass die Vorlesung schon angefangen hatte. Mit einer schnellen Bewegung packte die Erstsemesterin ihr Buch weg -ihr Gesicht noch roter angelaufen als vorher- und tat so als würde sie sich auf den Vortrag des Dozenten konzentrieren. Maron wollte dem älteren Mann am Pult auch zuhören, dessen Powerpoint-Folien lesen und sich Notizen machen. Doch ein Faktor zerrte sehr an ihrem Aufmerksamkeitsstrang. Nämlich zwei Paar braune Augen, die auf sie fixiert waren. Sie versuchte ihr bestes Chiaki zu ignorieren, doch an einen gewissen Punkt riss ihr Geduldsfaden. „Was auch immer du gerade versuchst, ich werde nicht anbeißen!“, zischte sie ihm leise zu. „Wovon redest du?“ „Ich habe genug von dir gehört um zu wissen, dass du der Typ Kerl bist, der Frauen wie Unterwäsche wechselt!“ Chiaki schaute sie schmunzelnd an. „Urteilst du immer so schnell über Fremde, bevor du sie richtig kennenlernst?“ „Willst du etwa behaupten nichts von dem, was ich hörte, ist wahr?“ „Du beantwortest nicht meine Frage.“ „Und du nicht meine.“ Daraufhin kicherte Chiaki nur amüsiert. Wiedermals sprang Maron’s Herz kurz auf. „Arsch.“, fluchte sie grimmig in sich hinein und funkelte ihn mit einem Seitenblick an. Ihr Sitznachbar schien das gehört zu haben und brachte nur ein amüsiertes „Du hast wirklich Aggressionsprobleme“ entgegen, bevor er aufstand und ging. Zu ihrer Fassungslosigkeit musste Maron feststellen, dass die Vorlesung schon zu Ende war. Genervt stöhnte sie auf, packte ihre Sachen und verließ den Saal.   Auf dem Weg über den Parkplatz sah sie bereits Miyako mit Yamato vor dem Auto warten. Die Freundinnen hatten sich trotz unterschiedliche Studiengänge den Stundenplan so eingerichtet, dass sie immer zusammen hin und zurück fahren konnten. „Na, ihr Turteltauben. Wie war euer Tag?“ „Ganz gut! Sehr lehrreich. Steig‘ schon mal ein. Wir fahren gleich los.“, entgegnete ihr Miyako zwinkernd. Aufs Wort begab Maron sich zum Beifahrersitz, während ihre beste Freundin sich mit einem Abschiedskuss von ihrem Freund verabschiedete. Die Studentin wundert sich stark, weshalb die Beiden nach dem Abschluss nicht zusammenziehen wollten. „Sag mal, du und Yamato“, setzte sie an als Miyako sich ans Steuer setzte und den Gurt anschnallte, „wieso seid ihr nicht zusammengezogen nach der Schule? Ihr seid schließlich auch schon eine Weile zusammen.“ „Wieso? Hmm.“ Die Fahrerin legte eine künstliche Nachdenkpause ein. „Weil es jemand geben muss, die ein Auge auf dich wirft während deine Eltern weg sind. Nicht dass dir jeden Tag dasselbe passiert wie gestern.“, antwortete sie ihr breit grinsend und fuhr aus der Parklücke raus. Perplex schaute Maron sie an. Sie bleibt im Orléans nur wegen mir?? Verstehe ich das richtig?? Schuldgefühle breiteten sich in ihr aus. „Mach dir keine Gedanken um uns, Maron!“, fügte die Polizeitochter lächelnd hinzu. „Ich wäre sowieso noch nicht bereit gewesen.“ „Irgendwie fühle ich mich jetzt trotzdem wie als würde ich mich zwischen euch stellen.“ „Ach Quatsch. Es wird immer eine Person in meinem Leben geben, die bei mir an oberster Stelle steht!“ Maron schaute ihre kurzhaarige Freundin irritiert an. „Da kann Yamato sich ja glücklich schätzen.“ Miyako entkam ein leises Lachen und schüttelte unbemerkt den Kopf. Um das Thema zu wechseln, fragte sie Maron: „Und, hast du wieder neue interessante Leute kennengelernt? Dieser Touya gestern ist ein ziemlich lustiger Chaot.“ „Interessant nicht. Wohl eher arschlöcherisch.“ Die Fahrerin verzog amüsiert das Gesicht. „Redest du von diesen komischen Leuten von denen du uns gestern berichtet hast? Dieser Nagoya aus eurer Fakultät scheint ziiiemlich beliebt zu sein. Selbst Kommilitoninnen aus meinen Studiengang kriegen den Mund von dem Typen nicht voll.“ „Ja und heute saß genau er neben mir. Was für ein überhebliches Arsch dieser Kerl…Ich glaube, der hatte versucht sich an mich ranzumachen!“, schnaufte Maron auf und warf dramatisch den Kopf in den Nacken. „Den König der Ärsche bis du ja los geworden…“, murmelte Miyako leise vor sich hin, ehe sie sich reumütig auf die Lippe biss und einen vorsichtigen Blick auf ihre Beifahrerin warf. Diese schien nicht gehört zu haben, was sie gesagt hat und schaute gedankenverloren aus dem Fenster bis sie die besorgten Augen ihrer Freundin bemerkte, die auf ihr hafteten. „Sorry, hast du was gesagt?“ „Nein, nein. Nichts.“ *** „Das Opfer ist der Künstler Furuta Yamakawa. Der Dämon bringt ihn dazu die Bilder von seinen Konkurrenten zu verunstalten und versteckt sich in dem Lieblingspinsel des Malers. Sei Vorsichtig, Jeanne.“, sprach Fin zu der blonden Diebin, die sich in einem Baum versteckt hat. Im Vergleich zum letzten Auftrag war vor dem Anwesen des Künstlers ein großes Polizeiaufgebot. An vorderster Stelle konnten sie Himuro Toudaiji -Miyakos Vater- entdecken, der seine Männer auf Position stellte und koordinierte. „Keine Sorge. Ich bin schließlich ein Profi!“ In wenigen Minuten hatte die Kamikaze-Diebin Polizeibarrieren überwunden und schlich sich ins Haus ein. Sofort begab sie sich ins oberste Stockwerk zum Atelier, wo Herr Yamakawa sie bereits erwartete. Kaum hatte die Blonde den Raum betreten, kamen Pinselstiele wie Pfeile auf sie zugeschossen, die sie gekonnt auswich. Furuta Yamakawa stand am anderen Ende des Raumes, mit einer weiteren Handvoll Pinsel, bereit für den nächsten Angriff. Jeanne konnte erkennen, dass ihr Objekt der Begierde in seinem Malergürtel steckte. Es war ein alter Pinsel, welches von oben bis unten mit mehreren Schichten Farbe bedeckt war. „Ich lasse mich von dir nicht stehlen!“, sprach der Dämon durch den Künstler in einer unmenschlichen Stimme. „Das werden wir ja sehen!“ Die Diebin rannte auf den Mann zu. Pinselstiele flogen übernatürlich schnell an ihr vorbei, doch die hinderten sie nicht an ihrer Mission. In einem erbitterten Kampf mit dem Mann versuchte sie den Pinsel an sich zu reißen, doch der Dämon war geschickt und wehrte ihre Angriffe ohne Probleme ab. Plötzlich kam mitten in ihrem Handgemenge ein Bumerang durch die Fenster geflogen und schnitt Herrn Yamakawa den Gürtel vom Körper ab. Oh Nein!! Ehe Jeanne reagieren konnte, manifestierte sich der Dämon aus dem Malobjekt und wurde von Sindbad mit einem blitzschnellen Schwerthieb gebannt. Eine schwarze Schachfigur erschien und der Künstler sackte -nach einem kurzen Aufschrei- bewusstlos vor ihr zusammen. „Heute war ich schneller, Jeanne! Oder ist dir der Job schon zu anstrengend geworden? So wie du dich eben abgequält hast...Konnte man sich ja nicht mit ansehen!“, spottete Sindbad mit einem selbstgefälligen Grinsen, warf die errungene Schachfigur demonstrierend hoch und fing sie in seiner Hand wieder auf. „Du bist so ein verdammtes Arsch! Ich hasse dich!!“, giftete die Angesprochene ihn an und sprang aus dem Fenster wütend davon. Normalerweise würde ihre Beleidigungen den Dieb kalt lassen, aber irgendwie fühlte es sich diesmal so... vertraut an. Als hätte er solche Worte schon mal von jemanden sagen gehört. Für einige Sekunden schaute Sindbad ihr nachdenklich hinterher, bis er im Flur Stimmen hörte -die sich dem Atelier näherten- und ebenfalls die Flucht ergriff. --------------------------------------- NOTE: Die meisten Szenen (sowie zukünftige) sind aus der Mara Dyer-Serie von Michelle Hodkins inspiriert!   Chapter 3: Go along ------------------- Chapter 3: Go along   „Ich will dich ja nicht unter Druck setzen, Miyako, aber wenn du nicht bald einen Parkplatz findest, kommen wir beide noch zu spät.“, merkte Maron trocken an, als ihre Freundin die zweite Runde durch den vollen Parkplatz ansetzte, auf der verzweifelten Suche nach einer freien Lücke. „Sagst du so leicht als Beifahrerin! Der Verkehr hierhin war schon grauenhaft! Nun muss ich mich echt zusammenreißen, um nicht Autoscooter mit den ganzen Idioten hier zu spielen und die alle vom Platz wegzuhauen! Denen sollte man echt den Führerschein abknöpfen!“, fluchte die Angesprochene wild gestikulierend am Steuer. „Ist hier heute irgendeine Messe oder wo kommen die ganzen Autos her?!“ Immer wieder versperrten vorbeidrängelnde Autos ihr den Weg oder schnappten ihr eine verfügbare Parklücke weg. Besonders diejenigen mit hochwertigen Markenautos benahmen sich wie als würde ihnen jede Lücke zustehen. So mussten die Freundinnen auch miterleben wie ein weißer Luxus-Maserati mit ihnen um einen Platz wetteiferte. Erfreut wollte sich Miyako in eine Lücke reinbegeben, als plötzlich der Maserati sie mit quietschenden Reifen abschnitt und sich geräuschvoll in die besagte Lücke reinmanövrierte. Miyako war dermaßen auf 180, dass sie so scharf auf die Hupe drückte, man hätte Angst sie würde ihr Lenkrad durchschlagen. Es überraschte Maron nicht als sie Yashiro aus der Fahrerseite des Maseratis aussteigen sah sowie Makoto, der von der anderen Seite auftauchte. Natürlich! Wer sonst! Beide stolzierten unbeeindruckt von dem Gehupe zum Campus. „SO EINE VERFLUCHTE SCHLAMPE! Das war mein Platz gewesen!! Ich habe ihn zuerst gesehen!! So eine Unverschämtheit!! Kannst du das fassen?!“, schimpfte Miyako ohne Hemmungen. Ihre braunhaarige Beifahrerin nickte bei jedem Satz nur zustimmend. Schließlich hatte die Polizeitochter endlich eine freie Parklücke in der hintersten Ecke des Parkgeländes gefunden. „Sehen wir uns in der Mittagspause? Oder erst nach der Uni?“, erkundigte sich Miyako bevor die Beiden getrennte Wege nahmen. „Mal sehen. Werde vor der Pause eine Freistunde haben und da habe ich garantiert schon gegessen. Aber ich kann mich ja trotzdem dazusetzen.“, antwortete ihr Maron, die schon nervös auf die Uhr schaute und imaginär mit den Hufen scharrte. „Alles klar. Jetzt müssen wir uns beeilen! Bis später, also!“   Total verschwitzt und außer Atem sprintete Maron zum dritten Stock ins Zimmer rein -da ihr nur wenige Minuten blieben bevor die Veranstaltung begann und der Fahrstuhl sich zu lange Zeit nahm- und bewegte sich auf den ersten verfügbaren Platz zu, den sie erblickte. Wie der Zufall es so wollte, war der freie Platz neben Chiaki. Gelangweilt und unbekümmert lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sah so zerzaust aus, wie sie ihm zum ersten Mal begegnete. Die Haare wild in alle Richtungen stehend, als wäre er frisch aus dem Bett aufgestanden. Maron fiel auch auf, dass er sich nie Notizen machte oder überhaupt Schreibutensilien rausholte. Als sie am Tag vorher das erste Mal nebeneinander saßen, hatte er sich auch die ganze Zeit damit beschäftigt sie anzustarren und mit ihr zu reden. Als Chiaki die Erstsemesterin erblickte, warf er ihr ein verführerisches Lächeln zu und begrüßte sie mit einem erfreuten „Hi.“. Ohne auf die Begrüßung zu einzugehen, setzte Maron sich hin und schaute zur Tafel nach vorne. Dabei traf sie auf zwei tödlich funkelnde Augen, die sie von der ersten Reihe aus anstierten. „Wenn ich Sie jetzt alle um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte.“, ertönte die Stimme des Dozenten, der mit seinem Programm anfing und Yashiro drehte sich wieder Richtung Pult um.   In der Pause ging Maron zur Toilette, machte sich frisch und richtete ihre Haare ordentlich. Noch immer klebte ihr der Morgenschweiß auf der Haut. Noch ein paar Stunden warten bis zur erfrischenden Dusche..., dachte Maron als sie sich mit einem feuchten Tuch über die Stirn, den Nacken und die Arme fuhr. Nachdem sie fertig war und einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf, begab sie sich nach draußen in den Flur. Kaum hatte sie einen Fuß aus dem Bad gesetzt, kam ihr Yashiro unerwartet entgegen, die die Nase angeekelt rümpfte, das Kinn hob und die Arme vor die Brust verschränkte. „Ich hab dich gewarnt. Halt dich gefälligst fern von ihm!“, sagte sie mit einem drohenden Unterton. „Entschuldige, von wem oder was reden wir hier?“, entgegnete ihr Maron mit gespielter Ignoranz. „Du weißt genau wovon ich rede, Süße. Du hältst dich gefälligst fern von Chiaki oder du bekommst es mit mir zu tun.“ Für einige Sekunden schaute die braunhaarige Studentin ihre Kommilitonin mit einer mehr als gleichgültigen Miene an. „Bekomme ich einen Preis für diese Konversation, wenn ich so tue als würde mich dein Gelaber interessieren?“ Empört riss Yashiro den Mund auf. „Du respektloses, stinkendes Miststück!“, zischte sie zurück. Gerade als Maron etwas Freches kontern wollte, fuhren beide Frauen zusammen als sie Chiaki‘s Stimme hörten: „Lieber ein respektloses, stinkendes Miststück mit anständigem Charakter als eine falsche, überparfümierte Schlampe mit Scheiß-Persönlichkeit, Yashiro.“ Mit einem fast unmerklichen Grinsen stand er hinter Maron, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben. Wo kommt er plötzlich her?!, fragte diese sich stark verwundert. Yashiro machte große Augen. In Sekundenschnelle wechselte ihr Gesichtsausdruck von boshaft zu unschuldig. Mit einer (falschen) engelsgleichen Unschuld in ihrer Stimme, sagte sie: „Das ist ziemlich gemein von dir sowas zu sagen, Chiaki. Ich bin zutiefst verletzt.“ „Sehe ich so aus als würde mich deine Meinung interessieren?“, brachte er ihr achselzuckend entgegen. Das war nicht die Antwort, die Yashiro von ihm erwartet hatte. „W-Was auch immer.“, stotterte sie beleidigt, warf Maron einen letzten stechenden Blick zu und lief davon. Für einen Moment hallten ihre Absatzschuhe durch den Gang bis sie komplett verstummten.   Entnervt atmete die Diebin seufzend auf -sie fühlte sich wie in einen amerikanischen Teenager-High-School-Film hinein versetzt- und wandte sich Chiaki zu, der ihr nun ein verschmitztes Lächeln schenkte. „Du hättest dich nicht einmischen müssen…“, sagte sie ihm, „Ich wäre mit ihr auch klargekommen.“ „Bedanken kannst du dich trotzdem.“ Maron verzog den Mund zur Seite und ging mit schnellen Schritten los. Ihr blauhaariger Kommilitone hielt mit ihr problemlos Schritt. „Was hast du als nächste Einheit?“, fragte er. „Ehm… Wahlfach Anatomie.“ Sie erhöhte ihr Tempo. „Ich begleite dich dahin.“ Noch immer konnte Chiaki mit ihr mithalten. Maron sah ein, dass sie ihn nicht so leicht los bekam und machte sich darauf gefasst, dass zwischen ihnen unangenehmes Schweigen herrschen würde. Wofür sie innerlich auch hoffte. Fehlanzeige. „Die Zeichnungen aus diesem kleinen Skizzenbuch…Die hast du alle selbst gezeichnet, oder?“, erkundigte sich Chiaki interessiert.   „Japp.“ „Wieso studiert jemand mit so viel künstlerischem Talent sowas trockenes wie Medizin? Bei den Skills wärst du perfekt an einer Kunstakademie.“ Überrascht schaute Maron ihn an. Sie konnte weder Belustigung in seinem Gesicht, noch Sarkasmus in seiner Stimme erkennen. Er schien das als wirkliches Kompliment zu meinen. „D-Danke.“, stammelte sie und erklärte, „Ich sehe das Zeichnen eher als Hobby. Beruflich wollte ich schon immer in Richtung Medizin bzw. Psychologie gehen.“ „Verstehe. Jetzt bist du dran.“ „Für was?“ „Mir ein Kompliment zu geben.“ Auf Maron’s Gesicht zeichnete sich ein riesiges Fragezeichen ab. Chiaki grinste amüsiert. „Wir können entweder schweigend nebeneinander herlaufen oder du fragst mich etwas über meine eigene Person, bis wir dein Zimmer erreicht haben.“ „Wer sagt, dass ich ansatzweise Interesse an dir oder deinem Leben hätte?“, fragte sie. „Niemand.“, antwortete er, „aber aus Erfahrung wollen die meisten Mädels, die ich antreffe, mich genauer kennenlernen.“ „Aha.“ Eingebildeter Arsch… Die junge Studentin konnte schon ihr Zimmer am Ende des Ganges erblicken. Nur noch wenige Meter. „Ich bin in Tokyo geboren….“ Schweigend lief Maron weiter. „…Bin aber hier in Momokuri aufgewachsen.“ Nur noch drei Meter bis zum Ziel. „Ich habe nicht unbedingt eine Lieblingsfarbe, aber ich kann Pink nicht ausstehen. Die Farbe brennt förmlich in den Augen.“ Maron zog es in Erwägung für den nächsten Tag etwas knallpinkes anzuziehen. Wenn möglich von Kopf bis Fuß. „Ich spiele Fußball, esse gern italienisch, mag Hunde, bin allergisch auf Katzen, hasse Werwölfe und-...“ Ehe Chiaki weitersprechen sprechen konnte, huschte Maron in ihr Zimmer rein und schob ihm die Tür vor die Nase zu. Ihr inneres Kind streckte ihm neckend die Zunge aus. Am Fenster saß Touya, begrüßte sie mit einem lächelnden Nicken und nahm seinen Rucksack vom Nachbarssitz runter als sie sich ihm näherte. „Vor was bist du denn geflüchtet?“, fragte er verdutzt, nachdem sie sich laut seufzend auf dem Stuhl warf. Die Angesprochene fuhr sich durch die langen Haare und band sich einen Zopf. „Vor der Pest.“ *** Maron’s Freistunde stand an und sie beschloss sich die Beine zu vertreten, weshalb sie einen Spaziergang außerhalb des Universitätsgeländes machte. Es war ein wolkiger, grauer Tag mit mäßigen Temperaturen. Mit einem Vanille-Hörnchen in der Hand, welches die Studentin bei einem nahegelegenen Bäcker gekauft hatte, schlenderte sie ziellos die Straßen entlang. Genüsslich aß sie ihr Snack. Ab und an begegnete Maron ein paar vorbeilaufende Passanten. Eigentlich sollte es ein gemütlicher Spaziergang werden, um den Kopf frei zu bekommen, doch alle paar Meter breitete sich ein unangenehmes Gefühl in ihrer Brust aus. Ihr Herz klopfte schneller und ihr Schritttempo erhöhte sich von selbst. Ebenso verspürte Maron das Bedürfnis sich immer wieder nach hinten umzudrehen. Sie bekam das Gefühl nicht los als würde man sie beobachten oder sogar verfolgen. Das bildest du dir bloß ein!, redete sie sich gedanklich ein und versuchte sich das Gefühl abzuschütteln.   Plötzlich hörte Maron nach einigen Abbiegungen ein leises, tierisches Wimmern. Sie ging nochmal einen Schritt zurück und spähte in eine schmale Seitengasse hinein. Wieder war das schwache Wimmern zu hören. Mit aufmerksamen Augen schaute sie sich um und versuchte die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen. Unter einem großen, breiten Brett, welches schräg an der Hausmauer gelehnt war, fand sie es schließlich. Ein verdreckter Hund, eingerollter auf einem Stück Zeitungspapier. Von der Rasse schien es ein kleiner, japanischer Husky zu sein, ein Shiba Inu. Sein dichtes, weiches Fell war komplett mit Dreck verklebt, an manchen Stellen war er sogar kahl und er wirkte abgemagert. Unter den dünnen Fellabschnitten konnte sie Narben und schlechtverheilte Wunden erkennen, ebenso schien es an den Beinen verletzt zu sein schien. Das Tier war anscheinend zu schwach seinen Kopf zu heben, dennoch schaute es Maron mit verängstigten Kulleraugen an. „Du meine Güte! Du armes Ding. Keine Angst. Ich tue dir nichts.”, die junge Frau versuchte so sanft wie möglich auf den Hund einzureden. Es fing an zu regnen. Sie hockte sich hin, zog ihre Jacke aus, wickelte ihn darin vorsichtig ein, versuchte ihn trocken zu halten und hob ihn hoch. Er war relativ leicht, im Vergleich zu seinen gesunden Artgenossen in der Größe. Der Hund sträubte sich zunächst sich von Maron anfassen zu lassen, weshalb sie zunächst Probleme hatte ihn ruhig in ihren Armen zu halten. „Hey, hey, hey. Ruhig. Ich tue dir nichts, kleiner Kerl. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“, sprach sie beruhigend auf das Tier ein, strich im vorsichtig über den Kopf. Es trug ein Hundehalsband, aber kein Namensschild war zu sehen. Ob er von seinem alten Besitzer im Stich gelassen wurde? Sie inspizierte besorgt dessen Wunden. Oder sogar misshandelt? Sie hatte zwar keinen Schimmer von Tiermedizin, aber selbst für sie war es eindeutig, dass die Wunden nicht natürlichen Ursprungs entstammten. Ebenso konnte sie sich nicht vorstellen, dass der kleine Vierbeiner es sich mit anderen Hunden angelegt hat, oder ähnliches. Maron wusste nicht was sie mit dem verletzten Tier machen sollte. Ihr war klar, dass es Hilfe brauchte. Instinktiv ging sie zur Uni zurück. In ein paar Minuten würde die Mittagspause beginnen und vielleicht kann sie Miyako dazu bringen, sie zu einem Tierarzt zu fahren. So plötzlich wie der Regen kam, so hörte es auch abrupt wieder auf.   Am Campusgelände angekommen, überquerte sie den Parkplatz und sah eine ganz bestimmte Person in ihre Richtung entgegenkommen, die sie von allen am Wenigsten begegnen wollte. Mit dem Gesicht nach unten auf sein Handy gewandt, lief er durch die Autoreihen und fuhr sich mit der freien Hand durch das feuchte, blaue Haar. Das gibt's doch nicht! Der Typ ist wirklich wie die Pest…, ging es Maron panisch durch den Kopf. Ohne von Chiaki gesehen werden zu wollen, versteckte sie sich hinter einem geparkten Auto, doch in derselben Sekunde bellte der Hund laut auf. Na Super! Chiaki schaute überrascht hoch und sah seine Kommilitonin gerade so hinter dem Wagen verschwinden. „Maron? Bist du das?“ Resigniert kam die Angesprochene aus ihrem Versteck hervor. „Chiaki.“ Sofort bemerkte dieser den Hund, lief lächelnd auf sie zu. „Stellst du mich deinem neuen Freund vor?“ Sein Lächeln verschwand als er den Zustand des Tieres sah. Seine Züge verhärteten sich und ein Funken Wut blitzte in seinen braunen Augen. Fragend schaute er Maron an. „Ich…“, unsicher schaute sie auf das wimmernde Bündel in ihren Armen herunter, „Ich habe ihn so auf der Straße gefunden…Wahrscheinlich ist er auch Menschenscheu. Eigentlich wollte ich eine Freundin rufen und mit ihm zum Tierarzt fahren.“ Der Hund hatte seine schwarzen Kulleraugen auf Chiaki gerichtet, wackelte leicht mit dem Schwanz als dieser sich nach vorne beugte und ihn sanft am Kopf streichelte. Mit einem nachdenklichen Blick schaute Chiaki auf seine Uhr, bevor er sagte: „Ich kenne einen Tierarzt nicht weit von hier. Ich fahre dich dahin.“ Maron zögerte für einen Moment. „Wirklich? I-Ich will dir keine Umstände bereiten, falls du besseres zu tun hast!“ „Wirklich. Keine Sorge, tust du nicht. Also komm!“ „D-Danke.“ Gemeinsam gingen sie zu seinem Auto. Ein edler BMW in schwarz. Chiaki nahm ihr den Hund ab und platzierte ihn behutsam auf dem Rücksitz. Auch wenn der Vierbeiner in Maron’s Jacke eingepackt war, so hatte sie trotzdem Angst, dass es die hochwertige Lederpolsterung verunstalten könnte. Sie hatte keinen Bedarf für eine Reinigung aufzukommen, die ihre Miete kosten könnte. „Chiaki, wäre es nicht besser wenn ich ihn mit nach vorne nehme. Ich will nicht, dass dein Wagen noch ruinie-…“ Der Angesprochene legte ihr den Zeigefinger vor die Lippen und schnitt ihr das Wort ab. „Das ist nur ein Auto. Wichtiger ist, dass wir ihn untersuchen lassen, oder?“ Maron nickte zaghaft. Ihr Gesicht war leicht rosa angelaufen. Chiaki öffnete ihr die Tür auf der Beifahrerseite. Wortlos stieg sie ein.   Die zehn Minuten Fahrt, die sie bis zum Tierarzt gebraucht hatten, verbrachten die Studenten schweigend. Maron zwang sich stur aus dem Fenster zu schauen, doch immer wieder erwischte sie sich selbst dabei, wie sie den blauhaarigen Fahrer neben ihr heimlich musterte und beobachtete. Dass Chiaki unbeschreiblich gut aussah, stand bereits am ersten Tag außer Frage. Doch je mehr sie mit ihm zu tun bekam, desto mehr fielen ihr einige Details auf, die ihr Herzklopfen bereiteten. Sein verschmitztes Grinsen, sein Lachen, die zerzausten Haare, die ihm einen gewissen Charme brachten, die Art wie er redete. Selbst die kleinsten Ticks, wie die Art und Weise wie er seine Augenbrauen hob, bereiteten ihr ein flaues Gefühl in die Magengegend. Am Ziel angekommen, stieg Chiaki als Erster aus und lief auf die Beifahrertür zu. Mit einer schnellen Bewegung öffnete Maron ihre Tür, ehe er Hand darauf setzen konnte. Grinsend schüttelte er nur leicht den Kopf, öffnete stattdessen die Rücksitztür, holte den Hund raus und entfernte ihn von der Jacke. Zur Maron’s Erleichterung war alles im Auto unversehrt. Dafür sah ihre Jacke aus wie als bräuchte es mindestens drei Waschgänge. „Wie heißt er denn?“, fragte Chiaki sie während sie sich zum Eingang begaben. „Keine Ahnung. Ich sagte doch, ich habe ihn auf der Straße gefunden.“, zuckte sie mit den Schultern. „Ja, sagtest du. Wir brauchen allerdings einen Namen, damit wir ihn da drin registrieren können.“, erklärte Chiaki ihr und neigte den Kopf zur Seite. „Okay. Dann geben wir ihm einen Namen. Denk dir irgendwas aus!“ „Hmmm. Wie heißt du, kleiner Kerl?“ Chiaki schaute auf den Hund nachdenklich herunter. „Überleg nicht lange rum. Nimm einen willkürlichen Namen.“ „Hey, eine Namensvergabe ist was ganz besonderes. Sowas muss gut überlegt sein!“ Maron verdrehte ungeduldig die Augen. Mittlerweile standen sie vor der milchigen Glastür. „Du siehst aus wie ein Haru….Nennen wir dich Haru.“, sagte er dem Tier und lächelte zufrieden. „Dann haben wir die Namenssuche nun auch geklärt. Können wir jetzt rein gehen?“ „Du bist ein echtes Stück Arbeit, Maron.“, merkte Chiaki an, „Nun sei bitte ein Gentleman und öffne mir die Tür. Wie du siehst, sind meine Hände voll.“ Genervt tat Maron, wie ihr geheißen. Sofort wurden die jungen Studenten von der Empfangsdame freundlich begrüßt, die mit großen Augen den Hund bemerkte und den Arzt rief. Es dauerte nicht lange bis eine erfreute Frauenstimme im Wartebereich ertönte.   „Chiaki! So ein Zufall, dein Vater ist auch gerade zu Besuch!“ Vor ihnen stand eine zierlich gebaute Frau mit hübschen, herzförmigen Gesicht, zusammengebundenem, orange-braunen Haar und war in einem Doktorkittel bekleidet. „Mutter.”, begrüßte der Gerufene die Frau kühl und deutete mit einer Kopfbewegung auf Haru in seinen Armen. Maron war mehr als verwirrt. Mutter?! „Na, wen haben wir da?“, die Frau -Chiaki’s Mutter- nahm den Hund behutsam an sich. „Er heißt Haru. Wir haben ihn draußen vor dem Campus gefunden.“, erklärte Chiaki knapp. Der kühle Ton in der er mit ihr sprach, machte Maron stutzig. Seine Mutter schien sich davon nicht beirren zu lassen und behielt ihre Fröhlichkeit. „Verstehe. Ich werde ihn mit rüber nehmen. Wartet ihr beiden hier für einen Moment.“, wies die Ärztin sie an und verschwand mit Haru in einem Gang zum Untersuchungszimmer. Maron und Chiaki blieben alleine im Wartebereich zurück. „Also…“, setzte Maron an, „Du konntest mir nicht sagen, dass deine Mutter die Tierärztin ist?“ „Du hast nicht gefragt.“, zuckte Chiaki mit den Schultern. Stimmt auch wieder…, gab sie innerlich zu. „Haben wir heute ein heimliches Familientreffen geplant, oder was verschafft dich den hierhin, Sohnemann?“, hörte sie auf einmal eine Männerstimme sagen. Maron wandte sich um und sah einen Mann auf sie zukommen, den sie eindeutig als Chiaki’s Vater identifizierte. Die Ähnlichkeit zwischen beiden Männern war verblüffend. Noch dazu, dass Herr Nagoya sehr jung erschien, könnte man sie sogar als Brüder verwechseln. „Wir haben nur einen Hund hierher gebracht.“, antwortete Chiaki ihm. „Ach ja. Und wer ist deine hübsche Freundin?“ Sein freundlicher Blick wanderte von seinem Sohn zu Maron rüber. „Eh… wir kennen uns nur flüchtig aus der Uni. Ich bin Maron. Maron Kusakabe.“, stellte sie sich ihm vor und gab ihm die Hand. „Nenn mich Kaiki.“, schüttelte er ihre Hand mit einem charmanten Lächeln. Die Braunhaarige lächelte und nickte schüchtern.  „Vermisst man dich im Krankenhaus nicht?“, fragte Chiaki mit erhobener Augenbraue. Mit seinem Vater sprach er in einem eindeutig netteren Tonfall als mit seiner Mutter, stellte Maron fest. „Ach… die Kollegen werden schon für ein-zwei Stunden ohne mich klar kommen. Bloß habe ich vergessen Kagura Bescheid zu geben.“, lachte sein Vater und kratzte sich beschämt den Hinterkopf. „Krankenhaus?“, fragte Maron perplex. „Mein alter Herr hier ist Direktor des Nagoya-Krankenhauses.“, klärte ihr blauhaariger Kommilitone sie auf. Ab den Moment fiel für die 19-jährige der Groschen. Ihr war sein Nachname die ganze Zeit schon vertraut gewesen, nun weißt sie auch wieso! „Warte! Gehört deiner Familie alle Krankenhäuser und Kliniken der Stadt?!“ „Nicht alle, aber die meisten.“, gab Chiaki lachend zu. „Wow...!“ Unterdessen schaute Kaiki belustigt zwischen ihnen hin und her. Gleichzeitig kam Chiaki’s Mutter wieder und rief ihren Sohn kurz zu sich. Dieser folgte ihr in das Untersuchungszimmer. Nun blieb Maron mit dem Krankenhauschef zurück. Unbeholfen ließ sie ihren Blick durch den Raum wandern. „Du tust ihm gut.“, sagte Kaiki plötzlich zu ihr, während er seinem Sohn hinterher schaute. Maron schaute den Älteren, wie aus heiterem Himmel, überrascht an. „Weißt du… ich habe Chiaki lange nicht mehr so offenherzig und ausgelassen Lachen sehen. Nicht mehr seit…“ Für eine Sekunde bekam der Mann einen traurigen Touch in seinen Augen, bis er sich wieder fasste und weitersprach: „Nicht mehr seit einer sehr langen Weile.“ „Ich… eh, denke nicht, dass ich in irgendeiner Weise Einfluss auf ihn habe.“, redete Maron sich verlegen raus. „Glaub mir, als Vater sehe ich was meinen Jungen gut tut und was nicht. Auch wenn du wahrscheinlich anders denkst… würdest du mir vielleicht trotzdem den Gefallen tun und für mich ein Auge auf ihn werfen?“ „Eh… wenn Sie mich so darum bitten.“ „Danke, Maron.“ In nächsten Augenblick kam Chiaki wieder. „Haru wird über das Wochenende hier bleiben. Ansonsten geht’s ihm gut. Wollen wir gehen?“ „Ehm. Ja.“ Mit einer höflichen Verbeugung verabschiedete sich Maron von seinem Vater. „Es hat mich gefreut Sie kennenzulernen.“ „Die Freude war ganz meinerseits, Maron.“ Kaiki schenkte den Beiden ein warmes, wissendes Lächeln zum Abschied.   Zusammen gingen die beiden Medizinstudenten zurück zum Auto. Mitten auf dem Weg überkam Maron wieder dieses komische Gefühl als würde sie beobachtet werde. Verwirrt schaute sie sich in allen möglichen Richtungen um. Doch bis auf sie und Chiaki war niemand auf dem Parkplatz. „Alles okay?“, erkundigte sich ihr blauhaariger Begleiter teilweise verwundert, teilweise besorgt. „Du wirkst etwas gestresst und aufgewühlt.“ „J-Ja, keine Sorge!“, antwortete sie ihm hastig und stieg in sein Auto ein. Nun reiß dich zusammen! Oder leidest du schon an Verfolgungswahn?!, ermahnte sie sich und nahm tief Luft. „Übrigens… eh, Danke. Für die Fahrt hierher.“ „Kein Problem.“ Er startete seinen Wagen und fuhr los. Für eine Weile herrschte wieder beklemmende Stille zwischen ihnen, bis Chiaki sie durchbrach: „Ich hasse unangenehmeres Schweigen. Sie machen mich nervös.“ Maron schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue ungläubig an. „Ich habe gerade Probleme dir zu glauben, dass dich irgendwas nervös machen kann.“ Eher bist du jemand, der Nervosität verursacht…. Besonders bei mir!  „Es ist wahr“, beharrte er, „Auch wenn Leute mich anstarren, da flippe ich innerlich aus.“ Maron lachte schnaubend auf und schaute ihn kritisch an. „Das hört sich aus deinem Mund sooowas von falsch an.“ „Was?“ Chiaki schaute sie unschuldig an. „Als ob du zur schüchternen Sorte Mensch gehörst.“ „Nicht?“ „Gar nicht!“ „Okay, nennen wir das nicht ‚schüchtern‘…“, sagte er schmunzeln, „Aber ich werde wirklich - sagen wir- unruhig wenn zu viele Menschen um mich herum sind. Ich mag die Aufmerksamkeit nicht.“ Er warf Maron einen geheimnisvollen Blick zu. „Ein Überbleibsel aus meiner dunklen Vergangenheit.“, schloss er schließlich ab. Maron musste sich zusammenreißen, um Chiaki nicht auszulachen. „Je mehr du erzählst und redest, desto mehr kann ich dir nicht glauben.“ „Ob du es glaubst oder nicht, ich war ein ziemlich unbeholfenes Kind. Als ich zwölf oder dreizehn war, da hatten alle meine Freunde schon Freundinnen gehabt und ich war der einzige Loser ohne.“ „Okay…?“ „Nun, die Story endet damit, dass ich eines Tages aufwachte und plötzlich alle Mädels mich beachteten. Unter Umständen ist das ziemlich nervenauftreibend“  „Du Armer.“ Maron konnte sich ihren Sarkasmus nicht verkneifen. „Aber anscheinend scheinst du einen Weg gefunden zu haben damit umzugehen.“ Chiaki drehte seinen Kopf in ihre Richtung. „Die Mädchen hier sind ziemlich langweilig.“ Da kommt wieder der arrogante Arsch raus…, dachte sich Maron augenverdrehend. Sie waren in der Zwischenzeit wieder am Uni-Parkplatz angelangt und standen in einer Lücke. „Die meisten zu mindestens.“, fügte Chiaki hinzu. „Aber seit dieser Woche hat sich einiges hier weitestgehend verbessert.“ Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu. „Du bist nicht wie die anderen Mädels hier.“ Maron wollte sich von seinem Charme nicht einlullen lassen, trotzdem konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wirklich?“ „Wirklich.“ „Ich werde trotzdem nicht anbeißen.“, sagte sie ihm ohne Überzeugung. „Ich weiß.“, antwortete Chiaki mit einem amüsierten Lächeln, beugte sich zu ihr rüber und öffnete die Beifahrertür. Dabei war er Maron so nah, sie konnte den Duft seines wohlriechenden Parfüms vernehmen. Selbst als die Tür offen war, bewegte er sich nicht von ihr weg, den Arm an ihrem Sitz abgestützt. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Maron blieb der Atem im Hals stecken. Ihr Verstand setzte komplett aus. Ihr Herz raste. Das Klingeln ihres Handys ließ die 19-jährige aufspringen. „I-Ich muss jetzt gehen!“, stammelte sie, nahm alle Willenskraft zusammen und verließ sein Auto. „Miyako!“, nahm sie ab. Die Braunhaarige versuchte ihr Herz zu beruhigen. „Maron!! Wo bist du?! Ich warte schon seit einer halben Stunde auf dich!“, kam es aufgebracht am anderen Ende. „Ich…eh…bin gleich bei dir.“, sagte die Angesprochene und legte auf. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie viel Zeit vergangen war und dass sie auch ihre letzten Einheiten für den Tag verpasst hatte. Wenigstens konnte sie einen Hund retten, beruhigte sie ihr Gewissen. Während Maron sich immer weiter von Chiaki’s Auto entfernte, bekam sie nicht mit wie eine lilane Leuchtkugel durch das Fenster auf der Fahrerseite reinflog. Kurz bevor sie Miyako erreichte, die mehr als ungeduldig und verärgert vor ihrem Wagen stand, piepte ihr Kreuz. Das Signal für einen sofortigen Auftrag. Maron lief mit einem entschuldigen Lächeln auf ihre Freundin zu. „Du, Miyako, fahr ruhig alleine nach Hause. Ich habe was Wichtiges zu erledigen und werde später mit dem Bus nach Hause fahren. Okay?“ Ihr Gegenüber schaute sie entgeistert an. „Und dafür lässt du mich eine halbe Stunde warten?! Sowas konntest du mir nicht eher sagen?!“ „Sorry, kam ziemlich spontan! Bis später.“ Winkend rannte die Diebin vom Campusgelände raus, ohne auf weitere Einwände ihrer Freundin einzugehen. *** Das Opfer war ein Feuerwehrmann, dessen Helm besessen war. Es war 19:30 als Jeanne am Einsatzort ankam, die alte Feuerwache. Zu ihrer Überraschung war Sindbad bereits schwer damit beschäftigt den Dämon zu bekämpfen, als sie das Gebäude betrat. Neben dem Eingangstor lag der Feuerwehrmann ohnmächtig auf dem Boden. Die Blonde trug den Mann aus der Gefahrenzone raus und kam schließlich zum Kampffeld zurück. „Ist dir der Job schon zu anstrengend geworden oder wieso quälst du dich so ab!“, spottet sie ihrem Rivalen dieselben Worte zu, die er ihr beim letzten Mal gesagt hatte. Sindbad war so fokussiert darauf einen Schwachpunkt beim Dämon zu finden, dass er Jeanne einfach ignorierte. Doch der Dämon schien immer einen Schritt schneller zu seinen als er, wich ihm immer wieder aus oder griff an wenn er es am wenigsten erwartete. Noch dazu waren seine Attacken unbeschreiblich stark. Sindbad knirschte verbissen mit den Zähnen. So einen derartig starken Dämon hatte der Diener des Teufels noch nicht zu Gesicht bekommen. Ein rotes Band peitschte auf einmal an ihm vorbei. „Hey Dämon! Willst du dich nicht mit einem ebenbürtigen kämpfen!“, ertönte Jeanne’s selbstsichere Stimme. „Selbst du wirst keine Chance gegen ihn haben“, wollte der Sindbad ihr sagen, doch der Dämon schnitt ihm das Wort ab. „NA LOS, GESANDTE GOTTES. VERSUCH DU DEIN GLÜCK!“, höhnte er und spuckte plötzlich einen riesigen Feuerball auf sie zu. Überrascht sprang die Kamikaze-Diebin zur Seite. Weitere Feuerbälle entkamen den Dämonen und verfehlten jedes Mal ihr Ziel. Sindbad nutzte die Gelegenheit aus, um sich in einer kleinen Abstellkammer zu verstecken und versuchte zu kalkulieren, wie er die Situation zu seinen Gunsten wenden konnte. Jetzt muss das Vieh wie ein Drache noch Feuer speien! Als ob er nicht so schon stark genug gewesen war…, fluchte er innerlich. Durch das kleine Fenster an der Metalltür beobachtete er angespannt den Kampf zwischen Jeanne und dem Dämon. Der ganze Raum war bereits mit schwarzen Brandflecken übersät. An manchen Stellen brannte es sogar richtig. Die Decke und Mauerwände waren teilweise in Trümmern, wiesen riesige Risse auf und würden jeden Augenblick herabstürzen. Dann kam ihm eine Idee. Jeanne hatte ebenfalls bemerkt, dass sie den Dämon weitgehend unterschätzt hatte. Mit ihrem Fächer kreierte sie immer wieder Windstöße, um die Feuerbälle abzuwehren, doch selbst davon ließ der Dämon sich nicht unterkriegen. „DU ENTKOMMST MIR NICHT, JEANNE!“ Beim nächsten Feuerangriff begab sich die Diebin hinter einer dicken Betonsäule in Sicherheit. An beiden Seiten konnte sie die Hitze der dämonischen Flammen spüren. Eine Stimme, die ihren Namen rief, ließ ihren Kopf zur Seite fahren. „Hey! Jeanne!“ Es war Sindbad, der unbemerkt aus der schmalen Metalltür raus spähte und sie zu sich winkte. Ohne groß Nachzudenken sprang Jeanne aus ihrem Versteck heraus und ließ sich gekonnt in die kleine Kammer reinrutschen. Blitzschnell verschloss ihr Rivale die Tür und stemmte sich mit aller Kraft gegen sie. Er hat mir geholfen..., ging es Jeanne völlig perplex durch den Kopf, lehnte sich an die Wand an und atmete tief ein und aus. Sie war völlig außer Atem. Ihr Herz klopfte wie nach einem Marathon. Auf der anderen Seite bebte und krachte es, was die Kaitos durch die Vibrationen am ganzen Körper deutlich zu spüren bekamen. „Einzeln bekommen wir das Monster nicht besiegt, Jeanne.“, sprach Sindbad ernst auf sie ein, während er sich weiterhin gegen die Tür drückte. Gespannt horchte die Angesprochene auf. „Wir haben keine andere Wahl als zusammenzuarbeiten und ihn gemeinsam außer Gefecht zu setzen!“ „Und wieso sollte ich dir mein Vertrauen schenken? Bestimmt steckt irgendein Trick dahinter und du hintergehst mich am Ende eiskalt!“, entgegnete Jeanne mit sturem Misstrauen. Sindbad warf genervt den Kopf zur Seite. „Das ich dich hintergehen könnte, sollte dein geringstes Problem gerade sein!! Ernsthaft! Momentan ist mir auch scheißegal wer von uns beiden ihn fängt! Meinetwegen überlasse ich ihn dir! Hauptsache wir enden heute Nacht nicht als verkohlten Staub!!“, brachte er nun mehr als gereizt hervor und warf ihr mit seinen blauen Augen einen scharfen sowie ernsten Blick zu. Jeanne wollte weiter debattieren, doch wieder bebte es um sie herum. Staub und Sand fiel aus den Ecken. „Okay, okay. Schön.“, willigte sie ein. „Wie lautet dein Plan?“ „Ich lenke ihn ab. Du wartest auf den richtigen Moment und versuchst ihn zu bannen.“ „Wie erkenne ich den richtigen Moment?“ „Wirst du schon sehen.“ Mit einem Nicken stimmte Jeanne Sindbad’s Plan zu.   „IHR KÖNNT EUCH NICHT EWIG VERSTECKEN!!“, brüllte der Dämon durch das gesamte Gebäude und schlug ein letztes Mal gegen die Tür. Unerwartet öffnete sie sich einen Spalt breit und eine schattenhafte Gestalt sprang raus. Ehe die Kreatur reagieren konnte, flogen zig Messer auf ihn zu, die er alle gerade so mit einem Tentakel abblocken konnte. „Wir hatten auch nicht vor uns ewig zu verstecken!“, antwortete ihm Sindbad hämisch und sprang bei einem Feuerball zur Seite. Der Dieb konzentrierte sich darauf, dass der Dämon zur Decke hinauf schoss und den Beton sprengte. Strategisch sprang er über alle vier Ecken hin und her. Jeanne schlich sich mittlerweile aus der Kammer raus und beobachtete Sindbad mit großen Augen. In der nächsten Sekunde konnte sie sehen wie das Gebäudedach direkt auf den Dämon abstürzte und ihn unter den Gesteinstrümmern vorerst vergrub. Das war also sein Plan! Die Kamikaze-Diebin war so erstaunt von dem was vor ihren Augen geschah, dass sie nicht bemerkte wie ein riesiger Steinbrocken sich vom Gebäude löste und auf sie herunter fiel. „JEANNE!“, hörte sie Sindbad noch schreien, bevor er den Brocken mit einem kräftigen Tritt von der Flugbahn warf und zerbröseln ließ. Jeanne schaute ihn überrascht an. Schon wieder hatte Sindbad ihr geholfen - Nein, sogar das Leben rettet. Und dabei waren sie nach wie vor Feinde, trotz der momentanen Allianz. „Glaub ja nicht, dass ich mich bedanke!“, rief sie ihm zu, als er vor ihr auf dem Boden landete. Sindbad rollte mit den Augen als er ein launisches „Dann pass gefälligst besser auf“ von sich gab. Unter der riesigen Betonmasse begann es kräftig zu zucken. In dem Moment als sich der Dämon aufrichtete, löste Jeanne sich von ihrer Starre, ließ ihr Schwert erscheinen und setzte ihn Schachmatt. Feierabend für heute..., dachte sich Sindbad entkräftet und wollte soeben verschwinden, als er plötzlich ein „Warte!!“ hinter sich rufen hörte. Mitten in seiner Bewegung blieb er stehen und drehte sich erwartungsvoll zu der blonden Diebin um. „Was?“ Es dauert einige Sekunden bis Jeanne ihn fragte: „Wieso hast du mich gerettet? Ich meine... vorhin, bei dem Betonbrocken.“ Sindbad überraschte die Frage, seine Augen weiteten sich und starrten sie für einen Moment ratlos an. Schließlich wusste er selbst nicht wieso er sie gerettet hatte. „Überhaupt hättest du mit dem Plan eben, den Dämon am Ende selbst erledigen können.“, fügte sie hinzu und schaute ihren Rivalen sowohl fragend, als auch skeptisch an. An dem was sie sagte war was dran. Schnaufend fuhr er sich durch die Haare und steckte seine Hände in die Manteltasche. „War nur eine Laune.“, zuckte er gleichgültig mit den Schultern und drehte sich leicht von ihr weg. „Außerdem… habe ich doch vorhin gesagt, dass du ihn bannen sollst, oder nicht.“ „Doch… schon.“ Jeanne fiel auf dass es das erste Mal in drei Jahren war, dass sie mit Sindbad ein ruhiges Gespräch führte. Keine Schimpfwörter, Beleidigungen oder Geschrei. „Gewöhn doch nicht daran, meine Liebe. Heute war eine einmalige Sache und ab dem nächsten Mal sind wir wie gewohnt Feinde.“ „Pah, als ob ich nichts anderes erwartet hätte.“, streckte sie ihm frech die Zunge heraus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann haben wir das auch geklärt.“ Mit dem Anflug eines leichten, eventuell netten Lächelns auf seinen Lippen, sprang Sindbad letztlich in die Nacht hinein und verschwand. Auch Jeanne begab sich erschöpft nach Hause.   Chapter 4: Distraction ---------------------- Chapter 4: Distraction „Du benimmst du ziemlich merkwürdig, Sindbad.“, hörte Chiaki Access sagen. Es war fast halb zwölf und er lag hellwach in seinem Bett, den Blick auf die Decke fixiert. Gedankenverloren warf Chiaki einen Tennisball in die Höhe, ließ ihn auf der Decke abprallen und fing ihn wieder auf. Es waren einige Stunden her, seit er und Jeanne den Dämon in der Alten Feuerwache bekämpft hatten. „Zuerst hilfst du Jeanne aus der Patsche, dann tust du dich mit ihr zusammen, rettest ihr das Leben und überlässt ihr sogar noch den Dämon!“, zählte der Engel mit denen Finger auf. Chiaki schwieg und warf wieder seinen Ball hoch. „Sag bloß, du hast dich in sie verliebt?“ Bei der Frage erntete der Engel einen scharfen Blick von seinem Partner als dieser das runde Objekt wieder auffing. Etwas eingeschüchtert wich er etwas zurück. „Okay, okay. Du bist nicht in Jeanne verliebt. Und was ist mit dem braunhaarigen Mädchen, die ich heute aus deinem Auto aussteigen sah? Du hast ihr eine ganze Weile hinterher gestarrt.“, hakte Access nach, woraufhin Chiaki ihn mit dem Ball bewarf. Knapp konnte der Schwarzengel dem Geschoss ausweichen. „Sei still. Du nervst.“ Er stand vom Bett auf, holte sich ein Glas Brandy aus der Küche und lief raus auf seinen Balkon. Es war kühl draußen und der Student trug nur ein dünnes T-Shirt und Jogginghose. Doch die kalte Nachtluft störte ihn nicht. Chiaki nahm einen Schluck von seinem Getränk und genoss den brennenden Geschmack des Alkohols. Noch immer spielte sich in seinem Kopf die Szene ab, wie er Jeanne vor dem Betonbrocken gerettet hat. Noch immer fragte er sich, wieso er sie gerettet hat. Schließlich waren sie Feinde und wie Jeanne sagte, mit seinem Plan hätte er den Dämon am Ende selbst bannen können. Ebenso würde er letztlich ohne Konkurrenz seinen Job erledigen können, worüber sich sein Boss gefreut hätte. Also wieso? Das einzige was der junge Mann wusste war, dass das es in seinem Inneren Klick machte als er sah, wie die Betonmasse auf sie herunterfiel und er seine Rivalin einfach retten musste. Seufzend leerte Chiaki sein Glas mit einem Zug und warf einen letzten Blick über den Horizont der Stadt. Nur noch wenige Lichter waren in einigen Gebäuden an. Sonst war alles wie eine dunkle Leinwand vor seinen Augen. Ehe er sich versah schweiften seine Gedanken zu einem hübschen braunhaarigen Mädchen ab, die Access vorhin erwähnte. Er sah sie am ersten Semestertag vor sich, wie sie ihren Frust an dem Snackautomaten ausließ. So gestresst und aufgewühlt sie wirkte, so war sie dennoch wunderschön. Selbst als sie ihm diesen gleichgültigen Blick zuwarf, wie als würde es sie nicht interessieren, was er in dem Moment über sie dachte, war sie in seinen Augen perfekt. Er dachte an sein erstes Gespräch mit ihr zurück sowie an die Zeit, die sie heute miteinander verbracht hatten. Er sah ihr nervös wirkendes Gesicht, ihr skeptisches, Augenbraue hochgezogenes Gesicht, ihr genervtes, augenverdrehendes Gesicht sowie ihr lächelndes Gesicht vor sich. Ein Lächeln bildete sich auf Chiaki’s Lippen.   Auch Maron war hellwach und schwelgte in Gedanken. Nachdem sie zu Hause ankam skypte sie kurz mit ihren Eltern, doch sie konnte sich kaum auf das Gespräch konzentrieren, weshalb sie mit der Ausrede, dass sie müde sei und am nächsten morgen früh aufstehen müsste, auflegte. Gedankenverloren kritzelte die 19-jährige in ihrem Skizzenbuch herum. Ihr war nicht bewusst was bzw. wen sie da zeichnete, bis Fin’s neugierige Stimme sie wieder in die Gegenwart zurückholte. „Wer ist das?“ Erschrocken zuckte Maron zusammen und schaute auf die makellose Zeichnung von Chiaki’s lächelndem Gesicht. Mit einer hastigen Bewegung klappte sie ihr Buch zu. „N-Niemand!“ Ihre Wangen waren verräterisch rosa angelaufen. „Sah aber nach einem sehr hübschen ‚Niemand‘ aus.“, neckte ihr Engel sie kichernd. „Jemand aus der Uni?“ „D-Das geht dich nichts an, Fin!“ Maron verfluchte sich für ihre stotternde Stimme. „Hey, ich frage doch nur ganz harmlos!“ „Selbst wenn. Denk dir nichts mehr dabei!“ Mit den Worten warf sich Maron aufs Bett, umarmte ein Kissen und drehte ihrer Partnerin den Rücken zu. Fin überlegte einige Sekunden, ob sie ihre Gedanken aussprechen sollte, welches sie schließlich tat. „Ich weißt, seit der einen Sache damals… Da kann ich dich verstehen, wenn du etwas vorsichtiger bist… aber ich denke, du solltest dich nicht zu sehr von deiner Angst leiten lassen. Sei offen für neue Chancen!“ Darauf sagte die Diebin nichts und starrte stur auf ihre Zimmerwand. Sie wollte ihre Gedanken abschalten, doch je mehr sie versuchte an Nichts zu denken, desto mehr überflutete sich ihr Kopf mit Erinnerungen und Bildern. Erinnerungen aus vergangener Zeit, die sie immer noch nicht losließen sowie Bilder aus heutiger Zeit, die ein flaues Gefühl in den Magen bereiteten. Nach kurzer Zeit dominierte ein bestimmtes Gesicht vor ihrem inneren Auge und Maron drückte frustriert ihr Gesicht ins Kissen rein. Ob Fin Recht hat...? Lasse ich mich zu sehr von dieser Angst beherrschen…? Nach einiger Zeit schlief sie letztendlich ein. *** Die Tage vergingen bis schließlich die erste Uni-Woche vorüber war. In der Zeit fiel Maron immer wieder auf, wie sie ihren Blick über den ganzen Raum scannen ließ, wenn sie eine neue Vorlesungseinheit besuchte oder wie sie immer wieder zur Tür späht, mit der Hoffnung Chiaki zu begegnen. Überhaupt traf sie ihn die ganze restliche Woche nicht mehr an. Selbst zu Veranstaltungen, die sie eigentlich gemeinsam hätten. Ob ihn was zugestoßen ist? Oder vielleicht hat er einfach nur eine Erkältung…Warte - Was interessiert mich das überhaupt?! Es brachte die Studentin förmlich aus der Fassung, dass sie so viel über den blauhaarigen Typen nachdachte. Dabei kannte sie ihn erst seit Anfang der Woche. Die Nächte hingegen liefen relativ dämonenfrei ab, weshalb sie sich die Freizeit nahm, um mit ihren Freunden auszugehen oder einfach die Seele baumeln zu lassen. Sie nahm jede Ablenkung auf sich, die sie davon abhielt an Chiaki zu denken. Mit mäßigem Erfolg. Über das Wochenende fiel ihr schließlich ein, das Haru sich noch in der Tierpraxis befand. Maron würde es zu gerne interessieren, wie es dem Vierbeiner ging. Aufgrund dessen dass sie Chiaki’s Nummer nicht hatte, beschloss sie ihn am Montag darauf anzusprechen.   Die Braunhaarige schlenderte über den Campus entlang, ihre Tasche locker über der rechten Schulter hängend und ihre Augen achtsam in alle Richtungen schweifend, immer noch auf der Suche nach einem gutaussehenden, blauhaarigen Medizinstudenten. Auf einmal stieß sie mit jemand von der rechten Seite zusammen und ihre Tasche, samt Inhalt fiel zu Boden. Auch dem Anderem fielen seine Unterlagen aus der Hand und vergruben ihre Sachen unter einem Papierberg. „Hey, pass gefällst auf, klar!“, es war Makoto, der mit genervter Arroganz zu ihr sprach, sich runterbückte und seine Sachen aufsammelte. Für Maron war es eine Seltenheit ihn ohne Yashiro zu sehen, doch selbst ohne die Zicke war der Typ ein überheblicher Snob. „Dasselbe könnte ich zu dir auch sagen!“, fauchte sie ihn spitz an als er seine Papiere wieder an sich nahm und ging. Die Kamikaze-Diebin schaute ihn mit einem funkelnden Blick kurz hinterher, bis sie ihre Sachen vom Boden aufhob und wieder einpackte. Eine Hand lag plötzlich auf ihrer Schulter. „Alles okay? Soll ich dem Typen einen Ninja-Stern ins Auge werfen?“, hörte sie Touya mit ernst in der Stimme fragen. „Schon okay. Kein Grund jemanden zu erblinden.“, grinste Maron ihn an, lief mit ihm ein Stück über den Flur entlang und die Treppe hoch. Sie mussten zu verschiedenen Zimmern auf derselben Etage. „Blinder als jetzt kann man ja nicht werden.“, lachte der Rothaarige und steuerte auf einen Getränkeautomat am Ende des Ganges zu. „Ich hole mir noch was zu Trinken.“ Seine Begleiterin nickte nur und sah sich im Korridor etwas um. Sie hörte jemand die Treppe hochkommen. Es war Chiaki. Wie sonst auch trug er ein enganliegendes Hemd, welches bis auf den obersten Knopf zugeknöpft war, darunter war ein weißes Shirt, die Ärmel bis zum Ellenbogen hochgekrempelt und dazu eine dunkelfarbige Jeans. Es war ein guter Look an ihm. Maron könnte es sich gar nicht vorstellen ihn in was anderes rumlaufen zu sehen. Der Blauhaarige bemerkte ihren Blick auf ihn haften und schaute zu ihr rüber. Eine brennende Röte stieg ihr wieder in die Wangen, doch sie hielt seinen Blickkontakt stand. Mit einem Grinsen verschwand er schließlich wortlos. „Oh oh…, es ist schon geschehen.“, hörte Maron Touya seufzen, der von Automaten zu ihr aufschaute, während er seine Cola rausholte. „Sei ruhig!“ Sie drehte sich leicht weg, sodass ihr Kommilitone ihre verräterische Schamesröte nicht sehen konnte. „Wäre er nicht so ein Arsch, hätte ich euch meinen Segen gegeben.“, sagte Touya, „Die Luft war ja schon so stark am Knistern, ihr hättet zwischen euch ein Feuer anzünden können.“ Maron ignorierte die Aussage und dachte unwillkürlich an den Tag zurück, wie fürsorglich Chiaki mit Haru umgegangen war. „Naja, du kannst nichts dafür, Maron. Ihr Mädels kommt nicht drum rum sich in Nagoya zu verknallen.“, sprach ihr tätowierter Freund ungehindert weiter, nahm einen großen Schluck von seinem Getränk und setzte sich wieder auf. Die Angesprochene warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Was ist überhaupt dein Problem mit ihm? Bist du vielleicht eifersüchtig?“ Daraufhin verschluckte Touya sich vor Lachen fast an seiner Cola. „Auf ihn?! Nein – Süße, du bist zwar schnuckelig, und so, aber nicht mein Typ.“ „Okay. Und umgekehrt? Hat er dir zu wenig Aufmerksamkeit gegeben?“ „Ich gebe zu, er ist ein heißer Kerl, aber nein – auch nicht!“ „Und was ist dann dein Problem mit ihm?“ Der Tätowierte wurde wieder ernster. „Hmmm. Abgesehen von dem Fakt, dass du seinetwegen auf Yashiro Sazanka’s Abschussliste stehst?“ „Ja, abgesehen davon.“ Touya überlegte sich seine Worte genau und lehnte sich an der Wand neben dem Automaten an. „Chiaki datet nicht. Er ist ein typischer Playboy, der dich ausnutzen wird. Und solche Typen kann ich einfach nicht leiden. Das habe ich aber schon einmal erwähnt.“ Er schaute Maron ernst an. Diese lehnte sich an der Seitenwand des Automaten an und erwiderte seinen Blick. „Ja, hast du angedeutet.“ „So. Und jeder weißt das -selbst seine ganzen Eroberungen wissen das-, aber die ignorieren es einfach, bis er sie schließlich wie eine heiße Kartoffel fallen lässt und zur nächsten überwechselt. Ab da rasten die total aus. Ich habe von jemand gehört, dass eine aus der Oberstufe damals sich umbringen wollte nachdem… – Nun, nachdem er das bekommen hatte, für was er gekommen war und sich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.“ „Hört sich nach einer seeehr übertriebenen Überreaktion ihrerseits an.“ „Kann sein, aber ich will nicht, dass du auch in so ein Loch fällst.“, sagte Touya. Maron schaute ihn mit erhobener Augenbraue an und lächelte. „Danke für deine Bedenken. Das ist sehr großzügig von dir.“ „Gern geschehen. Nun bist du mehr als vorgewarnt!“, grinste er. Maron drückte sich vom Automaten ab, richtete ihre Tasche über der Schulter und schaute ihn an. „Damit du es weißt, ich bin nicht -ich wiederhole- nicht interessiert an ihm.“ Sie konnte ihre Worte selbst nicht glauben. Touya schüttelte nur lachend den Kopf. „Ja klar. Wenn du am Ende an einem gebrochenen Herzen leidest und traurige, depressive Musik auf Dauerschleife hast, dann denk daran, dass ich es dir gleich gesagt habe.“ Mit den Worten entfernte er sich von ihr und lief in sein Zimmer rein. Maron begab sich ebenfalls zu ihrer Vorlesungsveranstaltung. Sie dachte nicht mehr viel über das Gespräch nach und konzentrierte sich stattdessen auf den gelehrten Stoff.   In der Mittagspause fand sich die Erstsemesterin vor denselben Snackautomaten wie am ersten Tag wieder. Miyako und die anderen waren in der Mensa essen, die nun so überfüllt war, da bräuchte Maron die ganze Pause, um sich in der Menschenmenge durchzukämpfen und ihre Freunde zu finden. Während sie in ihrem Portemonnaie nach dem nötigen Kleingeld wühlte, hörte sie Fußstapfen näher kommen. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen wer hinter ihr stand. „Ich hoffe, du verprügelst das Ding nicht wie beim letzten Mal.“ Auch wenn Maron sich nach wie vor nicht umgedreht hatte, konnte sie förmlich sein verschmitztes Grinsen raushören. „Wird nicht geschehen, solange es meine Bestellung rausrückt.“ Noch immer suchte sie in ihrem Portemonnaie, aber nun ließ sie sich mit Absicht etwas mehr Zeit. Plötzlich spürte sie, wie Chiaki sich an ihr vorbeidrängte, seinen Arm dabei ihre Schulter streifte und er sein Kleingeld in die Maschine schob. „Was soll ich für dich holen?“ Mit einem amüsierten Blick schaute er Maron an, die in perplex anschwieg. „Nehmen wir die Gummibärchen.“, sagte der Blauhaarige schließlich und drückte die passende Tastenkombination. Im Vergleich zum letzten Mal gehorchte der Automat. „Hier.“ Er gab Maron die Packung. Sie löste sich von ihrer Perplexität, wollte Chiaki die Gummibärchen zurückgeben, doch dieser hatte seine Hände hinter dem Rücken versteckt und schüttelte bestimmt den Kopf. „Behalt es.“, sagte er. „Ich kann mir meine Sachen selbst kaufen.“, entgegnete ihm die 19-jährige. „Mir egal.“ Daraufhin verdrehte sie nur die Augen. „Wo warst du die letzten Tage eigentlich? Und wie geht es Haru?“ „Hast du mich vermisst?“, lächelte Chiaki breit. Maron spürte wieder die Hitze in ihren Wangen hochsteigen. „N-Nein! Deine Abwesenheit ist mir nur zufällig aufgefallen!“ Der Student musste lachen. „Ich hatte einfach keine Lust auf die Uni.“ „Wenn du es dir leisten kannst…“ Chiaki zuckte unbekümmert mit den Achseln. „Bei einem photographischen Gedächtnis, ja. Und Haru – Ihm geht’s den Umständen entsprechend gut.“, antwortete er ihr, „Er muss noch für eine Weile in der Praxis bleiben.“ Die Braunhaarige nickte knapp und begab sich zu einem Tisch. „Ich müsste mich bei deiner Mutter bedanken. Dafür dass sie sich um ihn kümmert.“ Sie setzte sich auf die Bank hin, lehnte sich mit dem Rücken an die Tischkante an und öffnete die Gummibärenpackung. „Gib mir Bescheid, wenn ich den Kleinen abholen kann, okay?“ „Werde ich machen.“ „Sag mal, wieso siehst du immer so aus, wie als wärst du frisch vom Bett aufgestanden?“, fragte Maron aus Neugier. „Weil das gewöhnlicher Weise der Fall ist.“, antwortete er ihr amüsiert. „Ah…“ Chiaki setzte sich neben ihr hin, lehnte sich ebenfalls an der Tischkante zurück und starrte aus dem Fenster ihnen gegenüber raus. Maron aß im Stillen ihren süß-säuerlichen Snack. „Lass uns das Wochenende Essen gehen.“, sagte er plötzlich. Seine Sitznachbarin verschluckte sich fast an ihrer Süßigkeit. „Fragst du mich gerade aus??!“ Wie aus allen Wolken fallend, schaute sie ihn an. Ihr Sitznachbar hatte seinen Blick nicht vom Fenster abgewendet. Gerade als Chiaki was sagen wollte, kam eine Gruppe Studentinnen an ihnen vorbei und begrüßten ihn kichernd mit einem kollektiven „Hi, Chiaki“. Der Begrüßte schien ihnen keinerlei Beachtung zu geben, starrte nach wie vor aus dem Fenster raus, dennoch fiel Maron das kleine, angehauchte Lächeln auf seinen Lippen auf. Wie als würde er die Aufmerksamkeit doch genießen. Verdammter Playboy…, ging es ihr durch den Kopf und wandte sich von ihm ab.  „Danke für die Einladung, aber muss ich leider ablehnen.“ „Schon Pläne?“ Seine Stimme ließ andeuten, dass er eine Ausrede von seiner Sitznachbarin erwartet hatte. „Ja, ich habe ein Date mit einer zwanzigseitigen Hausarbeit, die ich bald abgeben muss.“ „Ich kann dir helfen.“ Sie schaute ihn an. Warf ein Blick auf sein gutgeschnittenes Profil und sein verspieltes Lächeln, welche ihr Herz wieder Sprünge versetzen ließ. Hastig drehte Maron sich wieder weg. „Nein Danke. Alleine kann ich besser arbeiten.“ „Das glaube ich dir nicht.“ „Woher willst du das wissen? Du kennst mich doch kaum.“ „Dann lass uns das ändern.“ Noch immer waren seine Augen aus dem Fenster gerichtet. Vereinzelte Strähnen fielen ihm ins Gesicht. „Hartnäckig. Frag doch einfach jemand anderes.“ „Ich will niemand anderes fragen. Und du willst auch nicht, dass ich das tue.“  „Als ob.“ Maron sprang auf und lief mit schnellen Schritten über den Campus. Es überraschte sie nicht, dass Chiaki sie problemlos einholte. „Ich frage dich nicht, ob du mich heiraten willst sondern ob wir zusammen Essen gehen. Ein harmloses Dinner, zum Beispiel.“ Die Studentin blieb abrupt stehen, drehte sich zu ihm um und zwang sich standhaft ihm in die haselnussbraunen Augen zu schauen. Chiaki ging eine Schritt auf sie zu. Sie wich nicht zurück. Um die Beiden herum war niemand zu sehen. „Was hast du für ein Problem?“, fragte er in einer angenehm, tiefen Stimme. „Ich habe kein Problem.“, sagte sie so ruhig wie möglich, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und wagte einen Schritt nach vorne. Sie versuchte ihrem Atemrhythmus nicht ihrer Herzgeschwindigkeit anpassen zu lassen. „Ich bin bloß nicht dein Typ.“ Chiaki ging einen weiteren Schritt grinsend auf sie zu. „Ich habe keinen Typ.“ „Noch schlimmer. Dann nimmst du ja wirklich Jede, die dir über den Weg läuft.“ „Sowas unterstellt man mir nur.“ Seine Stimme war nur noch ein verführerisches Wispern. Er war ihr schon so nah, dass sie wieder sein wohlriechendes Parfüm wahrnehmen konnte. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Maron’s Verstand war kurz davor auszusetzen. Sie war sehr dazu geneigt ihn auf der Stelle (ohne Reue) küssen zu wollen. „Das bezweifle ich.“, brachte sie knapp hervor nachdem sie hörte, wie Studenten sich ihnen näherten und lief eilig davon.   „Was ist mit dir passiert?“, fragte Miyako verdutzt, nachdem Maron wortlos an ihr und Yamato vorbei ging, sich schnaufend in Beifahrersitz warf und die Tür zuknallte. „Zu viel…“, stöhnte ihre beste Freundin nur, fuhr sich durch Haare und durchwühlte ihre Tasche. Sie wusste noch nicht mal nach was sie genau suchte. Eher brauchte sie einfach eine Beschäftigung, um nicht an Chiaki und ihre gemeinsame Mittagspause zu denken. „Aha.“ Die Dunkelhaarige beschloss nicht weiter nachzufragen und startete den Motor. „Oh nein…“, hört man nach kurzer Zeit vom Beifahrersitz aus sagen. Miyako drehte sich kurz zu Maron hin, die mit einem panischen Blick den Inhalt ihrer Tasche hin und her schob. „Was ist los?“ „Mein Skizzenbuch ist weg.“ Niedergeschlagen ließ die Braunhaarige ihre Tasche auf dem Schoß sinken und warf den Kopf in die Lehne. „Oh…“, brachte die Kurzhaarige nur hervor. „Vielleicht hast du es zu Hause verlegt.“ Stumm schüttelte Maron den Kopf. Sie konnte sich soweit entsinnen, dass sie es -wie jeden Morgen- eingepackt hatte. „War da was Besonderes drin?“ Abgesehen von einigen Zeichnungen vom bestaussehendsten Typen den man je gesehen hat? Nein, nicht wirklich!, beantwortete die Medizinstudentin die Frage mit stummen Sarkasmus. „Und, habe ich irgendwas in der Mensa verpasst?“, fragte sie hingegen, um vom Thema abzulenken. Miyako merkte dies natürlich und warf ihrer Freundin einen letzten, prüfenden Seitenblick zu, ehe sie auf die Frage einging. „In gewisser Weise schon. Und zwar eine Einladung zu einer Party.“ „Was für eine Party?“ „Eine leicht verspätete Semesterauftaktparty. Anscheinend organisieren einige von Touya’s Freunden die mit.“ „Ah…Stimmt, die Auftaktparty fehlte letzte Woche. Davon hat er mir gar nichts erzählt.“ „Vielleicht hat er es vergessen.“ Maron dachte an ihr intensives Gespräch über ‚Du-weißt-schon-wen‘ zurück. „Kann sein…“, zuckte sie unschuldig mit der Schulter und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Eine Studentenparty...Sowas wäre eine willkommene Ablenkung!, dachte sie sich und lächelte Miyako an. „Ich komme mit! Ist die heute Abend?“ „Ja, im Mensagebäude. Und noch etwas…“, die Dunkelhaarige fing an zu schmunzeln. „Was?“ Die Kamikaze-Diebin schaute ihre Freundin erwartungsvoll an. „Es wird eine Kostümparty.“   „Miyako! Maron! Yamato ist da!“, rief Sakura Toudaiji -Miyako’s Mutter- zum Obergeschoss hoch. Die beiden Freundinnen machten sich zusammen für die Party fertig und halfen sich gegenseitig bei Make-Up und Frisur. Miyako war bereits fertig mit allem und stand als Kleopatra mit Make-Up-Tasche vor ihrer Freundin. „Alles klar! Wir sind gleich fertig!“, rief ihre Tochter zurück und malte Maron den letzte Eyeliner-Strich aufs Lid. „So. Fertig! Du siehst umwerfend aus!“ Die Braunhaarige drehte sich zum großen Spiegel um, öffnete die Augen und staunte selbst nicht schlecht. Sie trug ein ärmelloses, langes, weißes Wasserfallkleid aus Seide mit großem Rückenausschnitt und im Oberkörperbereich verziert mit Spitze, welches sie aus dem Kleiderschrank ihrer Mutter fand.[x] Miyako fand ein paar alte Engelsflügel in ihrem Zimmer und band sie Maron an den Rücken. Die lange Mähne hatte ihre Freundin bis zu den Spitzen geglättet, sodass sie geschmeidig über ihren Rücken fielen. Das Make-Up war auch relativ dezent. Rosafarbene Lippen, gold-schimmernder Lidschatten, dünner Eyeliner und verlängerte Wimpern. „Wow, du machst jedem Engel Konkurrenz, Maron.“, sagte Fin begeistert, die einige Runden um ihren Schützling flog und große Augen machte. „Danke.“, bedankte sich die braunhaarige Schönheit bei Beiden. „Du hast dich selbst übertroffen, Miyako.“ „Bei mir hast du auch nicht untertrieben.“, gesellte diese sich mit Handy in der Hand zum Spiegel. Zusammen machten die besten Freundinnen ein paar frech posierte Fotos für die digitale Nachwelt. Schließlich gingen sie runter, wo Yamato im Wohnzimmer wartete und sich mit den Toudaijis unterhielt, (Fin machte es sich in Maron’s kleinen Tasche gemütlich). Der Braunhaarige -als Caesar verkleidet- macht große Augen als er seine Schulfreundinnen sah. „Wow! Ihr seht Hammer aus!“ sagte er und gab Miyako einen Begrüßungskuss. „Besonders du!“, fügte er ihr schmeichelhaft hinzu. „Und ihr seid im Partnerlook unterwegs, wie ich sehe.“, grinste Maron das Paar an, die bei der Bemerkung verlegen rot wurden. *** Es war 22:00 Uhr. Gemeinsam fuhren die Drei mit Miyako’s Auto zur Party, die bereits gut besucht war. Laute Musik dröhnte bis nach draußen hin. Das ganze Mensagebäude war voller Menschen und ließ keinen Millimeter Freiraum übrig. Maron musste schwer aufpassen, dass sie nicht über ihr eigenes Kleid stolperte oder irgendwer anderes es ruinierte. Es gab eine Vielfalt an Kostümen zu entdecken, von Filmcharakteren, Schauspielern, Sängern bis zu Anime-Charakteren. Und es wurde bei dem einen oder anderen viel nackte Haut gezeigt. Was der jungen Frau besonders ins Auge stach, war das jedes Zweite Mädchen als Jeanne und jeder Zweite Junge als Sindbad verkleidet war. Die einen gut, die anderen weniger gut. Unter den Partygästen fand sie auch Yashiro, die in einem weniger gelungenem Jeanne-Kostüm mit ein paar Freundinnen tanzte. Rock und Oberteil waren stark gekürzt, die dunklen Haare waren in einem erdbeerblond getönt und die Studentin trug übertrieben starkes Make-Up. Eher war ihr Outfit als schlampig zu definieren, dachte Maron sich und verzog innerlich das Gesicht. Die drei Freunde fanden schließlich Touya -als rothaariger Kakashi verkleidet- mit einem dunkelhaarigen, in Anzug bekleideten jungen Mann an der Bar sitzen und ihnen zuwinken. Wahrscheinlich rief er unter seine Maske auch ihre einzelnen Namen, wobei man durch die laute Musik nichts gehört hätte. „Ihr seht echt cool aus! Respekt!“, schrie Maron’s Kommilitone ihnen zu als sie an der Bar ankamen. „Danke! Ihr auch!!“, schrie Maron zurück, während das ägyptisch-römische Paar neben ihr höchstwahrscheinlich nichts verstanden hatten. „Du wirst nächster Hokage der Uni?!“ „Das hoffe ich doch!! Das ist Yusuke! Aber heute ist er James Bond!“, stellte Touya seinen Freund schreiend vor, der ihr freundlich zulächelte. „Nett dich kennenzulernen!“ „Was?!“ „Nett dich kennenzulernen!!“ „Okay!“ Maron bezweifelte, dass Yusuke ein Wort von ihr richtig verstanden hatte. Touya sagte ihm etwas ins Ohr, worauf er anfing zu lachen. Die Braunhaarige kam nicht drum rum zu bemerken, was für Blicke sich die beiden Männer austauschten. Sie konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Wollen wir tanzen?!“, rief Miyako ihr ins Ohr und deutete mit dem Daumen auf die überfüllte Tanzfläche. „Ich will erst was trinken! Aber ich komme dann nach! Geht ruhig vor!“ „Okay!“ Damit verschwanden die Vier aus ihrem Blickfeld. Maron bestellte sich einen Cocktail und ließ sich auf einen Hocker nieder. Sie ließ ihren Blick über den Raum wandern. Nicht nur die Tanzfläche im Erdgeschoss war voller Menschen, auch auf dem oberen Stockwerk war alles bis zum Gelände befüllt. Direkt schräg gegenüber der Bar konnte sie zum DJ hochschauen, der mit Konzentration und Spaß seinen Job machte und die Masse animierte. Ihr Blick schweifte wieder runter und blieb an einer Person nahe des Eingangs stehen. Soweit sie es erkennen konnte, war Chiaki vollbekleidet, unkostümiert und trug sein charakteristisches Hemd-Jeans-Outfit. Ebenso redete er mit einem Mädchen. Sie war hübsch und trug ein süßes Elfenköstum mit Flügel. Aus unerfindlichen Gründen erinnerte sie Maron an jemanden, aber wie sehr sie auch überlegte, sie kam nicht darauf an wen. Chiaki schien ihr interessiert zuzuhören und ein paar weitere Mädchen standen um sie herum. Eine Vampirin, ein Katze, bei einer konnte Maron nicht ausmachen, ob es Jeanne oder Sailor Moon darstellen sollte sowie eine… Karotte? Das Karottenmädchen war der Erstsemesterin noch am sympathischsten. Plötzlich hob der Blauhaarige seinen Kopf und blickte direkt zu ihr rüber. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, selbst als er sich zu dem Elfenmädchen herunterbeugte und ihr etwas ins Ohr sagte. Diese drehte sich zu Maron um; Chiaki wollte sie davon abhalten, doch ihre Blicke trafen sich bereits. Das Mädchen kicherte hinter vorgehaltener Hand und drehte sich wieder weg. Das Gefühl von Wut und Demütigung stieg Maron hoch. Hatte er sich über mich lustig gemacht? Sie leerte ihr Glas in einem Zug, sprang von ihrem Hocker runter und kämpfte sich durch die Menschen durch, Richtung Toilette.   In der Frauentoilette angekommen, stützte Maron sich vor dem Waschbecken ab, atmete tief durch und schaute in den Spiegel. Wieso bin ich so wütend? Was interessiert es mich mit wem er hier ist oder was er über mich denkt!?, fragte sie sich frustriert. Sie wusch sich die Hände und spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Zum Glück trug sie wasserfestes Make-Up. Wage vernahm sie Fin’s Stimme aus ihrer Tasche, die ihren Namen rief. Mit einem prüfenden Blick durch alle Kabinen stellte die Studentin sicher, dass sie alleine war und ließ ihren Engel schließlich raus. „Fin, was ist los?“ „Hier ist ein Dämon!“, rief die Angesprochene und hielt Maron das Amulett entgegen, was schon wie verrückt blinkte. „Was?! Ausgerechnet hier?“, fragte sie fassungslos. „Ich versuchte die ganze Zeit schon dich zu rufen, aber du hattest nicht gehört!“, entgegnete der grünhaarige Engel vorwurfsvoll. „Wir sind hier auch auf einer Party! Da ist es nun mal laut!“ „Ist jetzt auch egal! Du musst den Dämon finden und bannen!“ „Ja, ja! Schon gut!“ In einer Toilettenkabine verwandelte Maron sich in die Kamikaze-Diebin. Vorsichtig verließ Jeanne das Bad und begab sich wieder zur Party zurück. Mit dem Amulett in einer Hand lief sie am Rand entlang, auf der Suche nach dem Besessenen. Da alle um sie herum mit Tanzen beschäftigt waren, bekam niemand von ihrem Verhalten mit. „Jeanne!“, rief plötzlich eine vertraute Stimme nach ihr. Die Gerufene fuhr erschrocken zusammen und drehte sich um. In ihrer anderen Hand hielt sie ein Fächer und verdeckte damit ihre untere Gesichtshälfte. Chiaki stand ohne Begleiterinnen vor ihr und deutete lächelnd mit dem Finger auf sie. „Dein Kostüm. Das ist ein ziemlich gelungenes Jeanne-Kostüm.“, sagte er. Trotz der Musik, hörte die Diebin dennoch jedes einzelne Wort von ihm laut und deutlich. Sofort wurde sie wieder verräterisch rot. „D-Danke!“, stotterte Jeanne und lief in die tanzende Menschenmenge rein. Chiaki schaute ihr mit einem ernsten Gesichtsausdruck noch einige Sekunden hinterher, bis er Access rufen hören konnte. „Hey, Sindbad! Hier ist ein Dämon!“ „Das weiß ich selbst. Jeanne lief gerade an mir vorbei.“ Sein Engel schien nicht gehört zu haben was er sagte und schaute verdutzt. „Was?!“ Der Blauhaarige verdrehte nur die braunen Augen und ließ sie ein letztes Mal über die Masse scannen. Keine braunhaarige Schönheit in Engelskostüm zu sehen. Ob sie schon gegangen ist?, fragte Chiaki sich und seufzte. Vielleicht besser so…Wenn hier ein Dämon ist… Es überraschte ihn selbst, dass er besorgt um Maron’s Sicherheit war. „Suchst du jemanden??“, hörte er Access schreiend fragen. Chiaki ignorierte ihn, lief raus und verwandelte sich in der bestmöglichen Ecke in Sindbad. Unterdessen folgte die Blonde dem Signal ihres Amuletts, bis sie an einer Stelle stehen blieb, wo das Gerät ununterbrochen blinkte und piepte. Der Dämon war in ihrer unmittelbaren Nähe. Doch sobald sie ihr Amulett in die tanzende Menge richtete, verlangsamte sich das Signal wieder. Am anderen Ende des Raumes konnte sie die Bar sehen. Wo ist der Dämon bloß?! Wenn er nicht hier ist, dann… Nachdenklich schaute die Diebin noch oben. Da kam ihr der Geistesblitz. Natürlich! Der DJ!! Schnell rannte sie hoch, auf der Treppe kam ihr auch schon Sindbad entgegen und versperrte ihr den Weg. „Willst du nicht lieber feiern gehen und ich erledige den Job? Ein bisschen Alkohol könnte dir gut tun.“, sagte er frech. „Träum weiter!“, zickte sie ihn an und schubste ihn weg. Plötzlich kam vom DJ-Pult eine ohrenbetäubende Schallwelle rauspulsiert und alle Studenten um die Kaitos herum fielen mit einem Schlag in Ohnmacht. Jeanne und Sindbad hielten sich schmerzlich die Ohren zu, bis es aufhörte. Der DJ stand mit dem Rücken gewandt vor ihnen und nahm seine Kopfhörer von den Ohren runter. „Hm. Zwei stehen noch… Wie kommt das denn?“, sprach die dämonische Stimme aus dem jungen Musiker heraus. Mit einem boshaften Blick drehte er sich um und warf den Beiden blitzschnell ein paar Schallplatten zu. Sindbad wich sie geschickt aus und Jeanne blockte sie mit ihrem Band ab. Der Besessene nutzte die Ablenkungsmöglichkeit, um auf das Dach zu flüchten. Die beiden Diebe folgten ihm hoch. „Gib es auf, Dämon!“, rief Jeanne als die dunkle Gestalt sich aus den Kopfhörern des DJs manifestierte. „NIEMALS!“, schrie es und griff mit seinen tentakelartigen Armen an. Die Kamikaze-Diebin wehrte diesen ab und wollte mit ihrem Schwert den Dämon bannen, doch Sindbad hielt sie mit seiner Klinge davon ab. „Diesmal überlasse ich dir den Dämon nicht so freiwillig!“, sagte er. Ein erbitterter Dreierkampf brach aus. Immer wenn einer der Kaitos seine Chance für das Schachmatt nutzen wollte, hinderte der Andere ihn davor. Ebenso war der Dämon stark. Plötzlich feuerte es aus seinem Maul unsichtbare Energieschallwellen auf die Kaitos zu. Beide konnten den Geschossen gekonnt ausweichen. Doch ehe Sindbad auf dem Dachrand sicher landen konnte, sprengte der Dämon mit einer Energiewelle den Beton unter ihm und er verlor seinen Halt. Gerade als der Diener des Teufels dachte, er würde in die Tiefe fallen, spürte er eine Hand um seinen Unterarm. Mit großen Augen schaute er überrascht auf und sah Jeanne, die ihn mit aller Kraft wieder hochzog. Diesmal hat sie mir das Leben gerettet…, ging es ihm fassungslos durch den Kopf. Mit Mühe schaffte er es wieder aufs Dach. „Glaub ja nicht, dass ich mich bedanke.“, wiederholte er ihre Worte vom letzten Mal. „Nur eine Gegenleistung für das letzte Mal.“, brachte sie ihm außer Atem entgegen. „Wie nobel von dir!“, mit dem Worten sprang Sindbad wieder auf die Beine und griff den Dämon an. In Sekundenschnelle hatte er ihn schließlich gebannt und hielt eine schwarze Schachfigur in den Händen. Mit hochgezogener Augenbraue schaute er seine blonde Rivalin skeptisch an, die sich wieder aufgerichtet hatte. „Gehört das auch zu deiner Gegenleistung dazu? Du rettest mich und überlässt mir den Dämon?“ „Ich bin im Gegensatz zu dir fair.“ „Wenn das so ist, dann sollte ich öfters Prinzessin spielen und mich von dir retten lassen, meine Liebe. Da wäre mir jeder Dämon garantiert.“ „Pff! Das war eine einmalige Sache! Heute und das letzte Mal bei der Feuerwache! Ich wollte dir nichts schuldig sein. Und jetzt sind wir Quitt!“, antwortete ihm Jeanne genervt und verschwand hinein in die Dunkelheit. Eine Weile stand Sindbad noch auf dem Dach, ehe er sich wieder in Chiaki zurückverwandelte und sich zurück ins Gebäude begab. Auch Maron hatte sich in der Frauentoilette wieder zurückverwandelt. Allmählich kamen alle Partygäste wieder zu sich. Der DJ war auch wieder zu seinem Pult zurückgekehrt und spielte langsamere Musik auf, während er nebenbei nach Ersatzkopfhörern suchte. Die meisten benahmen sich, wie als wäre nichts passiert und gingen auf die Musik ein. Andere wiederrum blickten etwas irritiert drein, ehe die Normalität für sie wieder eingetreten war. Sofort lief die Braunhaarige auf ihre Freunde zu, die sich jeweils ein Glas Wasser an der Bar bestellten und sich benommen den Kopf hielten. Eventuell schlief Touya -der seinen Kopf auf Yusuke’s Schulter ruhen ließ- schon tief und fest. Miyako drückte ihrer Freundin den Autoschlüssel in die Hand und stöhnte leise. „Du fährst uns nach Hause, Maron.“ Verdutzt schaute die Angesprochene sie an, ehe sie anfangen musste zu lachen. „Komm, ab ins Bett mit euch allen!“   Chapter 5: My Girl ------------------ Chapter 5: My Girl   Maron wusste nicht wie sie Chiaki gegenübertreten soll. Drei Tage waren seit der Party vergangen. Der Alltag war wieder eingekehrt. Tagsüber Uni-Leben und nachts Dämonenjagd. Maron wusste nicht was tougher war. Womöglich ersteres. In der Universität verbrachte sie die letzten drei Tage damit ihren blauhaarigen Kommilitonen erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Noch immer sah die Braunhaarige vor sich, wie er auf der Party mit dem hübschen Elfenmädchen scheinbar über sie geredet und gelacht hatte. Noch immer spürte sie dieses demütigende Gefühl in ihr. Dass er sie als noch Jeanne antraf, hatte sie fast aus dem Konzept gebracht. Zu allem Überfluss war ihr Skizzenbuch immer noch verschollen. Maron hatte bei der Fundgrube der Uni nachgefragt, jedoch wurde nichts abgegeben. Es war alles zum Verrücktwerden! Die nächtliche Dämonenjagd war hingegen wie eine willkommene Abwechslung für sie. Gleichzeitig auch die perfekte Gelegenheit Dampf abzulassen. Sie und Sindbad waren wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt, gifteten sich an und bekämpften sich gegenseitig. Doch irgendetwas hatte sich zwischen den beiden Dieben verändert. Sie konnte bloß nicht einordnen was.   Es war Freitag. In der ersten Einheit als Maron Chiaki sah, trafen sich für einen Moment ihre Augen. Sofort blickte sie weg, lief an ihn vorbei zum anderen Ende des Raumes und setzte sich auf einem freien Platz hin. Zum Glück waren die Sitze neben ihr besetzt. Es wunderte die Studentin allerdings nicht, dass Chiaki aufstand und sich genau hinter ihr hinsetzte. Innerlich musste sie stark Seufzen. Die gesamten neunzig Minuten konnte Maron sich nicht konzentrieren und tippte mehr als unruhig mit ihren Stift auf dem Tisch herum. Sie konnte förmlich Chiaki’s Blicke auf ihren Rücken spüren und hören, wie er mit den Knöcheln knackste. Es war mehr als nervenaufreibend! Der Typ macht einen echt verrückt!, ging es ihr zähneknirschend durch den Kopf. Als die nächste Veranstaltung anstand, war die junge Frau mehr als froh Touya zu sehen, der jedoch mit dem Kopf auf dem Tisch ruhte und zu schlafen schien, weshalb er nicht mitbekam dass sie sich neben ihm setzte. Gleichzeitig sank Maron’s Freude wieder als Chiaki auf der anderen Seite von ihr Platz nahm. „Hey.“, sagte er. „Hey.“, ging sie widerwillig auf die Begrüßung ein. „Haru geht’s nicht so gut.“, sprach der Drittsemester in einem monotonen Ton weiter. Maron schaute ihn erschrocken an. Mit einem Mal bekam Chiaki ihre Aufmerksamkeit. „Wird er wieder gesund?“, fragte sie besorgt. „Vielleicht. Es wäre besser wenn er erstmal für eine Weile bei meiner Familie bleibt. Damit meine Mutter sich um ihn kümmern kann.“, sprach er weiter und rieb sich mit einer Hand über den Nacken. Der 19-jährigen fielen die dunklen Schatten unter seinen Augen auf. „Hättest du was dagegen?“ „Nein.“, sagte Maron, schaute zum Professor nach vorne und machte sich ein paar Notizen. Die Vorlesung war schon am Laufen. Auf ihrer linken Seite schlief Touya nach wie vor ungestört. „Ist wahrscheinlich besser so.“, fügte sie leise hinzu. „Ich wollte dich fragen…“, setzte Chiaki an, „Meine Mutter wollte wissen, ob wir bzw. sie ihn behalten dürfte? Er ist ein wenig anhänglich geworden.“ Seine Sitznachbarin schaut ihn zusammengezogenen Augenbrauen an. „Ich meine, du hast ihn gefunden. Er wäre somit dein Hund. Und was auch immer du mit ihm machen willst, wir-…“ „Ist schon okay.“, unterbrach ihn Maron. Sie dachte daran, dass sie wahrscheinlich keine gute Besitzerin wäre, wenn sie neben der Uni noch Dämonen jagen müsste und demnach keine Zeit für den Vierbeiner hätte. „Sag deiner Mutter, ich habe nichts dagegen.“ Chiaki nickte und schaute sie an. „Ich wollte dich das eigentlich schon fragen, als ich dich auf der Party sah, aber plötzlich warst du weg.“ „Ich musste woanders hin.“, antwortete Maron ihm und starrte nach vorne, vermied seinen Blick. Ihre Konzentration für die Vorlesung war allerdings schon ausgeschöpft. „Und die letzten Tage gingst du mir auch aus dem Weg.“ „Tat ich das? Wahrscheinlich bildest du dir das bloß ein.“, brachte sie mit gespielter Unschuld entgegen. „Klar. Also, was ist los?“ Noch immer sprach Chiaki in dieser monotonen Tonlage. „Nichts.“ „Ich glaube dir nicht.“ Sein Blick wurde ernst. „Mir egal.“ Tief in ihrem Inneren war es Maron nicht egal. „Okay. Dann lass uns zusammen Mittagessen.“, sagte er nahezu beiläufig. Die Kamikaze-Diebin hielt inne. Ihre Gedanken waren hin- und hergerissen zwischen ‚Ja‘ und ‚Nein‘. „Nein.“, entschied sie sich schließlich. „Warum nicht?“ „Ich habe eine Lernverabredung.“, log sie. „Mit wem?“, fragte Chiaki prüfend. „Warum interessiert dich das?“, fragte Maron spitz. Frustriert atmete ihr Sitznachbar tief aus bevor er sagte „Das frage ich mich auch langsam.“, aufstand und ging. Er schaute nicht mehr zu ihr zurück. Maron ließ ihre angespannten Schulter sinken und seufzte. Unterdessen war die Vorlesung zu Ende und Touya wachte neben ihr auf, die Hände ermüdet vor da Gesicht gehalten. „Ich hätte zu Hause bleiben sollen…“, murmelte er in sich hinein. Die Braunhaarige konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Alles okay?“, fragte sie ihn. Wortlos nickte der rothaarige Kommilitone. Es wunderte ihn nicht, dass sie neben ihm saß. „Mit Yusuke auch?“ Daraufhin warf er ihr einen niedergeschlagenen Blick zu. Maron bereute es gefragt zu haben, obwohl es so schien dass sich die beiden Männer nach der Party zum Guten angenähert hatten. „Probleme im Paradies.“, sagte er nur und verabschiedete sich mit einem gemurmelten Kauderwelsch von ihr. *** Die Mittagspause stand bevor und Maron war froh Chiaki für eine gewisse Zeit losgeworden zu sein. Mit dem Handy in der Hand wollte sie sich zur Mensa begeben, als unerwartet eine E-Mail auf ihre Uni-Mail ankam. Es war eine anonyme Mailadresse. Mit Skepsis öffnete die Diebin sie und sah direkt ein Foto von ihrem Skizzenbuch im Anhang. Das Blut gefror ihr in den Adern. In der E-Mail selbst stand: „Ich habe da etwas, was dir gehört. Treff mich in der Mensa, wenn du es zurückhaben willst.“ Die junge Studentin musste die Mail zweimal lesen, um richtig zu registrieren was da stand. Sind wir hier in einem verf*ckten amerikanischen High School Film, oder was ist das für ein Scheiß?!?! Wut stieg in ihr hoch. Sowie das Bedürfnis denjenigen schlagen zu wollen. Mit stampfenden Schritten ging sie zur Mensa und sah Yashiro auf einen Tisch mittig des Raumes stehen. Auf ihrem hübschen Gesicht haftete ein arrogantes, siegreiches Lächeln. Sie hielt ihr Buch demonstrativ in die Höhe, als sie Maron sah. Natürlich! Wen sollte es wundern! Wieso bin ich nicht eher darauf gekommen!, ging es ihr zornig durch den Kopf. Am liebsten würde sie zu der Zicke raufklettern, ihr das Make-Up vom Gesicht abkratzen und die falschen Wimpern aus den Lidern herausreißen. Wie ein Bodyguard stand Makoto vor dem Tisch und versperrte Maron den Weg für ihr gewünschtes Vorhaben. Wären die Beiden alleine, hätte sie es mit ihnen aufgenommen. Doch zu ihrem Unerwarten standen auf einmal dutzende von Studenten um sie herum. Zu allem Überfluss stand Chiaki nur wenige Schritte von ihr entfernt und schaute ausdruckslos zwischen ihr und Yashiro hin und her. In Maron drehte sich der Magen. Sie musste schwer schlucken. Die Türkishaarige hatte nicht nur vor sie zu demütigen, sondern sie vor der halben Uni sowie vor Chiaki bloßzustellen. Alle Augen waren auf die Braunhaarige gerichtet. Sie versuchte unter den Umstehenden bekannte Gesichter zu entdecken, die ihr eventuell helfen konnten. Fehlanzeige. Schließlich blickte sie zu Yashiro hoch, die hämisch grinsend vom Tisch heruntersprang und sich vor ihr hinstellte. „Suchst du nach etwas?“, fragte sie mit falscher Unschuld, das Skizzenbuch auf Augenhöhe hochgehalten. Maron wollte danach greifen, doch Yashiro riss es ihr weg. „Du verfluchte Hure.“, zischte Maron unter zusammengepressten Zähnen wütend. Ihr Gegenüber riss gespielt empört den Mund auf. „Na, na, Maron. Solche Kraftausdrücke gehören sich nicht! Ich versuche nur einen gefundenen Gegenstand zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen. Du bist doch die rechtmäßige Besitzerin, oder?“, fragte ihre Kommilitonin selbstgefällig, während sie die vordere Umschlaginnenseite aufschlug. „Maron Kusakabe.“, las sie laut vor. „Bist also du!“ Maron schwieg. Wenn Blicke töten könnten, wäre Yashiro schon mindestens dreimal gestorben. „Makoto hier, war so nett und hatte es für dich aufgehoben als du es verloren hattest.“ Aufs Stichwort lächelte der Erwähnte. Da kam der Diebin der Geistesblitz. Als er und sie am Montag zusammenstießen. In dem Moment musste er ihr Buch geklaut haben. Die ganze Aktion war geplant gewesen! „Eigentlich hatte er es mir gestohlen.“, entgegnete sie so ruhig wie möglich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um sich nicht anmerken zu lassen wie ihre Hände zitterten. „Das glaube ich nicht, liebe Maron. Du warst einfach zu unvorsichtig und hattest es verloren.“, beharrte die Türkishaarige und blätterte im Buch weiter. Maron ging gedanklich alle möglichen Szenarien durch. Würde sie Yashiro schlagen, würde Makoto das Buch an sich reißen und Chiaki würde immer noch ihre Skizzen von ihm sehen. Wenn sie Makoto eine reinhaut, würde ihr das nichts nützen und sie würde auf dasselbe Ergebnis kommen. Ebenso könnte sie wegen Körperverletzung großen Ärger bekommen, was den Schaden nicht mindern würde. Besonders bei solchen reichen Leuten, wie die Beiden, die garantiert Top-Anwälte parat hätten. Da könnte selbst der Vater ihrer besten Freundin als Polizeiinspektor ihr nicht helfen. Verdammt! Verdammt! Verdammt!! Innerlich war Maron bereits einem Nervenzusammenbruch nah. Sie würde ihr Buch wahrscheinlich nur bekommen, wenn Yashiro ihre Rache vollständig ausgeschöpft hatte. Die junge Frau traute sich nicht zu Chiaki rüber zu blicken als Yashiro letztlich an der Stelle ankam, wo er seinen ersten Auftritt hatte. Seine Reaktion würde Maron den letzten Rest geben und sie konnte es sich nicht leisten, noch vor den ganzen Menschen hier zu weinen. Weshalb sie ihre braunen Augen auf Yashiro fixierte, die mit einem breiten, boshaften Lächeln zu dem Blauhaarigen rüber ging. „Chiaki.“, sagte sie flirtend. „Yashiro.“, antwortete dieser trocken. Die Angesprochene stellte sich an seiner Seite hin und hielt ihm -sowie der Menge hinter ihm- das Buch hoch und blätterte durch jede einzelne Seite durch. Zur zusätzlichen Dramatik machte sie es extra langsam, damit jeder einen Blick auf die Zeichnungen werfen konnte. Maron konnte schon einige Leute tuscheln und lachen hören. Ihr Hals schnürte sich zu. Ihre Hände ballten sich so stark zu Fäusten, dass ihre Fingernägel sich in die Haut bohrten. Ihre innere Anspannung stieg mit jeder Sekunde. Sie wollte am liebsten im Boden versinken und nie wieder auftauchen. „Das sieht alles seehr stark nach dir aus, findest du nicht?“, sagte Yashiro und drückte sich näher an Chiaki ran. Maron betete förmlich, dass der Albtraum bald ein Ende hat. „Mein Mädchen ist talentiert.“, sagte Chiaki mit ruhiger Stimme. Warte! - WAS?! Maron stockte der Atem. Yashiro stockte der Atem. Allen anderen stockte der Atem. Mit einem Schlag waren alle Augen auf Chiaki gerichtet und jedem klappte die Kinnlade herunter. Keiner machte einen Laut oder bewegte einen Muskel. Die plötzliche Stille im Raum war schon fast unheimlich. „So ein Bullshit.“, wisperte Yashiro zischend. So leise sie sprach, so war es dennoch laut genug, dass jeder sie hören konnte. Sie hatte sich keinen Millimeter von der Stelle gerührt. Chiaki zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Ich bin ein eingebildeter Bastard und Maron verwöhnt mich.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Ich bin froh, dass das andere Skizzenbuch nicht in deine kleinen, gierigen Krallen geraten ist. Das wäre mehr als peinlich.“ Ein gerissenes Lächeln umspielte seinen Lippen. „Nun, halt dich verdammt nochmal von mir fern.“, sprach er mit einem genervten Unterton zu einer fassungslosen, sprachlosen Yashiro als er sich an ihr vorbei drängte und ihr das Skizzenbuch aus der Hand riss. Bestimmt ging der junge Mann auf Maron zu, die genauso sprachlos war und ihn mit großen Augen anstarrte. Beinahe beschützend stellte er sich vor sie hin, sodass sie von den Blicken der Masse verdeckt war. „Lass uns gehen.“, sagte Chiaki ihr sanft und streckte ihr die Hand aus. In ihrem Kopf herrschte das komplette Chaos. Sie wollte seine Hand nehmen, sie wollte Yashiro ins Gesicht spucken und den Mittelfinger zeigen, sie wollte Makoto einen kräftigen Tritt in sein Eingeweide geben und sie wollte Chiaki am liebsten auf der Stelle küssen. Langsam platzierte sie jeden einzelnen Finger ihrer rechten Hand in seine Handfläche. Ein Strom durchfuhr ihren ganzen Körper als sich ihre Hände berührten. Nahezu zärtlich umschloss Chiaki ihre Hand und zog Maron raus. Raus aus der Menschenmasse. Raus aus der Mensa. Alles andere bekam sie nicht mehr mit. Sie sah nur noch ihn. Alles in ihr kribbelte. „Mein Mädchen…“, hatte er gesagt. Und ohne weiteres war sie vollkommen, vollständig und ganz Sein. *** Keiner von ihnen sagte ein Wort bis Chiaki Maron zum Dach des Universitätshauptgebäudes führte. Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, ließ er von ihrer Hand los. Mit einem Mal war das elektrisierende Gefühl weg, zu Maron’s Enttäuschung. Trotzdem klopfte noch ihr Herz wie wild. „Alles okay?“, fragte Chiaki sanft. Maron nickte, würdigte ihm keines Blickes und starrte an ihn vorbei. Eine warme Brise wehte vorbei und spielte mit ihren Haaren. „Bist du dir sicher?“ Wieder nickte sie. Ihre Augen waren auf den blauen Horizont geheftet. „Bist du dir auch ganz, ganz sicher?“ Nun funkelte Maron ihn genervt an. „Mir geht’s gut!“ „So kenne ich mein Mädchen.“, lächelte Chiaki sie an. „Ich bin nicht dein Mädchen!“, sagte sie ihm mit mehr Gift in der Stimme als sie beabsichtigte. Der Blauhaarige schaute sie mit neugierigen Augen an und hob eine Augenbraue. Nach einigen Sekunden sagte er schließlich: „Du magst mich.“ Er versuchte nicht zu grinsen. Vergeblich. „Du magst mich sogar sehr.“ „Nein. Ich hasse dich.“, sagte die Braunhaarige stur. „Trotzdem hast du mich in deinem Buch verewigt.“ Chiaki ließ sich nicht von ihrer Hasserklärung beirren und lächelte. „Und das nicht nur einmal.“ Die Kamikaze-Diebin war mehr als überfordert mit der neuen Situation. Wahrscheinlich überforderter als mit der Situation vorher in der Mensa. Und dabei waren sie nur zu zweit. Vielleicht lag es auch daran, dass sie nur zu zweit unter sich waren. Sie und Chiaki. Komplett alleine. Nachdem er sie als sein Mädchen vor der halben Uni bezeichnet hatte. „Warum?“, fragte Chiaki auf einmal. „Warum was?“, fragte Maron verwirrt. „Warum das alles?“, setzte er fort, „Fang damit an, dass mir erklärst warum du mich hasst und komme dann zu dem Punkt, wo es um die Zeichnungen geht.“ Maron verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. „Ich…hasse dich nicht.“, gab sie kleinlaut zu. „Ich weiß.“, sagte ihr Gegenüber schmunzelnd. „Wieso fragst du dann?“ „Ich wollte, dass du es zugibst.“ Der Medizinstudent grinste sie schief an. Seine Kommilitonin stöhnte auf und schaute wieder genervt zu ihm hoch. „Fein. Da haben wir es. Bist du jetzt fertig?“ „Du bist die undankbarste Person auf Erden, weißt du das?“, kam es von ihm belustigt. „Oh ja…“, entgegnete Maron ihm trocken. „Danke für die Rettung vorhin. Ich sollte jetzt gehen.“ Sie wollte gehen. „Nicht so schnell.“ Plötzlich hielt Chiaki sie am Handgelenk fest. Sanft. Maron drehte sich zu ihm um. Ihr Herz war wieder in doppelter Geschwindigkeit am Klopfen. „Wir haben da immer noch ein Problem.“ Die junge Medizinstudentin verstand nicht worauf er hinaus wollte und schaute ihn fragend an. Noch immer hielt er ihr Handgelenk fest und dieses elektrisierende Gefühl durchströmte ihren Körper. Maron wünschte sich innerlich, dass er nicht losließ. „Jeder da unten denkt, wir wären zusammen.“, sagte Chiaki schließlich. Maron schaute ihn mit großen Augen an. War sie für ihn nur die Ausrede gewesen, um von Yashiro und der Gesamtsituation wegzukommen? Schließlich waren sie auch nicht zusammen. Unsicher senkte sie ihren Blick zu Boden und überlegte was sie sagen sollte. „Dann sag deinen Freunden am Montag, dass du mich abserviert hast.“, antwortete sie ihm letztlich. Das war nicht die Antwort, die Chiaki erwartet hatte und schaute sein Gegenüber mehr als verwirrt an. Er ließ von ihrem Handgelenk los. „Was?“ „Wenn du ihnen sagst, dass du mit mir über das Wochenende Schluss gemacht hast, dann hat jeder die Sache im Nullkommanichts vergessen. Sag einfach, ich war zu anhänglich oder ein Kontrollfreak oder ähnliches. Lass dir was einfallen.“, zuckte Maron mit gespielter Gleichgültigkeit mit den Schultern und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Chiaki legte leicht die Stirn in Falten. „Das war nicht exakt das, woran ich dachte.“ „Fein.“ Die Braunhaarige war nun selbst verwirrt. „Was auch immer du vorschlägst, ich mache mit. Okay?“ Der blauhaarige Student lächelte. „Morgen.“ „Ha?“ „Ich bin für morgen frei.“ Die Kamikaze-Diebin stand völlig auf dem Schlauch. Sie neigte fragend ihren Kopf. „Und…?“ „Und du wirst den Tag mit mir verbringen.“, deklarierte er. Das hatte sie so gar nicht erwartet. Ihre Augen verengten sich leicht. „Werde ich das?“ „Ja. Das schuldest du mir.“, grinste Chiaki sie an. Verdammt…, fluchte die junge Frau im Stillen. Er hatte auch nicht Unrecht. Schließlich hätte er sich zurücklehnen und Yashiro’s Show genießen können. Tat er aber nicht. Stattdessen hatte er Maron geholfen. „Und du sagtest eben, egal was ich vorschlage, du machst mit.“, fügte er bekräftigend hinzu. Maron verdrehte ihre braunen Augen. Unglaublich… Sie sah keinen weiteren Weg mehr sich rausreden zu können. „Du wirst mir garantiert nicht sagen, was du morgen vor hast?“, fragte sie ihn. „Garantiert nicht.“ „Du wirst mir garantiert auch nicht sagen, was du mit mir machen wirst?“ Chiaki’s Grinsen bekam einen verspielt boshaften Touch. „Garantiert nicht.“ Er ging einen Schritt auf sie zu. Die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben. „Wenn es mir zu unangenehm wird, darf ich Safe-Wörter benutzen, um der Situation zu entkommen?“ „Kommt ganz auf dich an.“ Der junge Mann ging noch einen Schritt auf Maron zu. Nur wenige Zentimeter Entfernung lag zwischen ihnen. Maron schlug das Herz bis zum Hals. „Keine Angst. Ich werde ganz sanft sein.“, wisperte Chiaki in einer verführerisch tiefen Stimmlage. Unbewusst hielt Maron den Atem an. „Du bist ein böser Mensch.“, sagte sie ihm und blickte direkt in seine hellen, braunen Augen. Verlor sich darin. Als Antwort darauf lachte Chiaki, hob seinen Finger und stupste ihr fast liebevoll auf die Nase. „Und du bist mein Mädchen.“, sagte er und lief davon. *** Nachdem der Chiaki Maron auf dem Dach zurückgelassen hatte, ging er mit einem zufriedenen Gefühl die Treppe herunter. Es überraschte ihn selbst, dass der Tag sich so gewendet hatte. Die letzten drei Tage hatte er wie ein Irrer versucht ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Drei Tage, in der er ununterbrochen an Maron denken musste. Drei Tage, in der die braunhaarige Schönheit ihm den Schlaf raubte. Drei Tage, in der der 20-jährige sich selbst nicht mehr wiedererkannte. Access hatte Recht. Er benahm sich ziemlich merkwürdig. Besonders deutlich wurde es, wenn er bei der Dämonenjagd sich immer wieder von seinen Gedanken ablenken ließ und gegen Jeanne verlor. Es war alles zum Verrücktwerden! Letztendlich war Chiaki froh als Maron mit ihm am Vormittag redete, doch nachdem sie ihm weiterhin die Kalte Schulter zeigte, steigerte sich seine Laune in keinster Weise. Dann kam die Mittagspause und er bekam eine E-Mail von Yashiro mit der Bitte zur Mensa zukommen. Widerwillig ging er darauf ein, um mit Schrecken festzustellen, dass Maron ebenfalls da war und Yashiro ihr Skizzenbuch in den Händen hielt. Ehe er sich versah, standen Zig Leute um ihn herum. Am liebsten wäre Chiaki wieder gegangen, allerdings konnte er die Braunhaarige nicht alleine lassen. Er wollte sie beschützen. Weshalb er auf den richtigen Augenblick wartete, um Yashiro mächtig eins auszuwischen. Mit Erfolg. Und nun hatte er eine Verabredung. Mit seinem Mädchen. Lächelnd fuhr Chiaki sich durch die kurzen Haare als plötzlich Access ihm im Treppenhaus entgegen kam. „Sindbad! Ich suche dich schon überall! Ein Dämon!“ Überrascht schaute der Angesprochene den gefallenen Engel an. „Hier?! Weißt du, wer das Opfer ist?“ Access verzog leicht das Gesicht und zögerte. „Ja… Jemand den du kennst.“ Nachdem sein Partner ihm sagte wer besessen war, weiteten sich Chiaki’s Augen. Auch das noch…!, dachte er sich genervt und warf einen kurzen Blick hoch. Maron schien nach wie vor noch oben zu sein. Hoffe der Dämon ist gebannt bevor sie ihr was antun kann… „Warnung?“ „Keine geschickt. Die kam ziemlich plötzlich.“ „Gut.“ Sofort begab er sich in eine sichere Ecke und verwandelte sich in Sindbad.   Maron stand noch wenige Minuten auf dem Dach, ehe sie sich zu ihren letzten Nachmittagsveranstaltungen begab. Noch immer war sie irritiert von der plötzlichen Einladung zum Date. Noch immer wiederholten sich Chiaki’s letzten Worte in ihrem Kopf. „Und du bist mein Mädchen.“ Maron brauchte nicht in den Spiegel zu schauen, um zu wissen, dass sie rot wie eine Tomate war. Wie am ersten Tag spürte sie alle Blicke ihrer Kommilitonen auf sich, während sie durch die Gänge ging. Gerade als sie ihr Vorlesungszimmer betrat, sah sie wie alle Mitstudenten und der Professor leblos zusammensackten. „Oh mein-…!!“ Hinter der Tür tauchte jemand auf und knallte sie laut zu. Versperrte Maron den Fluchtweg. Es war Yashiro. „Keine Sorge, Süße. Die schlafen nur.“ Eine dunkle Aura umgab die junge Frau. Die Kamikaze-Diebin hörte aus ihrer Tasche das Amulett piepen. Sie ist besessen!, stellte sie fassungslos fest. Aber vorhin noch nicht…?! Mit einer dunklen Energiewelle warf die Besessene Maron zu Boden. Die Augen leuchteten gefährlich rot. „Wenn ich ihn schon nicht haben konnte, dann soll keine ihn haben! Besonders du nicht!!“, rief Yashiro hasserfüllt in einer dämonischen Stimme und schlug ihrem Opfer mehrmals ins Gesicht. Zwei Hände schlangen sich anschließend um Maron’s Hals. Verdammt…Sie ist stark… Maron rang verzweifelt nach Luft und versuchte sich von ihrem Griff zu lösen. Der Druck um ihren Hals verstärkte sich. Sie war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren. Langsam wurde alles vor ihren Augen schwarz. Auf einmal verschwanden die Hände um ihren Hals und ein kurzer Schmerzensschrei entsprang Yashiro, ehe es wieder verstummte. Maron spürte, wie zwei starke Arme sie vom Boden hochhoben. Ehe die Studentin sich versah befand sie sich in Sindbad’s Armen, der sie aus dem Zimmer wegtrug. Ihr Blick verklärte sich wieder und sie schnappte erschrocken nach Luft. Was zum…! Aus Reflex schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und hielt sich an ihm fest. Ihre Wangen liefen leicht rosa an. Mit Schrecken blickte die Braunhaarige sich um und musste feststellen, dass alle anderen Menschen im Flur draußen ebenso bewusstlos waren. Wahrscheinlich war der ganze Campus mit einen dämonischen Schlafzauber versetzt. Sindbad bog in einen Seitengang rein und setzte sie vorsichtig in einer sicheren Ecke ab. Er hat mich wieder gerettet…! Perplex schaute Maron ihren Rivalen an. Sie konnte es sich gerade so noch verkneifen „Misch dich nicht ein, Sindbad“ zu sagen als ihr einfiel, dass sie immer noch in ihrer zivilen Form -als Maron Kusakabe- vor ihm stand. „Alles in Ordnung mit dir? Begib dich besser in Sicherheit.“, sagte er ihr ruhig, nahezu sanft. Solch eine Seite kannte sie von ihrem Rivalen gar nicht. „Oh und verpfeif mich nicht bei der Polizei.“, fügte er augenzwinkernd hinzu und grinste. Unwillkürlich machte ihr Herz einen Sprung und die Röte auf ihren Wangen verdunkelte sich. Geistesabwesend schaffte sie es ihm zu zunicken. Schließlich verschwand er aus ihrem Blickfeld und begab sich zurück zur besessenen Yashiro. Nach einigen Sekunden flog eine grüne Leuchtkugel auf sie zu. „MARON! Bin ich froh dich endlich gefunden zu haben! Ein Dämon treibt hier sein Unwesen!“ „Ich weiß… Sie hat mich angegriffen.“ Geschockt weiteten sich die grünen Augen des Engels. „Bist du verletzt?“ Mit einem Lächeln schüttelte ihre Partnerin den Kopf. „Wo genau versteckt sich der Dämon, weißt du das?“ Fin nickte. „Ihr Handy.“ „Alles klar. Komm, wir müssen einen Dämon jagen.“, sagte Maron und verwandelte sich in Jeanne. Mit schnellen Schritten rannte sie den Korridor entlang und schaute sich in allen Richtungen um. Hoffentlich ist Chiaki okay…, dachte die Gesandte Gottes sich und schüttelte den Kopf. Verdammt, Maron! Konzentrier dich!, ermahnte sie sich selbst. Im Vorlesungssaal angekommen, war Sindbad schwer damit beschäftigt Yashiro außer Gefecht zu setzen. In einer Hand hielt sie ihr Handy, mit der anderen feuerte sie immer wieder dunkle Energiekugeln auf ihren Gegner. Jeanne zückte ihr Band und versuchte ihr das Telefon aus der Hand zu reißen, doch der Versuch schlug fehl. „Na sieh mal an, wer hier zu spät ist.“, feixte Sindbad sie an. „Hattest du dich verlaufen oder musstest du dich im Bad noch fertig machen?“ „Halts Maul!“, fauchte Jeanne ihn an, ging auf ihn zu und gab ihm einen kräftigen Kinnhacken. Wenigstens eine Person, die sie heute ohne Konsequenzen schlagen konnte. Mit einem befriedigendem Lächeln rannte sie anschließend auf die besessene Yashiro zu und griff an. Doch diese blockte den Angriff mit einer dunklen Energiewelle ab. Jeanne wollte zum nächsten Angriff ansetzten als plötzlich ihr Rivale sie kräftig zur Seite schubste und Yashiro einen Tritt gab. Jeanne landete unsanft zwischen den Tischen und Stühlen. Die Türkishaarige ließ überrascht ihr Handy los und das Gerät transformierte sich zum Dämon. „Für heute habe ich genug Gentleman gespielt.“, sagte Sindbad kalt. Im nächsten Augenblick zückte der Kaito sein Schwert und setzte die Kreatur Schachmatt. „Du verfluchter…“ Jeanne setzte sich mit zittrigen Armen auf. Sindbad warf ihr nur einen kurzen Blick zu und verschwand wortlos. „Jeanne! Alles okay? Bist du schwer verletzt?“, hörte sie Fin’s besorgte Stimme fragen. „Ja… nur ein paar blaue Flecke, die sowieso verheilen.“, versicherte die Angesprochene ihr. „Stell du besser sicher, dass hier alles so wird wie vorher.“ Daraufhin nickte der Engel und ihr Stein auf der Stirn begann zu leuchten. Alle Schäden wurden wieder repariert und die räumliche Ordnung war wieder hergestellt. Zum Glück war niemand verletzt. „Du muss dich zurückverwandeln, bevor die Menschen hier aufwachen!“, sagte Fin drängend. „Ich glaube, ich gehe einfach nach Hause.“ Mit den Worten verließ die Kamikaze-Diebin die Universität und sprang über die Dächer der Stadt zum Orléans zurück. *** Zu Hause angekommen, schrieb Maron Miyako eine SMS, dass sie mit dem Bus nach Hause gefahren sei. Anschließend gönnte sie sich ein entspanntes Bad. Am Abend klingelte es an ihrer Tür. Es war Miyako, die mit einem kritischen Blick ihre Freundin musterte. Mit einer einladenden Handbewegung gewährte Maron ihr Einlass. „Du bist heute mit dem Bus eher nach Hause gefahren?“, fragte die Polizeitochter als sie Platz auf das Sofa nahm. „Ja… mir ging es nicht so gut.“, fuhr sich die Braunhaarige beiläufig durch die Haare und nahm ihr gegenüber auf dem Sessel Platz. „Ah ja… Hat es mit der großen Aktion in der Mensa zu tun, von der ich so viel hörte?“ Erstaunt hob Maron ihre Augenbraue. „So schnell breitet sich sowas aus?“ Miyako lachte kurz schnaufend auf. „Alle in meinen Vorlesungen redeten über nichts anderes. Es war eine Qual ein sinnvolles Wort vom Professor raushören zu können. Auch Yamato musste Leiden.“ „Ah…“ Unbeholfen schaute Maron sich in ihrer Wohnung um, darauf hoffend dass das Gespräch bald ein Ende nahm. „Willst du darüber reden?“ Falsch gehofft. „Nein.“ „Dieser berüchtigte Chiaki Nagoya, also?“ Die Kurzhaarige fing an geheimnisvoll zu grinsen. „Ich sagte nein.“ „Wie genau hat das mit euch angefangen?“ Miyako ließ nicht locker. Genervt ging Maron in die Küche und machte sich etwas zu Essen. „Beantwortest du mir meine Frage?!“ „Nein!“ In der nächsten Sekunde klingelte das Telefon im Wohnzimmer. „Nimm du ab! Ich bin beschäftigt!“, rief Maron aus der Küche ihrer Freundin zu. Diese verdrehte nur belustigt die Augen und nahm ab. „Sie rufen bei Hause Kusakabe an.“, sprach Miyako mit einer Sekretärsstimme in den Hörer. Kurz weiteten sich überrascht ihre Augen. Ein breites Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. „Einen Moment bitte.“ Mit dem Telefon ging sie zu Maron in die Küche und drückte es ihr in die Hand. „Es ist für dich.“ „Wer ist denn dran?“ Ohne die Frage zu beantworten drehte sich ihre Nachbarin augenzwinkernd um, ging zurück ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Verdutzt schaute Maron ihr hinterher. Sie warf einen argwöhnischen Blick auf das Telefon herunter und nahm es an ihr Ohr. „Hallo?“ „Hallo.“, antwortete eine Stimme am anderen Ende der Leitung, die sie überall auf der Welt wiedererkannt hätte. „Woher hast du meine Nummer?“, platzte es aus ihr heraus, bevor sie sich stoppen konnte. „Sowas nennt man Recherche.“ Sie konnte Chiaki’s verschmitztes Grinsen durch das Telefon hören. „Oder auch Stalken.“ „Du bist süß wenn du zickig bist.“, kicherte Chiaki. „Du nicht.“, entgegnete Maron ihn, konnte sich dennoch ein Lächeln nicht verkneifen. „Wann soll ich dich abholen? Und wo genau wohnst du?“ „D-Du musst mich nicht abholen!“, stotterte sie. „Wenn man bedenkt, dass du keine Ahnung hast wo wir morgen hingehen und ich nicht vorhabe es dir zu sagen, muss ich wohl.“ „Können wir uns nicht irgendwo in der Stadt treffen?“ „Nein.“ Maron stöhnte innerlich auf. Der Kerl macht mich noch wahnsinnig! „Ich hasse dich mehr als du glaubst.“ „Ja, ja. Gib endlich auf, Maron. Du weißt, dass ich es am Ende selbst herausfinden werde.“ Sich geschlagen gebend gab sie ihm seufzend ihre Adresse. „Okay. Ich hole dich um zehn ab.“ „Oh…“, sagte sie überrascht, „Ich dachte, das wird ein Tagesausflug.“ „Witzig. Ich rede von zehn Uhr morgens, meine Liebe.“ „Und ich habe mich schon darauf gefreut auszuschlafen.“ „Du schläfst nicht. Also bis morgen.“, sagte Chiaki und legte auf, bevor Maron was erwidern konnte. Mit offenen Mund starrte sie für einige Augenblicke auf das Telefon herab. Miyako spähte in die Küche rein. „Und?“, fragte sie mit einem unschuldigen Lächeln. „Was und?“ „Was wollte er?“ „Als ob du es dir nicht selbst denken kannst.“, zickte Maron ihre Freundin an. „Ich will es aus deinem Mund hören.“, neckte diese zurück. „Fein!“, stöhnte ihre braunhaarige Nachbarin gereizt auf. „Morgen holt er mich von hier ab.“ Miyako’s Augen wurden wieder größer und ihre Stimme nahm einen schrillen Ton an. „Für ein Date?? Wann?! Wohin?!“ „Morgen um zehn. Keine Ahnung wohin. Und nein!! Das ist kein Date!“ „Ja klar. Dann gehe ich mal und halte dich nicht weiter von deinem Schönheitsschlaf ab.“ Schnaufend ließ die junge Frau sich auf einen Küchenstuhl fallen, nachdem ihre Haustür zugefallen war. „Scheinst ein spannendes Uni-Leben zu haben.“, kam es von Fin, die alles mit Neugier beobachtet hatte. „Wenn du tauschen willst, dann gerne!“, entgegnete ihr Maron launisch und bereitete das Essen zu.   Es war 22 Uhr. In zwölf Stunden würde Chiaki sie abholen. Maron war nervös. Sie fühlte sich wie vor einer wichtigen Prüfung. Unruhig lief sie in ihrem Zimmer auf und ab. Fin war schon in ihrem Bettchen eingeschlafen. Zur Beruhigung beschloss die 19-jährige auf den Balkon rauszugehen und frische Luft zu schnappen. Ein frischer Wind wehte genau in dem Moment vorbei. Zufrieden und entspannt atmete sie tief ein und wieder aus. Es war eine sternenklare Nacht draußen und Maron genoss das Bild der funkelnden Leinwand. Nach einer Weile schaute sie runter auf die Straßen. Einige wenige Autos fuhren vorbei. Sonst war keine Menschenseele zu sehen. Bis auf… Bis auf einer Person, die vor dem Eingang des Orléans stand. Regungslos stand die Person da. Maron konnte nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Ihr lief einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sie wusste nicht wieso, aber es kam so ihr vor, wie als würde die Person zu ihr hochstarren. Die Diebin wollte zu ihrem Zimmer wieder zurückkehren, doch als sie einen letzten prüfenden Blick runter warf, war die Person verschwunden.   Chapter 6: First Date --------------------- Chapter 6: First Date   „Fin, tu mir den Gefallen und verschwinde, wenn er da ist.“, sagte Maron, die frisch geduscht sich die Haare trocknete. „A-Aber wieso? Ich will sehen wie er aussieht.“, rief die Angesprochene empört. „Weil ich keinen nervigen Engel brauche, die wie eine Fliege umherschwirrt und mich noch komplett aus dem Konzept bringt. Ich finde es schon unhöflich genug, wenn du das bei meinen Eltern, Miyako und so, machst. Und du kennst ihn schon von meiner Zeichnung!“ „Du bist gemein, Maron.“, sagte die Grünhaarige beleidigt und verzog eine Schnute. „Tu mir bitte den Gefallen einfach, okay?“ „Und was ist, wenn er dir irgendwas antut?“ „Ich kann auf mich selbst aufpassen, keine Sorge.“, zwinkerte Maron ihr zu. „…Na gut. Dann verschanze ich mich nach draußen, oder so. Wenn irgendwas ist, dann melden wir uns über das Kreuz bzw. dem Amulett.“, ging der grünhaarige Engel schließlich auf die Bitte ein. „Danke, Fin.“ Nachdem diese aus dem Fenster verschwand, ging die Kamikaze-Diebin zu ihrem Kleiderschrank und suchte verzweifelt nach etwas zum Anziehen. Rock? Nein. Kleid? Nein, definitiv nicht! – Verdammt, das ist kein Date, Maron! Mit der Überlegung griff sie schließlich nach ihrer dunkelgrauen Lieblingsjeans, einem weißes T-Shirt sowie gemütliche Sneakers. Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. „Maron. Ich bin es!“, hörte sie Miyako draußen sagen. Irritiert öffnete sie die Tür. „Was machst du hier??“, begrüßte Maron ihre Freundin. „Ich wollte dir helfen, damit du für das Date bereit bist.“, sagte Miyako verschmitzt lächelnd und ging rein. „Sag mir nicht, dass du heute das tragen wirst?“, fragte sie und deutete mit dem Finger auf Maron’s Outfit. „Das ist kein Date! Somit kann ich anziehen was ich will.“, zuckte Maron gleichgültig mit den Achseln. „Ich bin dafür, dass du dich umziehst.“ „Nein.“ „Doch.“ „Du nervst, Miyako.“ „Dann lass wenigstens was an dein Make-Up oder an den Haaren machen!“, beharrte die Kurzhaarige. „Nein!“ „Ach komm!“ „Ich sagte Nein, Miyako!“ In der nächsten Sekunde klingelte es an der Tür. Überrascht schaute Maron auf die Uhr. 10:00 Uhr pünktlich. Die beiden Freundinnen tauschten sich für eine halbe Sekunde Blicke aus, ehe Miyako in die Küche verschwand, Maron zur selben Zeit zur Tür ging und sie öffnete. Zu ihrer minimalen Überraschung stand Chiaki in dunkelgrauer Jeans und in einem weißen T-Shirt vor ihr. Es war ungewohnt für sie ihn ohne Hemd zu sehen. Trotzdem sah er unbeschreiblich gut aus. Mit den zerzausten Haaren, gab der Look ihm Extrapunkte für seinem wilden Charm. Insgeheim fragte Maron sich, wie gut er wohl in einem Anzug aussehen würde. Unbewusst errötete sie leicht. Dann entdeckte sie die Blumen in seiner Hand, während die andere lässig in der Hosentasche steckte. „W-wozu die Blumen?“, platzte es aus Maron. „Dir auch einen guten Morgen! Die sind für deine Eltern.“, antwortete er ihr und reichte ihr den Strauß, den sie auf unbeholfener Weise annahm. „Ehm…Das ist sehr nett und aufmerksam, aber meine Eltern sind nicht da.“ Mit einem kurzen Kopfnicken, gewährte die Studentin ihrem Kommilitonen Einlass und ging mit dem Blumenstrauß ins Wohnzimmer, auf der Suche nach einer Vase. „Arbeiten sie Samstags?“, fragte Chiaki und schaute sich neugierig in der Wohnung um. „Nein. Sie sind vor über einem Monat ins Ausland gezogen.“, erklärte Maron knapp. Überrascht schaute der Blauhaarige sie mit leicht geweiteten Augen an. „Im Vergleich zu anderen Familien, sind meine Eltern nach meinem Abschluss aus dem Nest ausgezogen und nicht ich.“, ergänzte sie achselzuckend. In einem Schrank fand sie endlich eine passende Vase. „Ah…Wow.“ Das hatte er sogar nicht erwartet. „Und dabei habe ich mich schon darauf vorbereitet, den besten ersten Eindruck ihnen zu bieten.“ „Tja, daraus wurde nichts.“ Plötzlich kam Miyako aus der Küche heraus. Grinsend. „Während ihre Eltern weg sind, kümmere ich mich um sie. Hi. Miyako Toudaiji.“, sagte sie und hielt ihm die Hand hin. „Freut mich dich kennenzulernen.“, schüttelte Chiaki ihr die Hand. Die Polizeitochter warf Maron einen kurzen Blick zu, welches förmlich „Partnerlook!“ mit einem sehr großen Ausrufezeichen schrie und grinste noch breiter. Auf einmal fand Miyako es nicht schlimm, dass ihre Freundin sich nicht umgezogen hatte. Die Braunhaarige ignorierte die stumme Message augenverdrehend. „Dürfte ich fragen, was du mit meiner besten Freundin vorhast?“ Miyako hatte ihren typischen Verhörblick aufgesetzt. Maron seufzte innerlich, darauf hoffend, dass ihre Freundin sie nicht blamierte. „Tut mir leid. Ich will keine Überraschungen ruinieren.“, grinste Chiaki sie an. „Ah ja…Ich warne dich nur vor. Mein Vater ist ein angesehener Polizeiinspektor und ich bin zukünftige Anwältin.“ Daraufhin musste der Medizinstudent nur lachen. Ich hätte sie aus der Wohnung schmeißen sollen…, dachte Maron sich und versuchte -soweit es geht- die Beiden zu ignorieren, während sie in die Küche ging und den Blumen Wasser füllte. „Können wir jetzt gehen?“, fragte sie als sie in den Flur zurückkehrte, ihre Tasche holte und eine Konversation zwischen den Beiden unterbrach. „Klar. Also, wir sehen uns vielleicht im Campus.“, verabschiedete Chiaki sich von Miyako, die ebenfalls die Wohnung verließ. „Japp. Viel Spaß bei euren Date!“, rief Miyako den Beiden zu und verschwand schließlich in ihre eigene Wohnung. Unbemerkt knirschte ihre braunhaarige Freundin genervt mit den Zähnen. „Damit du es weißt. Das ist kein Date.“, sagte sie zu Chiaki nachdem sie in den Aufzug einstiegen und herunterfuhren. „Ich glaube, unsere Klamotten sagen da was anderes.“, lachte er sie frech an. „Ach, halt die verdammte Klappe.“ „Du hast ein ziemlich loses Mundwerk.“ „Stört dich das?“, fragte Maron mit einem selbstgefälligen Lächeln und verließ den Fahrstuhl. Chiaki folgte ihr grinsend raus. „Nicht im geringsten.“   Nachdem die beiden Studenten ins Auto eingestiegen waren, schaltete Chiaki den Motor an und fuhr los. „Also, wie lange fahren wir? Wo auch immer es hingeht.“, erkundigte Maron sich mit Skepsis und Neugier in ihrer Stimme. „Nicht lange. Wir gehen einen Freund besuchen.“, antwortete Chiaki ihr. „Was für einen Freund?“ „Sage ich dir nicht.“ Nach einer kurzen Pause fügte er lächelnd hinzu: „Keine Sorge, du wirst ihn mögen.“ Maron schaute leicht verunsichert auf ihre Sachen herab. „Ich hoffe mal, dass ich für einen formalen Besuch nicht zu schlecht angezogen bin.“, kam es sarkastisch. „Wird ihn nicht interessieren.“, entgegnete Chiaki und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Und du siehst perfekt aus.“ Daraufhin drehte Maron sich zum Fenster weg, um ihre rosa Wangen zu verbergen. Unterdessen schaltete Chiaki den Musik-Player an und schweigend fuhren sie weiter, bis zum Ziel. Da angekommen, erstreckte sich vor ihnen eine riesige, moderne Villa mit übergroßen Fenstern und einem Vorgarten, von der Größe eines Fußballfeldes. Chiaki steuerte auf ein großes Gittertor zu, welches sich ihnen öffnete und fuhr in die Einfahrt rein. Maron beobachtete alles mit großen Augen. „Also…Was genau macht dein Freund?“, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Nicht viel. Er genieß ein unbeschwertes Leben in seiner Freizeit.“, sagte ihr blauhaariger Fahrer achselzuckend. „Verständlich. Wenn man da wohnt, bräuchte man garantiert nicht mehr arbeiten.“ „Wohl eher nicht.“ Chiaki entkam ein leises Kichern. Er parkte auf dem privaten Parkplatz des Anwesens. Vor dem Eingang des Gebäudes stand ein junger Mann mit schwarzen Haaren, bekleidet in einem schwarzen Anzug und steuerte auf sie zu. Chiaki stieg als Erstes aus. „Guten Morgen, Chiaki-sama.“, begrüßte der junge Mann den Studenten und wollte sich zur Beifahrertür begeben, um seiner Begleitung die Tür zu öffnen. Chiaki hielt ihn jedoch davon ab. „Morgen Kagura. Ich mach das schon.“, sagte er und öffnete Maron die Tür. Diese verengte skeptisch ihre Augen. Irgendwas war merkwürdig. Ebenso war ihr der Name ‚Kagura‘ komischerweise vertraut. „Du scheinst öfters hier zu sein.“, merkte sie an. „Japp.“ Aus unerfindlichen Gründen vermied Chiaki ihren Blickkontakt. Kagura öffnete ihnen die Eingangstür und nachdem sie eintraten, blieb der 19-jährigen fast die Spucke weg. Schon von draußen sah das Anwesen beeindruckend aus, doch nichts hätte sie auf die Inneneinrichtung vorbereiten können. Blitzblanker Marmor übersäte den Boden. Die Decken und Fenster waren mindestens bis zu drei Meter hoch. Teure Bilder von angesehenen Künstlern verzierten die weißen Wände. Moderne Treppen mit Glasgeländer führten zu den oberen Stockwerken. Jeweils rechts und links von ihr konnte sie Räume sehen, die mit hochwertigen Bonsai-Pflanzen bestückt waren und mit jeweils einer großen Terrasse endeten. Ein riesiges Aquarium verzierte allein das Foyer, welches schon so groß wie ihre eigene Wohnung war. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie die restliche Villa aussah. „Du kannst mir nicht sagen, dass hier jemand wohnt…!“, sagte Maron eher zu sich selbst als zu sonst irgendjemanden. „Wieso?“, fragte Chiaki lachend. „D-Das ist kein Haus, sondern bestimmt das Set für ein koreanisches Drama! Solche Villen kenne ich nur aus Dramen oder Hollywood-Filmen.“ Daraufhin musste er schmunzeln. „Leider muss ich dir sagen, dass hier wirklich Leute leben.“ Auf einmal kam ein kleiner, weißer Spitzhund die Treppe heruntergerannt und sprang fröhlich auf Chiaki zu. „Hey. Ruhig. Jedes Mal dasselbe.“, lachte er, kniete sich hin und streichelte dem Tier durch das weiche Fell. „Darf ich vorstellen, das ist Sora. Sie ist immer etwas hyperaktiv.“, stellte Chiaki Maron den Vierbeiner vor, worauf sie frech angebellt wurde. „Hey, benimm dich.“, ermahnte der Blauhaarige die Hündin. „Sie ist süß.“, sagte Maron etwas perplex und hockte sich ebenfalls herunter, um Sora zu streicheln. „Na, so eine Überraschung. Was beschert dich den hierher? Und Besuch hast du auch noch direkt mitgebracht!“, hörte sie plötzlich eine bekannte Männerstimme sagen. Als Maron sich umdrehte, sah sie Dr. Kaiki Nagoya -in Hemd und Pullunder- vor sich stehen. Hinter ihm stand seine Frau, in einem gemütlichen Leinenkleid. Beide musterten die jungen Studenten mit einem amüsierten Lächeln. Maron’s Blick huschte zwischen den Ärzten und Chiaki hin und her. Moment…! Wenn seine Eltern hier sind… Dann machte es in ihrem Kopf Klick. „Ihr erinnert euch an Maron?“, antwortete Chiaki seinem Vater. „Guten Morgen.“, begrüßte sie seine Eltern höflich, die sie freundlich zurückbegrüßten. „Wie geht es dir?“, erkundigte der Chefarzt sich bei ihr. „Ganz gut.“, sagte Maron mit einem Lächeln. Innerlich musste sie jedoch verarbeiten, dass sie sich in Chiaki’s Elternhaus befand. Dass ihr Kommilitone hier -in diesem Haus- aufgewachsen war. „Wollt ihr was trinken? Ich kann euch einen Tee machen.“, bot Frau Dr. Nagoya an, doch ihr Sohn lehnte ab. „Nein, wir gehen gleich. Ich wollte Maron nur jemand zeigen.“ Suchend schaute er sich um. Das Gebell eines zweiten Hundes hallte durch den Raum und Maron sah eine vertraute Gestalt auf sie zu tapsen. „Da ist er!“, rief Chiaki, nahm den bräunlich-roten Vierbeiner hoch und drehte sich zu Maron um. „Und, erkennst du ihn wieder?“ Maron’s braune Augen weiteten sich vor Überraschung. „Oh mein Gott! Haru!!“ Erfreut nahm sie den Hund in ihre Arme, der glücklich mit dem Schwanz wedelte. „Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt!“ Er sah gesünder und kräftiger aus als vorher. Und war doppelt so schwer. Maron hatte Schwierigkeiten den Shiba Inu hoch zu halten. „Ist schließlich auch fast zwei Wochen her seitdem du ihn das letzte Mal sahst.“, lächelte Chiaki sie an, nahm ihr Haru wieder ab und setzte ihn wieder auf dem Boden. „Das war also deine mysteriöse Überraschung.“ „Überraschung geglückt.“ „Was ist das für ein Lärm? Kann man dann an ‘nem Samstag nicht ausschlafen?“, sprach eine junge, verschlafene Stimme die Treppe herab. Ein zierliches Mädchen in Pyjama und wildstehenden Haaren kam herunter und stellte sich zwischen den Erwachsenen. Maron erkannte in ihr sofort das hübsche Elfenmädchen von der Party wieder. Chiaki’s Mutter legte fürsorglich eine Hand um ihre Schulter. Beide hatten dieselben orange-braunen Haarfarbe und ähnliche Gesichtszüge. Nun wusste die Braunhaarige auch, an wen das Mädchen sie erinnert hatte. „Hey, Mina.“, begrüßte Chiaki sie. Ihre verschlafenen Augen weiteten sich als sie Maron sah. „Hast du ein Date?“ Chiaki ignorierte die Frage und wandte sich wieder an seine Kommilitonin. „Das ist Mina, meine Schwester.“ Maron schaffte es geradeso verstehend zu nicken. Indessen machte ihr inneres Ich in ihrem Kopf Freudensprünge als das Wort „Schwester“ fiel. „Minami.“, korrigierte sie ihn und schenkte Maron ein wissendes Lächeln. „Guten Morgen.“ „Es ist fast Mittag, Schatz.“, entgegnete ihre Mutter. Das Mädchen gähnte und zuckte gleichgütig mit den Schultern. „Wir gehen jetzt auch.“, sagte Chiaki im nächsten Moment, machte auf dem Absatz kehrt und winkte seiner Familie zum Abschied zu. Kagura öffnete ihm die Tür und er ging direkt zu seinem Auto rüber. Maron schaute verwirrt zwischen seiner Familie und der Tür hin und her. Anschließend verbeugte sie sich höflich und verabschiedete sich bei jedem einzeln. „War nett dich kennenzulernen, Maron.“, sagte Minami winkend und verschwand in ein Zimmer. „Komm ruhig öfters vorbei.“, entgegnete Kaiki grinsend. „Vielleicht zum Essen.“, fügte seine Frau augenzwinkernd hinzu. Mit einem schüchternen Lächeln verließ sie das Haus und ging auf Chiaki zu, der vor seinem Auto wartete. ***  „Du bist ein elender Lügner, der lügt.“, sagte Maron ihrem Fahrer fassungslos, nachdem sie das Anwesen verlassen hatten und auf der offenen Straße weiterfuhren. „Wieso?“, fragte dieser schmunzelnd. Sie deutete mit dem Zeigefinger nach hinten, wo sie die Villa hinter sich gelassen hatten. „Du hast daaas alles geheim gehalten.“ Sie machte eine kreisende Bewegung mit ihrem Finger. „Habe ich nicht. Du hast bloß nicht gefragt.“, sagte Chiaki offen und ehrlich. „Na gut… ich hätte vielleicht schlau genug sein können, um selbst darauf zu kommen. Wenn deiner Familie ganze Krankenhausketten gehört.“ Maron fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich kann nicht glauben, dass du mir nichts gesagt hast!“ Der Blauhaarige warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. „Was hätte ich dir sagen sollen?“ „Keine Ahnung! Sowas wie: ‚Hey, Maron. Zieh dir was Hübsches an und hol dein bestes Make-Up raus. Wir gehen mein Elternhaus besuchen.‘ Oder ähnliches!“ Chiaki musste sich ein Lachen verkneifen. „Erstens: Das was du an hast, ist perfekt. Zweitens: Du brauchst kein Make-Up.“ Elender Schleimer! Maron rollte mit den Augen, auch wenn sie sich für die Komplimente freute. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du in einem Ort aufgewachsen bist, was womöglich so groß wie das Weiße Haus ist.“ „Ich glaube, das Weiße Haus ist größer.“, korrigierte Chiaki seine Beifahrerin. „Wie auch immer. Und wo geht es jetzt hin?“, fragte sie misstrauisch. „Zu mir nach Hause.“, grinste er. „Und dann gehen wir Essen.“ „Scheinst ja einen straffen Zeitplan zu haben.“ „Ich will nur, dass du das volle Erlebnis bekommst.“ Nach einigen Minuten kamen sie an einem Hochhaus an, wo Chiaki Maron zum obersten Stockwerk führte. Maron wusste nicht, ob seine Wohnung das war, was sie von ihm erwartet hätte. Wie ihre Wohnung, war seine eine Maisonette-Wohnung, nur -natürlich- größer. Alles war ziemlich minimalistisch eingerichtet. Das Wohnzimmer und die offene Küche teilten sich die neunzig Quadratmeter große Fläche, des untersten Stockwerkes. Vom Wohnzimmer aus, führte ein großer Balkon nach draußen und schenkte einem einen atemberaubenden Ausblick über Momokuri. Im Obergeschoss befanden sich Bad, Arbeitszimmer und Schlafzimmer. Alle Möbel waren in weiß und schwarz gehalten. An manchen Ecken konnte sie gesunde, großgewachsene Pflanzen entdecken. Chiaki beobachtete Maron neugierig, während sie sich in seinem zu Hause umschaute. Access hatte der Dieb schon am frühen Morgen weggeschickt, damit er ungestört mit seinem Mädchen allein sein konnte. Der Engel wäre für andere Menschen zwar sowieso unsichtbar, aber es ging ums Prinzip! Im Stillen hoffte er auch, dass keine Aufträge kommen, welche ihm den Tag ruinieren könnten. Gemeinsam ging er mit Maron zu seinem Schlafzimmer. Da angekommen stach ein riesiger Bücherschrank der Braunhaarigen ins Auge. „Willkommen zur privaten Sammlung von Chiaki Nagoya.“, hörte sie Chiaki demonstrativ sagen, während sie die Titel am Buchrücken überflog. Über neunzig Prozent der Titel und Romane kannte Maron nicht. Gelegentlich nahm sie eins heraus und schaute sich das Cover an. „Du kannst unmöglich alle gelesen haben.“ „Habe ich auch nicht.“ Maron musste grinsen. „Also, hast du den Schrank hier nur, um Gäste zu beeindrucken.“ „Das ziemlich gemein von dir sowas zu behaupten, Maron.“, sagte Chiaki und ließ sich mit dem Rücken voraus auf sein King-Size-Bett fallen. Dabei rutschte sein T-Shirt leicht hoch und Maron bekam einen kurzen Blick auf seinen flachen, trainierten Bauch. Mit hochroten Wangen drehte sie sich weg und fixierte ihren Blick auf einem Wandregal mit einer -nicht weniger- beeindruckenden Musik-Sammlung. „I-Ich hätte eventuell Hunger.“ Sofort sprang Chiaki auf, schnappte sich eine Sonnenbrille vom Nachttisch und setzte sie sich auf. „Gut. Ich zeige dir den besten Italiener der Stadt.“   Wiedermals fanden sie sich in Chiaki’s Auto wieder. Unangenehme Stille bahnte sich an, trotz der Musik aus dem Musik-Player. Chiaki hatte einen vielfältigen Musikgeschmack, fiel Maron auf. Sie wusste nicht, worüber sie reden konnten, weshalb sie spontan sagte: „Witzig, oder? Du siehst deinem Vater extrem ähnlich und deine Schwester deiner Mutter.“ Chiaki stoppte sich kurz, ehe er ihr antwortete: „Meine Mutter ist nicht meine biologische Mutter. Genauso wenig wie Minami meine biologische Schwester ist.“ Er warf seiner Beifahrerin einen Seitenblick zu, um ihre Reaktion zu beobachten. Maron behielt ihre neutrale Miene bei. Sie wusste nicht viel über Chiaki, bis auf den Gerüchten seiner extraordinären Nachtaktivitäten. Doch in den letzten zwei Stunden hat sie erstaunlicherweise mehr über seine Person erfahren als in den letzten zwei Wochen. Und tief in ihrem Inneren wollte Maron mehr über ihn wissen, auch wenn sie es sich noch nicht ganz eingestehen will. „Meine Mutter starb als ich fünf war.“, sagte Chiaki plötzlich in einer neutralen Stimmlage. Diese Offenbarung warf Maron’s Gedankengänge komplett aus der Bahn. Schockiert weiteten sich ihre Augen. Mit einem Mal fühlte sie sich elend, dass sie ein derartig sensibles Thema hervorgebracht hatte. „Mein Beileid…“, brachte sie kleinlaut hervor. „Danke.“, sagte er und starrte mit gefühlloser Miene auf die Straße. „Es war schon sehr lange her…Ich erinnere mich kaum an sie.“, fügte Chiaki wie beiläufig hinzu. Allerdings entging Maron nicht wie sich seine Schultern versteiften und seine Hand um das Lenkrad sich anspannte. Sein Gesicht konnte sie dank der Sonnenbrille nicht lesen. Maron wusste nicht, ob sie noch was sagen sollte, nachdem er für eine Weile nichts mehr sagte. Zu ihrer Überraschung sprach Chiaki weiter: „Bevor meine Mutter starb…waren sie, meine Vater und Nanako ziemlich enge Freunde. Irgendwann zu ihren Studienzeiten hatten sich meine Eltern ineinander verliebt und geheiratet. Und dann kam ich auf die Welt.“ Während er erzählte, blieb seine Miene regungslos hinter den dunklen Sonnenbrillengläsern. Insgeheim warf der Kaito Maron immer wieder ein paar Seitenblicke zu, um ihre Reaktion zu beobachten. Noch sah er Neugier in ihren Augen. „Schließlich wurde sie eines Abends getötet….und ich war anwesend.“ Wieder schaute er zu der Braunhaarigen rüber. Zu seinem Erstaunen starrte sie ihn nur ausdruckslos an. Ohne Mitleid in den Augen. Maron wusste nicht was sie fühlen, denken oder sagen sollte. Sie hatte alles erwarten. Alles. Nur nicht, dass er den Tod -den Mord- seiner Mutter mit eigenen Augen miterlebt hatte. „Mein Vater war ziemlich am Boden zerstört. Und Nanako war an seiner Seite, trauerte mit ihm. Tja…und ein Jahr später hatten sie geheiratet und Minami kam aus ihrer vorherigen Ehe dazu.“, erzählte Chiaki in einem ebenmäßigen Ton abschließend. Die Kamikaze-Diebin wünschte sich sein Gesichtsausdruck hinter der Sonnenbrille sehen zu können. Ihn richtig lesen zu können. Mit einem bedrückten Gefühl starrte sie auf ihren Schoß herab und zupfte nervös an ihrem Shirt. Sie fragte sich, wie viele Leute davon wussten. Ihr war das Thema Tod nicht neu, dennoch belastete es sie sehr. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. „Ich-…“, wollte sie ansetzen. „Also-…“ „Ist schon okay.“, unterbrach Chiaki sie kühl. „Nein, ist es nicht.“ „Doch, ist es.“, sagte er einfach und schob sich die Sonnenbrille die Nase hoch. Kurzes Schweigen herrschte zwischen ihnen, als Maron sie schließlich durchbrach. „Ich habe zwar nicht so einen großen Verlust wie du erlitten, aber auch ich habe jemand verloren, der wie Familie für mich war…“, sagte sie leise. Sie nahm kurz tief Luft und begann zu erzählen: „Ein guter Freund von mir… Zen hieß er. Er war wie ein kleiner Bruder für mich, obwohl wir fast gleich alt waren. Wie kannten uns aus der Nachbarschaft. E-Es ist schon drei Jahre her. Er erlag nach fünf Jahren Krankenhausaufenthalt seinem Herzleiden… Und ich war dabei, als es…als es aufhören wollte zu schlagen. Er bekam einen Anfall. Seine Eltern hatten in dem Moment ein Gespräch mit den zuständigen Arzt gehabt. Alles danach ging so schnell. Plötzlich stand ich mit seinen Eltern vor dem OP-Saal. Nach einigen Stunden kam der Arzt und die Krankenschwestern raus… und dann lag er da. So friedlich… wie als würde er schlafen.“ Maron warf Chiaki, der die Straße fixierte, einen kurzen Blick zu. „Ein Grund, weshalb ich in die medizinische Richtung gehen wollte. Um Menschen zu helfen.“, schloss sie ruhig ab. Überrascht zog der Blauhaarige seine Augenbraue hinter der Brille hoch. Er hatte nicht erwartet, dass sie ebenfalls mit einer tragischen Geschichte ankommen würde, nachdem er seine erzählt hat. „Mein Beileid.“, sagte er. „Ist schon okay.“, sagte sie ihm sanft lächelnd. *** Nachdem das Auto vor dem Restaurant geparkt war, Chiaki seine Sonnenbrille auf das Armaturenbrett warf und beide ausgestiegen waren, streckte er Maron die Hand aus. Zögernd platzierte sie ihre in seine. Kaum hatten sie sich ihre Hände berührt, spürte Maron wieder dieses angenehme Wärme durch ihren Körper fließen. Unbewusst verschränkte sie ihre Finger in seine. Im Restaurant beobachtete Maron Chiaki dabei, wie er die Wirtin um einen Tisch fragte. Es war erstaunlich, wie schnell sich die Wahrnehmung auf einen Menschen ändern kann. Der Chiaki, der vor ihr stand - war nicht mehr der Chiaki, den sie vor zwei Wochen kennengelernt hatte. Er war auch nicht mehr der Chiaki, der sie heute Morgen abgeholt hatte. Sie kannte den sarkastischen, distanzierten, unnahbaren Chiaki. Und sie hatte in den letzten Stunden einen Chiaki kennengelernt, der tief in seinem Inneren auch seine fürsorglichen, mitfühlenden Seiten hatte. Seiten, die ihn menschlich machten. Ehe Maron sich versah, standen sie vor einem Tisch am Fenster. „Ich gehe mal kurz auf Toilette. Setz dich ruhig schon mal hin und such dir was aus.“, sagte Chiaki und verschwand aus ihrem Blickfeld. Die junge Frau nahm wie ihr geheißen Platz und blätterte durch das Menu. Sie wollte etwas zutrinken bestellen und blickte sich nach einem Kellner um. Sie stoppte mitten in der Bewegung als sie jemand in der hintersten Ecke des Restaurants sitzen sah. Jemand bestimmtes. Jemand den sie sofort wiedererkannte. Mit einem Schlag verlor ihr Gesicht an Farbe. Es war unverwechselbar. Die große Statur. Die langen roten Haare, die unter einer Baseball-Kappe verdeckt waren. Die dunklen Augen, die direkt in ihre Richtung starrten. Was macht er hier?! Nein, nein, nein, nein! Er darf nicht hier sein!, ging es Maron panisch durch den Kopf. Sie drehte sich zur Seite und suchte in ihre Tasche nach ihrem Handy. Als ihr Telefon fand und wieder aufblickte, war er weg. Verwirrt schaute sie sich in alle Richtungen um. Er war weg! Was zu Teufel…?! Die Braunhaarige wollte Miyako gerade kontaktieren als eine fremde Stimme sie zusammenzucken ließ. „Wie fühlt es sich an, die schönste Frau im Raum zu sein.“ Ein junger Mann mit aschbraunem Haar stand vor ihr. Unter Umständen war er süß. „Was dagegen wenn ich mich dazu setze?“, fragte er, während er sich auf den Stuhl ihr gegenüber Platz nahm, ohne auf ihre Antwort zu warten. Maron’s Augen verengten sich argwöhnisch. „Eigentlich bin ich mit jemanden hier.“, sagte sie ihm und fragte sich stark, wo dieser besagte jemand war. „Ah…Dein Freund?“ Sie hielt kurz inne, ehe sie antwortete: „Ein guter Freund.“ Der Fremde grinste breit. „Dann ist er ein ziemlicher Narr.“ „Was?“ „Wenn er nur ein guter Freund ist, dann ist er ein ziemlicher Narr. Ich denke nicht, dass ich es aushalten kann bei dir nur ein guter Freund zu sein. Ich bin übrigens Ren.“ Innerlich verzog Maron das Gesicht. Was denkt der Typ, wer er ist? „Nun, Ren. Ich sehe darin kein Problem.“ „Nicht? Wieso?“ „Weil du jetzt gehst.“, hört Maron Chiaki auf einmal hinter sich sagen. Sie drehte sich leicht um und schaute auf. Seine braunen Augen waren mit einem kalten Blick auf Ren gerichtet. Dieser stand auf, holte einen Stift aus seiner Jackeninnentasche und schrieb etwas auf einer Serviette auf. „Falls du genug von deinen Freunden hast, hier ist meine Nummer.“ Mit den Worten schob er Maron die Serviette über den Tisch. Chiaki griff es sich schnell. Ren stierte ihn verärgert an. „Sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.“ „Natürlich kann sie das.“, sagte der Medizinstudent und schenkte ihm ein kaltes Lächeln. Maron wusste nicht genau, was als nächstes passierte. Chiaki ging so auf Ren zu, dass sie nur noch seinen Hinterkopf im Blick hatte. Die beiden Männer sahen sich kurz in die Augen und im nächsten Augenblick war Ren’s selbstsichere Erscheinung verschwunden. Mit einem nervösen Gesichtsausdruck ging er schließlich. Maron schaute ihm kurz hinterher. Sie war zwar mehr als erleichtert, dass Chiaki wieder da war, aber irgendetwas war faul gewesen. Ren wirkte wie als hätte er einem blutdurstigen Löwen ins Auge geblickt. „Was hast du mit ihm gemacht?“, wollte sie von ihren Kommilitonen wissen, der sich mit einem zufriedenen Lächeln in den leeren Sitz begab. Ihre Augen beobachteten ihn skeptisch. „Habe ihm nur signalisiert, dass er sich nicht an mein Mädchen ranmachen darf.“, antwortete er unschuldig und studierte die Karte. „Ich bin nicht dein Mädchen.“ Im selben Moment kam der Kellner und nahm ihre Bestellung auf. Zehn Minuten später kam er mit ihrem Essen und Getränken wieder.   „Wie ist es eigentlich alleine zu leben?“, fragte Chiaki nach wenigen Minuten unerwartet und nahm einen Bissen von seinem Gratin. Maron verstand nicht ganz. „Was meinst du? Du lebst doch auch alleine.“ „Nein, ich meine ohne Eltern. Wenn sie am anderen Ende der Welt leben.“ „Ah…Ganz okay, schätze ich.“, zuckte sie mit den Schulter. „Ich meine, ich bin neunzehn Jahre mit ihnen aufgewachsen. Da ist es nun Zeit selbstständig zu werden…und irgendwann werden sie nach Japan wiederkommen.“ Der Blauhaarige nickte verstehend. „Außerdem bin ich nicht allein allein. Sie rufen mich jeden zweiten Tag an, wir halten regelmäßig Kontakt und ich habe ja meine Freunde um mich rum.“ „Und mich.“, ergänzte Chiaki grinsend. Sein Gegenüber verdrehte schmunzelnd die Augen und nahm einen Biss von ihren Nudeln. „Darf ich dich was fragen?“, kam es von Maron nach einigen Sekunden. Erwartungsvoll schaute ihr Gegenüber sie an. „Du magst deine Mutter-…eh, ich meine, Nanako nicht wirklich, oder?“, fragte sie vorsichtig. „Wie kommst du darauf?“, kam es als Gegenfrage. „Immer wenn du mit ihr redest, sprichst du in dieser kühlen Tonlage.“ Chiaki hob hochachtungsvoll die Augenbraue. „Ausgezeichnete Beobachtungsgabe.“ Er lachte kurz auf, bevor er auf ihre Frage schulterzuckend einging: „Sagen wir es so…Ich habe sehr lange gebraucht sie als Mutter zu akzeptieren. Und ich weiß, dass tief in seinem Inneren, mein Vater sie nicht liebt.“ „Oh…Aber Minami hast du direkt akzeptiert? Mit ihr scheinst du dich ja zu verstehen.“ „Sie war gerade Mal drei als unsere Eltern geheiratet haben. Da war die Familienannäherung einfacher.“ „Warte- Sie ist gerade mal in der Oberstufe?“, kam es Maron überrascht. „Ja.“, kam es von Chiaki wie selbstverständlich. „Und da bringst du sie zu einer Studentenparty mit?“ „Sie wollte mit ihren Freundinnen dahin. Und es ist nichts Schlimmes passiert.“ Abgesehen davon, dass ein Dämon fast die Party gesprengt hat…!, dachten sich Beide im Stillen. „Was für ein vorbildlicher großer Bruder du bist…“, sagte Maron sarkastisch. In der nächsten Sekunde versank sie in Gedanken, stocherte in ihrem Essen und schaute sich unsicher im Restaurant um. Hatte sie sich ihn doch nur eingebildet oder hatte sie ihn wirklich gesehen? Maron musste später dringend mit Miyako reden. Chiaki bemerkte ihre innere Unruhe. „Alles okay?“, fragte er besorgt. „J-Ja…“, stotterte sie und riss sich wieder in die Gegenwart zurück. „Ehm…hast du eigentlich vor irgendwas Angst?“, versuchte sie das Thema zu wechseln. Wieder hob Chiaki die Augenbraue. „Ziemlich spontane Frage.“ Maron zuckte mit den Achseln und schaute ihn erwartungsvoll sowie interessiert an. „Du wirkst wie jemand, der sich nicht mal vor dem Tod fürchtet.“, gab sie offen zu. „Wirklich…?“ Chiaki stützte seinen Kopf mit der Hand ab und schaute aus dem Fenster. Es dauerte eine Weile bis er ihr antwortete: „Ich habe Angst davor… ein Fake zu sein. Eine leere Hülle.“, sagte er in einer monotonen Stimmlage und schaute mit ausdruckslosen Augen weiterhin nach draußen. „Es gibt nichts, was ich wirklich will und es gibt nichts wofür ich wirklich lebe. Ich bin ein Schauspieler in meinem eigenen Leben.“ Der 20-jährige ließ seinen Blick wieder zu Maron rüber wandern. Wiedermal wusste sie nicht, was sie sagen sollte. „Das ist sehr…tiefgründig.“, brachte sie nur entgegen. „Da wir jetzt auf die tiefgründige Ebene gehen… wovor hast du Angst?“, warf Chiaki ihre Frage auf sie zurück, worauf sie zunächst unbeholfen sich durch die Haare fuhr. „Ich habe Angst davor… den falschen Leuten zu vertrauen.“ Maron atmete tief ein und wieder aus. „Ich habe Angst davor, dass man mich nur ausnutzt und hintergeht….Und ich am Ende verletzt werde.“, antwortete die Diebin ihm und schaute ihm ernst in die Augen. Ihr Gegenüber erwiderte ihren Blick. „Hm…Vertraust du mir schon so weit, dass du mir sowas anvertraust?“ Ein geheimnisvolles Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. „Das frage ich mich auch.“ Seine Begleiterin schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln. Nach einer gewissen Zeit riefen die Beiden nach der Rechnung, die der Kellner ihnen auf den Tisch legte. Maron schob den Beleg zu sich hin und suchte im ihrem Portemonnaie nach dem passenden Betrag. Horror breitete sich in Chiaki’s Gesicht aus. „Was machst du da?“, wollte er von ihr wissen. „Siehst du doch. Für mein Essen bezahlen.“ „Verstehe ich nicht.“ „Essen kostet Geld.“ „Schön. Das erklärt aber nicht warum du denkst, dass du es bezahlen musst.“ „Weil ich mein eigenes Essen bezahlen kann und ich zufällig Bargeld habe.“ „Und ich habe zufällig eine Kreditkarte.“ „Chiaki-…“ „Du hast übrigens was…da rechts.“, sagte er und deutete mit dem Finger auf seine untere Wangenhälfte. „Was?! Wo? Da?“ Maron schnappte sich panisch eine Serviette und rieb sich an der vermeintlich besagten Stelle. Chiaki schüttelte belustigt den Kopf. „Immer noch da. Komm ich mach.“ Er reichte mit seiner Hand über den Tisch und fuhr ihr mit dem Finger über die Wange. Unbewusst hatte Maron ihre Augen geschlossen und den Atem angehalten. Ihr war die Sache mehr als peinlich. Und dabei hatte sie schon aufgepasst, anständig wie möglich zu essen! „D-Danke. Ich bin ziemlich unkultiviert.“, versuchte sie ihre Verlegenheit zu verdecken. „Dann muss ich dir Kultiviertheit wohl beibringen.“, sagte Chiaki und dann merkte Maron, dass die Rechnung vor ihr weg war. Ein Blick auf ihr verschmitzt grinsendes Gegenüber sagte schon alles. Ebenso kam der Kellner mit seiner Kreditkarte wieder und wünschte den beiden einen schönen Tag. „Wusstest du, dass man mich vor dir gewarnt hatte?“, sagte Maron ihm trocken. Chiaki schenkte ihr ein schiefes Lächeln, welches ihr Herz höher schlagen ließ. „Und dennoch bist du heute mit mir hier.“ *** Letztlich führte der Blauhaarige sie zu einer hochgelegenen Klippe mit Aussichtsplattform, welches einen atemberaubenden Blick aufs Meer spendierte. Die Sonne ging allmählich unter und verfärbte den Himmel in ein harmonisches Orange-Rosa. „Ich dachte, du hättest noch was extravaganteres geplant, wie eine Kunstausstellung oder ein Sea-Life-Besuch.“, gestand Maron, lehnte sich gleichzeitig ans Geländer an und genoss den Ausblick. Sie liebte die frische Meeresluft. „Simple is the best.“, sagte Chiaki ihr nur, steckte die Hände entspannt in die Hosentasche und starrte ebenfalls aufs offene Meer. Nach einigen Minuten drehte Maron sich zu ihm um. „Warum? Warum eigentlich ich? Und sag mir nicht sowas wie ‚weil ich dein Mädchen‘ bin! Ich möchte eine vernünftige, rationale Erklärung.“ Ein Seufzen entkam seiner Kehle. „Eine vernünftige, rationale Erklärung? Da überfragst du mich.“, sagte Chiaki ohne sein Blick vom Meer abzuwenden. Die Braunhaarige hob wartend die Augenbraue. Dann fing er an zu reden: „Nachdem wir das erste Mal miteinander geredet hatten… Keine Ahnung. Ich wollte mehr über dich dann wissen. Und da habe ich deine Freunde gefragt-…“ „Warte! Welche Freunde?“ Maron zog kritisch die Brauen zusammen. Chiaki drehte sich mit einem tiefen Seufzen zu ihr um und fuhr sich durch die Haare. „Miyako und ihr Freund.“ Verwirrung spiegelte sich in ihrem Gesicht. „Miyako hast du doch erst heute kennen-….“, dann kam ihr der Geistesblitz. „Moment-… Von ihr hast du meine Nummer!“ Entsetzt verschränkte sie die Arme vor der Brust. Bestätigend nickte Chiaki mit dem Kopf. „Bevor du irgendetwas Falsches verstehst…Miyako wollte dir nicht irgendwie in den Rücken fallen, oder so. Das geht alles auf meine Kappe. Du hattest schnell klar gemacht, dass du nicht mit mir reden wolltest und ich-…“ „Was hat Miyako dir alles über mich erzählt?“, unterbrach Maron ihn. „Nichts! Ich schwöre. Sie hat mir nur ein-zwei Tipps gegeben hinsichtlich deiner Person und sonst nichts! Sonst hätte es mich beispielsweise nicht überrascht, dass deine Eltern im Ausland sind.“ Er hielt inne und schaute ihr direkt in die Augen. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte, okay? Ich musste dich kennenlernen.“ Bevor Maron wieder „Warum?“ fragen konnte, sprach Chiaki weiter: „Ich wusste nicht, wie ich an dich rankommen konnte…dein Vertrauen gewinnen konnte. Nachdem du noch sagtest, dass du Sachen über mich gehört hattest… Du hattest direkt abgeblockt! Und-… Keine Ahnung! Ich wollte dich unbedingt näher kennenlernen und da habe ich deine Freunde gefragt. Natürlich, musste ich mir für drei Stunden ein sehr intensives Verhör bei deiner Freundin ergehen lassen, damit sie sich 100-prozentig sicher sein konnte, dass ich dir nichts Böses will.“ Er stoppte sich kurz und lächelte sie an. „Übrigens, du kannst froh sein so eine Freundin wie sie zu haben. Das ist das einzige Vernünftige, was ich dir sagen kann!“ Maron schaute ihn mit großen Augen sprachlos an. Sie wusste nicht wieso, aber sie glaubte ihm. Und sie war nicht einmal sauer auf ihre beste Freundin. „Und auf der Party letztens, wie du in dem Seidenkleid da saßt und wahrhaftig wie ein Engel Gottes aussahst. Ich dachte mir nur ‚Verdammt‘! Mina hatte mich die ganze Zeit aufgezogen, weshalb ich so launisch war. Also erzählte ich von dir und als sie dich sah, war für sie alles klar. Und ehe ich mich versah…warst du wieder weg. Eigentlich weiß ich immer noch nicht, was ich hier tue. Ich versuche es selbst noch zu verstehen. Aber glaube mir, dass ich dich nicht hintergehen will, oder so.“ Ein leichter Wind wehte an ihnen vorbei und spielte mit ihren Haaren. Maron ging seine Worte durch den Kopf durch. „Ich glaube dir.“, sagte sie ihm ehrlich und ruhig. „Nun muss du dich aber noch mehr anstrengen, mein Vertrauen zu erkämpfen.“, fügte sie hinzu und gab ihm ein herausforderndes Lächeln. Erleichterung spiegelte sich in Chiaki’s Augen wider, er ging einen Schritt aus sie zu und erwiderte ihr Lächeln ebenso herausfordernd. „Ich werde mein Bestes geben.“   Es dauert nicht lange bis sie wieder vor dem Orléans standen. Kaum hatte Chiaki das Auto geparkt, sprang er aus dem Wagen raus, ging mit schnellen Schritten zur Beifahrertür und öffnete sie. Maron warf ihm einen irritierten Blick zu, doch bevor sie was sagen konnte, fiel er ihr ins Wort. „Ich mache das gerne für dich. Also bitte denk daran, damit ich nicht jedes Mal zu dir sprinten muss.“ Zaghaft nickte sie mit dem Kopf. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, als sie ausstieg und Chiaki sie händchenhaltend zu ihrer Wohnungstür begleitete. Und dann standen sie da. „Ich hole dich Montag früh ab.“, kündigte der Blauhaarige an, während er Maron liebevoll eine Strähne hinter das Ohr fixierte. Sie gewöhnte sich allmählich an das schöne Gefühl seiner Berührungen. „A-Aber machst du nicht den extremen Umweg?“, wendete sie ein. „Und?“ „Und ich fahre sowieso mit Miyako zur Uni.“ „Und?“ „Und waru-…“ Chiaki legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Frag nicht. Frag mich nicht ‚warum‘. Das nervt langsam. Ich will einfach. Nichts weiter. Also lass mich das machen.“ Gerade wurde Maron bewusst, dass Chiaki’s Gesicht ihrem sehr nah war. Sehr, sehr nah. „Dann wird man wirklich denken, dass wir zusammen wären.“ „Lass die Leute denken.“ Ein Grinsen bildete sich um seine Lippen. „Ich will, dass man das denkt.“ Er strich ihr eine weiter Strähne aus dem Gesicht. Maron’s Verstand setzte komplett aus. „Also, bis Montag um acht.“ Chiaki ließ von ihrer Hand los und ging zurück zum Fahrstuhl.   Mit hochrotem Kopf ging die Studentin in ihre Wohnung rein und ließ sich die Tür herunterrutschen. Nach einigen Augenblicken ging sie ins Wohnzimmer und schnappte sich das Telefon. Sie hatte noch einen wichtigen Anruf zu tätigen. „Maron! Schon zurück? Und wie war’s?“, nahm Miyako’s gutgelaunte Stimme ab, die gleichzeitig was zu essen schien. „Du bist mir einige Erklärungen schuldig.“, konterte die Angesprochene direkt. Ein Schlucken war am anderen Ende zu hören. „Ja, ja. Ich spreche mich schuldig. Hattest du Spaß gehabt?“ „Ich kann nicht glauben, dass du mir sowas antust.“, sagte Maron vorwurfsvoll. „Hattest. Du. Spaß. Gehabt?“ „Lenk. Nicht. Vom. Thema. Ab!“ Miyako fing an zu lachen. „Ich mag ihn.“ „Das hört Yamato bestimmt gerne.“ „Yamato kann ihn auch gut leiden. Chiaki ist kein schlechter Kerl.“ Innerlich stimmte Maron ihr zu, wollte es aber nicht zugeben. „Andere denken dabei anders.“ „Dann denken andere falsch.“ „Erklär mir mal, wie ihr euch kennengelernt habt. Und wehe, du lässt was aus.“, verlangte die Braunhaarige von ihrer Nachbarin. „Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Er ist mir und Yamato in der Bibliothek begegnet und anscheinend hatte er uns drei -mit Touya vier- schon des Öfteren abhängen sehen. Und dann sind wir ins Gespräch gekommen.“ „Über mich?“ „Am Anfang. Schließlich muss ich sicherstellen, dass dir nicht dasselbe passiert wie-…“ Miyako stoppte sich einen Moment. „Du weißt schon. Aber sonst reden wir über alles Mögliche, wie Gott und die Welt, wenn wir uns mal begegnen. Und da wirst du nicht einmal erwähnt.“ Maron atmete hörbar in den Hörer ein und aus. „Na gut… damit du es weißt, ich bin nicht sauer auf dich. Ich war nur sehr…überstürzt gewesen.“ „Ja…ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du Überreagieren könntest.“ „Hmmm…“ Maron fing an nervös mit ihren Haaren zu spielen. Schließlich gab es einen anderen Grund, weshalb sie ihre beste Freundin hauptsächlich anrufen wollte. „Maron? Ist irgendwas?“, fragte Miyako besorgt, nachdem für eine Weile Stille in der Leitung herrschte. „Ich glaube…“, setzte die Angesprochene an, „Ich habe ihn gesehen…!“ Mit einem Schlag wurde die Stimme ihrer Freundin ernst. Sie verstand sofort von wem Maron sprach. „Wo? Wo hast du ihn gesehen?“ „Im Restaurant, wo Chiaki mich ausgeführt hatte.“ „Unmöglich. Er sollte doch in Frankreich sein. Vor einem Jahr hatte er doch Japan verlassen! Und sollte in naher Zukunft auch nicht wieder zurückkehren.“ „Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, denn in der nächsten Sekunde war er verschwunden.“, versuchte Maron sich zu beruhigen. Vergebens. „Aber die letzten Tage fühle ich mich schon so, wie als werde ich verfolgt.“ „Okay…Bevor wir irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehen, sollten wir mit meinem Vater reden.“, schlug Miyako vor „Okay.“ „Wenn du wieder irgendwas Verdächtiges beobachtest, dann gib mir sofort Bescheid.“ „Werde ich machen. Oh, übrigens…“, Maron fiel wieder ein, was Chiaki ihr vor wenigen Minuten an der Tür gesagt hat. „Du brauchst mich am Montag nicht zu fahren.“ „Ich weiß Bescheid. Habe gerade eine SMS von deinem Lover bekommen.“, kicherte Miyako in den Hörer hinein. „Er ist nicht mein Lover!“, sagte Maron. Ihre Freundin kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen. „Ich wünsche mir jetzt, ihr hättet euch nie kennengelernt. Gute Nacht.“, verdrehte die Braunhaarige mit den Augen und legte auf. Im selben Moment kam Fin durch das Fenster reingeflogen. „Maron! Bin ich froh! Du bist alleine zu Hause! Ich hatte schon Angst, ich müsste draußen übernachten, oder so, weil du Männerbesuch hättest.“ Die Diebin schaute ihren Engel entgeistert an. „So denkst du über mich schon?“ „Hätte ja sein können…Man weiß ja nie! Und wie war’s?“ Ohne auf die Frage einzugehen, ging Maron ins Schlafzimmer und knallte die Tür zu.   Chapter 7: Blooming ------------------- Chapter 7: Blooming   „Du bist spät dran.“, sagte Fin ihrem Schützling, die sich in Blitzgeschwindigkeit anzog und gleichzeitig die Zähne putzte. In zehn Minuten würde Chiaki kommen und sie abholen. „Und wessen Schuld ist das wohl?“, entgegnete Maron gereizt. „Hey, was kann ich dafür, dass so spät in der Nacht noch ein Dämon auftauchen würde und du deinen Wecker nicht stellst!“ Genervt stöhnte die Studentin auf und packte ihre Sachen. Unwillkürlich ließ sie den gestrigen Tag Revue passieren. Den ganzen Sonntag hatte Maron produktiv an ihrer Hausarbeit gearbeitet und erfolgreich ein paar sinnvolle Seiten zusammengetragen. Gelegentlich musste sie an Chiaki und ihre gemeinsame Zeit am Vortag denken, was ihr unbemerkt ein verlegenes Lächeln ins Gesicht zauberte. In einer Pause hatte sie auch ihren Lieblingsmoment vom Samstag in ihrem Skizzenbuch festgehalten. Letztlich war Maron am späten Abend sogar kurz davor schlafen zu gehen, als Fin plötzlich Alarm schlug und sie zur Dämonenjagd aufrief. Den Besessenen ausfindig zu machen und den Dämonen zu bannen ging schnell. Wie üblich verzögerte das zwischenzeitliche Auftreten von Sindbad die Jagd jedoch. Jeanne wusste für eine Millisekunde nicht, wie sie auf ihn reagieren sollte, als er auftauchte. Zwar war sie sauer darüber, dass er sie bei ihrem letzten Einsatz gegen Yashiro außer Gefecht gesetzt und sich den Dämon geschnappt hatte. Allerdings ließ sie das Bild nicht los, wie er ihr ziviles Ich -Maron- vor der besessenen Studentin gerettet hatte. Ebenso wenig, wie der fürsorgliche Blick, den er Maron gab. Bei der Erinnerung sprang ihr Herz kurz auf. Die Kamikaze-Diebin war in dem Moment so in Erinnerungen versunken, dass sie nicht bemerkte wie erstarrt sie dastand. Sindbad ging neugierig auf sie zu, nachdem sie nicht auf seine spöttischen Sprüche reagiert hatte. „Hat ein Blitz auf dich eingeschlagen, oder was ist los?“ Seine blauen Augen musterten die blonde Schönheit eindringlich. Stark blinzelnd bemerkte Jeanne schließlich, dass ihr Rivale sehr nah bei ihr stand. Etwas zu nah. Aus Reflex ohrfeigte sie ihm kräftig eine. „Komm mir nicht in die Quere, du lausiger Teufelslakai!“, zickte Jeanne ihn an und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. In Nullkommanichts war der Dämon schließlich gebannt. „Ich habe ziemlich gute Laune, also gönne ich dir den Sieg, Jeanne.“, sagte Sindbad ehrlich, rieb sich noch die gerötete Wange und verschwand anschließend mit einem gutgelaunten Lächeln in die Nacht hinein. Wieder klopfte ihr Herz laut auf. Nanu…?! Irritiert schüttelte Jeanne wild den Kopf, ehe sie sich nach Hause begab. Da war es bereits nach Mitternacht. Ermüdet warf sie sich aufs Bett und vergaß den Wecker zu stellen. Wieso bekomme ich bei dem Typen Herzklopfen?!, ging es Maron verwirrt durch den Kopf, Mein Körper muss verrücktspielen! Schließlich habe ich doch schon-… Ihre Gedanken hielten kurz inne. Habe ich Chiaki…?, fragte sie sich. Zurück in der Gegenwart, warf sie sich ihre gepackte Tasche über die Schulter, winkte Fin zum Abschied knapp zu und öffnete mit einem kräftigen Schwung ihre Tür. Es überraschte Maron nicht, dass Chiaki -mit dem Rücken am Geländer angelehnt- bereits auf sie wartete. „Morgen.“, begrüßte er sie, die Stimme warm und sanft. „Morgen.“, begrüßte sie ihn schüchtern zurück und lächelte. Gemeinsam begaben sie sich zum Fahrstuhl und zu seinem Auto.   „Ich fühle mich echt nicht wohl dabei.“, sagte Maron als sie fast das Uni-Gelände erreicht haben. „Wobei?“, fragte Chiaki zurück. „Dass du mich fährst.“ Halblächelnd schüttelte er daraufhin den Kopf. „Ich sagte dir schon, ich will das machen.“ „Das macht das Gefühl nicht besser.“ Unterdessen hatte Chiaki seinen Wagen geparkt und drehte seinen Kopf in Maron’s Richtung. Sie starrte leicht angespannt aus der Windschutzscheibe raus. „Hey…Ich bin bei dir. Den ganzen Tag.“, sagte er und meinte es auch so. Maron wusste nicht wieso, aber seine Worte munterten sie auf und sie fühlte sich besser. Sie ließ ihre angespannten Schultern wieder sinken. „Okay.“ Damit war die Diskussion beendet und sie stiegen aus. Wie sonst auch, öffnete Chiaki Maron die Tür. Hand-in-Hand begleitete er sie zusätzlich zu ihrem Zimmer. Die Erstsemesterin wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte. Bei jeder Studentin, die sie passierten, konnte sie förmlich die mörderischen Blicke auf sich spüren. Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe. Ihr blauhaariger Begleiter hingegen wirkte zufrieden und… glücklich? „Dir scheint die Aufmerksamkeit sehr zu gefallen.“, merkte die junge Frau trocken an. „Nur wenn du bei mir bist.“, sagte Chiaki und fügte hinzu, „Ich mag es bei dir zu sein. Und ich mag es, dass jeder uns zusammen sieht.“ Um seiner Aussage eins draufzusetzen, legte er einem Arm um ihre Schulter und zog sie enger an sich. Bei der Geste lief Maron mehr als rosa an. Diese kribbelnde Wärme durchströmte wieder ihren Körper und mit einem Mal war ihre innere Unruhe wie weggeblasen. Vor dem Vorlesungssaal angekommen, kam ihnen Touya entgegen. „Hey.“, begrüßte Chiaki seinen ehemaligen Schulkameraden. „Hi.“, kam es von ihm kühl zurück, musterte seine beiden Kommilitonen mit zusammengezogenen Augenbrauen skeptisch und ging rein. Der Blauhaarige ignorierte seine Reaktion und wandte sich wieder an seine Begleitung. „Willst du, dass ich mit reinkomme?“, fragte er sanft. Diese schüttelt den Kopf. „Ich komme schon klar. Du hast selbst Verlesungen zu besuchen.“ Chiaki musste leicht grinsen. „Wir sehen uns dann?“ „Ja…“, antwortete Maron ihm lächelnd und begab sich schließlich in die Vorlesung. Die Professorin war noch nicht da. Touya hatte ihr mit seinem Rucksack einen Platz freigehalten, auf denen sie sich niederließ. „Scheint ja einiges passiert zu sein, seitdem wir uns das letzte Mal sahen.“, sagte er ohne seiner Sitznachbarin eines Blickes zu würdigen. „Das letztes Mal als wir uns sahen, hast du geschlafen, schwelgtest in deinen eigenen Problemen und hast keine fünf Worte mit mir gewechselt.“, brachte Maron ihm entgegen. „Dem kann ich nichts entgegenbringen.“ „Die Probleme im Paradies sind vorüber?“, erkundigte sie sich bei ihm interessiert. „Nicht wirklich…“, brummte Touya. „Was ist los?“ „Eltern.“, setzte der Rothaarige seufzend an. „Yusuke’s Eltern sind ziemlich konservativ… Und er hatte selbst sich noch nicht richtig geoutet bei ihnen. Und da gab’s viel Diskussionsstoff.“ „Oh.“ „Abgesehen davon ist eigentlich alles gut.“ „Das wird schon.“, munterte Maron ihren tätowierten Freund auf. „Hmm. Genug zu mir. Jetzt zu dir.“, drehte Touya den Spieß um. Noch immer hatte er ihr keines Blickes gewürdigt. „Was? Ich habe nichts zu erzählen.“ „Tu nicht so unschuldig. Du hältst mit dem heißesten Typen der Stadt Händchen und angeblich gibt es mysteriöses Skizzenbuch mit intimen Porno-Zeichnungen?? Von wegen, du hast nichts zu erzählen.“ Maron beugte sich leicht zu ihrem Sitznachbar vor und wisperte: „Es gibt kein Porno-Skizzenbuch. Das war nur ein Trick, um Yashiro eins auszuwischen.“ Überrascht schaute der Touya sie (endlich) an. „Das heißt, die ganzen Geschichten, dass ihr zusammen seid, sind auch nur Schwindel?“ Seine Sitznachbarin biss sich zögernd auf die Lippe. „Nicht wirklich.“, gab sie zu. Maron war sich nicht sicher, wie sie die Situation zwischen ihr und Chiaki richtig erklären sollte. Und ob sie es überhaupt jemanden erklären wollte. Von Miyako (und die meisten anderen) wurden sie bereits als Paar abgestempelt, doch für Maron selbst war alles immer noch unklar. Touya drehte sich mit einem verstehenden Nicken wieder nach vorne. „Sag Bescheid, wenn du mich aufklären willst.“ Ehe die junge Studentin was sagen konnte, kamen Yashiro und Makoto rein. „Wie lange das wohl halten wird. Was wettest du?“, fragte die Türkishaarige ihren Begleiter und stellte sich provokativ neben Maron’s Platz hin. Mit einer Hand warf sie ihre Haar nach hinten, die andere war an ihrer Hüfte gestemmt und hielt ihr neues Handy. „Eine Woche. Wenn sie sich anstrengt, vielleicht ein paar mehr.“, antwortete Makoto ihr. „Eifersüchtig?“, fragte Maron ruhig obwohl sie innerlich tobte. „Auf das was dich erwartet, sobald Chiaki mit dir fertig ist?“ Yashiro hatte ein arrogantes Grinsen aufgesetzt. „Als ob. Aber ich muss sagen, er ist großartig im Bett.“ Bei der Bemerkung spürte Maron ein stechendes Gefühl in ihrem Herzen, welches sich über die ganze Brust ausbreitete. Yashiro beugte sich zu ihr leicht runter und flüsterte gehässig: „Also, genieß die Zeit mit ihm.“ „Man, du hast dein ganzes Leben lang Zeit eine nervige Schlampe zu sein. Wie wärst wenn du heute mal eine Pause einlegst?“, kam es von Touya plötzlich und warf Yashiro einen scharfen Blick zu, die ein beleidigtes Gesicht zog. Maron hatte nicht erwartet, dass er sich für sie einsetzte, doch sie war froh darüber. Im selben Moment kam die Professorin und Yashiro verschwand stampfend in die hinterste Reihe. Besessen oder nicht… die Tussi ist einfach nur ätzend…, ging es der Kamikaze-Diebin zornig durch den Kopf. „Danke.“, flüsterte sie ihrem Sitznachbar knapp zu, der nur nickte. Die gesamte Vorlesung lange bekam Maron kein Wort von der Professorin mit. Ihre Gedanken kreisten ununterbrochen um Yashiro und Chiaki. Touya hatte erwähnt, dass sie mal zusammen waren. Aber das muss nicht automatisch heißen, dass sie-… Ungewollt spielte sich ein wildes Kopfkino mit allmöglichen Szenarien in ihrem Gehirn ab. Ihre Finger schlossen sich krampfhaft um ihren Stift. Nope! Nein! Nein!! Ich will es nicht wissen! Ein Teil von ihr wollte es allerdings wissen. *** „Wow…Ich glaube, ich müsste dir einen persönlichen Bodyguard beschaffen.“, kommentierte Touya zu Maron, während sie ihre Sachen packte. Immer wieder liefen Kommilitoninnen vorbei und warfen der Braunhaarigen mehr als auffällig tödliche Blicke zu. „Wie lange es wohl dauern wird, bis die ersten Morddrohungen kommen und die Krallen ausgefahren werden…“ „Total kindisch!“, murmelte Maron genervt. „Chiaki benimmt sich bei dir auch merkwürdig.“, merkte ihr rothaariger Kommilitone an. Maron schaute fragend zu ihm hoch. „Er benimmt sich, wie als wäre er dein Freund. Sowas macht er nie. Soweit ich es beobachtet habe, hat er auch nie mit jemand Händchen gehalten.“, erklärte Touya. „Es gibt für alles ein erstes Mal.“ „Auf jeden Fall ist es keine Wunder, dass die Mädels sich wie abgenutzte Kondome fühlen.“ „Widerlich.“ „Das ist er.“ Maron ignorierte den letzten Satz. Chiaki wartete bereits vor der Tür auf sie. Touya machte einen großen Bogen um die Beiden, was der blauhaarige Medizinstudent jedoch nicht bemerkte. Auf dem Weg zu ihrer nächsten Einheit nahm Maron all ihren Mut zusammen, um das zu fragen, was ihr die letzten neunzig Minuten unter den Fingern brannte. „Du und Yashiro. Ihr gingt mal miteinander aus in der Oberstufe, oder?“ Kaum war die Frage ausgesprochen, verzog Chiaki angeekelt das Gesicht. „Ich würde nicht unbedingt das Wort ‚ausgehen‘ benutzen.“ Moment mal- … Der 19-jährigen fiel wieder ein, was Touya zu ihr mal gesagt hatte. „Chiaki datet nicht.“… Hatte er Recht? Wenn Chiaki mit Mädels nicht normal ausgeht…Dann-…? „Widerlich.“, sagte sie abwertend. „So schlimm war das nun auch nicht.“ Maron empfand das Bedürfnis ihren Kopf an die nächste Wand zu hauen. „Bitte, keine Details! Ich will nichts davon hören, Chiaki.“ Sie hob abwehrend eine Hand in seine Richtung. „Nun…Was willst du denn hören?“, fragte er mit hochgezogener Braue. „Dass sie unter ihren Luxusfimmel Fischschuppen versteckt.“ „Woher sollte ich das wissen.“ Überrascht drehte die Diebin sich zu ihm um, schaute ihn prüfend an. Will er damit meinen, dass…? „Also,…eh, was war dann zwischen euch?“, versuchte sie wie beiläufig zu fragen. Chiaki zuckte mit der Schulter. „In der Oberstufe kam irgendwie die Zeit, in der sie einfach an mir geklebt hatte und ich quälte mich solange damit ab, bis ich ihren abscheulichen Charakter nicht mehr aushalten konnte und mein Gehirn nicht mehr fähig war ihre Idiotensprache zu übersetzen.“ Nicht zu früh freuen!, ermahnte Maron sich. „Sie behauptet, du wärst großartig im Bett.“, sagte sie so gleichgültig wie möglich, blieb kurz an der Wand angelehnt stehen und nahm einen Schluck von ihrer Wasserflasche. Ihr Herz war schon dabei Freudensprünge zu machen, doch Maron versuchte ihre Coolness zu bewahren. „Das ist wahr.“, grinste Chiaki sie verschmitzt an. Die Studentin verkniff es sich ihm den Inhalt ihrer Flasche ins Gesicht zu spritzen. „Sie wüsste sowas aber nicht aus persönlicher Erfahrung.“, fügte er letztlich hinzu. Der Blauhaarige ging auf sie zu und drehte ihr Gesicht sanft in seine Richtung. „Ich sehe wohl nicht richtig.“, kam es von ihm ungläubig, zugleich amüsiert. „Was?“ Maron biss sich auf die Lippe und senkte ihren Kopf, sodass sie sein Gesicht nicht mehr sah. „Das ich das noch erlebe.“ „Was?“ „Du bist eifersüchtig.“ Maron konnte Chiaki förmlich Grinsen hören. „Nein.“, log sie. „Doch bist du. Ich würde dir je gerne versichern, dass du dich um nichts Sorgen machen musst, aber irgendwie gefällt mir das.“ „Ich bin nicht eifersüchtig.“ Der Student hob eine Augenbraue. „Warum beschäftigt dich das Thema dann?“, fragte Chiaki interessiert. Mit einem ernsten Gesichtsausdruck schaute er auf sie herab. „Tut es nicht! Sie ist einfach nur-…ätzend.“, sagte Maron, ihr Blick immer noch auf den Boden fixiert. „Warum erzählt sie überhaupt rum, dass sie mit dir geschlafen hat?“ „Weil ich nie aus dem Nähkästchen plaudere.“, antwortete Chiaki ihr und bückte sich leicht, um ein Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen. Daraufhin drehte sie sich stur zur Wand um. „Ist die Wand jetzt attraktiver als ich?“, hörte sie Chiaki leicht belustigt fragen. „Ach, halt die verdammte Klappe.“, entgegnete Maron genervt und drehte sich zur Seite, wand ihm dennoch den Rücken zu. „Also kann jede behaupten, sie hätte was auch immer für Sachen mit dir gemacht.“ „Verletzt das deine Gefühle?“, fragte er. „Ich habe keine Gefühle.“, sagte sie stur. Plötzlich spürte Maron Chiaki’s Hand auf ihre, die an der Wand gestützt war. Sie spürte, wie er sich ihrem Rücken näherte. „Küss mich.“, wisperte er plötzlich, die Stimme angenehm tief. „Was?!“ Sie drehte sich um und fand sich nur wenige Zentimeter entfernt vor ihm. Sofort stieg ihr die hitzige Röte ins Gesicht. „Du hast mich gehört.“, sagte Chiaki und schaute ihr tief in die Augen. „Ich küsse nicht.“, kam es von Maron bestimmt und schaute weg. Sie waren alleine im Gang. Ihr Gegenüber konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Echt?“ Die Braunhaarige musste schwer schlucken, zwang sich ihm in die Augen zu schauen und nickte. „Ja. Es ist einfach nur dämlich. Wenn jemand dir die Zunge in den Hals steckt. Und es ist eklig.“ Chiaki bewegte sich nicht von der Stelle. Er war Maron sehr nah. Sehr, sehr nah. Sie konnte ihr Herzschlag bis über beiden Ohren hören. „Hattest du zuvor viele Jungs geküsst?“, fragte Chiaki leise. Die Frage brachte Maron’s Gedankengänge für einen kurzen Augenblick wieder auf die normale Bahn. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Jungs? Das ist eine gewagte Annahme.“ Chiaki lachte leise, die Stimme verführerisch tief und rau. „Okay, da wir niemand diskriminieren wollen,… dann Mädels?“ „Nein.“ „Nein was? Nicht so viele Mädels geküsst? Oder nicht so viele Jungs?“ „Nichts von beiden.“ „Wie viele?“ Chiaki ließ nicht locker. „Warum-…“ „Ich lasse das Wort ab sofort aus deinem Wortschatz entfernen, sodass du es nie wieder benutzen darfst. Also, wie viele?“ Mit geröteten Wangen antwortete ihm Maron schließlich: „Einen.“ An dieser Stelle beugte sich Chiaki näher zu ihr runter. Ihr Herz war dabei zu explodieren. Maron schloss ihre Augen. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut sowie die angehauchte Berührung seiner Lippen an ihrem Ohr. Leise wisperte er: „Dann hatte er es falsch gemacht.”   Chiaki drückte seine Lippen sanft auf Maron’s Wange und verweilte für eine Weile da. Alles in ihr war in Flammen. Nachdem Maron wieder ihre Augen öffnete und ihr Herz-Atem-Rhythmus wieder in Normalzustand war, stand Chiaki mit einem Lächeln vor ihr. Sie blickte ihm in die Augen. Braune Augen, die sie liebevoll anstrahlten. Der Blickkontakt allein hatte was Intensives an sich. Etwas was Maron noch nie empfunden hatte. Mit dem Kopf nickte Chiaki in Richtung ihres Veranstaltungszimmers. Noch immer spürte sie den sanften Druck seiner weichen Lippen auf ihrer Wange. Die Braunhaarige schloss kurz ihre Augen, atmete tief durch und lief an ihm vorbei. „Wir sehen uns dann?“, sagte sie ihm als sie vor der Tür standen. Chiaki krauste leicht die Stirn. „Ich wollte eigentlich mit dir rein.“ „D-Du hast deine eigenen Vorlesungen.“ „Aber ich will bei dir bleiben.“ Maron fuhr sich mit geschlossenen Augen frustriert über die Stirn. Der Typ ist einfach nur unglaublich! „Willst du mich nicht dabei haben?“, fragte er. Sie öffnete wieder ihre Augen und sah ihren Kommilitonen, der einen geknickten Blick aufgesetzt hatte. Unglaublich und…verdammt süß…!, dachte sie sich. „Du bist sehr ablenkend.“, sagte Maron, was ihrer Ansicht auch der Wahrheit entsprach. „Ich werde dich nicht ablenken. Versprochen.“, sagte Chiaki, „Gib mir ein paar Wachsmalstifte und ich verziehe mich alleine in eine Ecke. Dann hast du neunzig Minuten lang Ruhe von mir.“ Der jungen Studentin fiel es schwer, darauf nicht zu Lächeln. Dies nutzte der Blauhaarige als Chance, um sich geschickt ins Zimmer zu manövrieren. Maron folgte ihm stumm in die hinterste Reihe. „Darf ich dein Skizzenbuch haben?“, hörte sie Chiaki unerwartet fragen, nachdem sie ihre Unterlagen aus der Tasche rausgeholt hatte. „Wozu?“, fragte Maron mehr als verdutzt. „Ich möchte es mir gerne angucken.“ „Ein Teil des Inhaltes kennst du doch schon…“ „Ich möchte aber den restlichen Teil sehen. Oder ist dir das zu privat?“ „Hm. Nein…“ Sie gab es ihm. So viel Vertrauen hatte sie in ihm. „Wenn du dich neunzig Minuten damit beschäftigen kannst und Ruhe gibst.“ Zu ihrem Erstaunen blieb ihr Sitznachbar die gesamte Vorlesungszeit wirklich ruhig und schaute sich schweigend -in seinem Stuhl zurückgelehnt- ihr Buch an. Alle paar Minuten hörte sie das leise Blättern der Seiten. Maron selbst konnte sich mit großen Interesse auf den Vortrag des Dozenten konzentrieren. Was sie nicht bemerkte, waren die heimlichen Blicke, die Chiaki ihr zuwarf und sie beobachtete. Er musterte ihr schönes Profil und beobachtete, wie ihre braunen Augen wissbegierig leuchteten. Chiaki bekam nicht genug von dem hübschen Mädchen. Je mehr Zeit er mit Maron verbrachte, desto mehr Zeit wollte er mit ihr zusätzlich verbringen. Auch wenn es ein ganzes Stück Arbeit für ihn jedes Mal war, sie zu etwas zu überreden. Aber das mochte er an ihr. Er mochte ihre sture Art. Er mochte die Herausforderung, die sie ihm gab. Das unterschied Maron auch von den anderen Mädchen, die er kannte. Das machte sie so anders. Das sowie dieses besondere Gefühl, welches sie ihm gab. Gefühle, die Chiaki noch nie empfunden hatte. Gefühle die ihn…lebendig machten. Wie nannte man dieses Gefühl…? Maron allein ließ sein Herz höher schlagen. Sie allein und sonst niemand. Obwohl… Das Bild einer schönen, blonden Kamikaze-Diebin blitze vor seinem inneren Auge auf und sein Herz machte einen Sprung.   Leicht irritiert schüttelte der Dieb den Kopf. Wieso musste ich jetzt an Jeanne denken…?, ging es ihm fragend durch den Kopf. Nach einigen Sekunden wandte er sich wieder Maron’s Skizzen zu. Gegen Ende der Vorlesung kam Chiaki schließlich an der aktuellsten Zeichnung an. Es war ein Portrait von ihm als sie am Samstag zusammen auf der Aufsichtsplattform standen und das Meer beobachtet hatten. Er bemerkte nicht, dass er eine Weile auf die Zeichnung starrte, als Maron’s Stimme ihn in die Gegenwart zurückbrachte. „Soooo schlimm sieht es auch nicht aus.“ Sie stand wartend vor ihm, der Raum war bereits leer. Chiaki ließ seinen Blick von dem Portrait ab und schaute zu ihr hoch. „Nein…Es ist perfekt.“, sagte er ehrlich. „Wirklich?“ „Wirklich.“ Maron streckte ihr Hand nach dem Buch aus, doch ehe Chiaki es ihr wiedergab, fragte er: „Darf ich es haben?“ Sein Gegenüber zog fragend die Augenbrauen zusammen. „Was?“ „Das Bild.“ „Oh…Klar.“, stimmte Maron ein. „Danke.“ Lächelnd entfernte er vorsichtig das Bild aus dem Buch und steckte es sich in sein Portemonnaie. Anschließend verließen die Beiden das Zimmer. „Wäre es zu viel verlangt nach einem Bild von dir zu fragen?“, fragte Chiaki. Überrascht weiteten sich Maron’s Augen. „Ein Selbstportrait?“ Als Antwort bekam sie ein nickendes Lächeln. „Eh…Ich habe seit Ewigkeiten keins mehr gemacht.“, sagte sie. „Dann wird es wohl mal wieder Zeit, oder?“ Maron zuckte nur mit den Schultern. „Mal gucken.“ Schweigend gingen die Studenten die Treppe herunter, als Chiaki auf einmal sagte: „Lass uns in der Cafeteria essen.“ „Okay.“, willigte Maron ein. „Es sei denn, du willst nich-…Warte, was?“ Verwirrt schaute er auf sie herab. „Wenn du dahin willst, gehen wir dahin.“, zuckte sie mit den Schultern. Chiaki zog eine Augenbraue hoch. „Das war einfacher als gedacht. Lag es am Wangenkuss heute? Wenn ich dich richtig geküsst hätte, würdest du zu allem Ja sagen, oder?“ Maron seufzte augenverdrehend. „Du gibst dir nicht gerade viel Mühe, damit ich dich hasse.“ „Ich will nicht, dass du mich hasst. Wohl eher gebe ich mir alle Mühe, damit du mich liebst.“, sagte Chiaki mit einem schiefen Lächeln ernst. Mit Erfolg…!, bestätigte die Braunhaarige im Stillen. „Jeder denkt sowieso schon, wir wären zusammen. Also sind wir zusammen.“, sagte sie schulterzuckend. „Willst du das auch?“, fragte der Blauhaarige prüfend nach, seine Stimme warm, den Blick nahezu liebevoll auf sie gerichtet. Als Antwort nahm sie seine Hand und verschränkte ihre Finger fest in seine. „Bekomme ich auch eine verbale Antwort?“, grinste Chiaki. „Ja.“, verdrehte Maron ihre Augen, „Ja, ich will auch mit dir zusammen sein.“ Sie konnte sich ein peinlich berührtes Lächeln nicht verkneifen. Ebenso konnte sie nicht glauben, dass sie die Worte wahrhaftig ausgesprochen hatte. „Gut. Sollen wir?“ Zusammen begaben die Beiden sich in die befüllte Cafeteria. Während Chiaki sie durch die Menge führte, dachte Maron über sich und ihn nach. Maron war sich bewusst, was die meisten Leute über Chiaki dachten und was sie automatisch über sie denken werden. Doch das war ihr egal. Sie wusste, dass er anders war als ihn die Gerüchte darstellten, als ihn sein Ruf darstellte. Maron kannte einen Chiaki, den die Außenwelt wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekam. Und das reichte ihr. Es reichte ihr den Chiaki -den sie kannte- an ihrer Seite zu haben. Mehr brauchte sie nicht. Eine winkende Person riss sie aus den Gedanken. Es war Miyako, die mit Yamato, Touya, Yusuke und ein paar wenige andere Studenten (die Maron nicht kannte) an einem runden Tisch saßen. Die Kurzhaarige stand auf und begrüßte ihre Freundin mit einer Umarmung. „Scheint wohl jetzt richtig offiziell bei euch zu sein.“, flüsterte Miyako Maron ins Ohr. „Sei einfach ruhig.“, flüsterte diese zurück. Das neue Paar nahm auf den freien Sitzen zwischen Miyako und Touya Platz. Nach kurzer Zeit waren ihr Freund, ihre besten Freundin und deren Freund in ein intensives Dreiergespräch vertieft, während Maron sich ausgelassen mit Touya und den anderen Kommilitonen unterhielt. „Übrigens, du hast einiges bei mir aufzuklären.“, flüsterte der Rothaarige ihr zu, warf einen kurzen, skeptischen Blick auf Chiaki und nahm ein Bissen von seinem Burger. Seine braunhaarige Sitznachbarin nahm einen Schluck von ihrem Saft, ehe sie ihm ein „Nur wenn du bereit bist dein Horizont zu erweitern“ entgegenbrachte. Unter dem Tisch spürte Maron wie Chiaki liebevoll ihre Hand nahm und seinen Daumen über ihren Handrücken streichelte. Sie wandte sich zu ihm und lächelte. Er lächelte zurück. Sie waren glücklich. Und verliebt. *** „So habe ich dich auch noch nie gesehen.“, kam es von Fin amüsiert, die eine gutgelaunte Maron durch die Wohnung reinkommen sah. „Was meinst du?“, fragte ihr Schützling unschuldig. „Na, so…verliebt.“, grinste der Engel. „Das bildest du dir bloß ein.“, wendete Maron ein, trotz des verliebten Dauergrinsens auf ihrem Gesicht. Fin kicherte. „Scheint ja ein besonderer Typ zu sein dieser Chiaki.“ Nicht nur ein besonderer Typ, jetzt auch ihr offizieller Freund. Maron ging summend in ihr Zimmer und zog sich in gemütliche Hausklamotten um. „Sag mal, Fin ….“, setzte sie an, als sie sich einen dünnen Pullover überzog, „Warst du schon einmal verliebt?“ Wie vom Himmel gefallen blickte der Engel seine Partnerin an. Die Frage kam mehr als unerwartet. Ohne es zu merken wurde den Grünhaarige rot. Verwundert drehte Maron sich zu ihr um, nachdem sie für einige Sekunden keine Antwort bekam. „Also?“, hakte sie nach und hob erwartungsvoll eine Augenbraue. „J-Ja…“, gab Fin schließlich kleinlaut zu. Mit einem Schlag strahlten Maron’s braune Augen vor Neugier. „Oh mein Gott! In wen? Jemand vom Himmel? Erzähl!“, sprang sie auf ihre kleine Freundin zu. Diese war mehr als überfordert. „E-Ehm… Ja, es war jemand vom Himmel.“ „Ooh…Wie war er so?“ „…Nett, fürsorglich, zärtlich u-und hat mich immer über alles gestellt.“ „Wow… ging es vorbei, weil du hier runter geschickt wurdest?“, fragte Maron, vorauf Fin nichts mehr antwortete und mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck zur Seite blickte. Die junge Frau fasste das Schweigen ihrer Freundin als Bestätigung zu ihrer Frage auf und sagte: „Er hört sich nach einem großartigen Kerl an. Bestimmt wartet er auf dich, bis du wieder zum Himmel zurückkehrst.“ Daraufhin ging Maron in die Küche und machte sich was zu Essen. Fin blieb in ihrem Zimmer zurück und schaute gedankenverloren aus dem Fenster raus. Vor ihrem inneren Auge sah sie einen jungen Engel mit dunklen Haaren und schwarzen Flügeln vor sich. „Ein großartiger Kerl…der jetzt ein Verräter ist…“, murmelte sie traurig gegen die Fensterscheibe und vergoss eine kleine Träne.   Chapter 8: What if… ------------------- Chapter 8: What if…   „Du benimmst du ziemlich merkwürdig.“, hörte Access Chiaki sagen, während er nachdenklich aus dem Fenster blickte. Die Sonne ging langsam unter und dicke Wolkendecken bahnten sich an. Noch in dem Augenblick hatte er an einen hübschen, grünhaarigen Engel gedacht. „Ist das nicht mein Spruch, Sindbad?“, konterte er zurück. „Japp.“, sagte der Angesprochene nur und fügte mit einem prüfenden Blick hinzu: „Dich Quatschkopf sieht man selten so nachdenklich, was sonderbar ist.“ Access zuckte als Antwort mit den Schultern und blickte weiter aus dem Fenster hinaus. „Dürfte ich fragen, über was du so nachdenkst?“, erkundigte sich Chiaki neugierig. „Über…vergangene Zeiten.“, kam es als Antwort. „Aha…Zeiten bevor du ein gefallener Engel wurdest?“ Wieder kam ein wortloses Schulterzucken. Der dunkelhaarige Engel ließ seinen Blick nicht vom Fenster ab. Chiaki sah seinem Partner an, dass er nicht darüber reden wollte. Aber er wollte auch nicht locker lassen. „Allgemein gefragt, wie wird man eigentlich zu einem gefallenen Engel? Geht man zu Gott und sagt ihm, man hätte keine Lust mehr für ihn zu arbeiten?“, fragte er und holte sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank. Access blinzelte einmal und warf dem Blauhaarigen einen argwöhnischen Seitenblick zu. „Könnte man machen… oder man begeht als Engel eine Sünde… ein Tabu, weshalb man von Himmel verstoßen wird.“, erklärte er in einer neutralen Tonlage. „Welches von beiden hast du gemacht?“ Der Mund des Engels verhärtete sich zu einem Strich. Er merkte sofort, was Chiaki mit der Konversation erreichen wollte. Das Spiel konnte er auch umdrehen. „Verrate ich dir nur, wenn du mir deine Story erzählst.“, antwortete Access mit einem herausfordernden Blick und verschränkte die Arme vor die Brust. Chiaki zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Keine Chance.“, sagte er verschmitzt grinsend. „Tja, dann wirst du von mir auch nichts hören.“, hob Access die Hände in die Höhe und schüttelte bedauernd den Kopf. Sein Partner lachte leise in sich hinein. „Natürlich nicht.“ Ein gängiges Spiel was die beiden spielten. In den drei Jahren seit Chiaki und Access zusammenarbeiten, lernten sie sich in und auswendig kennen, wurde sogar enge Freunde. Vertrauten einander blind. Doch eine Sache blieb ihnen gegenseitig verborgen: ihre Vergangenheit. Ihre Motive und Beweggründe, weshalb sie für den Teufel arbeiteten. Am Anfang waren ihnen die Hintergründe zunächst egal, doch eines Tages überkam Access die Neugier, weshalb er Chiaki schließlich fragte. Aus welchen Gründen würde ein normaler Mensch auch dem Bösen dienen wollen? Das ging ihm als erstes durch den Kopf, als man ihm Chiaki vorstellte. Kaum war die Frage gefallen, schwieg dieser sie tot und warf sie ihm zurück. Access wusste zunächst nicht, wie er reagieren sollte, entschloss nach kurzer Perplexität allerdings ebenfalls zu schweigen. Wenn der eine nicht sprach, so sprach der andere auch nicht. Das war deren unausgeschriebenes Gesetz. „Anstatt Trübsal zu blasen, kannst du ja nach Dämonen Ausschau halten.“, schlug Chiaki vor, ging in den Wohnzimmerbereich und schaltete den Fernseher an. „Ich war zwar den ganzen Tag schon unterwegs, aber ich kann ja eine Ehrenrunde drehen.“ Damit setzte sich Access auf und flog als violette Lichtkugel aus dem Fenster raus.   Chiaki schaute ihm noch eine Weile hinterher, bis sein Handy anfing zu klingeln. Verwundert schaute er auf das Display, um anschließend mit einem Grinsen abzunehmen. „Hi.“, sagte er und nahm auf dem Sofa Platz. „H-Hi.“, kam es schüchtern zurück. Der Medizinstudent konnte sich perfekt vor Augen halten, wie seine Freundin rosa anlief. „Heute steckst du echt voller Überraschungen, Maron Kusakabe. Was beschert mich die Ehre, dass du anrufst? Vermisst du mich und meine verführerische Stimme etwa schon und konntest keine zehn Stunden warten?“ „N-Nein! Ich wollte nur sichergehen, dass du wohlauf bist.“, redete sie sich ohne Überzeugung heraus. „Wie du hören kannst lebe und atme ich noch.“ „Gut.“ Für eine Weile sagte Maron nichts mehr, bis: „Ich bräuchte vielleicht deine Hilfe für meine Hausarbeit.“ „Ich dachte, du arbeitest am liebsten alleine.“ „Ich habe auch zu 75% alleine an dem Ding gearbeitet! Die letzten zwei Stunden hänge ich aber an einer bestimmten Stelle und komme einfach nicht weiter.“ „Ach, so produktiv warst du seit ich dich nach Hause gebracht habe?“ „Du nervst.“, sagte Maron und verdrehte mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Augen. „Und du bist süß.“ Ein schnaubendes Geräusch war am anderen Ende zu hören, gefolgt von einem ungeduldigen „Hilfst du mir nun?“. „Was bekomme ich als Gegenleistung?“, grinste Chiaki amüsiert. Unverständliches Stottern entkam Maron bis sie kurz inne hielt. Gleichzeitig bemerkte Chiaki Access Rückkehr und vor dem Fenster wild gestikulierte. Ein Dämon. „So gerne ich noch mit dir weiterreden will, leider muss ich jetzt auflegen.“, sprach er ins Handy rein und stand vom Sofa auf. „I-Ist schon okay. Ich muss auch auflegen, weil…eh, meine Eltern anrufen wollten.“ „Okay. Wir sehen uns morgen?“, fragte Chiaki sanft. „Ja…“, antwortete ihm Maron mit dem Hauch eines Lächelns in ihrer Stimme. Ihr Freund konnte sich selbst ein Lächeln nicht verkneifen. „Gut. Bis morgen.“ „Bis morgen.“ Damit legte der Blauhaarige auf, holte sich seine Jacke und begab sich nach draußen zur Dämonenjagd. *** „Jeanne, der Dämon versucht zu entkommen!“, rief Fin panisch. „Das sehe ich selbst!“, platzte es aus der Diebin heraus und versuchte die Polizisten hinter ihr abzuhängen. „Behalte ihn im Auge, Fin.“ „Okay.“ Damit flog der grünhaarige Engel davon. Besessen war ein junger Bombenspezialist, namens Hideo Tanaka, dessen Militärabzeichen von einem Dämon befallen war. Jeanne konnte mit Mühe endlich die Polizei hinter sich lassen und sprang auf ein Gebäudedach. „Fin! Wo ist er jetzt?“, sprach sie in ihr Amulett rein. „Im Industriegebiet! Sindbad ist ihm schon dicht auf den Fersen!“, berichtete der Engel. „Nur über meine Leiche, Sindbad.“, murmelte Jeanne und sprang auf den Dächern Richtung Ziel. Es dauerte nicht lange bis sie beide Männer entdeckte. Ihr Rivale war gerade dabei sich mit dem Besessenen im Nahkampf anzulegen. Hideo schien eine exzellente militärische Kampfausbildung hinter sich gehabt zu haben, weshalb er es locker mit Sindbad aufnehmen konnte, ihm womöglich auch überlegen war. An einem optimalen Augenblick warf er den Dieb schließlich über die Schulter und lief davon. Jeanne folgte ihm auf der Stelle. Nach einigen Meter blieb Hideo abrupt stehen und ging mit der Faust auf die Kamikaze-Diebin zu. Diese blockte den Schlag mit ihren Unterarmen ab und machte einen Rückwärtssalto, um Sicherheitsabstand zu bewahren. Doch ehe sie sich versah, war der Besessene schon wieder hinter eine Ecke verschwunden. Gerade so konnte sie noch sehen, wie er in ein Gulliloch untertauchte. Ernsthaft?! Die Kanalisation?, dachte sich Jeanne entnervt und rümpfte angeekelt die Nase. Widerwillig kletterte sie die lange Leiter in die Tiefe herab. Im dunklen Kanaltunnel angekommen, sah sie wie Hideo in einem Seitentunnel stand und böse grinste. Jeanne verstand sein Grinsen nicht, doch dann bemerkte sie die Fernbedienung in seiner Hand sowie die rot blinkende Punkte an den Wänden. Oh Nein!!, kaum hatte Jeanne realisiert was der Dämon vorhatte, drückte er den roten Knopf und die kleinen Bombenpräparate gingen hoch. „JEANNE!“ Das Letzte was sie hörte war, wie eine bekannte Stimme ihren Namen rief und wie jemand sich auf sie warf. Der Rest wurde von mehreren lauten Knalls und vom fallenden Gestein verschluckt. Ebenso begann alles um sie herum zu beben.   Als Jeanne die Augen öffnete, fand sie sich unter Sindbad wieder, der sich über sie stützte. „Sindbad!“, rief sie überrascht sowie erschrocken aus. „Bist du verletzt?“, fragte er. Beide schauten sich für einen Moment eindringlich in die Augen. Jeanne spürte wie ihr Herz wieder anfing schneller zu schlagen und eine leichte Röte ihr ins Gesicht stieg. „Geh runter von mir!“, schnauzte sie Sindbad an und stoß ihn von sich. Hastig setzte sie sich wieder auf die Beine und drehte sich von ihm weg. „Bedanken kannst du dich trotzdem.“, entgegnete er trocken und stand ebenfalls auf, „Wäre schließlich nicht das erste Mal, dass ich dir das Leben rette.“ Beide klopften sich den Staub von den Klamotten und blickten auf. Dort wo die Leiter sich befand, war nun eine dicke Mauer aus Gesteinstrümmern, welches über die gesamte Breite des Tunnels ging. Ebenso war der Seitentunnel, in der Hideo stand versperrt. Das Licht der Lampen flackerte wenige Male auf, bis alles in komplette Dunkelheit gehüllt wurde. „Verdammter Dämon.“, fluchte Jeanne. Sie holte ihr Amulett raus und kontaktierte Fin. „Jeanne! Wo bist du? Und was war das für ein Erdbeben?“, kam es von dem Engel besorgt. „Ich bin in der Kanalisation mit Sindbad…“, den Namen ihres Rivalen betonte sie absichtlich mit Gift in ihrer Stimme, woraufhin er nur gleichgültig mit den Augen rollte, „…und der Dämon hat uns mit Sprengpräparaten den Weg abgesperrt.“ „Oh nein…!“ „Falls der Dämon irgendwo wieder auftaucht, gib mir Bescheid, okay?“ „Okay.“ Damit war die Konversation beendet und Jeanne packte ihr Amulett weg. „Scheint so als müssten wir gemeinsam den Weg hier raus finden.“, sagte Sindbad. „Was heißt hier ‚gemeinsam‘? Wenn, dann finde ich alleine hier raus.“, sagte Jeanne, setzte sich als Erste in Bewegung und drängte sich an ihm vorbei. Dabei rutschte sie an der Kante des schmalen Wegrandes aus und fiel fast ins Wasser, wenn Sindbad sie am Arm nicht aufgefangen hätte. „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber du musst wohl oder übel mit meiner Anwesenheit die nächsten Minuten auskommen. Es ist stockfinster hier, ohne mich würdest du im Dreck baden und wer weiß, wo sich der nächste Ausgang befindet.“, sagte er und ließ ihren Arm los. Die Blonde verdrehte stark ihre violetten Augen. „Dann nerv mich gefälligst nicht!“ Langsam tastete sie sich an der Wand entlang. Sindbad seufzte und fuhr sich durch die weißen Haare. „Glaub mir, meine Liebe, ich hätte auch besseres zu tun als mit dir in einer Kanalisation festzustecken.“ Jeanne schnaufte genervt auf und sagte: „Und auf vorhin zurückzukommen… Ich habe noch nie von jemanden gehört, der seinem Feind so oft das Leben rettet.“ „Ich auch nicht.“ „Wieso machst du das dann?“, fragte sie teils misstrauisch, teils skeptisch. „Wieso interessiert dich das so sehr?“, kam es von ihrem Rivalen als Gegenfrage. Frustriert atmete Jeanne tief durch, bevor sie sagte: „Das frage ich mich auch langsam.“, und drehte sich zu dem Dieb um. „Vielleicht, weil ich dich einfach nicht verstehen kann.“ So dunkel es auch sein mag, so konnten die Beiden trotzdem noch die schwachen Umrisse voneinander erkennen. Sindbad blieb vor ihr stehen und blickte mit einem neutralen Ausdruck in ihre Richtung. „So gerne ich dir eine vernünftige Antwort geben will, so kann ich dir auch nicht sagen wieso. Also lass es gut sein. Sei froh, dass du lebst.“, sagte er und hakte das Thema für sich ab. „Hör zu Freundchen…!“ Sein Gegenüber hob den Finger, stupste ihn in die Brust und wollte soeben etwas einwenden, als sie plötzlich etwas an ihren Füßen vorbeihuschen spürte. Ebenso vernahm sie leises Quieken vom Boden. Die Worte blieben ihr mit einem Mal im Hals stecken. Ein unangenehmer Schauer jagte ihr über den Rücken. Sindbad machte ein verdutztes Gesicht, nicht wissend was mit ihr los war. „RATTEN!!“, schrie sie auf einmal panisch auf und versteckte sich, wie ein kleines Kind hinter Sindbad. Dieser blieb die Ruhe selbst und blickte immer noch verdutzte drein. Nach einigen Sekunden verschwand das Quieken der Nagetiere. „Ich glaube, die sind jetzt weg. Wahrscheinlich hatten die mehr Angst vor dir als du vor ihnen.“, sagte er und kicherte belustigt, „So geschmeichelt ich mich auch fühle, aber es wäre eine toll wenn du von mir loslassen würdest.“ Erst jetzt realisierte Jeanne, dass sie sich an seinen Rücken drückte und krampfhaft ihre Finger in seinen schwarzen Mantel geklammert hatte. Mit hochroten Wangen und stotternder Stimme ließ sie von ihm los und drehte sich beschämt weg. Ach du Scheiße, jetzt habe ich mich ausgerechnet vor Sindbad nicht nur mega-blamiert, sondern auch wie ein kleines Mädchen geschrien!!! Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. „Das! Ist! Niemals! Passiert!“ Mit schnellen Schritten drängte Jeanne sich wieder an Sindbad vorbei, der ihr mit einem amüsierten Lächeln wortlos folgte. Eine gefühlte Ewigkeit liefen die Beiden schweigend hintereinander her. Der Weg schien endlos lang geradeaus zu gehen. Noch immer fanden sie keinen Ansatz eines Ausganges. Im Rhythmus hallten ihre Schritte in der Dunkelheit. Ab und an war das minimale plätschern von Wasser zu hören. Was wohl Chiaki gerade macht? Wahrscheinlich besseres als in einer stinkenden Kanalisation umherzuirren…, ging es Jeanne gedankenverloren durch den Kopf. Zur selben Zeit war auch Sindbad gedanklich bei einem braunhaarigen, hübschen Mädchen und wie er am liebsten seine Zeit mit ihr verbringen würde, als mit Jeanne. Unwillkürlich ließ er die letzten Momente in seinem Kopf Revue passieren, als sie wie ein verängstigtes Kind aufschrie. Süß ist sie schon irgendwie…, dachte Sindbad sich und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dann bemerkte er, wie ein leises Bibbern aus Jeanne’s Richtung. „Ist dir kalt?“, fragte er und unterbrach die Stille zwischen ihnen. „Nein.“, kam es trotzig von seiner Rivalin zurück. „Sicher?“ „Ja.“ Seufzend streckte Sindbad seine Hand aus und erwischte Jeanne’s Schulter. Diese stoppte mitten beim Gehen und schaute verwirrt zu ihm auf. Zur ihrer größeren Überraschung spürte sie, wie er ihr ein großes Kleidungsstück -seinen Mantel- über die Schulter legte. Unbewusst zuckte sie zusammen, was ihr Rivale bemerkte. „Was? Schockt es dich so sehr, dass ich ein Gentleman sein kann?“, sagte Sindbad mit einem Lächeln in der Stimme. „Eh-Ehm…Nein…D-Danke.“, stotterte Jeanne peinlich berührt und wandte sich leicht weg. „Wow, du kannst auch Manieren haben.“, grinste er, „Vielleicht steckt doch eine anständige Lady in dir.“ „Halt die verfluchte Klappe.“ Mit dem Ellenbogen traf sie seine Rippe. „Autsch! Zu früh gefreut.“ Jeanne stöhnte genervt auf, wollte etwas erwidern, stoppte sich jedoch. Mit einem unschlüssigen Gesichtsausdruck zog sie den Mantel enger um sich und biss sich auf die Unterlippe. Sindbad neigte irritiert den Kopf zur Seite, darauf wartend dass sie noch was sagen würde. „Danke für die Rettung vorhin.“, sagte sie nach einem Augenblick kleinlaut. Daraufhin beugte sich Sindbad mit dem Ohr leicht zu ihr nach vorne. „Sag das nochmal, ich habe dich nicht gehört.“, neckte er sie. „Du hast mich gehört, verdammt!“, funkelte die Kamikaze-Diebin ihn an. Ihrem Gegenüber entkam ein belustigtes Lachen. „Weißt du…“, fing Jeanne an und setzte sich wieder in Bewegung, „Für einen Diener des Teufels, kannst du doch ziemlich menschlich sein.“ Sindbad zog eine Augenbraue hoch. „Ich bin ein Diener des Teufels, das ist wahr… Und ebenso bin ich auch ein Mensch, falls du das Vergessen hast.“, sagte er in einer ausdruckslosen Tonlage, drängte sich an Jeanne vorbei und ging mit leicht erhöhtem Tempo voraus. Erstaunt von der Aussage blieb die Diebin stehen, die Augen geweitet sowie der Mund halboffen. Er hatte Recht. Nie hatte sie darüber nachgedacht, dass er wie sie auch nur ein Mensch war. Dass hinter seiner Maske ein gewöhnlicher Mensch mit Gefühlen dahinter stecken konnte. *** „Wo ist der Dämon nur?“ Verzweifelt suchte Fin nach dem besessenen Hideo. Schließlich fand sie ihn, wie er aus einem Gulliloch hervorstieg. Sowie eine lilane Leuchtkugel, der auf ihn zuflog. Access…!, ging es Fin durch den Kopf. Sie spürte ein kleines, stechendes Gefühl in ihrem Herzen. Plötzlich wurde der männliche Engel von einer dunkleren Energiekugel an die nächste Gebäudewand befördert. Ihm entkam ein lauter Schmerzensschrei. „Access!“, rief Fin unbewusst aus. Auch sie spürte den Nachdruck der Energiekugel in der Luft. Verbissen hielt sie sich davon ab nicht ebenfalls weggeschleudert zu werden. Der Dämon ist stark…! Im nächsten Moment sah der grünhaarige Engel, wie Hideo in eine Seitengasse verschwand. Fin wollte ihm hinter fliegen, doch als sie Access verletzt und bewusstlos am Boden sah, zögerte sie. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie ihn nicht einfach so liegen lassen konnte. Gleichzeitig konnte sie allerdings ihre Pflicht nicht vernachlässigen und den Dämon laufen lassen. Frustriert biss sie sich auf die Unterlippe und ballte ihre Hände zu Fäusten. Letztlich begab sie sich zu Access herunter, legte einen Arm über ihre Schultern und flog mit ihm zu einem nahestehenden Baum. Kaum berührte sein Körper ihren, spürte Fin schon das brennende Gefühl auf ihrer Haut. Am liebsten wollte sie vor Schmerz aufschreien, doch das verkniff sie sich verbissen. Auf einem großen Ast lehnte sie Access mit dem Rücken an den Baumstamm an und ließ sich selbst erschöpft niedersinken. Zitternd hob die Grünhaarige ihre geröteten Hände, die schwere Brandwunden zweiten Grades aufwiesen. Es würde Tage dauern, bis die verheilt waren. Wie sollte sie Jeanne ihren Zustand erklären? Allmählich kam der Schwarzengel wieder zu sich und blinzelte benommen. Nachdem sein Blick sich wieder fokussiert hatte und er sah wer vor ihm saß, fuhr er erschrocken zusammen. „Fin!“, rief Access überrascht aus, stöhnte jedoch direkt vor Schmerz und hielt sich die Schulter. Seine Flügel waren gebrochen. Dann bemerkte er die verbrannten Hände und Arme seines Gegenübers. Diese folgte seinen Blick. „Ich konnte dich nicht verletzt liegen lassen.“, sagte sie mit monotoner Stimme. „Und jetzt bist du wegen mir verletzt!“, sagte der Dunkelhaarige aufgebracht, „Du weißt ganz genau, dass gefallene Engel die Energie von euch absorbieren, weil wir selbst über keine Energie verfügen!“ „Sei dankbar, dass das bisschen Energie von mir, dir das Leben gerettet hat!“, zickte Fin ihn launisch an. „Na, Danke auch.“, kam es sarkastisch zurück. Fin knirschte verärgert mit den Zähnen. „Das wäre alles nicht, wenn du mich und Gott nicht verraten hättest!“ Access warf entkräftet den Kopf nach hinten und schloss seine Augen. „Komm mir nicht wieder damit…Es sind drei Jahre her…“ „Doch! Ich will! Jetzt!“, sagte Fin voller Sturheit. Mit einem ernsten Blick öffnete der gefallene Engel wieder seine Augen. Okay…wenn sie wieder diskutieren will... „Du weißt genau, dass ich keine andere Wahl hatte!“, sagte er. „Es gibt für alles eine Wahl!“ „Ja! Und meine Wahl war dich zu beschützen!“ „Das rechtfertigt nicht die Tatsache, dass du einen Menschen töten musstest!“, zischte der weibliche Engel. „Doch! Sonst hätte er dir noch die Flügel rausgerissen und dich getötet!“, rechtfertigte sich ihr Gegenüber. „Er war besessen! Das war alles ein krankes Spiel vom Teufel!“ Access hielt kurz inne, ehe er betreten sagte: „Ich weiß…“ „Und trotzdem bist du zu ihm übergewechselt und arbeitest für ihn?“, wisperte Fin fassungslos. Unterdessen hatte es angefangen zu regnen. „Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich durch das Weiße Tor gegangen bin? Wenn ich gar nicht mehr existieren würde? Das war der einzige Weg um weiterzuleben… und um dich wiederzusehen.“, sagte Access seufzend und schaute niedergeschlagen weg. Vermied ihren Blickkontakt. Fin schüttelte nur traurig den Kopf. Tränen standen ihr in den grünen Augen und liefen hemmungslos herunter. „Wir- Wir waren so glücklich beim Herrn…Wir waren so glücklich zusammen… Und jetzt bekämpfen wir uns… Wie- Wie konnte es so weit kommen, Access?“, sprach sie abgehackt, „Und nun können wir uns noch nicht einmal richtig berühren…“ Access schaute sie schweigend an. Auch seine bernsteinfarbenen Augen spiegelten Traurigkeit, Schmerz und Sehnsucht wider. „So ist es jetzt… Ich habe ein Tabu begangen und nun kann ich nie wieder zu dir oder zum Herrn zurück. Hört sich doch nach der gerechten Strafe an.“, zuckte er mit den Schultern und lächelte Fin gezwungen an. Diese weinte stumm weiter. „Sag, liebst du mich immer noch?“, fragte Access nach einer Weile unerwartet. Fin warf ihm einen teilweise entgeisterten, teilweise beleidigten Blick zu. „Natürlich liebe ich dich, du Idiot!“, sagte sie und schlug auf dessen Kopfhöhe gegen die Luft, „Für wen sonst heule ich gerade, ha? Nicht für Toki, wenn du das hören willst!“ Daraufhin musste Access lachen und sagte frech: „Ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht schon einen Neuen hast! Schließlich bist und bleibst du mein Fin-Schatz!“ Dies ließ Fin leicht erröten. „…Idiot.“, murmelte sie und konnte sich ein verlegenes Lächeln schwer verkneifen. Für einen Moment fühlten sich Beide wie zu alten Zeiten zurückversetzt. „Ich verzeih dir.“, sagte sie sanft. „Was?“ Mit einem großen Fragezeichen im Gesicht schaute Access sie an. „Du hast mich gehört.“ Verdattert begann der Schwarzengel zu stottern. „Eh…Also- eh-… Das freut mich wirklich sehr. A-Aber das ändert nichts daran, dass ich nach wie vor ein gefallener Engel bin.“ „Dann lass mich dir helfen, Access!“ Der Angesprochene verstand nicht ganz. „W-womit?!“ „Damit der Herr dir verzeiht!“, antwortete Fin mit entschlossener Selbstverständlichkeit. Access klappte die Kinnlade herunter. Wie vom Blitz geschlagen, starrte er seine Geliebte sprachlos an. „N-Nein, Nein, Nein!“ Aufgewühlt schüttelte er den Kopf und machte mit den Hände abwehrende Bewegungen. „Wieso nicht? Du willst doch gar nicht für Satan arbeiten!“ Verwirrt zog die Grünhaarige die Brauen zusammen. „Ja, aber…!“ „Aber was?“ „I-Ich kann Sindbad nicht einfach verraten.“ Fin hob argwöhnisch eine Augenbraue. „Ernsthaft? Du hast Probleme dich zwischen mir und deinem Partner zu entscheiden? Verstehe ich das richtig?“ Access fuhr sich mit der Hand frustriert übers Gesicht. „Nein, ich würde dich nach wie vor über alles wählen… bloß…“ Der Engel kämpfte stark mit sich selbst. Er spürte, dass seine Gefühle -seine Liebe- für den grünhaarigen Engel nach all der Zeit immer noch stärker waren als alles andere. Trotzdem nagte seine Freundschaft mit Sindbad an seinem Gewissen. Fin sah ihm seinen inneren Konflikt an. Teilweise konnte sie ihn verstehen. Auch ihr würde es nicht leicht fallen, Jeanne aus dem Nichts verlassen zu müssen. Resigniert blickte sie zu Boden, ehe sie sagte: „Ich…Ich will dich nur wissen lassen, dass ich dich nicht auf ewig verlieren möchte… Ich möchte, dass du zu mir zurückkehrst.“ „Glaub mir…ich möchte auch zu dir zurück, Fin…Mehr als alles andere.“, kam es von Access ernst. Die Angesprochene wollte wieder etwas sagen, doch auf einmal ragte eine dunkle, schwarz gekleidete Gestalt über die Beiden. Schockiert blickten die Engel auf. Noch bevor sie reagieren konnten, wurde ihnen schwarz vor Augen und sie fielen in Ohnmacht. So plötzlich wie der Regen anfing, so hörte er auch wieder auf und die Engel waren vom Baum verschwunden. *** „Sorry.“, hörte Sindbad hinter sich sagen. „Wofür entschuldigst du dich?“, fragte er, drehte sich zu Jeanne um und blieb stehen. „Keine Ahnung…ehm…für meine Aussage von vorhin.“, sagte sie unsicher und biss sich auf die Unterlippe. „Falls ich irgendwie deine Gefühle verletzt habe.“ Sindbad’s Augen weiteten sich leicht und er zog eine Augenbraue hoch. „Hast du dir etwa Sorgen gemacht?“, fragte er erstaunt. „Irgendwie schon.“, gab Jeanne zu und machte ein beschämtes Gesicht. Ein leises Kichern entfuhr Sindbad. „Ich habe noch nie von jemanden gehört, der sich Sorgen um seinen Rivalen macht.“ Nun musste die Kamikaze-Diebin schmunzeln. „Sagt der, der mich fragte ob ich verletzt sei.“ „Dem kann ich nichts entgegenwirken.“, lachte der Kaito. Für einen Augenblick empfand Jeanne ein vertrautes Gefühl in ihr hochkommen, als sie sein Lachen hörte. Energisch schüttelte sie den Kopf und tastete sich weiter der Wand entlang. Auf einmal berührten ihre Finger etwas Metallisches, Greifbares. Nach oben und unten fühlte sie längliche Metallstangen. Eine Leiter. „Hey, hier ist endlich ein Ausgang!“, rief sie erfreut auf. „Hm. Zu Schade, ich habe angefangen unseren gemütlichen Spaziergang zu genießen.“, sagte Sindbad. Nun entkam Jeanne ein leises, ehrlich amüsiertes Kichern. In dem Moment klopfte sein Herz laut auf und das Gesicht einer anderen Person kam ihm vor Augen. Plötzlich spürte er, wie sie ihm seinen Mantel vor die Nase hielt, was ihn aus seinen Gedanken riss. Mit einem „Danke“ nahm Sindbad das Kleidungsstück wieder an sich und zog ihn sich an. „Sag…Wenn wir nicht auf der jeweils gegnerischen Seite kämpfen würden…Denkst du, dass wir Freunde geworden wären?“, fragte Jeanne wie aus dem Nichts. Ihr Rivale war dabei die Ärmel seines Mantels zu richten, als sein Kopf bei der Frage entgeistert in ihre Richtung schnellte. „Was?“ Seine blauen Augen vergrößerten sich überrascht. „Denkst du, dass wir Freunde geworden wären, wenn wir nicht Feinde wären?“, wiederholte die Diebin ihre Frage ruhig und blickte interessiert in seine Richtung auf. Sindbad wusste nicht, was er darauf antworten sollte. „Ich bin mir nicht sicher…Vielleicht?“, sagte er letztlich nach einigen Sekunden der Überlegung. „Was glaubst du?“ „Ganz ehrlich? Ich hätte auch keine Ahnung…“ Etwas verlegen fuhr sich Jeanne durch die Haare. „Ich verstehe zwar nicht, wieso du für den Teufel arbeitest, aber….Keine Ahnung…Vielleicht versteckt sich hinter deiner Maske ein ganz netter Kerl.“, sagte sie. Sindbad konnte raushören, dass sie lächelte. Er lachte kurz auf. „Und vielleicht versteckt sich hinter deiner ein süßes Mädchen mit der ich ausgehen würde.“, sagte er und lächelte ebenfalls. „Pff. Wohl eher nicht!“ „Stimmt, ich habe schon ein Mädchen an meiner Seite.“, sagte Sindbad mit Stolz in der Stimme. „Soll ich die Glückliche oder die Arme sagen?“, witzelte Jeanne und hob ungläubig eine Augenbraue. „Mein Typ wärst du wahrscheinlich nicht.“ „Autsch, mein armes Ego.“, grinste Sindbad und fragte neugierig zurück: „Wie sieht’s bei dir aus?“ „Ich bin in festen Händen.“, stellte Jeanne knapp klar. „Soll ich der Glückliche oder der Arme sagen?“ „Halt die Klappe, Sindbad.“ „Ich würde ‚der Arme‘ sagen.“ Jeanne konnte nicht glauben, dass sie und Sindbad gerade über ihr privates Liebesleben plauderten. Gerade wollte sie die Leiter hochklettern, überlegte es sich jedoch anders, trat beiseite und ließ Sindbad den Vortritt. Dieser krauste leicht die Stirn. „Heißt das nicht Ladies first?“, fragte der Dieb. „Normalerweise ja, aber ich will nicht, dass du mir unter dem Rock schauen kannst, sobald es wieder hell wird.“, gab seine Rivalin offen zu, worauf er sich ein amüsiertes Lachen verkneifen musste.   An der Oberfläche wieder angekommen, kam ihnen der Duft von frischer Regen entgegen. Ebenso begann Jeanne’s Amulett zu lautstark blinken. „Der Dämon ist in der Nähe?“, sagte sie überrascht, während Sindbad sie nahezu sanft am Arm packte und ihr raushalf. „Ehm, Danke. Aber nur damit das klar ist, wir sind ab jetzt wieder Feinde.“ „Ja, ja, ja.“, winkte der Kaito ab und schaute sich um. „Wenn der Typ irgendwo in der Nähe ist, dann ist er erstaunlicherweise nicht weit gekommen.“ Plötzlich kam eine dunkle Energiewelle auf beide Diebe zugeschossen, welches sie geschickt auswichen. „Ich hatte gehofft, euch beide unter der Erde vergraben zu haben.“, sprach die Stimme des Dämons aus Hideo heraus, der weniger Meter von ihnen entfernt stand. Mit einem hinterlistigen Lachen hielt er eine neue Fernbedienung in die Höhe. „Ich würde an eurer Stelle keine falsche Bewegung machen, sonst geht alles in die Luft.“ „Du bluffst!“ „Soll ich den Knopf drücken, damit du dich überzeugen kannst, Jeanne?“ Die Angesprochene zischte und funkelte den Besessenen wütend an. Sindbad behielt eine ausdruckslose Miene bei, bis er anfing zu Grinsen. „Okay! Mach!“, sagte er. Die Kamikaze-Diebin schnellte ihren Kopf mit einem irritiert zornigen Blick in seine Richtung. Auch Hideo verengte misstrauisch die Augen. „Spreng die Stadt in die Luft. Mir kann das egal sein.“, sprach Sindbad mit einem Lächeln weiter und ging mit erhobenen Händen auf den Besessenen zu. „Wie kannst du nur-…“, rief Jeanne entsetzt aus und stoppte sich allerdings mitten im Satz, als Sindbad ihr einen ernsten, unauffälligen Blick zuwarf. Hat er etwa einen Plan?, fragte sie sich skeptisch. „Wie kannst du es so gelassen sehen, dass ich dein zu Hause zerstöre und alle Menschen, die du kennst, töten werde?“, fragte der Dämon und zog perplex die Brauen zusammen. Sindbad zuckte gleichgültig mit den Schultern und lächelte kalt. „Ich meine, ich arbeite für den Teufel. Da gehört Chaos und Zerstörung in der Jobbeschreibung dazu.“ Er war nur noch wenige Schritte von Hideo entfernt. „Was für ein Unterschied macht es, wenn jetzt die Stadt untergeht oder irgendwann in der Zukunft die ganze Welt. Sterben tun wir alle so und so irgendwann.“ Diese Worte ließen Jeanne innerlich zusammenzucken. Hideo wusste auch nicht, wie er auf Sindbad’s ruhige Ansprache reagieren sollte. Verunsichert blickte er in die kalten, blauen Augen des Diebes. Dieser bemerkte dessen steigende Nervosität und nutzte es für einen Überraschungsangriff aus. Bevor der Dämon reagieren konnte, warf Sindbad sich schon auf ihn und schlug ihm die Fernbedienung aus der Hand. Gleichzeitig gab er Hideo einen kräftigen Kinnhaken, sodass dieser das Bewusstsein verlor, entfernte dessen Abzeichen von der Jacke und warf es Jeanne zu. „Den Rest erledigst du!“, rief Sindbad ihr zu. Wie auf Kommando setzte sie den Dämon Schachmatt und sammelte die weiße Schachfigur ein. Jeanne nickte Sindbad mit einem leicht triumphierenden Lächeln zu. Er nickte ihr zurück und entfernte sich von dem bewusstlosen Sprengstoffexperten. In der Ferne waren schon Sirenen, Stimmen und Schritte zu hören. Sofort verschwanden die Kaitos in unterschiedliche Richtungen. Zur selben Zeit traf die Polizei an, nahmen Hideo mit aufs Revier und entfernten alle Präparate, die in Momokuri verteilt waren. *** Einige Gebäudeblocks entfernt versteckte sich Sindbad in einer Baumkrone. Jetzt haben wir wieder zusammengearbeitet, obwohl wir doch Feinde sind…, ging es ihm nachdenklich durch den Kopf. Sindbad ärgerte sich noch nicht mal darüber, dass seine Rivalin wieder einen Dämon für sich gewinnen konnte. Eher war er einfach froh und zufrieden damit, dass sie ihn zusammen bewältigen konnten. Sindbad dachte über ihr Gespräch im Tunnel nach. Es war nicht zu verleugnen, dass die Rivalität zwischen ihnen sich verändert hatte. Dass sich etwas zwischen ihnen verändert hatte. Dass er bei der blonden Schönheit an seine braunhaarige Freundin denken musste, verwirrte ihn noch mehr. Naja, was soll’s…, dachte er sich abschließend, seufzte und verwandelte sich in Chiaki zurück. Er sprang vom Baum runter und schaute sich um. Normalerweise würde Access direkt angeflogen kommen, doch sein schwarzgeflügelter Engel war nirgends so sehen. Aus seiner Tasche holte Chiaki einen silbernen Anhänger mit einem dunkelroten Edelstein in der Mitte, auf welches ein schwarzes Pentagramm eingraviert war. Das sternenähnliche Symbol begann zu leuchten. „Access, wo bist du?“, sprach Chiaki in das Artefakt rein. Ähnlich wie Jeanne’s Amulett konnte er damit Kontakt zu seinen Engel aufnehmen und Dämonen aufspüren, wenn er es aktivierte. Keine Reaktion. Normalerweise würde der dunkelhaarige Engel ihm sofort antworten. „Wo ist er nur?“, fragte sich der Student und kratzte sich verwundert den Kopf. Auch bei sich zu Hause traf er seinen Partner nicht an.   Auch Maron blickte bedrückt auf ihr Amulett herab, während sie zum Orléans zurück lief. Wo ist sie bloß? Sonst antwortet sie auch immer, wenn ich sie kontaktiere…, ging es ihr besorgt durch den Kopf. Ob sie schon zu Hause ist…? Die automatischen Schiebetüren des Wohnblocks gingen auf und Maron schaute zu den Briefkästen auf. Sie hatte zwar schon nach der Uni nach Post geschaut, doch aus Gewohnheit öffnete sie trotzdem ihren Briefkasten. Ein Tick den sie aus Kindheitstagen sich angeeignet hatte, denn als Kind war sie immer zu den Briefkästen runter gerannt und hatte die Post ihrer Eltern geholt. Zu ihrer Überraschung befand sich ein A4-größer, dicker, brauner Umschlag darin. Mit einem kritischen Blick nahm sie es heraus, ging zum Aufzug und betrachtete es von allen Seiten. Kein Absender war zu sehen. Überhaupt war nichts darauf beschriftet. Nicht mal sie oder ihre Eltern standen als Empfänger drauf. In ihrer leeren Wohnung angekommen, öffnete Maron den Umschlag schließlich und holte dessen Inhalt heraus. Kaum hatte sie einen Blick darauf geworfen, blieb ihr vor Schreck das Herz stehen und alles fiel ihr aus den Händen. „D-Das gibt es doch nicht…“, brachte Maron fassungslos hervor. Ihre Stimme war nur noch ein verängstigtes Wispern. Ihre Beine gaben nach und sie sank geistesabwesend zu Boden. Ihr Gesicht war kreidebleich. Sie bekam keine Luft. Alles in ihr begann zu Zittern.                                                                                                           -------------------------------------- Ich habe gemischte Gefühle zu dem Kapitel… aber für den weiteren Übergang der Story war es nötig. Hoffe den einen oder anderen hat es trotzdem gefallen! Chapter 9: Close and Closer --------------------------- Chapter 9: Close and Closer   „Würdest du mit mir ausgehen?“ Stark blinzelnd starrte Maron den Jungen ihr gegenüber an. Passierte das wirklich? Er war recht beliebt in seinem Jahrgang und viele Mädels in ihrer Klasse standen auch auf ihn. Er sah auch nicht schlecht aus, dass musste die 17-jährige zugeben. Besonders seine dunklen Augen hatten was Anziehendes, Magisches. Und von allen Mädchen fragte er ausgerechnet sie aus? Dabei war sie ein Jahr unter ihm und er würde in wenigen Monaten seinen Schulabschluss machen. Gelegentlich hatten sie miteinander geredet und bisher schien er auch ganz nett zu sein, verhielt sich nahezu wie ein Gentleman an ihrer Seite, schmeichelte sie mit Komplimenten. Die Schülerin hatte nicht viel Ahnung von der Liebe, aber vielleicht stand ihr die große Liebe gegenüber? Maron wusste nicht wie lange sie ihn anstarrte, bis sie ihm schließlich antwortete: „Okay. Gerne gehe ich mit dir aus.“ *** Eine Woche war vergangen seit Maron und Chiaki ein Paar wurden. Sie gingen es langsam an. Bis auf zärtliches Händchenhalten und ein gelegentlicher Kuss auf die Wange oder Stirn war bisher noch nicht. Maron selbst war zu zurückhaltend, um die Initiative zu ergreifen, während Chiaki nichts ohne ihre Zustimmung überstürzen wollte. Überhaupt genoss der junge Student auch so einfach die Zeit und Zweisamkeit mit ihr, was ihn mehr als zufrieden stellte. Mit ihr an seiner Seite fühlte er sich im Gleichgewicht und das reichte ihm.   Eine Woche war vergangen seit ihre Engel verschwunden waren. So oft die Beiden auch versuchten sie zu kontaktieren, so erhielten sie keine Antwort von ihren beflügelten Partnern. Seit Tagen gab es auch keine weiteren Dämoneneinsätze mehr, was Maron recht war. Denn derzeit beschäftigten sie andere Dinge.   Eine Woche war vergangen seit sie den mysteriösen Umschlag mit den Fotos erhielt. Fotos, die sie zu ihrem Schulabschluss, am ersten Uni-Tag, auf der Kostümparty sowie anderen Anlässen der letzten Wochen abbildeten. In vielen der Bilder war auch Chiaki zusehen. Wie sie zusammen mit Haru vor der Tierarztpraxis standen, beim Italiener im Restaurant saßen und viele mehr. Eine gefühlte Ewigkeit starrte Maron fassungslos auf die Bilder, konnte sich nicht bewegen, nicht mal richtig atmen. Kalter Schweiß bracht ihr aus. Dass Fin immer noch zurückgekehrt war, entging ihr komplett. Letztlich nahm Maron all ihren Willen zusammen, sammelte die Fotos auf und ging mit ihnen zu den Toudaijis. Es war schon spät in der Nacht gewesen, doch sie musste sofort mit Miyako und ihrem Vater reden. „Maron…“, verschlafen öffnete ihre Freundin die Tür und gähnte, „Es ist fast zwei Uhr nachts… Was willst du hier? Was auch immer es ist, hat es nicht bis morgen Zeit?“ „Nein, hat es nicht.“, sagte die Angesprochene mit monotoner Stimme und hielt die Fotos sowie den Umschlag in die Höhe. Miyako musste einige Male blinzeln bis sie realisierte, was ihre Freundin in der Hand hielt. Sofort ließ sie die Braunhaarige rein und weckte ihren Vater. Maron erzählte dem Polizeiinspektor von ihrer Beobachtung im Restaurant sowohl auch von dem Verfolgungswahngefühl, den sie seit Wochen verspürte. „Hört sich nach einem eindeutigen Fall von Stalking an.“, sagte Himuro Toudaiji ernst. „Keine Sorge, Maron. Ich werde mich mit meinen Kollegen darum kümmern. Aber solange keine eindeutigen Beweise vorliegen, dass er dahinter steckt, können wir auch nicht viel machen.“, fügte er bedauernd hinzu und nahm die Sachen an sich, um sie mit aufs Präsidium zu nehmen. Betreten nickte die Studentin und zupfte unruhig an ihrem Oberteil herum. „Wirst du Chiaki davon erzählen?“, fragte Miyako leise, nachdem ihr Vater ins Arbeitszimmer verschwunden war. „Nein.“, antwortete ihr Maron. Überrascht sowie entsetzt weiteten sich Miyako’s Augen. „Wieso nicht? Schließlich ist er auf den Bildern mit drauf! Er hat ein Recht davon zu erfahren!“ „Weil das meine Angelegenheit ist, Miyako! Mein Problem. Ich will ihn damit nicht belasten.“, brachte Maron bestimmt entgegen. „Bitte versprich mir, dass du ihm nichts davon erzählst.“ Die Kurzhaarige zögerte stark, ehe sie der Bitte zustimmte: „O-Okay…“ Maron vergrub ihren Kopf in ihre Hände und schob sich die Haare nach hinten. Ihre Hände zitterten unkontrolliert. „Was willst du nun machen?“, fragte Miyako besorgt und legte beruhigend eine Hand auf die ihrer besten Freundin. „Keine Ahnung….“, gestand Maron kraftlos und schaute ihr in die Augen, „…Aber ich kann nicht zulassen, dass Hijiri einen von euch zu nahe kommt.“ *** „Ich habe heute Training, also musst du heute auch nicht auf mich warten.“ „Schade. Dann sehen wir uns morgen.“, sagte Hijiri und beugte sich zu Maron nach vorne. Diese drehte sich noch so um, dass seine Lippen ihre Wange erwischten. Dies reichte dem Oberschüler aber nicht, weshalb er mit einer schnellen Bewegung seiner Freundin noch einen Abschiedskuss auf den Mund drückte. Mit einem Winken verschwand er schließlich vom Schulgelände. Maron winkte ihm kurz zurück, ehe sie sich zu Miyako gesellte, die vor dem Eingang der Turnhalle wartete. Hijiri Shikaidou und Maron Kusakabe, das neuste Traumpaar der Momokuri Akademie. Viele ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen beneideten die Beiden füreinander. Nun war es drei Monate her, seit er sie aus gefragt hatte. Maron mochte ihn auch - zu mindestens für die ersten zwei Monate. Er war attraktiv und hatte gute Manieren. Jede Mutter wäre stolz darüber Hijiri als Schwiegersohn zu haben. Und nun? Die anfängliche Faszination für Hijiri war verschwunden und wurde mit einem dumpfen, leeren Gefühl ersetzt. Maron war sich noch nicht mal sicher, ob sie ihn überhaupt noch richtig mochte. „Ich kann nicht verstehen, was du und die anderen Mädels an ihm so toll findet.“ Miyako’s meckernde Stimme riss sie aus den Gedanken. „Für mich wirkt der Typ einfach nur gekünstelt. Seine Anwesenheit allein verursacht mir schon eine Gänsehaut im Nacken.“ „Du und dein komischer Polizeiinstinkt.“, murmelte Maron. „Glaub mir, ich habe ein Gespür für zwielichtige Charaktere wie ihn.“, sagte Miyako misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust.  „Du weißt, dass er einen Namen hat und du ihn auch so nennen kannst.“ „Und du weißt, dass ich ihn nicht mag.“, kam es zurück. Daraufhin seufzte Maron nur und machte sich für das Rhythmische Gymnastik Training bereit. Dass ihre beste Freundin Hijiri nicht ausstehen konnte, hatte sich schon früh bemerkbar gemacht. Insbesondere als das junge Paar zusammen kam und die Polizeitochter die beiden mit einem kritischen, ungläubigen Blick beäugte. Ihre Abneigung gegenüber Hijiri ließ Miyako auch in dem Sinne spüren, dass sie ihn nie bei Namen nannte, sondern immer nur Pronomen oder sonstige Umschreibungen benutzte. Die Kamikaze-Diebin akzeptierte die Meinung ihre Freundin mit einem Schulterzucken. Letztlich konnte sie niemanden dazu zwingen, jemanden zu mögen. „Mal unter Frauen gesagt… Weißt du, was mir aufgefallen ist?“, sagte Miyako, während sie sich dehnte. „Was denn?“, fragte Maron verwundert und übte schon mit einem Gymnastikball. „Dass du ihn nicht küsst.“ Vor Überraschung ließ Maron den Ball fallen und schnellte ihren Kopf in Miyako’s Richtung. „Ha? Wonach sah das eben für dich dann aus, Miyako?“, brachte sie irritiert entgegen und hob das runde Objekt wieder auf. Die Kurzhaarige seufzte augenverdrehend bevor sie sagte: „Mir ist klar, wonach das vorhin aussah. Was ich allerdings meinte war, dass du ihn nie von dich aus küsst. Eher lässt du dich einfach von ihm küssen. Und so wie du immer guckst, kann ich nicht sagen, ob es dir gefällt.“ Maron krauste die Stirn und verzog ein beleidigtes Gesicht. „Vielleicht ergreife ich ja die Initiative, wenn wir allein sind? Und vielleicht küsse ich ihn gerne?“ Miyako entkam bei der Ansage ein kurzes, ungläubiges Lachen. „Bitte, Maron! Das glaubst du wohl selbst nicht. Auf jeden Fall wollte ich das gesagt haben, sonst wäre ich nicht deine beste Freundin.“ Damit holte sie ein Gymnastikband und begann mit ihrem Training. Maron schaute ihrer Freundin mit einem ausdruckslosen Blick einige Sekunden zu, bis sie selbst ihr Training wieder fortführte. *** „Alles okay?“ Chiaki’s sanfte Stimme warf Maron zurück in die Gegenwart. Wie ertappt zuckte sie am ganzen Körper zusammen. Sie hatte noch nicht mal mitbekommen, dass sie in Gedanken und Erinnerungen versunken war.  „Ehm…Ja! Wieso fragst du?“, sagte Maron mit einem gezwungenen Lächeln und sortierte ihre Unterlagen und Bücher. Es war Samstag. Sie und Chiaki hatten sich bei ihr zu Hause verabredet, damit er am Feinschliff ihrer Hausarbeit helfen konnte, welches sie in der kommende Woche abgeben musste. Ihr Freund verengte ungläubig die Augen. „Irgendetwas beschäftigt dich. Du wirkst geistesabwesend und gestresst.“, sagte er besorgt. Seit einer Woche entging es ihm nicht, dass seine Freundin sich mehr als merkwürdig benahm. Dass sie sich mit einem verstörten Blick auffällig oft in allen Richtungen umdrehte, total unkonzentriert und angespannt war. Nur an manchen Augenblicken konnte Maron sich in Chiaki’s Anwesenheit etwas entspannen, doch das minderte seine Sorgen nicht. „Ja. Uni stresst mich und ich muss mir gedanklich einen Plan machen, wann ich was mit Lernen anfange.“, sagte sie und stapelte ihre Papiere auf dem Tisch zusammen. „Schließlich sind bald Prüfungen.“, vollendete sie, darauf hoffend, so überzeugend wie möglich geklungen zu haben. Chiaki wirkte nicht ganz überzeugt. „Mag zwar sein, aber-…“ „Mir geht’s gut, Chiaki!“ Ohne dass Maron es merkte, verkrampften sich ihre dünnen Hände um den Papierstapel, sodass ihre Knöchel weiß hervorstachen. Mit einem unschlüssigen Ausdruck musterte Chiaki sie stumm. Sie war blasser als sonst, dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren braunen Augen ab und die langen Haare fielen ihr glanzlos und ohne Volumen herunter. So ein Zustand kann nicht von einfachem Unistress kommen. Seufzend reichte Chiaki über den Tisch nach ihrer Hand, löste ihren angespannten Griff und ließ sie sachte auf seine ruhen. Er spürte, wie Maron sich etwas entspannte. Mit einem warmen Lächeln umschloss Chiaki vorsichtig ihre Hand und fuhr kreisende Bewegungen mit seinem Daumen über ihren Handrücken. „Was auch immer es ist…Denk daran, dass ich für dich da bin.“, sprach er eindringlich auf sie ein. Diese senkte schuldig ihre Augen zu Boden und biss sich unsicher auf die Lippe. „Okay...“, sagte sie schließlich. Chiaki beugte sich über den Tisch und drückte der Braunhaarigen einen Kuss auf die Stirn. In Maron fand ein reiner Gewissenskonflikt statt. Tief in ihrem Inneren wollte sie Chiaki doch alles erzählen. Dass ihr Ex-Freund sie womöglich stalkte und -Gott weißt wo- ihr irgendwo auflauerte. Doch sie konnte es nicht. Sie konnte es ihm nicht sagen. Ein Klopfen an der Tür ließ das Paar zusammenfahren. Yamato und Miyako standen vor der Tür.  „Hey, ich wollte euch fragen, ob ihr Lust habt mit uns in den Freizeitpark zu gehen. Touya und Yusuke haben wir auch eingeladen.“, fragte Yamato und hielt Freizeitpark-Tickets in die Höhe. „Meine Eltern haben die mir geschenkt.“ „Als Ablenkung zum Unistress.“, fügte Miyako hinzu und gab Maron einen vielsagenden Blick. Chiaki drehte sich ebenfalls zu ihr um. „Ich hätte nichts dagegen.“, sagte er schulterzuckend. Drei Paar Augen schauten die sie erwartungsvoll an. Maron musste schwer schlucken. „Okay, ich denke du hast Recht, Miyako.“, sagte sie mit einem künstlichen Lächeln.   Vor dem Eingang des Freizeitparkes fanden die vier Freunde Touya bereits wartend vor. Die Mädchen begrüßten ihn mit einer freundschaftlichen Umarmung, während Yamato ihm einen einfachen Handschlag gab. „Kirishima.“, begrüßte Chiaki den Rothaarigen und neigte leicht den Kopf. „Nagoya.“, nickte Touya trocken zurück. Maron rollte mit den Augen. Noch immer war ihr tätowierter Kommilitone skeptisch gegenüber Chiaki. War fest davon überzeugt, dass er ihr das Herz brechen würde und zweifelte, dass die Beziehung was wahrhaftig Ernsthaftes sei. Maron nahm seine Zweifel und Bedenken mit einem Schulterzucken hin. „Wo ist den Yusuke?“, fragte sie als ihr auffiel, dass Touya alleine war. „Er hat heute ein wichtiges Familientreffen, weshalb er nicht mitkommen konnte.“, antwortete er ihr und trat einen Kieselstein beiseite. „Ah…“ Mehr wollte die Diebin auch nicht mehr wissen. „Komm lass uns rein gehen, oder wollt ihr draußen Wurzeln schlagen?“, rief Miyako, die schon ihr Ticket einlöste. „Wir kommen schon!“, rief Touya zurück und lief bereits vor. Maron spürte, wie Chiaki sachte einen Arm um ihre Taille legte. Die Geste gab ihr ein warmes, sicheres Gefühl, was nur er schaffte. Mit großen Augen schaute sie zu ihm hoch. Chiaki lächelte sanft auf sie herab und nickte mit dem Kopf Richtung Eingang. Maron schloss kurz ihre Augen, nahm tief Luft und lächelte ebenfalls. Diesmal ungezwungen. Zusammen begaben sich die Medizinstudenten in den Freizeitpark rein. Es wird schon nichts passieren…!, dachte Maron sich ermutigend und warf ihre negativen Empfunden für die nächsten Stunden weg.   Zu ihrer eigenen Überraschung waren all ihre Sorgen wirklich wie vergessen und sie konnte nach Tagen wieder aus vollem Herzen lachen und spaßen. Sie und ihre Freunde machten eine Attraktion nach der anderen mit. Angefangen von Autoscootern bis zu schwindelerregenden Achterbahnen. „Lass uns als nächstes durch das Spiegellabyrinth gehen!“, rief Maron den anderen erfreut zu und deutete mit dem Finger auf das nächste Ziel. „Yamato und ich wollten aber jetzt in den Riesenrad. Da ist gerade keine Schlange.“, wendete Miyako ein, die in dem Arm ihres Freundes eingehakt war. „Riesenrad ist doch stinklangweilig.“, entgegnete Maron und stemmte die Hände an die Hüfte. „Ich wollte mir jetzt eigentlich was zu essen holen.“, sagte Touya mit erhobener Hand. „Hab nämlich Hunger.“ „Dann gehe ich mit Maron durch das Labyrinth, ihr macht was auch immer ihr machen wollt und wir treffen uns dann alle in ein paar Minuten hier an dieser Bank.“, schlug Chiaki diplomatisch vor, worauf alle zustimmend nickten. „Okay, dann bis gleich.“, winkte Yamato und ging mit Miyako Richtung Riesenrad. Touya war ebenfalls schon in der Menschenmenge verschwunden. Währenddessen standen Chiaki und Maron vor dem Labyrinth. „Schau. Auf dem Schild steht, die Durchschnittszeit um rauszufinden sei fünfzehn Minuten.“, las Maron vor. Mit einem herausfordernden Lächeln sah sie zu ihrem Freund auf. „Lass uns ein Wettrennen machen.“ Chiaki zog amüsiert eine Braue hoch. „Wer von uns beiden schneller draußen ist?“ „Ja.“ Bevor er noch was sagen konnte, war seine Freundin schon reingerannt. Der Blauhaarige stand noch eine kurze Weile vor dem Eingang und lachte leise in sich hinein. Süß…, dachte Chiaki sich und ging anschließend ebenfalls rein. In der Zwischenzeit lief Maron schon durch den durchspiegelten Irrgarten umher. Die Wände waren bis zu zwei Meter hoch und die Gänge waren in alle Richtungen geschickt durchwinkelt und verzweigt. Dadurch dass es sich bei den Wänden um Spiegeln handelte, bekam das Labyrinth einen erhöhten Schwierigkeitsfaktor. So kam es nicht selten vor, dass die Studentin sich vor einer Sackgasse wiederfand. Ab und an kamen ihr verwirrte Besucher entgegen gelaufen. Als Maron an einem versteckten -dennoch beschilderten- Notausfang vorbeilief, stand sie wieder vor einer Sackgasse. Frustriert schnaufte sie aus. Es wunderte sie, dass Chiaki ihr noch nicht entgegen kam. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie schon länger als zehn Minuten umherirrte.  Ob er schon rausgeschafft hat?, ging es ihr durch den Kopf, während sie sich kurz im Spiegel betrachtete und die Haare richtete. Plötzlich öffnete sich hinter ihr die verspiegelte Tür des Notausganges und eine Person kam hindurch. Ehe Maron reagieren konnte, wurde ihr ein Tuch vor das Gesicht gehalten und der süßliche Geruch von Chloroform benebelte ihre Sinne. Das Letzte was sie sah, waren lange rote Haare, dunkle Augen und ein gehässiges Grinsen im Spiegel. Dann wurde alles schwarz. *** „Du gehst nach Frankreich?“, fragte Maron Hijiri überrascht während sie in der Schulcafeteria Mittag aßen. Sein Abschluss stand in wenigen Tagen an und soeben hatte er ihr seine Pläne erläutert. „Ja, fürs Studium. Ich habe gestern eine Zusage bekommen und Tickets sind auch schon gebucht.“ „Was? Und wieso erfahre ich erst jetzt davon?“, brachte Maron noch überraschter entgegen und hob eine Augenbraue. „Tut mir leid. Ich habe selbst noch nicht einmal erwartet, dass ich angenommen werde. Deshalb habe ich noch nichts gesagt. Nicht dass wir uns am Ende alle falsche Hoffnungen gemacht hätten.“, erklärte Hijiri mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. „Okay… Und was wirst du dort studieren?“ „Europäische mittelalterliche Geschichte.“ „Ah… natürlich.“, nickte Maron mit dem Kopf und widmete sich wieder ihrer Bentobox. Hijiri hatte schon immer ein außergewöhnliches Interesse an Geschichte, was sie persönlich nicht nachvollziehen konnte. Sie konnte es sich nicht vorstellen stundenlang sich mit trockenen Theorien alter Zeiten zu beschäftigen und vor staubigen, alten Dokumenten und Schriften zu sitzen. „Und was denkst du?“, fragte er. „Über was?“, fragte sie zurück. „Wie es mit uns weitergeht.“ „Oh… Naja, wird doch auf eine Fernbeziehung hinausgehen, oder nicht? Und du wirst an den Feiertagen bestimmt zu Besuch kommen.“ Maron wusste nicht, wieso sie das sagte. Hinsichtlich den neusten Umständen würde sie die Beziehung lieber beenden wollen. Allein unter dem Vorwand das er wegging. Hijiri schüttelte den Kopf und sagte: „Ich werde wahrscheinlich nicht das Geld haben, um für einen Besuch nach Japan zurückfliegen.“ „Werden deine Eltern dir kein Geld geben?“ „Doch, aber nur um das Studium finanzieren zu können. Die Studiengebühren haben es in sich.“ „Oh…“ Traurig stimmte sie das alles nicht. „Wir sollten die letzten gemeinsamen Tage genießen, solange ich noch hier bin, findest du nicht?“, sagte Hijiri und legte eine Hand auf Maron’s. Seine dunklen Augen blickten eindringlich in ihre. „Ja…Schätze schon.“, sagte Maron. Mit einem Grinsen beugte Hijiri sich über den Tisch und drückte ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. Maron zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Ein unangenehmes Gefühl kam ihr hoch, welches sie nicht zuordnen konnte. *** Chiaki brauchte keine fünfzehn Minuten bis er wieder draußen war. Zu seiner Verwunderung war Maron nirgends zu sehen. Er wartete noch einige Minuten, doch es kamen alle möglichen Menschen aus dem Labyrinth raus, bloß nicht seine hübsche, braunhaarige Freundin. Ist sie vielleicht schon beim Treffpunkt?, fragte er sich und setzte sich in Bewegung. Auf der Bank saß Touya, hielt eine halbleere Packung Tintenfischbällchen in der Hand und schlürfte an einer Soda. „Hey, hast du Maron gesehen?“, fragte Chiaki ihn. „Kann noch nicht mal auf seine Freundin aufpassen…“, murmelte Touya (laut genug sodass Chiaki es hören konnte), bevor er antwortete: „Nein. Sie war doch die ganze Zeit bei dir.“ Mit einem kritischen Blick schaute er zu dem Blauhaarigen auf und zog eine Augenbraue hoch. Chiaki verdrehte die Augen und erklärte: „Wir hatten im Labyrinth ein Wettrennen veranstaltet und sie kam nicht raus. Da dachte ich, sie wäre schon längst draußen.“ Touya machte ein ahnungsloses Gesicht. „Ich sitze seit zwanzig Minuten hier und warte auf euch alle.“ „Verstehe…“ Eine steigende Unruhe breitete sich in Chiaki’s Inneren aus. Er holte sein Handy aus der Hosentasche und versuchte Maron anzurufen. Kein Erfolg. Sofort wurde die Leitung weggedrückt. Er versuchte es erneut, erreichte jedoch dasselbe Ergebnis. „Wo bist du?“, schrieb er anschließend als Nachricht. Er bezweifelte, dass etwas zurückkommen würde. Zu seiner Überraschung blinkte das Display auf und eine Nachricht erschien: „Mir ging es nicht gut. Bin schon nach Hause gegangen :)“ Chiaki zog die Augenbrauen zusammen. Ihr ging es doch gesundheitlich und körperlich gut, wieso sollte sie schon nach Hause gegangen sein? Und dass ohne ihn oder ihren Freunden? Oder ohne richtigen Abschied? Wieso konnte sie seine Anrufe nicht annehmen, aber ihm zurückschreiben? Alles an der Nachricht wirkte falsch und gekünstelt, selbst der Smiley. Chiaki mochte Emojis nicht. Abgesehen davon, stimmte etwas so ganz und gar nicht. Das war ihm von Anfang an klar. „Hey, wo ist Maron?“, hörte er Miyako sagen, die mit Yamato im Schlepptau auf ihn zugelaufen kam. Mit einem ernsten Gesichtsausdruck drehte Chiaki sich zu der Kurzhaarigen um. „Bitte, sag mir was los ist.“ „Was?“, fragte sie überrascht. „Maron ist weg. Ich erreiche sie mit dem Handy nicht. Und ich bin mir sicher, ihr verschwinden hat irgendwas mit dem zu tun, was sie mir verschweigt.“, erklärte er ruhig. Inzwischen war Touya aufgestanden und blickte mit großen Augen zwischen beiden Mitstudenten hin und her. Auch Yamato machte einen alarmierenden Gesichtsausdruck. „Maron ist verschwunden?“, flüsterte Miyako fassungslos, die Augen schockiert geweitet. „Ja. Und ich bin mir sicher, dass du weißt worum es geht.“, sagte Chiaki. Aufgewühlt biss sich Miyako auf die Unterlippe und hielt sich eine Hand vor das Gesicht. „I-Ich habe ihr versprochen nichts zu sagen…“, setzte sie an. „Aber….?“ „Aber lieber ein Versprechen brechen, als darauf zu warten, dass ein Irrer meine beste Freundin noch umbringt.“, vollendete die Politeitochter ernst und begann anschließend von den Fotos zu erzählen. Nachdem sie fertig geredet hatte, raufte Chiaki sich verbittert durch die Haare. „Das erklärt einiges.“ Er war wütend. Allerdings war er nicht wütend darüber, dass Maron ihm nichts gesagt hat, sondern über sich selbst, dass er nicht bei ihr geblieben ist. „Das Wichtigste ist jetzt herauszufinden, wo dieser Typ Maron verschleppt haben kann!“, kam es von Touya entsetzt. „Ich werde vorerst meinem Vater Bescheid geben.“, sagte Miyako und zog ihr Handy raus. Chiaki lief währenddessen nervös auf und ab. Was konnte er nur tun? Wäre Access hier, würde er ihn losschicken, um Maron zu suchen. Er wusste nicht was er tun konnte und er hasste es. Er hasste es, sich machtlos zu fühlen. Sowie damals…. Auf einmal durchfuhr ihm ein stechender Schmerz durch den Kopf und er sah Bilder vor sich. Er sah Bilder von einem bunt leuchtenden Nachthimmel sowie den Ansatz eines Riesenrades aus einer bestimmten Entfernung, in einem bestimmten Winkel. Der Freizeitpark…? Verwirrt drehte der Dieb sich zur Seite und sah das Riesenrad direkt vor sich. Aber wie…? Die fremden Bilder begannen sich mit der Realität zu vermischen und er hörte Geräusche sowie Stimmen. Er hörte die distanzierte Freizeitparkmusik, eine Männerstimme sowie… Maron’s Stimme. „Lässt die Wirkung etwa schon nach?“, fragte die Männerstimme. „Nicht…!“, wisperte Maron schwach. Chiaki sah einen Arm. Er erkannte Maron’s Jackenärmel wieder. Er realisierte, dass er alles aus ihren Augen sah. Sie versuchte jemanden von sich zu drücken. Dank der Lichter konnte er die Silhouette eines jungen Mannes erkennen. Er verspürte das Gefühl von Angst in seinem ganzen Körper. Ihre Angst. Vermischt mit seiner. Dann hörte die Vision auf. Schmerzlich keuchte Chiaki auf und hielt sich den Kopf.  „Hey, Chiaki! Alles okay?“, hörte er Yamato besorgt fragen. Zwei weitere Paar Augen waren auf ihn gerichtet. Ihm war nicht bewusst, dass er wie erstarrt dastand. „Ja…mir geht es gut!“, sagte er, richtete sich wieder auf und ging los, „Ich weiß, wo Maron ist….Zu mindestens die Richtung in der sie sich befinden muss.“ Perplex liefen die anderen Drei ihm hinterher. „Irgendwo außerhalb des Geländes muss sie sein.“, sprach Chiaki weiter und deutete mit dem Finger in die gezielte Richtung. „W-woher weißt du das?“, fragte Miyako irritiert. „GPS.“, log er. Ehe Chiaki sich versah, rannte er los. *** Es war spät abends als es an der Tür der Kusakabes klingelte. „Oh. Hey.“, brachte Maron überraschter als beabsichtig hervor, als sie Hijiri sah.  „Hey.“, begrüßte er sie mit einem Lächeln. „Was machst du hier? Du fliegst doch morgen.“, fragte die Schülerin verwundert. „Ja, ich habe deine Nachricht gesehen, dass du mit mir reden wolltest.“, sagte Hijiri ruhig und hielt sein Handy mit der besagten Nachricht hoch. Sein Gegenüber biss sich auf die Lippe. Die ganze Zeit schon wartete sie auf einen guten Moment mit ihm Schluss machen zu wollen und nun hat es sich bis zum letzten Tag hinausgezögert. Maron wusste auch nicht, wie sie sowas angehen sollte, schließlich hatte sie noch nie eine Beziehung beendet. Abgesehen von dem Fakt, dass dies ihre erste war. „Ich, eh…meinte eigentlich damit, dass ich mit dir am Telefon reden wollte…“, sagte sie. „Ich wollte dich nicht stören, wenn du dich für die Reise bereit machst.“ „Nun, jetzt bin ich hier… Ich wollte dich sowieso noch ein letztes Mal sehen, bevor ich weg bin.“ Das war nicht das, was Maron geplant hatte. Aber vielleicht war ein persönliches Gespräch doch die humanere Methode. „O-Okay. Komm doch rein.” Wie ihm geheißen, betrat er ihre Wohnung. „Wo sind deine Eltern?“, fragte Hijiri, als er das Wohnzimmer betrat. „Die sind auf einem Wochenendtrip und feiern gerade ihren Hochzeitstag.”, sagte Maron, setzte sich aufs Sofa hin und schaute aus dem Fenster raus. „Süß, wie verliebt sie nach so vielen Jahren Ehe noch sind…Sowas will ich auch mal erleben.“ Zu spät merkte sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte. Hijiri setzte sich zu ihr dazu. „Ist das was wir haben etwa nicht so?“, fragte er eindringlich und legte einen Arm über ihre Schultern. Die Geste brachte Maron einen eiskalten Schauer über ihren Rücken. „Ich… eh-...“ Doch ehe sie was sagen konnte, drückte Hijiri seine Lippen fest auf ihre. Überrascht riss die Braunhaarige ihre Augen auf und drückte ihn von sich. „Was sollte das?!“, rief sie entsetzt aus. Ihr Gegenüber schenkte ihr ein kaltes, unheimliches Lächeln. „Na was wohl! Ich will unseren letzten Abend aufs vollste genießen und ausnutzen.“ „Ich will aber nicht.“, funkelte Maron ihn an, ihre Stimme war heiser. „Du willst nie, Maron.“, sagte Hijiri und sein Lächeln verschwand. Die Angesprochene zuckte verängstigt zusammen und versuchte Abstand zwischen sich und ihm zu halten. Maron wusste, dass Hijiri eine obsessive, besitzergreifende Art hatte - doch das ging weitgehend über ihre Erwartungen hinaus. Plötzlich drückte er sie auf das Sofa herunter und sie spürte seine Lippen an ihrem Hals. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Alles in ihr wollte schreien. Würde schreien etwas nützen? Ob jemand sie hören würde? Ihre Eltern werden nicht nach Hause kommen und Fin war noch auf Dämonensuche. Verdammt…!, dachte sich Maron verbissen, ballte ihre Hand zu einer Faust und gab Hijiri einen kräftigen Schlag auf die Schläfe. „Geh runter von mir!!“, schrie sie aufgebracht und versuchte sich aufzusetzen, doch er hielt sie fest und drückte sie wieder herunter. Hijiri hielt sich eine Hand über die geschlagene Stelle und blickte leicht überrascht zu Maron herunter. In der nächsten Sekunde wurde sein Gesichtsausdruck fuchsteufelswild. „Du! Miststück!“, zischte er wütend und schlug ihr mit dem Handrücken über das Gesicht.  Ein Schmerzensschrei entkam Maron. Im nächsten Augenblick spürte sie, wie Hijiri wieder seine Lippen auf ihre drückte. Seine rauen Hände wanderten unter ihren Klamotten. Die kalten Berührungen ließen Maron erschaudern. „Bitte nicht…“, wisperte sie hilflos. Tränen standen ihr in den Augen. Als Antwort hörte sie nur ein kühles, diabolisches Lachen. Ihr Shirt wurde ihr über den Kopf hochgeschoben. „Wehe du bewegst dich.“, kam es von Hijiri als Warnung, die Stimme dunkel und rau.  Eine Hand war dabei ihre Leggins runterzuziehen, als plötzlich die Haustür aufging. „Maron? Ich habe Geräusche gehört und die Tür war offe-…“ Mit schockiert großen Augen und offenen Mund stand Miyako in der Wohnung ihrer Freundin. Kaum hatte sie registriert, was für eine Szene sich vor ihr abspielte, ging sie stampfend auf Hijiri zu, gab ihm mit aller Kraft einen Kinnhaken, sodass er von Maron runtertaumelte. „Halt dich gefälligst fern von ihr, du mieser Hurensohn!! Oder ich jag dich bis ans Ende der Welt!!“, schrie sie wutentbrannt und stellte sich zwischen ihm und Maron auf. Zähneknirschend warf Hijiri beiden Frauen einen stechenden Blick zu, ehe er wortlos die Wohnung verließ. Miyako stierte ihm noch eine Weile hinterher, bis sie ein Schluchzen hinter sich vernahm. „Maron! Bist du verletzt?“, fragte sie besorgt und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter. Daraufhin warf sich die Braunhaarige in die Arme ihrer Freundin und weinte hemmungslos. Im selben Moment kam Fin zurück und sah mit großen Augen verwirrt zu ihrem Schützling herunter. Gleichzeitig näherten sich der Wohnung Schritte.  „Was ist hier los?“, kam es von Himuro Toudaiji, der mit einem fassungslosen Ausdruck vor der Tür stand. Seine Tochter ging nicht auf seine Frage ein und konzentrierte sich komplett auf Maron. Strich ihr beruhigend über den Rücken und blieb die ganze Nacht an ihrer Seite. *** „Ich habe noch eine Rechnung mit dir offen.“, hörte Maron Hijiri sagen. Seine Stimme war wie ein entferntes Echo. Ihr Kopf schmerzte und Schwindelgefühle überkamen sie. Ihr Körper fühlte sich wie betäubt an. Als sie merkt, wie grobe Hände an ihren Klamotten zerrten, schaffte sie es dessen Besitzer von sich zu drücken. Doch dann spürte Maron, wie sie hart zu Boden gedrückt wurde. „Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir unsere Beziehung offiziell beendet haben. Kaum versehe ich mich, hast du schon einen Neuen an der Leine.“, sagte Hijiri gefährlich ruhig, „Was für ein dreckiges Miststück du doch bist, Maron.“ „Nach deiner Aktion damals… war es vorbei zwischen uns…!“, brachte die Angesprochene hervor. „Wann was vorbei ist, hast du nicht zu bestimmen!“, zischte ihr Ex-Freund und schlug sie ins Gesicht. „Außerdem hatte es dir doch gefallen. Wäre bloß deine schlampige Freundin nicht dazwischen gekommen!“ Maron sah, wie er die Hand wieder erhob und zum zweiten Schlag ansetzen wollte. Angsterfüllt kniff sie die Augen zusammen, machte sich auf den Schmerz bereit. Doch stattdessen hörte sie Schritte sowie ein schmerzhaftes Stöhnen von Hijiri. Sie spürte, wie dessen Körpergewicht sich von ihr entfernte. „Fass sie nicht an!“, sprach eine vertraute Stimme. Chiaki…! Benommen öffnete Maron ihre Augen und sah wie Chiaki ihrem Ex-Freund das Knie in die Brust rammte. Hijiri schwankte zurück, stierte seinen blauhaarigen Gegner zornig an. Auf einmal zog er ein großes Taschenmesser aus seiner Tasche und ging damit auf Chiaki zu, doch das wich er gekonnt aus, packte seinen ausgestreckten Arm und warf ihn mit einem Schulterwurf zu Boden. Chiaki nagelte ihn mit dem Knie am Rücken auf dem Boden fest und entfernte dessen Messer aus der Hand. Maron konnte Chiaki’s Gesicht nicht sehen, doch aus irgendeinem Grund blickte Hijiri mit Horror in den Augen zu ihm auf. „Maron!“, hörte sie drei bekannte Stimmen nach ihr rufen. Yamato und Touya beugten sich über sie und halfen ihr auf. Miyako lief an ihnen vorbei, gesellte sich zu Chiaki und gab Hijiri eine kräftige Ohrfeige. Aus einer Jackentasche holte sie unerwartet Handschellen hervor. „Gut das mein Vater mir welche als Glücksbringer geschenkt hat.“, sagte Miyako. „Und ich bin mehr als glücklich, die an dir anlegen zu können, verdammter Psychopath.“ Nach einer Weile waren Polizeisirenen zu hören und kurze Zeit später waren schon Inspektor Toudaiji und seine Kollegen vor Ort. „Hijiri Shikaidou. Du kommst wegen Stalking, Entführung, versuchter Körperverletzung, sexuelle Nötigung sowie versuchter Vergewaltigung mit uns aufs Revier.“, sagte Miyako’s Vater souverän und wandte sich mit einer väterlichen Fürsorge an Maron: „Alles okay? Lass dich am besten von einem Arzt untersuchen.“ „Mir geht es gut.“, flüsterte die Freundin seiner Tochter und schüttelte monoton den Kopf. Himuro fuhr sich seufzend über das Kinn. „Ich würde dir raten, eine Einstweilige Verfügung gegen ihn zu beantragen.“ Stumm nickte Maron. Damit setzte der Ältere sich wieder auf, ging auf Chiaki und Miyako zu und befragte die Beiden. „Ich habe mich geirrt.“, sagte Touya wie aus dem Nichts und schaute Maron entschuldigend an. „Was meinst du?“, fragte sie ihn. „Chiaki ist doch kein schlechter Kerl.“, sagte er anerkennend. „Du scheinst ihm wirklich wichtig zu sein.“ Bevor Maron wieder was sagen konnte, liefen Haruta und Fuyuta an ihr vorbei und waren dabei Hijiri wegzuführen. „Ich an deiner Stelle würde ihm nicht trauen.“, sagte er an Maron gerichtet und deutete mit einer Kopfbewegung auf Chiaki. „Fick dich.“, zischte sie und verengte hasserfüllt ihre Augen. Im selben Augenblick stellte sich Chiaki zu ihr und legte beschützend einen Arm um ihre Taille. Seine Miene war eine ausdruckslose Maske. Hijiri schüttelte seinen Kopf und lachte kühl. „Denk an meine Worte, Maron.“ *** Alles was danach Geschah bekam Maron nicht mehr mit. Ihr Kopf war wie abgeschalten. Sie bekam nicht mit, wie Chiaki ihr fürsorglich seine Jacke über die Schulter lege und sie aus dem Freizeitpark rausführte. Sie bekam nicht mit, wie sich ihre Freunde von ihr verabschiedeten. Sie bekam auch nicht mit, wie ihr Freund sie nach Hause brachte. Die ganze Zeit über sagte Chiaki auch nichts, bis Beide vor Maron’s Haustür standen und er nach dem Schlüssel fragte. Geistesabwesend drückte sie ihm den Bund in die Hand. Es dauerte einige Versuche, bis der junge Student den Hausschlüssel fand. Vorsichtig nahm er Maron bei der Hand und führte sie rein. In ihrem Zimmer angekommen, fing sie an vor seinen Augen zu zerbrechen. Zusammengekauert ließ Maron sich an der Wand herunterrutschen und weinte. Weinte Tränen, die sie seit Tagen zurückgehalten hatte. Tränen, die sie nicht mehr aufhalten konnte. Sie wollte stark bleiben. Sie wollte nicht, dass Chiaki sie so sah. Doch sie schaffte es nicht mehr. Chiaki brach es das Herz sie so zu sehen. Vorsichtig näherte er sich ihr und legte seine Arme um sie. Maron ließ es geschehen.   „Erzählst du mir, was passiert ist? Was es mit diesen Hijiri auf sich hat?“, fragte Chiaki in einer leisen, ruhigen Stimme. Er saß auf dem Boden neben Maron’s Bett, während sie in ihrer Decke eingewickelt darauf saß. Nur eine Hand lugte raus und hielt seine, die auf der Matratze ruhte. Beide wussten nicht wie viel Zeit vergangen war, seit sie den Freizeitpark verlassen hatten. Das war ihnen auch egal. Bis auf das Licht der Lampe auf dem Nachttisch war es dunkel in Maron’s Zimmer. Mit einem herzzerreißenden Blick schaute Chiaki zu ihr auf. Sie atmete tief durch und sammelte sich, ehe sie ihm antwortete: „… Es ist alles jetzt über ein Jahr her…“ Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern. „Er war ein Jahr über uns in der Oberstufe. Und… er war mein Ex-Freund.“ Dann erzählte sie Chiaki alles. Sie erzählte ihm alles und ließ nichts aus. Während sie erzählte, ließ Chiaki seine braunen Augen keine Sekunde von ihr ab.  „Meinen Eltern hatte ich nur erzählt, dass es zwischen uns aus war. …Durch Yamato -der hatte sich bereit erklärt hatte, bei seinem Elternhaus nachzusehen- hatten wir erfahren, dass er wirklich weg war…Ich hatte gehofft, dass er wegblieb…“, schloss Maron ab. „Unglaublich. Ich hatte so etwas in der Richtung geahnt, als Miyako mich verhört hatte…“, sagte Chiaki. „Der kann froh sein, dass er hinter Gittern kommt. Ansonsten würde er ein zweites Treffen mit mir nicht überleben.“ Maron nach atmete hörbar ein und wieder aus. „Nächtelang konnte ich nicht schlafen, lag wach im Bett und spürte überall seine Hände und Lippen an mir. Auch die letzten Tage, als die Fotos auftauchten, kam alles wieder hoch und ich bekam kein Auge mehr zu.“, sagte sie. Für einen Moment war es still zwischen ihnen. „Das meintest du also, als du sagtest, du hättest Angst den falschen Leuten zu vertrauen.“, schlussfolgerte Chiaki ruhig. Maron nickte zur Bestätigung und zog die Decke enger an sich. „Es war meine Schuld…“, sagte er plötzlich, worauf Maron schockiert zu ihm runterschaute. „Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen.“, fügte Chiaki hinzu und wandte sich zu ihr. Sein Gesichtsausdruck brach Maron innerlich das Herz. „Dich trifft keine Schuld! Wenn dann trifft mich alle Schuld, weil ich dir nichts gesagt habe.“, sagte sie schnell. „Außerdem hast du mir das Leben gerettet…!“ Reumütig und ernst schüttelte ihr Freund den Kopf. „Trotzdem hätte es nicht soweit kommen sollen, wenn ich bei dir geblieben wäre. Es war Glück, dass ich dich finden konnte…“ Er stoppte sich kurz. Sollte er ihr von der Vision erzählen? Sollte er ihr erzählen, dass er alles sehen, hören und fühlen konnte, was sie sah, hörte und fühlte? Er entschied sich dagegen, um nicht noch für verrückt abstempelt zu werden. Chiaki konnte es sich schließlich selbst nicht erklären, von was das plötzlich kam. „Du solltest schlafen. Es war ein harter Tag für dich.“, sagte er, ließ von ihrer Hand los und stand auf. „Warte…“, sagte Maron und hielt ihn am Handgelenk fest, „Bleibst du bitte bei mir?“ Sie wollte nach allem auf keinem Fall alleine sein. Jetzt, wo auch Fin verschwunden war. „Ja. Ich werde nebenan sein.“, sagte Chiaki. „Ich-…Ich möchte dich aber hier…bei mir haben.“ Sie blickte zu ihm auf. Er strich ihr mit einer Hand sachte durch die Haare und ließ sie auf ihrer Wange ruhen. „Vertraust du mir?“, fragte er leise. „Ja.“, sagte sie ohne zu zögern. Maron zog Chiaki an seinem Handgelenk zu sich, sodass er halb auf das Bett fiel und halb auf darauf kniete. Sie wollte ihn bei sich haben. Nah bei sich.   Letztlich lagen die Beiden engumschlungen auf ihrem Bett, die Finger ineinander verflochten. Ihr Kopf auf seiner Schulter, sein Arm beschützend hinter ihrem Rücken. Zärtlich strich Chiaki mit der Hand über ihren Oberarm. Sie konnte seinen ruhigen Herzschlag in der Brust hören und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Kopf.  Für eine Weile lagen sie schweigend da, bis Chiaki die Stille durchbrach. „Du weißt, dass ich ab sofort nicht mehr von deiner Seite weichen werde.“, wisperte er ihr ins Ohr. „Okay.“, wisperte Maron zurück und lächelte. „Ich bleibe bei dir…für immer.“ „Ja…“ „Du riechst gut.“ Maron spürte, wie Chiaki’s Lippen sich zu einem Lächeln formten. „Wirklich?“ „Mhmmm. Nach Zitrone.“ Ihr entkam ein leises Lachen. Chiaki schaute Maron an und zog sie enger an sich. Mit den Kopf lehnte er sich zu ihr nach vorne. „Was würdest du tun wenn ich dich jetzt küsse?“, fragte er leise. Die Stimme verführerisch tief. Maron starrte sehnlich ihn an. „Ich würde dich zurückküssen.“, antwortete sie ihm ehrlich. Mit den Worten legte Chiaki seine Lippen sanft auf die ihrer und in dem Moment blieb die Welt für sie stehen. Der Kuss war sowohl zärtlich als auch gefühlvoll. Etwas was Maron noch nie erlebt hatte. Und sie genoss es mit jeder Faser ihres Körpers. Chiaki löste sich von ihr und sah ihr mit einem liebvollen Lächeln tief in die Augen. Sie lächelte ebenfalls, nahm sein Gesicht in beide Hände und versiegelte ihre Lippen wieder miteinander. Diesmal wurden der Küsse intensiver, leidenschaftlicher. Maron spürte, wie Chiaki ihr mit seiner freien Hand über die Wange strich und durch die langen Haare fuhr. Seine andere Hand war stabil auf ihrem Rücken platziert, hielt sie fest. Seine Berührungen brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Nach einer Weile entfernten sie sich voneinander. Atemlos. Die Lippen angeschwollen. Ihre Herzen schlugen im Gleichtakt schnell auf. Mit einem glücklichen Gefühl schlief das Paar schließlich ein.   Chapter 10: Mysterious Connection --------------------------------- Chapter 10: Mysterious Connection   Am nächsten Morgen wachte Maron als erste auf und fand sich immer noch eng umschlungen in Chiaki’s Arm wieder, seine langen Beine mit ihren verhakt. Sie selbst hatte einen Arm um seine Taille, spürte wie sich seine Rippen unter seinem weißen T-Shirt regelmäßig auf und ab bewegten, während er atmete. Selbst nach fast vierundzwanzig Stunden haftete noch der Duft seines (und ihres) Lieblingsparfüms an ihm – „Presence“ von Montblanc. Mit leichter Bewunderung musterte Maron ihn. Es war das erste Mal, dass sie Chiaki so friedlich und entspannt sah. Ein Arm lag um ihre Taille, der andere befand sich zwischen ihnen, die Hand zu einer lockeren Faust geballt. Bis auf Jacke und Hemd trug er noch dieselben Klamotten vom Vortag und war in ihnen eingeschlafen. Sie dachte an die gestrige Nacht zurück. Wie er sie vor ihrem Ex-Freund gerettet hatte. Wie er anschließend die ganze Nacht bei ihr blieb, ihr zugehört hatte und sie in den Armen hielt. Wie er sie letztlich zu sich zog und sie sanft küsste. Wie seine weichen Lippen sich sachte auf ihre legten. Und wie sie ihn mit Leidenschaft zurückküsste. Bei der Erinnerung daran, legte Maron leicht verträumt die Kuppen ihres Zeige- und Mittelfingers auf ihre Lippen. Gleichzeitig sah sie ihren Freund friedlich vor sich schlafen. Sie empfand das Bedürfnis ihn nochmal küssen zu wollen. Nochmal diese kribbelnde Wärme spüren zu wollen. Nochmal den Geschmack seiner Lippen zu kosten. Ein leichtes Seufzen entkam Chiaki und seine Augen begannen zu zucken. Maron entfernte ihren Arm von seiner Taille, legte ihre Hand in seine und drückte sie. „Guten Morgen.“, flüsterte sie warm lächelnd. Chiaki bewegte leicht seinen Kopf ins Kissen rein. „Hmmm.“, murmelte er und seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Die Augen blieben weiterhin geschlossen. „… In der Tat ein guter Morgen.“ Dann öffneten sich seine verschlafenen Lider und ein paar haselnussbraune Augen begegneten die ihre. „Ich muss sagen, daran kann ich mich gewöhnen.“, murmelte er halbgrinsend, rutschte zu Maron heran und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Woran gewöhnen?“, fragte Maron mit gespielter Ignoranz, die Wangen leicht rosa angelaufen. „Neben meinem Engel einzuschlafen und aufzuwachen.“, grinste er und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Ehe er sich von ihr lösen konnte, umfasste sie seine Wangen mit beiden Händen und intensivierte den Kuss. Zur Chiaki’s weitere Überraschung, drückte Maron ihn auf die Matratze und mit einem Schwung positionierte sie sich über ihn, saß auf seinem Schoß. Sie lächelte inmitten des Kusses. Chiaki konnte sich ein amüsiertes Kichern ebenfalls nicht verkneifen. „Du bist voller Überraschungen, Maron Kusakabe.“, sagte er. „Stille Wasser sind tief.“, entgegnete sie. „Sehr, sehr tief anscheinend.“ Er schenkte ihr ein verführerisch schiefes Lächeln. „Küssen ist doch nicht mehr so dämlich?“ „Halt einfach die Klappe.“ „Gerne.“ Damit setzte der Blauhaarige sich auf und versiegelte ihre Lippen wieder miteinander. Seine Hände wanderten ihre schlanken Beine hoch und blieben um ihre schmale Taille haften. Maron entkam ein leises, genüssliches Seufzen. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und rutschte noch näher an ihn ran als es möglich war. Gierig spielten ihre Zungen miteinander. Sie biss ihm zärtlich auf die Unterlippe, worauf ihm ein raues Keuchen entkam. Chiaki wanderte mit kleinen Küsse von ihrem Mundwinkel langsam ihren Hals herab und verweilte schließlich an ihrer Halsbeuge. Maron kraulte ihm zärtlich durch die Nackenhaare, während sie seinen heißen Atem und seine Lippen auf ihrer Haut spürte. Gleichzeitig strichen seine Finger ihr liebevoll über den Rücken, verursachten ihre eine angenehme Gänsehaut auf der Haut. „Hattest du gut geschlafen?“, fragte er. „Ja.“, sagte sie. „Keine Albträume?“ „Nein… Zum Glück nicht.“ „Da bin ich froh… Ich hatte gestern wirklich Angst gehabt.“, sagte Chiaki, atmete tief ein und aus. „Angst, dass ich dich verlieren könnte.“ „Hattest du nicht.“, sagte Maron, löste sich etwas von ihm und schaute ihm direkt in die Augen. Mit einem verliebten Lächeln strich sie ihm die blauen Haare liebevoll nach hinten. „Ich bin hier…Dank dir. Wie ein Held tauchtest du plötzlich auf, hattest mich gerettet und hältst mir die Albträume fern.“ Chiaki entfuhr ein kurzes, ungläubiges Lachen. „Ich bin kein Held.“, erwiderte er in einer tonlosen Stimmlage und schüttelte den Kopf. „Wieso nicht?“ Sein Gegenüber schaute in konfus an. „Ein Held zu sein bringt zu viel Verantwortung. Helden sind aufopferungsvoll, glauben an alles Gute, wollen das Beste für die Welt und für die gesamte Menschheit.“, erklärte er und hielt kurz inne, schaute Maron an und lachte belustigt auf. „So einer bin ich nicht. Eher das Gegenteil. Egoistisch bis in die Knochen.“, vollendete er und strich ihr eine Strähne hinters Ohr. „Was mich wohl eher zum Schurken macht.“ Seine Freundin schaute ihn für einige Sekunden schweigend an, bis sie selbst kurz auflachte. „Ich sehe das anders.“, sagte sie schließlich und blickte ihn sanft an. „Und selbst wenn… Du bist mein persönlicher Held.” Chiaki lachte leise in sich hinein. „Diesmal keine Geheimnisse mehr, okay?“, fragte er und schmunzelte innerlich bei der Ironie seiner Bitte. Ausgerechnet er bat sie darum keine Geheimnisse mehr vor ihm zu haben. Schließlich gehörte sein Kaito-Dasein zu eines seiner größten Geheimnisse in seinem Leben, die er vor ihr verbergen wird. Auch Maron schaute ihm in die Augen und dachte an ihr Doppelleben als Kamikaze-Diebin. Sie wusste, dass sie ihn jetzt anlügen musste und tief in ihrem Inneren tat es ihr Leid, ihn zu belügen. Ohne weiteres antwortete sie ihm: „Keine Geheimnisse mehr. Versprochen.“ Mit den Worten zog sie Chiaki in ihre Arme und drückte ihn fest an sich. Dieser erwiderte die Umarmung, strich seiner Freundin zärtlich die Wirbelsäule entlang.   „Wir sollten aufstehen und frühstücken.“, sagte Maron nach einer Weile, als ihr Magen anfing zu knurren. „Sollten wir.“, sagte Chiaki. „Müssen aber nicht.“ „Ich habe aber Hunger.“, stupste sie ihm auf die Nase. Damit entfernte sie sich von ihrem Freund und ging aus ihrem Zimmer raus. Chiaki saß noch auf ihrem Bett und starrte ihr mit einem verträumten Blick hinterher. Sie brachte ihn wahrhaftig aus dem Verstand! Schließlich stand er ebenfalls auf, hob sein Hemd vom Boden auf und zog es sich über. Er ließ seinen Blick durch ihr Zimmer schweifen. Auf Maron’s Schreibtisch sah er ein Buch mit Lesezeichen in der Mitte. Neugierig nahm der Student es in die Hand. Es war „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen. „Ich wusste gar nicht, dass du auf englische Klassiker stehst.“, sagte Chiaki laut, während er mit dem Buch in der Hand in die Küche ging und sich lässig am Türrahmen anlehnte. „Ich hoffe nicht, dass du auch zu den Mädchen gehörst, die total auf ‚Romeo und Julia‘ abfahren.“, fügte er wie beiläufig hinzu und blätterte durch ein paar Seiten. „Was ist wenn ich ‚Ja‘ sage?“, fragte Maron, stand mit dem Rücken zu ihm gewandt vor dem Kühlschrank, drehte ihren Kopf in seine Richtung und hob eine Augenbraue. „Dann überdenke ich die Beziehung.“, neckte er sie. Daraufhin prustete sie vor Lachen los und schüttelte den Kopf. „Dann habe ich ja nichts zu befürchten! Wir hatten das in der Schule behandelt und die Story war mehr als stinkend langweilig in meinen Augen!“ versicherte sie ihm, machte nebenbei Kaffee und backte Brötchen sowie Croissants auf. „Diese übertriebene Romantisierung von der Liebesgeschichte ist auch extrem fehlinterpretiert. Ich meine, die Beiden waren gerade mal vierzehn -oder so- und kannten sich nicht mal fünf Tage bevor sie sich vor lauter Vernunftlosigkeit umbrachten.“ Sie verzog belustigt das Gesicht, worauf Chiaki zustimmend anlächelte. Er teilte ihre Meinung zu Shakespeares Klassiker. „Jane Austen’s Darstellung von Romantik mag ich eher.“, sagte Maron abschließend und lehnte sich mit dem Rücken an der Arbeitsplatte an. „Du weißt, dass Beide zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben und es daher auch unterschiedliche Ansichten zur Liebe gab.“, kommentierte Chiaki besserwisserisch. „Und?“, erwiderte die Braunhaarige gleichgültig und holte Geschirr aus den Wandschränken. „Wenn ich mich an deine private Bibliothek erinnere, dann hattest du auch all ihre Werke mit drin gehabt.“, merkte sie an und bedeckte den Tisch. „Habe sie auch gelesen, bevor du fragst.“, grinste er nur und schlug die ersten Seiten auf. Mit einem aufgesetzten englischen Akzent las er schließlich den ersten Satz vor: „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau.“ Maron musste bei den gespielten Akzent schmunzeln. „Hättest du dieselbe Stimme wie Mr. Darcy aus dem Film, würde ich mir das Buch von dir vorlesen lassen.“ „Was? Ist mein englischer Akzent nicht authentisch genug?“, brachte ihr Freund gespielt empört entgegen. „Nichts übertrifft den charmanten, verführerischen Akzent eines britischen Muttersprachlers.“, grinste sie mit einem leicht schwärmerischen Blick. „Das war’s, wir werden nie Fuß auf die britische Insel setzen! Und das hast du dir selbst zuzuschreiben!“, deklarierte Chiaki mit einem ernsten Unterton und klappte zur Bekräftigung ihr Buch zu. Bei dem Fünkchen Eifersucht musste seine Freundin herzlich anfangen zu lachen. Die nächste halbe Stunde verbrachte das Paar ihr Frühstück gut gelaunt. „Ich hoffe, Hijiri wird irgendwann zur Besinnung kommen…“, sagte Maron plötzlich und nahm einen Schluck von ihrer Milch. Chiaki schaute sie verwundert an. „Du hast in gestern verflucht.“ „Ich weiß… Seine Taten sind auch unverzeihlich und ich werde auch meine Aussagen machen sowie eine Einstweilige Verfügung gegen ihn beantragen. Aber ich will ihm auch nicht ewige Verdammnis -oder sowas- wünschen.“, erklärte sie sich und seufzte. „Ich wünsche mir, dass er sich bessert als Mensch.“ „Wow…“, brachte ihr Gegenüber anerkennend entgegen, „Das ist sehr großherzig von dir.“ Maron zuckte mit den Schultern. „Irgendwie glaube ich immer an das Gute in den Menschen… egal, was die verbockt haben.“ Sie lachte verlegen. „Hört sich naiv an, oder?“ „Nein…Ich finde das erstaunlich und bewundernswert. Es gibt nicht viele Menschen, die so denken.“, sagte Chiaki ehrlich. „Gehört selbst Yashiro zu den Menschen, wo du an das Gute glaubst?“ Bei der Frage hob er amüsiert die Brauen hoch. Maron hielt Daumen und Zeigefinger zusammengepresst hoch und kniff ein Auge zusammen. „Für sie besteht ein Prozent Hoffnung.“, antwortete sie ihm und fing an zu lachen. Ihr Freund schloss sich ihrem Lachen an.   Am Abend war es für Chiaki schließlich Zeit nach Hause zu fahren. Wohl eher drängte Maron ihn dazu. „Du läufst seit gestern in denselben Klamotten rum und hast in ihnen geschlafen.“, sagte sie. „Ich habe nichts dagegen.“, erwiderte er achselzuckend und grinste. Maron verdrehte schmunzelnd die Augen. „Mach dich nicht lächerlich, Chiaki. Und keine Sorge. Ich werde brav in meiner Wohnung bleiben, bist du mich morgen für die Uni abholst.“ „Wie du willst, mein Engel.“, sagte Chiaki, worauf sie wieder errötete. Sie mochte ihren neuen Kosenamen. Mit einem Kuss verabschiedeten sie sich letztlich voneinander. Maron ging mit einem breiten Grinsen zum Balkon. Ihr Grinsen verschwand als sie zum Nachthimmel auf blickte. Fin… wo bist du nur…?, fragte sie sich. Auf einmal fing ihr Amulett an zu reagieren. Ein Dämon…?, dachte sie sich verwundert. Suchend schaute sie nach unten, obwohl sie kaum was erkennen konnte. Ohne weiter nachzudenken, verwandelte sie sich in ihrer Wohnung in Jeanne und sprang auf einem niedergelegten Gebäudedach herunter. Zur selben Zeit blieb Chiaki vor seinem Auto stehen, die Hand schwebend über der Türklinke. Auch sein Pentagramm reagierte auf einen Dämon. In genau dem Moment lief eine Frau mit einem boshaften Gesichtsausdruck an ihm vorbei. Sie trug eine große, silberne Kette um den Hals, welches eine dunkle Aura ausstrahlte. Kurz schaute er ihr einige Meter hinterher und sah im Schatten der Dunkelheit eine zierliche Gestalt auf den Dächern wandern. Jeanne…!, dachte er sich und verengte leicht die Augen. Mit schnellen Schritten versteckte Chiaki sich in einer dunklen Seitengasse, verwandelte sich und folgte den beiden Frauen unauffällig. In einem alten Lagerhaus konfrontierte Jeanne die Besessene schließlich. Sindbad versteckte sich in einer dunklen Ecke und beobachtete das folgende Geschehen zunächst. Mit einem sadistischen Lachen entfernte der Dämon sich von seinem Opfer und griff mit seinen Tentakeln die Kamikaze-Diebin an. Diese erwischte es kalt und sie wurde durch das stehende Gerümpel geworfen. Daraufhin stellte Sindbad sich zwischen ihnen und wehrte den zweiten Dämonenangriff ab. Mit ein paar Messern schnitt er der Kreatur ein paar Tentakeln ab. Jeanne giftete ihn sofort mit dem Satz „Misch dich nicht ein!“ an, was er augenverdrehend hinnahm. Normalerweise würde er mit einer Beleidigung zurückkontern, doch das Bedürfnis dafür empfand er nicht mehr - so gar nicht mehr. Genervt schubste sie ihn beiseite und bannte nach kurzer Anstrengung den Dämon schließlich. Sindbad schaute ihr dabei zu. „Die Mission ist beendet.“, sagte sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und sammelte die Schachfigur ein. Sindbad starrte sie wortlos an. Jeanne wunderte sich über sein ungewöhnliches Schweigen, drehte sich mit einem skeptischen Blick zu ihm um. „Irgendjemand da?“, fragte sie, ging auf ihn zu und stupste ihn mit dem Finger in die Brust. Noch immer starrte ihr Rivale sie an. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. Komischer Typ…, ging es ihr durch den Kopf und zuckte mit den Schultern. Gerade als die Diebin gehen wollte, hielt Sindbad sie auf. „Warte.“, sagte er und stellte sich vor sie, „Müssen wir uns eigentlich immer bekämpfen? Die neuesten Ereignisse zeigten doch, dass wir gut zusammenarbeiten können.“ Jeanne verengte argwöhnisch die Augen. „Du arbeitest für den Teufel und ich für Gott.“ „Und?“ „Wir sind und bleiben Feinde. Sogar Erzfeinde, wenn man es genau nimmt. Da wird sich nichts ändern. Leider.“, sagte sie stur und verschränkte die Arme vor der Brust. „Leider?“ Sein Blick bekam einen neugierigen Touch. „Ja. Es ist unsere Natur.“ „Wer sagt, dass sich nicht doch was ändern kann?“, fragte Sindbad in einem rauen Ton und ging auf Jeanne zu. Sie versuchte im Rückwärtsgang Abstand von ihm zu bewahren, fand sich jedoch zwischen ihm und einer Wand wieder. Er stützte eine Hand an der Mauer an und beugte sich zu ihr nach vorne, nur noch wenige Zentimeter entfernten die Beiden voneinander. Mit seinen blauen Augen schaute er ihr eindringlich in ihre violetten. Jeanne’s Herz begann schneller zu schlagen. Sie musste schwer schlucken. Fasziniert blickte sie in seine eisblauen Augen, verlor sich nahezu in ihnen. Noch nie hatte sie solch ein schönes Blau gesehen. „Sagtest du nicht, du hättest ein Mädchen an deiner Seite?“, fragte sie leise und gefasst wie möglich. „Ja, sagte ich…“, antwortete er ebenfalls leise. „Dann solltest du dich auch von mir fernhalten, sonst bekommst du noch großen Ärger.“ „So gern ich das will, ich kann nicht.“, gestand Sindbad. „Männer…“, sagte Jeanne mit einem abwertenden Ton und rollte mit den Augen. „Kerle wie dir sollte man in den Arsch treten.“ Sindbad lachte leise auf. Sein raues Lachen ließ Jeanne noch mehr erröten. Zum Glück war es dunkel genug, dass er ihre Röte nicht sehen konnte. „Und was ist mit dir? Du könntest jederzeit gehen.“, sagte er. Jeanne presste ihre Lippen zusammen, bevor sie sagte: „Du klebst wie eine Klette an mir. Da komme ich ja nicht dazu…!“ „Frech wie immer Jeanne.”, kicherte der Dieb. „Wie würde dein Lover es finden, wenn du hier mit anderen Kerlen flirtest.“ „Pah! Wer flirtet hier mit wem?“ Noch immer waren die Beiden sich nah. Sehr, sehr nah. Die Atmosphäre zwischen ihnen begann sichtlich zu knistern. Sindbad beugte sich näher zu Jeanne herunter. Sie hielt den Atem an. Ihre inneren Alarmglocken ignorierte sie. Beide schlossen instinktiv ihre Augen. Doch ehe Jeanne sich darauf gefasst machen konnte Sindbad’s Lippen auf ihre zu spüren, drehte dieser sich abrupt weg und verschwand. Eine Weile starrte die Diebin stark blinzelnd auf die Stelle an der er noch stand. Noch immer war ihr Herz laut am Klopfen und ihre Wangen schimmerten verräterisch rot auf. War sie wirklich bereit gewesen ihren Rivalen zu küssen, obwohl sie einen festen Freund hatte? Das merkwürdigste war, sie hätte es nicht bereut. Verdammt, reiß dich zusammen! Jeanne schüttelte mahnend ihren Kopf, schlug sich mit beiden Händen auf die Wangen, atmete tief durch bis sich ihr Körper wieder beruhigt hatte und begab sich nach Hause. Zur gleichen Zeit versteckte Sindbad sich in einer schmalen Seitengasse und versuchte sein Herzrhythmus auf Normalzustand zu bringen. Alles in ihm war auf Adrenalin. Eine leichte Röte zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Verdammt….!, dachte er sich. Wieso brachte diese Frau ihn so aus dem Verstand? Sindbad wollte sich von Jeanne fernhalten. Allerdings wollte er sie auch küssen, wobei der Gedanke an Maron ihn in letzter Sekunde davon abhielt. Seufzend für sich Sindbad durch die Haare, entfernte in derselben Handbewegung sein Stirnband und starrte als Chiaki gedankenverloren zum sternenklaren Nachthimmel hinauf. Irgendwie zog Jeanne ihn an und er konnte sich nicht dagegen wehren. Es war wie, wenn ein Magnet sein Gegenstück an sich zog bis sie einander kollidierten. Und genau dasselbe Gefühl empfand er auch bei Maron. *** Über zwei Wochen waren seither vergangen. Im Allgemeinen waren Maron und Chiaki mehr als glücklich zusammen. Die Uni lief ohne Probleme ab und sie verbrachten auch viel Zeit mit ihren Freunden. Einmal wurden sie auch von Chiaki’s Familie zum Essen eingeladen. Ebenso hatte Chiaki über Skype auch Maron’s Eltern bereits kennengelernt, die ihm mit Freude und Zustimmung entgegenkamen. Alle paar Tage -an dämonenfreien Nächten- übernachtete das Paar bei Maron oder Chiaki zu Hause und genossen die Zeit miteinander. Hinsichtlich ihrem normalen Leben war alles gut. Allerdings beschäftigte Beide -im unterschiedlichen Maße- immer noch der Fast-Kuss zwischen Jeanne und Sindbad, welches sie nach außen natürlich nicht anmerken ließen. Maron hatte sich nach einigen Tagen eingeredet, dass das Verhalten ihres Rivalen nur ein falsches Spiel war, um Jeanne hintergehen und auszunutzen zu können. „Genau, das muss es sein!“, sagte sie sich, nach einigen Überlegungen. „Ich darf mich nicht von ihm täuschen lassen! Er ist nach wie vor ein Diener des Teufels! Fin wäre garantiert auch der Meinung!“ Ob sie davon auch überzeugt war, war sie sich nicht sicher. Die Herzklopfen, wenn sie Sindbad sah oder an ihn dachte, waren unmöglich zu ignorieren. Und dies brachte ihr ein furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Freund. Chiaki hingegen versuchte eine logische Erklärung für sein Verhalten und seine Gefühle zu finden, allerdings ohne Erfolg. Stattdessen wurde er noch verwirrter, wann auch immer er Jeanne bei einem Einsatz sah. Irgendwann kam der Punkt, in der er die Kamikaze-Diebin auch nicht mehr richtig als sein Feind ansehen konnte. Er wollte sie einfach nicht mehr bekämpfen. Nach der Realisation begab sich Chiaki als Sindbad zwar immer noch zur Dämonenjagd, beobachtete allerdings alles nur noch von der Ferne. Ab und an kam er ihr zu Hilfe, was sie konfus hinnahm. Dass er seinem Boss keine Schachfiguren mehr einbrachte, war ihm egal. Und von den Engeln fehlte immer noch jede Spur.   Es war Freitagabend, 20 Uhr und in der Taschenuhr eines Geschäftsmannes hatte sich ein Dämon bemerkbar gemacht. Beide Diebe hatten dem Mann eine Warnung geschickt und vor dessen Firmengebäude war ein großes Polizeiaufgebot. Jeanne begab sich als Erste auf das vermeintlich leere Firmendach. Sindbad beobachtete sie mit dem Fernglas vom entfernten Nachbarsgebäude. In dem Moment als sie durch die Tür schreiten wollte, tauchte eine Gruppe von zwanzig Polizisten plötzlich auf und versperrten ihr den Weg. Eine Handvoll der Männer konnte sie außer Gefecht setzen, doch ihre Kondition reichte nicht für alle aus. Sindbad sah ihre missliche Lage und kam ihr sofort zur Hilfe. „Sindbad!“, rief Jeanne überrascht auf. „Ich kümmere mich um die! Such du den Dämon!“, sagte er und hielt einige Polizisten mit Tritten von sich und seiner Rivalin fern. Diese schaute ihn perplex an, nickte ihm dankend zu und ging durch die Tür. Kaum war Jeanne verschwunden, konzentrierte Sindbad sich auf seine Gegner, die ihn mit ausdruckslosen Augen anstierten und in ein diabolisches Lachen einstimmten. Wie willenlose Puppen warfen sie sich auf ihn und versuchten ihn anzugreifen. Sindbad bemerkte sofort, dass die Männer unter dem Einfluss von dem Dämon standen. Verbissen knirschte er mit den Zähnen. Nach viel Mühe und Anstrengung schaffte er es den letzten Beamten bewusstlos zu schlagen. Völlig außer Atem stand er auf dem Dach und wollte Jeanne ins Gebäude folgen, als ihn von hinten auf einmal Schüsse trafen. Eine Kugel streifte ihn an der Schulter, weitere gingen durch Bauch und Bein. Mit einem unterdrückten Schrei sackte er auf die Knie. Er spuckte Blut. Mit verengten Augen drehte er sich um und sah einen Scharfschützen auf dem gegenüberliegenden Dach. Ihr wollt mich doch verarschen…!, dachte er sich wütend, seine blauen Augen funkelten. Sindbad ließ ein Scharfschützengewehr in seinen Händen erscheinen, schoss zielsicher auf den Sniper und traf dessen Arme. Ohne weiter sich mit ihm zu beschäftigen, rannte Sindbad durch die Tür und ließ sich auf der Treppe die Wand entlang rutschen. Schmerzlich hielt er sich die Hand über die Wunde am Bauch und versuchte sich auf den Beinen zu halten. Mit letzten Kräften ging er die Stufen herunter. Blut sickerte durch seine Klamotten. Tropfte auf den Boden herunter. Auf der weißen Tapete zeichnete sich eine rote Spur ab.   Zur selben Zeit, wenige Etagen tiefer, hörte Jeanne laute Knalls. Schüsse?, fragte sie sich irritiert. Die Polizei schießt doch nie! In derselben Sekunde brach sie mitten im Rennen zusammen, ihr blinkendes Amulett fiel ihr vor Schreck aus der Hand. Hätte sie sich nicht am Geländer festgehalten, wäre sie die Stufen heruntergestürzt. Höllische Schmerzen durchfuhren sie am ganzen Körper, insbesondere im Bauchbereich und Bein. Erschrocken rang die Diebin nach Luft. Sie erstickte fast vor Schmerz. Verwirrte betastete sie die schmerzlichen Stellen, um keine Wunden festzustellen. Hustend rappelte sie sich auf. Schockiert blickte sie auf ihre behandschuhte Hand und sah rote Flecke auf den weißen Stoff. Sie hustete Blut! Aber wieso-…?! Ehe sie ihre Gedanken zu Ende bringen konnte, bekam sie Kopfschmerzen und sie hatte eine Vision vor Augen. Aus jemandes Sicht befand sie sich ebenfalls im Treppenhaus. Dessen Blick wanderte herunter und sie sah vertraut schwarze Klamotten sowie Blut, welches den Boden entlang tropfte, an der Wand klebte und eine dunkelrote Spur bildete. Mit einem qualvollen Stöhnen ließ sich die Person schließlich die Wand entlang herabrutschen. Im nächsten Moment wurde alles schwarz. Sindbad…!, dachte sie sich instinktiv, schnappte sich ihr Amulett und rannte die Treppenstufen wieder hoch, bevor die Vision aufhörte. Auf dem Weg nach oben fand sie schließlich Sindbad auf einem Treppenabsatz an der Wand gelehnt. Er war leichenblass und schwer verletzt. Blut klebte ihm am Mundwinkel. „Du meine Güte!“, rief sie panisch und rannte auf ihn zu. „Wie ist das passiert?!“ „Sniper. Die Polizei wird vom Dämon manipuliert.“, stöhnte Sindbad unter Schmerz. „Was machst du überhaupt hier…?!“ Vor seinen Augen begann alles zu verschwimmen. „I-Ich habe Geräusche von oben gehört und wollte nachsehen!“, sagte sie (was der Halbwahrheit entsprach), „Du musst hier raus…!“ „Und du musst den Dämon bannen!”, sagte er und warf ihr einen ernsten Blick zu. „Ich kann dich nicht sterben lassen!“, warf Jeanne entsetzt ein. Sindbad zischte qualvoll auf. „Ich sterbe nicht…!“ Er wollte aufstehen, doch seine Beine gaben sofort nach. Sein Gesicht verzerrte sich qualvoll. „Außerdem Heilen wir…“ „Red‘ keinen Unsinn! Selbst solche Verletzungen können tödlich für uns sein!“, schrie Jeanne wütend und zugleich verängstigt. Daraufhin erwiderte er nichts mehr. Sie schaute Sindbad an, atmete tief durch und sagte mit ruhiger Stimme: „Bleib sitzen. Ich kümmere mich um den Dämon.“ Unbewusst legte sie eine Hand sanft auf seine Wange. Sorge spiegelte sich in ihrem Gesichtsausdruck wider. Der Dieb bemerkte die Geste und schaute teilweise überrascht, teilweise auch fürsorglich zu ihr auf. Er legte seine Hand über die ihrer, nahm sie sachte von seinem Gesicht runter und sagte: „Pass auf dich auf, Jeanne.“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Ja…“, sie lächelte ebenfalls, stand auf und ging davon. Sindbad schaute ihr nach bis ihm schwarz vor Augen wurde.   Es dauerte einige Minuten bis Jeanne sich ins Büro des Geschäftsmannes durchgekämpft hatte und den Dämon bannte. Mit einer aufgeplatzten Lippe und einigen Kratzern -die anfingen zu verheilen-, lief sie wieder ins Treppenhaus zu der Stelle zurück, wo sie Sindbad zurückgelassen hatte. Plötzlich durchzog sie ein furchtbarer Schmerz durch die Brust. Ihr Herz machte einen Sprung und ein eiskalter Schauer überkam sie. Sie fühlte sich, wie als wäre etwas in ihr gestorben. Panik überkam Jeanne und sie lief mit erhöhtem Tempo weiter, bis sie Sindbad an Ort und Stelle wiederfand. Dieser saß immer noch an der Wand angelehnt und bewegte sich nicht. Seine Augen waren geschlossen. Jeanne befürchtete das schlimmste und rannte auf den Dieb zu, kniete sich vor ihm hin. „Hey, Sindbad! Sindbad!! Hörst du mich?“ Sie legte beiden Hände auf seinen Schultern und versuchte ihn wachzurütteln. Keine Reaktion. Jeanne stellte fassungslos fest, dass er nicht atmete. Das Blut in ihren Adern gefror. „Nein, nein, nein, nein!“, flüsterte sie. Ihr Herz schlug schneller vor Angst. Horror breitete sich in ihr aus, spiegelte sich in ihren Augen wider. Sie legte beide Hände auf seine Wangen und schlug ihn vorsichtig. „Wach auf, Sindbad… Komm schon! Wach auf!“ Immer noch keine Reaktion. Panisch und verzweifelt schlug sie ihm kräftiger über das Gesicht. Nach dem Schlag, schlug Sindbad plötzlich die Augen auf, keuchte und schnappte angestrengt nach Luft. Jeanne wich erschrocken zurück, die Augen schockiert geweitet, ihr Mund aufgerissen. „Argh...Fuck!“, zischte er, richtete sich etwas aufrecht und blickte kurz zu ihr auf, blinzelte stark. Er brauchte einige Sekunden bis sein Blick sich verklärt hatte. „Du bist ja wieder da... Hast du den Dämon?“ Sein Gegenüber starrte ihn nur sprachlos an. „Wieso tut mein Gesicht weh?“, fragte Sindbad irritiert und rieb sich an die kürzlich geschlagene Wange. „D-Du hast nicht geatmet…!“, brachte Jeanne fassungslos entgegen. „D-Du warst-...“ „Ich habe nur kurz das Bewusstsein verloren.“, unterbrach er sie mit tonloser Stimme und kniff kurz die Augen zu. Auf einmal hallten Schritte und Stimmen im Treppenhaus. Jeanne riss sich aus ihrer Schockstarre und sagte: „Wir sollten von hier verschwinden!“ Sindbad nickte, stand auf und zusammen flüchteten sie in einen kleinen Park in der Umgebung. Im dichten Waldstück blieb Sindbad an einem großen Baum stehen, setzte sich zu Boden und lehnte sich mit dem Rücken am Baumstamm an. „Alles okay?“, fragte Jeanne besorgt und setzte sich vor ihm in die Hocke. „Ja.“, antwortete er ihr leicht benommen. „W-Warte-…was ist mit deinen Wunden?!“, fragte sie, kroch auf ihren Rivalen zu, kniete sich zwischen seine Beine und schob ohne Hemmungen sein Shirt hoch. Sindbad schaute mit einem entgeisterten Blick auf sie herab. Zu Jeanne’s Erstaunen war die Schusswunde perfekt verheilt. Auch am Bein war nur ein Loch in der Hose zu sehen. Nur das Blut, was an seinem ganzen Körper und Klamotten klebte, erinnerte an die Verletzungen. Ungläubig starrte sie zwischen Sindbad und den verheilten Stellen hin und her. In ihrem Kopf herrschte Chaos. Sie wusste nicht, wie sie alles verarbeiten sollte. Angefangen von der Vision bis zu diesem präzisen Moment. „Ich sagte doch, ich sterbe nicht.“, hörte sie ihn ruhig sagen. Zu Sindbad’s Überraschung warf Jeanne sich auf einmal in seine Armen. „Hey…Was soll d-…“ „Ich bin so froh, dass du lebst.“, wisperte sie vor Erleichterung und drückte ihn fest an sich. Gefühle überwältigten sie. Tränen standen ihr in den violetten Augen, die sie schnell wegblinzelte. Sie konnte es sich nicht erklären, aber der Gedanke dass er tot wäre, versetzte sie in Todesangst. Sindbad wusste nicht so recht, wie er reagieren sollte, die Arme unsicher in die Höhe gehalten, nicht wissend ob er die Umarmung erwidern sollte, oder nicht. Ehe die Diebe sich versahen, drückte Jeanne ihre Lippen auf Sindbad’s. Dieser riss überrascht die blauen Augen auf und erstarrte. Mit einem Keuchen löste sie sich von ihm einen Zentimeter und schaute ihn geschockt in die Augen. In dem Moment realisierte sie ihre Tat. „Ich…hätte das nicht tun sollen…“, flüsterte sie kaum hörbar. Wie vom Blitz erschlagen, verharrte sie in Position. Chiaki’s Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Schuldgefühle überrannten sie. Schließlich hatte sie soeben ihren Freund betrogen und ihren Feind -Erzfeind- geküsst. Sindbad schaute sie wie hypnotisiert an und legte eine Hand sanft auf ihre Wange. „Du hast Recht. Das hättest du nicht tun sollen.“, wisperte er. „Ich werde mir so in den Arsch dafür treten …“ Mit den Worten beugt er sich zu ihr nach vorne und versiegelte ihre Lippen wieder miteinander. Diesmal war der Kuss fordernder, drängender, leidenschaftlicher. Und schmeckte nach Blut. Beide hatten die Augen geschlossen und gaben sich ihrem verbotenen Verlangen hin. Versanken förmlich darin. Jeanne schlang ihre Arme um Sindbad’s Hals, zog sich enger an ihn heran während er seine Hände um ihren Rücken legte. Sie wusste nicht wieso sie es tat. Die Schuldgefühle verschwanden mit einem Mal und für einen Moment war Chiaki vergessen. Kaum berührten sich ihre Lippen, war alles vergessen. Wie aus dem Gedächtnis gelöscht. Sindbad durchging ein ähnlicher Konflikt. Er wollte Jeanne schon beim ersten Kuss von sich drücken, konnte es jedoch nicht. Stattdessen küsste er sie im Gegenzug zurück und betrog gleichzeitig Maron. Alles an Vernunft war wie ausgeschaltet, als die weichen Lippen der Kamikaze-Diebin mit seinen in Kontakt kamen. Dabei wollte er es nicht so weit kommen lassen! Keine von Beiden wollte es so weit kommen lassen. Nur dieses eine Mal…!, ging es Beiden durch den Kopf. Seine Zunge zwang sich durch ihre Lippen und sie ließ es gewähren. Die Diebin seufzte mitten im Kuss genüsslich auf und biss Sindbad auf die Unterlippe. Dieser küsste sie gierig zurück, liebkostete jeden Millimeter ihres Mundes. Nach einer Weile lösten sie sich schwer atmend voneinander, die Wangen mit einer dunklen Schamesröte verfärbt. Jeanne war die Erste die aufstand und ohne weiteren Worte verschwand. Sindbad sah ihr noch hinterher und warf schließlich seinen Kopf nach hinten. „Fuck… Ich bin ein verdammter Mistkerl…!“, murmelte er in sich hinein und schlug sich die Hand vor Augen. Den Weg nach Hause dachte er ununterbrochen an seine braunhaarige Freundin. *** In ihrer Wohnung lief Maron nervös auf und ab. Es war bereits drei Uhr nachts und sie konnte sich nicht schlafen legen, zu aufgelöst war sie. Sie hatte einen anderen Kerl geküsst und sie wusste nicht, ob und wie sie es Chiaki erklären sollte. Dabei hatte das Paar sich vor kurzem erst versprochen keine Geheimnisse voreinander zu haben. Ich kann mehr als schlecht sagen, dass ich Sindbad, den Dieb geküsst habe…!, dachte sie sich und kratzte sich nervös am Arm. Obwohl…Nicht Maron hat Sindbad geküsst, sondern Jeanne! Demnach gilt das nicht als Betrug, oder…?! Ein plötzliches Klingeln der Haustür ließ die junge Frau zusammenfahren. Durch den Türspion sah sie ihren blauhaarigen Freund in grauem T-Shirt und schwarzer Baumwoll-Jogginghose im Korridor stehen. Trotz der kühlen Nachttemperaturen trug er keine Jacke. „Chiaki…! Was machst du hier?“, fragte Maron überrascht, als sie die Tür öffnete. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn sah. Sie wusste nicht wieso, doch er wirkte nachdenklich und bedrückt. „Ein Glück, du bist wirklich wach!“, rief er erleichtert aus. „…Woher wusstest du, dass ich wach bin?“ „Ich hatte es im Gefühl.“, zuckte er mit der Schulter, „Tut mir leid, dass ich so unangekündigt erscheine. Ich weiß es ist spät, aber … ich wollte dich sehen.“, sagte Chiaki ehrlich und wirkte etwas unsicher. Auch ihn plagten seit Stunden Schuldgefühle und er konnte keinen klaren Kopf bekommen. Gleichzeitig bekam er das große Bedürfnis bei Maron sein zu wollen. Stärker als sonst. Eine derartige Sehnsucht hatte er noch nie empfunden. „Ich bin froh dich zu sehen.“, sagte sie mit einem warmen Lächeln und ließ ihn rein. Seufzend schloss Maron die Tür und beschloss den Kuss für sich zu behalten. Sie wollte auf keinen Fall das Risiko auf sich nehmen Chiaki zu verlieren. Jemanden zu verlieren, in der sie für sich wahrhaftig die Liebe gefunden hatte. Das würde ihr mehr wehtun als alles andere. Mit den Gedanken ging sie in ihr Zimmer, wo Chiaki bereits wartend auf ihrem Bett saß. Seine braunen Augen weiteten sich. „Du weinst ja!“, stellte er erschrocken fest, stand auf und ging besorgt auf sie zu. „Oh…?“ Verwundert betastete sie ihre Wange. Sie war feucht. Maron hatte nicht bemerkt, dass ihr Tränen das Gesicht herunterliefen. „Hatte nur schlecht geträumt...“, log sie und schaute weg. Sie versuchte ihre Schuldgefühle abzuschalten und sich auf ihren Freund zu konzentrieren. „Ein Albtraum? Über was?“, hakte dieser vorsichtig nach. „Hab ich schon vergessen.“, log sie wieder. Chiaki schaute sie eindringlich an. „Möchtest du dich daran erinnern…?“, fragte er. Die Frage überraschte Maron. „... Ich bin mir nicht sicher.“, gab sie ehrlich zu und nahm tief Luft. Chiaki zog sie sanft in seine Arme und strich ihr zärtlich über den Hinterkopf. Sie vergrub ihr Gesicht in seine Brust. „Bleibst du bei mir?“, fragte sie. „Immer.“ Auch Chiaki beschloss sich auf Maron zu fokussieren und den Kuss mit Jeanne aus seinen Gedanken zu verbannen. Es war nur ein dummer Ausrutscher…, redete er sich im Stillen ein.   Er nahm ihr Gesicht in beiden Händen, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie liebevoll. Maron legte ihre Arme um seinen Nacken und intensivierte den Kuss. Ohne seine Lippen von ihren zu trennen, hob Chiaki sie hoch, und trug sie auf ihr Bett. Er selbst kniete halb auf der Matratze und legte sich anschließend neben sie. Ihre zierlichen Hände vergruben sich in seinen Haaren und wanderten unter sein Shirt herab, betasteten seine definierten Schultermuskeln. Gleichzeitig spürte sie seine warmen Hände unter ihrem Top, auf ihrem Rücken. Kurz löste Maron den Kuss und schaute Chiaki schüchtern an. „Übrigens…Ich eh-… hatte noch nie…“, sprach sie leise und biss sich auf die Lippe. Sie lief rosa an. Er verstand worauf sie ansetzen wollte und kicherte kurz. „Das ist mir bewusst.“ „Willst du…?“, setzte sie fragend an. „Nein.“, antwortete er zu ihrer Nichterwartung. „Nein?! Du willst nicht?“ Maron setzte sich schnell auf und schaute ihn überrascht an. Chiaki schaute sie ebenfalls überrascht an, die Wangen leicht gerötet, die Haare zerzaust. „W-willst du mich nicht?“, fragte sie verunsichert. „Doch. Doch, natürlich will ich dich.“, sprach er beruhigend auf sie ein und setzte sich mit auf. Sanft legte er beide Hände auf ihre Oberarme. „Ich will dich mehr als alles andere was ich jemals in meinem Leben wollte.“ Ehe Maron was erwidern konnte, sprach Chiaki flüsternd weiter: „Ich will dich jede Sekunde an meiner Seite haben. Ich will jeden Millimeter deines Körpers zum Brennen bringen…“, er strich ihr dabei mit dem Zeigefinger die Taille auf und ab, „...und dafür sorgen, dass du nichts davon missen willst.“ Seine Stimme wurde verführerisch tief. „Ich will alles. Und alles was ich will bist du. Heute. Morgen. Für Immer.“ Er schaute ihr tief in die Augen. Maron lächelte peinlich berührt. Als Antwort zu seiner Erklärung positionierte sie sich auf sein Schoss, wisperte „Ich will dich auch“ und küsste ihn mit aller Leidenschaft. Vergessen waren die letzten Stunden, die sie belasteten. Das Einzige was für sie zählte, war hier und jetzt mit Chiaki. Gerade als sie zum Saum seines T-Shirts griff und es hochziehen wollte, drückte er sie sanft von sich. Verwirrung breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Warte….“, sagte Chiaki ernst, „Du bist noch nicht soweit.“ Seine Freundin zog die Augenbrauen zusammen. „Woher willst du das wissen?“, fragte sie. „Ich sehe es dir an. Ich spüre es. Du bist noch nicht bereit.“, stellte er offen klar und richtete sein T-Shirt. „Zu mindestens nicht für heute.“ „Was ist wenn du dich irrst und ich will hier und jetzt, heute?“, entgegnete sie ungläubig. Leicht schmunzelnd schüttelte der Student bestimmt den Kopf. „Ich irre mich nicht. Ich weiß, dass du nicht bereit bist.“ Maron hob eine Augenbraue. „Du hast es doch sonst auch immer gemacht.“, sagte sie trocken. Bei der Aussage verhärteten sich seine Züge. „Aus Spaß.“ „Spaß ist mein zweiter Name.“ „Das glaube ich dir aufs Wort, aber Nein.“ Für eine Weile starrte ihn Maron ernst an. „Wer bist du und was hast du mit Chiaki Nagoya gemacht?“ Dieser konnte sich ein Lachen schwer verkneifen. „Du verarschst mich doch gerade!“, klagte sie ihn an. „Sehe ich so aus, als will ich dich verarschen?“, fragte er und deutete mit dem Finger auf seine ruhige Miene. „Ja!“ „Mach dich nicht lächerlich, Maron.“, sagte Chiaki ernst, nahm ihre Hand und strich mit dem Daumen zärtlich über ihren Handrücken. „Vorher…Vorher hatte es nie was bedeutet.“ Er blickte zu ihr auf und schaute ihr eindringlich in die braunen Augen. „Bei dir sollte es etwas bedeuten. Etwas Besonderes werden.“ Maron erwiderte nichts mehr, ging von seinem Schoß herunter und schaute trotzig weg. Chiaki nahm ihr Gesicht in beiden Händen und drehte ihren Kopf zu sich. „Hör zu. Ich mache dir keinen Druck. Und du solltest dir auch keinen machen.“, sagte er und lächelte sie warm an. „Ich will dich. Mehr als alles andere auf der Welt. Glaub mir, an manchen Momenten könnte ich kaum meine Finger von dir lassen…so sehr ziehst du mich in deinen Bann.“ Er ließ von ihr los, strich ihr kurz über die weiche Haut ihrer Wangen, ehe er fortsetzte: „Ich... Ich habe nie über jemanden so empfunden, wie ich über dich empfinde. Und wenn der passende Zeitpunkt für dich gekommen ist, dann werde ich dir auch zeigen, wie stark diese Empfindungen sind.“ Sein Lächeln wurde wärmer. „Aber für heute reicht mir das hier…“ Chiaki fuhr ihr mit den Fingerspitzen zärtlich durch die Haare, über den Nacken, runter den Arm entlang. Seine Berührungen verursachten Maron ein feuriges Gefühl auf der Haut. „Das hier...“, wisperte er und drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken. „…und du.“ Er gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Das, was wir jetzt haben…Das reicht mir vollkommen.“ Seine Finger verflochten sich in ihre. „Zu wissen, dass du mein bist. Zu wissen, dass niemand anderes dich so berühren darf. Und zusehen, wie du mich ansieht während ich es tue.“ Er strich ihr mit der anderen Hand zärtlich über die Lippen und gab ihr einen Kuss. „Du bist was Besonderes. Das zwischen uns ist was Besonderes. Und ich genieße es mit jeder Faser meines Daseins.“ Maron schaute Chiaki an und wusste, dass er es ernst meinte. Sie wusste auch, dass er Recht hatte. Dass sie noch nicht bereit für den nächsten Schritt war. Der Kuss mit Sindbad hatte sie so aufgewühlt, dass sie fast zu einer Kurzschlussreaktion verleitet worden wäre. Die Braunhaarige seufzte auf und ließ ihre Schultern sinken. „Du hast Recht.“, sagte sie entschuldigend, „Tut mir leid, falls ich die Stimmung ruiniert habe.“ „Entschuldigung angenommen.“, grinste Chiaki Maron an und zog frech eine Augenbraue hoch. „Aber das nächste Mal möchte ich Rosen parat haben, wenn du dich entschuldigst.“ „Arsch“, fluchte sie leise und schlug ihm ein Kissen an den Kopf, woraufhin er laut auflachte. „Für heute hasse ich dich wieder.“, murmelte Maron. „Ich weiß.“, grinste Chiaki breit. Letztlich zogen ihre Mundwinkel sich ebenso nach oben und sie kuschelte ihren Kopf an seine Brust ein. Chiaki drückte Maron einen Kuss auf ihre Haare und schlang seine Arme um sie. Nach einer Weile schlief das Paar schließlich ein.   Chapter 11: Cursed Love ----------------------- Chapter 11: Cursed Love   „Hmmm.“, murmelte eine hellklingende Stimme im Dunkeln. Fin wusste nicht, wie lange sie ohnmächtig war und wo sie sich befand. Unter ihren Fingern spürte sie harten Boden. Es war kalt. Ihr Kopf brummte. Vor ihren Augen war alles schwarz und ihre Sinne waren wie benebelt. Sie atmete tief durch und kniff die Augen nochmal zu. Nach einer Weile ließen die Schmerzen nach und sie konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. In dem Moment als der Engel wieder bei klarem Verstand war, schoss ihr das Adrenalin durch ihren Körper und sie setzte sich auf. Stark blinzelnd schaute Fin sich um. Noch immer war es dunkel um sie herum, nur schwache magische Lichter erhellten die Schwärze. Sie sah eine Gestalt einen halben Meter von ihr entfernt vor sich liegen. „Access!“ Panisch schwebte sie schnell auf ihn zu. Dieser setzte sich im selben Augenblick ebenfalls auf und hob abwehrend eine Hand. Fin blieb abrupt vor ihm stehen. „Mir geht’s gut! Keine Panik.“, sagte Access, schaute sich seufzend um und ließ die Hand wieder fallen. Fin nickte verstehend. Ihr war klar, dass er nicht wollte, dass sie ihn nicht anfassen soll, zu ihrem Selbstschutz. Ihre Brandwunden waren mittlerweile verheilt und sie sollte sich nicht direkt wieder neue zufügen. Doch der Drang einander zu umarmen war groß. Sich gegenseitig das Gefühl von Sicherheit zu geben. „Wo sind wir hier?“, fragte Fin verängstigt. „Wenn ich das wüsste.“, antwortete ihr Access erschöpft. „Wahrscheinlich irgendwo in der Hölle…“ „Wahrscheinlich?!“ Access tastete sich vorsichtig in alle Richtungen, um jedes Mal mit der Hand auf ein elektrisierendes Kraftfeld zu stoßen. Zischend zog er die Hand immer wieder weg. Die Grünhaarige beobachtete ihn besorgt. Die Engel befanden sich in einem unsichtbaren Gefängnis, welches ihnen Platz genug schaffte, um höchstens zehn Zentimeter über den Boden zu schweben. Mit einem wütenden Gesichtsausdruck ließ er sich wieder auf dem Boden sinken. Mit etwas Abstand saß er neben Fin und fuhr sich durch die Haare. Fin rekapitulierte gedanklich die letzten Momente bevor sie in Ohnmacht fielen und wieder zu sich kamen. „Plötzlich war diese dunkle Gestalt mit dieser ungeheuren, dämonischen Aura… Denkst du derjenige der uns außer Gefecht gesetzt hat, hat uns auch hierher gebracht?“ „Wäre gut möglich.“ „Kanntest du ihn?“, fragte Fin. „Nicht persönlich. Ich hatte bisher auch nicht viel mit anderen Dämonen und Teufelslakaien zu tun gehabt. Kaum hatte ich mich Satan abgeschlossen, wurde ich Sindbad als Partner zugeteilt.“, antwortete ihr Access schulterzuckend. Fin nickte nur verstehend und presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Das ich hier gefangen bin kann ich noch nachvollziehen, aber wieso bist du ebenfalls ein Gefangener?“ Er schnaubte. „Wahrscheinlich hatte er unser Gespräch mitgehört… den Teil, wo ich einwilligte zu Gott zurückkehren zu wollen…was mich selbstverständlich zum Verräter aller Verräter macht.“ Auf einmal Fin schlug sich die Hände vor das Gesicht. „Alles ist meine Schuld!“ „Nein ist es nicht!“, entgegnete Access entsetzt. „Doch ist es! Es ist genau wie vor drei Jahren! Ich bringe dich nur in missliche Lagen, wie diese!“ „Hey! Vergiss nicht, dass das alles auch meine Entscheidungen sind! Ich trage jegliche Schuld in mir.“ Fin schüttelte ungläubig den Kopf und schloss niedergeschlagen ihre Augen. „Wie lange wir hier wohl schon sind?“, fragte sie. „Keine Ahnung. Einige Stunden, Tage, Wochen…?“, antwortete ihr Access trocken und verzog das Gesicht.    „Was glaubst du haben die mit uns vor?“ „… Folter?“   Plötzlich fing in der Dunkelheit etwas an zu flackern. Ein magischer Spiegel tauchte einen Meter außerhalb ihres Gefängnisses auf. Bilder von zwei Gestalten tauchten auf. Ein hübsches Mädchen mit braunem Haar und ein gutaussehender Junge mit blauem Haar, Hand in Hand, gemeinsam lachen und sich unterhalten. Maron!!, ging es Fin erschrocken durch den Kopf und sie zog verwirrt die Brauen zusammen. Das Gesicht des Jungen kenne ich von irgendwo her… Dann machte es in ihrem Kopf Klick. „Fuck… Sindbad.“, flüsterte Access kaum hörbar. Fin schnellte ihren Kopf schockiert in seine Richtung. „Warte? Was hast du eben gesagt?!“ Access schaute stark blinzelnd zwischen ihr und dem Spiegel hin und her, schlug sich anschließend die Handfläche auf die Stirn. Fuck…wie kann ich nur so dumm sein?, dachte er sich, verärgert darüber die Identität seines Partners im Grunde preisgegeben zu haben. „Das ist Sindbad?!“, hakte Fin weiter nach. Access schaute sie irritiert an. Er konnte ihre Aufregung nicht verstehen. Unter anderem kam ihm das braunhaarige Mädchen vertraut vor. „Heißt er zufällig Chiaki?!“, fragte Fin plötzlich. Bei der Frage fiel ihm die Kinnlade herunter und er erstarrte am ganzen Körper. „W-Woher weißt du das?“, fragte er mit weit aufgerissenen Augen. Die Gegenfrage beantwortete ihre Frage. „Weil das Mädchen… Jeanne ist.“, brachte Fin leise hervor. „Maron.“ Access Augen weiteten sich noch mehr. Auch in seinem Kopf ratterte es. „Maron? ... Die Maron?“, fragte er. „Scheinst von ihr auch schon gehört zu haben…“ „Flüchtig…Sindbad’s neue Freundin…“ „Hmmm.“ Für eine Weile herrschte erdrückendes Schweigen zwischen den beiden Engeln. Auf einmal bekam Fin einen erschrockenen Gesichtsausdruck. „Oh nein…“ Access schaute sie fragend an. „Oh Nein. Nein. Nein. Neinneinnein.“, murmelte sie panisch. „Was ist los? Was regst du dich auf?“, fragte er, verstand ihre Aufregung nicht. „Die Beiden dürfen sich nicht lieben!!“ „Wieso?! Wegen diesem verbotene Liebe-Quatsch? Wir lieben uns auch, obwohl wir theoretisch Feinde sind. Obwohl, keine Ahnung ob ich noch weiter zu Satan gehöre, offiziell…? Aber-…!!“ „NEIN! Gott! Das sind komplett unterschiedliche Dinge!“, unterbrach Fin ihn und zog an den langen Strähnen seiner Haare. Sie konnte ihn zwar nicht schlagen, aber das reichte ihr auch. „AUTSCH!!“, beschwerte sich Access und hielt sich schützend die Hände über die Haare. „Sorry, aber dein verdammtes Spatzenhirn kann echt anstrengend sein! Fällt dir nicht ein was Rill-sama uns mal gelehrt hatte??“ „NEIN! Und kommt endlich auf den Punkt!“ Fin fing vor Frust an zu Fluchen und mit den Händen vor Access zu fuchteln, um etwas deutlich zu machen. Dieser schaute sie mit großen Augen verwirrt an. Der grünhaarige Engel hielt inne und nahm nochmal tief Luft. „Menschen - Kaitos, die für Gott und den Teufel arbeiten… dürfen sich nicht ineinander verlieben.“, sagte sie so ruhig wie möglich. „Ihre Liebe wird sie verfluchen!“ Eine Weile starrte Access sie an, wartete darauf, dass sie weitersprach. Sie seufzte, zog die Beine an und vergrub ihr Gesicht in die Knie. „Dabei habe ich angefangen, mich für Maron zu freuen! Sie sah so glücklich und verliebt aus… und ihre Augen strahlten, wenn sie sich nicht von mir beobachtet fühlte.“, sprach sie eher zu sich selbst als an Access gerichtet. Ihr entfuhr ein trauriges Lachen. „Stattdessen werden furchtbare Sachen passieren.“ Der Schwarzengel schluckte schwer. „Wieso?“ „Als Strafe für ihre Gefühle.“ Die Worte ließ die Luft zwischen ihnen für kurze Zeit erfrieren. „Strafe?“ Plötzlich flackerte der Spiegel vor ihnen wieder auf und die Bilder veränderten sich. Sie sahen Jeanne und Sindbad bei einem Einsatz. Der Dieb wurde an einem Punkt angeschossen und schwer verwundet. Gleichzeitig sahen sie, wie Jeanne vor Schmerz zusammenbrach. Dann wurde wieder alles schwarz. Fassungslosigkeit breitete sich in den Gesichtern der Engel aus. Für einige Sekunden herrschte wieder beklemmendes Schweigen. „Man sagt doch ‚die Liebe verbindet‘, nicht?“, fragte Fin unerwartet. „Kann sein…?“, antwortete Access unsicher, immer noch geschockt von dem, was er eben zu Gesicht bekam. „Für die Beiden wird das eine Verbindung voller Schmerz und Qualen…“ Anschließend begann Fin Access ausgiebig zu erklären, was sie wusste. Nachdem sie zu Ende sprach, warf er den Kopf nach hinten und fuhr sich die Hand über sein Gesicht. „Holy shit… Das ist wirklich krass!“, brachte er fassungslos hervor. Fin nickte schwach. „Das eben war schon… unheimlich! Wie viel schlimmer kann es werden?“, fragte er. „Keine Ahnung…“, gestand Fin. „Je stärker die Liebe…je intensiver die Gefühle füreinander, desto schlimmer wird’s.“ „Das ist doch krank!“, rief Access wütend aus. Er konnte sich nicht ausmalen, was seinem Partner erwartet. Wieder nickte Fin, ihr Gesicht wurde zu einer ausdruckslosen Maske. „Ich habe mal alte Aufzeichnungen gelesen, dass es vor 500 Jahren das erste Mal so ein Fall auftauchte…Ebenfalls eine Gesandte Gottes und ein Diener des Teufels. Gemäß diesen Schriften, hat ihre Liebe sie in den Wahnsinn getrieben.“ „In der Tat.“, sagte eine tiefe, männliche Stimme plötzlich. Ein Mann mit langen, schwarzen Haaren und einem schwarzen Umhang tauchte aus den Schatten der Dunkelheit hervor. „Noyn!“, rief Access und verzog zornig das Gesicht. „Du warst das!” Der Angesprochene grinste boshaft. „Dämonenritter Noyn Claude.“, stellte er sich vor. „Noyn…?“, kam es von Fin und ihre Augen weiteten sich. „Du bist-…!“ „Ja, der bin ich.“, grinste der Schwarzhaarige. „Ziemlich schlaue Freundin hast du, Access.“ „Du kennst ihn?“, fragte der Schwarzengel an Fin gerichtet. „Er ist der Teufelslakai, der vor 500 Jahren eine Gesandte Gottes einst liebte.“, nickte diese in Noyn’s Richtung. „Jeanne d’Arc hieß sie.“ „Die Jungfrau Orléans?“ „Ja.“ „Wag es ja nicht Jeanne d’Arcs Namen in den Mund zu nehmen!“, rief Noyn plötzlich erzürnt. Die Engel zuckten etwas zurück, auch wenn sie in ihrem Gefängnis vor dem Dämonenritter geschützt waren. Access stellte sich trotzdem vor Fin auf. Noyn schien sich wieder beruhigt zu haben und warf einen Blick auf den magischen Spiegel, welcher immer noch schwarz blieb. „Sieht so aus, als würde sich Geschichte wiederholen.“, merkte er amüsiert an und kicherte fies. „Der Fluch wird sie wie uns in den Wahnsinn treiben… Bis sie keine andere Erlösung finden als den Tod.“ Die Engel zogen erschrocken Luft ein. „Das war zu mindestens das was meine Geliebte Jeanne damals wählte… Und sich freiwillig im Scheiterhaufen verbrennen ließ.“, fügte Noyn hinzu, die grauen Augen funkelten schmerzlich auf. „Wisst ihr Nichtsnutze eigentlich wie es ist, nicht nur den Tod seiner Geliebten zuzusehen, sondern ihn auch im eigenen Leib zu spüren?!! Sie brannte und mein Körper brannte auch.“ Er lachte sarkastisch auf. „In gewissem Sinne bin ich mit ihr gestorben.“ „Unsere Partner sind stärker, als du dir ausmalst.“, brachte Access mutig entgegen. „Sie werden diesen dämlichen Fluch überwinden!“ Noyn ging unbeeindruckt und mit verschränkten Armen einen Schritt auf sie zu. „Werden wir ja sehen… Auf jeden Fall werdet ihr Beiden uns für eine interessante Show zugutekommen.“, sagte er und schenkte ihnen ein kaltes, amüsiertes Lächeln. Den Engeln gefror das Blut. Im nächsten Moment umhüllte sie völlige Dunkelheit.   Chapter 12: Behind the Mask --------------------------- Hallo meine Lieben, Ich weiß, es ist eine halbe Ewigkeit her… xD aber ohne großes Gelaber, wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen! -----------------------------------------------------   Chapter 12: Behind the Mask   Gedankenverloren blickte Maron auf ihr Amulett in ihrer Hand herab und seufzte. Eigentlich wollte sie ihre Freistunde mit Lernen verbringen, doch schnell ließ ihre Konzentration nach. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf und Maron wünschte sich ihr Engel wäre hier, um mit ihr darüber zu reden. Um zu verstehen, was vor sich ging. Sie dachte an die Ereignisse von vor drei Tagen zurück. Genauer gesagt an Sindbad. Zwar nicht an den Kuss mit ihm (den sie mit aller Macht versuchte zu verdrängen), sondern an die Visionen sowie die Tatsache, dass sie seine Verletzungen am eigenen Leib spüren konnte. Bei den schmerzhaften Erinnerungen überkam sie ein eiskalter Schauer. Fin… wo bist du nur?, ging es ihr betrübt durch den Kopf. Gerade dann, wo ich dich am meisten brauche, bist du nicht da… Sie seufzte schwer. Wenn ich doch nur wüsste, wo sie ist und wie ich sie erreichen kann…! Stimmen und Gelächter rissen sie aus den Gedanken. Maron schaute leicht überrascht auf und stellte fest, dass die anderen umstehenden Tische sich mit Studenten gefüllt haben. Sie war so in ihren Gedanken vertieft gewesen, dass sie nicht mitbekam, dass die Mittagspause schon angebrochen war. Schnell packte sie ihr Amulett wieder weg und sah einige Momente später, wie Chiaki mit Touya zusammen auf ihr Tisch zukam. Beide hatten eine gemeinsame Veranstaltung und soweit Maron sich entsinnen konnte, arbeiteten sie auch an einem Gruppenprojekt zusammen. Die beiden jungen Männer schienen heftig miteinander zu diskutieren, wirkten angespannt sowie genervt. Seufzend rollte Maron mit den Augen. Seit dem Vorfall mit ihrem Ex-Freund im Freizeitpark hatte Touya seine Skepsis gegenüber Chiaki zwar eingestellt, eine gewisse Abneigung war allerdings immer noch da. Und diese schien wohl mehr oder weniger auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Obwohl Maron die ganze Zeit davon ausging, dass Chiaki eine neutrale Haltung gegenüber seinen ehemaligen Schulkameraden hätte. Doch dem war anscheinend nicht so. In der Gruppe interagierten sie kaum miteinander und sobald Maron sie dazu brachte, ein wenig Zeit zu zweit zu verbringen, flogen die Fetzen. Dabei wollte sie nur, dass ihr Freund und ihr bester Uni-Freund sich eventuell miteinander anfreunden. „Kann ich euch beide für 90 Minuten mal allein lassen, ohne (!) dass ihr euch streitet?“, fragte sie und fasste sich die Stirn. „M, kannst du deinem Freund sagen, dass er nicht so eine Drama-Queen sein soll?“ Touya stand vor ihr, die Hände an den Hüften gestemmt und nickte mit dem Kopf in Chiaki’s Richtung, der in verärgert anstierte. „Entschuldige, aber das-“ Der Blauhaarige hielt eine Mappe in die Höhe, „-ist Grund genug für mich eine sogenannte Drama-Queen zu sein.“ „Was ist das?“, fragte Maron irritiert. „Unser Projektbericht“, antwortete Chiaki, „Darin befinden sich mehr Grammatik- und Rechtschreibfehler als in dem Aufsatz eines Mittelschülers.“ „Alter, sooo schlimm ist es auch nicht!“, wendete Touya ein. „Schlimm genug, um keine volle Punktzahl zu bekommen! Da verlässt man sich auf andere, liest einmal nicht Kontrolle und dann das!“ „Wir bekamen aber dank dem Inhalt 90 Prozent der Punkte!“ „Ernsthaft?!“, unterbrach Maron die beiden, „Wegen sowas streitet ihr euch?“ In dem Moment als Chiaki und Touya was erwidern wollten, viel sie ihnen ins Wort: „Setzt euch.“ Widerwillig setzten sich beide hin. Chiaki zu Maron’s Rechten und Touya dem Paar gegenüber. „Hört zu. Erstens: Du-“ Sie deutete mit dem Finger auf Chiaki, „Dein Notendurchschnitt ist perfekt. Da brauchst du dich wirklich nicht so aufregen. Zweitens-“ Sie wandte sich an Touya. „Du hättest ihm den Bericht trotzdem nochmal zuschicken können, bevor ihr es abgeben musstet. Da wäre allen der Stress erspart geblieben. Und drittens-“ Tief atmete sie durch, „Es tut mir leid, dass ich euch Jungs darum bitte, Freunde zu werden. Ihr müsst keine Freunde sein. Ihr müsst euch noch nicht mal mögen. Vergesst es einfach.“ Chiaki zog seine Augenbrauen hoch. Touya neigte skeptisch den Kopf. „Ich verspreche euch-“, sprach Maron weiter, „Ich zwinge euch nie wieder alleine miteinander abzuhängen. Okay?“ „Schwörst du?“, fragte Touya. „Ja, ich schwöre.“ „Gott sei Dank“, sagte Chiaki mit Erleichterung in der Stimme und entspannte sich neben seiner Freundin. „Geht mir genauso, Bruder.“ Touya grinste schließlich. Irritiert rollte Maron mit den Augen. Männer!, ging es ihr durch den Kopf. Zum ersten Mal waren beide sich über etwas einig und schienen damit glücklich zu sein, sich nicht leiden zu können. „Da jetzt alle zufrieden sind, wollen wir Mittagessen gehen?“, fragte sie. „Ich habe Hunger.“ „Klar“, sagten beide wie aus einem Mund. Damit standen alle drei auf und begaben sich zur Mensa. Dabei legte Chiaki einen Arm um seine Freundin und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe, was ihr ein verlegenes Lächeln aufs Gesicht zauberte. „Ugh…Wie ekelhaft süß“, kommentierte Touya. „Bitte reißt euch zusammen, während ich am Essen bin, sonst kommt mir alles wieder hoch.“ „Hey!“, entgegnete Maron mahnend und teilweise beleidigt. „War nur ein Scherz“, schmunzelte ihr Kommilitone augenrollend. „Schließen sich Miyako und Yamato uns an?“, fragte Chiaki. „Wahrscheinlich“, zuckte Maron vergnügt mit den Schultern. „Kommt Yusuke auch?“, fragte sie anschließend an Touya gewandt. Dessen Gesichtsausdruck verdüsterte sich zu ihrer Überraschung. „Keine Ahnung. Wäre mir im Moment egal“, erwiderte er. „Obwohl… Derzeit habe ich keine Lust ihn zu sehen.“ „Wieso das?“, fragte sie besorgt. „Ich dachte, nachdem er sich vor seinen Eltern geoutet hat, wurde alles gut.“ „Ja, es lief auch gut. Aber seit einigen Tagen benimmt er sich merkwürdig...so aggressiv, so launisch und...gar nicht wie er selbst.“ Dies ließ das Paar aufhorchen. „Wann ungefähr hat das angefangen?“, erkundigte Chiaki sich. Touya warf ihm einen kritischen Seitenblick zu, ehe er sich schwer seufzend durch die roten Haare fuhr. „Ich glaube…seit ich ihm letztens zu seinem Geburtstag das Lederarmband geschenkt habe.“, antwortete er nach kurzer Überlegung. „Seit dem er es trägt, hat er diesen komischen Sinneswandel.“ Maron nickte verstehend. Das muss das Werk eines Dämons sein!, dachte sie sich verbittert. „Naja egal! Ich schätze mal, das ist nur so eine Phase“, wendete Touya ein. „Schließlich stehen die Prüfungen an und da dreht doch jeder mal am Rad.“ „Ja…“, stimmten Maron und Chiaki ihm gleichzeitig zu. Im nächsten Moment kamen sie in der Mensa und das Thema war für den Rest des Tages erstmal beiseitegelegt. *** „Du musst dich nicht entschuldigen, wenn du heute nicht bei mir übernachten kannst“, sprach Maron auf Chiaki ein. „Ich nehme dir das nicht übel.“ Nach der Uni hatte er sie nach Hause gefahren und beide hatten zusammen noch zu Abend gegessen. Gerade war Maron dabei das Geschirr und die Kochutensilien in die Spülmaschine einzuräumen. Chiaki half ihr dabei und überreichte ihr immer wieder einen Teller. „Doch, ich habe mich schon darauf gefreut“, erwiderte er grinsend. „Leider muss ich noch was bei meinem Vater noch was wichtiges erledigen.“, log er mit Bedauern in der Stimme. „Dann holen wir das morgen oder an einem anderen Tag nach!“, schmunzelte sie und lehnte sich mit dem Rücken an der Arbeitsplatte an. Kurz musste Chiaki auflachen. „Dann kann ich den morgigen Abend kaum abwarten.“, entgegnete er, ging auf Maron zu und küsste sie auf die Wange sowie auf den Mund. Maron erwiderte den Kuss liebevoll. Daraufhin musste sie amüsiert und verlegen zugleich kichern. „Touya hat Recht. Wir sind wirklich eklig süß!“ Unbewusst legte sie ihre Hand auf die Herdplatte. „Autsch!!“ Maron verzog schmerzverzerrt das Gesicht und hielt sich die Hand. Rote Verbrühungen waren an den Fingerkuppeln und der Handinnenfläche zu sehen. Erschrocken schaute Chiaki sie an. „Alles okay?“ Keine Sekunde später verspürte auch er ein schmerzhaftes Ziehen in auf der Hand. Zischend zuckte er etwas zusammen. Maron fasste das als eine Reaktion zu ihren Verbrennungen auf. „Keine Sorge, das sieht schlimmer aus, als es ist!“, versuchte sie ihn zu besänftigen. „Ich war zu dumm und habe den Herd die ganze Zeit angelassen.“ Sie wandte sich zum Spülbecken um und hielt sich ihre Hand über den lauwarmen Wasserstrahl. „Warte, ich hole dir Kompressen zum Kühlen.“, sagte Chiaki und ging zum Kühlschrank am anderen Ende des Raumes. „Hm-Mhm.“, nickte Maron zustimmend. Kaum hatte er ihr den Rücken zugewandt, sah er unauffällig auf seine Hand herab. Seine Augen wurden schockiert groß, als er dieselben Rötungen auf seiner Handfläche erblickte. Was zum Teufel…! Nach wenigen Momenten hatte er Maron eine Kompresse gegeben, die sie dankend annahm. Seine eigene Verbrennung hatte Chiaki unter dem Ärmel seines Hemdes verdeckt. Mit einem besorgten und zugleich irritierten Gesichtsausdruck beobachtete er Maron dabei, wie sie erleichtert lächelnd ihre Verbrennungen kühlte. „Ich bin ein Schussel.“, durchbrach sie die Stille zwischen ihnen und lächelte beschämt. Chiaki nickte. „Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“ Mit ihrer gesunden Hand winkte Maron unbeschwert ab. „Das verheilt schnell wieder.“ „Wenn du das sagst.“ Seufzend strich er sich durch die Haare und warf einen schnellen Blick auf die Uhr. „Ich muss jetzt los. Sicher, dass ich dich alleine zu Hause lassen kann?“ „Ja, ich bin kein kleines Kind.“, rollte sie mit den Augen. „Neuste Ereignisse zeigten das Gegenteil.“ Verspielt gab Maron ihrem Freund einen Klaps auf den Oberarm, worauf er belustigt lachen musste. Chiaki strich ihr kurz durchs Haar, beugte sich zu ihr runter und küsste sie auf die Stirn. Maron lehnte sich anschließend zu ihm nach vorne und legte ihre Lippen zärtlich auf seine. Nach dem Kuss verabschiedete das Paar sich und Chiak verließ das Orléans. Er stieg in sein Wagen ein und warf einen letzten prüfenden Blick auf seine Hand. Die Verbrennungen waren, wie zu erwarten, verheilt. Doch wieso gingen ihre Verbrennungen auch auf ihn über? Nach einigen erfolglosen Grübeleien, fuhr er schließlich los, um die Warnung zu verschicken und um sich auf die Dämonenjagd zu machen.   Als Sindbad gegen 20 Uhr bei Yusuke’s zu Hause eingetroffen war, war bereits eine Menge los. Polizisten liefen aus dem Wohnkomplex rein und raus, riefen sich zu, dass Jeanne sich irgendwo versteckt hielt. Der Gedanke an die Diebin verursachte ihm ein beklemmendes Gefühl im Inneren. Irritiert hielt Sindbad sich eine Hand über die Brust. Hatte er immer noch Schuldgefühle wegen des Kusses? Dabei war es drei Tage her und er wollte die Sache ruhen lassen. Kopfschüttelnd schob er das Gefühl beiseite. Gerade als er durch das Dach ins Gebäude eindringen wollte- „Ich wette, du überlässt ihr den Dämon wieder?“ Sindbad stoppte sich mitten in der Bewegung, als er die kalte, arrogante Stimme vernahm. Mit einer ausdruckslosen Miene drehte er sich um und blickte in Noyn’s belustigt grinsendes Gesicht. „Was zum Henker machst du hier?“, fragte Sindbad misstrauisch. Von allen Dämonen und Teufelslakaien, die er kannte, konnte er Noyn am wenigsten ausstehen. Der Dämonenritter ging zwei Schritte auf ihn zu, sah ihn mit seinen dunklen Augen amüsiert an. „Der Boss schickt mich, um zu sehen wieso du ihm keine Schachfiguren mehr lieferst. Ist schließlich eine Weile her, seit er die letzte von dir erhalten hat.“ Der Dieb zog gleichgültig eine Augenbraue hoch. „Und? Er hat die letzten Jahre genug von mir bekommen. Und Jeanne ist eine hartnäckige Gegnerin, da-“ „Genau da steckt das Problem!“, fiel Noyn ihm ins Wort. „Bis vor wenigen Wochen warst du noch fleißig in deinem Job drin und hast dich vor einem Kampf mit der Kamikaze-Diebin nicht gescheut. Jetzt überlässt du ihr die Dämonen freiwillig! Hat Gottes Kleine dich etwa so sehr in ihren Bann gezogen?“, höhnte er. Sindbad funkelte ihn wütend an. Noyn wich mit erhobenen Händen etwas zurück. „Hey, ich kannst dir nicht verübeln! Schön und stark! Der wird doch jeder Mann schwach!“, lachte er auf. „Gehst du wirklich davon aus, dass ich Gefühle für den Feind entwickle?“, entgegnete Sindbad kühl, „Lächerlich! Eher ziele ich darauf ab ihr Vertrauen zu gewinnen.“ „Tatsächlich?“ „Ja. Wenn ich ihr einige Siege gönne und ein paar Mal das Leben rette, wird sie anfangen mir zu vertrauen und ich kann sie eventuell am Ende dazu bringen mit dem Stehlen aufzuhören.“ „Ach so?“ Noyn ließ sich die Erklärung durch den Kopf gehen und rieb sich amüsiert das Kinn. „Klingt plausible.“ Sindbad’s blaue Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du glaubst mir nicht.“ „Nein.“, kam es offen zurück. Genervt kehrte Sindbad ihm den Rücken zu. „Wie du meinst“, erwiderte er, „Sag dem Boss-“ Doch weiter kam er nicht mehr, denn höllische Schmerzen durchfuhren ihm. Eine plötzliche Hitze verspürte er auf seiner Haut. Zischend lehnte er sich an der Wand an und schob den Ärmel seines Mantels hoch. Sein Gesicht verlor für einen Moment an Farbe, als er schwerwiegende Brandwunden auf seinem Arm sah. Gleichzeitig sah er eine Version vor seinem inneren Auge. Yusuke stand mit einem Flammenwerfer vor ihm und griff ohne Zurückhaltung an. Die Sachen und Möbel um ihn herum, fingen bereits Feuer. Er sah weibliche Arme mit weißen Handschuhen, die vor dem Gesicht gehalten wurden, um die Angriffe zu blocken. Jeanne!, ging es Sindbad automatisch durch den Kopf. Aber wie-… „Entschuldige. Was soll ich dem Boss sagen?“, hörte er Noyn spöttisch sagen, der wieder vor ihm stand. Fast hätte Sindbad seine Anwesenheit vergessen. Noch immer war ein amüsiertes Grinsen auf Noyn’s Gesicht zu sehen. Oh, wie er diesen Kerl hasste. „Tut weh, oder?“, fragte der Schwarzhaarige, als er einen kurzen Blick auf Sindbad’s Brandwunden warf. „Wenn ich das so sehe, kommen alte Erinnerungen wieder hoch.“ Schnell schob der Dieb sein Ärmel wieder runter und beäugte seinen Gegenüber argwöhnisch. „Was geht hier vor?“ Noyn ignorierte seine Frage mit einer Gegenfrage. „Hast du dich jemals gefragt, wer hinter Jeanne’s Maske steckt?“ Daraufhin verhärteten Sindbad’s Gesichtszüge sich, die Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich zusammen. „Denn ich an deiner Stelle wäre irgendwann neugierig geworden“, fügte Noyn in einem überheblichen Ton hinzu. „Und was soll mir das bringen?“ „Eine ganze Menge. Du würdest eine Antwort zu deiner vorherigen Frage bekommen.“ „Ich verlange aber von dir eine verdammte Antwort!“ „Keine Chance. Es ist lustiger, wenn du es selbst herausfindest.“ Im nächsten Moment schob Sindbad Noyn genervt beiseite und drängte sich an ihn vorbei. Er hatte die Anwesenheit des Dämonenritters satt. Außerdem hat er genug kostbare Zeit verschwendet. „Zur Hölle mit dir.“, fluchte der Kaito leise. „Bin schon auf dem Weg.“, kam es belustigt zurück. Mit den Worten war Noyn schließlich verschwunden. Letztendlich machte Sindbad sich auf dem Weg zu Jeanne und Yusuke.   Es dauerte auch nicht lange bis er beide fand. Das gesamte Stockwerk stand in Flammen. Dicker, schwarzer Rauch hing unter der Decke. Yusuke lag bewusstlos auf dem Boden und Jeanne kämpfte angestrengt mit dem Dämon, der sich aus dem Lederarmband manifestiert hatte und Feuerbälle spuckte. „Jeanne!“, rief Sindbad nach ihr. Die Diebin drehte sich hustend zu ihm um. „Sindbad!“ Zur selben Zeit griff der Dämon wieder an, was sie halbwegs geschickt mit einem Sprung ausweichen konnte. Sie landete wenige Schritte von Sindbad entfernt. „Du störst nur! Ich habe den Dämon im Griff!“, sagte sie und begann wieder zu Husten. „Von wegen! Begib dich besser in Sicherheit!“ „Und dir -einem Diener des Teufels- den Dämon überlassen? Nein, danke!“ „Wie kann man nur so stur sein.“, murmelte Sindbad fassungslos. Damit setzte Jeanne zu einem weiteren Angriff an und mit Erfolg konnte sie diesmal den Dämon bannen. Kaum war er weg, begann das Feuer um die Diebe herum langsam zu verschwinden. Nachdem Jeanne die Schachfigur eingesammelt hatte, begann sie im nächsten Moment zu schwanken und ihre Beine gaben nach. Sindbad fing sie noch rechtzeitig auf, bevor Jeanne auf dem Boden aufkommen konnte. Sie war bewusstlos. Womöglich vom vielen Einatmen des gefährlichen Rauches. Seufzend strich er ihr eine schweißgetränkte Strähne von der Stirn.   Kurze Zeit später hatte Sindbad Yusuke aus dem Gebäude gebracht und in Polizeinähe abgesetzt. Anschließend trug er Jeanne in ein sicheres Waldstück weg. Vorsichtig setzte er sie an einem Baum ab und sah sich ihre Wunden an. Sie hatte an Armen und Beinen Brandwunden, die langsam verheilten. Sindbad schob prüfend seine beiden Ärmel hoch und sah dieselben Wunden an seinen Armen. Was passiert hier nur?, fragte er sich. Diese Wunden. Und die Vision. Alles erinnerte ihn an damals im Freizeitpark zurück. Da hatte er ein ähnliches Erlebnis. Allerdings mit Maron. Er dachte daran zurück, als sie sich Stunden zuvor auf der Herdplatte verbrannt hatte. Und er ebenfalls Verbrennungen auf der Hand bekam. Kann es sein, dass-… Doch ehe Sindbad den Gedanken zu Ende bringen konnte, verwarf er ihn schon. Nein, unmöglich. Es müssen irgendwelche andere Erklärungen für all die Dinge geben…! Mit einem ausdruckslosen Blick schaute er wieder zu Jeanne rüber, die immer noch ohnmächtig am Baum angelehnt war. Ruhig atmend hob sich ihre Brust auf und ab. „Hast du dich jemals gefragt, wer hinter Jeanne’s Maske steckt?“, echoten Noyn’s Worte in seinem Kopf. Unsicher biss Sindbad sich auf die Unterlippe. Die Frage hatte er sich wirklich nie gestellt, weil es ihn vorher nicht interessiert hatte. Bisher war Jeanne für ihn nur eine Gegenspielerin gewesen. Mehr nicht. Und nun? Nicht nur machten ihn die heutigen Ereignisse suspekt, sondern auch diese irritierende Verbundenheit, die er seit einiger Zeit in ihrer Gegenwart verspürte. Wenn Sindbad ehrlich mit sich selbst war, so war durchaus seine Neugier nun geweckt. Langsam hob er seine Hand an und führte sie Richtung Haarschleife. Noch bevor seine Finger den roten Stoff umfassen konnten, schnappte eine Hand plötzlich nach seinem Handgelenk. Schöne, violette Augen trafen auf seine blauen. „Was hast du vor?“, fragte Jeanne verwirrt und ernst zugleich. „…“ Zögernd presse Sindbad sich die Lippen zusammen und ließ seine Hand schuldig sinken. Es war nicht zu verleugnen, was er vorhatte. Realisation und Wut zeichnete sich in ihrem Gesichtsausdruck wider. Im nächsten Moment setzte Jeanne sich etwas aufrecht und ohrfeigte ihn kräftig. „Ich wusste, dass man dir nicht trauen kann!“, sagte sie, die Stimme voller Gift. „Aber was will man von einem Diener des Teufels erwarten!“ Mit den Worten stand Jeanne blitzschnell auf und verschwand. Sindbad sah ihr kurz nach, rieb sich nachdenklich die gerötete Wange. Konnte er sie jetzt einfach so davonlaufen lassen? Wer bist du wirklich, Jeanne?, dachte er sich. Mit einem entschlossenen Blick, entschied er sich schließlich dafür ihr zu folgen. Aufgrund seiner Schnelligkeit war es für Sindbad ein Leichtes Jeannes Vorsprung aufzuholen. Mit sicherem Abstand folgte er ihr, sprang über den Dächern der Stadt. Als er sah, dass sie auf das Orléans zusteuerte, musste er schwer schlucken. Ein eiskalter Schauer überkam ihm. Sein Herz begann lautstark zu klopfen vor Aufregung. Auf dem Gebäudedach blieb Jeanne stehen. Sindbad versteckte sich auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes. Im Mondscheinlicht sah er, wie die Kamikaze-Diebin ihren Arm hob, nach ihrer roten Haarschleife griff und daran zog. Die blonden Haare verdunkelten sich und ihr weißes Kostüm wurde mit Jeans und Bluse ersetzt. Sindbad stockte der Atem. Seine blauen Augen weiteten sich schockiert. Wie gelähmt stand er auf dem Dach und beobachtete wie die Gesandte Gottes einen letzten Blick über die Stadt warf und schließlich ins Gebäude verschwand. Einige stille Momente verstrichen bis er seine Sprache wieder fand, die Stimme ein fassungsloses Flüstern: „Maron…!“ --------------------------------------------------------- Hoffe das Kapitel hat den einen oder anderen gefallen. :‘)   Da ich es im letzten Kapitel vergessen habe zu erwähnen, sage ich es hier: Noyn und Hijiri (aus Kap. 9) sind hier nicht ein und dieselbe Person. Chapter 13: Truth ----------------- Chapter 13: Truth   „Du wusstest es!“ Wutentbrannt war Sindbad zur Hölle geeilt, hatte Noyn ausfindig gemacht, ihm an den Kragen gepackt und an die nächste Wand geschleudert. „Ich wusste was genau?“, entgegnete Noyn gleichgültig. Zähneknirschend drückte Sindbad ihn ein weiteres Mal an die Wand. „Du weißt, genau wovon ich spreche, du Bastard! Jeanne’s wahre Identität.“ „Aaah…“ Ein fieses Lächeln bildete sich auf Noyn’s Gesicht. „Natürlich! Der Boss weiß es auch.“ Er packte Sindbad’s Handgelenk und lockerte ohne Anstrengungen seinen Griff, sodass der Dieb gezwungen war loszulassen. „Eine reizende Freundin hast du dir ausgesucht.“, merkte Noyn grinsend an und drängte sich an ihm vorbei. „... Was geht hier vor? Was passiert mit mir und ihr? Die Visionen und Wunden.“, verlangte Sindbad zu wissen, die Stimme fordernd. Es dauerte einige Sekunden bis Noyn sich zu ihm umdrehte und ihn mit einem neutralen Gesichtsausdruck ansah. „Der Fluch.“ „Was für ein Fluch?“ „Der Fluch der auf Menschen lastet, die für Gott und Teufel dienen. Eine verbotene Liebe, die vom Universum bestraft wird.“ Sindbad erstarrte bei den Worten für einen Moment. Nun machte für ihn alles Sinn. „Wie kann ich den Fluch aufheben?“, fragte er. „Hmmm... Lass mich überlegen...“ Noyn sah nachdenklich nach oben, tippte mit dem Finger auf sein Kinn. „Es gibt drei Lösungen, damit der Fluch gebrochen ist: Sie stirbt, du stirbst oder ihr beide sterbt.“, zählte er mit einem breiten Grinsen auf. Sindbad verzog wütend das Gesicht, zog in der nächsten Sekunde jedoch erstaunt die Brauen hoch. „Du scheinst aus Erfahrung zu sprechen“, stellte er einem ruhigen, monotonen Ton fest. „Und ich schätze mal, in deinem Fall hat sie den Tod gewählt.“ Noyn’s Gesicht wurde zu einer emotionslosen Maske, seine dunklen Augen verhärteten sich. „Da hast du Recht“, gab er offen zu, „Kennst du die Geschichte von Jeanne d’Arc, der Jungfrau von Orléans?“ Ohne auf eine Antwort von Sindbad zu warten, sprach der Dämonenritter weiter: „Vor langer Zeit war ich, wie du, ein Mensch der sich auf ein Pakt mit dem Teufel eingelassen hat. Sie war eine Gesandtin Gottes. Und wie du es garantiert aus den Geschichtsunterricht kennst, starb sie im Scheiterhaufen. Im lebendigen Leibe verbrannt.“ Noyn hielt kurz inne und sah Sindbad abwertend an. „Was du heute Nacht erlebt hast, war reinstes Kinderspiel im Vergleich zu dem, was ich erleben musste.“ Der Dieb zuckte bei den Erinnerungen sowie bei der Vorstellung von seinen Erzählungen innerlich zusammen, versuchte jedoch gefasst zu wirken. „Wir hatten geglaubt, den Fluch überstehen zu können… Allerdings hatte Jeanne es doch nicht mehr ausgehalten und wollte den Qualen ein schnelles Ende bereiten“, vollendete Noyn schließlich. „Nachdem sie starb, habe ich jegliche Menschlichkeit in mir aufgegeben und wurde zum Dämonenritter.“ „Sehr traurige Geschichte. Willst du mein Beileid?“, kommentierte Sindbad sarkastisch.   Noyn ignorierte seinen Sarkasmus und fing an wieder arrogant zu Lächeln. „Es ist interessant zu sehen, wie Geschichte sich wiederholt. Ich frag mich, wie lange es dauert bis einer von euch sich dafür entscheidet ins Gras zu beißen.“ Sindbad sah seinen Gegenüber ernst an. „Das wird nicht passieren“, sagte er bestimmt, „Nicht wenn ich vorher bei euch aufhören.“ „Du kannst nicht aufhören“, ertönte plötzlich eine finstere Stimme hinter ihm.   Überrascht drehte Sindbad sich zu Satan um, ein großgewachsener Mann mit pechschwarzen Haaren, der äußerlich wirkte, wie als wäre er in seinen Zwanzigern. Noyn zog amüsiert schmunzelnd eine Augenbraue hoch, machte eine respektvolle Vorbeugung und begab sich etwas in den Hintergrund. „Wenn ich dich daran erinnern darf: Wir haben ein Pakt geschlossen, bei der du mich darum gebeten hast, dir die nötige Kraft zu geben mit der du die Dämonen bannen kannst. Als Gegenleistung überlässt du deine Seele mir“, sprach der Teufel weiter. „Willst du mir jetzt mit meinem Leben drohen?“ „Was ich will ist, dass du gefälligst weiter Schachfiguren einsammeln wirst.“ Sindbad ballte seine Hände zu Fäusten. „Was ist, wenn ich mich weigere? Such dir einen anderen Handlanger, der die für dich einsammelt.“ Satan’s schwarze Augen verengten sich missbilligend zu Schlitzen.   „Ich kann dir zwei gute Gründe geben weiterzumachen.“ Mit einer Handbewegung ließ er etwas erscheinen. Sindbad wurde sofort bleich, als er Access und Fin sah, die in einem magischen Gefängnis sich befanden. Die Engel wirkten völlig entkräftet und leichenblass. „Sindbad…!“, kam es von beide schockiert. Der Angesprochene blickte fassungslos zwischen den Engeln hin und her. Er verstand zwar nicht, wieso beide zusammen in Gefangenschaft sich befanden, doch die Tatsache, dass sein Partner die ganze Zeit über hier war, brachte ihn in Rage. „Access!!!“ Sindbad ließ ein Dolch in seiner Hand erscheinen und setzte zu einem Angriff an. Doch Satan streckte gelangweilt seine Hand aus und sorgte dafür, dass er seine Waffe verlor und bewegungsunfähig war. So sehr Sindbad sich auch anstrengte, er konnte keinen Muskel rühren. „Ich würde es mir zweimal überlegen, ob du mich angreifen willst.“, sprach Satan und zog überheblich eine Augenbraue hoch, „Falls du es vergessen hast: was dir zustößt kann sich auf Maron Kusakabe übertragen. Also, wenn du das Wohlergehen deiner kleinen Freundin wertschätzt, dann mach keine Dummheiten, Junge. Und da wären wir auch schon bei Grund Nummer zwei.“ Ein sadistisches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Fin wurde noch blasser als sie schon war. „Die Dämonen werden darauf abzielen nach Jeanne’s Leben zu trachten. Wenn du sie beschützen willst und ein Schicksal wie Noyn’s vermeiden willst-“ Kurz schweifte er seinen Blick auf den Dämonenritter rüber und sah wieder Sindbad ernst an. „Dann wirst du auch keine andere Wahl haben, als die Dämonen zu versiegeln. Du musst mir die Schachfiguren nicht mal persönlich liefern! Sie finden schon ihren Weg zu mir.“ Ein arrogantes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Sindbad knirschte hasserfüllt mit den Zähnen. „Sindbad…Geh.“, flehte Access ihn an, „Wir überleben das schon…“, brachte der Engel kraftlos hervor. „Access…! Ich-“ Sindbad spürte, wie seine Kräfte schwanden. Plötzlich gaben seine Beine nach und Satan stand böse grinsend über ihn. Die schwarzen Augen fingen an blutrot zu leuchten. „Du hast deinen Engel gehört. Mache gefälligst deinen Job und das Leben der, die dir wichtig sind bleibt verschont“, sagte er, hielt kurz inne und fügte mit einem dunklen Lächeln hinzu, „Obwohl… hundertprozentig garantieren kann ich es nicht.“ Verfluchter Bastard!, ging es Sindbad als letztes durch den Kopf, bevor alles um ihn herum schwarz wurde. *** Besorgt blickte Maron auf ihr Handy herab. Den ganzen Tag hatte sie nichts von Chiaki gehört. In der Uni war er nirgends zu sehen und telefonisch war er weder mobil noch privat zu erreichen. Seufzend legte sie ihr Handy auf den Wohnzimmertisch ab, setzte sich auf ihr Sofa hin und blickte betrübt aus dem Fenster heraus. Die Sonne ging unter und dunkle Wolken zogen über den orangenen Himmel auf. Womöglich würde es in der Nacht regnen, dachte Maron sich. Sie biss sich auf die Lippe und hielt sich die Hand vor der Brust. Ihr Herz klopfte kräftig auf. Den ganzen Tag verspürte sie schon ein ungutes Gefühl in der Brust. Lag es daran, weil sie sich Sorgen um Chiaki machte? Zusätzlich zu der andauernden Sorge um Fin. Wie bei einem Gebet schloss sie für einen Moment ihre Augen, atmete tief ein und wieder aus. Nach einigen Minuten öffnete Maron wieder die Augen, stand auf und zog sich ihre Jacke an. Sie beschloss einen kleinen Spaziergang zu machen, um sich von diesem Gefühl abzulenken. Das Handy ließ sie unbewusst im Wohnzimmer liegen. Auf dem Weg zum Aufzug kam ihr Miyako über den Weg, die soeben in ihre Wohnung eintrat. „Wo willst du denn hin?“, fragte ihre beste Freundin neugierig. „Nur im Stadtpark mir die Beine vertreten.“, antwortete Maron schulterzuckend. Miyako nahm das nickend zur Kenntnis und musterte sie kurz besorgt an. „Hast du immer noch nichts von Chiaki gehört?“ Resigniert schüttelte die Braunhaarige den Kopf. „Bestimmt meldet er sich noch.“, lächelte Miyako ihr mit Zuversicht zu. Maron erwiderte das Lächeln dankbar und ging ihren Weg schließlich weiter. „Pass auf dich auf. Es wird regnen.“, rief ihr die Kurzhaarige noch zu. „Bis dahin bin ich wieder zu Hause.“, konterte Maron und verschwand winkend in den Aufzug. Zehn Minuten später war sie im Park angekommen. Es waren nicht viele Leute anwesend. Ab und an liefen Familien mit Kindern oder verliebte Paare an ihr vorbei. Der Spaziergang tat der jungen Frau durchaus gut. Sie fühlte sich entspannter und ihre Sorgen waren für den Moment erstmal beruhigt. Ein plötzliches Knacksen und Rascheln ließen sie aufschrecken. Maron blieb stehen und blickte skeptisch in ein dichtes Waldstück aus der die Geräusche kamen. Wieder ertönte ein Rascheln. Vorsichtig näherte sie sich dem Geräusch. Hinter einem Baum tauchte auf einmal eine Gestalt auf. Erschrocken zuckte Maron zusammen. Ihre Augen wurden riesengroß, als sie erkannte wer vor ihr stand. „Chiaki!“, brachte sie überrascht sowie erleichtert hervor. Er erwiderte nichts, lächelte sie nur an. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sein Lächeln sah. Das beängstigende Gefühl in ihrer Brust sowie die Herzklopfen wurden stärker. Im nächsten Moment vernahm sie das Piepen ihres Amuletts.   Als Chiaki erwachte, stellte er verwirrt fest, dass er sich in seiner Wohnung befand. Fluchend rieb er sich den Kopf, versuchte sich zu erinnern was zuletzt geschehen war. Automatisch spielten sich in Sekundenbruchteilen die Bilder von Jeanne’s Rückverwandlung sowie der darauffolgende Höllenbesuch vor seinem geistigen Auge ab. „Die Dämonen werden darauf abzielen nach Jeanne’s Leben zu trachten.“, hörte er Satan’s Worte nachhallen. Chiaki’s Augen rissen sich weit auf. Maron!, ging es ihm panisch durch den Kopf. Blitzschnell stand er vom Sofa auf und schnappte sich sein Handy auf den Küchentresen. Zig Nachrichten und verpasste Anrufe von Maron wurden ihm auf dem Display angezeigt. Ein schockierter Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es schon fast 20 Uhr war. Ohne zweimal nachzudenken versuchte Chiaki seine Freundin zurückzurufen, doch sofort wurde er mit der Mailbox verbunden. „Verdammt!“, murmelte er leise in sich hinein und eilte aus seiner Wohnung raus. Er stieg in sein Auto ein und fuhr so schnell wie möglich zum Orléans rüber. Während der Fahrt gingen Chiaki alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Innerlich hoffte er auch, dass Maron zu Hause in Sicherheit war. Und was sollte er ihr sagen, wenn er sie sah? Wie sollte er sich ihr gegenüber verhalten? Frustriert fuhr er sich durch die blauen Haare.   Kurze Zeit später war Chiaki im Orléans und fuhr den Aufzug hoch. Anspannung stieg in ihm hoch. Er hatte einen Entschluss gefasst. Auch wenn es sie verletzen würde, auch wenn sie ihn am Ende hassen würde - er musste ihr die Wahrheit sagen. Die komplette Wahrheit. Vor ihrer Tür klopfte er einige Male kräftig daran und rief ihren Namen, doch es kam keine Antwort. Gegenüber die Nachbarstür öffnete sich und Miyako lugte neugierig hervor. „Chiaki!“, rief sie überrascht. Der Angesprochene drehte sich zu ihr um. „Miyako! Weißt du, wo Maron ist?“ „Maron? Die hast du gerade verpasst.“ „Weißt du, wo sie ist?“, wiederholte er seine Frage. „Sie wollte im Stadtpark einen Spaziergang machen, hat sie mir gesa-” Noch bevor Miyako zu Ende reden konnte, war Chiaki schon die Treppen heruntergerannt. Panik breitete sich in ihm aus. Vielleicht machte er sich auch umsonst Sorgen. Schließlich hatte er noch keine Visionen oder ähnliches von Maron bekommen. Allerdings sagte ihm sein Gefühl, dass Gefahr bereits drohte. Kaum war Chiaki wenige Minuten später im Park angekommen, begab er sich instinktiv in den Wald und verwandelte sich in Sindbad. *** Unterdessen rannte Maron durch den Wald. Auf der Flucht vor Chiaki. Nachdem sie mitbekam, wie ihr Amulett auf ihn reagierte, blieb ihr für einen Moment das Herz stehen. Ehe sie sich versah, hatte er ein Messer hervorgezogen und in der Sekunde hatte Maron die Flucht ergriffen. Atemlos blieb sie für einen Augenblick an einem Baum stehen, verwandelte sich in Jeanne und schaute vorsichtig nach hinten. Chiaki war nirgends zu sehen. Hab ich ihn abgehängt?, fragte sie sich. Angestrengt atmete sie tief ein und aus, schüttelte ungläubig den Kopf. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt und rollten vereinzelt ihre Wange herunter.   Konnte es wirklich sein, dass er von einem Dämon besessen war? Auf einmal vernahm die Kamikaze-Diebin eine Bewegung hinter sich. In der nächsten Sekunde zischte eine Klinge an ihr vorbei und Chiaki’s kalte, gefühllose Augen trafen auf ihre. Jeanne sprang einige Meter rückwärts, um einen sicheren Abstand vor ihm zu bewahren. Mit einem ernsten und zugleich entschlossenen Blick sah sie ihren Gegenüber an. „Ich will dich nicht bekämpfen, Chiaki…“, sagte sie, „Aber ich werde dich von dem Dämon befreien!“ Mit den Worten holte sie ihr Band hervor und griff an. Ich muss nur herausfinden, wo der Dämon sich versteckt hält!, dachte sie sich. Zu ihrem Erstaunen war Chiaki unmenschlich schnell. Immer wieder wich er ihren Angriffen aus. Jeanne hingegen konnte nur mit Mühe seine Attacken blocken. Plötzlich schnellte eine Hand nach ihr aus und packte sie an den Hals. Dann drückte er sie an den Baum hinter sich. „Chi-a-ki…“ Verzweifelt rang Jeanne nach Luft, versuchte sich aus seinen Griff zu befreien. Stattdessen verstärkte sich der Druck im ihren Hals und Chiaki hielt sein Messer in die Höhe. „Bitte nicht…“, wisperte sie verängstigt. In dem Moment als er sein Messer herunterschnellen wollte, flog plötzlich etwas an ihr vorbei. Ein Dolch durchstach seine Brust, traf ihn mitten ins Herz. Entsetzt schnappte Jeanne nach Luft, während sie auf dem Boden herabrutschte, nachdem er sie losgelassen hatte. Fassungslos sah sie zu, wie Chiaki zu Boden fiel. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, ein erstickter Schrei entkam ihr. Gerade als Jeanne auf ihn zugehen wollte, spürte sie zwei Hände, die sie an den Armen und Schultern festhielten. „Jeanne!“, hörte sie jemand neben sich sagen. „Du hast ihn getötet“, brachte Jeanne leise hervor, ohne sich umzudrehen. Wie in Trance wiederholte sie die Worte immer und immer wieder. „Hör mir zu-“, versuchte Sindbad verzweifelt auf sie einzureden, suchte ihren Blick. „NEIN!“ Sie riss sich von ihm los. „Du bist ein grausames Monster!“, schrie sie ihn an, die Stimme mit Wut, Schmerz und Hass gezeichnet. „Anstatt mich den Dämon bannen zu lassen, hast du ihn einfach getötet! Ich hasse dich!!“ Tränen rannten ihr das Gesicht herunter „Maron!!“ Sindbad nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang Jeanne dazu, dass sie ihm in die Augen sah. „Das bin nicht ich!“ Sie hielt wie erstarrt inne. „W-W-Was hast du eben gesagt…? W-Wie hast du mich genannt?“, stammelte sie. Kurz ließ der Dieb einen schweren Seufzer aus und schloss seine Augen. Er ließ sie vorsichtig los. Seine Hand hob sich, umfasste sein Stirnband und zog daran. In dem Moment blieb die Welt für einige unendlich lange Sekunden stehen. Jeanne stockte der Atem. Das Blut gefror in ihr in den Adern. Ein weiteres Mal spürte sie, wie ihr Herz stehen blieben. Ihre violetten Augen weiteten sich vor Schock. Braune Augen trafen auf ihre, sahen sie traurig an. „Das… ist unmöglich…! Wie kann das sein?“ Ihre flüsternde Stimme begann zu kippen. Sie rutschte etwas von ihm weg. „Ich wollte nicht, dass du es so erfährst…“, sagte Chiaki reumütig. Zitternd hob Jeanne eine Hand und zeigte mit dem Finger auf ihm. „Wenn du… Chiaki bist…“, dann deutete sie auf die Person -die Gestalt- auf dem Boden, die immer noch Chiaki’s Gesicht trug. „Wer oder was ist das…?!“ „Ein Dämon.“, antwortete Chiaki ihr gefasst. „Ein Gestaltwandler.“ „Ein… was?“ Ungläubig sah sie zwischen beiden hin und her. Ihr Verstand setzte komplett aus, unfähig zu verstehen, was vor sich ging. Im nächsten Moment setzte sich der Gestaltwandler auf und stierte die Diebe mit roten Augen wütend an. Den Dolch in seiner Brust zog er ohne Schmerzen heraus und grinste beide unmenschlich an. Chiaki setzte sich sofort auf, stellte sich vor Jeanne hin und verwandelte sich in Sindbad. Wie gelähmt saß Jeanne auf dem Boden, beobachtete alles fassungslos, wie seine Haare weiß und seine Klamotten mit schwarzer Jeans und schwarzem Mantel ersetzt wurden. Anschließend kämpfte Sindbad erbittert mit dem Dämon. Nach einigen Anstrengungen hatte er ihn schließlich Schachmatt gesetzt. Der Dämon löste mit einem bestialischen Schrei auf und an seiner Stelle tauchte eine schwarze Schachfigur auf. Ohne dass Sindbad sie aufsammelte, drehte er sich zu Jeanne um. Diese vermied seinen Blick, sah zu der Schachfigur auf dem Boden rüber, die sich soeben in Luft auflöste. Ihr Gesicht ausdruckslos. Inzwischen hatte es angefangen zu regnen.   Sindbad ging auf Jeanne zu und bot ihr eine Hand an. „Maron, bitte-“ Sie löste sich von ihrer Schockstarre und schlug ihm seine Hand weg. „Fass mich nicht an!“ Mit wackligen Beinen stand sie auf und machte einige Schritte rückwärts. Langsam, wie in Zeitlupe, wagte Jeanne es ihm in die Augen zu sehen. „Die ganze Zeit über-... Die ganze Zeit über warst du Sindbad…“, murmelte sie leise. Tränen stiegen in ihren Augen hoch. Alles in ihr begann zu zittern. „Und du wusstest, dass ich Jeanne bin?“ Sein trauriger Blick ließ ihren nicht los. „Bitte, Maron, hör mich an.“, flehte Sindbad sie an, wollte einen Schritt auf sie zugehen. „Ich wusste auch nicht dass-“ „Nein!“, unterbrach sie ihn, drehte sich abrupt weg. „Ich will nichts hören! Lass-… Lass mich einfach in Ruhe…!“ Mit den Worten rannte Jeanne so schnell ihre Beine sie trugen davon, ließ ihn an Ort und Stelle stehen.   Das musste alles doch nur ein Traum sein. Ein Albtraum! Wieso wachte sie dann nicht auf? Jeanne, die sich inzwischen in Maron zurückverwandelt hatte, wusste nicht wie lange sie rannte. Irgendwann hatte sie den Park verlassen und lief ziellos durch die Straßen Momokuri’s. Schließlich blieb sie in einer Seitengasse stehen, lehnte sich schluchzend an einer Gebäudewand an. Tränen rannten unkontrolliert ihr Gesicht herab. Es hatte unterdessen angefangen in Strömen zu regnen. Trotz der eigentlich warmen Jahreszeit wurde es mit einem Schlag eisig kalt. Der Regen durchnässte in Nullkommanix ihre Kleidung. Die Tropfen platzten wie kleine Glasscherben auf ihre Haut auf. Ihre Tränen vermischten sich mit den Regentropfen. Mit zitternden Händen holte sie ihr Amulett hervor. „Fin…“, flüsterte Maron in einem flehenden Ton, die Stimme völlig heiser, „Was mache ich nur….?“ Sie wusste nicht, was sie denken soll. Was sie fühlen soll. In ihrem Kopf herrschte reinstes Chaos. Ihr Herz schmerzte, fühlte sich an als würde es in zwei Hälfte zerreißen und im lebendigen Leibe verbluten. Sindbad ist ihr Feind. Jemand, mit dem sie seit Jahren um die Dämonen kämpfte. Jemand, den sie von Natur aus hassen sollte. Und Chiaki? Er ist ihr Freund. Jemand, dem sie ihr Herz öffnete. Jemand, den sie eigentlich lieben wollte. Doch konnte sie Chiaki wirklich vertrauen? Konnte sie ihren Feind lieben? Plötzlich fiel Maron etwas ein, was Fin ihr vor Jahren mal erzählt hatte. „Verfeindete Kaitos dürfen sich nicht lieben.“, hatte ihr Engel damals gesagt. „Ihre Liebe wird verheerende Folgen auf sie haben.“ Nachdem sie sich das Erzählte in ihren Erinnerungen Revue passieren ließ, wurde ihr mit einem Schlag einiges klar. Welche schreckliche Bedeutung die Ereignisse von vor ein paar Tagen hatten. „Das kann nicht sein…“, sprach sie wispernd zu sich selbst, die Augen erschrocken geweitet. Maron schlang ihre Arme um ihren Körper, welcher unkontrolliert zu zittern begann. Kraftlos rutschte sie die Wand herab, sank auf die Knie. Was mache ich nur? Verwirrt hielt Maron sich mit einer Hand den Kopf, griff verzweifelt durch ihre nassen Haare. Gott, bitte sage mir, was ich machen soll…!   Chapter 14: Broken ------------------ Chapter 14: Broken   Maron wusste nicht, wie lange sie im Regen gestanden hatte. Irgendwann hatte sie es geschafft aufzustehen und zum Orléans zurückzukehren. Wie in Trance trugen ihre Beine sie von selbst. Im siebten Stock angekommen, war sie mehr als erleichtert zu sehen, dass Chiaki nicht vor ihrer Haustür wartete - wie sie zunächst befürchtet hatte. Der Gedanke an ihn verursachte ihr ein stechendes Gefühl in der Brust und sie musste schwer schlucken. Zu Hause steuerte Maron direkt aufs Bad zu, entledigte sich ihre pitschnassen Klamotten und stieg in die Duschkabine. Eine Weile stand sie unter dem heißen Wasserstrahl, die Augen leerblickend auf die Badezimmerfliesen gerichtet. Gedanklich ging sie die letzten Jahre, Monate, Wochen nochmal durch den Kopf durch. Sie dachte an ihre erste Begegnung mit Sindbad zurück. Der Tag, an dem sie auch zum ersten Mal Jeanne die Kamikaze-Diebin wurde. An dem Tag war das Ölgemälde eines berühmten Malers von einem Dämon befallen. Maron wusste nicht wie, doch mit Glück und Geschick schaffte sie es die Polizei abzuhängen und als erste im Atelier anzukommen. Auf einmal tauchte eine dunkle Gestalt aus den Schatten hervor und schleuderte die damals Sechzehnjährige an die nächstgelegene Wand. Im nächsten Moment spürte sie etwas Scharfes auf ihrem Hals ruhen. Ein Messer. Sie schnappte scharf nach Luft und sah zu ihrem Angreifer auf. Bisher hatte Maron von Sindbad über die Nachrichten oder Fin’s Erzählungen gehört. Damals hatte sie sich alles Mögliche vorgestellt, wenn sie an einem Diener des Teufels dachte. Allerdings hatte sie nicht erwartet, einen Jungen ihres Alters vor sich stehen zu sehen. Weiße Haare und Augen, so blau wie das Meer. Auch wenn sie es sich im Nachhinein nicht eingestehen würde, so ging ihr eines durch den Kopf, als sie ihm in die Augen sah: Wunderschön. Es war eine faszinierende Farbe, in der sie sich für einen Moment verlor. Schließlich bemerkte Jeanne, wie Sindbad sie eindringlich und zugleich neugierig musterte. „Wer bist du? Und was machst du hier?“, verlangte er von ihr zu wissen, die Stimme ein raues Wispern. Gerade als sie antworten wollte, vernahmen beide Stimmen und Schritte, die sich dem Atelier näherten. Abgelenkt von dem Tumult sah Sindbad zur Tür rüber, was Jeanne die Gelegenheit gab, ihm in die Brust zu treten und anschließend den Dämon im Namen des Herrn Schachmatt setzte. Sindbad beobachtete sie mit einem leicht überraschten Gesichtsausdruck. Kurz bevor sie aus dem Fenster flüchten wollte, drehte Jeanne sich zu ihm und blickte ihn herausfordernd an. „Ich bin Jeanne die Kamikaze-Diebin, die Gesandte des Herrn!“, sagte sie ihm in einer selbstbewussten Haltung, „Ich bin hier, um gegen dich anzutreten und die Dämonen im Gottes Namen zu bannen. Demnach werde ich ab sofort deine Rivalin sein. Unterschätz mich nicht, denn ich werde gewinnen!“ Erstaunt hob sich eine Augenbraue, gefolgt von einem amüsierten Grinsen. „Das gefällt mir! Endlich kommt mal Spannung ins Spiel rein!“, entgegnete Sindbad, sein Grinsen wurde noch breiter, „Gut…Ich nehme deine Herausforderung an, Kamikaze-Diebin Jeanne.“ Seitdem sind drei Jahre vergangen. Drei Jahre Rivalität, in der beide so gut wie jede Nacht skrupellos miteinander kämpften. Drei Jahre, in der sie ihn gehasst hat. Und jetzt? Wie standen ihre Gefühle jetzt zu ihm? Seufzend schloss Maron Augen und duschte sich die nächsten Minuten fertig. Dann verließ sie das Bad, zog sich ihren Pyjama an und holte sich aus der Küche etwas zu trinken. Mit einer Flasche Wasser lief sie trostlos durch die Wohnung. Ihr Handy lag noch immer auf dem Wohnzimmertisch, das Benachrichtigungslicht blinkte immer wieder hell auf. Widerwillig nahm sie das Gerät in die Hand und entsperrte es. Fünfzehn verpasste Anrufe sowie eine Sprachnachricht. Alle von Chiaki. Wieder spürte sie das schmerzhafte Stechen in ihrer Brust. Ihre Hand begann zu zittern. Zögernd presste Maron sich die Lippen zusammen. Mit dem Blick aufs Handy ging sie in ihr Schlafzimmer und setzte sich auf ihr Bett, den Rücken an die Wand angelehnt. Ein Teil von ihr wollte eigentlich ihre Ruhe haben und nichts von Chiaki hören. Doch ein anderer Teil von ihr wollte wissen, was er ihr in der Sprachnachricht sagen wollte. Nach einigen Minuten sprang sie schließlich über ihren Schatten und spielte sie ab. „Hey… Ich kann verstehen, wenn du Momentan nichts mit mir zu tun haben willst.“, hörte sie Chiaki sagen, seine Stimme klang erschöpft, „Aber ich würde gerne mit dir reden… Von daher-“ Ein Seufzen war zu hören. „Melde dich…Egal wann. Bitte, Maron...“ Damit war die Nachricht beendet. Mit einer ausdruckslosen Miene blickte Maron auf ihr Handy herab, welches ihr aus der Hand rutschte und auf die Matratze fiel. Was mache ich nur, verdammt…?!, ging es ihr wieder Mals durch den Kopf, zog ihre Beine an sich heran und schlang ihre Arme um sie. Entkräftet seufzte die Braunhaarige auf, ließ ihr Kinn auf die Knie sinken. Dann sah sie auf die Uhr. 2:39 Uhr. An Schlaf war für sie allerdings nicht zu denken. Wie Adrenalin hielt sie diese innere Unruhe in ihrem Kopf und in ihrem Herzen wach. Anschließend ließ sie ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Noch immer schüttete es wie aus Eimern und die Regentropfen prasselten lautstark gegen die Scheiben. Nach einer Weile hörte das Prasseln auf und die Morgensonne kam hinter den dunklen Wolken allmählich zum Vorschein. Die Uhr zeigte 5:13 an. Langsam nahm Maron ihr Handy in die Hand, öffnete Chiaki’s Nachrichtenfenster und tippte eine Antwort ein. Sofort kam von ihm eine Antwort zurück. Ob er auch die ganze Nacht wach war…?, fragte sie sich innerlich. Kurz tippte Maron etwas zurück, stand auf und zog sich um. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Es war nicht leicht, diese Entscheidung zu treffen, doch es war für alle womöglich das Beste. Eine kleine Träne entkam ihrem Auge, als sie sich einen dünnen Mantel holte und schließlich aus der Tür trat. *** Chiaki stand an der Klippe mit der Aussichtsplattform, welche er Maron zu ihrem ersten Date gezeigt hatte und lehnte sich wartend ans Geländer an. Still seufzend fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. Nach dem Vorfall im Park war er die ganze Nacht lang wach gewesen und hatte verzweifelt versucht Maron anzurufen. Schließlich hatte er ihr die Sprachnachricht hinterlassen und darauf gehofft, dass sie ihm so bald wie möglich antworten würde. Zu Hause fiel dem Zwanzigjährigen allerdings nach kurzer Zeit die Decke auf dem Kopf, weshalb er letztlich beschloss durch die Stadt herumzuwandern, trotz des Regens. Nach einer Weile hörte der Regen auf und er hatte die Klippe erreicht. In dem Moment vibrierte sein Handy. Mit Herzklopfen las und beantwortet er Maron’s Nachricht. Er wollte zu ihr kommen, doch sie bestand darauf zur Klippe zu kommen. Nun wartete der Blauhaarige geduldig auf sie. Einerseits war Chiaki froh, dass sie ihm geantwortet hat, andererseits war er nervös auf das Gespräch, was kommen wird.   Es dauerte zwanzig Minuten bis Maron ankam. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Emotionen an. Unter ihren Augen haben sich leichte Schatten gebildet und die Hände waren in den Manteltaschen vergraben. Wortlos ging sie auf Chiaki zu, der aufs offene Meer starrte. „Ich habe dich vermisst“, sagte er, ohne den Blick von der Ferne abzuwenden. Auch er wies leichte Augenringe unter seinen Augen auf. Maron wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, machte stumm den Mund auf und schloss ihn wieder. Ihr fiel eine Lederkette um seinen Hals auf, an der ein silberner Anhänger mit einem dunkelroten Edelstein und ein eingraviertes Pentagramm hing. Maron fragte sich, ob er das Artefakt schon immer getragen hat und ob es die ganze Zeit über unter sein Shirt versteckt gewesen war? Hätte sie es vorher an ihm entdeckt, dann wäre ihr früher bewusst geworden, dass mehr hinter der Person von Chiaki Nagoya steckte. Unbewusst umfasste sie ihr Kreuz in ihrer Manteltasche. Einige Minuten standen beide schweigen da. Das Rauschen des Meeres füllte die Stille zwischen ihnen. Ein frischer Wind wehte vorbei und spielte mit ihren Haaren. Alles hatte nahezu was Beruhigendes an sich. Wäre nicht diese bedrückende Atmosphäre zwischen ihnen. „An dem Tag als wir das erste Mal hier standen, habe ich dir von meiner Mutter erzählt…“ Leicht überrascht wandte Maron sich zu Chiaki um. Dieser erwiderte ihren Blick nicht, sah immer noch auf Meer herab. „Was ich dir damals erzählt habe, habe ich noch nie jemand erzählt… selbst Access weißt nichts über meine Vergangenheit.“, sprach er monoton weiter, „Ich habe gelogen, als ich sagte, ich erinnere mich kaum an meine Mutter. Die Wahrheit ist, ich erinnere mich an alles… Ich erinnere mich, dass sie eine gutherzige Person war, die von allen geliebt und geschätzt wurde. Ich erinnere mich, dass viele Leute auf ihrer Beerdigung anwesend waren und mir dauernd sagten, dass ich ihr Lächeln hätte.“ Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. „Ich erinnere mich, wie ich in den Sarg reinschaute und das… Ding darin betrachtete, was meine Mutter war… und gleichzeitig irgendwie auch nicht.“ Kurz hielt Chiaki inne, der Blick in seinen Augen verhärtete sich. Maron musste schwer schlucken. Sie konnte ihm ansehen, dass es nach so vielen Jahren immer noch ein schwieriges Thema für ihn war. „Ich erinnere mich, wie sie zu diesem Ding wurde. Sie hatte mich an dem Tag zum Einkaufen mitgenommen. Es war ziemlich überfüllt auf den Straßen.“, setzte er fort, „Ich erinnere mich, wie sie plötzlich nach Luft rang, als jemand sich an ihr vorbei drängte und sie sich leicht nach vorne beugte, bevor ihre Hand, die meine hielt sich lockerte. Ich erinnere mich, wie das Blut sich unter ihrer Jacke ausbreitete.“ Maron musste bei den Vorstellungen schockiert aufkeuchen. Chiaki senkte schwer seufzend seinen Kopf, fuhr sich mit einer Hand einige Male durch die Haare. „Woran ich mich nicht erinnern kann ist, wie das Gesicht des Täters aussah. Ich kann mich ehrlich gesagt, auch nicht daran erinnern, was alles danach geschah…“ „Wie furchtbar…“, brachte Maron leise hervor. „Mein Vater war zwar für mich dagewesen, aber für mich war nichts mehr so wie es vorher war. Ich fühlte mich seit dem Vorfall einfach nur leer, gebrochen und verloren.“ Wieder stoppte er sich und ein kleines, verlegenes Lachen entkam ihm. Zum ersten Mal sah er Maron an. Sie neigte etwas stutzig den Kopf. „Keine Ahnung, ob du mir das glauben würdest-“ Chiaki richtete sich etwas aufrecht, drehte sich auf dem Absatz um und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer an. Die Hände hatte er sich in die Hosentaschen gesteckt. „Irgendwann nach ihrem Tod habe ich einen sechsten Sinn für Übernatürliches bekommen – spricht, ich konnte Dämonen sehen und die dunklen Auren von ihnen spüren. Natürlich wusste ich nicht, dass das echte Dämonen waren. Meistens tauchten sie für einen Augenblick auf und verschwanden wieder, wie als wären sie nie dagewesen.“ „W-Wie kann das sein?“, fragte Maron ungläubig. „Ich meine-… Bevor ich Fin kennenlernte, hatte ich manchmal so ein vages Gespür für das Böse gehabt, aber richtig sehen konnte ich die Dämonen erst, als ich zur Diebin wurde.“ Chiaki zuckte ratlos mit den Schultern. „Auf jeden Fall hatte mein Vater mich zum Therapeuten geschickt und man ging davon aus, dass wären noch irgendwelche posttraumatischen Nachwirkungen.“ Er kickte einen kleinen Kieselstein weg. „Tja...Wie dem auch sei. Die Jahre vergingen und als ich sechzehn war, gab es schließlich erneut einen Vorfall, was mein Leben veränderte. Ich war mit der Schulklasse für den Geschichtsunterricht im Museum gewesen und wie immer konnte ich auch dort einen Dämon rumlungern sehen. Doch anstatt dass er einfach verschwindet, setzte er sich in einer ägyptischen Skulptur ab. Kurz darauf war der Security-Mann, der davor stand, besessen und saugte allen Besuchern die Lebensenergie ab. Ehe ich mich versah, lagen alle um mich herum auf den Boden und ich war der einzige, der noch aufrecht stand. Der Dämon bemerkte dies natürlich, zog seine Waffe und lief auf mich zu. Dies war für mich der Startschuss gewesen, um abzuhauen. Ich rannte um mein Leben und hoffte gleichzeitig, dass alle anderen Menschen, um mich herum, nicht tot waren. Irgendwie habe ich es auch geschafft den Alarm auszulösen und um mich für einen Moment zu verstecken. Dann tauchte er auf.“ „…Mit er ist der Teufel gemeint“, kam es von Maron ernst. Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. Chiaki nickte bestätigend. „Er sagte mir, dass die Polizei nichts ausrichten könnte und bot mir die Kraft an, mit der ich den Dämon bannen und alle retten kann. Im Austausch für meine Seele, natürlich.“ Er presste sich die Lippen und mied ihren kritischen Blick. „Ich bin diesen Teufelspakt damals eingegangen, mit dem Ziel, dass ich alle Dämonen aus dieser Welt loswerden wollte. Da war es mir egal, für wen ich arbeite.“ „Ist dir klar, dass dein verdammter Boss die Dämonen auf diese Welt losgesetzt hat?“ „…Das war mir bewusst. Früher war es mir egal, solange meine Familie und Freunde von den Dämonen verschont werden. Und Satan hat mir sein Wort darauf gegeben.“ „Du weißt, dass er eines Tages Gott vernichten und die Menschheit unterwerfen will.“ „Was mit Gott passiert, war mir damals egal und ist es heute immer noch.“, entgegnete Chiaki in einem kühlen, verbitterten Ton. Maron zuckte bei dem Satz merklich zusammen. „Jeden Tag sterben Menschen -wie meine Mutter- auf grausamer Weise, werden aus dem Leben gerissen, ohne dass sie es wollen… Und was macht Gott? Er schaut nur zu. Schenkt uns zwar das Leben, aber tut nichts dagegen, um es zu beschützen. Da macht es keinen Unterschied, ob die Menschen sich irgendwann gegenseitig auslöschen oder von den bösen Mächten persönlich.“ Fassungslos schüttelte Maron den Kopf, hielt sich Hand vor die Stirn. „Einfach unglaublich…“, murmelte sie verständnislos. „Ich erwarte von dir nicht, dass du nachvollziehen kannst, wieso ich Sindbad geworden bin. Aber da dir die Frage garantiert als erste auf der Zunge lag, habe ich dir jetzt erzählt, wie es dazu gekommen war.“ „Okay. Danke für die Einblicke in deine Vergangenheit. Ich kann zwar den Schmerz deines Verlustes verstehen… Aber direkt den Glauben an Gott, an das Gute abzulegen sowie alles andere-…ich weiß nicht, ob ich es nachvollziehen kann“ Bei der Härte in ihrer Stimme, musste Chiaki schwer schlucken. „Da fällt mir ein…Was hast du eigentlich angestellt, als der Typ aus dem Restaurant -Ren- und Hijiri dir in die Augen gesehen haben?“, fragte sie, die Augenbrauen skeptisch zusammengezogen, „Beide haben ziemlich…verängstigt gewirkt…“ „Wie immer eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe…“, murmelte er amüsiert lächelnd, wandte sich zu ihr und ließ seine braunen Augen für einen Moment blau aufblitzen. Dieselben blauen Augen, wie die von Sindbad. Maron blinzelte ihn erstaunt an. „Ein kleiner Trick den ich mir angeeignet habe, um Leute abzuschrecken, die mir auf die Nerven gehen. Manchmal passiert es automatisch, wenn ich wütend bin.“, gab er achselzuckend zu. Nickend nahm sie das zu Kenntnis. Ihr hübsches Gesicht war nun eine reglose Maske. „Wie lange wusstest du, dass ich Jeanne bin?“, verlangte sie schließlich zu wissen, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Lächeln verschwand wieder. „Seit vorgestern Nacht, als Yusuke besessen war. Ich war dir gefolgt und habe gesehen, wie du dich zurückverwandelt hast. Ich wusste vorher nicht, dass du Jeanne warst.“, gestand er wahrheitsgetreu. „Wirklich?“ „Ja.“ Unsicher biss Maron sich auf die Unterlippe, sah zum Meer hinaus und nickte einmal. „Verstehe.“ „Glaubst du mir?“ „Ja.“ „… Es gibt da noch zwei Sachen, die du wissen musst“, merkte Chiaki in einem ernsten Unterton an. „Zwei?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen und zog irritiert die Brauen zusammen. Er nickte, presste sich zögerlich die Lippen zusammen. Für einige Sekunden war es wieder Still zwischen den beiden. Maron atmete tief ein und wieder aus. „Ich weiß von dem Fluch, wenn du darauf ansprechen willst“, sagte sie. Überrascht schnellte Chiaki seinen Kopf in ihre Richtung. „Fin hatte mir vor Jahren davon erzählt.“, erklärte sie knapp. „Verstehe… Ich war gestern in der Hölle und wollte deswegen aufhören.“, offenbarte er. Nun war sie es, die ihn überrascht und zugleich geschockt ansah. „Du wolltest aufhören Sindbad zu sein? Wegen dem Fluch?“ „…Indirekt. Der Gedanke, dass du wegen mir verletzt wirst, war mir zuwider.“ Bitternis sowie ein Hauch von Schmerz war in seiner Stimme zu vernehmen. Ihre braunen Augen wurden noch größer. Dass er wegen ihr -und ihrem Wohlergehen- aufhören wollte, um den Fluch zu umgehen, warf Maron sichtlich aus der Bahn. „Du warst gestern aber immer noch Sindbad“, brachte sie entgegen. „Ja… Hat man einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, gibt es kein Zurück mehr. Dieses Pentagramm-“ Chiaki hob seinen Anhänger kurz an, „-ist das Symbol unseres Vertrags.“ „Das heißt, du arbeitest für ihn weiter?“ Die Frage schwieg er aus und sagte stattdessen: „Die zweite Sache, die du wissen musst ist, dass Access und Fin bei Satan in Gefangenschaft sind.“ „Was?!“ Entsetzt sah Maron ihn an. Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. „Ich habe versucht ihnen zu helfen, aber versagt.“ Er schaute auf eine Hand herab und ballte sie wütend zur Faust. Daraufhin warf er ihr einen ernsten Blick zu. „Daher würde ich vorschlagen, dass wir beide zusammen es versuchen und sie retten.“ Maron stand wie gelähmt da, als sie den Vorschlag von ihm hörte. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. Verunsichert strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und senkte ihren Blick zur Seite. Erwartungsvoll und zugleich besorgte wartete Chiaki darauf, dass sie etwas sagte. Tief nahm Maron tief Luft und sagte letztlich: „Nein.“, die Stimme bestimmt und monoton. „Nicht zusammen. Überhaupt… Wir können nicht zusammen sein.“ Völlig perplex starrte er sie an. „…Was?“ Ihre Augen blickten ausdruckslos in seine. „Du bist nach wie vor ein Diener des Teufels. Demnach bist du nach wie vor auch mein Feind. Und Feinde können weder befreundet noch zusammen sein! Das ist gegen unsere Natur. Selbst das Universum macht uns das klar und deutlich. Wenn wir jetzt ein Schlussstrich ziehen, dann wird dieser Fluch auch nicht weiter fortschreiten.“ Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Gefasst atmete sie ein und aus. „Außerdem würdest du mit dem Vorschlag deinen Boss verraten und dein Leben gefährden. Ich werde mich persönlich um Fin und Access kümmern.“ Für einen Moment war Chiaki sichtlich sprachlos. „Das ist unmöglich!“, warf er bestürzt ein. „Nichts ist unmöglich! Besonders nicht für mich!“ „Alleine wirst du umkommen!“ „Werde ich nicht! Ich werde die beiden retten!“ Maron wollte sich abwenden und gehen, als er sie am Arm festhielt. „Maron, bitte…!“ Der flehende Ton in seiner Stimme schnürte ihre Kehle zu. „Lass mich bitte los…“, verlangte sie von ihm. „Ich kann nicht…!“, schüttelte Chiaki den Kopf, sah ihr eindringlich in die Augen, „Ich kann dich nicht gehen lassen. Ich will es auch nicht. Ich will auch nicht mehr gegen dich kämpfen. Überhaupt, will ich auch nicht mehr dein Feind sein. Ich will dein Verbündeter sein. Dein Freund. Ich will dich beschützen, Maron… Und mir ist egal, was das Universum sagt. Es wird nichts an dem Fakt ändern, dass ich dich liebe.“ Chiaki stoppte sich kurz, als er realisierte, was er soeben gesagt hatte. „Ich liebe dich, Maron…!“ Er hätte nicht gedacht, dass er diese drei Worte jemals zu jemanden sagen würde, doch bei Maron wusste er einfach, dass er sie liebte. Dass er sie brauchte. Dass er „Liebe“ für sie empfand. Mit großen Augen sah sie ihn sowohl schockiert als auch traurig an. „Ich liebe dich aber nicht“, erwiderte Maron leise. „Und ich will von jemand wie dir auch nicht beschützt werden, ist das klar?“ Chiaki stockte der Atem. Er sah nicht aus, als hätte sie ihn geschlagen. Er war schließlich ein Kämpfer, der einen Schlag locker einstecken und mit doppelter Härte zurückschlagen würde. Nein – er sah schlimmer aus als das. Er sah aus, als hätte sie ihm persönlich das Herz herausgerissen und darauf eingestochen. Maron musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen vor ihm auszubrechen. Sie senkte ihren Kopf. „Würdest du mich nun bitte loslassen?“, fragte sie so ruhig wie möglich. Doch Chiaki dachte nicht daran sie loszulassen. „Maron-“ Er wollte ein weiteres Mal auf sie einreden, doch die Braunhaarige fiel ihm ins Wort: „Ich will dich nicht mehr sehen, Sindbad!“, platzte es aus ihr heraus. Den Namen sprach sie bewusst in einem spitzen, giftigen Ton aus. „Sindbad?“ Dies ließ ihn erschrocken innehalten. „Du sprichst mich heute zum ersten Mal beim Namen an und du nennst mich ‚Sindbad‘? Obwohl ich als Chiaki vor dir stehe?“ Maron presste ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Seit gestern sehe ich in dir nur noch den Kerl, der mir bei unserem ersten Treffen ein Messer an den Hals gehalten hat. Der mich öfter, als ich zählen kann, schon gegen irgendwelche Wände geschmissen hat und arrogant dabei grinste.“ Schuldbewusst sowie reumütig sah Chiaki zu Boden und wieder zu ihr auf. Kalte Augen trafen auf seine. „Selbst jetzt, wie du vor mir stehst, sehe ich niemand anderes mehr als nur Sindbad, den Dieb. Den Mann, den ich seit über drei Jahren abgrundtief hasse. Und es immer noch tue“, sprach sie emotionslos weiter, „Die letzten Wochen, Monate, waren für mich nie dagewesen. Und Chiaki Nagoya ist für mich seit dem gestrigen Abend gestorben.“ Mit den Worten riss Maron sich von ihm los und lief so schnell wie möglich davon. So schnell, damit Chiaki ihre Tränen nicht sehen konnte. *** Es war fast acht Uhr morgens, als Maron ins Orléans zurückgekehrt war. Doch statt in ihrer Wohnung zu gehen, stand sie vor der Haustür der Toudaijis und hielt einen Finger zitternd über die Klingel. Bevor Maron die Klingel jedoch betätigen konnte, öffnete sich die Tür und Miyako, die sich in dem Moment von ihren Eltern verabschiedete, stieß mit ihr zusammen. „Gottverdammt, Maron! Was stehst du hier im Weg rum?? Und wieso bist du nicht mit Chia-“ Die Kurzhaarige stoppte ihren Redefluss, als sie entgeistert registrierte, in welchem Zustand ihre beste Freundin vor ihr stand. Von Kopf bis Fuß war die Braunhaarige am Zittern. Ihr Gesicht war blass wie die Wand und ihre braunen Augen waren vom Weinen gerötet. „Oh mein Gott…!“ Besorgt ging sie auf Maron zu und nahm sie in die Arme. „Süße…Was ist passiert?“ „I-Ich…ehm- Können wir reden…?“, fragte Maron mit tränenerstickter Stimme. Ohne zu zögern ging Miyako nickend darauf ein und umarmte ihre Freundin fürsorglich, die in Tränen ausbrach. An Uni oder sonstige Verpflichtungen waren für beide gar nicht mehr zu denken. Wenige Minuten später saßen die Freundinnen in Maron’s Wohnung mit jeweils einer Tasse Tee in der Hand. Geduldig wartete Miyako darauf, dass Maron ihr erzählte, was los war. Während die Minuten verstrichen, kämpfte die Braunhaarige sichtlich mit sich selbst. Sie wusste, dass sie Miyako blind vertrauen konnte. Und sie brauchte auch dringend eine Vertrauensperson -eine Freundin-, mit der sie reden konnte. Allerdings wusste Maron nicht, wo sie anfangen sollte. Was genau sie ihrer besten Freundin sagen sollte. Angst stieg in ihr hoch. Angst davor, wie Miyako reagieren würde. Angst davor, dass Miyako sie abweisen und hassen könnte. Schließlich hatte sie ihr jahrelang ein großes Geheimnis vorenthalten, was Maron aus tiefstem Herzen auch Leid tat. „Maron.“ Miyako’s ruhige Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Was geht hier vor? Gestern ließ Chiaki sich den ganzen Tag nicht blicken, dann stand er abends plötzlich vor deiner Haustür, völlig gestresst und angespannt, fragt nach dir… Und jetzt stehst du völlig aufgelöst vor mir und ich kann dir ansehen, dass du viel geweint hast.“ Sanft blickte sie Maron an. „Was ist gestern zwischen euch passiert?“ Zögerlich biss Maron sich auf die Lippe, sah auf ihre Tasse in der Hand herab. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht...“, sagte sie, die Stimme heiseres Wispern. Noch immer sah sie Chiaki’s Gesicht vor ihrem inneren Auge, wie sie sich von ihm abwandte. Der Schmerz in seinem Blick brach ihr das Herz. Miyako’s Augen wurden überraschend groß, die Kinnlade fiel ihr runter. „W-Wieso? Ihr wart doch so glücklich miteinander!“ „Es musste aufhören.“ Maron’s Stimme klang weit weg. „Die Beziehung hätte uns ins Unglück gestürzt…“ Verwirrung spiegelte sich in Miyako’s Gesichtszügen wider. „Maron, ich verstehe nicht, wovon du redest…“, sagte sie, rutschte etwas an ihre Freundin heran, die krampfhaft ihre Tasse umklammerte. „Er hatte gesagt, dass er mich liebt…“ „U-Und was ist falsch daran? Ich sehe dir doch an, dass du auch Gefühle für ihn hast-“ „Ich darf ihn nicht lieben…!“ Abrupt hob Maron ihren Kopf und sah Miyako verzweifelt an. Daraufhin wusste die Kurzhaarige für einige Momente nicht, was sie erwidern soll. Zehn, zwanzig lange Sekunden vergingen bis Miyako ihre Sprache wiederfand. „Wieso darfst du ihn nicht lieben?“, fragte sie vorsichtig. Beschämt wandte Maron sich ab, den Blick zu Boden gesenkt. „Du, Miyako… Würdest du mich jemals hassen?“, kam es von ihr als Gegenfrage. Miyako blickte noch verwirrter drein, doch sie legte ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter. „Egal was ist, ich könnte dich niemals hassen. Du bist meine beste Freundin, Maron“, versicherte sie ihr mit einem Lächeln. „I-Ich bin aber eine furchtbare Freundin…“ „Maron. Ich bitte dich…Sag mir endlich, was los ist.“ Maron nahm ein letztes Mal tief Luft. „I-Ich darf ihn nicht lieben, weil-…“ Sie reichte nach ihrem Mantel, welches neben ihr auf dem Sofa lag, holte aus der Tasche ihr Kreuz heraus und legte es zwischen ihnen hin. „Weil ich Jeanne bin.“ Schock und Unglauben breitete sich in Miyako’s großen Augen aus. Ihr Gesicht verlor merklich an Farbe. „Es tut mir so leid, Miyako…“, schluchzte Maron leise, Tränen rannten ihr die Wangen herunter. Anschließend erzählte sie Miyako die gesamte Wahrheit.   ​Chapter 15: Drowning --------------------- Chapter 15: Drowning   „Ich…Ich muss das alles erstmal verdauen…“, war das erste was Miyako sagte, nachdem Maron zu Ende sprach, aufstand und auf dem Balkon rausging. Die Braunhaarige nickte nur und sah ihr verunsichert nach. Knapp eine Stunde war vergangen seit sie ihrer Freundin alles erzählt hatte. Angefangen von ihrer Begegnung mit Fin bis zu dem Treffen mit Chiaki heute Morgen. Sie hatte ihr alles gesagt. Alles. Die ganze Zeit über hatte Miyako geschwiegen und aufmerksam zugehört. Der Schock in ihren Zügen hatte sich mit der Zeit aufgelöst und sie bekam einen ernsten, undurchdringlichen Blick in den Augen. Maron konnte nicht einschätzen, was in ihrem Kopf vorging. Dennoch fiel ihr ein riesiger Stein vom Herzen, nachdem sie sich alles von der Seele geredet hatte. Nach fünfzehn Minuten kam Miyako wieder rein, ging aufs Sofa zu und setzte sich neben sie wieder hin. „Ehm-“, nervös biss Maron sich auf die Unterlippe, suchte den Blick ihrer Freundin, „Ich kann verstehen, wenn du schockiert und wütend auf mich bi-“ Zu Maron’s Überraschung nahm Miyako sie in ihre Arme und drückte sie innig. „Ich bin froh, dass du mir alles gesagt hast“, sagte die Kurzhaarige. „Ich verzeih dir deine Lügen“, fügte sie hinzu und sah Maron ehrlich lächelnd an, die mit halboffenen Mund zurückstarrte. „Hätte ich gewusst, dass du so ein krasses Leben führst, dann hätte ich dir irgendwie geholfen!“, stieß Miyako seufzend aus und ließ sich auf die Sofalehne fallen. „Ich wollte unter anderem nicht, dass du dich wegen mir in Gefahr begibst...“, gab Maron zu. „Ja… Dafür gefällt mir es allerdings nicht, dass das Schicksal der Welt auf deinen Schultern lastet.“ „Irgendjemand muss ja den Helden spielen.“ „Schätze schon…“ Miyako warf Maron einen ernsten Blick zu. „Von dem was du mir erzählt hast: Fassen wir die zwei wichtigsten Dinge zusammen. Erstens: Du hast mit Chiaki Schluss gemacht, weil ihr Feinde seid?“ Maron nickte betreten. „Und um gleichzeitig diesen unheimlichen Fluch zu umgehen, der auf eure verbotene Liebe lastet?“ Wieder ein Nicken sowie ein Seufzen. „Das war für mich die einzige Möglichkeit, um ihn vor noch mehr Unheil zu bewahren…“, brachte Maron leise entgegen, die Augen auf ihre Hände fixiert, „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was für Schmerzen er letztens erleiden musste…“ „Glaubst du, damit ist es wirklich vorbei?“, fragte Miyako unsicher sowie verängstigt. „Es muss.“ „Aber…Was ist mit deinen eigenen Gefühlen? Kannst du wirklich so tun, als wäre nie was gewesen? Du siehst Chiaki schließlich jeden Tag in der Uni-…“ „Ich werde schon damit klarkommen.“, erwiderte Maron ohne Emotionen.   „Okay. Verstehe…“ Seufzend strich Miyako sich durch die Haare, schlug die Beine übereinander und wurde wieder ernst. „Die zweite wichtige Sache wäre, dass du vorhast eure …Engel zu retten? Die in der Hölle gefangen sind?“ Maron nickte entschlossen. „Ich kann nicht glauben, dass ich mit dir über Gott, Engel und Dämonen rede…“, murmelte Miyako leise, fasste sich ungläubig die Stirn und fragte lauter: „Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie du zur Hölle kommen willst? Ich meine, ich habe von dem ganzen Zeug keine Ahnung! Gibt es sowas wie ein unsichtbares Tor, was dir den Zugang dorthin verschafft, oder was?“ Beschämt sah Maron zur Seite. „Um ehrlich zu sein… Ich habe keine Ahnung, wie ich dahin komme.“ Miyako machte ein verständnisloses Gesicht. „Dann bist du doch auf Chiaki’s Hilfe angewiesen!“ „Nein!“ Die Braunhaarige blickte ihre Freundin ernst an. „Ich habe doch klar und deutlich gesagt, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will und dass ich unsere Engel allein retten werde!“, beharrte sie in einer sturen Haltung und sah Richtung Fenster, „Ich warte einfach darauf, dass demnächst wieder ein Dämon auftaucht und dann werde ich von ihm verlangen, dass er mich dorthin bringt. Dort mache ich schnellen Prozess, befreie Fin und Access und verschwinde mit ihnen zusammen wieder.“ „Dein ernst??“, platzte es aus Miyako entsetzt heraus. „Selbst ich kann dir sagen, dass diese Idee sich leichtsinnig und dumm anhört!“ Wortlos biss Maron sich auf die Lippe, den Blick starr aufs Fenster gerichtet. Einige Augenblicke herrschte wieder eisiges Schweigen zwischen den beiden Freundinnen. Miyako nahm einige tiefe Atemzüge, um sich zu beruhigen und presste sich unschlüssig die Lippen zusammen, überlegte sich genau, was sie als nächsten sagen wollte. Maron wagte es nicht ihrer besten Freundin in die Augen zu blicken, wohlwissend dass Miyako sie mit Sorge und Angst gezeichneten Blicken ansah. Doch sie wollte ihr zeigen, dass sie stark war. Dass Miyako keine Angst um sie haben musste.     Ein Seufzen war zu vernehmen. „Ich mache mir Sorgen um dich. Und um ihn. Das ist alles“, hörte sie Miyako nach einer Weile sagen, „Ich weiß, dass du stark bist, Maron. Selbst bevor ich die Wahrheit über dich erfahren habe, weiß ich das. Du bist stärker, als jede andere Person, die ich kenne. Bloß gibt es eine Sache, die selbst die stärkste Person fertig macht und das ist Herzschmerz.“ Daraufhin wusste Maron nicht, was sie noch erwidern sollte. Verunsichert sah sie kurz zu Miyako rüber und blickte auf ihre Hände herab, die unruhig mit ihrem Saum ihres Shirts spielen. Dann spürte sie eine Hand auf ihren Rücken. „Keine Sorge, ich werde dir trotzdem zur Seite stehen und jede Unterstützung bieten, die ich kann. Ich wollte dir nur sagen, was ich denke“, sagte Miyako mit einem Lächeln. Maron erwiderte das Lächeln schwach und umarmte ihre Freundin innig. „Danke, Miyako… Ich hab dich lieb.“ Miyako strich ihr fürsorglich über den Rücken. „Ich dich auch, du Dummerchen.“   Am nächsten Tag gingen die Freundinnen ihren alten Ablauf wieder durch. Miyako holte Maron am frühen Morgen von zu Hause ab und beide fuhren zusammen zur Uni. Während der Fahrt unterhielten sie beide ausgelassen über Gott und die Welt, doch der Kurzhaarigen entging es nicht, wie angespannt Maron in Wahrheit war. Auf dem Parkplatz begegneten sie Yamato, der von Miyako kurz und knapp darüber aufgeklärt wurde, dass die Beziehung zwischen Maron und Chiaki vorbei war. Auf dem Campus trennten sich anschließend ihre Wege und die junge Diebin lief schwer seufzend in ihre Vorlesung. Kurz vor dem Vorlesungssaal traf sie auf Touya. „Hey, M!“ Maron setzte ein sorgloses Grinsen auf und ging auf ihn zu. „Hey! Wie geht’s dir so?“, begrüßte sie ihn zurück. „Ganz gut. Kann mich nicht beschweren“, grinste er. Gemeinsam gingen sie rein und setzten sich an den noch übrigen freien Plätzen hin. In dem Moment als Maron ihre Sachen auspackte und sich nebenbei mit ihrem Kommilitonen unterhielt, sah sie, wie Chiaki durch die Tür kam und direkt zu ihr rüber sah. Als ihre Blicke sich trafen, blieb augenblicklich alles stehen. Sie stoppte sich mitten in ihren Bewegungen. Jegliche Geräusche um sie herum wurden in den Hintergrund gedrängt. Ihr Herz klopfte lauter und schürte sich schmerzhaft zusammen. Schwer schluckend sah Maron so schnell wie möglich wieder weg. Wie als hätte sie den Blauhaarigen nicht gesehen, packte sie ihre Sachen weiter aus. Vage konnte sie vernehmen, dass Chiaki mit einer ausdruckslosen Miene an ihr und Touya vorbeilief und sich zu den hinteren Reihen begab. Wie als hätte sie die Luft angehalten, ließ Maron ihre angespannten Schultern sinken und atmete tief auf. „Uhm… Okayyy?“, hörte sie Touya verwundert sagen, die Augenbrauen skeptisch zusammengezogen. „Was?“, blickte sie ihn irritiert an.   „Hatten du und dein ach-so-toller Freund Streit gehabt? Die Luft zwischen euch war so eisig, man konnte schon die Eiszapfen wachsen sehen.“ „Ich habe mich von ihm getrennt“, gestand Maron mit tonloser Stimme. „WA-“ Touya stoppte sich, als sie ihm scharfen Blick zuschoss. „Wow…Ehm, das tut mir aufrichtig leid“, brachte er in einem leiseren, mitfühlenden Ton entgegen und räusperte sich beschämt. Plötzlich meldete sich eine hochnäsige Stimme hinter ihnen zu Wort: „Ha! Ich wusste dass das zwischen den beiden nicht lange halten wird“, sagte Yashiro an Makoto gerichtet und grinste falsch. Maron und Touya rollten ohne sich umzudrehen gleichzeitig mit den Augen. „Wahrscheinlich war sie ihm zu langweilig im Bett“, kommentierte Makoto gehässig. „Als ob die jemand wie Chiaki Nagoya verdient hat“, entgegnete Yashiro. Einfach ignorieren!, dachte Maron sich zähneknirschend. „Dumm und Dümmer schlagen mal wieder zu“, merkte Touya in einem sarkastischen Ton an. Kurz darauf kam der Professor, der die Vorlesung anfing. Nach einigen Minuten lehnte Touya sich etwas zu Maron rüber. „Uhm… Darf ich fragen wie es dazu kam?“, fragte er leicht neugierig. „Wie was kam?“ „Die Trennung. Vor drei Tagen war noch alles gut und jetzt? Hatte er dir irgendwas angetan? War er ein Arsch zu dir?“ Maron rollte seufzend mit den Augen. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er direkt davon ausging, dass Chiaki alleinige Schuld an der Trennung hätte. „Egal, was du jetzt denkst, dem ist nicht so“, antwortete sie ihm, „Und, Nein. Ich will nicht darüber reden… Sorry.“ Ihr Sitznachbar nahm das nickend zur Kenntnis und sah dann mit einem argwöhnischen Blick unauffällig nach hinten. Fünf Reihen entfernt traf er auf ein paar braune Augen, die auf Maron fixiert waren und ihn nicht beachteten. *** Sechs Tage vergingen. Sechs Tage, in der Chiaki ab und an versuchte mit Maron den Kontakt aufzubauen, wenn er sie für einen kurzen Moment allein erwischte, sie ihm allerdings weder Beachtung noch eines Blickes würdigte. So kalt Maron sich ihm gegenüber auch gab, so verspürte sie jedes Mal bei seinem Anblick diese Anspannung und diese Schmerzen in ihrem Inneren, die ihr das Gefühl gaben zu ertrinken. Doch sie erinnerte sich immer wieder daran, dass es so besser war. Für sie und für ihn. Um sich von ihren Gedanken an Chiaki abzulenken, trainierte Maron auch jeden Tag. Nicht nur um ihren Kopf frei zu bekommen, sondern auch um noch stärker zu werden, damit sie für den nächsten Dämoneneinsatz vorbereitet war.   Es war 13 Uhr und Maron hatte soeben ihre letzte Veranstaltung hinter sich. Während sie den Saal verließ, unterhielt sie sich freundlich mit einem Kommilitonen, der sie nach ihren Notizen gefragt hatte. Dabei spürte sie Chiaki’s Blicke auf ihrem Rücken, der sich wie immer ein paar Reihen hinter sie gesetzt hat. Frustriert biss sich Maron sich auf die Lippe und umklammerte krampfhaft die Träger ihrer Umhängetasche. Nicht umdrehen…!, mahnte sie sich in Gedanken, Bloß nicht umdrehen… „War das deine letzte Einheit?“, die Stimme ihres Mitstudenten riss sie ins Hier und Jetzt zurück. Überrascht sah Maron zu ihm auf. Shit…Wie hieß er noch gleich?, überlegte sie angestrengt. Sie wusste es einfach nicht mehr. „Ehm… Ja, das war heute für mich die letzte.“, antwortete die Medizinstudentin ihm knapp. Irritiert musste sie feststellen, dass er ihr bis zum Parkplatz gefolgt war. Dort angekommen, wurde die Braunhaarige direkt von Miyako empfangen, die für heute ebenfalls fertig mit der Uni war. „Hey! Wollen wir los? Ich habe schon Hunger!“, kam es von der Kurzhaarigen. Die Freundinnen hatten sich zum Mittagessen verabredet. „Klar!“, nickte Maron und verabschiedete sich mit einem kurzen Winken von ihrem Kommilitonen. „Bis zum nächsten Mal!“, sagte er leicht verlegen, worauf sie nur verhalten lächelte. Miyako hakte sich bei ihr ein und lief mit ihr zum Wagen. „Wer war das?“, fragte sie flüsternd, eine Braue skeptisch hochgezogen. Maron zuckte mit der Schulter. „Keine Ahnung…ganz ehrlich. Der hat mich in der Vorlesung angequatscht und nicht aufgehört zu reden“, flüsterte sie perplex zurück. „Der schien was von dir zu wollen.“ Desinteressiert zuckte Maron bei der Anmerkung ein weiteres Mal mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht mal seinen Namen.“ „Hm... Naja, egal!“ Miyako stieg vergnügt in ihr Auto ein. Maron begab sich auf die Beifahrerseite und schnallte sich an. „Bevor es losgeht, mach die Augen zu und streck deine Hände aus“, verlangte die Miyako plötzlich von ihrer Freundin, die verwundert tat wie ihr geheißen. Im nächsten Moment bekam Maron eine Schachtel in die Hände gedrückt. Verwundert machte sie die Augen auf. „Ich hatte vorhin etwas Zeit und beim Pâtissier was für dich geholt“, sagte Miyako mit einem Grinsen, als Maron die Schachtel öffnete und einen hübschen Erdbeerkuchen mit der Schoko-Aufschrift „Happy Birthday“ erblickte. „Oh mein Gott…“ Peinlich berührt musste die nun-zwanzigjährige auflachen und fasste sich den Kopf. „Danke, Miyako. Aber du hättest mir nicht holen müssen.“ „Papperlapapp! Das ist doch selbstverständlich!“, winkte Miyako ab und fuhr schließlich los, „Nach dem Essen machen wir uns am besten noch einen schönen Shopping-Tag!“ Maron nickte breit grinsend. „Okay!“, stimmte sie zu.   Der Nachmittag verging daraufhin wie im Flug und die Sonne ging allmählich unter. Es wurde viel gequatscht, getratscht und gelacht. Die beiden besten Freundinnen hatten sich in den Essensbereich ihres Lieblingseinkaufszentrums hingesetzt, zusammen den Kuchen gegessen und sich noch jeweils eine Sushi-Box geholt. Anschließend liefen sie durch die Läden und fanden sogar einige neue Outfits, die sie für den Sommer tragen konnten. Mit vollen Einkaufstaschen in den Händen spazierten die beiden jungen Frauen noch ein wenig am Strand entlang und steuerten anschließend zu Miyako’s Auto zu, welches in der Nähe geparkt war. Gerade als Maron ihre Sachen in den Kofferraum ablegen wollte, piepte ihr Amulett in ihrer Tasche. Ein Dämon!, ging es ihr schlagartig durch den Kopf. Sofort nahm sie es raus und schaute sich mit einem achtsamen Blick um. Viele Menschen liefen an ihnen vorbei, wodurch sie nicht ausmachen konnte, wer von ihnen besessen war. Miyako sah sie unterdessen ernst, verängstigt und besorgt zugleich an, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. „Du musst jetzt los, oder?“ Maron drehte sich zu ihr um und nickte zögerlich. „Ja….“ Sie fuhr sich seufzend durch die Haare. „Es ist schließlich mein Job“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. „Mach dir keine Sorgen, Miyako.“ Doch diese ließ von ihren Sorgen und Ängsten um ihre Freundin nicht los, was Maron nicht entging. „Es tut mir leid, okay… aber ich werde heil wieder nach Hause kommen. Versprochen.“, sagte sie, drückte ihre Freundin und lächelte stark. In dem Moment als Maron sich abwenden und gehen wollte, hielt Miyako sie noch am Handgelenk fest.   „Bitte sei vorsichtig, Maron... “, sagte Miyako, „Lass es mich nicht bereuen, dass ich dich jetzt gehen lasse.“ Maron sah sie mit großen Augen an, nickte ernst und rannte schließlich los. Einige Meter entfernt, versteckte sie sich in eine Seitengasse, zog ihr Kreuz hervor und verwandelte sich in Jeanne. Anschließend sprang sie auf die Gebäudedächer hoch, um nach dem Dämon Ausschau zu halten. *** Chiaki lief mies gelaunt durch das Universitätsgebäude. Er hatte seine letzte Abendvorlesung hinter sich gehabt und ging noch zu den Toiletten, bevor er nach Hause fuhr. Eigentlich hatte er an sich keine Lust zur Uni zu gehen. Für ihn war es reinste Zeitverschwendung. Allerdings musste er zum einen in gewissen Maßen das Bild eines gewöhnlichen Vorzeigestudenten aufrechterhalten und zum anderen war dies derzeit der einzige Ort auf der Welt, in der Chiaki Maron sehen konnte, ohne dass er vor verschlossenen Türen stehen würde, weshalb er sich täglich dahin zwang. Dennoch fehlte sie ihm. Es war eine innere Qual von ihr jeden Tag die kalte Schulter zu bekommen. Das sowie die Tatsache, dass Maron nun ständig von irgendwelchen Kerlen angequatscht wurde, wenn sie nicht mit ihren Freunden zusammensaß. Am liebsten hätte Chiaki sich jedes Mal aus Wut und Eifersucht dazwischen gedrängt und jeden einzelnen von ihnen klargemacht, dass keiner sich seinem Mädchen nähern durfte. Doch sie war nicht mehr sein Mädchen. Sie wollte nicht mehr sein Mädchen sein. Während er sich am Waschbecken die Hände wusch, gingen ihm unwillkürlich ihre Worte von vor paar Tagen durch den Kopf. Dass sie in ihn nicht mehr als nur ihren Rivalen Sindbad sehen würde. Dass sie ihn nicht liebte. Dass sie ihn hassen würde. Verbittert biss Chiaki sich die Zähne zusammen, stützte sich schwer atmend am Waschbecken ab, den Blick nachdenklich nach unten gesenkt. Was soll er nur machen? Abgesehen von seiner Beziehung mit Maron, musste er sich auch noch Gedanken, um Fin und Access machen. Es war mehr als offensichtlich, dass es für Maron unmöglich war, die beiden alleine zu retten. „Ugh… Du“, hörte Chiaki plötzlich jemand in einem angewiderten Ton sagen, was ihn aus seiner Gedankenwelt riss. Auch das noch…!, rollte der Blauhaarige innerlich mit den Augen, als er die Stimme erkannte und stöhnte entnervt auf. Von allen Menschen auf der Welt, ausgerechnet er… Chiaki blickte sich um und sah Touya, der aus einer Kabine rauskam und zwei Waschbecken weiter sich die Hände wusch. Bis auf die beiden, war niemand weiteres anwesend. Wortlos nahm Chiaki seine Tasche über die Schulter und wollte an Touya vorbeigehen, als dieser ihn im nächsten Augenblick jedoch mit einer Hand an der Schulter stoppte. „Was willst du, Kirishima?“, fragte Chiaki trocken. „Nur mit dir reden, Nagoya“, antwortete Touya und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kein Bedarf“ Chiaki wagte einen weiteren Versuch an seinen Kommilitonen vorbeizukommen, doch dieser stellte sich ihm immer wieder in den Weg. „Verschwende nicht meine Zeit“ Nun war er sichtlich genervt. „Ich will nur wissen, was zwischen dir und Maron vorgefallen ist“, sagte Touya ernst. Chiaki zog eine Augenbraue hoch. „Und wieso sollte dich das was angehen?“ „Ich hab Maron wie eine kleine Schwester gern. Daher habe ich ein gutes Recht mir Sorgen zu machen und von dir zu verlangen, was für eine Scheiße du ihr angetan hast.“ Daraufhin musste Chiaki kurz auflachen. „Und du gehst direkt davon aus, dass ich ihr irgendwas getan haben könnte?“, fragte er und deutete mit der Hand auf sich. „Wäre ja schließlich nichts neues“, zuckte Touya mit der Schulter, „Oder könntest du mich vom Gegenteil überzeugen?“ Schweigend sah der Medizinstudent zur Seite. „Ich hatte wirklich gehofft, dass in dir doch ein guter Kerl mit Gefühlen steckt, doch da habe ich mich geirrt“, sprach Touya weiter, „Du bist nach wie vor ein gefühlloses Arsch, der mit den Gefühlen anderer spielt.“ „Ich habe nicht mit ihren Gefühlen gespielt“, entgegnete Chiaki todernst, „Ich liebe sie, okay? Ich würde nie etwas tun, um sie zu verletzten.“ Touya zog bei der Liebeserklärung leicht erstaunt beide Augenbrauen hoch. „Wieso hat sie dann mit dir Schluss gemacht?“ „Meinungsverschiedenheiten.“ „Meinungsverschiedenheiten? Willst du mich verarschen?“ „Mehr sage ich dir nicht.“ Chiaki drängte sich an Touya vorbei, blieb allerdings nach drei Schritten abrupt stehen. Seine Tasche rutschte ihm die Schulter herunter und fiel ihm auf den Boden. Er hielt sich eine zitternde Hand vor die Brust, die andere umfasste krampfhaft das Waschbecken neben ihn. Seine Augen wurden erschrocken groß. Ihm stockte der Atem. In der nächsten Sekunde knickten seine Beine ein.   Es dauerte auch nicht lange bis Jeanne den Besessenen fand. Ein junger Mann mit Baseballkappe auf dem Kopf, der soeben in ein Pick-Up einstieg und losfuhr. Instinktiv sprang Jeanne runter, sodass sie auf die offene Ladefläche des Wagens landete. Der Besessene bemerkte dies natürlich, warf ihr durch den Rückspiegel einen kurzen Blick zu und trat anschließend aufs Gaspedal. Fast hätte Jeanne das Gleichgewicht verloren und wäre von der Ladefläche weggeschleudert worden, doch sie hielt sich mit aller Kraft am Rand fest. Der Dämon raste wie ein Geisterfahrer durch die Straßen und wechselte immer wieder die Spuren, unternahm einige Versuche sie von dem Wagen loszuwerden, jedoch ohne Erfolg. Irgendwann hielt Jeanne es allerdings nicht mehr aus, weshalb sie gezwungen war vom Wagen abzuspringen. Bei der Landung rollte sie sich ab und landete auf hartem, steinigem Boden mit etwas Gras. Gleichzeitig blieb der Pick-Up abrupt stehen und der Besessene stieg aus. Blitzschnell stand Jeanne auf und sah sich flüchtig um. Irritiert musste sie feststellen, dass der Dämon sie bis zu den Klippen hochgefahren hat. „Endlich bin ich meinen fremden Passagier losgeworden“, sprach eine dunkle, unmenschliche Stimme aus dem Mann. Dann fiel er zu Boden und die dunkle, groteske Gestalt des Dämons manifestierte sich aus der Kappe.   „MACH DICH AUF DEIN ENDE GEFASST, KAMIKAZE-DIEBIN!“ „Warte!!!“ Jeanne’s Aufforderung ließ den Dämon irritiert inne halten. „Ich schlage dir einen Deal vor! Wenn du tust, was ich von dir verlange, werde ich dich verschonen!“ Der Dämon verengte misstrauisch seine roten Augen und fing an zu lachen. „TUT MIR LEID KLEINE KAMIKAZE-DIEBIN! ABER DÄMONEN MACHEN KEINE DEALS!“ „Was?!“ Bevor Jeanne reagieren konnte, traf sie eine unsichtbare Macht. Kurz vor dem Klippenrand konnte sie sich noch aufrecht halten. Mit leichten Schwindelgefühlen sah sie herunter. Die Wellen waren heute stärker als sonst und schlugen mit enormer Kraft gegen die Felsbrandung. Im nächsten Moment merkte Jeanne, wie der Dämon einige Energiekugel auf sie schoss, die sie gekonnt auswich. „Gottverdammt, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?!“, fauchte sie ihn an, doch der Dämon ließ nicht mit sich reden. Miyako hatte Recht. Der Plan war leichtsinnig und dumm!, ging es Jeanne verärgert durch den Kopf. Sie nahm ihr Kreuz und ließ es zu ihrem Schwert transformieren. „Dann werde ich dich bannen, wenn du nicht hören willst!“, rief sie und setzte zum Angriff an. Der Dämon war allerdings ungewöhnlich stark und schnell, wodurch ihre Angriffe jedes Mal abgeblockt wurden. Verdammt! So wird mir kein Schachmatt gelingen!, dachte sie sich zähneknirschend. Eine weitere Energiekugel kam auf Jeanne zugeflogen und traf sie mit voller Wucht auf die Brust, sodass sie einige Meter zurückfiel. Und bevor sie einen Schrei rauslassen konnte, stürzte sie kopfüber in die Tiefen des Meeres.   Chiaki bekam keine Luft. Er fiel auf die Knie, schnaufte angestrengt. Seine Brust schmerzte und seine Lunge war unfähig Luft einzusaugen. Er fühlte sich wie, als würde er ersticken. „Alter, was ist los mit dir?“, hörte er Touya fragen, der nun mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck neben ihm stand. Chiaki hatte ihn für einen Moment fast vergessen und verfluchte sich dafür, dass der Rothaarige dies alles jetzt mit ansehen durfte. „Kann nicht atmen…“, flüsterte er. „…Im Sinne von Atemnot? Hast du vielleicht Asthma?“ Innerlich fluchend kehrte Chiaki ihm dem Rücken zu, stützte sich mit beiden Händen am Waschbecken ab und setzte sich mühselige wieder auf die Beine. Sein Gesicht war kreidebleich. Kalter Schweiß rann ihm über die Stirn. Er musste schwer schlucken, rang verzweifelt nach Luft. „Bitte. Geh.“, brachte er leise hervor, den Kopf nach unten gesenkt. „Eh, nein.“, entgegnete Touya, warf ihm einen verrückten Blick zu und gestikulierte in sein Richtung. „Ich werde nicht gehen. Und was zum Teufel passiert mit dir gerade?“ „Ich ertrinke, du unsensibles Arsch!“, zischte Chiaki und funkelte ihn durch Spiegel an, „Und ich hätte gern meine Ruhe!“ Touya wollte auf die Beleidigung etwas Schlagfertiges erwidern, als er sich stoppte. Konfus zog er die Brauen zusammen. „Was zur Hölle-... du ertrinkst?! Was zum Henker soll das heißen??“ Doch Chiaki konnte ihm nicht mehr antworten. Er spürte wie seine Augen und sein Hals brannte. Der Geschmack von Salz dominierte in seinem Mund und er musste kurz abhusten. Sein Körper verkrampfte sich, als er im nächsten Moment eine große Menge Salzwasser ausspuckte. „Ehm... Soll ich dir einen Arzt holen?“, fragte Touya völlig geschockt und teilweise sogar besorgt. „Nein!“, wendete Chiaki sofort ein, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, sein Herz raste. „Kein Arzt oder sonst irgendjemand!“ „Alter. Du hast dich gerade übergeben…“ „Ist nur Salzwasser…“ „Salzwasser?? Warst du heute schwimmen gewesen?“ Chiaki schüttelte verneinend den Kopf. Touya warf fassungslos die Hände in die Höhe. „Was für eine Freakshow geht hier dann ab?“ Chiaki ignorierte ihn und hielt sich den Kopf. Er war nicht mal ansatzweise in der Nähe vom Meer gewesen. Dennoch konnte er das Rauschen in seinen Ohren hören, wie als würde er einer Muschel lauschen. Kann es sein, dass-...? Er schloss seine Augen und sah das schwappende Meer vor sich, schwarz-blau und bodenlos. In dem Moment wusste er genau, was gerade vor sich ging. Sein Gesicht wurde noch bleicher als vorher. „Maron…!“, wisperte er kaum hörbar. Panik und Angst stieg in ihm hoch. Im Spiegel sah er, wie Touya verwirrt das Gesicht verzog. Ohne ihm weiter Beachtung zu schenken, rannte Chiaki los. *** Als Kind hatte Maron furchtbare Angst vor dem Ozean gehabt. Zum einen lag es an den tobenden Wellen des Meeres, die ihr immer ein beängstigendes Gefühl in der Brust verursacht haben. Dunkelblau mit weißen Spitzen, die von außen eine gewisse Ruhe und Schönheit ausstrahlten, gleichzeitig aber auch ungeheuren Kräfte aufwiesen, die alles mit sich reißen konnten. Einmal hatte sie am Strand eine Welle ungünstig erfasst und sie erinnerte sich an das fallende Gefühl, wie als würde sie einen Aufzugschacht herunterstürzen, und sie erinnerte sich daran, wie das Wasser sie auf den sandigen Boden drückte. Damals überkam Maron zum ersten Mal die Angst zu ertrinken und sie erinnerte sich daran, wie sie verzweifelt versuchte gegen die Kräfte des Meeres anzukämpfen, um wieder zur Oberfläche zu gelangen. Zum anderen war ihre Angst darin begründet, dass ihr die unendlichen Tiefen des Ozeans unheimlich vorkamen. Einst las sie einen Artikel über Menschen, die allein im offenen Meer zurückgelassen wurden und wie wahnsinnig sie vor Angst wurden, wenn sie daran dachten, was alles unter ihnen lauern könnte: hunderte von Meter tiefschwarzes Wasser und unheimliche Wesen, die darin lebten, wie zum Beispiel Haie.   Als Jeanne in den Ozean fiel, überkam sie direkt eine riesige Welle. Das Salzwasser verschluckte die Diebin förmlich, umhüllte sie vollständig in ihre Schwärze. Ihr Schwert hatte sich in ihr Kreuz zurückverwandelt, was ihr wieder an der Brust hing. Sie konnte das schwache Licht des Mondes auf der Wasseroberfläche sehen, versuchte darauf zuzuschwimmen, jedoch erfolglos. Zu stark war die Strömung. Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihr aus. Bis auf das kleine Licht an der Oberfläche sah sie nichts als Schwärze. Sie spürten einen schmerzenden Druck in ihren Ohren. Nur Gott wusste, wie tief sie sich gerade befand. Ihre Lungen fingen an zu schmerzen. Ebenso stieg auch die Angst in ihr hoch, breitete sich bis in ihre Knochen aus. Die Angst um das, was um sie herum lauern könnte. Eventuell spürte sie, wie etwas ihre Beine streifte. Ein stummer Schrei entkam ihr, Luftblasen stiegen dabei hoch. Von Panik ergriffen, versuchte sie ein weiteres Mal zur Oberfläche zuschwimmen. Ihre Lungen fühlten sich an, wie als würden sie jeden Augenblick kollabieren. Sie streckte einen Arm hoch, reichte nach Ende des Wassers. Ihre Hand brachen durch die Oberfläche durch und ihre Finger trafen auf kühle Luft. Plötzlich griff etwas nach ihrem Handgelenk und Jeanne spürte, wie sie an die Wasseroberfläche gezogen wurde. Viel zu voreilig schnappte sie nach Luft. Wasser sammelte sich in ihrer Lunge, die Dunkelheit erschlug sie schließlich mit voller Wucht und alles um sie herum wurde schwarz.   Chapter 16: What I want… ------------------------ Chapter 16: What I want…   „Ich frage mich, was auf der Erde derzeit abgeht…“, hörte Fin Access sagen und warf ihm einen erschöpften Blick zu. „Seit Sindbad hier war, haben wir nichts mehr im magischen Spiegel zusehen bekommen“, fügte er bitter hinzu. „Die wollen uns im Dunkeln lassen und uns dadurch verunsichern“, entgegnete Fin seufzend, schloss für einen Moment ihre Augen und atmete tief ein und wieder aus. Die dämonische Energie in der Hölle zehrte sehr an ihren Kräften. Doch sie blieb standhaft, um nicht jede Minute das Bewusstsein zu verlieren. Ebenso versuchte sie genug Kraft für eine potentielle Flucht zu sammeln. „Ich hasse diesen Ort…“, murmelte sie genervt. „Ich weiß.“ „Nicht nur ist es immer gottverdammt dunkel hier - wir wissen auch nicht, wie viel Zeit auf der Erde vergeht! Es ist wirklich nervenzerreißend.“ „Zeit funktioniert hier anders als drüben… Hoffen wir einfach mal, dass genug Zeit vergangen ist, damit Sindbad und Jeanne sich einen guten, überlebensfähigen Plan ausdenken konnten, um uns hier rauszuholen“, sagte Access und strich sich über den Nacken. Daraufhin nickte die Grünhaarige bedrückt. „Obwohl ich bezweifle, dass Jeanne sich so leicht auf eine Zusammenarbeit mit ihm einlässt, wenn sie die Wahrheit erfährt…“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. Ja, sie kannte ihre Partnerin gut. „Aber ich hoffe auch, dass die beiden es gemeinsam hierher schaffen“, fügte Fin hinzu, „Und dass es ihnen gut geht…und dass ihre Liebe gegen diesen Fluch standhaft bleibt.“ Access sah sie ermutigend an und lächelte. „Weißt du, was man mir mal sagte?“ Neugierig zog sie eine Braue hoch. „Dass eine verbotene Liebe die Liebe nicht tötet, sondern nur verstärkt“, sagte er, „Wir dürfen also nicht die Hoffnung aufgeben.“ „Wie wahr…“ Fin erwiderte sein Lächeln und nickte. „Von wem hast du diese Weisheit?“, schmunzelte sie erstaunt und leicht belustigt. „Habe ich mal aufgeschnappt, als bei Sindbad der Fernseher lief“, zuckte er verschmitzt grinsend mit der Schulter. Kurz mussten beide kichern. Anschließend rückte sie etwas an ihn heran, sodass ein Zentimeter zwischen ihnen Abstand war. Sie wünschte, sie könnte sich an seine Schulter anlehnen, ohne dass sie sich an ihm verbrennen würde. Access bemerkte dies, seine Körperhaltung spannte sich etwas an und seine Augen sahen betreten nach unten. Eine unbestimmte Weile saß das Engelspaar schweigend nebeneinander, bis der männliche Engel die Stille zwischen ihnen durchbrach: „Glaubst du, Gott würde mir verzeihen?“ Überrascht blickte Fin zu ihm auf. „Aber natürlich, würde er das!“, sagte sie mit Überzeugung in der Stimme. Seine großen Augen sahen sie teilweise ungläubig und teilweise skeptisch an. Doch seine Lippen zogen sich zu einem hoffnungsvollen Lächeln nach oben. *** *** Als Jeanne ihre Augen öffnete, glaubte sie, sie würde fliegen. Die Sterne im Himmel zogen über ihr vorbei und ihr Körper schwebte über dem Wasser. Ein Schmerz durchzog ihre Brust, was sie zusammenzucken ließ und in dem Moment realisierte sie, dass sie nicht flog. Sie wurde getragen. Starke Arme umfasste sie, hielten sie fest und ihr Kopf lehnte an einer harten Brust. Sie sah auf und erblickte zwei blaue Augen. Sindbad. Ihre violetten Augen weiteten sich etwas. Sindbad hatte sie aus dem Wasser geholt und trug sie Richtung Strand. Seine nassen, weißen Haare klebten ihm am Kopf. Jeanne versuchte Luft zu nehmen, um zu sprechen, erstickte stattdessen jedoch. Ihre Lunge zog sich zusammen und salziges Wasser füllte ihren Mund. Sie sah, wie Panik sich in Sindbad’s Gesicht ausbreitete. Er rannte fast zum Strand hoch, ließ sich auf die Knie fallen und legte sie vorsichtig auf dem Sand ab. Jeanne hustete noch immer, brachte erstickende Geräusche von sich und sah mit angsterfüllten Augen zu ihm auf. Sie sah, wie sich dieselbe Angst in seinem Gesicht widerspiegelte. Sie wollte ihm sagen, dass alles gut wird, brachte dank dem Wasser in ihrem Hals allerdings keine Wort zustande. Schließlich schlugen ihre Heilkräfte endlich an und jegliches Wasser wurde aus ihrer Lunge rausgedrückt. Jeanne rollte sich in die Seitenlage zusammen, ächzte und hustete gequält. Ihr Körper schmerzte, ihre Lunge fühlte sich an wie als wurde es von innen nach außen umgekrempelt. Sie spürte Sindbad’s Hand auf ihrem Rücken, seine Finger auf ihren Schulterblättern, die sie stabil hielten. Letztendlich hörte das Husten auf und sie rollte sich wieder zurück auf ihren Rücken, starrte mit halb-verschwommenen Augen zu Sindbad und dem Nachthimmel hinter ihm auf. Millionen von wunderschönen Sternen waren zu sehen und der Mond hing wie ein Heiligenschein über seinem Kopf. Er zitterte, seine schwarzen Klamotten waren völlig durchnässt und sein Gesicht war weißer als der Mond hinter ihm. „Maron?“, wisperte er. „Sindbad“, sagte sie schwach, ihre Stimme war ein raues Flüstern. „M-Mir geht es gut.“ Mühselig versuchte Jeanne sich aufzusetzen und aufzustehen. Sindbad half ihr dabei, legte stützend einen Arm um ihre Taille. Sie ließ es wortlos geschehen. „Komm. Wärmen wir uns dort am besten auf“, sagte er in einem ruhigen, nahezu monotonen Ton und deutete mit dem Kopf auf eine kleine Strandhütte, die sich einige Meter entfernt befand. Jeanne protestierte nicht. In der Hütte angekommen, verwandelten beide sich in Maron und Chiaki zurück. Auch ihre zivile Selbst waren von Kopf bis Fuß durchnässt. Ihre Klamotten klebten wie eine zweite Haut an ihren Körpern. Auf einem kleinen Esstisch legten sie ihre Talismane und Jacken ab. Geistesabwesend stand Maron mitten im Raum und sah sich um. Der Tisch, zwei Stühle, ein Kamin mit einem Holzregal sowie ein gemachtes Bett befanden sich darin. Alle Möbel bestanden aus Holz. Es waren keine Bilder an den Wänden zu sehen. Zwei Türen führten zu Bad und Küche. Der starke Geruch von Salzwasser und Holz hing in der Luft. Unter Umständen hatte die Hütte was Idyllisches an sich. Maron vermutete, dass sie für Touristen zur Verfügung gestellt wurde, als dass es irgendjemand gehörte. Ihr Blick schweifte zum Fenster hinaus. Chiaki machte unterdessen den Kamin an und lief anschließend durch die Hütte. Sie spürte, wie sich die Wärme des Feuers im Raum ausbreitete. Dennoch zitterte Maron unmerklich. Ihre nassen Haare hingen wie ein extra Gewicht auf ihrem Rücken. Als Chiaki ihr etwas Weiches in die Hand drückte, schreckte sie leicht zusammen und drehte ihren Kopf zu ihm um. Mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck stand er vor ihr und hielt ihr ein Handtuch entgegen. Sie nahm es wortlos an und trocknete sich damit ihre Haare. „Was zum Teufel ist passiert?“, durchbrach er das Schweigen zwischen ihnen, verschränkte die Arme vor seiner Brust und lehnte sich an der Wand hinter ihm an. Ihm hing ein Handtuch über den Nacken. Maron hatte sich ihm gegenüber auf das Bett hingesetzt. Weniger als zwei Meter trennten beide voneinander. „Was hattest du im Wasser zu suchen?“, hörte sie Chiaki fragen. Wassertropfen rannen ihm das Gesicht herunter. „Ein Dämon…“, flüsterte sie und wandte ihren Blick von ihm ab, „War zu stark… und hat mich von der Klippe gestoßen-“ Chiaki’s zitternde Hände ballten sich zu Fäusten, seine Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich zusammen. „Ich hatte gehofft, mit Hilfe des Dämons in die Hölle zu gelangen…“, gestand sie, „Aber das war eine dumme Idee-“ „Ja, in der Tat dumm!“, fiel er ihr ins Wort. Seine lauter werdende Stimme, ließ sie zusammenzucken. „Wie kann man nur so rücksichtslos sein?“ Maron realisierte, dass er nicht vor Kälte zitterte, sondern vor Wut. „Ich bin wegen dir am Campus fast ertrunken! Wasser kam mir hoch! Wasser, was du geschluckt hast!“ Schockiert blickte sie ihn an. „...Der Fluch wirkt immer noch?“, wisperte sie fassungslos. „A-Aber wir haben doch Schluss gemacht und-“ „Es sind nicht die Handlungen, die den Fluch ausmachen!“, presste Chiaki hervor und sah sie direkt an, „Es sind die Gefühle.“ Die Gefühle?, wiederholte sie gedanklich seine Worte. Ihre Augen wurden noch größer. „Du… Du liebst mich…“, murmelte Maron leise, viel mehr zu sich selbst, als an ihn gerichtet. Chiaki’s Gesichtszüge verhärteten sich, seine hellbraunen Augen verengten sich. „Tut mir leid, dass meine Gefühle für dich zu einer solchen Belastung geworden sind…“, entgegnete er kühl, „Wir sind schließlich Feinde. Da sind solche Gefühle von mir komplett fehl am Platz.“ Er entfernte das Handtuch von seinem Nacken, warf es auf dem Boden und wandte sich wütend von ihr ab. Maron schluckte schwer, stand vom Bett auf und ging auf ihn zu. „I-Ich wollte dich nicht verletzen…“, sagte sie. „Natürlich nicht.“ Kurz lachte er verbittert auf. „Aber eigentlich solltest du froh sein. Denn ohne mich wärst du schlicht und einfach ertrunken.“ Daraufhin biss sie sich hart auf ihre Unterlippe, bis sie einen Schmerz verspürte. Ihre Kehle schnürte sich zu, die Hände ballten sich an ihren Seiten zu Fäusten. „... Sag, was willst du von mir?“, verlangte sie nach einigen Momenten von ihm, sprach so ruhig, wie sie konnte, um das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen, „Willst du, dass ich mich bei dir bedanke? Willst du, dass ich auf ewig in deiner Schuld stehe? Dafür, dass du mir dauernd das Leben rettest. Was willst du, hm?“ „Was ich will?“ Chiaki sah zu ihr auf und ging einen Schritt auf sie zu. „Es gibt viele Dinge, die ich von dir will. Doch die wirst du mir alle nicht geben, weil es unmöglich ist. Weil, dass was ich von dir verlange, nicht sein darf. Und das zerreißt mich förmlich – jeden verdammten Tag und jede verdammte Nacht. Und am liebsten will ich die Zeit zurückzudrehen, um zu verhindern, dass mein sechzehnjähriges Ich, die dümmste Entscheidung seines Lebens macht. Eine Entscheidung, die ihm das verwehrt, was er am meisten begehrt. Was ihn wahrhaftig glücklich und lebendig macht-“ „B-Bitte sag es nicht-“, wollte sie sagen, wollte ihn stoppen. „Und das bist du!“, vollendete er, die Worte platzten förmlich aus ihm heraus, „Was ich will bist du, Maron.“ Die Wut löste sich in ihm auf und Verzweiflung übermalte sich in seinen Zügen und in seiner Stimme. „Ich will dich nach wie vor. Mehr als alles andere, was ich jemals in meinem Leben wollte. Und das wird sich unter keinen Umständen ändern! Ob wir nun Feinde sind, oder nicht… Egal, ob du als Maron oder als Jeanne vor mir stehst. Und je mehr du mich abweist, umso mehr will ich dich. Umso mehr liebe ich dich.“ Maron blieb der Atem im Hals stecken. Ihr Herz setzte aus. „Und so verdammt ich auch bin-… Du machst mich glücklicher, als ich es verdient habe… Und ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn du gestorben wärst-“ Seine Stimme wurde zu einem kaum hörbaren Wispern. „Ich würde nicht weiterleben können, wenn du stirbst. Oder wollen.“ Mit den Worten wandte er sich komplett von ihr ab, lief in die Küche und knallte die Tür hinter sich zu. Wie erstarrt blieb Maron an Ort und Stelle zurück, der Schock saß tief, zeichnete sich regelrecht in ihrem Gesicht ab. Alles in ihr begann unkontrolliert zu zittern. Seine Worte hallten ihr noch im Kopf nach. Ihre Gedanken waren ein reinstes Chaos. Ihr Herz schmerzte in ihrer Brust. Ihre Hände krallten sich verzweifelt an ihrem nassen Shirt fest. Sie spürte, wie die Mauer, die sie sich verzweifelt versucht hatte aufzubauen, in seine Einzelteile zerbrach und zu Staub zerfiel.   Nach einer unbestimmten Weile folgte sie ihm geräuschlos in die Küche. Chiaki stand mit dem Rücken zu ihr gewandt vor dem Fenster, die Hände in den Hosentaschen und blickte starr nach draußen. Gerade als sie etwas sagen wollte, fiel er ihr unerwartet ins Wort: „Ist es so schlimm?“, fragte er ruhig, „Ist es so schlimm, dass ich dich liebe?“ Er drehte sich zu ihr um, blickte sie betrübt an. „Die Zeit, die wir zusammen, als Maron und Chiaki hatten… Bereust du es wirklich so sehr?“ Maron begann wieder unwillkürlich zu zittern, ihre Augen waren zu Boden geheftet. Nach einigen langen Sekunden schaffte sie es den Kopf zu schütteln. „Es war die schönste Sache auf der Welt“, brachte sie hervor, „Und dann wurde es zur schlimmsten-…“ Ihre Stimme brach ab. Chiaki ging auf sie zu. „Du wirst damit leben müssen“, sagte er, „Selbst wenn es dir erschreckende Angst einjagt… oder dich anwidert.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern, suchte ihren Blick. „Nichtsdestotrotz…”, er atmete tief ein und aus, die Lippen verzogen sich nach unten, „Bitte lass mich dir helfen, unsere Freunde zu retten. Wenn das vorbei ist, werde ich aus deinem Leben verschwinden.“ Noch immer stand Maron mit gesenktem Blick vor ihm, rührte sich keinen Millimeter. „Ich-… Ich habe es versucht…“, sagte sie plötzlich, ihre Stimme war ein leises Flüstern. Verwirrung war nun in seinem Gesicht abzulesen. „Was versucht?“, fragte er. „Es zu stoppen… den Fluch zu stoppen“, antwortete sie und sah zu ihm auf. „Ich dachte es wäre vorbei… Aber es ging nicht…“ Tränen sammelten sich in ihren Augen.  „E-Es sind nicht nur deine Gefühle, die ihn ausmachen… sondern auch meine. U-Und ich kann sie nicht mehr länger verleugnen. Ich kann meine Gefühle für dich einfach nicht abschalten. Egal, wie sehr ich mich bemühe-“ Ein Schluchzen entkam ihr. „Was du vorhin alles gesagt hast… Ich empfinde genauso. Ich will dich genauso, wie du mich. Denn du machst mich glücklicher als alles andere auf der Welt…Und ich würde auch nicht weiterleben wollen, wenn du stirbst.“ Sprachlos und wie eingefroren starrte Chiaki sie an. Sie hielt ihre Hände hoch und legte sanft auf sein Gesicht, strich mit ihren Fingern über sein feuchtes Gesicht. Sie konnte seinen schnellen Puls an der Halsschlagader sehen. Seine braunen Augen blickten mit geweiteten Pupillen in ihre, sahen sie wie hypnotisiert an. Sein Schweigen beunruhigte Maron etwas, machte sie nervös. „Chiaki…“, sagte sie, „Sag etwas… Bitte-“ Der Druck seiner Hände verstärkte sich um ihre Schultern. Maron schnappte überrascht nach Luft, als Chiaki sich an sie drückte und dafür sorgte, dass sie rückwärts laufend mit dem Rücken an der Wand neben der Tür traf. „Du hast mich endlich wieder Chiaki genannt“, wisperte er, lehnte seine Stirn an ihre, rang sichtlich mit sich selbst. Sie konnte seinen heißen Atem auf ihrer Haut spüren. Ein Schaudern überkam sie. „Chiaki-...Ich-” Einzelne Tränen rollten ihr die Wangen herunter. „Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt küsse?“, fragte er leise, die Stimme verführerisch tief und rau. Dieselbe Frage, wie er sie vor ihren ersten gemeinsamen Kuss gestellt hatte. Sie gab ihm ohne zu zögern dieselbe Antwort: „Ich würde dich zurückküssen“, und damit legte er seinen Mund auf ihren. Fordernd und hart. Ihr Herz explodierte in dem Moment und sie fühlte sich, wie als würde sie zum Leben erwachen.   Chiaki nahm nichts mehr um sich herum wahr, außer Maron. Seine Maron. Jede Faser seines Körpers verzehrte sich nach ihr. Der Kuss nahm all seine Sinne ein. Er vernahm den Zitronenduft ihrer Haare, sah die ansteigende Röte in ihren Wangen und schmeckte den süß-salzigen Geschmack ihrer Lippen. Ihre Lippen bewegten sich heiß auf seinen, öffneten sich leicht und ließen ihm Einlass gewähren. Beiden entkam ein unterdrücktes Stöhnen. Eine Hand fuhr von ihrer Schulter zu ihrer Taille herab, während die anderen hinter ihrem Nacken wanderte und seine Finger sich in ihren feuchten Haaren wiederfand. Sie schlang unmittelbar ihre Arme um seinen Nacken, ihre Hände hielten sich verzweifelt an ihm fest sowie er sich an ihr festhielt. Immer wieder murmelte er ihren Namen in mitten der Küsse, als wäre jegliches andere Vokabular aus seinem Wortschatz gelöscht worden. Er atmete schwer, zitterte leicht, zwang sich zur Selbstkontrolle. Doch sie machte ihn allein mit einem Blick schon wahnsinnig. Auch wenn er spürte, dass sie ihn genauso will, wie er sie - ein kleiner Teil seines Gehirn sagte ihm, dass er sich besser zurückhalten zu sollte, dass er Rücksicht vor Maron nehmen sollte. Doch der größere Teil gab sich den Gefühlen voll und ganz hin. Und sie tat dasselbe - ließ sich mit voller Hingabe fallen.   Maron fuhr mit ihren Fingern über seinen Nacken, entlang seinen Schultern und zog ihm sein offenes Hemd herunter. Darunter befand sich ein dünnes T-Shirt, welches ihm nass am Körper klebte und worin sich seine Muskeln abzeichneten. Mit einer Handbewegung zog sie ihm auch das aus. Ihre Hände strichen sachte über seinen Oberkörper, betasteten jeden einzelnen seiner schlanken Muskeln, verteilte zärtliche Küsse darauf. Er schauderte unter ihren Berührungen. Er drückte sich näher an sie heran, presste sie noch mehr gegen die Wand an, verteilte Küsse auf ihrem Gesicht, ihren Wangen und ihrem Hals. Sie spürte, wie sehr er sie wollte und sie wollte ihn genauso viel. Ihr Atem beschleunigte sich. Seine Haut fühlte sich heiß unter ihren Fingern an und jeder seiner Bewegungen setzten ihren Körper unter Strom. Er legte seine Hände wieder um ihre Taille, umfasste den Saum ihres Oberteils, zog es ihr über den Kopf hoch und warf es anschließend achtlos beiseite. Eine Gänsehaut überkam sie, als ihre Haut auf die kalte Luft traf. Seine Hände wanderten ihren Körper auf und ab, strichen über ihren BH, umfassten ihre Rundungen und ließen sie aufkeuchen. Ihr Kopf fiel nach hinten gegen die Wand zurück. Seine Lippen legten sich wieder auf ihre und küssten sie innig. Ihre Hände auf seinem Rücken zogen ihn enger an sich heran. „Gott- Maron…“, hörte sie ihn murmeln, seine Finger fanden sich am Bund ihrer Jeans wieder und zogen es mit einer Bewegung runter. Sie kickte die Hose von sich. Er drückte sich gegen sie und sie spürte ihn hart gegen ihren Unterleib. Ehe Maron sich versah, nahm Chiaki sie hoch und trug sie aus der Küche raus. Ihre Beine schlangen sich um seine Hüfte, ließen nicht von ihm los, selbst als sie auf dem Bett landeten. Die Wärme des Kaminfeuers umhüllte sie.   Er kniete sich über sie, küsste sie fordernd sowie leidenschaftlich. Seine Hände fanden sich auf ihrem Rücken wieder. Er öffnete den Verschluss ihres BHs und zog ihn ihr aus. „Du bist wunderschön“, sagte er ehrfürchtig, die Augen dunkel vor Verlangen, „So wunderschön… mein Engel…“ Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und versiegelte ihre Lippen mit einem Kuss. Er erwiderte den Kuss gierig. Anschließend wanderte er mit seinen Lippen ihren Körper entlang, streifte ihren Hals, ihren Nacken, ihre Schultern, ihre Brüste, ihren Bauch herab und wieder hoch. Seine Hände strichen ihr über ihre nackten Beine. Sie seufzte leise auf. Dann umfasste er mit einer Hand ihr Gesicht, nahm wieder ihre Lippen in seinen Mund.   „Ich liebe dich“, wisperte er mit halberstickter Stimme, „Ich liebe dich so sehr...“ Er merkte, wie sie unter ihm für einen Moment inne hielt. Er schluckte. Hat er wieder zu viel gesagt? Sie drehte ihren Kopf zur Seite, küsste seine Handfläche. „Chiaki“, sagte sie, „Ich-“ „Nicht…“, unterbrach er sie mit einem Kuss. Ihre Lippen streiften sachte über seine und verweilten über seine Kieferpartie, brannten auf seiner Haut. „Aber ich-“ „Ich will nichts hören. Bitte, lass das jetzt nicht enden.“ Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust, direkt über sein Herz. Es schlug kräftig und schnell gegen ihre Handfläche. Seine dunklen Augen blickten eindringlich und voller Begierde in ihre. „Erlaube mir dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe. Selbst wenn es nur für diesen einen Moment ist. Danach kannst du mein Herz ruhig in Stücke zerreißen. Ich gebe dir die Erlaubnis dazu.“ Sie nickte schwach. „Ja…“, sagte sie ihm, sah mit derselben Begierde zu ihm auf, „Ich will auch nicht, dass er endet.“   Damit setzten beide mit ihre Liebkosungen mit Leidenschaft und Intensität fort. Sie entfernten ihre letzten Kleidungsstücke von ihren Körpern. Er drückte sie in die Matratze rein, verwöhnte ihren Körper mit Küssen und berührte sie an Stellen, die sie aus dem Verstand brachten und aufschreien ließen. Mehrmals. Sie bekam sichtlich zu spüren, weshalb er für seinen Ruf bekannt war, den er besaß. Sie spürte ihn überall und letztlich auch in sich. Beide mussten erregt aufstöhnen. Für einen Moment stoppte er sich, legte eine Hand zärtlich auf ihre Wange, strich mit dem Daumen sanft über ihre Haut. Sie sahen sich für eine Sekunde an, was sich jedoch wie eine unendliche Ewigkeit anfühlte. „Alles okay?“, fragte er. Sie nickte lächelnd. „Ja…“, hauchte sie ihm wispernd entgegen. „Nicht aufhören.“ Seine Lippen legten sich fordernd auf ihre und er begann sich zu bewegen. Krampfhaft hielt sie sich an ihm fest, wie als würde ihr Leben an ihm hängen und bewegte sich mit ihm mit. Immer und immer wieder sagte sie seinen Namen, während sich ein intensives Gefühl in ihr ausbreitet. Und schließlich explodierte dieses Gefühl in ihr und ihm. Sie konnte hören, wie er sagte, dass er sie liebte. „Ich liebe dich auch…so sehr“, wisperte sie ihm atemlos ins Ohr. Ohne dass Maron es sich bewusst war, liefen ihr stumm ein paar Tränen herunter. Überwältigt von den Emotionen, die sie verspürte. „Bleib bei mir… Und halt mich fest.“ „Immer.“ Chiaki strich ihr über die feuchten Wangen und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Wir sind miteinander verbunden, Maron. Du bist mein und ich bin dein.“, sagte er ihr. Wie berauscht verteilte er kleine Küsse auf ihrem Gesicht. Noch mehr Tränen entkamen ihr. Ja, er gehörte zu ihr, wie sie zu ihm gehörte. Wie zwei Puzzelteile, die perfekt zueinander passten. Zwei Hälften eines Ganzen, die zueinander gehörten. Und zum ersten Mal wollte Maron daran glauben, dass ihre Liebe nicht verdammt war. Dass sie stark war, um diese Herausforderung zu überstehen. Für einige Minuten lagen beide eng umschlungen im Bett, wagten es nicht voneinander loszulassen. Maron legte ihren Kopf auf seine Brust. Eine Hand strich ihr sachte über die nackte Schulter. Chiaki sah liebevoll auf sie herab, seine Augen ließen nicht von ihr los. Im Hintergrund waren das Rauschen des Meeres sowie das Knistern des Kamins zu hören. Nach einer Weile schloss sie sich ihre Augen und sie schlief seelenruhig ein. Chapter 17: Peaceful Moments ---------------------------- Ein ruhiges, relativ ereignisloses Kapitel, welches mir gemischte Gefühle bereitet...  Trotzdem viel Spaß beim Lesen! ^^*   --------------------------------------------------   Chapter 17: Peaceful Moments   Leicht überrascht wachte Maron am nächsten Tag auf, als sie statt ihrer gewohnten weißen Zimmerdecke zu einer hölzernen aufschaute. Sie drehte sich zu ihrer Rechten und blickte in Chiaki’s schlafendes Gesicht. Er hatte einen Arm auf ihrer Taille ruhen. Hinter ihm strahlte das helle Licht der Sonne durch das Fenster. Maron stützte sich mit dem Ellenbogen etwas ab, um über seine Schulter nach draußen zu schauen. Sie vermutete, dass es bereits Mittag war. Von dem was sie sehen konnte, waren keine Menschen in der Nähe der Hütte vorzufinden. Leise seufzend ließ sie sich wieder auf die Matratze nieder. Im nächsten Moment schlugen die Erinnerungen von der gestrigen Nacht wie eine Welle auf sie ein und die Röte stieg ihr bis über beide Ohren das Gesicht hoch. Oh mein Gott!, ging es ihr wiederholt durch den Kopf. Verspätet stellte sie auch leicht verwundert fest, dass Chiaki in Boxershorts und T-Shirt bekleidet da lag und sie selbst ihre Unterwäsche und ihr Shirt anhatte. Bei dem Gedanken, dass er sie angezogen hatte, wurde Maron noch roter als sie schon war. Ihr Herz machte ein paar schnelle Sprünge. Für einen kurzen Moment schloss sie verlegen ihre Augen und atmete einmal tief durch. Erinnerungsfetzen flackerten vor innerem Auge auf – wie Chiaki sie aus dem Wasser getragen hatte, wie er sie küsste. Wie er und sie sich einander hingaben. Seine Liebesgeständnisse hörte sie noch klar und deutlich in ihrem Kopf. Und sie erinnerte sich daran, wie sie ihm sagte, dass sie ihn liebte. Ja, sie liebte ihn. Das konnte sie nicht mehr länger verleugnen. Weder sich selbst, noch ihm. Als Maron nach einigen Sekunden die Augen wieder öffnete und in sein immer noch schlafendes Gesicht blickte, entkam ihr ein kleines, warmes Lächeln. Elektrisierende Glücksgefühle breiteten sich in jeder Faser ihres Körpers aus und ihr Herz begann vergnügt zu flattern. Sie liebte es ihm beim Schlafen zuzusehen. Sie liebte es ihn so friedlich und sorgenfrei zu sehen. Und sie wünschte sich, dass diese ruhigen Augenblicke wie diese, für immer andauern würden. Dass sie einfach die Zeit anhalten und alle Sorgen und Probleme vergessen könnten. Doch Maron wusste, dass die Realität sie beide einholen wird. Gedankenverloren strich sie ihm ein paar wilde Strähnen aus dem Gesicht. Im selben Moment drehte Chiaki seinen Kopf ins Kissen rein und runzelte die Stirn. Leicht öffneten sich seine Lider und seine braunen Augen trafen auf ihre. Seine Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben. Auch ihr Lächeln wurde breiter. „Ein Engel schaut mir beim Schlafen zu…“, murmelte er verschlafen, „So geschmeichelt ich mich auch fühle… ein bisschen unheimlich ist das schon.“ „Unheimlich? Du schaust mir auch dauernd beim Einschlafen zu.“ „Das ist was anderes.“ Maron rollte mit den Augen. „Wie spät ist es?“, fragte er im nächsten Moment und schloss die Augen wieder. „Keine Ahnung“, antwortete sie ihm, nachdem sie ihren Blick kurz den Raum schweifen ließ, „Hier hängt keine Uhr und mein Handy hab ich in meiner Tasche in Miyako’s Auto gelassen. Soll ich aufstehen und dein Handy ho-“ „Nein, lass.“ Chiaki drückte Maron sanft ins Bett zurück, ehe sie Anstalten machen konnte aufzustehen. „Ich habe mein Handy sowieso nicht dabei“, nuschelte er und sprach daraufhin etwas klarer: „Vergiss die Uhrzeit. Manchmal ist es besser, es nicht zu wissen. Genießen wir einfach diese ruhigen Momente. Nur du und ich. Zu zweit. Allein.“ „Okay…“, stimmte sie ihm leise kichernd zu und fuhr mit dem Finger leicht seine Gesichtskonturen nach, „Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt-“ „-wie unglaublich perfekt ich aussehe?“, vollendete er grinsend. „Bisher noch nicht.“ „Das wollte ich nicht sagen!“ „Doch wolltest du. Hör auf es zu verleugnen.“ Als Antwort verdrehte Maron nur ihre Augen, die Wangen verräterisch rot angelaufen. Chiaki blinzelte einige Male bis er sie mit einem wacheren Blick anschaute. Plötzlich verschwand für ein Moment sein Lächeln. „Gestern war dein Geburtstag”, sagte er, Bedauern war in seiner Stimme herauszuhören. „Oh“, brachte sie nur entgegen, „Ehm, ja…“ Daraufhin zog er sie näher an sich heran, drückte ihr ein paar zärtliche Küsse auf ihrem Gesicht sowie auf die Lippen. „Alles Gute nachträglich, mein Engel“, grinste Chiaki sie verliebt an und strich mit seinen Fingern durch ihre langen Haare. „Danke“, lächelte Maron verlegen. „So unglaublich und besonders die gestrige Nacht auch war… Ursprünglich hatte ich andere Pläne gehabt, wie wir deinen Geburtstag verbringen“, merkte er schmunzelnd an. Maron zog neugierig eine Braue hoch. „Was hättest du denn vorgehabt?“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln schwieg Chiaki sie an. Irritiert zog sie ihre Augenbrauen zusammen und zuckte anschließend mit den Schultern. „Bereust du es?“ Er sah sie leicht besorgt an. Verlegen blickte sie runter. Anschließend schüttelte Maron lächelnd den Kopf. „Keine einzige Sekunde.“ „Gut. Ich wüsste nämlich nicht, wie ich von dir noch loskommen würde. Wie verführerisch du gestern aussahst…“ Chiaki lehnte schelmisch grinsend sich zu ihr nach vorne und wisperte ihr ins Ohr: „Und wie du meinen Namen geschrien hast… davon könnte ich nicht genug bekommen.“ Mit tomatenrotem Gesicht schnappte Maron sich das Kissen hinter ihrem Kopf, setzte sich auf und schlug auf ihn ein. Amüsiert musste er laut auflachen. „Du bist süß, wenn du rot wirst.“ „Gott, hör auf zu reden…!“ „Bring mich dazu.“ Daraufhin legte sie eine Hand auf seine Wange, beugte sich herunter und küsste ihn innig. „Ich liebe dich“, wisperte Maron inmitten des Kusses. Ein breites Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und der Kuss wurde für einen Moment fordernder. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Chiaki, als sie sich lösten, er ihr liebevoll über die Wange strich und gleichzeitig ein paar Strähnen aus dem Gesicht entfernte. Anschließend legte er seine Arme um sie und senkte sie den Kopf auf seine Brust.   Für einige Minuten lagen sie eng aneinander gekuschelt da, bis Maron die Stille durchbrach: „Gab es eigentlich jemals einen Moment, wo du mich gehasst hast?“, fragte sie mit einem unsicheren Blick. Völlig entgeistert sah Chiaki sie an. „Nein. Wieso sollte ich?“ „Keine Ahnung… Auch nicht als ich mich die letzten Tage auf diese Flirts von den ganzen Typen eingelassen habe?“ „Hm… Da muss ich zugeben, dass ich Hass verspürt habe“, gestand er, „Allerdings auf die ganzen Kerle und ich hätte am liebsten jeden einzelnen von ihnen den Nacken gebrochen.“ Maron verzog bei der Aussage entsetzt das Gesicht. „Wie kannst du sowas mit so einer ruhigen Miene sagen?“ „Beruhig dich. War nur ein Scherz.“ „Ein ziemlich schlechter… Aber diese skrupellose Seite sollte ich eigentlich von dir bzw. Sindbad kennen.“ Mit einem milderen Blick blickte Chiaki zu ihr herab und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Ich konnte es bloß nicht leiden, dass die sich alle meinem Mädchen genähert haben“, sagte er, „Und ich könnte dich nie im Leben hassen… Hatte ich vorher schon nicht und werde ich auch niemals können. Wenn ich ehrlich bin, fand ich dich von Anfang an faszinierend.“ „Als wir uns zum ersten Mal als Diebe begegnet sind?“ „Ja. Und als ich dich damals vor den Snackautomaten gesehen habe… Ich hatte schon so ein Gefühl, dass du mir irgendwoher vertraut vorkamst. Natürlich macht jetzt alles Sinn.“ Sie nickte und seufzte. „Ich hab gelogen, als ich dir letztens sagte, dass ich dich hassen würde…“ „Ich weiß ja jetzt, wieso du das gesagt hast.“ Beide bekamen einen ernsten Gesichtsausdruck und die Atmosphäre zwischen ihnen wurde bedrückend. Maron erhob sich und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand an. Chiaki tat dasselbe, legte ihr zusätzlich einen Arm um die Schultern. Seine Finger strichen ihr im Rhythmus federleicht über den Oberarm. „Was machen wir nun?“, fragte sie, „Nichts wird an unsere Gefühle ändern… Wie leben ein gefährliches Leben, in der wir nicht drum rum kommen, verletzt zu werden oder in Gefahr zu geraten. Es muss doch trotzdem eine Lösung geben diesen Fluch zu stoppen?“ Nachdenklich presste er sich die Lippen zusammen und sah nach draußen. „Noyn behauptet, der ist nur gebrochen, wenn einer von uns oder wir beide sterben.“ „Wer ist Noyn?“ „Ein Arsch.“ Maron rollte trocken mit den Augen. „Natürlich…“ Chiaki stieß einen tiefen Seufzer aus. „Er ist ein Dämonenritter und gehört zu Satan’s treuesten Handlangern. Nahezu sowas wie seine rechte Hand“, erklärte er, „Früher war er auch ein Mensch und hatte denselben Fluch durchlebt. Mit Jeanne d’Arc.“ Ihre Augen wurden erstaunt groß. „Die Jeanne d’Arc?“ Er nickte. „Wow… das ist wirklich traurig“, entgegnete sie mitfühlend. „Mein Mitleid hält sich in Grenzen.“ „Hmm… Eine weitere Möglichkeit wäre, wenn wir als Kaitos aufhören…“ Chiaki stieß einen verächtlichen Laut aus. Maron warf ihm einen ernsten Blick zu. „Die Option wird wohl leider auch nicht möglich sein“, fügte sie seufzend hinzu. Verneinend schüttelte er kaum merklich den Kopf. „Für mich gibt es sowieso keinen Weg raus“, sprach er mit Bitterkeit aus und sah zum Esstisch rüber, wo ihr Kreuz und sein Anhänger lagen. Sie folgte seinem Blick schweigend und musste schlucken. Ihr wurde mehr und mehr bewusst, wie eng diese unsichtbaren Fesseln um ihn herum waren. Und wie sehr ihre eigenen Hände gebunden waren, denn letztendlich konnte sie nicht einfach aufhören Jeanne zu sein. Das Schicksal der Welt lastete schließlich in ihren Schultern. „Wenn der Teufel besiegt ist… wärst du dann frei?“, fragte sie leicht unsicher. Chiako zog verblüfft eine Augenbraue hoch. „Ich denke…“, antwortete er nach einigen Sekunden und blickte nachdenklich zu den Tisch wieder rüber. Maron nahm die Antwort einmal nickend zur Kenntnis und dachte ebenfalls nach. Ihre Mission war es sowieso die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Den neuesten Kenntnissen nach zu urteilen, würde sie nicht nur für die Menschheit kämpfen, sondern auch für Chiaki’s Freiheit. Und was ist, wenn ich versage?, ging es ihr zweifelnd durch den Kopf. Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Nervös spielten ihre Finger mit dem Stoff der Bettdecke. „… Angeblich kann mir das Ding einen Wunsch erfüllen“, hörte sie Chiaki auf einmal in einem monotonen Ton sagen. Aus den Gedanken gerissen schnellte Maron ihren Kopf zu ihm hoch. „Ein Wunsch?“, fragte sie irritiert und schaute zum Tisch rüber, „Der Anhänger?“ „Ja, Satan hat es mir damals mit etwas Magie versehen, im Sinne von ‚da du geschworen hast mir treu zu dienen, darfst du dir zur Belohnung jederzeit etwas wünschen. Seien es Frauen, Macht oder Geld…‘ - sowas in der Art…“ „Jeden erdenklichen Wunsch? Dann können wir uns doch wünschen, dass der Fluch behoben wird, oder?“, fragte Maron in einem hoffnungsvollen Ton. Chiaki behielt seine reglose Miene bei. „Keine Chance. Der Fluch basiert auf uralte Mächte des Universums. Gegen sowas kommt ein mickriges Bisschen Magie nicht an.“ „O-Okay…“ In Nullkommanichts verschwand der Funke Hoffnung wieder. „Und was ist, wenn wir uns die Engel frei wünschen? Läge das im Rahmen?“ „Ich bezweifle, dass Satan es zulässt, dass wir mit seiner Macht seine Gefangenen befreien.“ Genervt stöhnte sie auf. „Wieso erwähnst du den Wunsch dann, wenn er nur mit irgendwelchen Einschränkungen verbunden ist?! Bist du dir überhaupt sicher, dass es einen Wunsch gibt?“ „Ich wollte einfach erwähnt haben, okay?“, fuhr Chiaki sich frustriert durch die Haare. „Ich würde mich sowieso nicht auf solche Teufelsmagie verlassen…“, merkte er zusätzlich an, „Die sind immer irgendeinem mit einem Haken verbunden. Also vergessen wir es. Lassen wir die Finger davon.“ „Da hast du wahrscheinlich Recht…”, stimmte sie ihm resigniert zu. „Wir werden diesen dämlichen Fluch schon überstehen“, hörte sie ihn mit Zuversicht sagen, „In gewisser Weise… hatte er uns die letzten Male das Leben gerettet. Wir konnten uns immer gegenseitig zur Hilfe kommen, dank dieser Verbindung.“ „Wow“, entgegnete Maron sarkastisch, „Dafür war ich öfter dem Tode so nahe wie die letzten drei Jahre nicht.“ Chiaki konnte sich darauf ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. „Außerdem wir haben immer noch unsere Heilkräfte. Bis jetzt haben wir alles relativ gut überstanden.“ „Bis jetzt… Wir wissen nicht, um wie viel schlimmer der Fluch noch gehen kann. Fin sagte, umso intensiver die Gefühle, umso schlimmer wird es.“ „... Denkst du nicht, dass wir stark genug sind und dagegen ankommen können?“, fragte er und sah ihr eindringlich in die Augen. Maron biss sich zögernd auf die Lippe. „Doch… Ich will daran glauben, dass wir stark genug sind. Dass unsere Liebe stark genug ist“, gestand sie. Nach der gestrigen Nacht gab es für beide sowieso kein Zurück mehr. Sie liebte ihn genauso viel, wie er sie liebte und allein die Vorstellung von ihm getrennt zu sein, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Und trotzdem habe ich Angst…“, flüsterte sie und sah beschämt weg. Chiaki legte ihr einen Finger unters Kinn und drehte sie so, dass sie ihm wieder direkt in die Augen sah. „Du bist nicht allein… Ich bin bei dir“, sprach er sanft auf sie ein, lächelte ermutigend und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Vergiss das nicht. Zusammen sind wir unschlagbar.“ Maron erwiderte das Lächeln gerührt. Ihre Hand fand seine und ihre Finger verschränkten sich fest ineinander. Wiedermals verspürte sie dieses kribbelnde Gefühl durch ihren Körper fahren. Ein Gefühl, welches ihr Geborgenheit und Kraft gab. Ein Gefühl, welches nur Chiaki ihr geben konnte. Ja, mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich durchaus stark und unbesiegbar. Sie küsste ihn sanft auf die Lippen. „Ja… zusammen schaffen wir das.“   Anschließend rutschte sie vom Bett runter und nahm ihre restlichen Klamotten in die Hand, um sich anzuziehen. „Fluch hin oder her… noch wichtiger ist wohl, dass wir uns überlegen, wie wir die Engel retten.“ Chiaki nickte. Mittlerweile war er ebenfalls aufgestanden und zog sich an. „Ich würde vorschlagen, dass wir uns präzise darauf vorbereiten und trainieren. Wenn du es verkraftet kannst, die Uni zu schwänzen.“ „Trainieren?“ „Ja. Es wäre sonst Selbstmord dort aufzutauchen. Die Dämonen dort sind um weiteres stärker als die, die hier sich herumtreiben.“ Maron musste schlucken. „Okay…. Verstehe. Dann schätze ich mal, dass wir auch nicht morgen aufbrechen werden?“ „Nein“, schüttelte er bestimmt den Kopf, „In fünf Tagen brechen wir auf.“ „Fünf Tage?!“ Sie drehte sich mit einem erschrockenen Ausdruck zu ihm um. Inzwischen waren beide vollständig angezogen. Ihre Klamotten waren noch etwas feucht und rochen stark nach Salzwasser. „So lange können wir Fin und Access doch nicht warten lassen!“ „Zeit in der Hölle funktioniert anders als hier. Mal langsamer, mal schneller“, wendete Chiaki ein, eine Hand in die Hosentasche gesteckt, „Wenn dort beispielsweise wenige Minuten vergehen, können hier Stunden, Tage bis zu Wochen vergehen. Ist ziemlich inkonsistent. Die Welt selbst kann sich auch in innerhalb von Augenblicken verändern.“ Er hielt kurz inne und rieb sich seufzend den Nacken. „Auf jeden Fall werden sie so lange schon überleben. Sie beide sind hart im Nehmen. Außerdem hat Access mir versichert, dass sie durchhalten werden. Und ich vertraue auf sein Wort.“ Maron atmete tief durch, lief im Raum unruhig auf und ab. „Okay“, sagte sie schließlich und warf die Hände in die Luft, „Okay. Du hast Recht. Mal wieder! Die Stimme der Vernunft hat gesprochen.“ Frustriert stieß sie Luft zwischen den Zähnen aus. „Bereiten wir uns so gut wie möglich vor. Schließlich vertrauen die beiden darauf, dass wir sie lebend daraus holen und uns nicht in den sicheren Tod stürzen.“ „Keine Sorge. Es wird schon alles gut werden. Vertrau mir.“ Maron blickte Chiaki an und nickte. „Ich vertraue dir.“ Anschließend nahm er ihre Hand und gemeinsam verließen sie die Hütte. Er führte sie zu seinem Auto, welches einige Straßen vom Strand entfernt geparkt war. „Ich weiß gar nicht, wie ich es gestern unfallfrei hierher geschafft habe…“, murmelte er trocken. „Aber zum Glück kam ich noch rechtzeitig.“ „Danke“, erwiderte Maron beschämt, „Für alles.“   „Nichts zu danken“, grinste er und öffnete ihr die Beifahrertür, „Ich sagte doch, ich werde dich beschützen.“ Beide stiegen in sein Wagen ein und fuhren im nächsten Augenblick los. „Gott… habe ich einen Hunger!“, stöhnte Maron auf und warf ihren Kopf in die Lehne zurück, „Ich habe seit gestern Mittag nichts mehr gegessen…Und es ist jetzt-… schon 16:57?!“, rief sie überrascht aus, als sie auf die Uhr im Auto sah. Chiaki nahm das schulterzuckend zur Kenntnis. „Ich bereite uns zu Hause was zu.“ „Ehm…“ Verlegen kratzte sie sich den Kopf. „So gern ich auch bei dir sein will, könntest du mich für heute zu mir nach Hause fahren? Ich würde gerne meine Klamotten wechseln… Außerdem habe ich Miyako versprochen, dass ich heil nach Hause komme. Und ich will ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten, als ich es schon getan habe.“ Er warf ihr einen leicht verwunderten Seitenblick zu. Sie verstand seinen Blick sofort. „Oh, habe ich dir noch gar nicht gesagt. Ehm, nun... Ich habe ihr alles erzählt.“ „Alles?“ „Japp.“ „Okay...“, brachte er nach einigen Sekunden perplex entgegen, „Wahrscheinlich hattest du die letzten Tage auch jemand zum Reden gebraucht.“, fügte er verständnisvoll hinzu. Maron nickte bestätigend. „Und du weißt, dass ich ihr vertraue. Sie wird uns schon nicht ihrem Vater ausliefern.“ „Ich weiß.“ „Stattdessen will sie mir bzw. uns helfen soweit sie kann.“ „Okay.“ Sie sah eindringlich zu ihm rüber. „Vertraust du ihr?“ Chiaki hatte sein Blick auf die Straße fixiert. „Ich vertraue dir“, antwortete er ruhig, „Und wenn du ihr vertraust, dann werde ich es auch tun. Dann schätze ich mal, sehen wir uns morgen erst wieder.“ „Ja.“ Kurz sah sie aus dem Fenster und beobachtete wie die Umgebung an ihr vorbeizog. „Mir fällt ein, der Dämon von gestern läuft immer noch frei durch die Gegend rum“, sprach sie verbittert. „Wenn er wieder auftaucht, machen wir ihm die Hölle heiß“, entgegnete er. Sie stimmte ihn bejahend zu. Es dauerte schließlich nicht lange bis das Paar vor dem Orléans angekommen waren. Chiaki stieg wie gewohnt als erster aus, um Maron die Tür zu öffnen. Gemeinsam liefen die beiden rein und er begleitete sie noch zum siebten Stock hoch. „Ich werde mich bei dir melden“, grinste sie ihn an. Er konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. „Ruh dich für heute aus“, sagte er und legte eine Hand auf ihre Wange. Maron schmiegte sich liebevoll an seine Handfläche an. „Ich liebe dich“, sagte sie, ging einen Schritt auf Chiaki zu und küsste ihn zärtlich. „Ich liebe es, wenn du das sagst“, erwiderte er grinsend, seine Stirn an ihre angelehnt und versiegelte ihre Lippen zu einem weiteren, innigen Kuss, „Ich liebe dich auch, mein Engel“, wisperte er zurück. *** Wenige Minuten später fuhr Chiaki zu seinem Wohnkomplex nach Hause. Während er den Aufzug hochfuhr, dachte er über viele Dinge nach. Und alle drehten sich um Maron. Auch wenn er ihr den Mut zugesprochen hatte, dass sie gemeinsam den Fluch überstehen werden - so plagten auch ihn gewisse Zweifel und Bedenken. Er wollte sie um jeden Preis beschützen. Doch wie konnte er sie beschützen, wenn es sie letztendlich auch gleichzeitig verletzen konnte? „Umso intensiver die Gefühle, umso schlimmer wird es“, wiederholte er ihre Worte in Gedanken. Eine Idee ging ihm durch den Kopf, die er jedoch sofort wieder verwarf. Vergiss es... das ist absurd!, mahnte er sich. Außerdem wollten wir die Finger davon lassen…! Die Fahrstuhltür ging auf und ihm entkam ein schwerer Seufzer. Auch wenn er heute nicht viel gemacht hat, so fühlte er sich dennoch ziemlich ausgelaugt und erschöpft. Womöglich lag es am Stress der letzten Tage. Sowie am Hunger. Überrascht blieb Chiaki vor seiner Haustür stehen, als er eine vertraute Gestalt davor hocken sah. „Na endlich!“, rief Touya aus und erhob sich schnell, „Ich hatte schon die Befürchtung gehabt, ich müsste noch eine Nacht hier ausharren!“ „W-Was machst du hier, Kirishima?“, fragte der Blauhaarige irritiert. „Dir deine Tasche zurückbringen.“ Der Angesprochene hob die besagte Tasche hoch. „Die hattest du gestern fallen gelassen.“ Chiaki fasste sich innerlich stöhnend die Stirn. Fast hätte er vergessen, dass Touya seinen Zusammenbruch miterlebt hatte. Mit einem kritischen Gesichtsausdruck nahm er seine Tasche dankend an. „Und dir sollte bewusst sein, dass das nicht der einzige Grund ist, weshalb ich auf dich gewartet habe“, rollte Touya mit den Augen, steckte sich die Hände in die Hosentasche und musterte sein Gegenüber ernst an. „Ich kann übrigens das Salzwasser bis hierher riechen“, merkte er an, „Schätze mal, du warst diesmal wirklich schwimmen gewesen?“ Chiaki blickte kurz von seiner Tasche zu ihm auf und wieder runter. Für wenige Sekunden war es still, bis er sich ermüdet mit der Hand über das Gesicht strich und hörbar aufseufzte. „Fein. Komm rein“, gab er sich geschlagen und schloss die Tür auf, „Lass mich vorher zuerst duschen. Danach stehe ich dir Rede und Antwort.“ „Hast du bei dir vielleicht was zu essen? Ich habe mir nur vor ein paar Stunden was geholt und jetzt sterbe ich vor Hunger.“ „Fühl dich frei die Küche zu benutzen. Bedien dich. Wäre allerdings nett, wenn du mir auch was machst.“ „Deal!“ Touya steuerte direkt zur offenen Küche zu, öffnete den Kühlschrank und schaute sich dessen Inhalt an. Damit lief Chiaki ohne Weiteres die Treppen zum oberen Stockwerk der Wohnung hoch.   Eine halbe Stunde später, kam er frisch geduscht und in neuen Klamotten -bestehend aus schwarzer Jogginghose und grauem T-Shirt- wieder in die Küche runter. Nun saßen beide Männer sich gegenüber und aßen Sandwiches, die Touya zubereitet hatte. Schweigend. Chiaki hatte in seinem Leben einige merkwürdige Dinge erlebt. Zu erleben, dass Touya dazu fähig war länger als fünf Minuten die Klappe zu halten, gehörte für ihn zu diesen Dingen dazu. Auf dem Tresen standen noch eine Flasche Whisky sowie zwei Gläser. Alkohol könnte nicht schaden…, dachte er sich ironisch. Er hatte kein Bedürfnis das Gespräch als Erster anzufangen. Weitere zehn Minuten vergingen bis der Rothaarige endlich die Stille durchbrach: „Also-…als du gestern losgestürmt bist, hast du Maron’s Namen gesagt…Hast du sie gefunden?“, fragte er wie beiläufig, ohne von seinem Teller auszusehen. „Ja“, entgegnete Chiaki knapp, starrte ebenfalls ausdruckslos in die Leere. „War sie zufällig im Meer gewesen?“ „Ja, war sie“, antwortete er ihm nach kurzem Zögern. „Geht es ihr gut?“ „Den Umständen entsprechend.“ „Verstehe.“ Touya schaute schließlich zu ihm auf und überlegte sich seine nächste Frage genau. „Und… zwischen euch ist alles wieder in Ordnung?“ Chiaki sah nun ebenfalls zu ihm auf. „Einerseits ja, andererseits… schwer zu erklären.“ Für einige Minuten wurde es wieder still. Inzwischen hatten beide fertig gegessen, hatten sich Whisky eingeschenkt und nippten nun an ihren Gläsern. „Okay, gehen wir es anders an-“, setzte Touya an, den Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt und schwenkte in kreisenden Bewegungen sein Glas. „Ich weiß, dass ihr beide ein Geheimnis habt. Und ich weiß, dass du -nach allem was gestern passiert ist- mir dennoch nur das Nötigste sagen wirst, um dieses Geheimnis zu bewahren.“ „Kann gut möglich sein“, bestätigte Chiaki. Er nahm einen großen Schluck von seinem Glas. Den brennenden Geschmack des Alkohols hieß er herzlich willkommen. „Hm.“ Touya sah ihn mit einem ernsten Blick an. „Mit anderen Worten, du vertraust mir nicht.“ „Warum sollte ich auch?“ „Weil ich ein vertrauenswürdiger Mensch bin.“ „Vertrauen muss man sich verdienen.“ „Ich weiß. Ich haben auch einen guten Grund, weshalb du mir vertrauen musst, Nagoya.“ Der Blauhaarige zog desinteressiert eine Augenbraue hoch. „Und das wäre?“ Sein Gegenüber beugte sich etwas nach vorne. „Ich weiß, dass ihr beide Jeanne und Sindbad seid“, flüsterte er ihm zu. Dies ließ Chiaki erschrocken innehalten. Eigentlich wollte er eine neutrale Miene beibehalten, doch seine Körpersprache und seine schockierter Blick verrieten ihn letztlich. Zufrieden grinste Touya in sich hinein. „Woher weißt du das?“, fragte Chiaki, bevor er sich stoppen konnte. „Ich hatte meine Vermutung.“ Der Rothaarige lehnte sich kühn in seinem Stuhl zurück. „Aber deiner Reaktion nach zu urteilen, weiß ich es nun hundertprozentig. Ebenso, weil du es nicht verleugnest.“ Chiaki verfluchte sich dafür innerlich, doch fürs Lügen war es nun wirklich zu spät. Und nach allem, würde es auch nichts nützen. „Wie hast du es herausgefunden?“, verlangte er zu wissen. „Ganz einfach…” Touya nahm ein Schluck von seinem Glas, ehe er weitersprach, „Es war ein bisschen kurios, wenn ich allein dir und Maron von Yusuke’s verändertem Verhalten erzähle und am selben Abend tauchen wie aus dem nichts Warnungen von Jeanne und Sindbad auf, die es interessanterweise auf sein Armband abgesehen hatten, wovon niemand Bescheid wusste außer ihr beiden.“ Erstaunt starrte Chiaki ihn an „Also hattest du seit knapp zwei Wochen deine Vermutungen über uns gehabt?“ „Japp.“ „Und du hast es all die Tage für dich behalten?“ „Klar! Oder sehe ich so aus als würde ich die Cops auf euch loshetzen?“, entgegnete Touya. „Wieso hast du nichts gesagt? Jeder andere hätte sofort die Polizei gerufen.“ „Weil ich nicht wie jeder andere bin. Und weil mein Instinkt mir sagt, dass ihr keine gewöhnlichen Diebe seid. Allein die Tatsache, dass Yusuke nach dem Überfall wieder ganz er selbst wurde, brachte mich zum Nachdenken.“ Für einen Moment war Chiaki sichtlich perplex. Er biss sich nachdenklich auf die Lippe, nahm tief Luft und nickte einmal. „Okay… Ich schätze mal, man kann dir vertrauen?“ „Sag ich doch“, kam es als Antwort mit einem leichten Grinsen. „... Wir sind keine gewöhnlichen Diebe“, offenbarte Chiaki schließlich. „Gut. Kommen wir zu meiner nächsten Frage-“ In einem Zug trank Touya sein Glas leer. „Wieso stehlt ihr? Ich wüsste nämlich nicht, was ihr beide mit einem gewöhnlichen Lederarmband wollt. Und was passiert mit den Opfern, vor und nach eurem Besuch? Und was zum Teufel ist gestern mit dir passiert?“ „Das ist mehr als eine Frage.“ „Sei kein besserwisserisches Arsch und beantworte mir einfach alles.“ Chiaki blickte für eine Weile in sein leeres Glas und sah anschließend mit einem ernsten Gesichtsausdruck auf. „...Glaubst du an Gott und Teufel? An Engel und Dämonen?“ Sein ehemaliger Schulkamerad krauste überrascht die Stirn. „Was wäre, wenn ich Ja sage?“, kam es nach kurzer Überlegung als Gegenfrage. „Dann würde ich dir sagen, dass sie durchaus existieren.“ „Okayyy...“ Touya schnappte sich die Whiskyflasche und schüttete sich ein weiteres Glas voll. „Das kann noch ein interessantes Gespräch werden...“, murmelte er und sah Chiaki erwartungsvoll an, „Dann schieß mal los! Wie hängt alles miteinander zusammen?“ Er seufzte. Und ehe Chiaki sich versah, begann er ihm alles zu erzählen. Vielleicht lag es am Alkohol, vielleicht lag es auch an seiner inneren Erschöpfung - doch die Worte sprudelten regelrecht aus ihm heraus. Er konnte nicht einschätzen wieso, doch in gewisser Weise tat es gut mit einer externen Person über alles zu reden. Auch wenn er es nicht offen zugeben würde. Touya hörte ihm aufmerksam zu, sagte bis zum Ende kein Wort. Ab und an entkam ihn ein Seufzer oder er krauste ungläubig die Stirn. Dann wurde es wieder still zwischen den beiden. „Wow… All die Jahre in der ich dich kenne, habe ich mir innerlich gewünscht, dass du zur Hölle fährst und dabei gehörst du schon längst dort.“ „Aus dem Grund, habe ich jemanden wie Maron eigentlich nicht verdient. Sie ist viel zu gut für mich… Aber gleichzeitig kann ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Ich liebe sie, gerade weil sie alles Gute auf Welt repräsentiert.“ „Wie rührend. Wirklich süß… Da kann ich in eurem Fall nur sagen: Gegensätze ziehen sich an.“ „Da ist das Universum anderer Meinung“, entgegnete Chiaki sarkastisch. „Hm-Mhm. Hört sich wirklich beschissen an.“ Touya sah sich gedankenverloren in der Wohnung um. „Das ist alles wirklich verrückt. Richtig crazy. Aber ich bin nicht jemand, der das Unfassbare ausschließt. Für einen Moment dachte ich gestern wirklich, du würdest vor meinen Augen verrecken.“ „Dachte ich auch.“ „Kurze Klarstellung-“ Der Rothaarige zog verwirrt die Brauen zusammen. „Wenn einer von euch stirbt, stirbt der andere dann mit?“ „Nein. Man würde nur die körperlichen Schmerzen und Qualen des anderen spüren, aber richtig sterben würde man nicht. Allerdings…“ Chiaki hielt inne und musste schwer schlucken. „Maron zu verlieren, wäre für mich sowieso gleichbedeutend mit dem Tod. Also, tja - je nachdem wie man es interpretieren will, würde ich mit ihr sterben“, zuckte er emotionslos mit den Schultern. „In eurer Haut will man wirklich nicht stecken…“ Darauf gab ihm Chiaki keine Antwort und fragte stattdessen: „Und was willst du jetzt mit all dem neuen Wissen machen? Außer es für dich behalten.“ Touya zuckte mit den Schultern. „Bin ich der Einzige, der von euch weißt?“ „Uhm, nein.“ Chiaki schüttelte mit dem Kopf. „Maron hatte Miyako anscheinend auch alles erzählt.“ „Miyako? Die Polizeitochter in Person?“, lachte der andere ungläubig und zugleich amüsiert auf. „Laut Maron wird sie uns nicht bei ihrem Vater verpfeifen und -wenn möglich- uns ihre Hilfe anbieten.“ Touya nickte verstehend. „Dann mache ich dasselbe.“ Ungläubig blickte Chiaki ihn an. „Uns helfen?“ „Klar. Ich bin ein guter Beobachter. Wenn irgendwas ist, kann ich euch Bericht erstatten und ihr checkt die Lage. Ansonsten kann ich mit dir hier zusammensitzen, einen Trinken und du redest dir die Last von den Schultern.“ Daraufhin erhob sich Chiaki augenrollend von seinem Stuhl. „Ich brauch keinen Seelenklempner“, wandte er sich von ihm ab. Touya stand ebenfalls auf und folgte ihm ins Wohnzimmer. „Ach komm. Du hast dir eben nicht ohne Grund die Seele vom Leib geredet.“ „Mein Grund war, dass du mich mit Fragen durchlöchert hast und keine Ruhe gabst, bis ich dir Antworten gegeben habe.“ „Wie du meinst, Nagoya.“ „Nerv nicht, Kirishima“, murmelte der Angesprochene, „Es ist schon spät. Du findest selbst hinaus?“ Gerade als er die Treppen zum Schlafzimmer hochgehen wollte, hörte er seinen Gast noch sagen, „Eigentlich wollte ich mich hier aufs Ohr legen.“ Mit einem entgeisterten Blick lief Chiaki drei Stufen wieder runter. „Geh gefälligst nach Hause.“ „Alter, ich hab Alkohol im Blut. Ich kann unmöglich fahren“, warf Touya gähnend ein und machte sich bereits auf dem Sofa gemütlich. „Ich sagte auch, dass du gehen sollst.“ „Da wäre ich bin morgen unterwegs.“ „Wäre nicht mein Problem.“ „Geh schlafen und find dich damit ab!“, rief Touya ihm mit erhobenem Mittelfinger zu. Entnervt stöhnte Chiaki auf und begab sich ohne weitere Diskussionen schließlich ins Bett.   Am nächsten Morgen war Maron mehr als überrascht ihren rothaarigen Kommilitonen anstatt ihren Freund an Chiaki’s Haustür zu sehen. „Was machst du denn hier?“, fragte sie Touya verwundert, als er ihr die Tür öffnete und rein ließ. „Dir auch einen guten Morgen, Kamikaze-Diebin“, grinste er sie frech an und gähnte. Wie versteinert blieb Maron mitten in der Wohnung stehen und blickte erschrocken drein. Touya schmunzelte leicht. „Beruhig dich, Süße. Dein Freund und ich haben alles geklärt.“ Noch mehr Fragezeichen bildeten sich in ihrem Kopf. „Wo ist Chiaki denn?“ „Oben. Schlafen, denk ich?“ „Okay…? Und wieso nochmal bist du hier?“ „Habe hier übernachtet“, zuckte Touya unbekümmert mit den Schultern, „Nagoya und ich haben gestern ein wenig unter Männer gequatscht und getrunken.“ „Gequatscht und getrunken?“, blinzelte Maron ihn erstaunt sowie ungläubig an, „Wie ganz normale Menschen?“ Er nickte grinsend. „Stundenlang.“ „Gottverdammt. Wieso ist es so laut hier?“, sprach im nächsten Moment eine genervte Stimme. „Chiaki!“, rief Maron erfreut, als sie ihren Freund die Treppen runter kommen sah, auf ihn zuging und zur Begrüßung küsste. „Maron, was machst du hier?“, kam es von ihm überrascht. „Ich habe mich von Miyako herfahren lassen, bevor sie zur Uni fuhr“, erklärte sie, „Ich hab dir zehn Nachrichten hinterlassen und versucht anzurufen, aber es ging nichts durch?“ „Oh…“ Beschämt fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. „Habe vergessen mein Handy aufzuladen.“ „Man soll den Frauen keine Sorgen bereiten, Bruder!“, warf Touya am anderen Ende des Raumes ein. „Du bist ja immer noch hier“, stöhnte Chiaki entnervt auf. „Bin auch gleich weg. Dann lasse ich euch Turteltauben allein“, entgegnete der andere, zog sich seine Jacke und verabschiedete sich anschließend von dem Paar. Nachdem Touya weg war, wandte sich Maron mit einem amüsierten Ausdruck zu Chiaki um. „Seid ihr über Nacht irgendwie Freunde geworden?“ „Freunde ist weit hergeholt“, murmelte er trocken, „Verbündete trifft es vielleicht besser.“ „Verbündete? Erzählst du mir während des Frühstücks, wie es zu diesem ‚Bündnis‘ kam?“, fragte sie belustigt kichernd und imitierte mit ihren Fingern ein paar Hasenohren. Nickend zog er Maron in seine Arme, gab ihr einen Kuss auf den Kopf und hielt sie für eine Weile fest. „Nach dem Frühstück fangen wir mit unserer ersten Trainingseinheit an“, kündigte er mit einem Grinsen in der Stimme an. „Keine Sorge, ich werde dich nicht so hart rannehmen.“ „Unterschätz mich nicht, Freundchen.“ Sie sah herausfordernd zu ihm hoch. „Du wirst schon auf dem Boden liegen, bevor du deinen ersten Move machen konntest.“ Lachend legte er einen Arm um ihre Schultern. „Flirte nicht mit mir“, warnte er sie und ging mit ihr schließlich in die Küche.   Chapter 18: Punishment ---------------------- Chapter 18: Punishment   Mit einem stumpfen Aufprall landete Sindbad auf dem Boden und er spürte das Gewicht eines Fußes auf seiner Brust. „Ich habe gewonnen! Schon wieder“, grinste Jeanne überlegen auf ihn herab und hielt ihm ihre Schwertspitze vor das Gesicht. „Ich sagte doch, du solltest mich nicht unterschätzen.“ Er lächelte mit einem breiten Grinsen amüsiert zu ihr hoch. Sie hatten nun einige Matches hinter sich und jeden hatte Sindbad verloren. „Was ist, wenn ich einfach nur ein Gentleman bin und dich immer gewinnen lasse?“ „Das glaube ich dir nicht.“ Jeanne nahm ihren Fuß von seiner Brust und trat einen Schritt zurück. Plötzlich schwang Sindbad seine Beine so, dass sie Halt unter ihren Füßen verlor und in Sekundenschnelle war er über ihr. Leicht überrascht blickte sie zu ihm auf. „Und glaubst du mir jetzt?“, fragte er mit einem eindringlichen Blick. Jeanne schüttelte verspielt lächelnd den Kopf, packte ihn am Kragen und zog ihn für einen Kuss runter. Sindbad erwiderte den Kuss grinsend. Anschließend erhoben sich beide und klopften sich den Dreck von den Klamotten. Um ungestört trainieren zu können, hatten die beiden Kaitos sich in den Wald außerhalb der Stadt geben. „Sollten wir für heute aufhören oder kannst du noch?“, fragte Sindbad. Schulterzuckend überlegte Jeanne kurz. „Ich denke, für heute reicht das“, antwortete sie ihm, „Schließlich brauchen wir noch genug Kraft für heute Abend. Da sollten wir uns nicht komplett auspowern.“ Er nickte zustimmend und gemeinsam begab sich das Paar auf den Weg nach Hause. Neben dem Training waren für die Abende noch zusätzlich geplant, dass sie sich auf die Suche nach Dämonen machten. Auch wenn Sindbad keine Schachfiguren mehr einsammelte, so bestand für Jeanne immer noch die Verpflichtung ihre Mission vor Gott zu erfüllen und die Seelen der Menschen von den Dämonen zu befreien. Kaum in Chiaki’s Apartment angekommen, beanspruchte Maron als Erste die Dusche für sich und verschwand direkt ins Bad. Schmunzelnd sah Chiaki ihr nach und holte sich eine Wasserflasche aus der Küche. Im nächsten Moment klingelte das Festnetztelefon auf dem Tresen. Ohne nachzuschauen wer anrief, nahm er ab: „Hallo?“ „Hey, großer Bruder!“ Ein Schmunzeln entkam ihm, als er die Stimme seiner Stiefschwester Minami vernahm. „Was gibt’s Mina?“ „Mum und Dad sind ja gerade zusammen auf einer Konferenz in Hokkaido-“ „Echt?“, fragte Chiaki überrascht, „Wusste ich gar nicht.“ Minami stieß einen genervten Laut aus und er konnte förmlich hören, wie sie mit den Augen rollte. „Ja, das wüsstest du, wenn du dich in letzter Zeit öfters zu Hause melden würdest.“ „Sorry… Ich hatte ziemlich viel zu tun.“ „Hmm-Mhmm.“ „Wie auch immer… Ehm, ist doch cool. Du hast dir Villa für dich allein, bis...?“ „Sonntag. Ich habe schon Freundinnen eingeladen und heute wird eine Übernachtungsparty geschmissen. Und, keine Sorge! Ich verspreche, dass keine Jungs kommen und nichts kaputt gehen wird!“, sprach Minami in einem amüsierten Ton. Chiaki konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Ab und an kommt Kagura vorbei und hilft mir mit den Hunden. Und da würde ich dich fragen, ob du nicht Lust hättest am Wochenende vorbeizukommen. Maron kannst du meinetwegen auch mitnehmen.“ „Oh.“ Verlegen rieb er sich den Nacken und lief durch die Wohnung. „Sorry Sis, aber ich kann derzeit nicht.“ „Wieso?”, sagte sie verstimmt, „Du besuchst uns noch weniger, als du es schon vorher getan hast und bist dauernd mit Maron beschäftigt.“ „Das stimmt doch gar nicht-“ „Ja, ja, ja… die Uni nimmt auch viel Zeit in Anspruch, weshalb du deine kleine Schwester und deiner Familie gar nicht mehr auf dem Schirm hast. Verarschen kann ich mich selbst. Gibt’s doch einfach zu, dass wir dir scheißegal sind!“, platzte es plötzlich aus ihr heraus. Sichtlich überrascht hielt Chiaki inne. So eine Verhalten ihm gegenüber kannte er von Minami nicht. „Was redest du da? Das stimmt doch gar nicht-“ „Wann ist mein Geburtstag?“ „Fünfundzwanzigster Mai.“ Sie schwieg, worauf er realisierte: „Oh…“ Beschämt fasste Chiaki sich die Stirn. „Ich habe ihn vergessen.“ Ihr Geburtstag war in der Zeit gewesen, als Maron ihm aus dem Weg ging. Und nach allem was in letzter Zeit geschah, hatte er wirklich keinen Kopf gehabt, an seine Familie zu denken. „Dafür dass du nichts vergisst. Eine kleine SMS hätte auch gereicht, anstatt gar nichts“, entgegnete die Siebzehnjährige in einem sarkastischen Unterton. „Das ist nicht gerade fair.“ „Du bist nicht fair! Seit einer Weile, sind wir nur noch eine kleine, unwichtige Fußnote in deinem Leben.“ „Mina-“ „Es heißt Minami!“ Für einige Sekunden war es still. Chiaki holte tief Luft und seufzte schwer: „Minami… Es tut mir leid, okay?“ „Vergiss es. Ich bin nicht wütend. Nur enttäuscht.“ Damit legte Minami auf und ließ Chiaki perplex sowie sprachlos am Hörer zurück. „Was ist los?“, hörte er Maron’s besorgte Stimme hinter sich fragen. Verneinend schüttelte der Blauhaarige den Kopf. „Nichts…“, sagte er seufzend und warf das Telefon aufs Sofa. *** Zwei weitere Tage vergingen. Das gemeinsame Training der beiden Diebe verlief gut und der eine oder andere neue Kampftrick konnte sich angeeignet werden. Den Dämon, der Jeanne letztens entkommen war, hatten sie inzwischen wiedergefunden und mit Sindbad’s Hilfe konnte sie ihn diesmal auch Schachmatt setzen.   Es war Samstag und das Paar wollte sich soeben für die abendliche Dämonenjagd fertig machen, als es plötzlich an der Tür klingelte. „Erwartest du Besuch?“, fragte Maron. Chiaki schüttelte den Kopf. Er ging zur Tür und schaute durch den Spion. „Es ist Miyako“, sagte er mit leichter Verwunderung. Überrascht zog Maron eine Augenbraue hoch, als er ihrer Freundin die Tür öffnete. „Maron! Gut, dass ich dich noch erwische. Wieso in Gottes Namen nimmst du dein Handy nicht ab?“, kam Miyako aufgeregt auf die Braunhaarige zu. Maron betastete ihre Taschen und sah sich in Chiaki’s Wohnung um. „Muss wohl oben sein“, murmelte sie. Miyako hielt sich leise stöhnend die Stirn. „Okay, auch egal. Du glaubst nicht, was ich von meinem Vater gehört habe!“ „Was ist passiert?“ „Dein Ex ist verschwunden.“ Maron brauchte einen Moment, um das Gesagte richtig zu registrieren. „Was meinst du mit Hijiri ist verschwunden?!“, fragte sie entsetzt. Chiaki blickte ebenfalls alarmierend zwischen den beiden hin und her. „So wie ich es sage. Bis gestern war er immer noch in Haft und heute Morgen war seine Zelle leer, hat mein Vater erzählt! Die Beamten, die in der Nacht zuständig waren, sind zwar unverletzt, aber können sich an nichts erinnern.” Maron hielt sich fassungslos den Kopf. Das ihr psychopathischer Ex-Freund frei durch die Gegend lief, hat ihr noch gefehlt. „Aber wie-“ Plötzlich klopfte es wie wild an der Tür und alle drehten sich erschrocken um. „Wer noch??“, stöhnte Chiaki genervt und riss die Tür mit einem Schwung auf. „Kann mir einer von euch mal erklären, wieso keiner von euch beiden eure Handys abnimmt?!“, beschwerte Touya sich. „Maron ihres ist oben und meins ist -glaube ich- lautlos.“ „Die beiden sind unfähig ihre Handys zu benutzen!“, kommentierte Miyako im Hintergrund. Chiaki ignorierte sie. „Weshalb bist du so aufgeregt?“ Touya ging rein, steuerte gezielt auf das Wohnzimmer zu und zeigte auf den Flachbildfernseher. „Schaltet den Fernseher an.“ „Wieso?”, fragte Chiaki irritiert. „Weil deine Schwester dort zu sehen ist.“ „Was?! Wieso?!“ „D-Du kennst Minami?“, fragte Maron verwundert. „Von der Schule. Nun schalt das verdammte Ding an und seht selbst!“, forderte Touya ungeduldig auf. Gesagt, getan. Und in der Tat, Minami war im Fernsehen. Um genau zu sein, schien sie ein Video live von ihrem Handy zu übertragen. Bis auf ihr hübsches Gesicht konnte man nichts um sie herum erkennen. Alles war in Dunkelheit gehüllt. Chiaki und Maron blickten schockiert zum Bildschirm. „Mina…“, wisperte der Blauhaarige kaum hörbar. „Was zum Teufel macht sie da?“, fragte Miyako irritiert, doch keiner von beiden antwortete. „Jeder Sender ist von ihr eingenommen und im Netz ist sie auch überall zu sehen“, erklärte Touya, „Die letzten zwanzig Minuten hat sie auch noch nichts gesagt... Und keiner weiß, wo sie ist. Ich bin von zu Hause sofort hierher gerast, nachdem keiner von euch mobil zu erreichen war.“ „Sie ist besessen.“, kam es von Maron tonlos, wodurch Miyako und Touya erschrocken große Augen machten. Was die beiden und andere normale Menschen nicht sahen, waren die rot leuchtenden Augen. Bei Chiaki saß der Schock besonders tief. Ein boshaftes Grinsen haftete auf ihren Lippen und dann fing sie an zu sprechen: „Wie ich merke, siehst du mich jetzt.“ Ihre Stimme hatte einen eiskalten Ton, den er nicht an ihr kannte. „Weißt du…Ich bin kein Fan von Verrat. Und wenn ich mich richtig erinnere, habe ich dir letztens gesagt, die die dir nahe sind verschont werden, solange du deinen Job machst…“, hörte man Minami weitersprechen, „Tja! Das schließt offensichtlich auch deine Familie ein. Nun… Wenn du deinen Teil unseres Deals nicht einhältst, dann werde ich auch meinen Teil nicht einhalten.“ Chiaki realisierte sofort, dass kein gewöhnlicher Dämon seine Schwester besessen hatte. Und dass sie nicht zu irgendjemand Willkürlichen sprach. „Satan…!“, presste er wütend hervor, die Hände ballten sich so fest zu Fäusten, dass seine Nägel sich in die Haut bohrten. Alle warfen ihm einen schockierten Blick zu. „Für deinen Verrat solltest du bestraft werden. Und am besten sollte die ganze Welt daran teilhaben, findest du nicht?“, lächelte die Besessene die Kamera strahlend an. Fassungslos sah Maron zwischen Chiaki und dem Bildschirm hin und her. Es schockierte sie nicht nur, dass der Teufel persönlich zum Vorschein kam, sondern dass er damit drohte, vor den Augen der Welt Minami zu töten. „Oh - Und zufällig habe ich das neben mir.“ Das Mädchen hielt eine Pistole vor die Linse. „Oh mein Gott“, hauchte Maron erschrocken. Die Waffe nahm für einige Sekunden das Bild ein. Chiaki versuchte Hinweise zu finden, wo sie sich aufhalten könnte, doch es nichts war zu erkennen. Ihr Gesicht erschien wieder und sie lächelte wieder dieses kalte, unnatürliche Lächeln. „Dir sollte bewusst sein, dass das alles alleine deine schuld sein wird, oder?“ Sie brach in ein sadistisches Lachen aus. „Ach, ich kann jetzt schon die fassungslosen Stimmen hören, die sagen werden: Was ging in dem geistig kranken Mädchen nur vor, dass sie sich live im Internet und im Fernsehen umbringen will? Wer hatte Schuld daran? War hatte sie so in den Suizid getrieben? Hat sich ihre Familie nicht genug um sie gekümmert?“ Bei der Frage stoppte sie sich kurz und ihr Lächeln wurde teuflisch böse. „Du wirst auf wenig mit dieser Schuld leben und nichts kann dich von diesem Leid erlösen.“ Dann sah sie wieder auf etwas herunter. „Übrigens, neben der Pistole habe ich noch einige Alternativen.“ Das Bild bewegte sich und ein Messer, eine Flasche mit einer unbekannten Substanz und eine Box voller Munitionen war zu sehen. „Wie soll ich es angehen? So viele Möglichkeiten und immer das gleiche Endergebnis.“ Minami’s Gesicht war wieder zu sehen. „Mit einer Kugel durch den Kopf?“, fragte sie, „Obwohl ich nicht so der Typ für Schusswaffen bin… Gift ist auch nicht gerade stilvoll.“ Kurz sah sie auf etwas herab und hielt plötzlich das Messer hoch, „Ich bevorzuge scharfe Klingen. Die sind mehr mein Stil. Geben mir mehr Kontrolle.“ Für einige Sekunden sah sie eindringlich in die Kamera, lächelte geheimnisvoll. Die roten Augen leuchteten noch intensiver auf, was nur die beiden Kaitos sahen. „Ich will, dass du siehst, wie ich es tue… Du wirst in diese Augen blicken und sehen wie das Licht darin erlischt. Dafür sorge ich.“ Dann schmunzelte sie. „Aber ich will nicht sooo gemein sein. Ich gebe dir genau eine Stunde Zeit, um mich zu finden. Und vielleiiiicht schaffst du es mich aufzuhalten. Ansonsten… kann es sehr unschön enden. Also dann, wir sehen uns!“ Mit den Worten wurde das Bild schwarz.   „Verdammter Bastard!“, fluchte Chiaki wutentbrannt. Maron ging auf ihn zu, legte ihm beruhigend und fürsorglich zugleich eine Hnd auf die Wange, brachte ihn dazu sie anzusehen. „Wir werden sie finden und retten“, versicherte sie ihm. Chiaki atmete tief durch, nickte und holte wortlos sein Handy aus der Hosentasche raus. Bestimmt hatten seine Eltern die Übertragung gesehen und versucht ihn zu erreichen. Und wie erwartet hatten sich einige verpasste Anrufe von ihnen angesammelt. Fünf von seinem Vater und zehn von seiner Stiefmutter Nanako. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie sich gerade den erstbesten Flieger nach Momokuri schnappten und hierher eilten. Minami hatte sich seit ihrem gemeinsamen Telefonat von vor zwei Tagen nicht mehr bei Chiaki gemeldet. Seine Wut vermischte sich mit Reue, Hass und Schuldgefühlen. Er dachte daran zurück, wie verärgert sie auf ihn war und wie er nichts mehr dagegen unternahm, sich mit ihr zu versöhnen. Jetzt befand sich seine kleine Schwester seinetwegen in Lebensgefahr und er hasste sich dafür. Wie konnte er auch nur so dumm sein und nicht daran denken, dass Satan seiner Familie verletzen oder sogar umbringen könnte? Wie konnte er nur so blind sein? Zu sehr hatte er sich auf Maron und seine eigenen Probleme konzentriert. Nun bekam er die Rechnung dafür. „Los gehen wir!“, sagte Chiaki ohne Regung in der Stimme und steuerte auf den Balkon zu. „Warte! Weißt du überhaupt, wo wir sie finden können?“, warf Maron ein. Resigniert blieb er stehen, den Rücken noch zu ihr gewandt, den Kopf gesenkt. „Die Polizei wird wahrscheinlich schon nach ihr suchen. Sie haben bestimmt auch schon versucht ihr Handy ausfindig zu machen“, merkte Miyako an und sah zu Chiaki rüber, „Genug Leute werden wahrscheinlich auch wissen, dass sie zu deiner Familie gehört… Es könnte also nicht lange dauern, dass Beamte hier auftauchen und dich und deine Eltern befragen.“ Chiaki wandte sich den anderen zu, sein Gesicht war eine ausdruckslose Miene. „Ihr Handy wird niemanden was nützen“, erwiderte er bitter. Fragend blickten die anderen ihn an. „Wir reden hier vom Teufel. Er ist manipulativ und alles ist für ihn ein Spiel. Er würde uns sowie jeden anderen in die Irre führen wollen“, erklärte er, „Daher würde er das Handy dort liegen lassen, wo die Aufnahme eben stattfand und woanders hinziehen.“ „Ihr könnt schlecht in weniger als sechzig Minuten, die gesamte Stadt nach Minami absuchen...“, kam es von Touya kritisch, „Abgesehen davon - denkt ihr nicht, dass ihr in eine Falle läuft, wenn ihr sie findet?“ „Ob Falle oder nicht, das Leben von Chiaki’s Schwester steht auf dem Spiel“, erwiderte Maron ernst. Beklemmende Stille herrschte für einige Sekunden im Raum. Miyako wandte sich wieder an Chiaki. „Wenn du der Teufel wärst, was wäre dein nächster Schachzug in diesem Spiel? Wenn du in seinem Kopf wärst, wo würde er auf dich warten wollen?“ Stöhnend fuhr sich dieser über das Gesicht und dachte scharf nach. „Die Video-Aktion war ziemlich provokativ und öffentlich. Ich kann mir vorstellen, dass er nicht in einem Keller oder verlassenen Gebäude warten wird, sondern irgendwo unter Menschen. Dies würde er ausnutzen, um uns -um Jeanne und Sindbad- durch irgendwelche Tricks bloß zu stellen. Er würde wollen, dass wir gesehen werden.“ „Ehm, Leute“, sagte Touya mit dem Blick aus dem Balkon, „Ich glaube, ich sehe schon den ersten Helikopter rumfliegen...“ Die anderen drei sahen ebenfalls nach draußen. Direkt vor ihnen flog in der Tat ein Polizeihubschrauber über die Stadt. Und ein zweiter war auch in Blickweite. „Wow… Dass die wieder zu Einsatz kommen…“, entgegnete Miyako trocken. Chiaki ließ seinen Blick frustriert schweifen. Neben Gebäuden und Hochhäusern, war auch die große, hell leuchtende Hängebrücke über den Fluss zu sehen. Für einen Moment bleiben seine Augen darauf haften. Unzählige Autos fuhren vorbei und Menschen spazierten über der Fußgängerzone darauf. Unwillkürlich musste er an eine Zeit denken, als die Brücke teilweise gesperrt wurde, weil jemand sich umbringen wollte. Er erinnerte sich, wie er die Polizeiwagen, die Menschen sowie die eine hoffnungslose Person hinter dem Geländer perfekt im Blick hatte und alles von hier oben beobachten konnte. Ich will, dass du siehst, wie ich es tue…Du wirst in diese Augen blicken und sehen wie das Licht darin erlischt. Dafür sorge ich, echote Minami's Stimme -Satan’s Worte- in seinem Kopf. Dann kam ihm der Geistesblitz. Er schluckte und für eine Sekunde wurde ihm sogar schwarz vor Augen. Es war von Anfang an Plan gewesen, dass nicht irgendwer Zuschauer von dieser kranken Aktion war, sondern Chiaki. Dass er sehen sollte, wie seine Schwester umkommt. Selbst von seinem eigenen zu Hause aus. „Die Brücke“, brachte er hervor, ohne sich zu den anderen umzudrehen. Maron blinzelte ihn überrascht an und folgte seinem Blick. „Verstehe“, nickte sie entschlossen und wandte sich ihren Freunden noch zu, „Ihr beide haltet hier die Stellung. Wir melden uns, okay?“ Damit sprangen Maron und Chiaki schließlich über die Balkonbrüstung, verwandelten sich im Fall in Jeanne und Sindbad und verschwanden in der Dunkelheit.   Dicke Wolken zogen unterdessen über den Nachthimmel. *** Schweigend sprangen und rannten die beiden Kaitos über die Dächer. Dabei vermieden sie es geschickt sich von den Helikoptern sehen zu lassen, wenn einer vorbei flog. Kurz vor der Brücke blieben sie gezwungenermaßen abrupt stehen, als sich ihnen eine Gestalt entgegenstellte. „So leicht mache ich es euch nicht!“, sagte er mit Arroganz in der Stimme. „Wer bist du?“, fragte Jeanne misstrauisch. Sindbad verengte seine Augen zu Schlitzen. „Noyn!“ Dieser verschwand für eine Millisekunde und erschien vor Jeanne wieder, die automatisch zurückwich. Er grinste kalt und verbeugte sich vor ihr. „Dämonenritter Noyn Claude. Es ist mir eine Ehre der berühmten Kamikaze-Diebin gegenüberzustehen.“ Noyn streckte eine Hand nach ihr aus, doch Sindbad schlug sie weg, stellte sich schützend vor Jeanne und hielt ihm die Spitze seines Dolches entgegen. „Finger weg!“ Amüsiert lachte der Schwarzhaarige auf. „Glaubst du wirklich, du kannst mir mit diesem Spielzeug drohen?“, entgegnete er in einem sarkastischen Unterton. „Du stehst uns im Weg“, antwortete Sindbad nur. „Nicht nur ich.“ Mit einer Handbewegung ließ Noyn Duzende von Dämonen erscheinen, die sie umzingelten. Sofort stellten Jeanne und Sindbad sich Rücken an Rücken in Kampfposition auf. „Du kümmerst dich um die Dämonen und ich versuche durch Noyn hindurch zu kommen“, wisperte er ihr zu, worauf sie entschlossen nickte und beide damit zum Angriff ansetzten. Mühselig setzte Jeanne die einzelnen Dämonen Schachmatt. Denn mit jedem gebannten Dämon kamen Zig weitere dazu, wodurch der Prozess kein Ende nahm. Währenddessen kämpfte Sindbad verbissen gegen Noyn, um sich einen Weg zur Brücke zu verschaffen. „Verschwende nicht meine verdammte Zeit!“, rief Sindbad, ließ ein Schwert in seine Hand erscheinen und griff wiedermals an, was der Dämonenritter allerdings gekonnt auswich. „Wie du willst. Davon hast du sowieso nicht mehr viel“, grinste Noyn hämisch und warf seinen Gegner mit einer Energiekugel nach hinten. Sindbad landete mit seinem Rücken auf dem Boden, stieß dabei einen ächzend Laut aus. „Vorher werde ich mich aber noch um die Kamikaze-Diebin kümmern.“ Mit den Worten zog Noyn einen Dolch hervor und grinste blutdurstig zu Jeanne rüber. Sofort schnellte Sindbad seinen Kopf hoch und funkelte den Schwarzhaarigen zornig an. Jeanne war so auf die Dämonen fixiert, dass sie nicht bemerkte, wie Noyn von hinten auf sie zukam. In der Sekunde als er den Dolch in ihren Rücken rammen wollte, kam Sindbad noch blitzschnell dazwischen. Schmerzend verzog Sindbad das Gesicht, als er den Einstich in seinem linken Bauchbereich spürte. Hinter ihm schnappte Jeanne hörbar nach Luft, fiel auf die Knie und hielt sich eine Hand über dieselbe Stelle. Erschrocken drehte sie sich mit große Augen um. „Sindbad…!“ Noyn’s sadistisches Lächeln wurde breiter. „Ich wusste, dass du nicht widerstehen konntest deine Geliebte zu beschützen, Sindbad. Leider ging deine Heldentat kläglich nach hinten los“, sagte er, beugte sich etwas näher zu Sindbad nach vorne und flüsterte ihm ins Ohr, „Weißt du… Lange ist es her, dass ich mit diesem Dolch jemand niedergestochen habe. Das letzte Mal, war das glaube ich vor über fünfzehn Jahren… als man mir beauftragte deine Mutter zu töten.“ Sindbad’s Augen wurden nach größer und sein Gesicht noch weißer. Hatte er eben richtig gehört? „Was…?“ Plötzlich flackerten Erinnerungen vor seinem inneren Auge auf. Alte, vergessene Erinnerungen. Er und seine Mutter inmitten von Menschen. Ein Mann in Schwarz passierte sie und etwas scharfes, metallisches Blitze in seiner Hand auf. Für eine Sekunde trafen seine dunklen Augen auf Chiaki’s. Dieselben Augen, in der er jetzt auch gerade blickte. Der Schock schlug in hasserfüllten Zorn um. „Ich bring dich um“, zischte Sindbad, die blauen Augen glühten vor Hass. Noyn kicherte amüsiert. „Die Zeit läuft, Sindbad. Tick Tack!“, grinste er, zog den Dolch heraus, der vor Blut triefte und löste sich schallend lachend wieder in Luft auf. Mit ihm verschwanden die Dämonen. Schwer atmend starrte Sindbad auf die Stelle, in der Noyn soeben noch stand. „Chiaki…! Hey, Chiaki!“ Jeanne’s Stimme riss ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Maron!“ Er drehte sich zu ihr um, ging auf die Knie, nahm sie in seine Arme, „Verdammt, ich wollte nicht-“ „Keine Sorge, die Wunde verheilt schon“, fiel Jeanne ihm ins Wort und rappelte sich auf die Beine. Sindbad stand ebenfalls auf und betrachtete den dunkelroten Fleck unter ihrem weißen Gewand kritisch. Die weißen Handschuhe hatten sich auch schon rot verfärbt. Er spürte zwar, wie seine eigene Wunde verheilte, dennoch kam er nicht drum rum, sich um sie Sorgen zu machen. Letztlich war es wieder mal seine eigene Schuld, dass sie verletzt war. Und er hasste sich dafür. „Uns läuft die Zeit davon. Wir haben nur noch wenige Minuten“, sprach Jeanne auf ihn ein. Gerade als sie sich umdrehen und gehen wollte, zuckte sie zusammen und hielt sich schmerzlich die mit Blut bedeckte Stelle. „Argh…“ „Maron.“ Sindbad ging auf sie zu. „Bist du wirklich okay?“ Jeanne nickte einige Male und richtete sich gerade. „Ja, mir geht es gut“, sagte sie bestimmt und sah ihm mit einem starken, klaren Blick in die Augen. „Komm, beeilen wir uns.“ „Okay…“, nickte er kaum merklich und gemeinsam liefen sie schließlich zur Hängebrücke.   Je mehr sie sich der Brücke näherten, desto mehr fiel ihnen auf, dass etwas nicht stimmte. Es war ungewöhnlich still. Weder Autos, noch Menschen oder sonstige Geräusche waren zu hören. Auf der Brücke angekommen sahen die beiden Diebe schließlich wieso. Alles um sie herum -seien es Menschen oder Autos-, standen wie eingefroren an Ort und Stelle. Nichts bewegte sich. Ebenso waren jegliche Lichter aus, wodurch alles in Dunkelheit getaucht war. Einige Meter entfernt, sahen sie wie Minami wartend hinter dem Geländer stand. Polizeiwagen und eine Handvoll Polizisten standen wie Statuen in ihrer unmittelbaren Nähe. „Gratulation. Hätte nicht gedacht, dass ihr mich finden würdet. Und das im Zeitlimit“, rief sie den Dieben zu, „Was haltet ihr eigentlich von meinem kleinen Trick?“, fragte sie und schaute sich schmunzelnd um, „Ich dachte, dass wir erstmal für einen Moment ungestört unterhalten, bevor ich Polizei auf euch los hetze.“ Sindbad’s Augen verengten sich. „Ich bin jetzt hier“, sagte er so gefasst, wie er konnte, „Nun hör auf, meine Schwester für dein sadistisches Spiel zu benutzen.“ „Das Spiel ist noch lange nicht vorbei. Und die Regeln bestimme immer noch ich“, entgegnete sie kalt und rollte gelangweilt mit den Augen, bevor schwarzer Nebel sie umhüllte und im nächsten Augenblick ihr Körper bewusstlos zusammensackte. Fast wäre Minami in die Tiefe gefallen, würde Satan -der wenige Schritte vor Jeanne und Sindbad stand- sie nicht mit einer unsichtbaren Macht davon abhalten. „Was planst du jetzt zu tun, Sindbad?“, fragte er in einem spöttischen Ton, „Ich kann sie in jedem Moment fallen lassen. Und ich darf euch gern daran erinnern, dass es vierzig Meter runter geht.“ Schweigend ballte Sindbad die Hände zu Fäusten zusammen, zwang sich möglichst zur Beherrschung. Jeanne konnte ihm jedoch sehen, wie die Wut in ihm wie ein tobendes Feuer loderte. „Tu mit mir, was auch immer du willst. Aber lass meine Schwester da raus. Sie hat nichts mit allem zu tun“, sagte er. „Zum Betteln ist es zu spät.“ „Ich werde auch weiter Schachfiguren für dich sammeln, wenn du das von mir verlangst.“ „Weißt du, ich bin deinem Vorschlag letztens gefolgt und habe mir neue Handlanger für diesen Job geholt. Du bist also zu nichts zu gebrauchen.“ Sindbad funkelte Satan wütend an. Jeanne überlegte unterdessen fieberhaft, was sie tun konnten. Wie sie Minami unverletzt aus seinen Fängen befreien konnten. Doch egal wie sie es drehte und wendete, sie fand keine Lösung aus dieser verzwickten Lage. Kalter Schweiß rannte ihr über die Stirn. Ihre Sicht verschwamm für einen Moment und ihr wurde schwindlig. Verdammt!, ging es ihr immer wieder durch den Kopf. Kipp jetzt nicht um!, mahnte sie sich. „Beantworte mir eine Frage“, hörte sie Sindbad auf einmal sagen, was ihre Konzentration wieder hochfahren ließ. Interessiert zog Satan eine Braue hoch. „Und die wäre?“ Sindbad nahm tief Luft, wagte es einen Schritt nach vorne zu machen. „Warum?“, fragte er, ohne Emotionen in der Stimme, „Warum hast Noyn damals beauftragt hast meine Mutter zu töten?“ Schockiert sah Jeanne zu ihm rüber. Das hatte Noyn ihm vorhin zugeflüstert? „Oh, er hat also geplaudert.“ Leichtes Erstaunen war in Satan’s Gesicht zu erkennen. Ein kaltes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Fein. Um es kurz zu fassen: Ich wusste, dass in dir besondere Kräfte steckten und daher wollte ich dich von Anfang als mein Diener. Und dafür musstest du deinen Glauben an Gott und das Gute komplett ablegen.“ Jeanne spürte, wie ihr bei dem Geständnis übel wurde. Sie spürte, wie Sindbad genauso empfand. „Nur deswegen musste sie sterben?”, fragte er fassungslos. Satan zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Es gibt für alles einen Preis. Und manchmal besteht der Preis darin Opfer zu bringen und Blut zu vergießen.“ Dies brachte Sindbad schließlich endgültig zum ausrasten. Bevor Jeanne ihn aufhalten konnte, schnellte er auf Satan zu und griff an. Dieser wehrte den Angriff mit Leichtigkeit ab und schleuderte mit einer Druckwelle beide Kaitos zurück. Hart schlugen sie gegen das eiserne Geländer auf der gegenüberliegenden Seite auf. Jeanne unterdrückte dabei einen Schmerzensschrei. „Du triffst immer die richtige Entscheidungen, Chiaki Nagoya“, sagte Satan mit rot leuchtenden Augen und verschwand im Nichts. In der Sekunde fiel Minami in die Tiefe. „Mina!“ Sofort rannte Sindbad los und sprang ihr hinterher. „Chiaki!!“ Jeanne lief ihm nach, blieb jedoch vor dem Geländer stehen und schrie nach seinem Namen. Doch ihre Stimme wurden von den plötzlich wiederkehrenden Geräuschen verschluckt. Für einen Moment war sie kaum fähig ihre eigenen Gedanken zu hören, so sehr erschlugen sie die lauten Stimmen und Geräusche. Die Autos und Menschen setzten sich wieder in Bewegung. Satan’s Illusion hatte sich aufgehoben. Jeanne drehte sich um und jegliche Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. „Jeanne!! Die Kamikaze-Diebin ist hier!“ „Wieso ist sie hier? Und wieso ist sie voller Blut?“ „Wo ist das Mädchen? Ist sie schon gesprungen?“ „Bestimmt hat Jeanne was mit ihr zu tun!“ „So und so ist sie eine Verbrecherin! Schnappt sie euch!!“ Polizisten kamen von allen Seiten auf sie zu. Widerwillig ergriff Jeanne die Flucht. Zuvor war sie noch einen letzten, traurigen Blick nach unten. Bis auf das reflektierende Licht der Brücke konnte sie nichts im Fluss erkennen. Innerlich betete sie dafür, dass nicht nur eine, sondern zwei lebende Seelen aus dem Wasser kamen.   Als Sindbad an die Wasseroberfläche kam, hielt er auch Minami in seinen Arm. Sofort brachte er sie ans Ufer und legte sie auf dem feuchten Boden ab. Sie war eiskalt und wirkte völlig leblos. Die blanke Angst durchfuhr ihn, zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Ein Teil von ihm wusste, dass ein normaler Mensch so einen hohen Sturz nicht überleben konnte. Ein anderer Teil von ihm, wollte diese Tatsache allerdings nicht wahr haben. Er beugte sich über sie und strich ihr mit brüderliche Fürsorge die nassen Haare vom Gesicht. Sindbad betastete vorsichtig ihren Hals nach ihrem Puls ab. „Minami…Mina-... Es tut mir so Leid… Bitte…Bitte sei am Leben-“, wisperte er mit erstickter Stimme. „Verdammt… Bitte…Bleib bei mir.“ Zum ersten Mal in seinem Leben betete er zu Gott. Flehte ihn an, nicht noch eine wichtige Person aus seiner Familie, aus seinem Leben zu nehmen. „Bitte tu mir das nicht an…“ Gerade als er die Hoffnung aufgeben wollte, hielt er inne. Sein Herz setzte für einen Moment aus und er hielt den Atem an. Alles in ihm konzentrierte sich auf das, was er unter seinen Fingern spürte. Ein Puls. Er konnte ihren schwachen Puls spüren.   Chapter 19: Stopgap ------------------- Chapter 19: Stopgap   Maron rannte durch die Straßen Momokuri’s mit einem bestimmten Ziel im Kopf. Es hatte eine Weile gebraucht bis sie als Jeanne die Polizei abhängen konnte. Schließlich waren in der gesamten Stadt welche verteilt gewesen und wurden vor ihr gewarnt. Letztendlich konnte sie sich in einer ruhigen Seitengasse verstecken und zurückverwandeln. Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen. Maron sah sich um, kam aus der Gasse raus und holte ihr Handy aus der Manteltasche. Darin befand sich direkt eine Nachricht von Chiaki. Es war nur ein Wort darin geschrieben: „Krankenhaus“. Sofort lief sie los und rief nebenbei Miyako an. „Maron. Wo seid ihr?“, hörte sie ihre Freundin beim Abnehmen fragen. „Mussten uns trennen“, antwortete die Angesprochene atemlos, „Chiaki ist im Krankenhaus. Ich bin gerade auf dem Weg dahin.“ „Okay. Touya und ich kommen auch gleich.“ Damit legten die Freundinnen auf. Nach ungefähr dreißig Minuten hatte Maron das Nagoya-Krankenhaus erreicht und ging völlig außer Atem rein. Beim Empfang blieb sie für einen Moment stehen und schaute sich um. Im nächsten Augenblick verschwamm ihre Sicht und ihr wurde wieder schwindlig. Doch sie blinzelte kräftig, riss sich Zähne beißend zusammen. Zwang sich stark zu sein und bei Kräften zu halten. Ein paar Spätdienstmitarbeiter und Besucher liefen an ihr vorbei. Maron ignorierte ihre neugierigen Blicke. Das einzige was für sie gerade zählte, war Chiaki. Den fand sie alleine auf einem Stuhl sitzen, den Kopf gesenkt, die braunen Augen betrübt ins Leere blickend. Seine Haare und Klamotten waren wie ihre völlig durchnässt. Sie wusste allerdings, dass es bei ihm nicht am Regen lag. Maron ging auf ihn zu, stellte sich vor ihm hin, doch er schien ihre Anwesenheit kaum zu bemerkten. „Chiaki“, wisperte sie, beugte sich zu ihrem Freund herunter und strich ihm liebevoll über die kalte Wange, „Chiaki, Liebster-…“ Langsam sah er zu ihr auf. „Maron…“ Sie setzte sich in die Hocke, sodass sie mit ihm auf Augenhöhe war und nahm seine Hände in ihre. Zögernd biss Maron sich auf die Lippe. „Ist… Ist sie am Leben?“, fragte sie vorsichtig. Chiaki nickte. „Fürs Erste“, antwortete er tonlos. „Können wir zu ihr?“ Er schüttelte den Kopf. „Niemand darf sich ihr im Moment nähern. Sie hat schwere Knochenbrüche… befindet sich im lebensbedrohlichen Zustand… und wird auch ins künstliche Koma versetzt.“ „Aber du bist doch Familie-“ „Die Ärzte werden Bescheid geben, wenn ich zu ihr darf.“ „W-Was ist mit deinen Eltern?“ „Kagura sagt, dass sie es erst morgen früh hierher schaffen.“ Chiaki senkte seinen Kopf und atmete tief durch. Maron entging das Zittern dabei nicht. Sie umfasste seine Hände etwas fester. „Komm mit“, sagte sie und erhob sich, zog Chiaki dabei mit hoch. Er blinzelte sie an, wie als würde er aus einem Traum erwachen. Wortlos führte Maron ihn nach draußen, etwas abseits von all den Menschen - in eine ruhige Ecke vor dem Krankenhausgebäude. Noch immer regnete es. „Warum hast du mich hierher gebracht?“, fragte er. „Du brauchst etwas Abstand von allem.“ Sie drehte sich zu ihm um, sah ihn an, suchte verzweifelt seinen Blick. Als Einzelkind konnte Maron sich nur ansatzweise vorstellen, was in ihm gerade vorging. Sie kannte Minami nicht so gut und nach nur zwei Treffen hatte sie bisher auch ein relativ neutrales Verhältnis zu ihr gehabt. Doch nun wünschte Maron sich, sie hätte sie besser gekannt. „Hör auf“, sagte Chiaki, die Stimme leise und rau. Maron ging einen Schritt auf ihn zu, sah ihm in die Augen. „Womit soll ich aufhören?“ „Dir in irgendeiner Weise die Schuld zu geben“, sagte er, „Denn die Schuld liegt allein bei mir...“ „Das ist nicht wahr…!“ Sehr sanft nahm sie sein Gesicht in ihre Hände. „Dich trifft keine Schuld. Wenn dann bist du in jeglicher Hinsicht das Opfer“, sprach Maron auf ihn ein, doch er schien sie nicht zu hören. „Maron“, flüsterte er halb erstickt, die Augen geschlossen und seine Stirn an ihre gelehnt, „Ich weiß nicht, was ich als nächstes tun soll… Auch die Sache mit meiner Mutter-… Ich- Ich weiß einfach nicht-“ „Shhh…Chiaki“, wisperte sie, „Ich bin bei dir. Hörst du…“ Gott, sein Anblick brach ihr das Herz. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihn jemals so verloren -so gebrochen- sehen würde. „Alles wird sich wieder zum Guten wenden. Vertrau mich.“ Chiaki nickte schwach. Bevor Maron es realisierte, lagen seine Lippen plötzlich auf ihre und sie wurde mit dem Rücken gegen die nächste Wand gedrückt. Sie keuchte überrascht auf, legte dennoch ihre Hände um seinen Nacken und erwiderte den Kuss innig. Seine Hände hielten sich wie verzweifelt an ihr fest, suchten den Halt, den er von ihr brauchte. Sie verstand, dass dies seine Art war mit der Situation irgendwie umzugehen und alles für einen Moment zu vergessen. Dass beide sich gerade auf dem Gelände eines öffentlichen Krankenhauses befanden, war ihnen egal. Chiaki’s Hände fanden sich unter ihrem Mantel wieder, wanderten zu ihrer Taille herab. In dem Moment unterbrach Maron den Kuss zischend, stieß ihn leicht von sich. Ihr Gesicht verzog sich schmerzverzerrend. Chiaki sah sie mit großen Augen erschrocken an, entfernte sich einen halben Schritt von ihr. „Maron?“ Dann bemerkte er das feuchte Blut auf seiner rechten Hand. Seine Augen wurden noch großer. Maron stützte sich unterdessen an der Wand an, hielt sich beide Hände über den linken Bauchbereich. Dieselbe Stelle, in der Noyn auf Sindbad eingestochen und die Verletzung sich auf sie übertragen hatte. Ein roter Fleck war auf ihrem Shirt unter ihren Händen zu sehen. „Deine Wunde… Wieso ist deine Wunde nicht verheilt??“, fragte er schockiert. Beschämt schloss Maron ihre Augen. Sie war kreidebleich. „Sie heilte….“, atmete sie angestrengt, „Nur nicht vollständig...“ Sie schaute ihn an, doch ihre Sicht begann wieder zu verschwimmen. „Nicht vollständig?!“ Sein Gesichtsausdruck wurde noch schockierter. „Das heißt, du läufst die ganze Zeit mit einer offenen Wunde rum?! Wieso hast du nichts gesagt?“ Mit einem Mal spürte Maron, wie ihre letzten Kraftreserven nachließen, doch sie versuchte sich noch auf den Beinen zu halten. „Du… und Minami, ihr wart wichtiger-“, brachte sie entgegen. „I-Ich wollte nicht, dass du wegen mir-…“ Doch weiter kam sie nicht mehr, als sie in seine Arme in Ohnmacht fiel.   „Maron! Maron!!“ Von Panik ergriffen, rief Chiaki immer wieder ihren Namen, versuchte sie wach zu rütteln. Wie konnte er nicht bemerken, dass sie immer noch verletzt war? Es war ein Wunder, dass sie sich überhaupt so lange und unter all den Extremsituationen bei Bewusstsein halten konnte! Für einen Moment hielt er inne, als er eine Regung in ihrem Gesicht bemerkte. Ihre Wimpern flatterten und die Lider öffneten sich wieder. Braune Augen blickten in seine, unfokussiert und fiebrig. Erleichtert musste Chiaki aufatmen. „Verlass mich nicht…Bitte…“, wisperte Maron so leise, dass er sie kaum hören konnte. Er presste sich die Lippen fest zusammen. „Niemals“, versprach er ihr. Ihre Mundwinkel zogen sich zu einem schwachen Lächeln nach oben, ehe ihre Augen wieder zu fielen und ihr Kopf kraftlos zur Seite nickte. Er schüttelte verängstigt den Kopf. „Maron! Hey, bleib wach! Maron!“ Zwei Krankenschwestern kamen raus, wurden auf ihn aufmerksam. „Was geht hier vor?“ „Meine Freundin wurde angegriffen und sie hat eine Stichverletzung“, sagte Chiaki ihnen, die sofort einen Arzt sowie eine Transportliege holten. „Wie viel Blut hat sie verloren?“, fragte der Arzt -Dr. Miyazawa- ihn. „Ich- Ich weiß es nicht…“, brachte er verstört entgegen, „I-Ich wusste bis eben nicht, dass sie verletzt war-“ Er stoppte sich anschließend, unfähig weitere Auskünfte zu geben. Dr. Miyazawa zog kritisch die Brauen zusammen. „Wir müssen auf jeden Fall operieren. Man kann von Glück sagen, dass sie noch lebt.“ Während Maron auf die Liege platziert wurde, hörte er plötzlich Miyako’s entsetzte Stimme hinter sich rufen. „Oh mein Gott!“ Sie kam vom Parkplatz zu ihnen rüber gerannt, Touya dicht hinter ihr. „Maron!!“ Fassungslos sah Miyako zu ihre beste Freundin herab und blickte anschließend Chiaki fragend an. Ohne weiteres wurde die Braunhaarige schließlich ins Gebäude reingeschoben, in Richtung eines Operationssaales.   „Was ist passiert?“ Chiaki sah zu Miyako auf, die mit einem ernsten Gesichtsausdruck vor ihm stand. Er und Touya hatten sich auf den Sitzbänken hingesetzt, während Miyako nervös auf und ab lief. Mit monotoner Stimme erzählte Chiaki kurz und knapp was passiert war, nachdem er und Maron Minami’s Standort ausfindig gemacht hatten (ließ den Part mit seiner Mutter jedoch bewusst aus). Sprachlos starrten beide ihn an. „…Holy shit. Dass mit deiner Schwester tut mir unglaublich leid, Chiaki. Aber Maron-…“ Miyako hielt kurz inne, sah sich vorsichtig um und setzte leise fort, „Ich dachte, ihr beide könnt euch heilen?“ Erschöpft fuhr Chiaki sich über das Gesicht. „Ich weiß nicht, was los ist…“ Schuldig wandte er den Blick von ihr ab. „Meine Wunde verheilte und ich dachte, ihre würde auch verheilen…Sie hatte mir auch versichert, dass es ihr gut ginge.“ „Ich schätze mal, sie hatte gelogen?“, schlussfolgte Miyako. Der Blauhaarige nickte. „Typisch Maron… Rücksichtslos wie immer“, murmelte die Kurzhaarige fassungslos. Tränen sammelten sich in ihren Augen an, sie hielt sich eine Hand vor das Gesicht und ihr entkam ein Schluchzer. „A-Aber wie-wieso? Wieso funktionieren ihre Heilkräfte nicht?“ Ohne Miyako eine Antwort zu geben, stand Chiaki auf und ging davon, ließ seine zwei Freunde vor dem OP-saal zurück. Er konnte ihre Fragen nicht länger ertragen. Fragen, auf die er selbst keine Antwort fand. Er musste selbst erst einmal verstehen, wieso. Wieso nun zwei wichtige Menschen in seinem Leben nahezu im Sterben lagen? Und das meinetwegen…!, dachte er sich verbittert. „Dich trifft keine Schuld“, hörte er gleichzeitig Maron’s sanfte Stimme in seinem Kopf sagen, doch die Worte habe keine Wirkung auf ihn. Die Ereignisse der letzten Stunden überschlugen ihn regelrecht. Brachten ihn in Rage. Trieben ihn am Rande der Verzweiflung. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er wusste nicht, was er fühlen sollte. Ziellos lief Chiaki durch die Gänge des Krankenhauses, als plötzlich Kagura hinter einer Ecke auftauchte. „Chiaki-sama.“ Überrascht wich dieser etwas zurück. „Kagura…“ Der Krankenhaussekretär wirkte müde, bestürzt und niedergeschlagen. Chiaki konnte es ihm nicht verübeln. Schließlich war Kagura ein indirektes Mitglied der Familie und kannte ihn und Minami seit sie klein waren - war wie ein großer Bruder für sie. „Ich, eh, habe gerade Wort erhalten, dass Sie Minami-sama in die Intensivstation besuchen können.“ Chiaki nahm das mit einem ausdruckslosen Nicken zur Kenntnis. „Verstehe…“ Ein Teil von ihm sagte, dass er sie besuchen sollte. Ein anderer, größerer Teil von ihm traute sich allerdings nicht. Zu sehr lähmten ihn die Schuldgefühle. Besorgt blickte Kagura ihn an. „Ich…Ich habe erfahren, dass Kusakabe-san auch hier eingeliefert wurde. Es tut mir furchtbar leid das zu hören“, sagte er mitfühlend. „Dir braucht nichts leid zu tun“, entgegnete Chiaki tonlos. Kagura stieß einen tiefen Seufzer aus. „Kann ich irgendwas für Sie tun?“ Verneinend schüttelte Chiaki den Kopf. Gerade als er etwas erwidern wollte, spürte er wie heiße Schmerzen ihn wie ein Pfeil durchbohrten und sein Herz sich mit einem Mal beschleunigte. „Ist wirklich alles okay?“, hörte er Kagura besorgt fragen, als er merklich zusammenzuckte. „Ja, alles gut“, nickte Chiaki benommen, „Leg du dich hin und ruh dich aus, Kagura.“ Damit ging er eilig an dem Älteren vorbei. Hinter einer Tür zum Treppenhaus blieb er schließlich stehen, stützte sich schwer atmend mit dem Rücken an der Wand an und hielt sich eine Hand über die Brust. Sein Herz raste. Schlug ihm bis über beide Ohren. Jegliche Geräusche verschwanden um ihn herum bis auf sein Herzschlag. Angestrengt rang er nach Luft. Kniff sich seine Augen schmerzlich zu. Er spürte, wie seine Muskeln sich zusammenzogen und verkrampften. Höllische Schmerzen durchfuhren seinen ganzen Körper. Schmerzen, die kaum zu ertragen waren. Seine Beine gaben nach und er rutschte die Wand herunter. Für einen Moment wurde es Schwarz vor seinen Augen und ein kaltes, beängstigendes Gefühl war in seinem Inneren zu spüren. Maron!, ging es ihm angsterfüllt durch den Kopf. Nach einigen qualvollen Minuten, ließen die Schmerzen nach und er hatte sich wieder auf die Beine aufgerappelt. Noch immer atmete er in kurzen Abständen stoßartig ein und wieder aus. Noch immer war sein Herz schnell am Schlagen. Schweiß rannte ihm die Stirn herunter. Sein Gesicht hatte komplett an Farbe verloren. Seine Augen blickten geistesabwesend zu Boden. Sein Körper zitterte. Das beängstigende Gefühl von eben ließ ihn nicht los. Das Gefühl vom Tod. Er konnte spüren, wie Maron’s Leben am seidenen Faden hing. Er wusste zwar, dass sie im jetzten Augenblick noch lebte… aber für wie lange? Der Gedanke, ein derartiges Erlebnis eventuell ein weiteres Mal zu durchleben, ließ ihn das Blut gefrieren. Er drehte sich mühsam um und lehnte seine Stirn an die kalte Wand an. Dieser verdammte Fluch!, dachte er sich wütend. Seine Hände ballten sich zu Fäusten zusammen. Dieser Fluch bringt uns beide noch um…! Schockiert hielt Chiaki auf einmal inne. Eine erschreckende Erkenntnis überkam ihm. Dass der Fluch sie langsam aber sicher umbrachte, wenn sie nicht aufhörten einander zu lieben. Dass der Fluch die nächste Stufe erreicht hatte und ihre Heilkräfte deaktivierte. Sein Atem stockte und er musste schwer schlucken. Niedergeschlagen schloss Chiaki seine Augen. Er dachte, er könnte Maron lieben. Er dachte, er könnte sie beschützen. Doch stattdessen hatte seine Liebe sie nur verdammt. Sie in Lebensgefahr gebracht. Und es gab für ihn nur einen Ausweg, sie aus dieser Verdammnis zu befreien. Chiaki wusste nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Er stand auf dem Dach des Krankenhauses und blickte gedankenverloren über die Stadt herab. Mittlerweile regnete es in Strömen und ein starker Wind wehte vorbei. Zu seinem Erstaunen, beruhigte ihn der Regen etwas, bereitete ihm einen kühlen Kopf. Den brauchte er auch zum Nachdenken. Vor einigen Tagen ging ihm diese eine Idee durch den Kopf, welches er jedoch sofort wieder verdrängt hatte. Aufgrund der neusten Umstände schien ihm diese Idee, die nun wahrscheinlich beste Lösung für ihre Probleme zu sein. Plötzlich hörte er, wie die Tür hinter ihm aufging. Er drehte sich allerdings nicht um. „Da bist du!“, rief Touya, „Du lässt dich stundenlang nicht mehr blicken und dann musste ich noch das ganze Krankenhaus nach dir absuchen.“ „Du hast mich gefunden“, entgegnete Chiaki trocken, wandte ihm weiterhin den Rücken zu. „Was willst du, Kirishima?“ Der Angesprochene ging trotz des stürmischen Wetters auf ihn zu. „Maron hat die OP überstanden. Es gab -laut dem Arzt- zwar Komplikationen, aber ihr Zustand ist jetzt einigermaßen stabil.“ „Einigermaßen stabil?“, wiederholte Chiaki kritisch. „Okay, ist scheiße formuliert… aber das Schlimmste ist überstanden!“ „Und… was für Komplikationen gab es?“ „Ehmm… einen Anfall.“ Das war’s vorhin also…, dachte Chiaki sich. Touya biss sich unsicher auf die Lippe. „Miyako ist auf jeden Fall bei ihr im Krankenzimmer. Yamato wird morgen kurz vorbeikommen und Miyako’s Eltern auch.“ „Okay.“ „Willst du nicht runter zu ihr?“ „Nein.“ „Wieso nicht?“, fragte Touya perplex. „Wenn Maron aufwacht, würde sie sich freuen.“ „…Ich kann einfach nicht“, sagte Chiaki nur. Er vermisste Maron. Doch er war zu feige ihr gegenüberzutreten. Wie bei Minami. „Gott… Ihr beide bricht mir noch das Herz“, sprach Touya leise zu sich selbst. Für einen Moment war es still zwischen den beiden Männern. Seufzend rieb Touya sich über den Nacken. „Hör zu… Ich kann verstehen, wie du dich gerade fühlst.“ Chiaki wandte sich zu ihm um. Blickte direkt in seine Augen. „Kannst du das?“, fragte er. „Ja.“ „Ich denke nicht, dass du das wirklich kannst. Genau genommen, hoffe ich auch, dass du das nicht kannst. Ich würde nicht wollen, dass du nachempfinden kannst, was ich gerade fühle. Ich würde mir das für dich nicht wünschen.“ Dies ließ Touya sichtlich sprachlos werden. Betreten sah er so Boden. Chiaki sah mit blanker Miene zur Seite. „Als Maron den Anfall hatte… ich konnte fühlen, wie sie fast gestorben wär.“ Daraufhin sah sein Gegenüber schockiert zu ihm auf. „…Zu viele Gefühle gehen gerade in mir durch“, setzte er fort, „Egal, ob ich gerade an Maron denke oder an Mina. Es schmerzt und zerreißt mich einfach nur. Sei es die Liebe oder der Hass.“ Einige Sekunden verstrichen. „Was ist schlimmer?“, fragte Touya schließlich, sah ihn eindringlich an, „Die Liebe oder der Hass?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete Chiaki ihm, fuhr sich mit zitternden Händen durch die Haare. Er fühlte sich wie, als würde er ersticken. „Ich liebe Maron mehr als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Ich liebe sie mit jeden Tag mehr und mehr, und es ist unmöglich für mich aufzuhören. Und ich will dem Teufel und jeden einzelnen seiner Handlanger am liebsten die Kehle aufschneiden.“ „Was für eine Liebeserklärung“, merkte Touya an. „Mein Hass für die Dämonen ist zu groß…zu unersättlich und unkontrollierbar-“, sprach Chiaki ohne Regung weiter, „Ich habe das Gefühl, dass alles außer Kontrolle gerät. Dass ich mit all diesen Emotionen in mir keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Dass ich euch, meine Familie und insbesondere Maron einfach nicht mehr beschützen kann.“ Er stoppte sich, versuchte tief Luft zu holen. „Es wird mir einfach zu viel… Daher muss ich jetzt einen Schlussstrich ziehen.“ „W-Warte! Was genau meinst du mit Schlussstrich?“, fragte Touya irritiert. Daraufhin weihte Chiaki ihn in seine Idee ein. Seine Augen rissen sich erschrocken auf. „Das ist eine furchtbare Idee! Behalte dir das eventuell als absolute Notlösung im Kopf!“ „Es gibt für mich keine andere Lösung als diese.“ „Ich mag als Normalo von dem Zeug nicht viel Ahnung haben… Aber sind dir die möglichen Konsequenzen davon eigentlich bewusst?!“ „Was interessieren mich Konsequenzen, wenn ich Maron retten kann? Wenn ich dafür sorgen kann, dass sich sowas wie heute nicht nochmal wiederholt? Schließlich brauchen wir sie alle, damit sie die Welt vor dem Untergang bewahren kann. Und es nützt niemanden was, wenn sie wegen mir und dem Fluch ums Leben kommt.“ Touya kniff sich angestrengt zwischen die Nase, versuchte weiterhin auf ihn einzureden, diskutierte mit ihm, doch nichts ließ Chiaki von seinem Vorhaben abbringen. „Ich kann verstehen, dass du verzweifelt bist. Und nach allem, was du erleben musstest, kann es dir keiner verübeln.“ Stöhnend fuhr der Rothaarige sich durch die Haare, lief einige Schritte auf und ab, war mit seinem Latein allmählich am Ende. „Aber kannst du nicht trotzdem nochmal darüber nachdenken?“ „Ich habe genug nachgedacht. Und es wird Zeit für mich zu handeln.“ „A-Aber…“ „Tu mir den Gefallen und sag niemanden was davon.“ Chiaki holte seinen Anhänger unter seinem Hemd hervor, konzentrierte sich und blutrote Flammen breiteten sich kreisförmig um ihm aus. Touya wich vor den Flammen zurück. „Deine Entscheidung ist also endgültig“, stellte er resigniert fest. „Ich werde schon nichts zu verlieren haben“, erwiderte Chiaki. Unschlüssig presste sich Touya die Lippen zusammen. „Glaub mir, Bruder, das wirst du…“ Die Flammen zwischen ihnen glühten für einen Moment auf und Chiaki schloss seine Augen.   Chapter 20: Gone ---------------- Hallo meine Lieben!   Kleine Info für die, die es interessiert: Privat habe ich derzeit seeehr viel zu tun, weshalb ich kaum zum Schreiben komme… Daher kann ich auch nicht sagen, wann und wie regelmäßig die nächsten Kapitel kommen werden. :/ Hoffe ihr bleibt trotzdem weiterhin dabei und seid geduldig. :]   Viel Spaß beim Lesen!   Liebe Grüße Mairio   ----------------------------------------------- Chapter 20: Gone   Als Maron aufwachte, fühlte sie sich desorientiert. Alles um sie herum war in einem hellen Weiß gefärbt, was ihre Augen teilweise blendete. Sie blinzelte einige Male bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Langsam sah sie sich um und stellte sofort fest, dass sie sich in einem Krankenzimmer befand. „Maron?“ Miyako’s erleichtertes Gesicht tauchte vor ihr auf. „Miyako? Wa-Was ist passiert?“, fragte sie verwirrt.    „Kannst du dich nicht erinnern? Du bist gestern umgekippt.“ Maron hob träge eine Hand, rieb sich die Schläfe und überlegte scharf. Im nächsten Moment kamen die Erinnerungen wieder und spielten sich wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Sie erinnerte sich, wie sie in Chiaki’s Armen in Ohnmacht fiel. Genauso erinnerte sie sich, dass sie für einen Moment wieder wach wurde und in seine verzweifelt blickenden Augen sah. „Oh mein Gott...!“, wisperte sie und setzte sich erschrocken auf. Es war also kein Traum?, ging es ihr verwirrt durch den Kopf. Sie hatte durchaus von Blut und tiefster Dunkelheit geträumt. Aber womöglich spielte ihr Gedächtnis ihr nur die Erinnerungen von letzter Nacht unbewusst ab. Maron blickte Miyako mit großen Augen an. „Was ist alles passiert, nachdem ich das Bewusstsein verlor?“ „Du musstest operiert werden, da du sehr viel Blut verloren hattest.“ Maron betastete den Verband unter ihren Krankenhauskittel.   Verwundert stellte sie fest, dass sie keine Schmerzen verspürte. Überhaupt fühlte sie sich gesund und voller Energie. „Ich glaube, die Wunde ist verheilt“, sagte sie leise. Miyako zog irritiert die Stirn in Falten. „Wirklich?“ Maron nickte perplex und räusperte sich. „W-Wie spät ist es? I-Ich meine, wie lange habe ich geschlafen? Wo sind meine Klamotten?“, fragte sie, als sie Anstalten machen wollte aufzustehen. „Und wo ist Chiaki?“ Miyako hielt ihr stoppend eine Hand entgegen. „Beruhig dich kurz. Hier - trink und ess erstmal was“, sagte sie und reichte ihr eine Tasse Tee sowie ein Essenstablett mit einigen Kleinigkeiten, die Miyako eigentlich für sich geholt hatte. Maron nahm alles dankend an. Während sie trank und aß, beantwortete Miyako ihre soeben gestellten Fragen: „Es ist kurz nach ein Uhr, dass heißt du hast seit der OP um die fünfzehn Stunden durchgeschlafen. Deine Klamotten gebe ich dir gleich. Meine Mutter hatte dir ein paar neue Sachen aus deiner Wohnung gebracht, da die von gestern voller Blut waren. Yamato und mein Vater waren auch kurz hier. Oh, und deinen Eltern haben wir übrigens nichts gesagt.“ „Gut“, entgegnete Maron knapp und nippte an ihrer Tasse. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern sich im entfernten Deutschland unnötige Sorgen um sie machen. Kurz hielt Miyako inne, sah beschämt zur Seite und dann wieder zu Maron. „Ehrlich gesagt, habe ich Chiaki seit gestern Nacht nicht mehr gesehen. Womöglich habe ich ihn etwas zu sehr unter Druck gesetzt… Touya sollte nach ihm suchen, aber den habe ich auch seit einer Weile ni-“ „Ich habe meinen Namen gehört?“ Überrascht drehten die beiden Freundinnen sich zu Touya um, der in der Tür stand. „Hey, ladies.“ „Hey“, begrüßte Maron ihn lächelnd. „Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Miyako. Ohne auf ihre Frage einzugehen, drehte Touya seinen Kopf kurz weg und nieste stark. „Gesundheit“, kam es von den Mädels gleichzeitig. Touya bedankte sich, rieb sich dabei mit dem Handrücken schniefend die Nase.   „Eh… Hast du dir eine Erkältung eingefangen?“, fragte Maron leicht besorgt. „Wahrscheinlich…scheiß Regen“, murmelte er, winkte unbekümmert ab und ging auf sie zu, „Aber wie es mir geht, ist Nebensache. Wichtiger ist wohl wie es dir geht, M?“ Kurz wog sie ihre Antwort ab. „Ganz gut, schätze ich. Obwohl…“ Maron hielt für einen Moment inne. Aus irgendeinem Grund überkam sie ein merkwürdiges Gefühl, doch sie konnte nicht zuordnen was es war. „Obwohl?“, hörte sie Touya fragen. „Ach, nichts“, schüttelte Maron den Kopf und lächelte unbesorgt, „Mir geht es gut.“ „Gut. Da bin ich froh.“ Touya musste drei weitere Male hintereinander niesen. „Ich glaube, du solltest besser nach Hause gehen”, merkte Miyako an, die etwas von ihm zurückgewichen war. „Glaub ich auch“, erwiderte er und fügte an Maron gerichtet hinzu, „Ich wollte nur sehen, ob du wieder heil bist.“ „Heil bin ich auf jeden Fall“, entgegnete sie grinsend. „Gut.“ Er erwiderte das Grinsen mit einem Blick in den Augen, den sie nicht deuten konnte. „Nun denn… Bis später.“ Touya wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen, als Maron ihn noch stoppte: „W-Warte! Miyako sagte, du hattest gestern noch nach Chiaki gesucht… Hattest du ihn gefunden?“ Ihr Kommilitone drehte sich zögerlich zu ihr um, biss sich mit einem unschlüssigen Ausdruck auf die Lippe. „Ja, hatte ich. Er ist gerade auf der Intensivstation. Bei Minami.“ „Oh…Ok. Wie geht es ihm dabei?“ „Ehm...“ Unbeholfen fuhr er sich durch die Haare und sah weg. „Das fragst du ihn lieber selbst“, sagte Touya schließlich bevor er verschwand. Leicht verwundert legte Maron ihren Kopf schief, nickte jedoch zustimmend. Miyako verzog skeptisch das Gesicht. „Findest du nicht, dass er sich merkwürdig benahm? Wie als hätte er irgendwas ausgefressen.“ Maron zuckte mit den Schultern. Ohne weiter über ihren Kommilitonen nachzudenken, entfernte sie achtlos alle Kabel von sich, stand vom Bett auf und ging mit ihren Klamotten in den Händen ins Bad. „Sag mal-“ Miyako sah prüfend nach draußen und dann wieder zu ihrer besten Freundin, die nach wenigen Minuten fertig angezogen wieder rauskam. „Wie kommt es, dass du dich wieder heilen kannst?“ Wieder zuckte Maron ratlos mit den Schultern, schob ihre Blouse etwas hoch und sah auf die verheilte Stelle herab. Den Verband hatte sie entfernt und entsorgt. „Keine Ahnung. Daher muss ich jetzt hier raus und zu Chiaki.“ Sie musste ihm wissen lassen, dass es ihr gut ging. Ebenso wollte sie sich vergewissern, dass es ihm gut ging. Schließlich war er schon wegen Minami ziemlich fertig gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er sich in den letzten Stunden gefühlt haben muss. Seufzend hielt Maron sich eine Hand über die Brust. Noch immer spürte sie dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Inneren. Wie als würde etwas in ihr fehlen – als würde ihr Herz sich nicht vollständig anfühlen. Chiaki…, ging es ihr betrübt durch den Kopf. Er fehlte ihr. Sie wollte bei ihm sein, die Arme um ihn schließen und für einen Moment -sei der noch so klein und kurz- all die Probleme um sie herum vergessen. Sie wusste, dass er sie brauchte – genauso wie sie ihn. „Ich begleite dich zur Intensivstation“, hörte sie Miyako sagen. Maron sah zu ihr auf und nickte mit einem dankbaren Lächeln. Im nächsten Moment verließen die Freundinnen das Krankenzimmer.   Es dauerte nicht lange bis sie in der besagten Station ankamen, jedoch direkt von einer Krankenschwester -eine Dame mittleren Alters mit vereinzelt grauen Strähnen in ihren schwarzen, zusammengebundenen Haaren- angehalten wurden. „Entschuldigen Sie, darf ich fragen zu wen Sie wollen?“, fragte sie die Studentinnen. „Ehm... zu Minami Nagoya“, antwortete Maron. „Gehören Sie zur Familie?“ „N-Nein, aber-“ „Dann tut es mir leid. Es dürfen nur Angehörige der Patientin, spricht die Familienmitglieder, rein. Abgesehen davon, ist die Besuchszeit für die Station gleich vorbei.“ „Können Sie nicht nachfragen, ob meine Freundin kurz rein darf?“, wendete Miyako ein, „Ihr Freund ist schließlich der Bruder der Patientin.“ Die Dame warf beiden einen strengen, dennoch empathischen Blick zu und seufzte. „Warten Sie für einen Moment“, sagte sie ihnen und verschwand hinter der Tür. Maron sah der Krankenschwester durch das kleine Guckfenster nach und beobachtete, wie sie in eines der Zimmer rein ging. Auf einmal spürte sie, wie ihr Miyako von hinten auf dem Oberarm einige Male schlug, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Shit, der Arzt kommt auf uns zu“, zischte Miyako ihr leise zu. „Welcher Arzt?“, flüsterte Maron irritiert zurück. „Der, der gestern für dich zuständig war! Miyazawa heißt er!“ Als Dr. Miyazawa schließlich vor ihnen stand, setzten Maron sowie Miyako ein unschuldiges Lächeln auf. „Miss Kusakabe! Was machen Sie hier? Und wieso sind Sie überhaupt schon auf den Beinen?“, fragte er entsetzt. „E-Ehm, ich habe mir die Beine vertreten und festgestellt, dass es mir ziemlich gut geht“, entgegnete die Angesprochene verlegen. Der Arzt blickte sie konfus an. „Ich würde Sie darum bitten in Ihr Zimmer zurückzukehren. Ihr Körper braucht Ruhe.“ Schnell schüttelte Maron den Kopf. „Ich schwöre, mir geht es prächtig. Lieber möchte gerne nach Hause.“ „Es ist aus gesundheitlicher und medizinischer Sicht nicht ratsam Sie jetzt zu entlassen.“ „Ich bitte Sie, Dr. Miyazawa. Wenn ich Schmerzen verspüre, dann geben Sie mir einfach ein paar Tabletten mit.“ „Miss Kusakabe-“ Plötzlich öffnete sich die Tür der Intensivstation und die Krankenschwester sowie ein Mann mit blauen Haaren kamen zum Vorschein. Für eine Sekunde dachte Maron es wäre Chiaki, doch letztlich handelte es sich um sein Vater Kaiki. „Ich übernehme hier, Herr Kollege“, sagte er in einem ruhigen, sachlichen Ton, „Kümmern Sie sich doch bitte um die anderen Patienten.“ Dr. Miyazawa sah den Krankenhausdirektor überrascht an, folgte jedoch seinen Anweisungen und ging. Die Krankenschwester verschwand nach einem kurzen Nicken von Kaiki ebenfalls, wodurch er sich schließlich den beiden jungen Frauen zuwandte. „Hallo Maron“, begrüßte er die Braunhaarige mit einem erschöpften Lächeln. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen zu sehen. „Hallo“, erwiderte sie schüchtern zurück. „Oh - das ist übrigens Miyako Toudaiji“, stellte sie ihre beste Freundin unbeholfen vor. Diese schüttelte Kaiki freundlich die Hand. Dann wandte er sich wieder Maron zu. „Ich hab gehört, dass du gestern wegen einer Stichverletzung hier eingeliefert wurdest. Auch wenn es komplett gegen meine Prinzipien verstößt und ich Dr. Miyazawa eigentlich Recht gebe, so werde ich dich trotzdem vorzeitig entlassen. Okay?“, sprach er in einem leisen Ton, „Ich werde dir Schmerztabletten verschreiben und du versprichst mir, dass du dich zu Hause ausruhst und keine körperlichen Anstrengungen betätigst.“ Maron nickte einige Male brav und biss sich zögernd auf die Lippe. „Uhm… wie geht es Ihnen?“, fragte sie vorsichtig.   Kaiki fuhr sich erschöpft eine Hand über das Gesicht und seufzte schwer. „Den Umständen entsprechend“, antwortete er. Verständnisvoll sah sie ihn an. „I-Ich wollte fragen, ob ich Minami kurz besuchen darf? Ich- Ich weiß, ich gehöre nicht zur Familie und wir kannten uns ehrlich gesagt auch nicht so gut, aber-“, stammelte Maron und stoppte sich, als sie Kaiki leicht Lächeln ansah. „Ist schon okay. Die Besuchszeit da drin endet in weniger als zehn Minuten und da denke ich, dass man für dich eine Ausnahme machen kann. Schon die zweite Ausnahme, die ich die erlaube, wenn ich das anmerken darf“, sagte er augenzwinkernd.   „Oh, eh, danke. Wirklich vielen Dank“, kam es von Maron erleichtert. „Ich warte hier draußen“, meldete Miyako sich zu Wort, worauf die Braunhaarige zustimmend nickte. Danach folgte sie Kaiki in die Intensivstation. *** „War ich eine schlechte Mutter oder was für Gründe hätte sie haben sollen so was Furchtbares zu machen?“, sprach Nanako fassungslos zu sich selbst. Chiaki warf seiner Stiefmutter einen stummen Seitenblick zu und sah kurz zu Minami herab, die reglos vor ihnen im Krankenbett lag. Das Piepen der Maschinen war um sie herum war zu hören sowie das gelegentliche Schluchzen von Nanako. Spuren von Tränen glitzerten auf ihrem Gesicht. Sie saß auf einem Stuhl und streichelte fürsorglich Minami’s Wange, strich ihrer Tochter gleichzeitig ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Chiaki stand unterdessen neben ihr, die Hände in den Hosentaschen vergraben. „Anstatt sinnlos zu spekulieren, solltest du froh sein, dass sie noch lebt“, sagte er. Sie sah ihn mit großen Augen perplex an. „Du hast Recht“, stimmte sie ihm kleinlaut zu.   Dann wurde es wieder still zwischen ihnen. Kurz schloss Chiaki die Augen. Alles fühlte sich distanziert und dumpf an, wie als wäre er oder die Welt in Wattepolster eingewickelt. Dann sah er wieder zu Minami herab. Gewöhnlicher hätte er sich ein Stuhl geschnappt, sich zu ihr ans Bett gesetzt, ihre Hand genommen und sanft zu ihr gesprochen. Sein vorheriges, altes Ich hätte so etwas getan. Sein Jetziges nicht. Regungslos stand er da, drehte sich auch nicht um, als er merkte, dass sein Vater wieder ins Zimmer reinkam. Er wusste, dass er nicht alleine zurückgekehrt war. „Hallo Maron“, kam es von Nanako mit einem freundlichen, gleichzeitig gequälten Lächeln. „Hallo“, erwiderte die Braunhaarige zurück, „Es tut mir furchtbar leid, was Minami passiert ist.“ „Ach was, dir braucht doch nichts leid zu tun.“ Maron presste sich daraufhin beschämt auf die Lippen zusammen. Anschließend gesellte sie sich zu Chiaki. „Hi“, sagte sie zu ihm. „Hey“, entgegnete er, ohne sie anzuschauen. Etwas bestürzt sah sie ihn an, eine Hand wenige Zentimeter über seinen Oberarm haltend. Resigniert zog Maron ihre Hand wieder zurück und ließ sie neben sich sinken. Sie räusperte sich kurz und blickte traurig zu Minami herab. „Ist deine Wunde verheilt?“, fragte Chiaki kaum hörbar, den Blick weiterhin auf seine Schwester geheftet. „Ja“, antwortete Maron, warf ihm dabei einen flüchtigen, leicht erstaunten Seitenblick zu. „Dein Vater entlässt mich heute auch.“ „Gut“, erwiderte er nur. Währenddessen redeten seine Eltern angeregt miteinander und bekamen von dem Gespräch nichts mit. Im nächsten Augenblick hörte er seinen Vater sagen, dass die Besuchszeit vorbei sei. „Können wir nicht noch eine Stunde länger bleiben?“, warf Nanako ein. Seufzend fuhr Kaiki sich über das Gesicht. „Du weißt wie die Regeln sind“, sagte er zu ihr. Nach einigen Sekunden nickte sie niedergeschlagen und drehte sich ein letztes Mal zu ihrer Tochter um. Chiaki konnte den Schmerz in Nanako’s Gesichtsausdruck sehen, die Betroffenheit in die seines Vaters, die Reue und Schuldgefühle in Maron’s. Er versuchte nachzuempfinden, was sie fühlten, doch er konnte nicht. Er fühlte gar nichts mehr. *** „Ist alles in Ordnung? Mit Chiaki, mein ich“, hörte Maron Miyako flüsternd fragen, während sie ihn und seinen Eltern ins Erdgeschoss folgten. „Bin mir nicht sicher…“, antwortete sie ihr, „Er ist so distanziert... Das macht mir Sorgen.“ Die ganze Zeit über hatte er ihr nicht in die Augen geblickt. Mied er aus Schuldgefühlen ihren Blickkontakt? Auch diese Eintönigkeit seiner Stimme machte sie stutzig. Ebenso verspürte Maron immer noch dieses unvollständige Gefühl in ihren Herzen. Was ist das nur?, fragte sie sich irritiert. „Bestimmt liegt es an der ganzen Anspannung der letzten Stunden. Wahrscheinlich legt sich das wieder sobald ihr unter euch seid, oder so“, sagte Miyako. Maron nickte geistesabwesend. Im nächsten Moment klingelte Miyako’s Handy. „Oh… meine Mom“, merkte sie an, „Bin gleich wieder da.“ Damit entfernte die Kurzhaarige sich einige Meter. Unterdessen gesellte Maron sich zu den Nagoyas dazu und sah zu, wie sich Nanako von ihr und den Männern verabschiedete. „Willst du nicht lieber noch paar Minuten warten bis Kagura dich und die Kinder nach Hause fährt?“, wendete Kaiki besorgt ein. „Nein, ich nehme ein Taxi“, sagte Nanako und seufzte. „Außerdem würde Kagura einen unnötigen Umweg fahren, wenn er uns alle fährt.“ „Okay, wie du meinst“, ging Kaiki resigniert auf seine Frau ein. Die beiden gaben sich einen flüchtigen Kuss zum Abschied, ehe Nanako sich zum Ausgang begab und in ein vorbeifahrendes Taxi einstieg. „Ich frage mich, wie lange du noch vorhast dir und ihr was vorzuspielen“, sagte Chiaki plötzlich. Sein Vater schnellte perplex den Kopf in seine Richtung. „Was redest du da?“ „Du weißt ganz genau, dass sie nicht die Frau ersetzen kann, die du in deinem Inneren eigentlich liebst.“ Schockiert, sprachlos und teilweise sogar wütend sah Kaiki ihn an. Sein sonst so sympathischer Blick verfinsterte sich. Auch Maron sah Chiaki mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck an. Der Arzt nahm tief Luft, presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, seine Schultern gespannten sich an. „Ich ignoriere alles Gesagte erstmal, weil wir alle schwere Stunden hinter uns hatten, gestresst und angespannt sind, und daher Sachen sagen, die wir nicht so meinen.“ Chiaki nahm das mit einem gleichgültigen Blick schweigend zur Kenntnis. „Das heißt allerdings nicht, dass ich nicht noch ein Wörtchen mit dir darüber zu Reden hätte“, fügte Kaiki in einem strengen Unterton hinzu und atmete tief durch. „Ihr könnt schonmal draußen auf Kagura warten. Er kommt gleich mit dem Wagen.“ Damit ging er schließlich. Chiaki fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und begab sich nach draußen. Maron sah ihm mit einem kritischen Blick hinter. Was zum Teufel ist nur los mit dir?, dachte sie sich. Irgendwas stimmte nicht. Chiaki würde nie sowas derartiges seinem Vater ins Gesicht sagen. Zumindestens nicht so taktlos wie gerade eben. Maron blickte in die Richtung in der Kaiki soeben verschwunden war und dachte unwillkürlich an ihr Versprechen, was sie ihm indirekt gab, als sie ihn zum ersten Mal traf. Dass sie auf sein Sohn acht geben würde. Sie wusste, dass sie dieses Versprechen nicht einhalten konnte. Denn in den letzten Stunden ihrer Abwesenheit war etwas passiert, wodurch sich Chiaki drastisch verändert hatte. Alles in ihm war so kalt - seine Augen, sein Gesichtsausdruck, seine Stimme. Sie versuchte in ihm den Jungen wiederzuerkennen, den er gestern noch war, doch dieser war nirgends mehr zu finden. Etwas ging in Chiaki vor und sie konnte sich nicht erklären, was es war. Diese Ungewissheit verunsicherte sie, machte ihr Angst. Am Abend, wenn er und sie alleine unter sich waren, würde sie letztlich erfahren, was es war.   „Maron.“ Miyako’s Stimme riss die Braunhaarige aus den Gedanken. „Hey. Was hat deine Mom gesagt?“, erkundigte Maron sich bei ihr. „Sie wollte nur wissen, wann ich nach Hause komme.“ „Ach so… Naja, Chiaki und ich werden gleich von Kagura, dem Sekretär, nach Hause gefahren.“ „Ah okay“, nickte Miyako, „Dann mache ich mich auch gleich auf dem Heimweg.“ „Hm“, nickte Maron nur. Einige Sekunden sagte niemand mehr war, bis Miyako auf einmal sagte: „Morgen ist euer großer Tag?“ Verwirrt blinzelte Maron sie an. „Was?“ „Eure überdimensionale Rettungsmission“, ergänzte Miyako leise. „Oh… Stimmt. Morgen wollten wir aufbrechen…“ Seufzend strich Maron sich durch die Haare. So viel war in innerhalb von kürzester Zeit passiert. Und es gab keinen Moment Ruhe zum Aufatmen. Ob wir wirklich bereit sind?, fragte sie sich und blickte durch die Glastür zu Chiaki nach draußen, Aber wir können nicht mehr länger warten... „Ich würde von dir verlangen, dass du mir versprichst, dass du auf dich aufpasst“, kam es von Miyako leicht ironisch, „Aber so wie ich dich kenne, würdest du irgendwie mal wieder dein Leben aufs Spiel setzen und dem Tod flüchtig ‚Hallo‘ winken.“ Maron konnte sich darauf ein Schmunzeln nicht verkneifen und rollte mit den Augen. Miyako’s Blick wurde ernster. „Versprich mir wenigstens, dass du nach Hause kommst? Selbst wenn dir ein Arm am Ende fehlt, oder so... Was ich natürlich nicht hoffe!“ „Versprochen“, lächelte Maron ihre Freundin an und umarmte sie innig. „Tut mir leid, dass ich dir immer solche Sorgen bereite.“ „Ich hoffe, das hat bald ein Ende“, murmelte Miyako. Maron seufzte schwer. „Hoffe ich auch…“ *** Die Fahrt zu Chiaki’s Wohnkomplex wurde hauptsachlich von beklemmenden Schweigen dominiert. Beide saßen hinten im Rücksitz und blickten wortlos aus den Fenstern. Auch die Fahrt im Aufzug verlief im Stillen ab, vorwiegend weil noch drei weitere Leute mit ihnen hochfuhren. Schließlich kamen sie in Chiaki’s Wohnung an und waren endlich unter sich allein. Maron sah, wie er ohne ein Wort die Treppen zum Obergeschoss hochgehen wollte. „Chiaki“, sagte sie, „Wir müssen-... Ich muss mit dir reden.“ Er blieb auf der Treppe stehen, drehte sich nicht zu ihr um. „Ist das nicht ein wenig Cliché, der Satz?“, entgegnete er, „Wir müssen reden?“ „Ja, deswegen änderte ich es auch zu ‚Ich muss mit dir reden‘ um. Und es ist Fakt, dass wir einiges zu bereden haben“, erwiderte Maron, „Insbesondere wegen unserer Mission morgen.“ „Aber eigentlich willst du nicht über unsere Mission reden.“ Er wandte sich endlich zu ihr um. „Oder etwa doch?“ „Nein“, antwortete Maron. Für einen Moment fragte sie sich, ob Chiaki sich weigern würde, diese Konversation zu führen, doch er zuckte gleichgültig mit der Schulter und führte sie wortlos nach oben. In seinem Schlafzimmer angekommen, schloss sie hinter sich die Tür. Chiaki drehte sich zu ihr um, seine braunen Augen blickten ausdruckslos in ihre. Sie näherte sich ihm, musterte sein Gesicht, versuchte seine Züge zu lesen. Normalerweise sah er sie immer mit so viel Gefühl und Liebe an, welche ihr eine angenehme Wärme bereitete. Doch nun bereitete sein Blick ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sie konnte nichts in seinen Augen, in seinem Gesicht erkennen. Er wirkte wie ein Buch, welches in einer unlesbaren Sprache geschrieben und zusätzlich mit einem Schloss versiegelt wurde. „Was ist nur los mit dir?“, fragte Maron und durchbrach die Stille zwischen ihnen. Chiaki setzte sich auf die Bettkante hin. „Ich verstehe nicht, was du meinst“, sagte er, „Ich versuche einen klaren Kopf zu bewahren, nach allem was passiert ist. Ist das nicht offensichtlich?“ „Nein“, schüttelte Maron den Kopf, „Denn irgendwas stimmt hier nicht… Und es macht mir mehr Angst als alles andere jemals zuvor.“ Chiaki sagte für einige lange Sekunden nichts. „Komm mal bitte her“, sagte er plötzlich. Maron ging auf ihn zu, sodass sie keine Armlänge voneinander entfernt waren und stellte sich zwischen seine Beine. Er legte seine Hände auf ihre Hüfte, zog sie näher an sich heran. Sie umfasste sanft seine Wangen, strich ihm mit dem Daumen über die Haut. Er schloss dabei seine Augen, lehnte seinen Kopf gegen sie. Sie konnte seinen warmen Atem durch den dünnen Stoff ihrer Blouse spüren, was ein leichtes Kribbeln auf ihrer Haut verursachte. Dies waren alles kleine, vertraute Gesten, die beide oft genug getan hatten. Doch wieso verspürte Maron keine Geborgenheit in ihnen wie sonst? Sie bekam dieses beunruhigende Gefühl in ihrem Inneren einfach nicht los. Sie spürte, wie er sich etwas aufrichtete, seinen Kopf drehte und ihr einen sanften Kuss auf die Handinnenfläche drückte. Ein eiskalter Schauer überkam sie dabei, ebenso als er wieder zu ihr aufblickte. Seine braunen Augen strahlten einen gewissen Triumph aus. „Ich denke, ich habe unser Problem gelöst“, sagte er. Sie musste schlucken. „Was meinst du?“ Als Chiaki weitersprach, war seine Stimme beängstigend ruhig. „Der Fluch“, sagte er, „Gestern wollte ich dich vor Noyn beschützen und es ging auf erbärmliche Weise nach hinten los. Du wärst fast verblutet, hast gerade so die OP überstanden und überlebt. Ich musste etwas tun, damit sich sowas nicht nochmal wiederholt.“ Auch wenn sie es nicht wissen wollte, so fragte Maron trotzdem: „Was hast du getan?“ „Erinnerst du dich, als wir vor ein paar Tagen über den Wunsch diskutiert haben?“, kam es von Chiaki als Gegenfrage. Ihre Augen weiteten sich und sie ging einen Schritt zurück. Seine Hände fielen ihm zur Seite runter. „Was hast du dir gewünscht?“ „Dass sie weg sind“, antwortete Chiaki ihr, „Meine Gefühle zu dir.“ „I-Ich verstehe nicht...“, stammelte sie. Maron hatte sich schon immer gefragt, wieso Leute diesen Satz sagen, obwohl sie alles klar und deutlich verstanden hatten. Sie verstand es nun: Es ist, weil sie nicht verstehen wollten. Weil sie das gesagte nicht wahrhaben wollten. „Es sind nicht unsere Handlungen, die ihn ausmachen, sondern unsere Gefühle“, sprach er weiter, „Und wenn unsere Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, wird der Fluch auch nicht länger auf uns lasten. Die Verbindung zwischen uns ist gekappt.“ „Mag sein.“ Maron nahm tief Luft. Alles in ihr zitterte. „Aber es geht nicht nur darum, wie du für mich empfindest. Du bist anders. Wie ein anderer Mensch. Du sagst Dinge, die du normalerweise nicht sagen würdest. Wie heute bei deinem Vater.“ Er wirkte leicht überrascht. „Da magst du eventuell Recht haben“, sagte er. Chiaki stand auf, reichte eine Hand nach ihr, doch Maron wich entschieden zurück. Er ließ seinen Arm wieder fallen. „Touya hatte mir einen ziemlich umfangreichen Psychologie-Vortrag gehalten, wieso ich nicht mit meinen Emotionen spielen sollte. Dass es Probleme geben würde.“ „Warte-... Touya wusste davon?!“ „Ja.“ Chiaki ignorierte ihren geschockten Gesichtsausdruck, als er weitersprach, „Er sagte, dass Gefühle nicht singulär seien. All unsere menschlichen Emotionen sind mit den anderen Emotionen miteinander verbunden, sind mit unseren Gedanken verknüpft und mit dem, was unsere Persönlichkeit ausmacht. Ich hatte mich darauf konzentriert, nur einen bestimmten Teil meiner Gefühle zu beeinflussen. Der Liebe. Den romantischen, leidenschaftlichen Teil der Liebe. Er sagte allerdings, dass ich damit rechnen sollte, dass alles andere was ich fühle ebenfalls beeinflusst werden könnte.“ „Und ist dem so?“, fragte Maron ernst. Chiaki runzelte die Stirn, neigte den Kopf schief, sah sie irritiert an. Ein kleine Emotion flackerte in seiner Mimik auf: ob es sich um Frustration oder Verwunderung handelte, konnte sie nicht einschätzen. Ihn so zu beobachten, zerrte an ihr Herz. „Sagen wir es so: Ich fühle mich wie, als wäre ich hinter einer Glaswand“, setzte er an, „Und alle anderen befindet sich auf der andere Seite. Ich sehe, was andere Menschen fühlen, aber in mir fühlt sich alles so betäubend leer an. Was allerdings sehr prägnant ist, ist meine Wut. Das ist sehr einfach zu empfinden. Ansonsten mache ich jegliche Handlungen aus Instinkt heraus.“ Kurz ließ er seinen Blick aus dem Fenster schweifen. „Ich empfinde immer noch Schuldgefühle gegenüber Minami, aber sie sind ertragbar. Es nicht mehr so, als würden sie mich ersticken. Der Schmerz, den ich empfand ist abgestumpft.“ Chiaki sah wieder zu Maron rüber. „Und was dich betrifft-“ „Was uns betrifft“, sagte sie ernst. „Ich sehe dich an und weiß, dass du mich liebst. Und ich weiß, dass ich dich geliebt habe“, sagte er, „Aber ich kann es nicht mehr empfinden, nicht mehr spüren und fühlen.“ Ein erstickter Laut entkam ihr. Geliebt haben. Er sagte, er hatte sie geliebt. Die Benutzung der Vergangenheitsform fühlte sich wie ein Schlag in die Magengrube an. Maron nahm einen Schritt nach hinten Richtung Tür. Sie musste hier raus. „Du hast mir gestern noch versprochen, mich nicht zu verlassen“, sagte sie, nach der Türklinke reichend, „Aber du hast mich verlassen…“, ihre Stimme brach, „Du hast mich verlassen, Chiaki.“ „Maron, stop“, sagte er, „Letzte Nacht -als du umkipptest- der Fluch hatte dir deine Heilkräfte genommen. Du hättest sterben können. Ich habe es gespürt. Dieses kalte Gefühl vom Tod... Ich weiß, dass ich es mir niemals hätte verzeihen können, wenn du wegen mir gestorben wärst. Und dasselbe wollte ich dir auch ersparen. Das war die einzige Möglichkei-” „Hast du eigentlich darüber nachgedacht, ob sich dieser Bann beheben lassen kann?“, unterbrach Maron ihn aufgebracht, „Ob er vergeht, wenn wir Satan besiegt haben oder ob es am Ende ein Dauerzustand sein wird? Hast du daran mal gedacht, Chiaki?“ Daraufhin -so bildete sie es sich ein- wich Chiaki etwas überrascht zurück. „Maron-“ „Ich will nichts mehr hören“, sagte sie und floh aus dem Raum.   Chapter 21: Heartless Stranger ------------------------------ Chapter 21: Heartless Stranger   Maron wachte mit dröhnenden Kopfschmerzen zu einem Klopfen an der Tür auf. Sie hatte sich letzte Nacht ins gegenüberliegende Arbeitszimmer geflüchtet und war auf dem Boden eingeschlafen. Noch immer trug sie Jeans und Blouse von gestern - schließlich hatte sie keine Möglichkeit gehabt sich umzuziehen. Strähnen ihrer Haare waren feucht, klebten ihr teilweise an den Wangen. Sie fühlte sich wie ein Wrack und sie konnte sich vorstellen, dass sie dementsprechend so aussah. „Herein“, rief sie und die Tür schwang auf. Es war Chiaki. Sie setzte sich auf. Für einen Moment sahen beide sich einfach an. Maron spürte einen eiskalten Schauer über ihren Rücken laufen. Gewöhnlicherweise würde er die getrockneten Tränen auf ihrem Gesicht bemerken, ihre zerknitterten Klamotten, ihr zerzaustes Äußeres. Selbst wenn er sie nicht mehr liebte, würde er— „Wir sollten uns fertig machen“, sagte er. Er trug ein T-Shirt mit Jogginghose und sah aus als hätte er gut geschlafen. So vertraut er ihr auch schien, so wirkte er gleichzeitig wie ein Fremder für sie. Es war keine Strenge oder Schroffheit in seiner Stimme zu vernehmen, nur eine sachliche Ruhe. Sie realisierte, dass sie sich hätte keine Gedanken machen brauchen, dass er mit ihr Mitleid hätte oder sich in irgendeiner Weise schuldig fühlen würde - er fühlte überhaupt nichts. Die Bedeutung seiner gestrigen Worte wurden ihr erst jetzt wirklich bewusst. Sie spürte, wie ihr Herz blutete.   Wortlos stand Maron auf, ging an Chiaki vorbei und steuerte im Schlafzimmer auf sein Kleiderschrank zu. Dadurch dass sie die letzten Tage bei ihm übernachtet hatte, hatte sie auch einige ihrer Klamotten bei ihm gebunkert. Chiaki folgte ihr, stand schweigend ein paar Schritte hinter ihr. Maron schnappte sich eine neue Hose, ein neues Oberteil sowie frische Wäsche und ging schnellen Schrittes ins Bad, welches sich neben dem Arbeitszimmer befand. Auch wenn Chiaki sie schon komplett ohne Klamotten gesehen hatte, so fühlte es sich jetzt merkwürdig an. Sie war sich nicht sicher, wie dieser neue Chiaki, einer ohne Gefühle, reagieren würde. Und sie war sich auch nicht sicher, ob sie es wissen wollte. Als Maron sich fertig umgezogen hatte, öffnete sie die Badezimmertür und wollte gerade in den Flur austreten, als sie für einen Moment innehielt und zum Schlafzimmer rüber spähte. Sie sah, wie Chiaki sich ein graues Hemd aus seinem Schrank holte. Er hatte die Jogginghose gegen eine schwarze Jeans ausgetauscht, trug allerdings kein T-Shirt mehr, sondern war von der Hüfte aufwärts nackt. Hinter ihm schien die Sonne durchs Fenster und ließ seine Haut Golden erscheinen. Ihr Magen zog sich zusammen. Es war nicht das erste Mal, dass Maron ihn oberkörperfrei sah. Schlanke, definierte Muskeln zeichneten sich um seiner Brust und seinem Bauch ab. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie sich auf diesen Muskeln ihren Weg herab geküsst, während er seine Hände durch ihre langen, braunen Haare fahren ließ, und immer und immer wieder mit der sanfesten Stimme ihren Namen sagte. Nun stand sie da und konnte nicht aufhören zu starren. Unterdessen hatte Chiaki sein Hemd angezogen und zugeknöpft. Dann blickte im nächsten Augenblick zu ihr auf. „Komm“, sagte er und nickte mit dem Kopf zum Untergeschoss runter. Maron folgte ihm.   „Sag… Hätte ich dich gestern nicht konfrontiert, hättest du mir nichts von dem Bann erzählt, oder?“, fragte sie, nachdem sie und Chiaki sich in Jeanne und Sindbad verwandelt hatten und er mit Hilfe seines Pentagramms ein Portal erstellt hatte.   „Wohlmöglich nicht“, entgegnete er, „Du machst dir wie erwartet unnötige Gedanken darüber.“ Sie blickte ihn mit verengten Augen an. „Nur zur Anmerkung: Ehrlichkeit ist keine Emotion“, sagte sie, worauf er ihr einen leicht überraschten Blick zuwarf. Anschließend schritten beide durch das Portal. *** „Wo sind wir?“, fragte Jeanne irritiert, als sie sich umschaute. Sie standen inmitten auf einer Lichtung. Offen und grasbedeckt, umgeben von meterhohen Bäumen. Blumen waren vereinzelt auf dem Gras zu erkennen und kleine Lichtpartikel schwebten umher. Als sie zum Himmel aufschaute, war keine Sonne zu sehen. Nur eine dicke, schwarze Wolkendecke, die alles in ihren Schatten umhüllte.   Jeanne konnte nicht beschreiben wieso, doch irgendwie hatte dieser Ort, in der sie sich gerade befanden, was Schönes und gleichzeitig Furchteinflößendes an sich. „Ich dachte, du würdest uns direkt zu Satans Palast befördern.“ „Hatte ich auch vor. Satan muss wahrscheinlich die Präsenz des Portals bemerkt und uns einen Strich durch die Rechnung gemacht haben“, entgegnete Sindbad und fügte anmerkend hinzu, „Ich sagte ja, dass die Welt sich nach seinem Willen verändern kann.“ „Ja, sagtest du“, erwiderte Jeanne nur noch. Keinen Augenblick später tauchte ein Dämon auf, der so riesig war wie die Bäume. „Und da ist unser Willkommenskommitee“, sagte Sindbad. Der Dämon ballte seine Krallen zur Faust und zielte auf die beiden Diebe. Sie konnten den Schlag ausweichen, wodurch der Dämon auf dem Boden einschlug. Der Boden erschütterte. Gemeinsam kämpften sie gegen die Kreatur. Jeanne war froh, dass sie Sindbad -selbst in seinem jetzigen Zustand- als Kampfpartner vertrauen konnte. An einem Punkt spuckte der Dämon plötzlich eine dunkle, giftige Substanz aus seinem Maul aus, was alles was es traf verächzen ließ.   Größtenteils waren die Diebe mit ausweichen beschäftigt, doch mit Mühe konnte Jeanne den Dämon letztendlich außer Gefecht setzen. Schweratmend ging sie zu Sindbad rüber, der sich seine Handschuhe auszog. „Chiaki?“ „Meine Hände“, sagte er und klang dabei überrascht, „Ich habe nichts gespürt.“ Sie sah auf seine Hände herab und zog scharf Luft ein. Er musste etwas von dem Gift des Dämons abbekommen haben, was sich durch den Stoff der Handschuhe durchgefressen hat und seine Haut verächtze. Blut tropfte ihm teilweise herunter. Doch Jeanne konnte schon sehen, dass manche Stellen anfingen zu verheilen. Dennoch bereitete ihr der Anblick einen schmerzhaften Stich in ihrem Inneren. Wie als wäre es ihre eigene Wunde. Sindbad’s Gesichtsausdruck hingegen wirkte wie, als würde er keinerlei Schmerzen verspüren. Sie sah auf ihrer eigenen Hände herab, die frei von Verletzungen waren. Die Verbindung ist wohl wirklich gekappt…, ging es ihr durch den Kopf. Der Fluch wirkte demnach wirklich nicht mehr. Eigentlich sollte sie froh darüber sein, doch sie konnte sich nicht freuen. „Komm. Wir verlieren sonst wertvolle Zeit“, sagte Sindbad. Seine Stimme ließ Jeanne zusammenfahren und riss sie aus ihren Gedanken. Seine Hände waren inzwischen verheilt, doch die Handschuhe hatte er weggeworfen, da sie nicht mehr tragfähig waren. Jeanne nickte knapp und damit liefen sie los. Nach einigen Metern ertönte plötzlich inmitten all der Bäume ein knackendes Geräusch, wie als würden Äste brechen. Jeanne drehte sich blitzschnell um, ihre Hand griff sofort nach ihrem Kreuz. „Hast du das gehört?“ Sindbad folgte ihrem Blick und ließ ein Messer in seine Hand erscheinen. Für einen Moment standen sie da, wachsam und kampfbereit. Doch es war nichts weiter mehr zu hören - ebenso tauchte nichts auf. „War wahrscheinlich nichts gewesen“, sagte Sindbad schließlich. Jeanne wusste, dass er das nicht sagte, um sie in irgendeiner Weise zu beruhigen. Wohl eher um sie dazu zu bewegen weiterzugehen. Dennoch schien es für sie etwas zu sein, was der Chiaki den sie kannte sagen würde. Die beiden Diebe setzten ihren Weg durch den Wald fort.   Es war ein langer Spaziergang, ohne weitere Begegnungen mit Dämonen. Sindbad war an sich ein recht einfacher Gesprächspartner, wenn Jeanne nicht an den Bann dachte. Oder darüber nachdachte, wie er für sie empfand - oder wie er überhaupt für etwas empfand. Sie vermieden Themen, die was mit Minami oder dem Fluch zu tun hatten und sprachen stattdessen über die Engel und diskutierten mögliche Pläne aus, um ihre Partner zu befreien. Es dauerte eine gewisse Zeit, welche sich für Jeanne wie Stunden anfühlte, als sie letztlich realisierte, dass sie verfolgt wurden. Sie hatten fast das Ende des Waldes erreicht. „Erstmal müssen wir den Palast erreichen“, sagte Sindbad mit Blick auf ein großes, dunkles Gebäude, welches im Horizont zu sehen war, „Ab da müssen wir sehen, dass wir unentdeckt eindringen können und-“ Jeanne blieb abrupt stehen. „Wir werden verfolgt“, unterbrach sie ihn. Sindbad blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu ihr um. „Bist du dir sicher?“, fragte er leise. Jeanne spitzte ihre Ohren, versuchte das zu hören, was sie vorher schon gehört hatte: das Zerbrechen von kleinen Ästen. Sowie dumpfe Schritte. „Ich bin mir sicher.“ Es lagen keine Zweifel in Sindbad’s Augen. Er vertraut mir, dachte Jeanne sich etwas erleichtert. „Wir können nicht rennen“, sagte er—er hatte Recht; der Pfad vor ihnen war viel zu steinig und das Gestrüpp zu dick, um vor ihrem Verfolger sicher davonzulaufen. „Komm.“ Jeanne schnappte sich Sindbad’s Hand; einen Moment später kletterten sie den nächstgrößten Baum hoch. Jeanne setzte sich auf einem dicken Ast ab, während Sindbad sich auf der anderen Seite des Stammes niederließ. Sie hielten sich am Baumstamm fest und blickten herunter. Die Schritte näherten sich. Jeanne’s Augen weiteten sich. Das erste was sie sah, waren rote Haare. Sie beugte sich etwas weiter herab, um einen besseren Blick auf ihren Verfolger erhaschen zu können. Es war ein junger Mann von großer Statur und in schwarzen Klamotten gekleidet. Ohne Zweifel– „Hijiri Shikaidou“, murmelte Sindbad, „Was macht dein Ex hier?“ „Ironie, dass ich ihn wahrhaftig in der Hölle wiedersehe“, knirschte Jeanne mit den Zähnen. Sie sprang so schnell vom Baum herunter, dass für eine Sekunde alles um sie herum verwischte. Gezielt landete sie auf Hijiri, sodass er schmerzlich aufkeuchen musste, als sie zusammen auf dem Boden landeten. Sie schlug ihm hart in den Magen und er krümmte sich vor Schmerz zusammen, während sie aufsprang. Kurz blickte sie über ihre Schulter und sah, dass Sindbad ihr gefolgt war und einige Schritte hinter ihr stand. Jeanne ließ ihr Kreuz zu ihrem Schwert werden und hielt es an Hijiri’s Hals. Dieser lag flach auf dem Boden und stierte sie an. „Was zum Henker machst du hier?“, verlangte sie zu wissen. „Auch schön dich wiederzusehen, Maron.“ Hijiri drehte seinen Kopf und spuckte Blut. Er wischte sich über den Mund und hinterließ eine rote Spur auf seiner Hand. Es überraschte Jeanne in dem Moment nicht, dass er wusste wer sie war. Sie blickte ihn gefasst an. „Jetzt weiß ich endlich, was du all die Nächte immer getrieben hast. Von wegen du hattest für die Schule gelernt“, fügte Hijiri hinzu. „Und nun?“, entgegnete Jeanne gleichgültig. „Als ob das noch irgendjemand interessiert. Wichtiger ist wohl, was du hier zu suchen hast?“ Doch statt ihr zu antworten, zu Hijiri ihr hoch. „Hey!“ Verachtung war in Jeanne’s Stimme zu vernehmen. „Ich rede mit dir.“ Schließlich realisierte Jeanne, dass Hijiri nicht sie anstarrte, sondern hinter sie blickte. Sindbad kam auf beide zu und hielt ebenfalls ein Schwert in der Hand, den Blick mit einer beängstigenden Kälte auf Hijiri gerichtet. „Du hast einen Pakt mit dem Teufel geschlossen“, sagte er ruhig, „Dadurch bist du der Polizei entkommen, nicht wahr?“ Hijiri stützte sich mit seinen Ellenbogen etwas auf. „Du brauchst nicht so tun, als ob du was Besseres wärst, Chiaki Nagoya“, zischte er und wandte sich an Jeanne. „Was findest du nur an ihn? Im Grunde genommen sind er und ich ziemlich gleich-“ „Chiaki ist kein verrückter Psychopath wie du!“, entgegnete sie ihm spitz. „Sag“, meldete sich Sindbad wieder zu Wort, „Bist du hier, um uns zu töten?“ „Offensichtlich!“, lachte Hijiri boshaft auf. Jeanne sah mit einem alarmierenden Ausdruck zu Sindbad rüber. Unbewusst ließ sie die Spitze ihres Schwertes sinken. „Und glaub jetzt ja nicht, dass ihr beiden mir überlegen seid“, sagte Hijiri in einem drohenden Ton, während wieder er auf die Beine kam. „Als ob ich alleine hinter euch her bin.“ Jeanne ging einen Schritt zurück, nicht wissend was sie tun soll. Es wäre ein leichtes Hijiri bewusstlos zu schlagen. Und dann? Ihn fesseln? Oder ihn irgendwie zur Erde zurückschicken? „Aber bevor sich irgendwer einmischen kann, werde ich dafür sorgen, dass ich meine Rache bekomme-“ Bevor Jeanne es auf irgendeiner Weise registrieren konnte, hatte Sindbad mit einer blitzschnellen Bewegung sein Schwert in Hijiri’s Herz getrieben. Hijiri’s Körper begann zu zucken. Er hustete und spuckte Blut. Seine Augen waren dabei auf Sindbad fixiert, blickten ihn ungläubig an. Dieser zog sein Schwert heraus und Hijiri fiel zu Boden. Jeanne drehte sich zu Sindbad um. „Was hast du gerade getan?“, fragte sie fassungslos. Sindbad bückte sich, um die blutige Klinge auf dem Gras zu reinigen. „Jemanden getötet, der vorhatte uns zu töten.“ „Du hast ihn ermordet!“ „Sei realistisch, Maron. Er wurde geschickt, um uns zu ermorden. Er hätte es getan, wenn ich ihm nicht zuvorgekommen wäre.“ Jeanne fühlte sich wie als würde sie keine Luft bekommen. Sie versuchte nicht auf Hijiri’s leblosen Körper zu blicken. „Du kannst trotzdem nicht einfach einen anderen Menschen töten. Menschen tun sowas nicht. Menschen mit Gefühle tun sowas nicht!“ „Mag sein“, sagte Sindbad und ließ sein Schwert verschwinden, „Aber er war ein Problem und jetzt ist er keins mehr. Besser er stirbt als wir.“ „Wir sind Diebe! Keine Mörder! Das mindeste wäre einfach gewesen ihn bewusstlos zu schlagen und in unsere Welt zurückzuschicken!“ „Wieso bist du nicht froh darum, dass er komplett aus deinem Leben weg ist? Wenn ich dich daran erinnern darf, er wollte dich zweimal vergewaltigen.“ „Du verlangst von mir ernsthaft, dass ich glücklich über einen Mord sein soll?!“ Jeanne schaute ihn entgeistert an. Das brennende Gefühl von Tränen bahnte sich in ihren Augen an. „Das bist nicht du! Dein altes Ich wäre nie so weit gegangen!“ „Wenn ich ehrlich bin, wäre ich damals im Freizeitpark so weit gegangen.“ „Ach echt? Was hat dich dann abgehalten?“ Darauf hatte Sindbad keine Antwort. „Siehst du“, sagte sie, „Etwas in dir hatte dich davon abgehalten. Vielleicht Empathie? Etwas was dich noch menschlich machte. Und jetzt-….jetzt-...“ Jeanne versuchte tief durchzuatmen, doch sie konnte sich nicht beruhigen.   Alles drehte sich. Der kupferartige Geruch von Blut lag in der Luft und sie versuchte sich an einem Baum abzustützen. „Maron?“, hörte sie Sindbad hinter sich sagen. „Bitte lass mir für ein paar Minuten in Ruhe. Ich möchte allein sein“, sagte sie mit schwacher, monotoner Stimme. Damit wandte sie ihm den Rücken zu. Sindbad seufzte. „Okay. Ich lasse dich kurz allein und komme gleich wieder.“ Jeanne konnte hören, wie er sich abwandte und ging. Sie blickte hinter sich und sah wie er hinter den Bäumen verschwand. *** Sindbad lief einige Minuten den Wald, angetrieben durch eine Rastlosigkeit, die er sich selbst nicht erklären konnte. Überhaupt war es für ihn schwer zu beschreiben, was er in letzter Zeit fühlte. So konnte er sich auch nicht erklären, was ihn dazu getrieben hatte Hijiri zu töten. Oder was er danach gefühlt hatte. Es war wie als wären jegliche Worte, die er zum Beschreiben seiner Gefühle brauchte aus seinem mentalen Wortschatz verschwunden. Was er sagen konnte, war dass er sich leicht fühlte. Wie als würde das Gewicht von permanenter Angst und Schuld, welches er mit sich trug nicht mehr existieren. Doch war es falsch diese Leichtigkeit zu fühlen? Für einen Moment blieb Sindbad abrupt stehen, als er ein schwaches Wispern hörte. „Du spielst mit dem Feuer.“ Er drehte sich um und blickte in alle Richtungen. Doch es war niemand zu sehen. Noch immer war das Wispern zu hören. Teilweise waren es mehrere, kindliche Stimmen, die undeutlich und alle auf einmal auf ihn einsprachen. Es war wie als würde der Wald zu ihm sprechen. „Ein Mensch, der seine Menschlichkeit ablegt-…“ „-macht ihn nicht besser als ein Dämon.“ „Ich bin besser“, entgegnete Sindbad. Die Stimmen kicherten. „Hier im Land der Schatten, können Sterbliche weder Leid noch Freude empfinden.“ „Sie sind in einem Käfig gefangen und werden nie wieder Glück empfinden.“ Unbeeindruckt hörte er zu, bis plötzlich eine Stimme so deutlich zu hören war, wie als würde man ihm die Worte direkt ins Ohr flüstern. „Du befindest dich in diesem Käfig, Junge.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken. „Die Liebe. Ein scheußliches Bund“, sagte eine andere Stimme höhnisch, „Und so leicht zu zerstören.“ „Haltet die Klappe“, presste Sindbad zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es pochte in seinem Kopf. „Sie scheint dir doch nichts mehr zu bedeuten. So wie sie dich ansieht. Als würdest du nicht mehr bei ihr sein, obwohl du direkt neben ihr stehst.“ Ohne den Stimmen weitere Beachtung zu schenken, ging Sindbad davon. Jeanne stand an einem großen Baum gelehnt am Rande des Waldes und blickte gedankenverloren zum Palast. Er war nur noch wenige Kilometer entfernt. Drachenartige Kreaturen flogen in dessen unmittelbarer Nähe und kreisten um die Türme. Vor ihr waren Gesteine, Felsen und trockene Gestrüppe zu sehen. In Sichtweite waren auch Gebäuderuinen zu erkennen. Wir sind gleich bei euch, Fin…, dachte sie sich, schloss kurz die Augen und drehte sich mit dem Rücken zum Stamm. Ein schwerer Seufzer entkam ihr. Im nächsten Moment begann sie zu zittern und sie schlang ihre Arme um ihren Körper. Noch immer konnte sie das Bild von Hijiri’s toten Körper nicht vergessen. Energisch schüttelte Jeanne den Kopf und versuchte tief ein- und auszuatmen. Dann öffnete sie ihre Augen und sah betrübt zu Boden. Sie vermisste Chiaki. Sie vermisste ihn schmerzlich, wie als hätte sie ihn seit Wochen oder Monate nicht mehr gesehen. So fühlte sich es für sie an. (Vielleicht war auch bereits so viel Zeit auf der Erde vergangen.) Sie wünschte mit Miyako jetzt reden zu können. Oder Fin. Ihre besten Freundinnen würden sie verstehen. Doch konnte sie selbst ihnen von dem Bann erzählen, welches Chiaki seine Emotionen genommen hatte? Jeanne war sich nicht sicher. Ein Rascheln war auf einmal zu hören und im nächsten Moment tauchte Sindbad auf. Für einige Sekunden war es still zwischen ihnen, bis Sindbad das Schweigen durchbrach: „Wegen vorhin... Du weißt, dass ich alles tue was auch immer nötig ist, um uns am Leben zu behalten. Ich dachte, du würdest mich verstehen.“ Jeanne zuckte innerlich zusammen. „Das ist was anderes“, erwiderte sie, hob ihren Kopf und sah ihm direkt in die Augen, „Weißt du… Ich habe mich in dich verliebt, weil ich weiß dass du ein gutmütiger Mensch bist. Jemand, der hinter seiner Fassade ein gutes Herz hat. Jemand, der sich für die Menschen einsetzt, die ihm wichtig sind. Selbst nachdem ich deine wahre Identität herausgefunden habe, habe ich an dich geglaubt.“ Er sah weg. Jeanne sprach weiter: „Doch jetzt fällt es mir schwer an diesen Glauben festzuhalten. Du bist wie ein komplett anderer Mensch und es fällt mir schwer damit klarzukommen.“ Sindbad ging auf sie zu. „Ich hatte keine Ahnung, dass dich das so erschüttern würde.“ „Natürlich hattest du keine Ahnung.“ Ihn so nah zu haben, ließ Jeanne’s Herz unbewusst schneller schlagen. „Du hattest keine Ahnung, weil du keine Gefühle hast. Weil du all deine Emotionen abgeschalten hast. Nicht nur zu mir, sondern auch zu allem anderen.“ „Das stimmt nicht“, sagte er. „Was stimmt nicht?“ Er hob seine Hand und seine Fingerspitzen strichen leicht über ihren Unterarm. Die Stelle an der er sie berührte kribbelte, wie als würden all ihre Nerven sich darin konzentrieren. „Es ist nicht so, dass ich gar keine Gefühle mehr habe.“ Er klang verloren und leicht verwirrt. „Ich verstehe zwar nicht ganz, was das ist, was ich gerade fühle. Was ich auf jeden Fall weiß ist-… Ich will nicht, dass du aufgebracht bist.“ Er legte seine Hand zärtlich auf ihre Wange, strich mit dem Daumen über ihre Haut. Sie erstarrte. Ihr Gesicht begann zu glühen. „Es tut mir leid, Maron“, sagte er, „Entschuldige. Für alles.“ Ihr Herz machte einen Sprung. Mit einem leisen Schluchzer reichte sie nach ihm, schlang ihre Arme um ihn. Er erwiderte die Umarmung, beugte sich anschließend zu ihr herunter und küsste sie. In dem Moment war alles für Jeanne wie vergessen. Der Kuss war heiß und mit einem Hauch von Begierde gezeichnet. Seine Lippen bewegten sich auf ihren, seine Finger fuhren über ihre Wangen und fanden sich auf ihrem Nacken wieder. Er drückte sie enger an sich. Sein Körper reagiert so wie sonst auch…, dachte sie sich. Ob Gefühle oder gar keine Gefühle. Dies brachte eine heillose Befriedigung mit sich. Er empfand etwas für sie, selbst wenn es nur etwas Körperliches war. Außerdem sagte er, dass ihm alles Leid täte. Bestimmt hatte das etwas zu bedeuten. Vielleicht ließ der Bann nach. Vielleicht hielt es nicht dauerhaft. Vielleicht— Ohne dass der Kuss unterbrochen wurde, wurde Jeanne mit dem Rücken gegen den Baum hinter sich gedrückt, was sie leise aufkeuchen ließ. Sindbad küsste ihren Mundwinkel, wanderte ihren Hals hinab und küsste ihren Puls. Sie spürte seine Lippen sanft auf ihrer Haut; seine Hände fuhren unterdessen ihre Beine hoch, verschwanden unter ihrem Rock. Ihr Verstand begann langsam auszusetzen. Lass es geschehen, sagte ihr Körper. Er wusste, wo sie es liebte berührt zu werden. Was sie vor Lust erschaudern ließ. Was für eine Wirkung er auf sie hatte. Nur Chiaki konnte dieses Feuer in ihrem Inneren auslösen. Nur er allein. Ihre Augen öffneten sich leicht; ihr Blick war benebelt von Verlangen. Schließlich bemerkte sie, wie Sindbad sie ansah. Seine blauen Augen wirkten kühl und bedachtsam. Jeanne fühlte sich wie, als hätte man ihr einen Eimer eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Sie rang fast nach Luft. „Ich will nicht, dass du aufgebracht bist“, hatte er gesagt. Seine Hände hielten sie immer noch fest. Gerade als er sie erneut küssen wollte, flüsterte sie gegen seine Lippen: „Es tut dir eigentlich nicht leid, oder?“ Er stoppte sich und sah ihr in die Augen. Jeanne kannte diesen Blick. Er überlegte, was das Richtige wäre zu sagen. Nicht die Wahrheit, sondern das Beste, Schlauste. Etwas womit er das bekommen würde, was er wollte. Und was er wollte, war sie zu manipulieren. Indem er ihr Reue für seine Taten vortäuschte. Indem er ihr die Zuneigung vorspielte, die sie von ihm misste. Indem er ihre Gefühle für ihn ausnutzte. Damit sie kein emotionaler Handicap für ihn mehr war. Er ließ von ihr los und ging einen Schritt zurück. Sein Gesichtsausdruck war immer noch eine unlesbare Maske. Bevor Sindbad was sagen konnte, waren plötzlich zwei Stimmen in unmittelbarer Nähe zu vernehmen. Sofort hielten sich die beiden Diebe hinter den Bäumen bedeckt und spähten vorsichtig hervor.         ----------------------------------------- Hoffe das Kapitel hat den einen oder anderen gefallen :‘) Wird zwar wieder eine Weile dauern, aber bis zum nächsten Mal! Chapter 22: The Castle ---------------------- Chapter 22: The Castle   „Wo sind sie? Sag bloß nicht, der Neue hat sie schon getötet?“, sprach eine weibliche Stimme in einem herablassenden Ton. „Würde ich ihm nicht zutrauen“, sagte eine männliche Stimme. Zwei verhüllte Figuren standen wenige Meter von den beiden Kaitos entfernt. Beide trugen weite, schwarze Umhänge mit übergezogener Kapuze. Bei der kleineren von beiden lugten lange, blonde Haare unter ihrer Kapuze hervor. Jeanne versuchte ihre Gesichter auszumachen, doch aufgrund dessen dass die beiden zusätzlich noch Masken trugen, die ihre unteren Gesichtshälften verdeckten, konnte sie nichts erkennen. Sie blickte zu Sindbad neben ihr auf, der die beiden genauestens beobachtete. Sein Gesichtsausdruck wirkte so normal, wie als wäre vor wenigen Momenten nichts gewesen. Jeanne wusste ihren eigenen Gesichtsausdruck nicht einzuschätzen, doch sie wusste wie sie sich fühlte: als hätte man ihr ein Loch durch ihr Inneres geschlagen. „Die beiden sind Dämonenritter“, hörte sie Sindbad leise wispern. Jeanne nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis und spähte vorsichtig zu ihnen rüber. Noch immer waren sie miteinander am Reden. „Wir haben den ganzen Wald nach diesem dämlichen Verräter und seiner Kamikaze-Diebin abgesucht, Ecadus!“, murrte die Dämonenritterin. „Was ist, wenn wir unsere Zeit hier verschwenden und die beiden schon auf dem Weg zum Palast sind?“ „Als ob sie lebend dort ankommen, ohne vorher von den anderen entdeckt zu werden, Avea“, entgegnete Ecadus. „Ich wette, dass sie sich noch immer hier irgendwo aufhalten.“ Avea stöhnte genervt auf und stieß einige unverständliche Flüche aus. Jeanne sah, wie sie ihnen den Rücken zukehrten und dabei waren zu gehen. Zögernd tauschte sie mit Sindbad einen stummen Blick aus, der auf einmal einen Dolch in seiner Hand hielt. „Was hast du vor?“, flüsterte sie. „Ich habe eine Idee“, antwortete er ihr, „Folge mir.“ Im nächsten Moment lief er lautlos auf die Dämonenritter zu und schlug Ecadus mit dem Griff seiner Waffe auf dem Hinterkopf. Dieser schwankte auf die Knie. Avea drehte sich zu dem Dieb um. „Sindbad!“, zischte sie. Bevor sie einen Angriff machen konnte, hatte Jeanne sie mit ihrem Band gefesselt. „Und jetzt? Wir töten sie jetzt aber nicht, oder?“, fragte die Kamikaze-Diebin argwöhnisch. Sindbad schlug seinen Gegner mit einem weiteren Schlag zu Boden. „Es reicht, wenn sie bewusstlos sind.“ Etwas erleichtert atmete sie aus und schlug anschließend die Dämonenritterin nieder. „Schnapp dir ihren Umhang und die Maske. Wir geben uns als die beiden aus und Mischung uns damit unauffällig unters Volk,“ sagte Sindbad und entfernte von Ecadus die besagten Kleidungsstücke. Jeanne tat dasselbe bei Avea. Kurz musterte sie die beiden. Ecadus war ein jung aussehender Mann mit kurzen, dunkelgrauen Haaren sowie harten Gesichtszüge. Avea erschien wie eine zierliche junge Frau mit schmalem Gesicht und spitzem Kinn. „Und du denkst, das funktioniert?“ Jeanne beäugte die Sachen kritisch. „Bisher sind wir noch nicht vielen Dämonen begegnet. Allerdings wird es in der Nähe des Palasts bestimmt von ihnen wimmeln, weshalb wir uns so gut wie möglich tarnen müssen. Mich kennt man hier und du bist auch nicht unbekannt in dieser Welt. Aber mit den Kapuzen und den Masken sind unsere Gesichter sicher verdeckt“, erklärte er und zog sich Ecadus’ Umhang über. „Bei dir und ihr stimmen die blonden Haare. Versuch außerdem deine weißen Sachen so gut es geht zu verbergen.“ Sie nickte verstehend und tat wie ihr geheißen. Die weißen Handschuhe zog sie sich aus und steckte sie sich weg. „Übrigens-“ Jeanne ging auf Sindbad zu und schlug ihm mit ihrer Handfläche kräftig über das Gesicht. „Das ist für vorhin“, sagte sie in einem bitteren Unterton. Dann zog sie sich die schwarze Maske an sowie die Kapuze tief über den Kopf. Sindbad sah ihr etwas überrascht dabei zu und tat es ihr anschließend nach. Kurz darauf machten sie sich auf den Weg in Richtung des Palastes.   Jeanne wusste nicht, wie lange sie liefen. Der Pfad zum Palast erschien länger, als es der Anschein machte. Dennoch wusste sie, dass sie sich ihn mit jedem Schritt allmählich näherten. Denn sie konnte Details erkennen, die sie bisher aus der Ferne nicht gesehen hatte. Wie zum Beispiel die massive Mauer aus Ranken und Dornen, die sich um das dunkle Gebäude befand und dessen scharfen Spitzen sie selbst aus mehreren Kilometern erkennen konnte. Unwillkürlich musste Jeanne an ein altes Märchen denken, in der eine schlafende Prinzessin in einem Schloss eingesperrt war, welches von einer Mauer aus Dornen geschützt war. Sie spürte, wie die Temperaturen ihrer Umgebung immer weiter sanken und sie sogar ihren Atem durch die Maske sehen konnte. Leicht zitternd rieb Jeanne sich ihre Arme unter dem Umhang. „Denkst du, wir kommen in dieser Verkleidung auch in den Palast rein?“, fragte sie Sindbad. „Wäre vom Vorteil, wenn wir es können“, antwortete er ihr. Einige Zeit später hatten beide den Palast erreicht. Sie waren umgeben von Ruinen, die Überreste einer Stadt. Dämonen und Dämonenrittern schwirrten an ihnen vorbei, schenkten ihnen allerdings kaum Beachtung. Tote Körper lagen alle paar Meter um sie herum. Jeanne spürte, wie sich ihr Magen drehte. Sie fühlte sich wie als würde sie mitten in eines ihrer Albträume befinden. Die Hecke aus Dornen, welches das große Gebäude umgab, sah in keinem Fall aus als bestände es aus einfachen Rosenbüschen. Von dem was Jeanne erkennen konnte, hatten die Dornen die Farbe aus Metall und waren locker bis zu vierzig Zentimeter lang. Gelegentlich waren weiße große Blumen zu erkennen. Die Wände des Palastes waren in einem schwarz-grauen Ton gefärbt und mit nur wenigen Fenstern versehen. Jeanne lief ein Schauder über den Rücken. Sie zog sich den Umhang enger um. Sindbad stand regungslos neben ihr, seine Kapuze verdeckten seine Augen. Die Diebin sah sich weiter um. Ein Tor war in der dornigen Hecke zu erkennen, welches sich ab und an öffnete. Wachen standen davor und hielten jeden an, der durch das Tor passieren wollte. Sie konnte beobachten, wie ein Dämonenritter seine Maske abnahm und die Kapuze von seinem Kopf entfernte, bevor er in das Gebäude rein konnte. Jeanne wandte sich leicht zu Sindbad um. „Ich glaube, wir müssen uns erkenntlich machen, wenn wir dadurch wollen“, wisperte sie ihm zu. „Wir können unmöglich unsere Gesichter zeigen“, murmelte er. „Irgendwelche Ideen, wie wir die Wachen umgehen können?“ „Im Moment nicht.“ Mit Gewalt da durchkommen, wäre zu riskant..., überlegte sie. Plötzlich erklang eine fremde Stimme hinter ihnen. „Ecadus! Avea!“ Jeanne versuchte nicht zusammenzuzucken und blickte panisch zu Sindbad rüber, der gefasst blieb und sich zu dem Fremden umdrehte. „Silk“, sagte er. Jeanne fühlte sich wie, als hätte Eis ihre Venen besetzt, dennoch zwang sie sich ebenfalls umzudrehen. Vor ihnen stand ein Junge, der aussah als wäre er ein Teenager. Nur das Horn auf seiner Stirn verriet ihr, dass er kein Mensch war. „Was macht ihr beide hier? Solltet ihr nicht mit unserem Neuling auf Mission sein?“, fragte Silk. „Wir wollten gerade aufbrechen“, antwortete Sindbad ihm, „Was den Neuen angeht, so wollten wir ihm einen Vorsprung geben.“ Silk zog skeptisch seine Augenbrauen zusammen. Jeanne spürte, wie sich ihr Körper anspannte. „Du hältst uns gerade auf“, sprach Sindbad weiter, die Stimme kalt und ohne Emotionen, „Schließlich sollten wir unserem Herrn die Köpfe der beiden Diebe überbringen.“ Silk schmunzelte sadistisch vergnügt. „Wie gern ich mit euch tauschen würde.“ Jeanne war mehr als erstaunt darüber, dass er ihm so leicht glaubte. Auf einmal blickte Silk sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Warst du eigentlich schon immer so still?“ Verdammt..., dachte sie sich, Unsere Tarnung darf nicht auffliegen! Sie richtete sich gerade und setzte einen ausdruckslosen Blick auf. „Ich bevorzuge es zu töten, statt zu reden“, erwiderte Jeanne so kalt wie sie konnte. Silk lachte belustigt auf. „Ach, wirklich? Wie du meinst, Blondie-“ Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte Jeanne Silk auf dem Boden fixiert und dessen Arme auf seinen Rücken verrenkt. „Niemand nennt mich Blondie und behält seine beiden Kniescheiben!“, fauchte sie ihn an. „Zum Teufel! Reg dich ab, Avea!“, ächzte er, „Okay, ich nenn dich nie wieder Blondie! Alles klar?“ „Gut! Ansonsten sorg ich dafür, dass wir unserem Herrn noch deinen Kopf überreichen.“ Jeanne ließ Silk los und wandte sich an Sindbad. „Komm, Edacus, der Idiot hat uns lange genug aufgehalten.“ Damit entfernten die Diebe sich gezwungenermaßen vom Palast.   Außer Sichtweite von den Dämonen hielten sie sich anschließend hinter einer zerfallenen Gebäudewand versteckt. Noch immer befanden sie sich in der Stadt, allerdings am äußersten Rande. Jeanne atmete tief ein und wieder aus. Sie überlegte fieberhaft, was sie tun konnten. Schließlich kam ihr eine Idee. Mit einem Kopfnicken gab sie Sindbad zu verstehen, ihr zu folgen. Mit schnellen Schritten und dennoch vorsichtig, versuchten sie sich wieder dem Palast zu nähern. Dabei liefen sie außerhalb der Stadt entlang und vermieden es von den Dämonen gesehen zu werden. Schließlich befanden sie sich auf der hinteren Seite des massiven Gebäudes, in der sich glücklicherweise niemand befand. Atemlos sah Jeanne Sindbad an. „Nicht schlecht“, sagte er. Jeanne konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wir Diebe brauchen keine Türen, um irgendwo reinzukommen“, sagte sie und sah zum Palast auf. Ein einziges, glasloses Fenster war in den Gemäuern zu sehen. Sindbad nahm seine Maske ab und schob sich die Kapuze runter. Seine Wangen waren von der kalten Luft gerötet. Sie schätzte, dass ihre Tarnung nicht mehr von Bedeutung war. Wie als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Wir brauchen die Tarnung hier nicht mehr.“ Sie nickte, nahm ihre Maske ebenfalls ab und entfernte die Kapuze von ihrem Kopf. Beide liefen auf die hohe Hecke zu, welches das Gebäude umkreiste. Ein engverwebtes Gewirr von Ranken ragte meterhoch über ihnen empor. Vom nahen sah die Hecke aus, als wäre sie aus Stahl gemacht. Lange, spitze Dornen stachen aus allen Winkeln heraus. Manche waren so lang wie Schwerter. Was Jeanne für weiße Blumen gehalten hatte, waren letztlich Skelete, die zwischen den Ranken hingen. Sie zog nervös Luft ein. „Das ist unmöglich da durchzukommen“, sagte Sindbad, als er aufschaute. „Wir könnten warten. Und versuchen uns durch das Tor einzuschleichen.“ „Wir können nicht mehr länger warten“, entgegnete Jeanne ernst und umfasste ihr Kreuz, welches sich im nächsten Moment zu ihrem Schwert transformierte. Sie legte die Kante an eines der Dornen an und schnitt durch sie hindurch. Sie hatte einen gewissen Widerstand erwartet, doch es gab keinen. Der Dorn ließ sich einfach abschneiden, hinterließ dabei einen Stumpf, aus dem ein gräulicher Saft heraustropfte. „Ugh“, entkam es ihr angeekelt, während sie den abgefallenen Dorn wegkickte. Ein seltsamer Geruch entkam aus der beschädigten Stelle. Jeanne nahm tief Luft, versuchte ihre innere Unsicherheit zu mindern. „Okay. Ich versuche mir meinen Weg durchzuschneiden“, sagte sie. „Ich kann schon den Palast durch die Ranken sehen“, fügte sie hinzu, wies dabei auf die Lücken zwischen den Ranken hin, die groß genug waren, um einen Menschen durchzubekommen. „Maron—“ Sindbad schien als wollte er nach ihr reichen, ließ seine Hand jedoch wieder fallen. „Mir gefällt das nicht. Wir sind nicht die ersten, die versucht haben durch diese Hecke hindurchzukommen“, sagte er und deutete mit seinem Kinn in Richtung der Skelete über ihnen und um sie herum. „Aber wir werden die ersten sein, die auf die andere Seite kommen“, sagte Jeanne mit einem Wagemut, den sie sich selbst vormachte. Sie ging mit einem weiteren Schwerthieb auf die Hecke zu. Dornen prasselten wie leichter Regen auf sie herab. Je weiter sie in die Hecke vor drang, desto dunkler wurde es um sie herum. Das Gestrüpp war so breit wie eine Autobahnspur und die Ranken über ihr waren so dick ineinander verwebt, dass sie eine dichte Decke über den Himmel bildeten. Jeanne hörte, wie Sindbad nach ihr rief. Doch, wieso war seine Stimme so dumpf? Sie blickte verwundert nach hinten— und erstarrte. Entsetzen breitete sich in ihrem Gesicht aus. Die Hecke hatte sich hinter sie verschlossen. Sie war gefangen. Umgeben von einer dicken grau-grünen Wand, übersät mit tödlichen Dornen. Sie versuchte sich weiter durchzuschneiden, doch ihr Schwert prallte mit einem Klirren am nächstgelegenen Dorn ab, wie als wäre es wirklich aus Stahl gemacht. Ein scharfer Schmerz traf ihre Brust. Die Ranken bewegten sich, drangen langsam zu Jeanne heran. Die scharfe Spitze einer Ranke stach sie über ihr Herz, ein weiterer durchstach ihr Handgelenk. Sie zuckte zusammen und ließ ihr Schwert fallen. Mit einem kurzen Lichtfunken verwandelte es sich in ihr Kreuz zurück, welches wieder an ihrer Brust hing. In der Position, in der sie eingeengt wurde, war es unmöglich wieder nach ihrer Waffe zu greifen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während sich die Ranken ihr mit jeder Sekunde näherten. Sie konnte die Skelete sehen, die sich mit den Ranken bewegten. Die Überbleibsel derer, die ebenfalls in dieser Hecke eingekerkert waren - und nicht überlebt hatten. Die Spitze eines Dorns schnitt ihr über die Wange und warmes Blut rannte ihr das Gesicht herunter. Jeanne wich zurück und weitere Dornen stachen ihr in Rücken und Schultern rein. Ich werde sterben...!, ging es ihr verzweifelt durch den Kopf, Todesangst schwärzte ihre Gedanken. Aber sie war eine Gesandte Gottes, die Kamikaze-Diebin Jeanne. Sie war stark. Sie sollte keine Angst haben. Und dennoch- Jeanne schloss ihre Augen und dachte an Chiaki, ihre Eltern, ihre Freunde. Bat sie alle um Vergebung. Sie dachte immer, wenn sie eines Tages sterben sollte, dann höchstens in einem heldenhaften Kampf. Und nicht allein, zerquetscht von tausenden von Klingen. Etwas stach ihr in den Hals. Gott, bitte hilf mir..., flehte sie innerlich. Noch immer hörte sie Sindbad ihren Namen rufen— Plötzlich spürte sie etwas in ihrer Hand. Ihrer Finger schlossen sich reflexartig um diesen Gegenstand. Bevor Jeanne es selbst realisierte, wusste ihr Körper schon, dass es ein Schwert war. Sie öffnete ihre Augen und sah ein prachtvolles Schwert mit einer goldenen Klinge. Es war nicht ihr Schwert. Es sah edler aus, wie als wurde es aus Engelshänden erschaffen. Für Fragen gab es keine Zeit. Sie schwang ihren Arm hoch. Kein Widerstand. Das neue Schwert schnitt durch die Dornen und Ranken problemlos hindurch. Saft spritze heraus, brannte auf Jeanne’s offenen Wunden, aber sie ignorierte den Schmerz. Wieder und immer wieder schnitt sie alles in ihrer unmittelbaren Nähe ab, die Ranken fielen in sich zusammen. Die Hecke regte und krümmte sich, wie als hätte sie Schmerzen und die Ranken zogen sich zurück, als hätten sie Angst vor dem Schwert. Vor ihr sowie hinter ihr öffnete sich ein Durchgang. Jeanne rief nach Sindbad, um ihr zu folgen. Anschließend rannte sie in Richtung des Palastes. Außerhalb der Hecke fiel sie auf die Knie, hielt das goldene Schwert noch immer fest umklammert. An ihren Händen klebte ihr Blut sowie der Saft der Ranken. Sie atmete schwer, rang nach Luft. Blut lief ihr noch aus den Wunden. Ein Schatten breitete sich im nächsten Moment über ihr aus. Es war Sindbad. Er kniete sich gegenüber von ihr hin, sein Gesicht leichenblass. Er fing sie an den Schultern auf und Jeanne verkniff es sich vor Schmerz zusammenzuzucken. Dass er sie hielt, war ihr der Schmerz wert sowie auch sein Ausdruck im Gesicht. „Maron“, sagte er, „Das war unglaublich. Wie—?“ Sie hielt das Schwert hoch. „Gott hatte mir geholfen“, sagte sie dankbar und ehrfürchtig zugleich. Blut tropfte auf die Klinge herab, bevor es zu schimmern begann und verschwand. In dem Moment hielt sie nichts als leere Luft, ihre Finger hielt sie immer noch an den Stellen gekrümmt, wo sich der Griff befunden hatte. Sindbad ließ ihre Schultern los, riss ein Stück Stoff von seinem Umhang ab und strich damit mit einer überraschenden Sanftheit über ihre Wange. Auch wenn ihre Wunden zu heilen begannen, so wischte er ihr dennoch fürsorglich das Blut weg. Die Freude, die Jeanne verspürte, ließ alle Horrormomente der letzten Minuten für einen Augenblick vergessen. Sie wusste, dass er sie nicht lieben konnte, doch in dem Moment fühlte es sich so an, als würde er es tun. *** Nachdem Jeanne und Sindbad sich durch das Fenster Zugang verschafft hatten, stand ihnen die nächste Hürde bevor: die Engel zu finden. Das Innere des Palastes war mit unzähligen Gängen, Korridoren, Treppen und Räumen versehen. Die beiden Diebe hatten wieder ihre Kapuzen aufgesetzt und hielten sich im Schatten bedeckt. Mit Vorsicht inspizierten sie jedes einzelne Zimmer, welches sie passierten. Gerade als sie wieder in einen Durchgang abbiegen wollten, hörten sie Stimmen. Eine Stimme erkannte Jeanne sogar. Sie blickte um die Ecke – und sah Noyn. Sindbad neben ihr zog scharf Luft ein. In seiner Hand hielt er eine Waffe. Seine Augen waren fixiert auf Noyn. Sein Körper versteifte sich, jeder einzelne Muskel war angespannt. Er will ihn töten…! Jeanne erkannte sofort, was in ihm losging. Sie zerrte an ihm, zwang ihn sie anzuschauen. „Nicht.“ Sie sprach in einem harschen Flüstern. „Nicht jetzt.“ Sindbad atmete schwer, wie als hätte er einen Sprint hinter sich. „Lass mich los, Maron.“ „Wenn er uns sieht, sind wir dran“, zischte sie. „Er muss für das was er getan hatte sterben.“ Er sah sie mit kalten, blauen Augen an. „Lass mich ihn töten—“ „Wir werden beide hier sterben, wenn du es versuchst! Denk an deine Familie, an Minami. Du wirst niemand einen Gefallen tun, wenn du stirbst!“ Sindbad schwieg, die Finger seiner freien Hand schlossen und öffneten sich. Im nächsten Augenblick ließ er seine Waffe verschwinden und blickte ungläubig zu Boden. Jeanne konnte sehen, dass Noyn hinter einer Ecke verschwunden war. Erleichtert atmete sie aus. Sie war sich nicht sicher, ob sie Sindbad mit der Erwähnung seiner Familie wirklich besänfigten konnte, doch solange sie ihn davon abhalten konnte sich Hals über Kopf in den Selbstmord zu stürzen, war es ihr egal. Jeanne nahm Sindbad’s Hand und gemeinsam liefen sie den Gang entlang sowie die nächste Treppe runter. Dass sie am ganzen Körper zitterte, ignorierte sie. Sie spürte, wie Sindbad ihre Hand leicht drückte. Unter der steinernen Treppe hielten die beiden kurz an. Sindbad lehnte sich mit dem Rücken an der Wand an und ließ sich auf dem Boden runterrutschen. Seine Augen waren nach unten gesenkt. „Du hättest mich ihn töten lassen sollen.“ Seine Stimme war wie aus Eis. „Nein, Chiaki.“ Jeanne saß ihm gegenüber auf dem Boden und rieb sich die Schläfen; ihr Kopf schmerzte. „Du wärst definitiv getötet worden, hättest du es versucht.“ „Maron—“ „Nein!“ Sie ließ ihre Hände fallen. „Ich hasse ihn auch für das was er dir angetan hat. Aber es gibt gerade wichtigere Dinge als Rache. Unsere Mission ist unsere Engel zu retten. Mehr nicht!“ Jeanne atmete tief durch. „Außerdem wird dir Rache keinen Frieden geben“, sprach sie in einem ruhigeren Ton weiter, „Keine Befriedigung. Es wird dir gar nichts bringen, außer ein leeres, kaltes Gefühl.“ Lange war es still. Sindbad fuhr sich mit den Fingern durch die weißen Haare. Jeanne wollte auf ihn zukriechen und ihn anflehen, wieder der Chiaki zu sein, der er war. Doch das war wahrscheinlich unmöglich. „Also, was willst du damit sagen?“, fragte er letztendlich. „Niemand würde es dir übel nehmen Noyn zu töten“, antwortete sie ihm, „Doch dafür sind wir nicht hier.“ Sindbad sah zu ihr auf. „Wenn wir Fin und Access hier rausholen und es kommt doch zu einem Kampf, dann werde ich ihn töten.“ Jeanne musste schwer schlucken. „Wenn es die Situation zulässt…“ „Die Situation wird es zulassen. Und ich werde es schaffen. Ich bin ein besserer Kaito, als ich es vorher war.“ Er setzte sich auf und ging ein paar Schritte in den dunklen Korridor vor ihm rein. „Kommst du?“, fragte er. Sie nickte und stand auf. „Ich bin bei dir.“ Um dich vor dir selbst zu beschützen…, dachte sie sich innerlich.   Ein einziges Zimmer befand sich am Ende des Korridors. Als Jeanne die Türen öffnete, konnte sie nichts sehen bis auf schwarze Dunkelheit. „Wieder ni-“ „Maron!“ Die Angesprochene fuhr bei der Stimme zusammen. Sie ließ ihre Augen in alle Richtungen wandern bis sie zwei schwache Lichter aufleuchten sah. Grün und Lila. „Sie sind hier“, sagte Sindbad. „Sindbad?“ Jeanne rannte auf die Lichter zu und sah, wie die Engel vor ihr auftauchten. Eine magische Barriere umgab sie. „Gott sei Dank! Ihr seid endlich da“, rief Fin erleichtert aus.     Chapter 23: Escape ------------------ Nach diversen Alltagsstress und unzähligen Schreibblockaden geht’s auch hier weiter ^^   Kurz und schmerzlos (wie das Kap selbst ;b): Viel Spaß! ---------------------------------------------------------------   Chapter 23: Escape   „Gott sei Dank! Ich bin froh euch zu sehen.“ Jeanne wollte ihre Hand nach den Engeln ausstrecken, welche jedoch von der Barriere zurückgestoßen wurde und ihr einen elektrischen Schlag versetzte. „Argh…“ „Vorsicht…“, kam es von Fin schwach. Sindbad, der noch bei der Tür stand, ging zögernd auf sie zu. „Keine Sorge. Wir bringen euch schon hier raus“, sagte Jeanne entschlossen und schaute sich achtsam im dunklen Raum um. „Wäre wirklich schön, wenn ihr uns endlich aus diesem Käfig rausbringt“, entgegnete Access mit leichtem Sarkasmus. „Wir haben lange genug gewartet.“ „Wenn das euer sehnlichster Wunsch ist, dann hättet ihr während eurer Wartezeit von selbst versuchen können von hier wegzukommen“, sagte Sindbad. „Aber da ihr immer noch hier seid, hat das wohl nicht funktioniert.“ Access sah ihn mit verengten Augen irritiert an. „Sindbad...“, sagte Jeanne mit mahnender Stimme. „Sorry Leute, er hat keine Gefühle für jegliche Art von Empathie“, wollte sie hinzufügen, als in dem Moment Schreie von draußen hörte. „WO IST DIESE KAMIKAZE-SCHLAMPE?! ICH SCHWÖRE, ICH BRING SIE UM!“ Jeanne erstarrte, als sie die weibliche Stimme erkannte. „Sie sind zurück“, murmelte Sindbad zur Tür gewandt und holte seine Waffen hervor. „Wer?!“, fragten die Engel gleichzeitig. „Zwei Dämonenritter, die wir vorhin überwältig und deren Sachen geklaut haben.“ Jeanne verwandelte ihr Kreuz zu ihrem Schwert und schlug auf den magischen Käfig ein. Wie nicht anders zu erwarten, prahlte es von der unsichtbaren Kraft ab. Verbissen schwang sie ihr Schwert ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. „Das wird nichts nü-“, setzte Access an zu sagen, als auf einmal die Barriere um ihn herum anfing wie Glas zu zersplittern. Verblüfft starrten er und Fin die Kamikaze-Diebin an. „Ich sagte doch, ich bringe euch hier raus.“, grinste Jeanne zurfrieden. Fin flog auf sie zu und umarmte ihre Wange. „Ich habe dich vermisst, Fin.“ „Ich dich auch, Jeanne“, schniefte der Engel. Access wandte sich an Sindbad und zog eine Braue hoch. „Also, was meintest du eben mit sehnlichsten Wunsch?“ Sein Partner antwortete darauf nichts, sagte stattdessen: „Komm, gehen wir.“ Die vier verließen den Raum und liefen durch die Korridore. Immer wieder überprüften sie, ob irgendwelche Feinde um die Ecke kamen, was jedoch nicht geschah. „Irgendwas stimmt nicht”, merkte Jeanne argwöhnisch an. Gerade lief die Gruppe eine große Halle entlang. „Stimmt“, sagte Sindbad, „Es war niemand zu sehen und ungewöhnlich still ist es hier auch.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurden die vier von oben überfallen. Mehrere Gestalten sprangen von den Decken herab und warfen die Diebe sowie die Engel zu Boden. Jeanne und Sindbad wurden jeweils eine Klinge an den Hals gehalten und ihre Hände waren am Rücken fixiert. Um sie herum standen unzählige Dämonen. „Dachtet ihr, ihr kommt uns ungeschoren davon?“, kam es von Edacus, der über Sindbad kniete.  Jeanne konnte Avea über sich sadistisch lachen hören. Plötzlich vernahm sie Schritte sowie ein Klatschen. „Na sie einer an, wen haben wir denn da?“, sprach eine amüsierte Stimme. Noyn tauchte vor ihnen mit einigen Wachen auf und lächelte boshaft auf sie herab. „Du-“ Sindbad funkelte ihn mit hasserfüllten Augen an und versuchte aufzustehen. Doch Edacus drückte ihn noch fester auf den Boden. Noyn ignorierte ihn, den Blick auf Jeanne fixiert.  „Gib mir ihr Kreuz.“ Man nahm Jeannes Kreuz weg und gab es ihm. „Bringt sie zu mir“, befahl er anschließend. Sindbad machte einen protestierenden Laut. Jeanne sah, wie er sich so fest auf die Lippen biss, Blut rannte ihm das Kinn herunter. Er schien das Blut jedoch nicht zu bemerken. Avea zischte missbilligend, entfernte sich jedoch von Jeanne und zog sie grob auf die Beine. Eine Wache von Noyn, kam auf sie zu und führte sie zu Noyn. Sie fühlte komplett nackt und wehrlos ohne ihr Kreuz. Unmengen an Adrenalin schoss durch ihren Körper. Am liebsten würde sie sich auf ihn werfen, ihn treten und schlagen. Doch sie wusste, dass sie in Null Komma Nichts tot wäre, sollte sie es versuchen. Noyn reichte eine Hand nach ihr aus und strich mit seinen Fingern über ihr Gesicht. Jeanne zuckte bei Berührung merklich zusammen. Mit etwas mehr Schroffheit umfasste er ihr Kinn. „Wunderschön...“, die Art wie er sprach, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Wie meine Jeanne d’Arc.“ Er ließ sie los, reichte mit seiner Hand nach ihrer Haarschleife und zog daran. „So gefällst du mir aber besser. Schwach und gebrechlich“, grinste er kalt. „Was will du von mir?“, fragte Maron, zwang sich dabei gefasst zu klingen. „Hmm…“ Noyn lächelte hämisch. „Ich will, dass du dich unserem Herrn fügst.“ „Niemals!“, erwiderte sie direkt. „Ich habe noch nicht zu Ende geredet“, schmunzelte er, „Gott ist schwach. Es nützt nichts für ihn zu kämpfen. Bei uns wirst du stärker sein als jetzt. Viel, viel stärker. Verlockend, nicht? Wenn du akzeptierst, dann bleib das Leben der, die dir wichtig sind auch verschont.“ Noyn beugte sich zu ihr vor und flüsterte: „Du willst doch nicht, dass deinen Eltern beispielsweise dasselbe Schicksal erleidet, wie Nagoya’s kleine Schwester.“ Schockiert schnappte Maron nach Luft. Mama... Papa...! Sie zitterte. Bei den Gedanken, dass ihnen was zustoßen könnte, drehte sich ihr Magen. Ihre braunen Augen wanderten herab. Sie sah ihr Kreuz in Noyn’s linker Hand. „Ich verstehe“, wisperte sie in einem geschlagenen Ton. Zufrieden lachte Noyn in sich hinein. Er wandte seinen Kopf zu einer der Wachen, um womöglich ihm einen weiteren Befehl zu geben. In der Sekunde bewegte Maron sich so schnell wie sie konnte, entzog Noyn sein Schwert aus dessen Schwertscheide an seiner Hüfte und schwang es. Noyn schrie. Er stolperte einen Schritt zurück, fiel auf die Knie und schrie vor Schmerz. Blut breitete sich überall aus. Sein linker Arm fiel zu Boden. „Wie war das nochmal mit schwach und gebrechlich?“, blickte Maron ohne Emotionen auf ihn herab. Die Wachen und Dämonen standen für einen Moment erstarrt da, was Sindbad und die Engel nutzten, um sich von ihnen zu befreien. Fin und Access schossen dabei Energiestrahlen aus den Rubinen auf ihren Stirnen. Maron schnappte sich unterdessen ihr Kreuz, welches mit dem abgeschnittenen Arm auf dem Boden lag. Gleichzeitig kamen von jeder Seite Gegner, die sich auf sie stürzten. Maron blieb standhaft und blockte alles mit Noyn’s Schwert ab, jedoch fand sie keine Möglichkeit sich in Jeanne zu verwandeln. Sie blickte sich um. Ihre Freunde waren an jeder Ecke verteilt und kämpften ebenfalls.   „Fin!“ Die Grünhaarige drehte sich zu Access um, der auf sie zugeflogen kam. Dabei wehrte er immer wieder einige Dämonen ab oder wich deren Angriffe aus. Fin selbst war damit beschäftigt ihrer Gegner zu blocken. Sie durfte nicht zu viel Energie verschwenden. Schließlich brauchte sie genug Kraft für die Flucht. Sie erblickte Maron und Sindbad jeweils mehrere Meter entfernt und sah in ihren Gesichtern, wie die Erschöpfung in ihnen zunahm. Lange würden sie nicht mehr durchhalten. Sie mussten hier weg! Jetzt oder nie…!, dachte Fin sich. „Gib mir Rückendeckung, Access!“, rief sie dem Engel zu. Anschließend wandte sie ihm den Rücken zu. Ihre Hände begannen zu leichten und sammelte mit etwas Konzentration ihre letzten Kräfte, um ein Portal aus der Hölle hervorzubeschwören. Währenddessen versuchte Access jegliche Dämonenangriffe abzuwehren. Ein Feuerball ging jedoch an ihm vorbei. „FIN!“ Ehe sie sich umdrehen konnte, hatte Access sich schon schützend auf sie geworfen und fing den Angriff mit seinem Rücken ab.  „Access!“, rief Fin erschrocken. Dieser verzog schmerzlich das Gesicht, lies jedoch nicht von ihr los. Perplex stellte sie ihm nächsten Moment fest, dass sie keine Verbrennungen auf ihrer Haut spürte. Aber wie-… Dann sah sie, wie Access’ Flügel begannen zu leuchten. Ihre Augen wurden riesengroß. Das Licht erlosch nach wenigen Sekunden und weiße Flügel waren, anstatt schwarze auf seinem Rücken zu sehen. „Access... Du bist ein Grundengel...“, brachte Fin erstaunt hervor, hob ihre Hand und strich ihm sachte die Wange. „Gott hat dir verziehen. Weil du mich beschützt hast...“ Er atmete schwer, sah ihr dennoch mit einem Lächeln in die Augen. „Klar beschütze ich dich. Du bist schließlich meine Fin.“ Tränen bahnten sich ihren Augen an, die sie schnell wegblinzelte. „Komm, lass uns gemeinsam kämpfen“, sagten sie und zusammen traten sie zig Dämonen gegenüber.   Maron wusste nicht, wie viele Gegner sie schon niedergeschlagen hatte. Sie spürte, wie ihre Kräfte mehr und mehr nachließen. Plötzlich hörte sie Fin’s Stimme nach ihr und Sindbad rufen. Die Braunhaarige entdeckte sie unter der Menge mit Access, der zu ihrer minimalen Verwunderung weiße Flügel plötzlich hatte und mit einem magischen Schild ein paar Angriffe abwehrte. Sindbad war einige Meter von ihr und den anderen entfernt. „Lass sie nicht entkommen!“, hörte sie Noyn wutentbrannt schreien. Ich muss zu den anderen, dachte sie sich. Maron wollte anfangen zu rennen, als Feuer sich auf dem Boden ausbreitete. Der Rauch der Flammen behinderte ihre Sicht. Plötzlich stellt sich jemand ihr in den Weg. Es war die Dämonenritterin, Avea. Ihre dunklen Augen glänzten vor Blutlust. „Von dir lasse ich mich nicht nochmal erniedrigen“, sagte sie mit gefletschten Zähnen. Sie stürzte sich auf Maron. Noyn’s Schwert fiel Maron aus der Hand, sie wollte danach greifen, doch die Dämonin kickte es weg. Maron konnte immer noch hören, wie Fin nach ihr rief. Allerdings war der Rauch so dicht, dass niemand sie womöglich sehen könnte. Niemand würde mitbekommen, dass sie Hilfe brauchte- Avea’s Klinge kam auf sie zugeflogen, worauf Maron schnellstmöglich zur Seite sprang und den Angriff auswich. Auf dem steinigen Boden hinterließ die Klinge kraterartige Spuren. Jedes Mal erwischte sie Avea’s Angriffe nur knapp. Mit jedem Versuch wurde die Dämonin auch schneller. Maron hingegen bekam immer mehr Schwierigkeiten Luft zu schnappen. Nach dazu, erschwerte ihr der Rauch das Atmen. Erschöpft fiel sie auf die Knie. Avea platzierte ihren Stiefel auf ihre Schulter und schubste sie, sodass Maron mit dem Rücken auf dem Boden landete. „Stirb und schau mir dabei in die Augen, Kamikaze-Schlampe.“ Die Dämonin hob lachend ihr Schwert in die Höhe. Sie schwang es runter- Und stürzte zur Seite. Maron richtete sich mit fassungslos großen Augen aufrecht. Chiaki. Er hatte sich auf die Dämonin geworfen und kniete auf ihrem Rücken, stach mit seinem Messer auf sie ein. Avea schrie. Maron drehte sich um: es war brennendheiß im Raum und die Gesteinsmauern begannen wie Lava zu glühen. Eventuell entdeckte sie schließlich die Engel hinter dem Rauch. Access schien verletzt und wurde von Fin gestützt. Von beiden waren die Flügel unnatürlich verbogen. Fin machte eine große Handbewegung und ließ ein Portal in der Luft erscheinen. „Chiaki! Stop!“, schrie Maron und streckte ihre Hand aus. „Lass sie! Wir müssen zu den anderen!“ Er sah auf, die Augen gezeichnet mit ungezügeltem Zorn, und Avea riss sich von ihm weg, mit einem schmerzhaften zugleich wütenden Aufschrei. Sindbad sprang auf, rannte direkt auf Maron zu. Noch mehr Flammen schossen aus dem Boden empor, ebenso riesige, meterhohe Dämonen, wie ihnen im Wald begegnet waren tauchten auf. Die Dämonenritter standen ebenfalls angriffsbereit vor ihnen. Es war unmöglich alle zu bekämpfen, dachte Maron sich. Sie und Sindbad waren am Ende ihrer Kräfte, während ihre Gegner in voller Stärke vor ihnen standen. Sindbad schnappte sich ihr Handgelenk. „Es gibt nur einen Ausweg!“, rief er.   Seine Augen schweiften zur Seite, sie spannte sich an und nickte- anschließend rannten die beiden los, als die Dämonenritter ihrer Waffen zogen. Zusammen liefen sie auf Fin’s Stimme zu. Maron versuchte die mörderischen Schreie ihrer Feinde zu ignorieren. Das Portal schwebte vor ihr, wie ein Fenster eines hohen Gebäudes aus geschmolzenem Glas. Arm in Arm flogen die Engel zusammen hindurch. Ohne zurückzuschauen, sprang sie, Chiaki’s Hand in ihre und gemeinsam glitten sie durch das Portal.   Chapter 24: Overwhelming ------------------------ Chapter 24: Overwhelming   Ächzend hielt Noyn sich die blutende Wunde und versuchte sich mit Hilfe der Wand abzustützen. Eine Wolke von schwarzem Rauch erschien und Satan tauchte darin auf. „Soll ich dir die Hand reichen“, grinste er kalt und hielt Noyn sein Arm entgegen. Doch bevor dieser danach greifen konnte, ließ der Teufel es in Flammen aufgehen. „Du hast versagt“, sagte Satan mit Zorn in der Stimme. „Verzeiht“, erwiderte Noyn nur. Sein Gegenüber sah sich um, neigte leicht den Kopf. Als würde er überlegen, was sein nächste Befehl sein soll. „Wenn du deine Fehler gut machen willst, dann folge ihnen.“ Mit den Worten erschuf er ein Portal und blickte seinen Untertanen auffordernd an. „Sofort.“ Noyn schluckte, presste sich die Lippen zusammen und nickte ergeben. „Jawohl.“ *** *** Sie landeten auf harten Boden, wurden jedoch von sanftem Licht umhüllt. Sindbad fühlte sich wie, als wäre er in einem Aufzug den Schacht runtergefallen. Allmählich kamen seine Sinne wieder. Er rollte zur Seite, sein Herz klopfte. Er hatte Maron’s Hand verloren, doch sie war neben ihn und setzte sich stöhnend auf. Ihre Klamotten waren blutgetränkt und teilweise zerfetzt, aber sie war unverletzt. Ein keuchender Schmerz durchfuhr ihn, scharf wie ein Pfeil. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es Erleichterung war, was er verspürte. Maron war auf ihren Beinen, Sindbad stand ebenfalls leicht benommen auf. Er zog an seinem Stirnband und wurde wieder zu Chiaki. Sie schauten sich vorsichtig um. Vor ihnen breitete sich eine Stadt aus. Doch sie sah aus, als wäre sie nicht von dieser Welt. Oder zu mindestens nicht von ihrer Welt. Weiße Gebäude waren zu sehen sowie einen großen Springbrunnen. Das Wasser glänzte in Regenbogenfarben. Chiaki sah zum Himmel auf, welcher wie ein Kaleidoskop leuchtete. „Wunderschön“, hörte er Maron neben sich ehrfürchtig sagen. Er drehte sich zu ihr um. Die Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben, Schatten zeichneten sich unter ihren braunen Augen ab. Ihre braunen Haare hingen in dicken, verwirrten Knoten über ihren Schultern. Emotionen explodierten in ihm. Schmerz, Liebe, Angst, Leid, Sehnsucht und Verlangen schütteten auf Chiaki ein, wie eine Lawine. Er schwankte von Maron weg und stützte sich am Rande des Springbrunnens ab. Sein Körper verkrampfte sich, er fühlte sich wie als müsste er sich übergeben. Er kniff seine Augen fest zu. Seine Emotionen tobten in ihm wie ein Hurrikan, seine Gedanken waren in alle Richtungen zerstreut, schnappten sich allmögliche Dinge und Informationen auf und schlugen wie Backsteine auf ihn ein. Konzentrier dich!, sagte er sich selbst und biss sich auf die Lippe, bis der Schmerz seinen Kopf geklärt hatte. Er konnte das Blut schmecken. Maron ging auf ihn zu. „Bist du okay?“, hörte er sie hinter sich fragen. „Muss die Reise durch das Portal sein“, log er. Was auch immer mit ihm los war, es lag nicht daran. „Wo Fin und Access wohl sind?“, sagte sie besorgt, „Sie müssten nicht weit sein.“ Anschließend entfernten sich ihre Schritte wieder. Chiaki öffnete seine Augen und blickte sein Spiegelbild im Wasser an. Er schloss die Augen wieder und atmete für einige Momente tief durch. Plötzlich hörte er Maron lachen. Er würde ihr Lachen überall erkennen. Es war ein ausgelassenes, glückliches Lachen. Doch welchen Grund hatte sie, um jetzt in diesen Moment zu lachen? Chiaki öffnete seine Augen, schaute ins Wasser und blickte nicht mehr in sein Spiegelbild, sondern in Maron’s lächelndem Gesicht. Sie trug eine grün-gelbe Schuluniform. Sie sah anders aus - jünger, dennoch wunderschön. Ein großgewachsener Junge stand vor ihr, sie sprachen miteinander, doch Chiaki beachtete ihn nicht - er sah nur sie, seine Maron, schön, stark und- Sie lachte und schlang ihre Arme um den Jungen. Der junge Mann fuhr seine Finger durch Maron’s Haare und sie küsste ihn. Das Gefühl, was er verspürte, traf ihn wie ein Laster. Eifersucht. Glühend heiße, kochende Eifersucht. Doch alles was Chiaki tun konnte, war zuzusehen, wie der Junge Maron enger an sich drückte und mit den Fingern über ihre Wange strich. Er zitterte. Die Emotionen zerrten an ihm, drohten ihn zu erdrücken und ihn auf die Knie zu zwingen. Die Eifersucht mischte sich mit hoffnungslosem Verlangen. Dies sollten seine Hände in Maron’s Haaren und auf ihrer Haut sein. „Chiaki.“ Er drehte sich keuchend um. Maron -die echte Maron- stand vor ihm, der Mund halb-offen. Was auch immer sie sagen wollte, sie verwarf es augenblicklich und sah ihn besorgt an. „Was ist los?“ Sein Herzschlag beruhigte sich. Dies war seine Maron. Die andere war nur eine Illusion. Sie ging auf ihn zu und schaute in dem Brunnen rein. Chiaki bezweifelte, dass sie dasselbe sah wie er eben. Bestimmt waren es nur Trugbilder im Wasser. Er sah, wie ihre Augen wurden groß und die Wangen sich leicht röteten. „Sind das wir?“, fragte sie. Sofort wandte Chiaki sich wieder um und blickte ins Wasser rein. Maron und der Junge hatten sich voneinander gelöst, und wie konnte er es nicht sehen? Es war wie, wenn man in den Spiegel gucken würde. Doch dieses andere Ich sah ebenfalls jünger aus und trug eine grüne Schuluniform, die er selbst nicht kannte. „Anscheinend trägst du unsere Schuluniform?“, beantwortete Maron seine unausgesprochene Frage, „... Was ist das nur-“ „Da seid ihr ja!“ Überrascht drehten beide sich zu Fin um, die humpelnd auf sie zukam. Access war an ihrer Schulter gestützt und bewusstlos. Beide ihre Flügel waren eindeitig gebrochen. Blut klebte an ihren weißen Federn. Was die Diebe jedoch mehr erstaunte, war dass die Engel in menschlicher Größe vor ihnen standen. „Tut mir leid...“, sagte Fin erschöpft, „Ich hatte nicht genug Kraft, um das Portal stabil zu halten. Sonst wären wir nicht an unterschiedlichen Punkten gelandet.“ „So weit voneinander entfernt waren wir ja nicht“, entgegnete Maron mit einem kleinen, beschwichtigten Lächeln und streckte ihre Arme nach ihrer Partnerin aus. „Komm, lass mich dir helfen.“ Der Engel atmete schwer, ihre Lider fielen allmählich zu. „Ich... Wir müssen zu-“ Doch ehe sie zu Ende sprechen konnte, verlor auch sie das Bewusstsein und fiel in Maron’s Arme. Chiaki konnte Access noch rechtzeitig auffangen.   „Fin! Fin, wach auf!“ Maron sah mit einem angsterfüllten Gesichtsausdruck zwischen den Engeln hin und her. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie an Chiaki gewandt, „Sie brauchen Hilfe.“ Er blickte sich ratlos um. Beide wussten nicht, wo sie waren und wohin sie mussten. „Da sind sie“, hörten sie plötzlich eine fremde Stimme sagen. Eine Gruppe von vier Engeln standen im nächsten Moment vor ihnen. „Siehst du, Cersia! Ich wusste doch, dass ich Fin’s Energie gespürt habe“, sagte ein männlicher Engel mit kurzen Haaren an einen weiblichen Engel gewandt. „Daran hatte auch keiner gezweifelt, Toki“, rollte der Engel namens Cersia mit den Augen, „Ah…Und schaut, Access hatte es zum Grundengel geschafft“, fügte sie mit einem stolzen Lächeln hinzu. „Sie haben Unmengen an Energie verloren. Ihr beide bringt sie am besten in den Krankenflügel“, kam es von einem großgewachsenen Engel mit hellen, langen Haaren. „Jawohl, Rill-sama!“, erwiderten Cersia und Toki im Chor. Die beiden gingen auf Maron und Chiaki zu. „Keine Sorge, die beiden werden wieder gesund“, zwinkerte Cersia der Braunhaarigen zu und nahm Fin in die Arme. Toki hatte Access auf seinen Rücken platziert und gemeinsam trugen sie die Engel davon. „Uhm...“ Maron wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie warf Chiaki einen unsicheren Blick zu, doch dieser sah den vierten Engel, welche noch kein Wort gesprochen hatte mit einem Gesichtsausdruck an, den sie nicht deuten konnte. „Wer seid ihr?“, fragte sie an Rill gewandt, „Und wo sind wir überhaupt?“ Er lächelte sanft. „Ich bin Erzengel Rill. Das waren die Grundengel Toki und Cersia. Freunde von Fin und Access. Und das-...“ Er wandte sich an den weiblichen Engel neben ihn. „Das ist Himmelsengel Nell.“ „Ihr beide seid im Himmel“, sagte Nell. „Mum...“, wisperte Chiaki so leise, dass Maron ihn gerade so noch gehört hatte. Verwirrt und zugleich überrascht schnellte sie ihren Kopf in seine Richtung. Hatte sie richtig gehört? Sie wusste, dass seine verstorbene Mutter Hikari hieß. Moment mal-… „W-Wir sind nicht tot, oder?“, fragte Maron nervös. „Nein, seid ihr nicht“, antwortete Nell kichernd. „Ihr müsst erschöpft sein“, meldete Rill sich zu Wort, „Am besten bringen wir euch zu Gottes Palast.“ Er machte eine kurze Handbewegung und ließ eine Wolke vor den beiden Menschen erscheinen. „Hier. Damit ihr nicht laufen müsst.“ Zögernd stiegen sie auf die Wolke drauf und nahmen Platz. So flauschig weich!, stellte Maron vergnügt fest. Anschließend flogen sie los, die beiden Engel jeweils links und rechts von ihnen nebenher. Stillschweigend schaute Maron sich in alle Richtungen an. Diese fremde Welt, die sie umgab, erinnerte sie an eine Märchenwelt. Es war überwältigend. Ihr Augen glänzten vor Faszination. Chiaki saß still neben ihr, den Kopf leicht abgewandt. Seine Augen blickten ausdruckslos in die Ferne. Maron wollte nach seiner Hand reichen, doch die Erinnerungen des emotionslosen Chiaki’s hielten sie zurück. „Wieso sind wir überhaupt im Himmel?“, fragte er nach einigen Momenten der Stille. „Damit ihr hier sicher seid“, antwortete Rill. „Sind wir das? So wie ich Satan kenne, würde er keine Sekunde warten, um uns zu verfolgen.“ Der Engel wog seine Antwort kurz ab. „Ihr seid hier sicherer als auf der Erde. Wenn die Dämonen euch hierher verfolgen dann zeitverzögert.“ „Wie...?“, kam es von Maron verwirrt. „Das heißt, durch die interdimensionale Zeitverschiebung kann es sein, dass die Dämonen nicht sofort, sondern erst in ein paar Tagen hier sind“, sprach Nell weiter, „Genug Zeit, um Fin und Access wieder auf Vordermann zu bringen.“ Sie warf Maron und Chiaki einen flüchtigen Blick zu. „Und damit ihr beide euch ausruhen und Kraft tanken könnt. Auf der Erde hättet ihr keine Zeit zum Aufatmen gehabt. War also schlau von unserer kleinen Finchen.“ Maron nickte verstehend, auch wenn sie immer noch verwirrt schien. „Wieso waren die beiden überhaupt zusammen gefangen?“, fragte sie. „Access wollte sich Fin zur Liebe vom Teufel abwenden“, antwortete ihr Rill. „M-Moment…“ Maron ließ sich die Worte für einen Augenblick durch den Kopf gehen. „Die beiden sind ein Paar?!“ Neben ihr machte Chiaki erstaunt große Augen. „Wow… wenn ihr das nicht wusstet, dann kennt ihr eure Partner schlecht“, lachte Nell amüsiert auf, „Lustig irgendwie… Access ist zum gefallenen Engel geworden, weil er Fin beschützen wollte und jetzt ist er für dieselbe Absicht zum Grundengel aufgestiegen.“ Für einige lange Sekunden waren Maron und Chiaki einfach nur sprachlos. Dass ihre Engel eine gemeinsame Vergangenheit hatten, kam für sie unerwartet. „Wenn ihr weitere Fragen habt, dann zögert nicht“, sagte Rill mit einem freundlichen Lächeln. „Oh okay...“, lächelte Maron schüchtern zurück. „Was ist das für ein Springbrunnen da hinten?“, fragte Chiaki in einem distanzierten Ton. Nell zog etwas überrascht ihre Brauen hoch. „Was habt ihr gesehen?“, kam es als Gegenfrage. „Uhm…“ Maron blickte verlegen zu Chiaki und wieder zu dem Engel. „Uns als Teenager, ungefähr sechzehn, schätze ich. Nur trug er die Uniform meiner Schule. Was merkwürdig ist, weil wir zu unterschiedlichen Schulen gingen und uns zu den Zeiträumen noch gar nicht kannten“, schilderte sie so sachlich wie möglich. „Ah…dann ist das also wahr...“, murmelte Nell mit einem leichten Hauch von Faszination in der Stimme. „Wisst ihr, der Brunnen ist für uns Engel ein gewöhnlicher Brunnen mit gewöhnlichem Wasser“, begann sie zu erklären, „Die Legende besagt jedoch, dass es für Sterbliche, die reinblicken ein Fenster zu einer anderen Welt darstellt. Dass sie einen Einblick auf andere Versionen ihrer Selbst bekommen.“ „A-Andere Welt? W-Was?“, fragte Maron perplex. Sie verstand kein Wort. „Einfach ausgedrückt: Paralleluniversum“, sprach Nell schulterzuckend weiter, „Was auch immer in eurer Welt geschah, lief in der, die ihr sah, anders.“ Der Begriff Paralleluniversum gab Maron zu nachdenken. Nach einigen Minuten riss Rill’s Stimme sie aus den Gedanken. Sie fanden sich vor dem Tor eines riesigen Gebäudes wieder, welches der Palast zu sein schien. Keine Sekunde später öffnete sich das Tor und sie traten ein. „Wow...!“ Das erste was Maron erblickte war die Decke, welche zu ihrem Erstaunen den blauen Himmel und die kaleidoskopartigen Farben des Sonnenlichtes zeigte. „Schläft man hier unter freiem Himmel?“, fragte sie und zeigte auf. Nell sah nach oben. „Frei eher nicht. Der Himmel ist nicht echt. Nur eine Art Projektion.“ „Ahh. Wie bei Harry Potter in Hogwarts“, murmelte Maron zu sich selbst. Daraufhin zog Nell irritiert die Brauen zusammen, nicht wissend wovon sie sprach. „Wie dem auch sei, ich habe noch einiges zu erledigen“, sagte sie, „Rill wird euch euer Zimmer zeigen.“ Ohne weiteres flog sie anschließend davon. Chiaki zog scharf Luft ein, sah ihr einige Sekunden nach. Maron’s Herz zog sich zusammen, bei seinem Gesichtsausdruck; sie konnte es sich nicht helfen. Er wirkte, wie ein verlorener Junge. „Folgt mir“, hörte sie Rill in einem freundlichen Ton sagen. Gemeinsam folgten die beiden den Engel durch den Palast. *** Chiaki wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Der Engel, der sich Nell nannte, war ohne Zweifel seine Mutter. Dasselbe Gesicht, dieselbe Stimme, dieselbe Haltung… Sie war nahezu dieselbe Frau, wie er sie in Erinnerungen hatte. Vor seinen inneren Augen sah er ihren Tod sowie ihre Beerdigung. Gleichzeitig dachte er an den Engel, der soeben verschwunden war und wie sorglos sie mit dem Leben zu sein schien. Tausende von Emotionen zerrten an ihm: Freude, Verzweiflung, Angst, Trauer sowie Liebe als auch Hoffnung. Sie schlugen alle wie Flutwellen auf ihn ein. Genauso wie Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Maron fühlte sich wie Messerstiche in seinem Inneren an. Wenn sie sprach, konnte er nicht aufhören sie anzustarren. Diese perfekt geschwungenen Lippen, diese langen, dunklen Wimpern, diese verlegene Röte in ihren Wangen… Er konnte sich nicht erinnern, ob diese Sehnsucht nach ihr schon immer so intensiv war, oder ob es jetzt schlimmer wurde. Er fühlte sich wie, als würde er ertrinken. Rill blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie. „Da sind wir.“ Chiaki folgte Maron in das Zimmer rein. Es erinnerte einem an ein großes, gemütliches Hotelzimmer. Es gab ein großes Bett, einen Tisch sowie eine offene Garderobe, an denen weiße Klamotten hingen. Weitere Schränke und Schubladen waren zu sehen. Vorhänge verdeckten die Fenster. Durch eine Tür an einem Ende des Raumes konnte er ein Bad erkennen. „Es kommt nicht oft vor, dass wir Besuch haben. Besonders von Menschen“, sagte Rill mit einem amüsierten Grinsen. „Jemand wird euch später was zu essen bringen. Aber falls ihr Hunger habt, könnt ihr euch natürlich vom Obstkorb auf dem Tisch bedienen.“ Bevor er ging, sagte er noch: „Willkommen im Himmel.“ Kaum war die Tür zu, verschwendete Maron keine Zeit darin zum Obstkorb zu gehen, sich einen Apfel schnappte und reinbiss. „Willst du auch einen?“, fragte sie und warf Chiaki einen zweiten Apfel zu, ohne auf seine Antwort zu warten. Er schüttelte den Kopf. Er sollte Hunger haben. Schließlich hatten sie seit einiger Zeit nichts mehr gegessen. Er konnte sich auch kaum erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gegessen haben. Doch an Essen war für ihn in Moment gar nicht zu denken. Er war allein mit Maron. Chiaki konnte nicht aufhören sie anzustarren. Sie waren beide von Schmutz und Blut bedeckt, waren hungrig und erschöpft. Dennoch strahlte Maron eine Stärke aus, die sie wie ein Engel dieser Welt wirken lässt. „Warum guckst du mich so an?“, fragte sie. Sie warf ihre Apfelreste in einen Mülleimer und lief einige Schritte durch den Raum. „Iss deinen Apfel, Chiaki.“ Er sah auf seine Hand herunter, drehte die Frucht einige Male und räusperte sich. „Ich sollte wahrscheinlich auf dem Boden schlafen.“ Maron blieb stehen. „Wenn du willst“, sagte sie. „Ich wette, in dieser Parallelwelt, die wir sahen, wären wir das Traumpaar der Schule“, merkte sie wie beiläufig an. Als Antwort kam von Chiaki ein Schulterzucken. „Was wohl passiert sein muss, damit ich auf deine Schule wechsle…?“ „Hmm…Vielleicht warst du auch von Anfang an da. Wer weiß. Ich finde dieses Konzept von Paralleluniversen ziemlich interessant.“ „Echt?“ „Ja. Vielleicht frage ich Nell oder Rill, ob sie mir mehr darüber was erzählen können.“ Für einige Sekunden war es still zwischen ihnen. „Sie sieht aus wie meine Mutter“, durchbrach Chiaki das Schweigen. „Wenn sie es ist, frag ich mich, ob sie weiß wer ich bin.“ Er sah auf dem Apfel herab. Der Gedanke etwas zu essen, verursachte ihm ein Gefühl von Übelkeit. Maron warf ihm einen scharfen Blick zu. Ihre Augen blickten direkt in seine. „Kümmert dich das?“ Er erwiderte den Blickkontakt und konnte er nachempfinden, was sie empfunden hatte. Er spürte ihre Skepsis, ihren tiefsitzenden Schmerz und er wusste, dass er derjenige war, der sie so verletzt hatte. Er hatte sie abgewiesen, sie von sich gestoßen und ihr gesagt, dass er nichts für sie empfand. „Maron.“ Seine Stimme war kratzig. „Der Bann-… Er ist gebrochen.“ „Was?“ „Ich denke mal, weil wir hier im Himmel sind und Teufelsmagie keine Wirkung hat. Meine Gefühle sind wieder da.“ Maron starrte ihn nur an. „Du meinst... was mich betrifft.“ „Ja.“ Als sie sich nicht bewegte, ging Chiaki einen Schritt auf sie zu und legte seine Arme um sie. Sie stand völlig steif da, die Arme hingen ihr an der Seite. Es war wie, als würde man eine Statue umarmen. „Ich empfinde alles“, sagte er, „Ich empfinde Gefühle, wie ich es vorher auch konnte.“ Sie entzog sich aus seiner Umarmung. „Nun, ich vielleicht nicht.“ „Maron-“ Er bewegte sich nicht, ging nicht auf sie zu. Sie verdiente ihren Freiraum. Sie verdiente alles, was sie wollte. Jegliche Art von Gefühlen mussten sich in ihr hineingefressen haben, während er unter dem Bann stand. Unausgesprochene Wörter hatten sich angestaunt, die bei seinem emotionslosen Selbst komplett zwecklos gewesen wären. Er konnte sich nur vorstellen, was für eine Menge an Selbstbeherrschung es sie gekostet hat, um nicht zu explodieren. „Was meinst du damit?“, fragte er. „Du hast mir weh getan“, sagte Maron tonlos, „Du hast mir sehr wehgetan.“ Sie nahm unter Zittern tief Luft. „Ich weiß, dass es an dem Bann lag, aber du hast ihn dir auferlegt, ohne daran zu denken, welche Auswirkungen es auf mich oder deinen Mitmenschen hat. Nur weil du mit dem Schmerz, dem Hass und den Schuldgefühlen nicht klarkommen konntest! Was mich mehr als bitter enttäuscht! Und ich hasse es dir das alles jetzt sagen zu müssen, aber das ist der einzige Ort, in der ich es dir sagen kann, denn sobald wir wieder zu Hause auf der Erde sind, wird es dich nicht mehr interessieren.“ Nachdem sie zu Ende sprach, schnaufte sie tief durch, wie als wäre sie ein Marathon gerannt. „Okay. Schön. Ich werde jetzt duschen gehen. Wenn du glaubst, mir ins Bad zu folgen, um zu reden - dann bringe ich dich um.“ Maron stolzierte ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Im nächsten Moment war das Geräusch von fließendem Wasser zu hören. Chiaki ließ sich auf dem Bett nieder. Während er unter dem Bann stand, fühlte sich seine Seele an, als wäre sie in Watte eingewickelt gewesen. Nun bohrte sich mit jedem Atemzug die Emotionen in sein Herz rein, wie ein Stacheldraht. Unbewusst musste er an Noyn’s Vergangenheit denken. Er verstand, wieso Noyn seine Menschlichkeit nach dem Verlust von Jeanne d’Arc aufgegeben hatte: um den Leid ein Ende zu versetzen. Wenn das Leid so groß ist, dass es dich förmlich in Stücke zerreißt, dann will man auch alles dafür tun, damit es aufhört. Und so ähnlich ging es Chiaki auch. Seine Mutter hatte wegen ihm ihr Leben verloren, fast hätte Minami wegen ihm ihres verloren und zu groß war die Angst, dass Maron ihres wegen ihm verliert. Wie ein Schiffsbrüchiger, hatte er verzweifelt versucht den Sturm zu entkommen, der in ihm tobte, als er diese Entscheidung traf. Und dann war der Sturm verschwunden. Nur fand er sich danach im Zentrum des Sturmes wieder, welches ihm von außen nichts anhaben konnte. Das Leid hatte aufgehört. Jetzt allerdings konnte er erkennen, was er vorher nicht sehen konnte: dass er mit einem schwarzen Loch in seiner Brust durchs Leben ging, welches nichts als elende Leere enthielt. Chiaki hörte, wie das Wasser im Bad ausgeschalten wurde. Einen Augenblick später kam Maron in einem Badetuch eingewickelt raus, die Wangen rosaleuchtend. Wiedermals konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Sie war die Personifikation der Begriffe Schönheit und Perfektion. Die braunen Haare im Kontrast zu ihrer hellen Haut, die leuchtenden Augen... „Es tut mir leid“, sagte er, als sie mit dem Rücken zu ihm gewandt vor dem Kleiderschrank stand. Sie erstarrte. „Ich fange an zu verstehen, wie sehr es mir leidtut.“ Wortlos ging Maron ins Bad und kam kurze Zeit später in Shorts und einem Top gekleidet raus. Anschließend fing sie an die Schränke und Schubladen zu durchforsten. Mit einem triumphierenden Lächelnd holte sie ein Block und ein Stift heraus. Sie setzte sich auf die andere Seite des Bettes hin und begann zu zeichnen. Stillschweigend rutschte Chiaki zu ihr rüber und sah ihr dabei zu. „Weißt du...“ Er sah auf seine Hände herab. „In der Zeit, in der ich unter dem Zauber stand, lief ich mit einer Leere in mir rum, welche ich jedoch nicht bemerkte. Zu mindestens nicht bewusst. Die Welt fühlte sich so grau an, wie ich mich fühlte. Doch jetzt kommen die Farben wieder.“ Er seufzte schwer. „Keine Ahnung, ob ich Sinn ergebe.“ Maron stoppte kurz. „Ich verstehe, was du meinst.“ „Ich mag es, dir beim Zeichnen zuzusehen. Ist immer wieder faszinierend.“ „Ich weiß. Überhaupt schaust du mir bei allem zu, was ich mache.“ „Sorry“, entschuldigte er sich ein weiteres Mal, fuhr sich unbeholfen durch die Haare, „Ich will dir nicht auf die Nerven gehen.“ „Tust du nicht“, sagte sie, ohne zu ihm aufzusehen, jedoch mit einem kleinen Lächeln, „Du erinnerst mich gerade an die kleinen Dinge, die ich an dir liebe.“ Die Worte verursachten ihm einen Funken Freude im Herzen. „Aus dem Schneider bist du aber nicht“, fügte sie hinzu und zeichnete weiter. Für die nächsten Minuten ließ Chiaki Maron in Ruhe. Er wollte mit ihr über alles reden, doch er wusste, dass dies nur nach ihrem Ermessen ging. Nicht nach seiner. Es klopfte auf einmal an der Tür. Maron legte Stift und Block beiseite. „Herein?“, rief sie. Nell öffnete die Tür. „Der Herr möchte euch sehen.“   Maron’s Herz klopfte vor Aufregung. Wie Gott wohl so ist..., fragte sie sich im Stillen. Sie und Chiaki folgen Nell einen langen Korridor entlang. Der Engel drehte sich kurz um und sah Chiaki mit hochgezogener Augenbraue an. „Du hattest keine Zeit zum Duschen?“ Er war immer noch in seinen verdreckten Sachen gekleidet, was ihn jedoch nicht zu interessieren schien. Gleichgültig zuckte er mit der Schulter. „Also echt... sowas habe ich in meinen fünfzehn Jahren hier oben noch nie erlebt.“ Nell fasste sich kopfschüttelnd den Kopf und fragte in einem scherzhaften Ton: „Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man sich anständig zu präsentieren hat?“ Fünfzehn Jahre...!, dachte Maron sich, Also ist sie wahrscheinlich wirklich...! Sie sah, wie Chiaki’s Züge sich verhärteten. Sie reichte nach seiner Hand, umfasste seine Finger sachte in ihre. Sie fühlten sich eisigkalt an. Um das Thema zu wechseln, fragte Maron: „Wie geht es Fin und Access?“ „Den Umständen entsprechend. Toki und Cersia passen auf sie auf. Der Aufenthalt in der Hölle hatte sie ziemlich fertig gemacht. Auch der Powerschub von Access als Grundengel ging schnell zu neige. Die beiden brauchen jetzt viel Schlaf, um ihre Energie wieder aufzutanken. Ihr könnt sie morgen ruhig besuchen kommen“, zwinkerte Nell ihr zu. Maron lächelte erleichtert auf. Sie kamen vor einer großen Tür ein, vor der Erzengel Rill auf sie wartete. Anschließend traten sie ein. Eine riesige Halle breitete sich vor ihnen aus. Im Zentrum befand sich Podest mit einer leuchtenden Energiekugel. „Tretet näher“, sprach die Kugel mit einer sanften Stimme zu ihnen. Überrascht blickten Maron und Chiaki zur Kugel, welche Gott war, auf. „Ich freue mich, euch in meinem Reich willkommen zu heißen“, sagte Gott. „Zunächst möchte ich mich bei euch bedanken, dass ihr Fin und Access aus ihrer Gefangenschaft befreit habt. Leider muss ich euch mitteilen, dass Satan Noyn und einige Dämonen geschickt hat, um euch zu verfolgen!“ „A-Aber wir haben Zeit, oder?“, fragte Maron abrupt, „Rill und Nell sprachen von der interdimensionalen Zeitverzögerung.“ „Ja... Ich würde mit zwei bis drei Erdentagen rechnen, die wir haben um uns vorzubereiten.“ „Du rechnest damit? Müsstest du nicht allwissend sein?“, fragte Chiaki. „Selbst mir ist die Zukunft unbekannt“, antwortete Gott ihm, „Es gibt viele Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe. Die einfach zu den Gesetzen der Natur gehören.“ Maron und Chiaki warfen sich einen flüchtigen Blick zu. Tief in ihrem Inneren wussten sie, wovon der Herr sprach. „Ihr hattet eine anstrengende Zeit hinter euch“, merkte Gott in einem verständnisvollen Ton an, „Ich schlage vor, ihr kehrt in euren Zimmer zurück und schlaft euch aus. Fühlt euch hier wie zu Hause. Rill und Nell werden euch zu Diensten stehen, wenn ihr was braucht.“ *** Nach dem Duschen, saß Chiaki in einer gemütlichen Baumwollhose und einem T-Shirt auf dem Bett und sah aus dem Fenster raus. Die Nacht war mittlerweile angebrochen und die Sterne leuchteten hell auf. „Wäre es besser ihr nicht zu sagen, wer ich bin? Ich meine Nell“, sagte er, als Maron neben ihn Platz nahm. Sie hatte ihre Haare zu einem Zopf geflochten. Er konnte den zitronenartigen Duft von ihr riechen und die Wärme ihres Körpers spüren. Sein Inneres zog sich zusammen. „Kommt drauf an. Wenn sie sich an dich erinnert, würde sie sich auch an ihren Tod wahrscheinlich erinnern. Und ich weiß nicht, ob du ihr das zumuten willst.“ Maron berührte sachte sein Gesicht. Er wollte sich in die Berührung hineinlehnen, zwang sich jedoch nicht dazu. „Und ich weiß, dass du ihr das nicht antun willst“, sprach sie sanft. Sie warf ihm einen langen Blick zu, ehe sie ihre Hand fallen ließ und sich in die Kissen zurücklehnte. „Das wäre zu grausam.“ Sie legte sich auf die Seite, Strähnen ihrer Haare lösten sich von ihrem Zopf. Ihre braunen Augen leuchteten noch heller als sonst. Chiaki wollte am liebsten die Distanz zwischen ihnen überbrücken und sie in die Arme nehmen. Sein Herz schrie vor Sehnsucht. „Willst du, dass ich auf dem Boden schlafe?“, fragte er mit rauchiger Stimme. Sie schüttelte ihren Kopf, sie ihn immer noch mit ihren großen Rehaugen an. „Ich habe darüber nachgedacht… Wenn deine Gefühle wieder da sind…“ „Dann ist der Fluch auch wieder da“, vollendete er. „Daran habe ich auch gedacht.“ „Wir können aber erst sicher sein, wenn wir es getestet habe“, sagte sie, „Gib mir ein Messer von dir.“ Chiaki presste sich die Lippen zusammen. „Ich will nicht, dass wir uns dafür gegenseitig verletzten.“ Sein Herz begann stärker zu schlagen. „Dass du dich verletzt“, fügte er ernst hinzu. Maron lehnte sich zu ihm nach vorne. Er wandte seinen Blick ab. „Wir könnten auch andere Dinge probieren“, sagte sie und schürzte die Lippen, „Du weißt schon. Küssen zum Beispiel.“ „Maron—“ „Ich kann es spüren, wenn wir uns küssen.“ Ihre Pupillen wurden groß. „Ich weiß, dass du es auch spüren kannst. Das Band zwischen uns.“ Er schluckte schwer. „Bist du dir sicher? Du willst das unbedingt?“ „Ja.“ Sie lehnte sich weiter in die Kissen zurück. Sie sah zu ihm auf, das Kinn hartnäckig hochgehalten, die Ellenbogen auf der Matratze gestützt. Ihre langen, eleganten Beine waren vor ihr ausgestreckt. Er rutschte näher zu ihr heran. Er konnte ihren Puls an ihren Hals schlagen sehen. Ihre Lippen öffneten sich, ihre Stimme leise und tief: „Ich will es.“ Er bewegte sich über ihr, berührte sie jedoch nicht. Er sah, wie ihre Augen sich verdunkelten. Sie regte sich unter ihm, ihre Beine streiften seine. „Maron…“, hauchte er. Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Die Temperatur im Zimmer stieg. Chiaki versuchte normal zu atmen, trotz der Versuchung seine Hand unter ihr Top gleiten zu lassen und ihre weiche Haut zu berühren. Doch danach hatte sie nicht gefragt. Sie wollte einen Kuss. Er stützte sich über sie, beide Hände jeweils an jeder Seite ihres Kopfes positioniert. Langsam lehnte er sich zu ihr herab, bis ihre Münder nur noch einen Zentimeter entfernt waren. Er konnte ihren Atem auf seinem Gesicht spüren. Dennoch, ihrer Körper berührten sich kaum. Sie regte sich unter ihm, die Finger vergruben sich in die Bettdecke. „Küss mich“, hauchte sie und er beugte sich zu ihr nach vorne, strich seine Lippen über ihre. Die Berührung war so leicht, wie ein Pinselstrich. Sie verfolgte seinen Lippen mit ihren – er drehte sein Gesicht zur Seite, streifte mit seinen Lippen sachte über ihre Kieferpartien und Wange. Als er wieder an ihrem Mund angelangt war, keuchte sie leise auf, die Augen halbgeschlossen. Er nahm ihre Unterlippe in seinen Mund, fuhr mit seiner Zunge drüber. Wieder keuchte sie auf, drückte ihren Rücken in die Kissen rein. Ihr Körper sehnte sich nach seinem. Er spürte, wie ihre Brüste seine Brust streiften und wie die Erregung in ihm stieg. Er vergrub seine Finger in die Matratze, mahnte sich selbst zu Selbstkontrolle. Um ihr nur das zu geben, was sie wollte. Einen Kuss. Er nippte an ihrer Unterlippe, strich mit der Zunge sachte über die obere. Ihre Lippen öffneten sich und er versiegelten ihren Mund mit seinen. Sie schlang ihre Hände um seinen Bizeps. Ihr Körper bebte vor Lust, während sie sich weiter küssten. Sie stöhnte in seinen Mund, ihre Hände glitten zu seinem Shirt und— Sie brach ab. Atemlos, die Lippen feucht und rosa von Küssen, die Wangen rot gefärbt. „Wow…”, sagte sie, „Das war…intensiv.“ „Ja…“, brachte Chiaki nur entgegen. Er war stolz darauf, dass er überhaupt eine Silbe zustande brachte. Er versuchte es mit einem Satz. „Das war sehr intensiv.“ „Ja“, hauchte Maron und atmete tief aus, „Okay. Ich schätze mal, dass reicht als Test. Die Verbindung ist da und keiner musste dafür bluten.“ Chiaki rollte vorsichtig auf seine Seite. „Also, kann ich auf dem Bett schlafen?“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Ich denke, dass hast du dir verdient. Also, Ja.“ „Ich kann bis zum Rand rüber rutschen“, bot er an. „Übertreib nicht, Chiaki“, verdrehte sie ihre Augen, rollte sich zu ihm und schmiegte ihren Körper an seinen. Er legte zaghaft einen Arm um sie. Maron rutschte daraufhin noch näher an ihn ran und schloss ihre Augen. „Maron?“, flüsterte er. Keine Antwort. Sie war eingeschlafen. Leise konnte er ihren sanften Atem hören. Sie schlief, während es sich fühlte, als hätte man seinen Körper in Flammen gesetzt. Die schaudernden Wellen von Lust und Verlangen, die vom Küssen mit ihr auf ihn einrollten, überwältigten ihn immer noch. Es hatte sich gut angefühlt. Nahezu euphorisch gut. Und nicht nur weil es daran lag, dass er sich wie neugeboren fühlte. Es lag an Maron, an ihrer Stimme, ihren Berührungen, ihrem Lächeln. Es lag an der Verbindung zwischen ihnen. Das Vergnügen was er ihr gab, kam tausendfach verstärkt auf ihn zurück. Es war alles, was er seit dem Zauber nicht fähig war zu fühlen. Unwillkürlich hallten ihm die Worte nach, die die Stimmen aus dem Wald ihm zuflüsterten: „Hier im Land der Schatten, können Sterbliche weder Leid noch Freude empfinden.“ „Sie sind in einem Käfig gefangen und werden nie wieder Glück empfinden.“ „Du befindest dich in diesem Käfig, Junge.“   Du befindest dich in diesem Käfig, Junge.   Er schauderte und zog Maron näher an sich heran.   Chapter 25: As long as we exist… -------------------------------- Chapter 25: As long as we exist…   Maron stand über ihrem eigenen toten Körper. Es war dunkel und ein schwacher Wind wirbelte durch ihre Haare. In der Ferne konnte Maron Lichter von Wolkenkratzern sehen. Sie wusste, dass sie sich auf der Erde befand. Sie konnte in der Ferne Stimmen hören, konnte allerdings nicht verstehen, was sie sagten. Die Maron vor ihr lag auf dem Boden, und Blut war auf ihrem Gesicht, in ihren Haaren und auf ihren Klamotten verteilt. Leblos starrten ihre braunen Augen in den Himmel. Maron kniete sich runter, um ihrem anderen selbst die Schulter zu berühren, als plötzlich der Boden unter ihr zu beben anfing und jemand nach ihren Namen rief. Nach Luft schnappend wachte sie auf. Für einen desorientierten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Sie spürte Chiaki’s Arm um ihre Taille und blickte zu einem kaleidoskopartigen Morgenhimmel auf. Chiaki regte sich neben ihr, stöhnte leise im Schlaf. Allmählich kamen die Erinnerungen wieder und Maron’s Herzschlag beruhigte sich. Nur ein Traum..., dachte sie sich, atmete einige Male tief durch. „Alles okay?“, hörte sie Chiaki verschlafen sagen. Maron blickte ihn an und dachte an die letzte Nacht zurück. Verlegen drehte sie sich weg. „Nur ein Traum...“, murmelte sie und stand auf. Chiaki setzte sich auf, warf ihr einen besorgten Blick zu und nickte. Sie war froh, dass er nicht näher nachfragte. Wenige Minuten später hatten sich beide umgezogen. Maron sah mit einem verzückten Lächeln auf ihr weißes Kleid herab. Dann warf sie Chiaki einen unauffälligen Blick zu, der ebenfalls von oben bis unten weiß trug und die Ärmel seines Shirts richtete. „Ich muss sagen, Weiß steht dir gut“, merkte sie mit einem Schmunzeln an. Chiaki sah überrascht zu ihr rüber und dann zu Boden, nicht wissend was er darauf erwidern soll. Unbeholfen steckte er sich die Hände in die Hosentaschen. „Ich will Fin und Access besuchen gehen. Kommst du mit?“, fragte Maron, als sie die Tür aufmachte und in den Korridor rausging. „Klar“, entgegnete er ihr. Gemeinsam liefen sie nebeneinander her, Richtung Krankenflügel. Dort angekommen sahen sie Toki und Cersia sowie zwei belegte Betten auf denen Fin und Access lagen. „Wie geht es ihnen?“, fragte Maron besorgt, als sie auf Fin’s Bett zulief. „Besser“, antworte Cersia. „Bisher sind sie aber noch nicht aufgewacht“, sagte Toki bedauernd. Chiaki und Maron machten beunruhigte Gesichtsausdrücke. „Keine Sorge, das gehört zum Energietanken dazu“, beschwichtigte Cersia ihnen. „Fin zum Beispiel hatte schon immer einen etwas zu hohen Energiebedarf, weshalb es bei ihr immer etwas länger dauert.“ „Und Access schläft einfach gern“, grinste Toki. Anschließend erzählten die Engel ihnen Geschichten über ihre Freundschaften mit Fin und Access. Gespannt hörte Maron zu und lachte ab und an sogar mit. Flüchtig warf sie Chiaki einen Seitenblick zu und sah, dass er ebenfalls lächelnd zuhörte. Ebenso erzählten Cersia und Toki auch davon, wie Access zu einem gefallenen Engel wurde, was die Stimmung etwas kippte. „Es ist ziemlich langweilig hier“, sagte Cersia nach einigen Momenten. „Ihr solltet rausgehen und die Stadt erkunden. Wir halten hier die Stellung.“ Toki nickte zustimmend. „Uhm...“ Fragend sah Maron zu Chiaki rüber, der sorglos mit den Schultern zuckte. „Sie haben recht. Wir sind schließlich auch nur einmal hier oben. Da sollten wir uns ein Bild vom Himmel machen“, sagte er. „Okay“, nickte sie anschließend. Nach einigen freundlichen Verabschiedungen verließen die beiden Diebe den Palast und liefen durch die Stadt. Überall flogen Engel über ihnen und an ihnen vorbei. Ob jung oder alt. „Ein bisschen komme ich mir dämlich vor“, kam es von Maron plötzlich. „Wieso das?“, fragte Chiaki verwundert. „Weil ich über drei Jahren mit Fin zusammengearbeitet habe und so wenig über sie wusste.“ „Ah... Da ist was dran. Peinlich ist das schon“, schmunzelte er. „Access und ich hatten daraus ein Geduldsspiel gemacht. Es wird solange über die Vergangenheit geschwiegen bis der erste die Geduld verliert und plaudert.“ „Auf sowas bescheuertes kommen auch nur Männer“, murmelte Maron augenrollend. Gerade passierten die beiden den Springbrunnen von gestern. „All die Jahre habe ich mich gefragt weshalb er ein gefallener Engel wurde. Und jetzt wo ich den Grund weiß-…“ Theatralisch zuckte Chiaki mit den Schultern. „Ich hatte mir was spektakuläreres vorgestellt.“ Maron blieb stehen, verschränkte die Arme vor sich und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Einen Menschen für seine große Liebe zu töten, ist für dich nicht spektakulär?“ „Kommt drauf an. Schließlich wollte er sie beschützen. Andererseits ist es unter Umständen Mord. Findest du das etwa romantisch?“ „Eh… Ehm…Also-“ „Hm? Also?“, hakte Chiaki nach und beugte sie leicht zu ihr nach vorne. „Uhm…“ Ihr Herz machte einen Sprung. Er war ihr zu nah. „K-Keine Ahnung!“, stotterte Maron und warf genervt ihre Arme in die Höhe. Dabei stieß sie ihn von der Seite an und schubste ihn unbeabsichtigt in den Springbrunnen rein. Erschrocken sah sie, wie Chiaki mit einem großen, lauten Platsch ins Wasser fiel. „Ohje! Bist du o-“, wollte sie fragen, als sein Kopf aus dem Wasser kam. Die Worte blieben ihr jedoch im Halse stecken, als sie Bilder -so klar und deutlich- wie ein Film vor ihrem geistigen Auge sah. Es war Nacht und sie sah sich als Jeanne mit Sindbad auf dem Dach eines Gebäudes. Der Vollmond strahlte im hellen Licht über ihnen. Was Maron erstaunte war, dass Sindbad einen weißen Mantel trug, statt einen schwarzen sowie ein Tuch, welches seine untere Gesichtshälfte verbarg. Ebenso trug sie selbst ein anderes Kostüm. Beide diskutierten miteinander. „Also, wie lautet deine Bitte?“, frage Jeanne ungeduldig. „Machst du auch wirklich alles?“, kam es als Gegenfrage von ihm zurück. „Ich frage dich nicht nochmal!“ Im nächsten Moment sah Maron, wie Sindbad Jeanne’s Handgelenkt packte, geschickt das Tuch herunterschob und sie zu einem Kuss heranzog. Diesen Kuss bei Mondlicht zuzusehen, ließ ihr Herz für einen Moment schneller schlagen. „Ich will, dass du mit den stehlen aufhörst“, hörte sie Sindbad letztlich sagen, als die Bilder genauso plötzlich verschwanden wie sie gekommen waren. Maron blinzelte einige Male und sah wieder Chiaki vor sich, der immer noch im Brunnen saß, von oben bis unten durchnässt. Ihre Blicke trafen sich und Maron bemerkte, wie seine Wangen sich verlegen rot färbten. Sie erkannte, dass er dasselbe gesehen haben muss, wie sie. Sie spürte, wie ihr Gesicht ebenfalls rot wurde. Der Begriff ‘Paralleluniversum’ ging ihr wieder durch den Kopf. Hmm… Hustend stand Chiaki auf und stieg aus dem Brunnen raus. „Ich habe etwas Wasser geschluckt...“, sagte er. Seinem Gesichtsausdruck zufolge schien er zu ahnen, dass sie dieselbe Vision hatte. Maron nickte verstehend. „Bist du okay?“, fragte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. „Das war vorhin keine Absicht.“ Er winkte unbesorgt ab. „Keine Sorge. Du hattest mich schon schlimmer fertig gemacht“, grinste Chiaki und zwinkerte ihr zu. „Weißt du...Auch wenn ich es dir heute schon mal gesagt habe-“ Ein leichtes Kichern entkam ihr. „Aber die Farbe Weiß steht dir wirklich gut.“ Maron lächelte ihn aufrichtig an. Sprachlos starrte er sie an. Wasser triefte ihm herunter. Plötzlich kam Nell mit einem Handtuch in der Hand zu ihnen angeflogen. „Ich flog gerade vorbei und habe gesehen, was passiert ist“, sagte sie schmunzelnd und überreichte Chiaki das Tuch. „Und ein Handtuch hattest du auch zufällig dabei?“, fragte er mit hochgezogener Braue und nahm es mit einem knappen Danke an. Er setzte sich am Rande des Brunnens hin und trocknete sich die Haare. Maron wollte etwas sagen, als unerwartet eine kleine Gruppe von Engeln -wohleher Kinder- auf sie zu gerannt kamen. „Was seid ihr denn für Engel?“, fragte ein Junge. „Wieso habt ihr keine Flügel?“ „Eh... Ehm...?“, starrte Maron die Kinder mit großen Augen an. „Also, kids“, kam es von Nell mit etwas Strenge, „Erstens: sowas fragt man nicht einfach so. Und zweitens: das sind Maron und Chiaki. Und die beiden sind Menschen von der Erde, keine Engel.“ Die Hände hatte sie an den Hüften gestemmt. Die Augen der Kinder wurden riesengroß und machten faszinierte Oooohs und Aaaahs. „Wirklich? Du bist ein richtiger Mensch?“, fragte ein Mädchen an Maron gewandt. Diese nickte mit einem süßen Lächeln. „Spielst du mit uns?“, kam es von den Engelskindern im Chor. Leicht überfordert sah die Braunhaarige zu Chiaki rüber, der nur schief grinste. Das Handtuch hatte er sich um den Nacken gelegt. „Ich warte hier.“ Auch Nell machte eine genehmigende Geste. „Ein bisschen Spaß schadet nicht.“ „Oh, ehm, okay“, sagte Maron an die Kinder gewandt, die vor Freude jubelten. Ehe sie reagieren konnte, wurde sie schon an beide Händen gepackt und einige Meter entfernt zu einer kleinen Wiese gezogen.   „Süß, nicht?“, hörte Chiaki Nell kichern, „Irgendwie auch traurig. Wenn Kinder in ihren jungen Jahren sterben, werden sie als Engel im Kindesalter auch wiedergeboren. Sie sterben unschuldig und leben unschuldig weiter. Ohne eine Chance richtig erwachsen zu werden.“ Ihre Stimme bekam einen melancholischen Ton. Chiaki nickte geistesabwesend. Schweigend beobachtete er, wie Maron lachend mit den kleinen Engeln spielte und tanzte. Automatisch dachte er an den gestrigen Kuss zurück. Sie verhielt sich normal ihm gegenüber und dennoch wusste er nicht, wo und wie sie zueinander jetzt standen. Er konnte eine gewisse, emotionale Distanz zwischen ihnen spüren. Natürlich hatte er die Kluft zwischen ihnen selbst verursacht. Er wollte ihr auch Zeit geben. Doch waren vierundzwanzig Stunden genug? Die Sehnsucht und die Liebe nach ihr schmerzte in seiner Brust. Nicht nur seelisch, auch körperlich. Sie schnitt tiefer als die schärfste Klinge auf der Welt. Es war nicht einfach zu fühlen. Es war nicht leicht zu lieben. Es bestand die Alternative sich komplett von der Welt abzuschotten und sein Herz zu leeren. Doch diese Alternative war nicht menschlich. Das wusste er jetzt. Chiaki war so in seinen Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkte, wie Nell sich neben ihn hinsetzte. „Warum das lange Gesicht?“ Ihre Stimme ließ ihn hochschrecken. Stöhnend fuhr er sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Habe nur nachgedacht“, beantwortete er ihre Frage. „Sieht man.“ Nell neigte neugierig den Kopf. „Über Maron?“ „Unter anderem...“, seufzte er. „Worüber noch?“ Chiaki presste sich zögernd die Lippen zusammen. Er war sich nicht sicher, ob er mit ihr darüber reden will. Doch ein Teil von ihm, wollte mit ihr darüber reden. „Ich habe viele Fehler in meinem Leben begangen…“, setzte er an. „Und du kannst dir nicht verzeihen“, vollendete Nell ruhig. Er nickte bestätigend. „Ich weiß auch nicht, ob Maron mir verzeihen kann.“ Nell blickte zu Maron rüber, die herzhaft mit den Kindern lachte. „Weißt du es gibt einige Dinge die Engel und Menschen gleich haben. Wir treffen Entscheidungen, die wir am Ende bereuen. Wir haben die Kapazität unendliche Fehler zu machen und wir haben die Kapazität unendliche Male zu verzeihen“, sagte sie in einem sanften Ton. „Wenn sie dir gestern nicht verzeihen konnte, dann heute. Wenn nicht heute, dann morgen.“ Nell schaute ihn aufmunternd an. „Sie wird dir auf jeden Fall verzeihen. Dem bin ich mir sicher.“ „Vielleicht.“ Chiaki ließ einen langen Seufzer aus. „Diese Gefühle, die ich für sie empfinde, …die sind so überwältigend. Im positiven sowie im negativen Sinne.“ „Die Liebe… Beschreib es mir“, bat Nell ihn plötzlich, „Beschreib mir, wie es sich anfühlt, jemand zu lieben.“ „W-Wieso?“ „Wieso nicht?“ Interessiert blickten ihre Augen in seine. Chiaki wusste zuerst nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er überlegte für einen Augenblick nach den richtigen Worten. „Wenn du jemanden liebst, dann wird er nicht nur zu einem Bestandteil deines Lebens, sondern auch zu einem Bestandteil deiner Selbst. Ihre Berührungen bleiben auf deiner Haut und ihre Stimmen bleiben in deinen Ohren und ihre Gedanken bleiben in deiner Seele. Ihre Albträume tun dir im Herzen weh und ihre guten Träume sind auch deine guten Träume. Und du weißt, dass sie nicht perfekt sind, aber du kennst ihre Fehler und die schrecken dich nicht zurück. Vielmehr noch, du liebst sie mehr dafür. Ihre Unvollkommenheit macht sie vollkommen. Du willst sie. Du willst— “ Chiaki stoppte sich, als er Nell’s breites Grinsen bemerkte. Verlegen räusperte er sich und sah weg, das Gesicht mit einer leichten Schamesröte gezeichnet. „Du liebst sie so sehr“, lächelte sie. „Maron kann sich glücklich schätzen.“ Schweigend rieb er sich den Nacken, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Einige Minuten saßen beide stillschweigend nebeneinander bis Chiaki sich erhob. „Ich muss was erledigen. Sagst du Maron, dass ich sie in unserem Zimmer wiederseh’?“ Verwundert sah Nell zu ihm auf und nickte bejahend. Gerade als er sich abwenden wollte, spürte Chiaki, wie er am Ärmel festgehalten wurde. „Warte.“ Fragend blickte er zu Nell runter. Sie zögerte kurz, als sie schließlich fragte: „Kanntest du mich in meinem früheren Leben?“ Die Frage kam für ihn überraschend. Sein Gesicht verlor leicht an Farbe. „Du schaust mich immer so an…“, merkte Nell an und vergrub augenblicklich ihr Gesicht in beiden Händen. „Obwohl - es war dumm von mir zu fragen. Es ist besser, wenn ich es nicht weiß“, schüttelte sie den Kopf. „…Wieso fragst du dann?“, fragte Chiaki, versuchte seine Stimme eben zu halten. Nell blickte ihn mit einem unsicheren Ausdruck an. „Weil ich den Schmerz in deinen Augen sehe“, sagte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zwang sich bei der Berührung nicht zusammenzuzucken. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, sein Hals schnürrte sich zusammen. So gerne wollte er ihr sagen, dass sie Hikari Nagoya war. Dass sie seine Mutter war. Doch er konnte nicht. Er konnte sich nicht dazu bringen. Er brachte die Worte nicht über die Lippen. „Wer auch immer ich in deinem Leben war… Ich will, dass du deinen Frieden über den Verlust findest. Bestimmt hatte ich ein glückliches Leben. Genauso glücklich wie ich jetzt hier bin“, sprach sie bestimmt auf ihn ein. Chiaki machte den Mund auf und wieder zu. Eindringlich blickte er in ihre Augen. „Was wäre, wenn ich erst Frieden finden kann, wenn-…wenn...“ Er brach ab. „Wenn was?“ „Vergiss es.“ Damit machte er am Absatz kehrt und ging, ließ den Engel erstaunt zurück.   Gezielt lief Chiaki durch den Palast und blieb vor einer großen Tür stehen. „Ich würde gerne mit Gott sprechen“, sagte er zu Rill. Dieser öffnete die Tür und trat mit ihm ein. „Ich habe dich erwartet, Chiaki“, sagte Gott. Wortlos sah der Blauhaarige zum Podest auf und anschließend zu den Engeln, die um ihn herumstanden. Wie als wüsste Gott was Chiaki wollte, sagte er: „Lasst uns bitte allein.“ Sofort verließen Rill und alle Wachen den Saal. Für eine Weile herrschte Stille, bis der Blauhaarige sie durchbrach: „Du weißt, wieso ich hier bin.“ „Hmmm.“, kam es vom Herrn bestätigend. „Und du willst meine Hilfe.“ Chiaki nickte. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Zauber, den ich mir auferlegt habe, immer noch wirkt, sobald wir zu Hause sind...“ „...Das ist dunkle Magie, die du angewendet hast“, sagte Gott ernst, „Da können weder ich noch die mächtigsten Erzengel was dagegen tun.“ „Natürlich“, murmelte Chiaki trocken. Mit so einer Antwort hatte er gerechnet. „Angenommen, ich bleibe der Alte... Dann wird der Fluch wieder auf uns lasten.“ „Ja.“ „Und du würdest nichts dagegen tun, um uns aus dieser misslichen Lage zu helfen?“, fragte Chiaki sarkastisch mit hochgezogener Augenbraue. „Ich meine, schließlich besteht die Gefahr, dass wir uns gegenseitigen umbringen können. Und dann sehen deine Gewinnchancen gegen Satan schlecht aus.“ „… Es gibt nur drei Dinge zu der ich fähig bin“, sagte Gott nach einigen Momenten, „Menschen eine Seele geben, über diese Seelen wachen und die Atmosphäre bewegen.“ „Warum bist du überhaupt Gott?!“, platzte es aus Chiaki heraus. „Okay. Schön. Du hast diese Welt erschaffen, gibst uns das Leben und veränderst das Wetter. Aber was das ‚über die Seelen wachen‘ angeht, machst du einen schlechten Job!“ „Chiaki...“ „Wie viele Menschen beten wohl zu dir und hoffen dass du ihnen hilfst, ihnen ihre Wünsche erfüllst-... Wenn du dabei nur tatenlos zuschaust?“ „Hier geht es um mehr als nur den Zauber oder den Fluch“, stellte Gott ruhig fest. „Klar, geht es um mehr!“, kam es von Chiaki wutentbrannt, „Menschen werden unfreiwillig aus dem Leben gerissen und du kannst nichts dagegen tun!“ Sekunden, Minuten, vergehen in der niemand was sagte. „Es tut mir leid, dass du leiden musstest…“, sprach Gott schließlich, „Genauso tut es mir leid, was du und Maron durchstehen müsst. Ich kann verstehen, dass du dich machtlos fühlst. Genauso machtlos, wie ich mich in vielen Situationen fühle. Allerdings muss ich sagen, dass das Schicksal weder in meinen Händen noch in die des Teufels liegt – sondern in deinen. Ich hoffe, du kannst das verstehen.“ Wortlos hielt Chiaki sich die Hand vor das Gesicht und setzte sich zu Boden. Frustriert fuhr er sich einige Male durch die Haare. „Ich verstehe schon“, sagte er resigniert, „Du kannst keine Wünsche erfüllen oder Wunder vollbringen. Wir müssen uns selbst helfen und es liegt in unserer Hand etwas zu verändern. Es sind unsere Entscheidungen, die unser Leben ausmachen. Seien die gut oder schlecht – wir müssen lernen mit den Konsequenzen umzugehen.“ Er seufzte tief aus, senkte seine Hand und sah zu Gott auf. „Entschuldige meinen Ausbruch. Ich... Ich fühle mich einfach nur verloren.“ Ebenso wollte er sagen, dass er sich gefangen fühlt. Wie in einem Käfig. „Verloren bist du erst, wenn du alleine bist. Doch du bist nicht alleine. Freunde und Familie stehen zu dir“, erwiderte Gott in einem verständnisvollen Ton, „Besonders Maron steht zu dir.“ „Maron?“ Chiaki lachte bitter auf. Der Gedanke an sie, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Das bezweifle ich. Ich habe ihr viel zu sehr wehgetan...“, sprach er leise. „Dennoch müsst ihr einander vertrauen“, sagte Gott, „Glaube an das Gute in ihr und dann kannst du auch an das Gute in dir vertrauen.“ Chiaki ließ sich die Worte auf sich wirken. Maron war alles Gute in ihm, dachte er sich. Alles, was hell leuchtete und seine Sünden überstrahlten. „Du solltest zu ihr gehen“, sprach der Herr sanft. „Es ist schon spät und morgen wird ein langer Tag werden.“ „Morgen? Ahnst du etwas?“ „Ja.“ Nickend erhob sich Chiaki und verließ Gottes Saal. *** „Dekorierst du um?“ Maron drehte sich überrascht zu Chiaki um, der das Schlafzimmer betrat. Er wirkte erschöpft, die Haare standen ihm etwas ab. Sie blickte sich um. An allen Ecken hatte sie Blumen verteilt, die die Kinder ihr gegeben hatten. „Das Motto ist Blumengarten“, entgegnete sie scherzhaft. Kichernd ging Chiaki ins Bad. Maron konnte das Wasser laufen hören. Sie hatte sich schon Bettfertig gemacht und sich eines der Männer-Hemden im Kleiderschrank geliehen. Wie ein Nachthemd trug sie es über ihrer Unterwäsche. Nicht unbedingt sexy, aber komfortabel, dachte sie sich schulterzuckend. Maron setzte sich auf das Bett hin, lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende an und blickte zum Bad rüber. Sie verkniff es sich Chiaki zu fragen, ob er okay sei. Sie wollte ihn fragen, wo er gewesen war, doch es war besser, dass er es ihr von selbst erzählte. Mit Herzklopfen hatte sie auf ihn gewartet. Auf den Weg zurück hatte sie sich ein wenig mit Nell unterhalten, doch die innere Anspannung in ihrer Brust ließ nicht los. Als Chiaki aus dem Bad wiederkam, waren seine Haare und sein T-Shirt feucht und er wirkte wacher als vorher. Maron vermutete, dass er sich Wasser ins Gesicht gespritzt hat. „Die sehen hübsch aus“, sagte er, als er die Blumen betrachtete. Er lächelte ein Lächeln, welches seine Augen nicht erreichte. „Maron, ich muss dir was sagen.“ Sie richtete sich auf. Ihr Herz klopfte laut auf, doch sie zwang sich eine ruhige Miene beizubehalten. Chiaki setzte sich auf die Bettkannte hin und sah zur Decke auf. Eine sternenklare Nacht war projiziert. Die Sterne funkelten um die Wette. „Ich war eben bei Gott”, offenbarte er. Geduldig wartete Maron darauf, dass er weitersprach. „Ich hatte gehofft, dass er uns irgendwie helfen kann. Doch leider sind wir auf uns alleine gestellt.“ „Nun ja... nicht wirklich allein“, erwiderte Maron sanft. Sie hatte vermutet, dass der Herr ihnen nicht beistehen konnte. „Wir haben uns. Wir stehen das gemeinsam durch.“ Etwas in seinen Augen veränderte sich. Sie konnte es nicht deuten. Einige lange Sekunden vergingen, bis Chiaki wieder zu Wort kam. „Maron... Ich habe mir diesen Bann auferlegt, weil ich Angst hatte“, sagte er, seine Stimme zitterte, „Beziehungsweise immer noch Angst habe...“ Maron sah ihn an, wartete darauf, dass er weitersprach. „Nämlich dich zu verlieren“, sagt er. „Du bist die einzige Person, die ich so liebte und ich weiß, du wirst die einzige sein, die ich so lieben werde. Ohne dich bin ich nicht ich selbst, Maron. Du bist ein Teil von mir, welche ich nicht aus mir entfernen kann. Das wäre gleichbedeutend, wie wenn man mein Herz herausschneiden würde - und ich mag mich ohne mein Herz nicht. Das weiß ich jetzt.“ „Chiaki“, wisperte Maron. Mit einem beschämten, zugleich verletzlichen Gesichtsausdruck blickte er runter. „Nun... es sei denn, du empfindest nicht mehr so für mich...“, sagte er, „Ich kanns dir nicht verübeln, wenn du aufgehört hast mich zu lieben, während ich unter dem Bann stand.“ „Ich schätze, damit wäre das Problem mit dem Fluch gelöst“, sagte sie, ohne nachzudenken. Chiaki zuckte zusammen. Schnell krabbelte Maron auf dem Bett zu ihm rüber. Sie kniete sich vor ihm hin und reichte nach seiner Schulter. Er drehte seinen Kopf, um sie anzusehen. Er sah sie an, wie als würde er in die Sonne blicken. „Chiaki...“, sagte sie, „Ich war wütend auf dich. Du hattest mir gefehlt. Aber ich habe nie aufgehört dich zu lieben.“ Sachte strich sie mit der Rückseite ihrer Hand über seine Wange. Die Bilder ihres Traumes blitzten vor ihren inneren Augen auf, ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, doch sie ließ sich nichts anmerken. „Glaubst du an Paralleluniversen?“, fragte sie plötzlich. Fragend sowie verwundert zog er die Brauen zusammen. „Glaubst du daran, dass es irgendwo Versionen von uns gibt, die keine Feinde sind? Die auf derselben Seite kämpfen? Oder in der die Situation umgedreht ist, dass ich für den Teufel arbeite und du für Gott? Oder in einer Welt leben, völlig ohne Dämonen und mit harmlosen Alltagssituationen, wie eine Matheprüfung oder Steuererklärung zu kämpfen haben?“, sprach sie weiter, „Und egal, was wir machen und wo auch immer wir existieren... glaubst du, dass wir in all diesen unendlichen Alternativen uns lieben und zusammen sind?“, fragte sie eindringlich. „Ich glaube nämlich daran. Solange du existierst und ich existiere, werde ich dich lieben. Ich werde dich immer lieben.“ „Maron.“ Er stieg aufs Bett und kniete sich ihr gegenüber hin. In der Position war sie einen Kopf kleiner als er. Er berührte ihre Haare, strich sie über ihre Schulter nach vorne. Seine Augen blickten tief in ihre. „Ich weiß nicht, was passieren wird, wenn wir zurückkommen“, sagte er, „Ich weiß nicht, ob ich der Alte bleiben werde, oder nicht. Doch egal was kommt, ich werde an deine Worte denken. Ich werde mich an sie erinnern und wissen, dass ich dich genauso liebe und immer lieben werde.“ Tränen brannten in ihren Augen. „Ich kann’s gerne nochmal wiederholen. Damit du’s doch nicht vergisst.“ „Nicht nötig.“ Sanft strich er über ihre Wange. „Ich werde mich für immer daran erinnern wie du aussahst, als du es sagtest.“ „Da wünsche ich mir jetzt, dass ich was Attraktiveres angehabt habe“, scherzte sie mit einem nervösen Lachen. Seine Augen verdunkelten sich vor Verlangen. „Glaub mir, es gibt nicht heißeres, als dich in meinen Hemden zu sehen“, grinste er. Sachte berührte er den Kragen des Hemdes. Eine Gänsehaut überkam sie. Seine Stimme war tief und rau. „Es gibt niemanden, die ich so begehre wie dich.“ Seine Finger fuhren ihren Schlüsselbein entlang bis zu ihrem Halsansatz. „Chiaki...“ Für einen Moment zögerte Chiaki. Maron spürte wie ihre Wangen erröteten. Er schluckte. „Lass mich-“, sagte er und stoppte sich, „Darf ich dich küssen?“ Anstatt zu nicken, lehnte sie sich nach vorne und presste ihre Lippen auf seine. Es war ein heißer, fordernder Kuss, sie schlang ihre Arme um seinen Hals und nippte an seiner Unterlippe. „Ich will dich, Maron“, wisperte er, als sie sich lösten. Er öffnete den obersten Knopf des Hemdes auf, entblößte dabei ein kleines Fleckchen ihrer Haut. Er sah zu ihr auf und sie nickte, wisperte unhörbar: Ich will es auch. Ja, ich will dich. Er küsste sie leidenschaftlich, ihre Zungen trafen aufeinander. „Ich liebe dich. So sehr“, sagte er. Seine Finger glitten nach unten. Ein weiterer Knopf öffnete sich, die Wölbung ihrer Brüste kamen zum Vorschein. Seine Pupillen verdunkelten sich. Ein Schaudern überkam Maron, wie als würden Engelsfedern über ihre Haut streichen. Sie reichte nach seinem T-Shirt und zog es ihm über den Kopf. Ihre Hände glitten von seiner Brust zu seiner Gürtellinie herab, strichen sachte über sein Haut. Chiaki’s Augen beobachteten sie dabei und augenblicklich küssten sie sich wieder. „Ich liebe dich heute...“, wisperte er gegen ihre Lippen. Seine Finger öffneten nach und nach weitere Knöpfe bis schließlich das Hemd vollständig auf war und er es ihr von den Schultern schob. Unmerklich rutschte es ihr die Arme herunter. Seine Augen blickten gierig in ihre, doch seine Hände waren vorsichtig und sanft. Er streichelte ihre nackten Schultern, küsste jeden Zentimeter freie Haut, wanderte mit seinen Lippen den Pfad zwischen ihren Brüsten entlang. Sachte schob er den Träger ihres BHs von den Schultern. Ihr Atem beschleunigte sich. „Ich liebe dich morgen...“, murmelte er gegen ihre Haut. Maron ließ sich nach hinten zurückfallen, zog Chiaki dabei mit sich, sodass er über ihr war. Sein Gewicht drückte sie in die weiche Matratze rein. Seine Finger fanden sich unter ihrer Taille wieder und er küsste sie intensiv. Sie strich ihre Finger durch seine Haare. Ohne Hast entledigten sie sich ihren Klamotten. Bei jedem neue bisschen freie Haut folgten ehrfürchtige Berührungen und heiße Küsse. Ihre Hände wanderten von seinem Rücken zu seiner Brust und tasteten sich jeden einzelnen Muskel herab, was ihn zum Seufzen brachten. Sie öffnete seine Hose, schlüpfte mit ihrer Hand rein. Stöhnend lehnte er seine Stirn an ihrer Schulter. Verschmitzt grinste sie ihn an, als er aufsah. Im nächsten Moment kickte er seine Hosen weg. Er nahm ihre Handgelenke und fixierte sie mit einer Hand über ihren Kopf. Wiedermals trafen ihre Lippen aufeinander „Ich liebe dich für immer“, flüsterte Chiaki. Maron nickte. „Heute. Morgen. Für immer...“, hauchte sie gegen seine Lippen, bevor sie sich erneut küssten. Sie konnte ihn hart gegen ihren Körper spüren. Immer wieder murmelte sie unter küssen seinen Namen und er wisperte ihr, dass er sie liebte. Nach einer Weile ließ er ihre Hände los und seine Finger strichen jede Kurve und jede Wölbung ihres Körpers entlang, ließen keinen Zentimeter aus.   Chiaki spürte, wie sich Maron’s Körper nach ihm sehnte. Ihre Lippen küssten gierig seine und sanft strich ihre Zunge über seinen Mund. Glück, Liebe und Verlangen dominierten in ihn. Er vernahm den süßen Duft ihrer Haut, küsste sie erneut, wanderte unter Küssen ihren Hals herab bis zu ihrem Nacken. Sie seufzte. Ihre Hände krallten sich in seinen Haaren fest und seine befanden sich auf ihren nackten Brüsten. Erneut seufzte sie erregt auf, was ihn allein schon nahezu den Verstand raubte. Er spürte, wie sie sich unter ihm regte und sich an ihn rieb, während er sie liebkostete, was ihn zum Stöhnen brachte. Nur sie hatte eine solche Macht über ihn. Sein Mädchen. Seine Maron. Seine Lippen wanderten von ihren Brüsten zu ihrem Bauch herab und noch weiter runter. Sie stöhnte seinen Namen. Seine Hände wanderten unter ihren Beinen herab und seine Finger tasteten sich ihren Oberschenkeln hoch. Der Druck ihrer Hände auf seinem Hinterkopf erhöhte sich. Ihr Atem wurde schneller und schneller. Ihre Stimme wurde von Sekunde von Sekunde, in der er sie mit seinen Lippen, seiner Zunge und Fingern folterte, verwöhnte und liebkostete, lauter. Verdammt, er wollte sie - er war hungrig nach ihr. Doch er wollte auch nichts überstürzen, weshalb es sich zwang für einen Moment aufzuhören. Er zog sich etwas zurück, um sie anzusehen. Seine dunklen Augen bekamen einen verträumten Blick. Sie war so wunderschön. Er hatte sie bei Nacht gesehen, bei Tag, mit Make-Up und ohne, die Haare hochgebunden und ungewaschen. Er hatte sie in Jeans gesehen sowie in Seide gehüllt. Er hatte sie als normales Mädchen gesehen als auch als Diebin. Ob als Maron oder als Jeanne – mit Freude könnte er den Rest seines Lebens damit verbringen sie anzuschauen. Und nun lag sie in nichts vor ihm. Die Wangen purpurn gefärbt, die Haut schimmernd, die Lippen rot und geschwollen vom Küssen, die Augen dunkel vor Begierde und Lust. Wer war dieses Mädchen, die ihm das alles erlaubte? Und wie hatte er sie verdient? Wie hatte er einen Engel, wie sie verdient? Eine Hand auf seine Wange ließ ihn leicht zusammenzucken. Große braune Augen blickten in seine. „Küss mich“, bat sein Engel ihn und er tat es, wagte dabei nichts anderes zu tun. Sein Herzschlag erhöhte sich mit jedem Kuss, genauso wie das Verlangen nach einander.   Jeder Kuss war anders und Maron verlor sich in ihnen. Ihre Beine schlangen sich um ihn, ließen nicht von ihm los. „Chiaki...“, wisperte sie. Seine Lippen streiften ihrer Wange, ihre Haare, als er sich in sie bewegte. Sein Blick ließ ihren dabei nicht los. Genauso wenig, als er sie mit sich hochzog, sodass sie auf ihn saß. Seufzend und stöhnend legte sie ihre Arme um ihn. Sie spürte seine starken Arme auf ihrem Rücken, die sie festhielten. Anschließend nahm er ihr Gesicht in beide Händen, küsste sie, während er sich vorsichtig und langsam bewegte. Keuchend vergrub sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge. „Ich liebe dich“, hauchte sie ihm immer und immer wieder ins Ohr, „Ich liebe dich so sehr.“   Danach lag Maron eingerollt in Chiaki’s Armen. Atemlos. Seine Wangen waren gerötet, Schweiß schimmerte auf seiner Haut, die Haare in alle Richtungen stehend. Mit einer Hand nahm er ein paar Strähnen ihrer Haare und ließ sie durch seine Finger gleiten. „Heute. Morgen. Für immer, Maron...“, sagte er und presste seine Lippen liebevoll auf ihre Stirn. Maron schloss ihre Augen, als sie flüsterte: „Für immer...“ Chapter 26: Return ------------------ Super kurzer Lückenfüller ^^ Trotzdem viel Spaß beim Lesen! --------------------------------------------------------------------- Chapter 26: Return   Chiaki saß hellwach auf der Bettkante und blickte gedankenverloren in die Dunkelheit hinein. „Solange du existierst und ich existiere, werde ich dich lieben. Ich werde dich immer lieben.“ Maron’s Worte füllte sein Herz und brach es gleichzeitig. „Ich weiß nicht, ob ich der Alte bleiben werde, oder nicht. Doch egal was kommt, ich werde an deine Worte denken. Ich werde mich an sie erinnern und wissen, dass ich dich genauso liebe und für immer lieben werde“, hatte er ihr gesagt. Eigentlich wollte er sagen: Was ist, wenn aufhöre zu verstehen, was es bedeutet dich zu lieben? Wenn ich vergesse, dich zu lieben? Sie war so stark und mutig, seine Maron, und so wunderschön. Schlafend lag sie im Bett, die Decke sachte um ihren Körper gelegt. Chiaki blickte auf seine Hände herab. In der einen Hand hielt er ein Messer, in der anderen Hand sein Pentagramm. Das silberne Metal sowie der dunkelrote Edelstein leuchtete im hellen Licht des Mondes. Er drehte es einige Male in der Hand und setzte für einen Moment die Messerspitze in die Mitte des Symbols an. Sofort konnte er den schmerzlichen Druck der Spitze in seinem Inneren spüren. Chiaki hob das Messer wieder an und der Schmerz war verschwunden. Er drehte den Anhänger um, sodass die metallische Rückseite nach oben gerichtet war. Wieder setzte er doch Messerspitze darauf an. Bis auf sein klopfendes Herz, war nichts zu spüren. Er konnte die flüsternden Stimmen aus dem Wald in seinem Kopf hören. „Du befindest dich in diesem Käfig, Junge.“ Er dachte an dieses leere Gefühl zurück, welches er seit dem Zauber mit sich trug, ohne dass es ihm bewusst war. Wie ein Mensch, der von einem Dämon besessen war, sich die Seele auffressen ließ, ohne zu bemerken, woher sein Leid kommt. Tief nahm Chiaki Luft und brachte die Klinge auf das Metall runter.  *** Verschlafen wachte Maron auf, die Haare wirr zerzaust und die Lippen wund von letzter Nacht. Benommen blinzelte sie einige Mal und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Derselbe Traum..., ging es ihr nachdenklich durch den Kopf. Wieder hatte sie von ihrem toten Körper geträumt. Ein gewisses Unbehagen bildete sich in ihrer Brust. Sie rollte sich auf die andere Seite und fand Chiaki fertig angezogen neben ihr vor. Er wirkte frisch geduscht und Maron konnte leichte Augenringe unter seinen Augen erkennen. Hatte er überhaupt geschlafen?, fragte sie sich. „Morgen“, lächelte er sie an. Sie lehnte sich vor, um ihn einen Kuss zu geben. „Morgen“, grinste sie und stand auf, „Warte kurz, ich mache mich auch schnell fertig.“ Chiaki grinste schief. „Ich warte schon seit Stunden.“ Augenrollend schmiss Maron ein Kissen nach ihm. Kurz neckten die beiden sich bis Maron lachend ins Bad verschwand. Es war merkwürdig, wie Humor und die Fähigkeit zu Scherzen mit Emotionen zusammenhingen. Sie dachte, an den emotionslosen Chiaki zurück, dessen Humor schwarz und bitter war. Fertig geduscht und umgezogen kam Maron wieder raus, als es in dem Moment an der Tür klopfte. Chiaki, der an der Wand angelehnt auf sie gewartet hatte, ging rüber und öffnete sie. Nell stand mit einem ernsten Gesichtsausdruck vor ihnen. „Eine gute und eine schlechte Nachricht“, sagte sie, „Die Gute: Fin und Access sind wach. Die Schlechte: Dämonen kommen, also los!“ Sofort folgten die beiden ihr aus dem Palast. Draußen angekommen, war das erste was Maron sah unzählige Engel, die sich kampfbereit aufgestellt hatten. Darunter erblickte sie auch Fin, die ihr zuwinkte. Maron rannte auf sie zu und umarmte ihre Partnerin stürmisch. „Ich bin froh, dass es dir gut geht, aber solltest du dich nicht ausruhen?“, fragte sie Fin besorgt. „Keine Sorge, ich bin fit wie ein Turnschuh“, zwinkerte die Grünhaarige ihr zu. Hinter Fin tauchte Access auf, der Chiaki lässig zunickte. Anschließend blickten beide die Diebe ernst an. „Es gibt einiges, was wir mit euch beiden zu bereden haben“, setzte Access an, „Doch leider ist das jetzt nicht der richte Zeitpunkt dafür.“ „Außerdem werden ich uns zur Erde zurückbringen, sobald die Situation sich hier beruhigt hat“, fügte Fin hinzu. Maron und Chiaki nickten verstehend. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Eine dunkle Wolkendecke breitete sich über ihnen aus. Bevor irgendwer sich gefasst machen konnte, kamen die ersten Dämonen runter und griffen die Engel an. Sofort verwandelten Maron und Chiaki sich und halfen den Engeln den Palast vor den Dämonen zu beschützen. Minuten vergingen und die Zahl der Dämonen minderte sich kein bisschen. Rücken an Rücken stand Jeanne und Sindbad und wehrten die gegnerischen Angriffe ab. Um sie herum kämpften Engel erbittert. „Also als Gott sagte, dass Satan einige Dämonen geschickt hat-… da hatte er eindeutig untertrieben“, merkte Jeanne sarkastisch an. „Sollte Noyn nicht auch hier sein?“, entgegnete Sindbad. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, hörten beide eine dunkle Stimme plötzlich sagen: „Suchst du nach mir?“ Die Kaitos wandten sich um und sahen Noyn, der hinter Nell stand und sie mit seinem einen Arm fest im Griff hat. Jeanne hörte, wie Sindbad der Atem stockte, wie versteinert stand er da, die blauen Augen auf Nell fixiert. „Am besten bewegt ihr keinen Muskel, sonst drück ich ihr die Luft weg“, drohte Noyn, seine Hand fest um Nell’s Hals gelegt.  Jeanne schrie in ihrem Inneren: Er kann sie nicht nochmal sterben sehen. Nicht nochmal! Niemand könnte sowas zweimal durchleben! Nell’s ruhiger Blick wanderte von Jeanne zu Sindbad rüber. Es war keine Angst in ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen. „Wie ich sehe, bist du wieder dein vorheriges Selbst“, sagte Noyn mit dem Blick auf Sindbad gerichtet. „Ich weiß, was du dir selbst auferlegt hast.“ Ein boshaftes Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht. „Ich habe den Zauber gespürt, als ich dich in der Hölle sah. Du bist wie ich. So wie ich meine Menschlichkeit abgelegt habe, so hast auch du deine abgegeben!“, lachte er vor Schadenfreude. „Ohne Empathie und Emotionen, wirst du zu einem Monster. Der Zauber mag hier zwar nicht wirken, Chiaki Nagoya, aber was passiert wohl, wenn du zurückkehrst? Was wirst du tun, wenn du die Gefühle, die du fühlst, nicht mehr aushalten kannst?” „Halt dein Mund!“ Jeanne knirschte wütend mit den Zähnen. „Du hast keine Ahnung!“ Sie wandte sich an Sindbad, der keine Miene verzogen hatte. Ihr entging der stumme Blickkontakt zwischen ihm und Nell nicht. Noyn lachte diabolisch. Plötzlich, ohne dass der Dämon es mitbekam, holte Nell etwas kleines, spitzes aus ihren Ärmeln hervor und stach es ihm in den Arm. Schreiend ließ Noyn von ihr los. Sofort entfernte der Engel sich von ihm und Jeanne stellte sich schützend vor ihr. „Miststück“, zischte Noyn wütend. Er ging auf Jeanne zu, griff sie mit seinem Dolch an. Die Diebin wehrte ihn gekonnt ab. Trotz des einen Arms war er dennoch sehr stark. Hinter ihn stand Sindbad, eine freie Hand nach oben halten. Jeanne verstand sofort, was er wollte. Sie schob Noyn von sich, schlug ihm gezielt in den Bauch, ins Gesicht und kickte ihm schließlich die Waffe aus der Hand. Mit einer blitzschnellen Bewegung schnappte sie es sich und warf es Sindbad zu. Er fing den Dolch in der Luft auf. Noyn drehte sich zu ihm um, doch ehe er reagieren konnte, hatte Sindbad ihm die Klinge schon in die Brust gerammt. Ein schmerzlicher Laut entkam dem Dämonenritter. „Es ist nur fair, dass diese Klinge dich als ihr letztes Opfer hat“, sagte Sindbad. Er zog den Dolch raus, Blut rannte ihm die Hand herunter. Regungslos stand er da, während Noyn wie eine lose Marionette zusammenbrach.  Sindbad sah auf seinem sterbenden Körper herab. „Ich bin nicht wie du. Ich werde niemals so werden wie du“, fügte er leise hinzu und warf den blutigen Dolch neben seinem Besitzer ab. Schweratmend atmete Jeanne ein und aus. Adrenalin schoss durch ihren Körper. Sie schaute sich um und sah, dass die Engel allmählich überhand gewannen. „Jeanne!“ Die Angesprochene drehte sich zu Fin um, die mit Access zu ihr geflogen kam. „Seid ihr unverletzt?“, fragte sie die Engel. Sie nickten. Nach einigen Momenten war die Schlacht endgültig vorbei und der Himmel erhellte sich wieder. An jeder Ecke wurden Engel verarztet. Jeanne sah, wie Access und Fin mit ihren Freunden sprachen und sich dann umarmten. Anschließend erstellten beide ein Portal. „Es wird Zeit“, sagte Fin ihr, nachdem Access schon durchgeflogen war. Dann fiel ihr ein, dass Sindbad nicht bei ihr war. Suchend drehte Jeanne sich zur Seite und sah, wie er mit Nell einige Schritte entfernt stand und ihr was zu sagen schien. Die Augen des Engels wurden groß und in der nächsten Sekunde schlang sie ihre Arme um ihn. Er drückte sie fest an sich. Ein breites Lächeln haftete auf Nell’s hübschen Gesicht, als sie sich lösten. Ebenso rollte ihr eine kleine Träne die Wange herunter. „Chiaki.“ Jeanne ging auf die beiden zu und hielt Sindbad die Hand entgegen. Er nahm ihre Hand in seine.  „Beeilt euch, bevor es sich schließt“, sagte Nell hinter ihnen. Lächelnd winkte sie ihnen zum Abschied zu. Gemeinsam standen sie vor dem Portal. Sindbad sah Jeanne an-, die Augen leuchteten im Licht des Portals in einem hellen Meeresblau. „Wir sehen uns auf der anderen Seite“, wisperte er ihr mit einem kleinen Lächeln zu. Jeanne nickte und zusammen traten sie hindurch. Chapter 27: In the Cage ----------------------- Chapter 27: In the Cage   „Maron. Maron, wach auf.“ Die Angesprochene blinzelte einige Male, ehe sie Fins Gesicht erblickte. „Fin?“ Es war so hell. Maron kniff sich geblendet ihre Augen zu und öffnete sie langsam wieder. Verwundert setzte Maron sich auf und stellte fest, dass sie sich in Chiaki’s Schlafzimmer befand. Was sie jedoch noch mehr irritiert- „Du bist ja immer noch so groß!“, platzte es aus ihr heraus, als sie ihren grünhaarigen Engel sah. Fin sah auf sich herab. „Uhm... ja als Grundengel kann ich mich klein und groß machen“, kratzte sie sich verlegen den Kopf. „Schon immer??“ „Ja, solange ich bei voller Energie bin. Nur hatte ich in den letzten Jahren keine Möglichkeit gehabt richtig aufzutanken“, lächelte der Engel achselzuckend. „Außerdem wollte ich mich nicht so breit machen in meiner großen Gestalt.“ Maron nahm das mit einem benommenen Nicken zur Kenntnis. „Wo ist Chiaki? Und was ist passiert?“, fragte sie.  „Ihr habt beide das Bewusstsein verloren, als wir auf der Erde angekommen sind. Na gut, solche interdimensionalen Reisen sind auch nicht einfach. Und durch den Kampf vorher, wart ihr schon körperlich ziemlich angeschlagen“, erklärte Fin, „Access hatte darauf bestanden, dass wir uns hierher befördern“, zuckte sie mit den Schultern, „Chiaki ist vor einer Stunde aufgewacht. Und während wir auf dich warteten, ist Access vorhin losgezogen, um nach Dämonen zu suchen.“ Fin blickte sie ernst an. „Es gibt ja noch einige Dinge, die wir mit euch zusammen beredet wollen.“ Plötzlich öffnete sich die Tür und Chiaki kam rein. Er sah ausgeschlafen aus. Maron sah zu ihm rüber und ihre Blicke trafen sich. Ihr Herz machte einen Sprung. „Kannst du uns für einen Moment allein lassen?“, fragte sie an Fin gewandt. Diese schürzte nur die Lippen und flog mit einem „Ich schau mal nach Access“ nach draußen. Sie stieg aus dem Bett aus und streckte sich etwas. Sie fühlte sich fit und ausgeruht. „Ich fühle mich, wie als könnte ich Berge versetzen“, lächelte sie Chiaki an. „Es gibt nicht viel was ich fühle“, entgegnete er daraufhin und Maron’s Lächeln fiel in sich zusammen. Sie wusste es. In dem Moment, als er reinkam wusste sie es, doch sie wollte es nicht wahrhaben. Irgendwo hatte sie immer noch die kleinste Hoffnung gehabt, dass der Bann gebrochen blieb. „Dreh dich um“, sagte sie stumpf, „Ich will mich umziehen.“ Chiaki hob eine Augenbraue. „Ich habe alles doch schon gesehen.“ „Das gibt dir dennoch nicht das Recht zu schauen“, erwiderte Maron. „Dreh. Dich. Um.“ Chiaki drehte sich um. Maron ging zum Kleiderschrank und holte sich ein T-Shirt, eine Strickjacke sowie eine Leggings raus. Während sie sich umzog, behielt sie Chiaki, der die Wand anstarrte, kritisch im Blick. „Nur um das klarzustellen: der Zauber ist wieder da“, sagte sie. „Ja“, sagte er und sie spürte, wie das Wort allein wie eine Nadel auf ihr Herz einstach. „Ich hatte Träume, Träume mit Emotionen und Gefühlen in ihnen. Aber in dem Moment, als ich aufwachte... verblassten sie. Ich wusste, dass ich gefühlt habe, aber jetzt kann ich es nicht. Es ist wie wenn ich weiß, dass ich eine Wunde habe, aber mich nicht an den Schmerz erinnern kann.“ „Wobei du gerade sowieso kein Schmerzempfinden mehr hast“, kommentierte Maron trocken. Sie band sich ihre Haare zu einem wilden Knoten hoch. Sie hatte keinen Spiegel in der Nähe, um zu kontrollieren, wie sie aussah. Doch wen interessierts? Chiaki war die einzige Person, die sie beeindrucken wollte. Doch jetzt würde es ihn nicht im Geringsten interessieren. „Dreh dich um“, sagte sie und er tat es. Ein grimmiger Ausdruck haftete auf seinem Gesicht, was Maron nicht erwartet hatte. Anscheinend gefiel es auch ihm nicht, dass der Zauber wieder da war. „Was willst du jetzt machen?“, fragte sie. „Komm her“, sagte er und sie ging zögernd auf ihn zu. Die Erinnerungen von ihrer letzten gemeinsamen Nacht spielten sich unwillkürlich vor ihrem geistigen Auge ab. Sie konnte seine Worte klar und deutlich noch hören. Wie könnte sie sie auch jemals vergessen. „Ohne dich bin ich nicht ich selbst, Maron. Du bist ein Teil von mir, welche ich nicht aus mir entfernen kann. Das wäre gleichbedeutend, wie wenn man mein Herz herausschneiden würde - und ich mag mich ohne mein Herz nicht.“ Maron wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Chiaki ihr auf einmal etwas in die Hand legte. Fragend und neugierig sah sie auf sein Pentagramm herab. Dann spürte sie mit ihren Fingerspitzen die Unebenheiten auf der Rückseite. Sie drehte es um, zog scharf Luft ein. Ihre Augen weiteten sich. „Hast du das gemacht?“ „Ja. Bevor wir den Himmel verlassen haben.“  Zwei Worte waren auf dem Metall eingraviert. IM KÄFIG „Weißt du was es bedeutet?“, fragte Chiaki. Maron erinnerte sich daran zurück, als er ihr von dem Zauber erzählte und ihr sagte, dass er sich fühlte, wie als befände er sich hinter einer Glaswand. Ihr Herz fühlte sich an, wie als würde es in tausend Teile zerbrechen. „Ja“, sagte sie, „Weißt du es?“ Es dauerte einige Sekunden, bis Chiaki antwortete: „Ich denke schon.“ Maron gab ihm das Pentagramm wieder. „Damals im Dämonenwald haben Stimmen mir diese Worte zuflüstert.“ Er erzählte ihr von dem Moment. „Weder Leid noch Freude... nie wieder Glück empfinden... im Käfig gefangen...“, wiederholte sie die Worte leise zu sich selbst. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. „Sie verfolgten mich im Himmel“, fügte er hinzu. „Und ich schätze mal, dein normales Ich wollte dir eine Erinnerung dalassen“, schlussfolgerte Maron. „Damit du verstehst.“ Gerade als Chiaki was sagen wollte, klingelte im Untergeschoss das Festnetztelefon. Zusammen gingen beide runter. Chiaki schnappte sich das Telefon, guckte auf das Display und nahm ab. „Vater.“ Kurz nachdem sein Vater am anderen Ende etwas erwiderte, sagte er: „Ich musste etwas erledigen.“ Wieder war es kurz still. Chiaki warf ihr einen langen Blick zu, den sie nicht deuten konnte. „Da bin ich froh“, sagte er. Maron zog stutzig die Brauen zusammen. Sie beobachtete ihn und versuchte herauszufinden, worum es in dem Gespräch gehen könnte. Doch weder sein Gesicht noch seine Stimme zeigte irgendwelche Gefühlsregungen. Mir fällt ein, ich sollte mich bei Mama und Papa auch mal melden…, ging es ihr durch den Kopf. Chiaki verabschiedete sich und legte auf. „Wir waren fast drei Wochen weg“, sagte er zu ihr. Ihre Augen wurden groß, als Maron das Gesagte registrierte. „So lange?!“ „Ja.“ Es kam ihr vor als wären sie höchstens drei Tage weg gewesen. Sie musste sich dringend bei ihren Eltern melden. „Okay. Uhm… Und was wollte dein Vater?“ „Er hatte gefragt, wo ich war. Und er hatte gesagt, dass Mina seit ein paar Tagen wach ist und nach mir fragt.“ „Oh.“ Maron sah ihn eindringlich an. „Dann solltest du jetzt am besten auch gehen.“ Er blickte auf seiner Uhr. „Die Besuchszeiten sind in dreißig Minuten vorbei.“ „Dann sollest du dich beeilen. Du hast ein Auto“, rollte sie mit den Augen. „Geh. Ich warte hier.“ Chiaki schien etwas sagen zu wollen, entschied sich jedoch dagegen. Für einige lange Sekunden tauschten beide sich wortlose Blicke aus, ehe er schließlich ging. Maron ließ sich seufzend auf das Sofa fallen. Mit einem Mal fühlte sie sich müde und erschöpft. Das komplette Gegenteil zu vorhin. Im Käfig gefangen..., dachte sie sich.   Sie schauderte. *** Chiaki hatte nur noch zehn Minuten, als er im Krankenhaus ankam. Sein Vater hatte ihm gesagt, in welches Zimmer sie verlegt wurde und dass er und Nanako sie schon besucht hatten. Kaiki hatte auch erwähnt, dass er eine OP vorbereiten musste, bevor sie ihr Gespräch beendeten, weshalb Chiaki ihn womöglich auch nicht begegnen wird. Er war sich nicht sicher, wie er sich Minami gegenüber verhalten sollte. Sein Körper war angespannt. Er wusste, dass er froh sein sollte, als Kaiki ihm sagte, dass sie wach war. Ebenso wusste er, dass er sich gegenüber seinem Vater schuldig fühlen sollte, in Anbetracht dessen, wie ihr letztes Aufeinandertreffen im Krankenhaus endete und dass er sich erleichtert fühlen sollte, dass sein Vater sich dennoch bei ihm meldete. Er wusste, dass er mehr fühlen sollte, als er Maron sah. Es war wie, als wurde in ihm ein Schalter betätigt, der alles ins Leere hüllte. Die Emotionen, waren so fern und unerreichbar für ihn. Es wurde sogar schwierig für ihn zu sprechen. Er wusste, was er in bestimmten Momenten sagen sollte, doch sein Kopf war einfach nicht fähig es richtig zu verarbeiten. Es ist schlimmer als vorher, dachte Chiaki sich. Irgendwie waren seine Emotionen noch mehr eingedämpft, als sie es beim ersten Mal waren. Er spürte die Verzweiflung in ihm hochkommen, doch sie war dumpf und nahezu kaum anwesend. Am liebsten wollte Chiaki in eine scharfe Klinge reingreifen, um überhaupt etwas zu spüren. „Die Besuchszeit endet gleich“, hörte er eine Krankenschwester sagen, als er nach der Türklinke reichte. „Ich brauche nicht lang“, entgegnete er, öffnete die Tür und trat ein. Es war ein Einzelzimmer. Minami saß auf dem Bett und sah von ihrer Zeitschrift auf, die sie las. Ein entfernter Teil von ihm sagte ihm, dass sie zu dünn -zerbrechlich- aussah, die Bedeutung dahinter, verlor sich jedoch in dieser Leere. „Hey, großer Bruder!“ Mit einem breiten Lächeln auf dem Lippen, stand Minami vom Bett auf, ging auf ihn zu und schlang ohne Vorwarnung ihre dünnen Arme um ihn. Es war schlimm. Nicht, dass es schlimm war von Minami umarmt zu werden. Diese Leere, die er spürte - die war schlimm. Soweit Chiaki es einschätzen konnte, war die Umarmung nett. Sein Kopf sagte ihm, dass sie Familie ist, weshalb er automatisch seine Arme hob und die Umarmung erwiderte. „Ich wusste nicht, dass du kommst. Oder überhaupt wieder da bist. Mum und Dad meinten, du wärst weg gewesen“, sagte sie gegen seiner Brust. „Ich war weg. Aber jetzt bin ich wieder hier“, sagte Chiaki. „An was kannst du dich erinnern?“ „Ganz ehrlich... an gar nichts. Außer an unser letztes Telefonat.“ Minami sah zu ihm auf, die Hände an seine Jacke gekrallt. „Ich will dich wissen lassen, dass es mir leidtut“, sagte sie zu seinem Unerwarten. „Ich dachte, du wärst sauer auf mich, weil ich dich damals am Telefon angemotzt habe. Ich dachte, du wärst deswegen vielleicht weg gewesen, weil ich nur ein launischer Teenager bin und eine Last für dich wäre.“ Etwas in Chiaki’s Kopf schrie. Schrie danach, dass er ihr sagen soll, dass sie falsch lag, dass er nie sauer auf sie war und dass er sie liebte. Dieser weitentfernte Teil von ihm schrie verzweifelt danach, richtig zu reagieren. Doch es war wie, auf schalldichtem Glas zu hämmern. Diese Stille in seinem Herzen war fast so tiefschürfend, wie die Stelle, die er bei Maron empfand. „So war das nicht“, brachte er zustande. „Ich habe Vater schon gesagt, dass ich etwas erledigen musste.“ Während der andere Chiaki in seinem Kopf gegen das Glas hämmerte, rang dieser Chiaki nach Worten. „Es war nicht deine Schuld.“ „Okay.“ Minami lächelte erleichtert. „Die Besuchszeit ist vorbei“, ertönte auf einmal die Stimme der Krankenschwester. Chiaki ließ von Minami los und wandte sich zur Tür um. Besser jetzt gehen, als zu riskieren das Falsche zu sagen oder zu tun. Sobald er es irgendwie schaffte, den Bann zu brechen, würde er nochmal mit ihr reden. „Frag doch Vater, ob du länger bleiben kannst“, hörte er Mina enttäuscht sagen. „Ich würde mich gerne weiter mit dir unterhalten.“ „Er ist gerade in ner OP“, sagte Chiaki, ohne sich zu ihr umzudrehen. „Ich komme wieder, okay.“ In innerhalb von wenigen Sekunden war er schließlich draußen. Schweratmend stand er im Gang an der Wand angelehnt, als wäre er eben einem Monster entkommen. *** Maron stand in mitten des Schlafzimmers und telefonierte mit ihren Eltern. „Ich vermisse euch. Hab euch lieb.“ Kaum hatte sie das Gespräch beendet, klopfte es an der Schlafzimmertür. Sie sah Chiaki am Türrahmen stehen und war noch mehr erstaunt darüber, dass er überhaupt klopfte. Schließlich war es seine Wohnung und sein Schlafzimmer. Er kam rein. „Fin und Access sind noch nicht zurück.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Bestimmt kommen sie bald“, antwortete Maron ihm. Wortlos lehnte Chiaki sich gegen die Fensterbank an. Die Sonne ging hinter ihm unter und färbte den Himmel in einem prachtvollen Orangeton. „Ich denke, ich habe es mit Mina vermasselt“, sagte er plötzlich. „Sie wollte mit mir reden und ich denke nicht, dass ich richtig geantwortet habe.“ „Worüber wollte sie mit dir reden?“ Ein paar Strähnen fielen Chiaki ins Gesicht. Unbewusst musste Maron an ihre ersten Begegnungen denken. Wunderschön ging es ihr damals als auch heute durch den Kopf, als sie in seine Augen blickte. Ganz gleich, wie er vor ihr stand, ihr Herz sehnte sich nach ihm, nach seinen starken und zugleich sanften Händen, seinen Lippen... „Ich weiß es nicht“, sagte er, „Ich habe es nicht verstanden. Ich hätte es verstanden -ich weiß, ich hätte es- wäre es nicht für den Zauber.“ „Nun, du warst doch die ganze Nacht bei ihr in der Intensivstation“, entgegnete sie. „Ja. Das war aber instinktiv das, was man von mir als Bruder verlangt hätte, wenn die kleine Schwester nahezu im Sterben liegt. Es ging um Leben und Tod. Doch jetzt geht es um Emotionen. Und mein Kopf kann die einfach nicht verarbeiten.“ Emotionen spielen auch bei Leben und Tod eine Rolle, dachte Maron sich. „Access weißt nichts von dem Zauber richtig?“ Sie gesellte sich zum ihm ans Fenster. „Nein“, bestätigte er. Maron biss sich nachdenklich auf die Lippen. „Du warst eine Stunde vor mir wach. Wieso hast du ihm nichts gesagt?“ Er zog die Brauen zusammen. „Ich konnte nicht“, antwortete Chiaki, „Gott sagte, dass selbst die stärksten Erzengel nichts dagegen machen könnten. Er, als Grundengel, könnte erst Recht nichts ausrichten. Das hätte ihn nur wütend gemacht.“ Maron wandte sich überrascht zu ihm um. „Du wolltest nicht, dass er sich machtlos und nutzlos fühlt, wenn er dir nicht helfen kann“, stellte sie fest, „Chiaki, das ist Empathie. Du verstehst, wie sich Access fühlen würde. Das ist doch gut, oder?“ „Vielleicht“, sagte er, „Es gibt da eine Sache, die ich tue, wenn ich mir nicht sicher bin, wie ich mit emotionalen Situationen umgehen soll. Ich versuche mir vorzustellen, was du tun würdest. Was du in Betracht gezogen hättest. Versuche alles durch deine Augen zu sehen. Es hilft, auch wenn die Konversation mit Mina zu schnell für mich ging, um den Trick anzuwenden.“ Überrascht blickte Maron Chiaki an. „Was ich getan hätte?“ „Das funktioniert natürlich nicht, wenn ich bei dir bin“, sagte er. „Ich weiß nicht, was du von mir willst oder was ich mit dir tun soll. Ich kann dich nicht durch deine eigenen Augen sehen. Ich kann mich selbst nicht durch deine Augen sehen.“ Sachte berührte er ihre nackten Arme. Sie hatte ihre Strickjacke ausgezogen gehabt. „Du hast eine Gabe, Maron“, sagte er, „Du trägst eine Güte in dir, die die Menschen um dich herum glücklich macht. Du denkst, dass Menschen nicht nur zu ihrem Besten fähig sind, sondern dass sie auch zu ihrem Besten werden wollen. Dasselbe denkst du auch von mir.“ Maron versuchte normal zu atmen. Das Gefühl seiner Finger auf ihrer Haut ließ sie erschaudern. „Du scheinst mehr von mir zu halten, als ich von mir selbst halte“, sagte sie. Seine Fingerspitzen wanderten ihren Arm herab, zu ihrem Handgelenk und wieder hoch, ihrem Schlüsselbein entlang. Strichen sachte über den Ausschnitt des Shirts. Eine angenehme Gänsehaut lief ihr den Rücken herunter. Sie wusste, dass sie sich in diesem Gefühl verlieren könnte. „Wenn du schon dabei bist“, sagte sie ihm, „Dann solltest du mich küssen.“ Chiaki nahm sie in seine Arme. Sein Mund war warm und weich auf ihren - ein sanfter Kuss, der sich von Sekunde zu Sekunde vertiefte. In dem Moment war es ihr auch egal, dass die Engel in jedem Augenblick reinplatzen könnten. Ihre Hände strichen über seinen Körper, über den ihr bekannten Muskeln unter seinem T-Shirt. Er murmelte, dass sie wunderschön sein, dass er sie wollte. Ihr Herz schlug so stark, wie als würde es aus ihrem Brustkorb ausbrechen wollen. Jede einzelne ihrer Zelle sagte ihr, dass dies Chiaki war, ihr Chiaki. Dass er dieselbe Person war, den sie liebte. Sie spürte, wie sie in Richtung des Bettes steuerten. Rücklings fiel Maron darauf. Seine Lippen ließen keinen Moment von ihren los. „Das ist perfekt“, wisperte er gegen ihre Lippen, „So können wir zusammen sein, ohne dass wir uns gegenseitig in Gefahr bringen.“ Ihr Körper schrie danach, nicht darauf zu reagieren. „Was genau meinst du damit?“, fragte sie dennoch. Er blickte sie an, die Haare verdeckten die Hälfte seines Gesichtes. Sie wollte ihn zu sich ziehen, seinem Mund mit ihren versiegeln und alles was Falsch war vergessen. Doch sie zwang sich zur Kontrolle. „Es kommt auf die Gefühle an, nicht die Handlungen“, antwortete er ihr, „Wenn ich dich nicht liebe, dann können wir dennoch körperlich zusammen sein und der Fluch spielt keine Rolle mehr.“ Wenn ich dich nicht liebe. Sie schob ihn bestimmt von sich und setzte sich auf. „Ich kann nicht“, sagte sie, „Sobald du deine Gefühle zurückhast, werden wir beide die Sache bereuen. Gerade weil es dich nicht kümmerte.“ Er schaute verwirrt. „Ich will dich genauso viel, wie sonst auch. Das hat sich nicht geändert.“ Sie seufzte tief aus. „Ich glaube dir. Du hast mir eben gesagt, dass du mich willst. Dass ich wunderschön sei. Aber du sagtest nicht, dass du mich liebst. Das hast du vorher immer gesagt.“ Etwas flackert in seinen Augen. „Ich bin das nicht. Diese Person bin ich nicht. Ich kann nicht sagen, dass ich Dinge fühle und empfinde, die ich nicht verstehe.“ „Nun, ich will diese Person“, sagte sie mit fester Stimme, „Ich will Chiaki Nagoya. Meinen Chiaki Nagoya.“ Er hob seine Hand, um ihr Gesicht zu berühren. Sie wich etwas zurück, hielt sich bewusst von ihm fern – nicht, weil sie seine Berührungen nicht mochte, eher das Gegenteil. Sie mochte sie zu sehr. Ihr Körper kannte den Unterschied zwischen diesen Chiaki und den, den sie brauchte, nicht. Chiaki ließ seine Hand sinken. „Wer bin ich für dich denn?“, fragte er. „Du bist die Person, die ich beschützen muss bis mein Chiaki zurückkehrt“, sagte sie. „Ich will das hier nicht. Ich will den Chiaki, den ich liebe.“ Maron sah ihm fest in die Augen. „Du magst dich zwar im Käfig befinden, Chiaki, aber solange du so bist, bin ich mit dir im Käfig gefangen.“   Chapter 28: Drastic Measures ---------------------------- Chapter 28: Drastic Measures   Eine weitere Stunde verging bis Fin und Access endlich zurückkehrten. In der Zeit hatten Maron und Chiaki sich voneinander ferngehalten, hatten nicht mal miteinander geredet. Sie saß wartend auf dem Sofa und schaute Fernsehen, während er hinter ihr einige Meter entfernt in der Küche am Tresen saß. Sie geht mir aus dem Weg, dachte Chiaki sich. Der Gedanke schmerzte ihn nicht. Natürlich nicht. Nichts schmerzte ihn. Es war einfach nur ein simpler Fakt, dass sie ihn ab jetzt mied. Er erinnerte sich an das Verlangen, was er vorhin noch verspürt hatte. Es war merkwürdig, dass dieses Verlangen sich von anderen Gefühlen abhob. Dass es durch diese Leere durchdrang. Und er begehrte niemanden so sehr wie Maron. Als er sie in den Armen hielt und sie küsste, fühlte er sich wie, als könnte er aus diesem gläsernen Käfig ausbrechen, welches ihn mit dieser Leere erstickte. Es war wie, als könnte diese Begierde nach ihr alles niederbrennen und ihn frei lassen. Doch womöglich hatte sie Recht. Es war besser, dass Maron sich von ihn fernhielt, solange er sich in diesem Zustand befand. Er sah, wie Fin und Access durch die Fenster geflogen kamen, sich in ihre menschengroße Form verwandelten und ihm gegenüber Platz nahmen. Maron erhob sich von Sofa und setzte sich auf dem Stuhl neben ihn hin.   Zwanghaft versuchte Maron ihn nicht anzuschauen. Ein Blickkontakt allein tat ihr im Herzen weh. „Wie war die Dämonensuche?“, fragte sie die Engel. Fin zuckte mit den Schultern. „Sind keine in der Stadt. Wird wahrscheinlich eine ruhige Nacht heute sein.“ „Das ist gut“, brachte Maron entgegen und biss sich auf die Unterlippe. „Oder schlecht. Denkt ihr Satan hat irgendwas vor?“ Die beiden Engel verschränkten synchron die Arme vor der Brust und zogen eine Augenbraue hoch, im Sinne von „Das fragst du noch?“ Sie wusste, dass es eine dumme Frage war. „Der hat immer was vor“, antwortete Chiaki mit monotoner Stimme. Maron warf ihm einen scharfen Seitenblick zu. Gerade als Fin etwas sagen wollte, stoppte Access sie mit seiner Rückhand vor dem Gesicht. „Bevor wir uns allerdings die schlauen Köpfe zerbrechen, was der liebe Herr der Unterwelt für böse Sachen aufhecken könnte, hätte ich eine wichtige Frage an euch“, sagte er. Während Fin ihn irritiert anschaute, zogen Access’ Mundwinkel sich zu einem grimmigen Lächeln leicht nach oben. Seine bernsteinfarbenen Augen wanderten von Maron zu Chiaki, blieben für einige lange Sekunden bei ihm haften. „Spuck’s aus, Kumpel, was hast du getan?“ Maron fiel erschrocken der Mund auf. Chiaki zog etwas erstaunt die Brauen hoch. „Ihr wisst wovon ich rede, also braucht ihr auch nichts zu verleugnen“, fügte Access hinzu. „W-Was- …Wie-… Woher-“, wollte Maron fragen, als der dunkelhaarige Engel ihr ins Wort fiel. „Ich kenne Sindbad nicht seit gestern“, verdrehte Access seine Augen, „Ich habe sofort gesehen, dass mit ihm etwas nicht stimmte, als ihr uns in der Hölle rausgeholt habt. Im Himmel wirkte er normal, aber hier er ist wieder anders.“ „Worum geht’s hier?“, fragte Fin verwirrt zu, völlig ahnungslos über das was gerade vorging. „Ich habe mir meine Emotionen genommen“, sagte Chiaki schließlich. „Um den Fluch, der auf mir und Maron lastet zu entkommen.“ Mit offener Mund sah die Grünhaarige ihn schockiert an. „Du hast was?!“ „Ich schätze mal, du hast es nicht mehr ausgehalten. Irgendwo auch verständlich“, erwiderte Access, die Stimme täuschend gelangweilt. „Es war schon so weit gekommen, dass Maron’s Heilkräfte nicht mehr funktionierten“, erklärte Chiaki. „Und sie fast gestorben wäre.“ Maron’s Gesicht wurde zu einer ausdruckslosen Maske. Access nickte verstehend. „Aber im Grunde genommen löst das euer Problem mit dem Fluch doch, oder? Ich meine, wir wissen alle wie ätzend der für euch ist.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah zwischen den beiden Kaitos hin und her und wandte sich wieder seinem Partner zu. „Ich denke, du bist besser dran, wenn du so bleibst.“ Entgeistert blickten ihn die Mädels an. „Nein, bin ich nicht“, sagte Chiaki. Trotz der Bitterkeit seiner Worte, war seine Stimme tonlos. „Ohne meine Emotionen, ohne meine Gefühle, bin ich mein schlimmstes selbst. Ich lüge und manipuliere.“ „Lügen und Manipulieren gehört zum Kaito-Job dazu“, entgegnete Access. „Jetzt weißt er aber nicht, wo seine Grenzen sind“, warf Maron ein. „Ich mache schlechtere Entscheidungen“, sprach Chiaki weiter, „Mir kann man nicht vertrauen. Jemand der nichts fühlt, der nicht mal Schmerzen spürt – so jemanden würde ich selbst nicht trauen. Ich würde nicht wollen, dass so jemand Entscheidungen anderer trifft. Würdest du?“ Access überlegte. „Schwer zu sagen.“ „Ich würde so jemand nicht vertrauen“, kam es von Fin murmelnd. „Als ich meine Emotionen im Himmel wieder hatte, da war ich fähig zu realisieren, wie miserabel ich ohne sie bin.“ „Wir müssen diesen Bann, den er sich aufgesetzt hat, irgendwie brechen“, wendete Maron bestimmt ein. Access nickte verstehend, tauschte mit Fin einen kurzen Blick aus und sah die beiden Diebe ernst an. „Du willst es wirklich?“, fragte er Chiaki. „Ja“, antwortete dieser, zeigte ihm auch die Gravierungen auf seinem Pentagramm. Access warf einen kurzen anerkennenden Blick darauf. „Gut, da bin ich froh. Dass du wenigstens den Willen dazu hast, aus dem Käfig ausbrechen zu wollen“, sagte der Engel. „Wir wissen allerdings auch, dass ihr als Grundengel gegen schwarze Magie nichts machen könnt“, sagte Maron resigniert, „Dass selbst die stärksten Erzengel nichts machen können.“ „Das ist auch wahr“, bestätigte Fin seufzend. Für einen Moment tauschten sich die Engel wieder stumme Blicke aus, als würden sie ohne Worte miteinander kommunizieren können. Es war ungewohnt die beiden so vertraut miteinander zu sehen, aber gleichzeitig freute sich Maron für sie. „Ich habe aber eine Idee.“ Access blickte ernst in die Runde. „Und die setzt drastische Maßnahmen voraus. Ich kann nicht garantieren, ob es klappt und der Gedanke, es auszuführen ist ziemlich…unangenehm, um es harmlos auszudrücken.“ „Was auch immer es ist“, sagte Chiaki. „Machen wir es.“ Access nickte und sein Blick wanderte zu Maron. „Ihr müsst es beide wollen und dafür bereit sein.“ „Ich tue alles, um den Chiaki zurück zu bekommen, den ich liebe“, sagte sie entschlossen. Fin warf ihr ein kleines, mitfühlendes Lächeln zu. „Was schlägst du vor?“, fragte Maron den dunkelhaarigen Engel. „Die Emotionen aus ihm herausfoltern“, antwortete dieser plump. Maron sah ihn entsetzt sowie schockiert an. „Foltern?!“ „Schmerz ist überall. Schmerz ist einfach und schnell zu empfinden“, erklärte Fin in einem sachlichen Ton, „Wenn Chiaki es schafft, was zu empfinden, dann ist der Bann auch gebrochen.“ „Und wozu braucht man mich?“, fragte die Braunhaarige. „Als eine Art Absicherung, dass es auch wirklich funktioniert.“ Access verzog unangenehm das Gesicht., „Wie gesagt, mir gefällt das selbst nicht, aber eine andere Möglichkeit fällt mir nicht ein. Wenn sich die Schmerzen auf dich übertragen, dann wissen wir auch hundertprozentig, dass der Bann gebrochen ist.“ „Hört sich nach einer guten Idee an“, kam es von Chiaki. Maron warf ihm einen Seitenblick zu. Der alte Chiaki hätte nicht gewollt, dass sie verletzt wird. Sie selbst wollte nicht, dass er verletzt wird. Aber wenn das die einzige Lösung ist? Sie presste sich die Lippen zusammen, schaute allen fest in die Augen. „Okay. Machen wir es.“ *** Einige Minuten später saßen Maron und Chiaki sich auf Stühlen festgebunden gegenüber, die Hände an den Armlehnen befestigt. Dies war seine Idee, damit keiner von beiden einen Rückzieher machte. Widerwillig gingen die Engel darauf ein. Fin war von der gesamten Idee am wenigsten begeistert. Access wirkte angespannt. Beide passen darauf auf, dass ihre Partner sich nicht in Lebensgefahr brachten und sofort zur Stelle waren, sobald ihre Heilkräfte nicht mehr wirkten. Maron blickte Chiaki in die Augen und schluckte. Dann wandte sie sich an die Engel. „Wir sind bereit.“ Seufzend fuhr Access sich durch die Haare und ließ dann kleine Blitze in seiner Hand erscheinen. „Ich fange an meine Idee zu bereuen“, murmelte er. „Dann hättest du sie nicht vorschlagen sollen“, entgegnete Chiaki. Seufzend rollte Access mit den Augen und hielt ihm die blitzende Hand über den Arm. „Bereit?“ „Halt dich nicht zurück“, sagte Maron, worauf er sie überrascht anschaute und nickte. Als er Chiaki seine Hand auf den Arm legte, zuckte dieser zwar etwas mit den Augen, verzog jedoch keine Miene. Auch Maron spürte nichts. „Nichts“, sagte sie. Fin stand mit verschränkten Armen hinter ihr. „Gar nichts?“, fragte sie nach. „Nein“, kam es von Chiaki und Maron gleichzeitig. Sie sah, wie mehr Blitze aus Access Hand kamen. Die Prozedur wiederholte sich für die nächsten Minuten, Stunden – jedoch erfolglos. Maron konnte schon Brandwunden auf Chiaki’s Arm erkennen, die auch wieder verheilten. Sein Gesichtsausdruck wirkte bitter. Ein dünner Schweißfilm war auf seiner Stirn. Maron selbst konnte spüren, wie die Frustration in ihr von Mal zu Mal immer größer wurde. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Auch Access und Fin stand die Frustration in ihren Gesicht geschrieben. So wird das nichts, ging es ihr zerknirscht durch den Kopf. „Access, warte-“ Abrupt hielt der Engel inne. Verwundert blickten alle Maron an. „Versuch das mal an mir.“ Fin blickte sie alarmierend zu ihr runter. „Maron!“ „Was soll es bringen?“, fragte Chiaki. Ihre braunen Augen trafen auf seine. „Mein Chiaki würde nicht wollen, dass ich verletzt werde. Wenn dir daran was liegt, dann zeig es mir.“ Etwas regte sich in seinen Augen. „Die volle Ladung?“, fragte Access unsicher. „Das könnte einen normalen Menschen lebensbedrohlich verletzen.“ Wir sind nicht normal, dachte Maron sich augenrollend. „Die volle Ladung“, sagte sie, nahm tief Luft und schloss ihre Augen. Im nächsten Moment spürte sie, den brennenden Schmerz auf ihre Haut. Ihre Hände krallten sich so fest an den Lehnen, dass die Knöchel weiß wurden. Hart biss sie sich auf die Lippe, um nicht zu schreien. Schweratmend öffnete sie ihre Augen, um zu sehen, dass Chiaki ebenfalls schwer atmete. Sein Blick ließ ihren nicht los. Dann bemerkte Maron, wie ihre Wunde am Arm verheilte. „Nochmal.“ Die Engel neben ihr wurden blass. Doch selbst nach drei weiteren Malen kamen sie nicht weiter. „Maron, hör auf. Du schadest dir nur selbst”, hörte sie Chiaki sagen. „Er hat recht“, kam es von Fin besorgt. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. Die Haare klebten ihr schweißgebadet an der Stirn. „Glaub mir, dass hier ist nichts im Vergleich zu den Schmerzen in meinem Herzen. Nicht, dass du es verstehen könntest.“ „Ich verstehe-“ „Nein, tust du nicht!“, unterbrach sie ihn. Atemlos drehte Maron ihren Kopf zu Fin um. „Binde mich los.“ Der Engel zögerte. „Was hast du vor?“, verlangte Fin zu wissen, die Stimme verängstigt. Maron ging nicht auf ihre Frage ein. „Bitte. Binde. Mich. Los.“ Widerwillig tat Fin wie ihr geheißen. Für einen ruhigen, angespannten Augenblick rieb Maron sich ihre Handgelenke und stand anschließend auf. Erschrocken sahen die Engel ihr zu, wie sie aus der Küche ein großes Messer holte. Was die beiden ihr sagte, hörte sie nicht. Alles in ihr war nur auf Chiaki fixiert. Sie sah, wie sich alles in ihm anspannte. „Chiaki.“ Maron stand mit dem Messer vor ihm, schnitt ihm die Fesseln an den Händen ab. „Was hast du vor?“, fragte er und stand vom Stuhl auf. Sie ignorierte die Frage, griff nach seinen Handgelenk. Kurz fuhr sie die Messerspitze seinen Arm entlang. Eine Blutspur quellte raus. „Spürst du das?“ Als Antwort blickte Chiaki zu seinem Arm runter, wo der Schnitt schon verheilte. Sie seufzte leise, die Augen blickten ausdruckslose auf das Messer. Plötzlich ließ Maron von ihm los und richtete die Spitze auf sich. „Ich sorge dafür, dass du etwas empfindest.“ Ihre Stimme war unheimlich ruhig. Er atmete schwerer und schneller. „Du bist wahnsinnig.“ „Wohl wahr...“, gab sie zu, „Aber ich will, dass mein Chiaki zu mir zurückkehrt. Dafür tue ich alles. Und ich will, dass du meinen Schmerz spürst.” „Nicht-“ Bevor irgendwer eingreifen konnte, hatte Maron sich schon das Messer in den Bauch getrieben. In der Sekunde, schnappte Chiaki hörbar nach Luft. Die Augen schockiert groß, das Gesicht kreidebleich. Völlig erstarrt sah er zu, wie Maron auf die Knie ging und zu Boden fiel. In der Sekunde, ging er zu ihr runter, nahm sie in seine Arme und zog ihr das blutige Messer raus. „Ma-ron...oh Maron-….“, murmelte er mit zitternde Stimme in ihre Haare. Sie sah zu ihm auf und triumphierendes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sie das Blut unter seinem T-Shirt sah. Sie wusste, dass es nicht ihr Blut war. „Spürst du es?“, fragte sie leise. Er antwortete nicht. Sie brauchte auch keine Antwort. Alles was sie wissen wollte, war in seinen Augen abzulesen. Schmerz, Angst, Erleichterung, Fürsorge, Liebe – alles. „Oh Gott!“ Access und Fin eilten sofort auf ihre Partner zu und heilten ihre Wunden. Nachdem beide völlig verheilt waren, warf Maron sich weinend in Chiaki’s Arme. „Bitte, tu das nie wieder“, sagte er, drückte sie fest an sich und drückte seine Lippen auf ihren Kopf. Schluchzend nickte sie in seiner Brust. Im Hintergrund konnte sie die Engel erleichtert aufatmen hören. Chapter 29: You die, I die -------------------------- Chapter 29: You die, I die   Der nächste Tag war angebrochen. Maron und Fin waren schon früh auf, um das Frühstück vorzubereiten. Wohl eher bereitete Maron es vor und ihr Engel saß in ihrer kleinen Form auf ihrer Schulter. „Es ist unfair“, seufzte die Braunhaarige. Fin sah verwundert zu ihr auf. „Was ist unfair?“ „Die Liebe“, murmelte Maron resigniert, „Wie kann sowas schönes so grausam sein…? Wieso haben Chiaki und ich das verdient?“ Seufzend atmete Fin aus. „Kann ich dir auch nicht sagen… Ihr beide tut mir leid.“ Sei seufzte. „Er scheint aber anders zu sein, als gedacht. Man merkt wie sehr er dich liebt.“ „Genauso sehr, wie auch ich ihn liebe.“ „Da freue ich mich auch für dich.“ Fin lächelte Maron an. „Sollte er allerdings es ein weiteres Mal wagen dich so weh zu tun, kriegt er es mit mir zu tun“, sagte sie mit ernster Stimme. Maron kicherte. Für eine Weile sagte niemand mehr was. Nur das Brutzeln der Pfanne war zu vernehmen.     „Ich muss dir was sagen“, durchbrach Maron plötzlich die Stille zwischen ihnen. Die Stimme in einem leisen, flüsternden Ton. Fin drehte sich besorgt zu ihr. „Was ist los?“ Zögernd biss die Diebin sich auf die Lippe und sah betreten nach unten. Einige Momente vergingen, bis sie die Worte aussprach: „Ich glaube, ich werde sterben.“ Sprachlos und geschockt starrte Fin sie an, ihr Gesicht verlor an Farbe. „Was?“, brachte sie fassungslos zustande. „Seit der ersten Nacht im Himmel träume ich jedes Mal davon“, erzählte Maron, denn letzte Nacht hatte sie wieder den Traum, „Ich sehe mich tot auf dem Boden liegen.“ „Du darfst nicht sterben!“, zischte Fin, „Wenn du stirbst, hat Gott verloren!“, kurz hielt sie inne und fügte leise hinzu, „Außerdem…, wenn du stirbst-“ „Ich weiß! Ich weiß...“ Maron blinzelte sich die anbahnenden Tränen in ihren Augen weg. „Vielleicht ist der Traum auch nur eine Warnung, anstatt eine Vorahnung.“ „Weiß er was davon?“ „Nein...“ „Gott... Maron, ich weiß, dass ist nicht leicht, aber du musst es Chiaki sagen.“ „Was muss sie mir sagen?“ Maron und Fin zuckten erschrocken zusammen. Chiaki betrat soeben die Küche, Access flog hinter ihm in seiner kleinen Gestalt her. „Ehm... Dass ich dich gerne mal in einen Anzug sehen will“, log Maron und setzte ein unschuldiges Lächeln auf. Dabei warf sie Fin einen scharfen Blick zu, die ein unzufriedenes Gesicht machte. Chiaki zog ungläubig eine Braue hoch. „Gehört das zu deinen Fantasien von denen ich noch nichts weiß?“, sagte er in einem flirtenden Ton. „Ugh, Leute, bitte nicht am Frühstückstisch“, kam es von Access, der sich schon einen Pfannkuchen in den Mund geschoben hatte. „Als ob du und Fin besser seid“, entgegnete Chiaki augenrollend. Unterdessen setzten sich alle am Tisch hin. „Bei uns ist das was anderes“, wendete Access ein. „Im wie fern?“ „Bei uns besteht keine Kotzgefahr.“ „Ich behaupte das Gegenteil.“ Die Mädels sahen den beiden bei der Argumentation zu und mussten herzhaft lachen. Einige Zeit aßen die vier entspannt ihr Frühstück, als es plötzlich anfing zu Beben. „Was zum-… ein Erdbeben?!“, kam es von Maron erschrocken. „Kein Erdbeben“, sagte Access ernst, „Zu mindestens kein normales.“ Die Engel hatte sich schon in die Lüfte erhoben, flogen ans Fenster und blickten raus. „Du meine Güte...“, flüsterte Fin. Maron und Chiaki sahen ebenfalls raus, ihre Augen weiteten sich. Die Sonne wurde von einer dunklen Masse komplett verdeckt. Sofort breitete sich eine Eiseskälte im Raum aus. Der Himmel war so pechschwarz wie die Nacht. In der nächsten Sekunde tauchten aus jeder Ecke Dämonen auf. „Komm!“ Chiaki nahm Maron’s Hand und zog sie aus der Wohnung raus. Die Engel gaben ihnen dabei Rückendeckung. Gemeinsam begaben sie sich zum Dach hoch. Dort schien eine Gruppe dunkler Gestalten sie schon zu erwarten. Es war Satan mit seinen Dämonenrittern. „Einen schönen guten Morgen“, begrüßte der Teufel sie mit einem kalten Grinsen. „Lange nicht mehr gesehen.“ Sofort verwandelten Maron und Chiaki sich. „Was willst du?“, verlangte Jeanne zu wissen. „Ist das nicht offensichtlich?“, rollte Satan gelangweilt mit den Augen, „Gott und die Welt vernichten. Dafür muss ich euch loswerden.“ Mit einem Handzeichen ließ er tausende von Dämonen um die vier erscheinen. In der nächsten Sekunde griffen Dämonen sowie Dämonenritter an. Die Kaitos und die Engel teilten sich in unterschiedliche Richtungen auf und ein langwieriger Kampf brach aus.    „Verdammt sind das viele!“, sagte Access feuerte ein paar Dämonen mit Lichtstrahlen weg. „Es ist vollkommen utopisch, dass wir die alle besiegen.“ „Wir müssen“, erwidert Fin, „Wir haben keine andere Wahl.“ Einige Meter entfernt sah sie Jeanne und Sindbad gegen eine Gruppe Dämonenritter kämpfen. Zwei von ihnen erkannten die Engel sogar aus dem Höllenpalast wieder. Avea und Edacus, wenn Fin sich richtig entsinnen konnte. Die Dämonenritterin attackierte Jeanne mit einer Mordlust in ihren Augen, welche sie erschaudern ließ. Maron’s Worte über ihren Traum kamen ihr wieder in den Sinn. Die Angst, um ihre Freundin, verstärkte sich um ein Vielfaches. „Lass uns zu den anderen helfen“, rief sie, an Access gerichtet. Als Antwort bekam sie einen schmerzerfüllten Schrei. „Access?!“ Erschrocken wandte Fin sich um und sah wie der Engel von einem riesigen Dämon hart zu Boden geworfen wurde. Sie flog zu ihn runter, rüttelte ihn an den Schultern. „Access! Wach auf!“ Doch er regte sich nicht. Nur schwach konnte Fin spüren, dass er atmete. Sie drückte ihn fest an sich Tränen liefen ihr das Gesicht herunter. Sie wollte nach den anderen schreien. Die Worte blieben ihr allerdings im Halse stecken, als sie sah, wie unzählige Dämonen sich vor ihr auftürmten und wie eine schwarze Welle auf sie einfiel.   Währenddessen waren Jeanne und Sindbad in ihren eigenen Kämpfen vertieft. Mit Mühe hatten sie es geschafft die meisten Dämonenritter außer Gefecht zu setzen. Nun standen nur noch Edacus und Avea vor ihnen. Sie kämpften erbittert. Nach einiger Zeit bekam Jeanne mit, wie Sindbad seinen Gegner erledigte. Zur selben Zeit schlug sie Avea ihre Waffe aus der Hand und kickte ihr in die Brust. Mit einem Schrei wich die Dämonin davon. Jeanne hörte Sindbad nach ihren Namen rufen. Als sie ihren Kopf zu ihm drehte, sah sie, wie er auf sie zugelaufen kam. Auf einmal wurde Sindbad jedoch von einem Dämon am Bein gepackt und weggezogen. Jeanne schrie seinen Namen, schrie nach ihm. Sie wollte zu ihm rennen, als ein Schlag sie hart in den Rücken traf. Der Schmerz kam eine Sekunde später. Jeanne drehte sich überrascht um und sah Avea mit einem kleinen Messer in der Hand. Der Griff war rot und triefte. Sie hatte Jeanne in den Rücken gestochen. „Habe ich dich, Kamikaze-Schlampe“, lächelte sie böse. Jeanne wollte nach ihrem Schwert griffen, doch ihr Arm gehorchte nicht. Er fühlte sich taub an. Ihre Gedanken rasten. Fin war nirgends zu sehen. Als sie nach ihr oder Sindbad rufen wollte, erstickten ihre Worte in Blut. Die Dämonin hatte das Messer in Jeanne’s Brust gerammt. Dann löst sie sich schallend lachend im Nichts auf. Jeanne’s Beine gaben nach. Sie fiel.   Nachdem Sindbad wieder auf die Beine kam und den Dämon vernichtet hatte, kam der Schmerz. Plötzlich und schneidend. Er krümmte sich. Der Schmerz war überall. Auf seinem Rücken, in seiner Brust. Maron! Sein Gesicht verlor an Farbe. Er drehte sich um. Jeanne war auf dem Boden. Die Vorderseite ihres weißen Kleides war voller Blut. Sindbad war schon am Rennen, versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Dämonen stellten sich ihm in den Weg, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. Alles was zählte war sie. Er musste zu ihr. Er fiel neben Jeanne auf die Knie und nahm sie mit seinen letzten Kraftreserven in seine Arme. Ihr Kopf fiel gegen seine Brust. Die blonden Haare färbten sich blutrot auf ihrer Stirn. Der Boden unter ihnen war feucht. So viel Blut. „Maron...“ Er atmete schwer. Seine Hände zitterten. Von Sekunde zu Sekunde schwanden seine Kräfte. Sindbad spürte die Wärme ihres Körpers und wie sie schwach gegen seine Brust atmete. Er nahm ihre Hand und drückte sie fest in seine. Maron... Erinnerungen schossen, wie ein Film durch seinen Kopf. Ihre erste Begegnung als Diebe. Ihre erste Begegnung am Campus. Maron mit Engelsflügel in ihrem weißen Seidenkleid. Maron, die sich bei der Achterbahn an ihn festklammerte. Maron am Strand und ihn über die Schulter schauend anlachte. Man sagte, dass Leben würde an einem vorbeiziehen, wenn man stirbt. Maron war sein Leben. Sein Herz. Wenn sie stirbt, stirbt er auch. Es war nur richtig so. Er könnte es nicht ertragen, wenn sie ihn auf dieser verdammten Welt allein ließe. Jeder Atemzug wäre wie Gift für ihn und jeder Herzschlag wie ein Hammerschlag auf seiner Brust. Er hatte keine Angst zu sterben, weshalb er die anbahnende Kälte des Todes auch willkommen hieß.   Jeanne öffnete ihre Augen, den Blick auf Sindbad fixiert. Ihre violetten Augen sah ihn schwach und dennoch liebevoll an. „E-E-Es tut mir leid...“, flüsterte sie, hob eine Hand und berührte seine Wange. „Nicht-…Dir… muss nichts leid tun“, sagte er. Der Schmerz in seinen blauen Augen tut Jeanne mehr weh, als die Klinge, die sie eben abbekam. Sie liebte ihn so sehr. Und sie war noch nicht bereit zu gehen. Es gab noch so viel, was sie mit ihn zusammen erleben wollte. Sie hatten beide noch nicht mal die Chance gehabt ein normales Leben, eine normale Beziehung zu führen. „Ich... habe versagt“, wisperte Jeanne schwach. Sindbad schüttelte kaum merklich den Kopf. „Hast du nicht... Wir beide haben versagt.“ Er hielt sie fest in den Armen, zog sie mit sich zu Boden. Selbst jetzt fühlte sie sich in seinen Armen sicher, obwohl die Welt um sie herum in Dunkelheit versank. In ihnen konnte sie alles um sich herum vergessen und glücklich sein. Es gab nur sie und ihn. Zwei Menschen und ein geteiltes Schicksal. Ein schwaches Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Zu mindestens-… gehen wir nicht allein... sondern zusammen“, sagte sie. „Ich liebe dich. So sehr.“ Sie wollte noch mehr sagen. Sie wollte ihm so viel noch sagen, aber sie konnte nicht mehr. Sie hatten die Grenze erreicht. „Ich liebe dich auch“, wisperte er und schloss seine Augen. „Heute... morgen... für immer.“ Seine Arme um ihren Körper erschlafften. Auch Jeanne’s Lider wurden schwer. „Für immer...“ Dann wurde alles schwarz.            -------------------------------------------- … Bringt mich nicht um, okay.   :‘)   Ich weiß, das ist ein böser Cliffhanger, aber ab jetzt wird’s wieder ein Weile dauern bis zum nächsten Update hier, aufgrund von Schreibblockaden, Alltagsstress, Motivations- und Zeitmangel, usw. … die ganze Leier :b   Hoffe trotzdem ihr bleibt geduldig.   Liebe Grüße mairio   Chapter 30: A dream come true? ------------------------------ Chapter 30: A dream come true?   „Chiaki?“ . . . „Chiaki. Wach auf, du Schlafmütze.“ . . . „Chiaki?“ Der Angesprochene regte sich, stöhnte ermüdet auf. Langsam öffnete er seine Augen, blinzelte gegen die Helligkeit der Sonne. Eine braunhaarige Gestalt war über ihm gebeugt und nachdem sein Blick sich fokussiert hatte, blickte er direkt in zwei große, braune Augen. „Guten Morgen“, sagte Maron sanft. „Hmm?“ Er gähnte und rieb sich die Augen. „Maron... Du lebst noch...“, murmelte er verschlafen, strich sich einige Male durch die Haare, wurde allmählich richtig wach. Maron legte verwundert den Kopf schief und kicherte etwas. „Du hast so fest geschlafen, dass du selbst beim Aufwachen noch träumst?“ „Nein... Aber ich komm mir vor als hätte ich einen endlos langen Traum gehabt…“ Kurz hielt Chiaki inne, blickte gedankenverloren zu ihrer Zimmerdecke hoch und grübelte. „Was war das nur...? Ich kann mich nicht erinnern.“ Er rieb sich murmelnd den Kopf, versuchte sich den Traum in Erinnerung zu rufen. „War es ein Albtraum?“, fragte Maron sanft. „Hmm? Ich weiß nicht…“ „Wieso weinst du dann?“ Chiaki betastete überrascht sein Gesicht, bemerkte erst jetzt, dass seine Augenwinkel etwas feucht waren und wie eine dünne, feuchte Spur seine Wange runtergelaufen war. „Oh…“ Er wischte sich die Träne schnell mit dem Handrücken weg. „Es ist nichts“, sagte er, „Wie lange bist du schon wach?“, wendete er ein, um von sich abzulenken. „Eine Weile”, antwortete sie sanft lächelnd, „Du bist süß, wenn du schläfst.“ „Nenn mich nicht süß“, rollte er mit den Augen, „Das schadet meiner Männlichkeit.“ Maron lachte. „Als ob davon noch was übrig i-“ Plötzlich setzte er sich auf, packte Maron an den Oberarmen und drehte sie so, dass sie unter ihm auf die Matratze gedrückt war. Er positionierte beide Hände neben ihren Körper, stützte sich etwas ab. „Zweifelst du an meiner Männlichkeit?“, fragte Chiaki leise in einem ernsten, fast verführerischen Ton. Er blickte ihr intensiv in die Augen und sah, wie sie rot wurde. Maron schluckte. „Ehm...“ Ein raues Kichern entkam ihm. Anschließend beugte er sich herunter und küsste seine Freundin leidenschaftlich. Sie erwiderte den Kuss gefühlvoll. „Ich liebe dich“, wisperte er gegen ihre Lippen. „Ich liebe dich auch“, hauchte sie zurück. Er umfasste mit einer Hand ihr Gesicht und spürte wie ihre Finger ihm durch die Haare fuhren. Auf einmal war ein Räuspern zu hören. Erschrocken trennten beide sich voneinander und drehten sich zur Geräuschquelle um. Maron’s Mutter stand mit einem amüsierten Gesichtsausdruck an der Tür angelehnt da, wirkte wie als würde sie versuchen wollen sich ein Lachen zu verkneifen. „Chiaki, hast du dich wieder über den Balkon in Maron’s Zimmer reingeschlichen?“, fragte Korron in einem Ton, als wüsste sie schon die Antwort. Chiaki wollte etwas Freches, Schlagfertiges antworten, brachte die Worte aber irgendwie nicht über die Lippen. Etwas konfus zog er die Brauen zusammen. In seinem Kopf spielten sich die Erinnerungen von der gestrigen Nacht ab, wie er von seinem Balkon zu ihrem hinübergesprungen war. Aber für den Moment überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl und die Worte blieben ihm irgendwie im Hals stecken. „Ehm...Nun...“, brachte er raus, machte ein schuldiges Gesicht. Korron kicherte. „Schon gut. Takumi würde es nur als angemessener empfinden, wenn du wie ein normaler Mensch durch die Tür kommst.“ „Ich kam durch die Balkontür“, entgegnete er frech grinsend, worauf sie mit den Augen rollte. „Ich mache gerade Frühstück. Ich wette, ihr habt beide nach letzter Nacht großen Hunger?“ „Mum!“, rief Maron völlig verlegen. Damit ging Korron lachend aus dem Zimmer und schloss die Tür. Kaum war das Paar allein, brachen sie zusammen in Gelächter aus. „Du solltest die Überraschungsbesuche in Zukunft aber wirklich sein lassen“, grinste Maron Chiaki an. „Ich will nicht riskieren, dass du bei uns noch Hausverbot bekommst.“ Er lächelte schief zurück. „Dein Zimmer liegt aber direkt neben meinem. Der Gedanke, dass du nur ein Balkonsprung von mir entfernt bist, ist so einladend und verlockend.“ Wieder überkam ihm dieses merkwürdige Gefühl, welches er eben verspürt hatte. Und für einen minimalen Augenblick, glaubte er etwas in seiner Umgebung gesehen zu haben, war sich allerdings nicht sicher. Sein Lächeln erstarb etwas. „Nun...“, hörte er Maron unbeschwert sagen, „Wir sollten meine Eltern nicht warten lassen und frühstücken gehen. Sonst überlegt mein Vater es sich noch wirklich mit dem Hausverbot.“ Chiaki schenkte ihr ein Lächeln, welches seine Augen nicht ganz erreichten und nickte zustimmend.   Als das Paar in die Küche reinkam, stand Korron am Herd und Takumi saß mit einer Zeitung am Tisch. Auf der Titelseite war ein Artikel über Jeannes und Sindbad’s letzten Diebstahl. „Wann wohl diese beiden Diebe endlich gefasst werden…?“, murmelte Takumi zu niemand bestimmten. Maron und Chiaki tauschten sich einen vielsagenden Blick aus und setzten sich hin. „Schneidest du die Brötchen auf, Schatz?“, bat Korron ihre Tochter, während sie noch etwas am Herd kochte. „Ja.“ Maron ging zu dem Blech voller Brötchen, nahm sich eins und schreckte zusammen, ließ das Brötchen wieder fallen. „Au!“ „Vorsichtig, die sind heiß“, sagte Korron. „Gerade aus dem Backofen geholt“, kommentierte Takumi, den Blick auf seine Zeitung geheftet. „Hätte man mir auch sagen sollen“, murmelte Maron trocken, sah auf ihre roten, leicht verbrannten Fingerkuppen herab. Chiaki blickte unwillkürlich auf seine eigene Hand herab, zog im selben Augenblick die Augenbrauen irritiert zusammen. „Komm, ich mach das für dich“, sagte er, stand von seinem Stuhl auf und schob sie mit der Hüfte etwas beiseite. „Du bist nicht so hitzebeständig wie ich“, witzelte er. Chiaki nahm das Brotmesser in die rechte Hand und schnitt die ersten Brötchen in zwei Hälften auf. Unterdessen unterhielt Maron sich etwas mit ihren Eltern neben ihn, lachte ausgelassen. Gerade hatte er das letzte Brötchen in der Hand, als er sich leicht abgelenkt in ihre Richtung wandte und plötzlich einen schneidenden Schmerz in der Handfläche spürte. „Argh…fuck“, zischte er fluchend.  Erschrocken drehte Maron sich zu ihm um. „Oh nein, du hast dich geschnitten.“ In dem Moment als sie mit ihrer rechten Hand nach der Küchenrolle reichte, packte Chiaki sie am linken Handgelenk. „Bist du okay?”, fragte er, seine Stimme bekam einen alarmierenden Ton. Er blickte auf ihre linke Hand herunter. Sie war unversehrt. Huh? Maron blickte ihn irritiert sowie verwundert an. „Du bist der Verletzte hier“, entgegnete sie, nahm seine blutende Hand und drückte ein paar Lagen Küchenpapier auf die Wunde. Plötzlich -für einen kaum bemerkbaren Moment- sah Chiaki, wie sein Blickfeld sich etwas verzerrte. Wie eine Bildstörung im Fernsehen. Oder ein Glitch. Er blinzelte einige Male, blickte sie selbst verwundert an. „Alles okay?“, hörte er sie fragen. „J-Ja…“ Er entzog seine Hand von ihrem Griff, entfernt die Küchenpapiere und sah, wie die Wunde von selbst langsam verheilte. Maron lächelte ihn mit einem wissenden Blick an. „Braucht ihr den Verbandskasten?“, fragte Korron besorgt. „Oder soll ich deinen Vater rufen?“, kam es von Takumi. „Nein, nein, es geht schon. War nur ein ganz kleiner Schnitt“, beschwichtigte Chiaki ihnen und ging zum Waschbecken, um sich das Blut abzuwaschen. Mittlerweile war der Schnitt dank seiner Heilkräfte schon vollständig verheilt. Dennoch hielt dieses merkwürdige Gefühl, welches er seitdem aufstehen verspürte immer noch an. Er blickte über seine Schulter und sah, wie Maron sich mit ihren Eltern an den Tisch hingesetzt hat und sich angeregt mit ihnen unterhielt. Sie hatten sich auch viel zu erzählen, schließlich hatte Maron ihre Eltern seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen, weil sie im Ausland arbeiten waren und- Moment…!, stoppte Chiaki seine Gedankengänge. Das Gefühl in seinem Inneren intensivierte sich für einige Augenblicke, ehe es wieder verebbte. Irritiert zog er die Brauen zusammen. „Chiaki.“ Maron’s sanfte Stimme warf ihn ins Hier und Jetzt zurück. Er trocknete seine Hände an einem kleinen Handtuche ab und gesellte sich zu seiner Freundin und ihren Eltern am Frühstückstisch. Mit einem sorglosen Lächeln stieg er mit ihnen ins Gespräch ein, aß und trank etwas. Nichtsdestotrotz überkam ihm dieses beunruhigende Gefühl, dass etwas nicht stimmte.   „Du wirkst so nachdenklich.“ Zum zweiten Mal am Tag ließ Maron’s sanfte Stimme ihn zusammenzucken. Eine Spur von Sorge war zu hören. Gerade lief das Paar etwas durch den Stadtpark, hatten nach dem Frühstück beschlossen ein Spaziergang zu machen. „Hmmm.“ Chiaki schürzte die Lippen. „Versuche mir nur die letzten Monate, Jahre, in der wir uns kennen in Erinnerungen zu rufen.“ „Ohne Erfolg?“ „Ich bin mir nicht sicher“, gab er ehrlich zu. „Die Erinnerungen fühlen sich so…unklar an“, versuchte er ihr zu erklären. „Leidest du schon an Gedächtnisverlust?“, scherzte sie. „Und das mit 20?“ Er lachte leise auf. „Meine Gehirnzellen fangen mit dem Alter schon an abzusterben. Wärst du so lieb und hilfst meinem Gedächtnis etwas aus?“ Sie bleiben an einer Bank stehen und setzten sich hin. Chiaki wandte sich Maron zu, strich ihr liebevoll die Haare hinters Ohr, fuhr mit dem Finger ihre Kieferpartie nach, runter zu ihrem Hals und blieb an ihrer Kette stehen, an der ihr goldenes Kreuz hing. „Ab welchen Abschnitt soll ich deinem Gedächtnis denn aushelfen?“, fragte sie verspielt. Er zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, wie eine Geschichte funktioniert. Fang am Anfang an und fahr fort bis zum Ende, in der wir jetzt hier auf dieser Bank sitzen.“ Sie zog stutzig ihrer Brauen zusammen, musterte ihn skeptisch. „Okayy“, entkam es ihr leicht fragend. Anschließend begann Maron davon zu erzählen, wie sie sich vor drei Jahren im Foyer des Orleansgebäudes zum ersten Mal begegnet waren, als Miyako und sie seine Umzugskartons umgeschmissen hatten. Der Schock war anscheinend groß bei ihr gewesen, als sie ihn am nächsten Tag als neuer Schüler in ihrer Klasse sah. Am selben Tag, in derselben Nacht sind sie sich schließlich auch als Jeanne und Sindbad begegnet und er hatte sie herausgefordert. Sie lachte über seine Baggerversuche, welche sie von Tag eins an auf die Palme brachten. Anscheinend hatte er versucht sich an sie ranzumachen, damit sie ihm als Maron vertraute und für ihn mit dem Stehlen aufhörte. Zusätzlich sprach sie auch von ihrem ersten Kuss im Mondschein und wie sein Geheimnis kurze Zeit später aufflog. Das Misstrauen war groß, aber nach einiger Zeit konnte er sie anscheinend davon überzeugen, dass er nicht ihr Feind war. Letztlich arbeiteten sie seitdem in den letzten Jahren zusammen, lernten einander zu Vertrauen und Lieben. Während Chiaki seiner Freundin zuhörte, kam er sich vor als würde er über das Leben einer anderen Person hören, als über sein Leben. Gleichzeitig konnte er dennoch das Erzählte mit unscharfen Erinnerungen in Verbindung bringen. Er wusste nicht was es oder wie er es beschreiben soll. Es war einfach nur bizarr. Dass was sie wiedergegeben hatte, hörte sich zwar irgendwie richtig an. Aber gleichzeitig bekam er das Gefühl nicht los, dass alles was sie gesagt hatte… falsch war. Plötzlich war wieder dieser Glitch vor seinen Augen, ein paar Momente länger als vorher. Erschrocken hielt er inne, die Augen weit aufgerissen. Alles, sogar die Menschen um sie herum, verzerrten sich. Nur Maron erschien vor ihm völlig normal. „Uhm...Siehst du das auch?“, fragte Chiaki kaum hörbar. „Was sehen?“, fragte sie zurück „Egal.“ Er seufzte, kniff sich mit Daumen und Zeigefinger zwischen die Augen und atmete tief durch. Allmählich bekam er Kopfschmerzen. „Bist du dir sicher, dass alles genauso passiert ist?“, fragte er mit Skepsis in der Stimme. Maron machte ein verwirrtes Gesicht. „Natürlich. Wieso sollte es das nicht?“ „…Keine Ahnung“, seufzte er schwer, rieb sich die Schläfen. „Hast du Kopfschmerzen?“, fragte sie besorgt. Er nickte stumm. „Dann solltest du vielleicht zu deinem Vater gehen und schauen, ob er da was für dich hat“, schlug sie vor, legte ihre Hand auf seine und drückte sie. „Ja...“ Rollte er mit den Augen und legte den Kopf nach hinten. „Kommst du mit?“, fragte Chiaki an seine Freundin gewandt. Maron lächelte erfreut. „Klar.“   Nach einer Stunde hatten sie das Nagoya-Krankenhaus erreicht und begaben sich zum Chefbüro. Gerade liefen die beiden durch den Korridor als Kaiki lachend aus seinem Büro rauskam mit einer jungen Frau und einem Mädchen. „Ach!“, entkam es dem Arzt als er seinen Sohn und dessen Freundin erblickte. „Was für eine nette Überraschung. Wir haben gerade über dich gesprochen“, sagte er an Chiaki gerichtet. „Chiaki, das ist eine alte Freundin aus Studienzeiten, Nanako und ihre Tochter-“ „Mina“, entkam es Chiaki automatisch mit einem Lächeln. „Minami“, korrigierte sie ihn mit einem leicht verwunderten Gesichtsausdruck. „Aber Mina ist sowas wie mein Spitzname.“ Alle blickten ihn mit derselben Verwunderung an. „Kennt ihr euch schon?“, fragte Nanako. „Ehm... Nein, war nur gut geraten“, winkte Chiaki verlegen lächelnd ab. Wenn er ehrlich mit sich war, so wusste er selbst nicht, woher er ihren Namen -insbesondere Spitznamen- kannte. Schließlich hatte er sie noch nie gesehen und getroffen. Gerade war Maron dabei sich bei Nanako und Minami vorzustellen, als die Bürotür sich erneut öffnete und jemand rauskam. Mit großen Augen blickte Chiaki die Person an. „Na sowas aber auch. Was machst du denn hier, mein Junge?“, lächelte seine Mutter ihn an, kam auf ihn zu und umarmte ihn herzlich. „Hey, Mum“, erwiderte er leicht benommen zurück. Er wollte die Umarmung erwidern, allerdings war sein Körper wie erstarrt. Aber wieso? Es war doch nur seine Mutter. Sie war gesund und munter... glücklich verheiratet mit seinem Vater. Und... am Leben. Ehe Chiaki sich darauf gefasst machen konnte, verstärkten sich seine Kopfschmerzen und er sah wieder diesen Glitch überall. Aber nicht nur das. Bilder überrannten ihn vor seinen geistigen Augen. Erinnerungen. Erschrocken musste er aufkeuchen. Kalter Schweiß hatte sich auf seiner Stirn und in seinen Handflächen gebildet. Mit einem blanken Gesichtsausdruck blickte er seine „Mutter“ an, die auch Maron gerade herzlich umarmte. „Hallo Hikari“, begrüßte seine Freundin sie. Hikari wandte sich wieder ihm zu, ein Hauch von Sorge zeichnete sich auf ihrem Lächeln ab. „Geht es dir nicht gut? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“ „Uhmm...“ Chiaki zog seine Brauen zusammen, rieb sich mit den Fingern über die Stirn. „Es ist nichts. Nur Kopfschmerzen. Vielleicht Migräne.“ „Hmm, klingt nicht gut. Ich gebe dir gleich Paracetamol“, kam es von Kaiki, der sich von seinen Gästen noch verabschiedete. Es dauerte einige Minuten bis Chiaki eine Packung Tabletten in die Hand gedrückt bekam und er sich von seinen „Eltern“ verabschiedet hatte. Im Moment kam er sich vor als würde man ihm die Luft zum Atmen wegnehmen und er wollte so schnell wie möglich nach Hause. Das Maron ihn die ganze Zeit im Blick hatte und besorgt ansah, entkam ihm nicht.    „Chiaki!“ Zum womöglich zigsten Mal rief sie beunruhigt seinen Namen, während sie sich auf dem Nachhauseweg befanden und er sie hinter sich mitzerrte. Gerade waren sie mit dem Aufzug im siebten Stock des Orleans angekommen und Chiaki zog an ihrer Hand, steuerte auf „seine“ Wohnung zu.  Er schloss hinter sich die Tür und atmete tief durch, strich sich durch die Haare. „Chiaki!“, rief Maron sichtlich irritiert, „Was ist nur los mit dir?!“ „Wir müssen hier weg“, sagte er geistesabwesend, tigerte durch die Wohnung.   „Was?!“ Entgeistert starrte sie ihn an. „Wovon sprichst du? Und wohin willst du gehen?“ „Diese Welt...“ Er gestikulierte mit der Hand durch die Wohnung und nach draußen zum Fenster, „...ist nicht echt. Eine Illusion. Sie ist nicht real.“ „Du redest wirres Zeug!“ Chiaki blieb stehen und blickte Maron fassungslos an. „Kannst du dich nicht erinnern?!“ „An was erinnern?!“ „An unser Leben! Unser echtes Leben!” Er nahm tief Luft, versuchte sich zu beruhigen und ihr das sachlich zu vermitteln. „Ich bin nie ins Orleans gezogen. Meine Mutter war, seit ich fünf bin, tot. Und die beiden, die wir vor dem Büro meines Vaters getroffen hatten: Nanako war -ich meine ist- meine Stiefmutter und Mina meine Stiefschwester. Und ich habe wirklich für den Teufel gearbeitet. Wir sind -waren- Feinde. Und dadurch sind wir beide verflucht.“ „Verflucht?“ Sie blickte ihn völlig verständnislos an. „Ja. Weil unsere Liebe nicht sein durfte. Wenn du blutest, blutete ich auch. Wir konnten spüren... und fühlen, wenn der andere in Gefahr war und verletzt wurde.“ „D-Da-Das klingt furchtbar...“ „Die Dämonen hatten uns und die Engel angegriffen...“, versuchte er die letzten Erinnerungen wiederzugeben, „Und du hattest ein Messer in den Rücken bekommen.“ Sie zog kritisch die Brauen zusammen. „Wir sind beide gestorben“, redete er eindringlich auf sie ein. „Ich weiß nicht, was hier vorgeht oder wieso wir hier sind und wieso wir falsche Erinnerungen haben, aber wir können hier nicht bleiben.“ „M-Moment!“ Maron warf ihre Hände stoppend in die Höhe. „Wenn das, was du sagst, wahr ist... wieso sollen wir von hier gehen? Hier können wir zusammen sein es, ohne uns wehzutun! Wäre zumindest logisch!“ „Maron... Ich weiß, du willst es nicht wahrhaben. Und ich weißt, dass du dir sowas... normales immer gewünscht hast. Aber wir können nicht einfach vor unseren Problemen wegrennen und uns in eine Traumwelt flüchten.“ „Woher willst du wissen, dass du das nicht alles geträumt hast und wir hier in der echten Welt sind.“ „Weil ich immer wieder solche Störungen sehen. Wie ein Computer-Glitch. Jeder um uns herum ist geglitcht. Außer du und ich.“ Maron sah ihn mit einem skeptischen Blick prüfend an. „Hast du Drogen genommen? Ich denke, du schwafelst dir einen Müll zusammen.“ Chiaki blickte sie mit einem schockiert, enttäuschten sowie frustrierten Blick an. „... Du glaubst mir also immer noch nicht.“ „Natürlich glaube ich dir nicht! Das ist die absurdeste Story, die ich jemals gehört habe!“ „... Was kann ich tun, damit du mir glaubst?“ „K-Keine Ahnung…“, kam es von ihr verunsichert. „Aber du vertraust mir doch“, sagte er mit Nachdruck. „J-Ja...N-Natürlich vertraue ich dir“, stammelte sie, atmete tief durch. „I-Ich...“ Kurz sah Maron zu Boden und dann wieder zu ihm auf. „Ich habe Angst, dass du die Wahrheit sagst und das alles hier nicht echt ist. Es fühlt sich so perfekt und real hier an...selbst wenn die Erinnerungen eventuell falsch sind...“ Einige Minuten der Stille vergingen. „Maron?“, durchbrach Chiaki die Stille.  „Hmm?“ „Wo sind eigentlich Fin und Access?“, fragte er interessiert. „I-Ich...“ Sie zog grübelnd die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß es nicht...“, gab sie zu. „Normalerweise sind sie immer irgendwo in der Nähe, halten nach Dämonen Ausschau. Aber den ganzen Tag ließen die beiden sich nicht blicken, was ungewöhnlich ist und-… argh.“ Plötzlich hielt Maron sich schmerzlich den Kopf. „Tut dir der Kopf weh?“, fragte er besorgt. „Hmmm-Mhm“, nickte sie und setzte sich auf die Couch hin. „Chiaki...“, sagte sie seufzend. „Ich weiß nicht, was ich von deinem Verhalten und deiner Story halten soll.“ „Das ist keine Story“, wendete er bestimmt ein, blickte sie flehend an. Mittlerweile fing es vor seinen Augen in Minutentakt an zu glitchen. Das macht ihn noch wahnsinnig. „Bitte, du musst mir glauben.“   Maron blickte ihn mitfühlend an. Alles was er ihr erzählte, hörte sich so absurd an. Und dennoch bekam sie das Gefühl nicht los, dass irgendwas dran war.   Sie schüttelte ihren Kopf, drehte sich von ihm weg und blickte aus dem Fenster raus. Die Sonne begann unter zu gehen. „Hey...“, sanft drehte Chiaki ihren Kopf wieder zu sich. „Ich kann verstehen, wenn du mir nicht glauben willst“, sprach er sachte auf sie ein, strich ihr liebevoll mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Kann dich schließlich zu nichts zwingen.“ Sie seufzte schwer. „Tut mir leid.“ Mit den Worten stand sie auf und war darauf bedacht zu gehen. „Ich werde jetzt nach Hause gehen. Ich... ehm, werde darüber nachdenken und mich bei dir melden. Okay?“ Er nickte mit einem kleinen Lächeln. „Ich begleite dich nach Hause.“ „Wir wohnen Tür an Tür, Chiaki“, rollte sie kichernd mit den Augen. „Ein Gentleman muss tun, was ein Gentleman tun muss“, grinste er sie an. Chiaki öffnete Maron die Tür und gerade als sie in den Flur traten, öffnete sich gegenüber von ihnen die Tür der Toudaijis. Miyako kam raus, kramte etwas in ihrer Umhängetasche und würdigte beiden keines Blickes. „Hey“, rief Chiaki zur Begrüßung. Miyako sah auf und funkelte beide argwöhnisch an. Maron bekam bei diesem Blick eine Gänsehaut und ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken runter. Vor ihrem geistigen Auge spielten sich die Erinnerungen ab, wie ihre langjährige Freundschaft zu Ende ging. Nicht nur hatte die Kurzhaarige es nicht gut verkraftet, als Maron mit Chiaki zusammenkam. Per Zufall hatte sie letztlich auch herausgefunden, dass ihre beste Freundin Jeanne war. Der Streit war furchtbar. Auch wenn Miyako Einsicht gezeigt hatte und ihrem Vater und der Polizei nichts sagen wird, so wollte sie nichts mehr mit beiden zu tun haben. Maron akzeptierte ihre Entscheidung und für die letzten paar Jahre war Funkstille zwischen ihnen. Aber wieso?, ging es ihr unbewusst durch den Kopf. Wir können doch immer noch Freunde sein...! Ein seltsames Gefühl war in ihrer Brust zu spüren. Wie als würde ihr Herz ein weiteres Mal über die zerbrochene Freundschaft weinen. Dabei war es doch schon Jahre her! Oder...? „Ich habe doch gesagt, dass ich nichts mit euch zu tun haben will“, riss Miyako’s eiskalte Stimme sie aus den Gedanken. „Also sprecht mich bitte auch nicht an.“ Sie lief zum Aufzug. Ehe Maron es sich richtig bewusst war, ging sie ebenfalls zum Aufzug. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst. „Miyako, warte-“, sagte sie, als sie sich gegenüberstanden und sie ihre Hand genommen hatte. Miyako schlug ihr die Hand weg und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Man konnte hören wie Chiaki leise erschrocken nach Luft schnappte. „Fass mich nicht an, du miese Verräterin“, zischte Miyako hasserfüllt, „Sonst hetz ich dir noch meinen Vater an den Hals.“ Mit den Worten ging sie in den Aufzug und war verschwunden. Maron hingegen war völlig erstarrt, hielt sich benommen die Wange. Schockiert blickte sie ihrer „ehemaligen“ besten Freundin nach. Nein. Es konnte doch nicht einfach so vorbei sein...es war falsch. Miyako war immer noch ihre Freundin... nur nicht hier. Ihr Kopf schmerzte. Ihre Atmung wurde etwas schneller. Sie begann zu zittern. Alles um sie herum begann sich zu verzerren und zu glitchen. „Maron?“ Chiaki’s Stimme klang so fern, dabei war er direkt neben ihr. „Maron, bist du okay?“ Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Die Erinnerungen -die richtigen Erinnerungen- überfluteten sie gerade und Tränen rannten ihr über das Gesicht. „Diese Welt… diese Realität…ist falsch“, wisperte sie mit gebrochener Stimme. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, wurde alles um sie beide herum schwarz. Chapter 31: Between Life and Death ---------------------------------- Chapter 31: Between Life and Death   Mit weit aufgerissenen Augen wachte Maron auf und schnappte schwer nach Luft. Ihr Körper war stark angespannt. Ihre Atmung war gehetzt. Es dauerte einige Momente bis sie sich entspannen und ihre Umgebung voll und ganz aufnehmen konnte. Ein weiß-blauer Himmel streckte sich über ihr aus. Die Oberfläche auf der sie lag, fühlte sich hart und gleichzeitig warm an. Hm...? Sie fühlte sich orientierungslos, war völlig verwirrt. Wo bin ich? Im nächsten Moment richtete sie sich so schnell auf, als hätte man ihre eine Spritze voll Adrenalin ins Herz gepumpt. Irritiert stellte sie fest, dass sie etwas -jemand- in der Hand hielt. Sie schaute nach und sah, dass ihre Finger immer noch mit Chiaki’s verschränkt waren. Auch er war gerade dabei aufzuwachen. Erleichtert atmete sie aus. Unbewusst dachte Maron an diese Traumwelt zurück. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie betastete ihre Wange. Es hatte sich alles so real angefühlt… Aber sie wusste, dass es alles nicht echt war. So schön es doch auf den ersten Blick erschien, so was es einfach nicht die Realität. Für Chiaki hätte sie sich zumindest gewünscht, dass er seine Mutter wieder gehabt hätte. Aber selbst er wusste, dass es falsch gewesen wäre. Sie musste schwer seufzen.   „Ma-ron...?“, hörte sie Chiaki neben sich sagen und sah wie er sich mit einem Arm vom Boden abstützte. „Hey...“, erwiderte sie mit einem müden Lächeln. Im nächsten Moment fand sie sich in seine Arme wieder. Für eine Weile hielten sich die beiden einfach nur fest, stellten sicher, dass die andere Person keine Illusion, oder ähnliches, war. „Wo sind wir hier?“, fragte Chiaki schließlich, als er langsam von ihr losließ. „Ich weiß es nicht“, antwortete Maron ihm und stand auf. Er erhob sich ebenfalls. Vor ihnen erstreckte sich eine endlos weiß-blaue himmelsähnliche Umgebung aus. Weit und breit war nichts zu sehen als dieser blaue Himmel mit Wolken. „Mehr noch…wie sind wir hierhergekommen...?“, fragte sie, strich sich unsicher durch die Haare. „Mir scheint das hier weder Hölle… noch bei Gott der Himmel zu sein.“   Plötzlich, wie aus dem Nichts, ertönte eine weiche, sanft klingende Stimme. „Ihr befindet euch an der Grenze.“ Überrascht zuckte das Paar zusammen und schaute sich um. Nach wie vor war nirgends etwas zu sehen, außer diese endlose Weite. Maron drehte sich um und auf einmal stand eine junge Frau hinter ihnen. Sie war wunderschön. Silberne Haare und klare, graue Augen mit einem festen Blick. „Wer bist du denn?“, fragte Chiaki mit Misstrauen in der Stimme. Die Frau schürzte die Lippen und zuckte lächelnd mit den Schultern. „Ich bin Jeanne d’Arc.“ „Jeanne d’Arc...?“, kam es von Maron verblüfft, die Augen riesengroß. Sie nickte. „Uhm... ich bin Maron und das ist Chiaki“, sagte Maron, deutete auf sich und ihren Freund. Jeanne lächelte ein Lächeln, als wüsste sie, wer die beiden vor ihr waren. „Nichts für ungut, aber bist du nicht tot?“, platzte es aus Chiaki heraus. Maron stieß ihm mit ihrem Ellenbogen gegen die Rippen. „Autsch!“ Er warf ihr einen irritierten Blick zu. Jeanne kicherte achselzuckend. „Seid ihr es nicht theoretisch auch?“, entgegnete sie mit einem wissenden Grinsen, eine Braue hochgezogen. Beide zuckten etwas zusammen, konnten es teilweise immer noch nicht wahrhaben. „W-Was meintest du mit...wir befinden uns an der Grenze?“, fragte Maron anschließend.   Jeanne wandte sich zu ihr, blickte sie mit ihren grauen Augen eindringlich an. „Diese Welt hier ist die Grenze. Die Grenze zwischen Leben und Tod.“ „Moment“, warf Chiaki ein und blickte sie irritiert an. „Dann sind wir doch nicht tot?“ Maron blickte ebenfalls verwirrt drein. „Hmm. Doch schon. Man könnte zumindest nicht behaupten, dass ihr am Leben seid“, sagte Jeanne. „Ihr seid hier an der Grenze, weil eure Seelen noch nicht loslassen und weiterziehen wollen. Ihr hängt demnach am seidenen Faden.“ „Also stecken wir sozusagen fest?“, fragte Maron, versuchte Sinn in ihrem Wort zu finden. Jeanne nickte. „Du auch?“, fragte Chiaki, „Steckst du demnach auch hier fest?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nur ein Geist, der hierher gewandert ist, um euch Rat zu geben und euch in eurer nächsten Entscheidung beizustehen.“ Er krauste verständnislos die Stirn. „Wieso? Ich meine, wieso würdest du das für uns machen?“ „Weil ich weiß und verstehen kann, was für ein Schicksal ihr erleiden müsst. Was für ein Leid ihr teilen müsst“, antwortete sie mit einem vielsagenden Blick. Daraufhin blickte das Paar betreten zu Boden. „In der Regel wollen diejenige, die hier in dieser Welt landen, noch nicht auf die andere Seite...“, sprach Jeanne weiter. „Verständlich...“, murmelte er trocken. „Offensichtlich wollen wir noch nicht sterben“, sagte Maron und seufzte. „Und es war meine Schuld, dass wir jetzt hier sind“, fügte sie hinzu, die Stimme mit Selbstvorwürfen gezeichnet. „Wegen mir und meinem Versagen geht gerade in dem Moment, in der wir reden, die Welt bestimmt unter. Und Gott und die Menschheit wird vernichtet.“ „Maron. Stopp“, versuchte Chiaki auf sie einzusprechen. „Nichts ist deine Schuld...“ Ein genervter, verärgerter und zugleich frustrierter Laut entkam ihr. „Okay. Es ist nicht meine Schuld“, rollte sie mit den Augen, „Dann wag es ja nicht zu sagen, dass es deine Schuld war, weil du mich nicht beschützen konntest!“, fiel sie ihm ins Wort, als sie sah, dass er was sagen wollte. Für einige Augenblicke schaute das Paar sich an, blickten sich tief in die Augen. Seufzend wandten beide sich anschließend wieder Jeanne zu. „Wo sind Fin und Access eigentlich?“, fragte Chiaki, blickte sich um. „Unsere Engel“, fügte er zur Klarstellung hinzu. Jeanne sah zu ihrer Linken und Rechten. „Nicht hier“, erwiderte sie auf seine Frage nur. Diese zwei Worte reichten raus und die beiden mussten schockiert ausatmen, als sie realisierten was sie meinte. „Oh Gott“, flüsterte Maron, hielt sich eine Hand vor den Mund. In ihren Augen schimmerten Tränen. Chiaki strich ihr tröstend über den Rücken und nahm anschließend ihre Hand, drückte sie kurz. Sie drückte seine Hand zurück.   „Wie kommen wir ins Leben zurück?“, fragte Maron nach einigen Momenten, sah Jeanne entschlossen an. Es dauerte einige Sekunden bis sie ihr antwortete: „Es gibt eine Möglichkeit. Aber die hat einen Preis.“ „Wir sind bereit ihn zu zahlen.“ „Lasst mich es euch bitte zuerst erklären.“ Gespannt warteten Maron und Chiaki darauf, dass sie weitersprach. „Es gibt die Möglichkeit alles wiederherzustellen und einen neuen Versuch zu wagen. Um nicht nur euer Leben, sondern auch das eurer Freunde zu retten...“ „Also sowas wie einen Zeitsprung?“, schlussfolgerte Chiaki direkt, die Brauen konfus zusammengezogen. „In der wir den Verlauf der Geschichte sozusagen neu schreiben?“ Maron blickte ungläubig zwischen beiden hin und her. Jeanne nickte bestätigend. „Damit werdet ihr aber ein Tabu brechen. Ihr werdet den natürlichen Zyklus durcheinanderbringt, in dem ihr den Tod überlistet... Seid euch das bewusst.“ „Ich denke, wir haben Erfahrung damit Tabus zu brechen“, erwiderte er mit leichtem Sarkasmus in der Stimme, drückte erneut Maron’s Hand und strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Was ist der Preis?“, fragte Maron ernst. Jeanne erwiderte ihren Blick. „Die Hälfte eurer Lebenszeit.“ Maron musste es sich verkneifen spöttisch zu schnauben. „Okay. Dann werde ich eben fünfzig statt hundert. Deal.“ Chiaki lachte leise auf, nickte jedoch zustimmend. Jeanne musste etwas schmunzeln. „Ihr werdet es auch nicht bereuen?“ Beide schüttelten den Kopf. „Solange wir das Böse besiegen können, dann ist es egal“, sagte Maron mit einem aufrichtigen Lächeln. „Hauptsache wir können ein normales, friedliches Leben danach führen.“ Sie sah mit einem liebevollen Blick zu Chiaki auf. Jeanne nickte verstehend. „Ich denke, eure Entscheidung steht.“ Ihre Hände begannen zu leuchten. Das Licht blendete fast. „Noch eine Sache, die ich euch sagen muss. Ihr werdet euch an nichts von all dem erinnern. Weder an euren Tod noch von den Welten hier. Das heißt, alles wird bis zu dem Zeitpunkt, in der ich euch zurückschicke, zurückgesetzt. Allerdings kann euer Unterbewusstsein, euer Herz sich erinnern. Vertraut daher auf eure Herzen.“ „Warte- Was?!“ Bevor einer von beiden noch was erwidern konnte, wurden sie vom Licht verschluckt.   Chapter 32: Rewrite ------------------- Falls dem einen oder anderen der Anfang vertraut vorkommt (siehe Kap 29)... das ist beabsichtigt. :b (ansonsten fragen, wer verwirrt ist)   Viel Spaß beim Lesen! --------------------------------- Chapter 32: Rewrite   „Maron?“ . . . „Maron!“ Erschrocken zuckte die Angesprochene zusammen, blinzelte Fin irritiert an, als diese sehr nah vor ihrem Gesicht schwebte und mit den Armen wedelte. „Das Essen brennt noch an!“ „Ha?!“ Perplex und überrascht sah Maron auf die Pfanne in ihrer Hand herab und drehte den Herd herunter. Vorsichtig inspizierte sie die brutzelnden Pfannkuchen. Noch nichts angebrannt. Erleichtert seufzte sie aus. „Du warst für einen Moment völlig weg“, sagte Fin verwundert, die Augenbrauen kritisch zusammengezogen. „Oh…Sorry“, murmelte Maron geistesabwesend. Sie wusste selbst nicht was eben mit ihr los war. Sie war gerade dabei Frühstück zu machen, während Fin ihr dabei zuschaute. Sie hatte sich ans Herz gefasst und ihrer Partnerin von ihrem Traum erzählt, der sie seit einigen Tagen -seit ihrer ersten Nacht im Himmel bei Gott- plagte. Und dann, so ganz plötzlich, hatte sie für einen minimalen Moment einen Blackout. Irritiert schüttelte Maron mit dem Kopf, tat es achselzuckend ab. Der Engel sah sie besorgt an. „Schon okay… Bei dem, was du mir gerade erzählt hast, kann ich es verstehen.“ Fassungslos schüttelte Fin mit dem Kopf. „Beten wir darum, dass er sich nicht bewahrheitet.“ Sie schaute zu Maron auf, blickte ihr fest in die Augen. „Du darfst nicht sterben, hörst du, Maron“, sprach sie eindringlich auf sie ein. „Ohne dich werden Gott und die Menschheit vernichtet.“ Schwer seufzend atmete Maron aus und nickte. „Vielleicht ist der Traum auch nur eine Warnung, anstatt eine Vorahnung“, sagte sie. Für einige Momente war es still zwischen ihnen. „Weiß er was davon?“, durchbrach Fin das Schweigen. „Nein...“ „Gott... Maron, ich weiß, dass ist nicht leicht, aber du musst es Chiaki sagen.“ „Was muss sie mir sagen?“ Maron und Fin zuckten erschrocken zusammen. Chiaki betrat soeben die Küche, Access flog hinter ihm in seiner kleinen Gestalt her. „Ehm... Dass ich dich gerne mal in einen Anzug sehen will“, log Maron und setzte ein unschuldiges Lächeln auf. Dabei warf sie Fin einen scharfen Blick zu, die ein unzufriedenes Gesicht machte. Chiaki zog ungläubig eine Braue hoch. „Gehört das zu deinen Fantasien, von denen ich noch nichts weiß?“, sagte er in einem flirtenden Ton. „Ugh, Leute, bitte nicht am Frühstückstisch“, kam es von Access, der sich schon einen Pfannkuchen in den Mund geschoben hatte. „Als ob du und Fin besser seid“, entgegnete Chiaki augenrollend. Unterdessen setzten sich alle am Tisch hin. „Bei uns ist das was anderes“, wendete Access ein. „Im wie fern?“ „Bei uns besteht keine Kotzgefahr.“ „Ich behaupte das Gegenteil.“ Die Mädels sahen den beiden bei der Argumentation zu und mussten herzhaft lachen. Einige Zeit aßen die vier entspannt ihr Frühstück, als es plötzlich anfing zu Beben. „Was zum-… ein Erdbeben?!“, kam es von Maron erschrocken. „Kein Erdbeben“, sagte Access ernst, „Zumindest kein normales.“ Die Engel hatte sich schon in die Lüfte erhoben, flogen ans Fenster und blickten raus. „Du meine Güte...“, flüsterte Fin. Maron und Chiaki sahen ebenfalls raus, ihre Augen weiteten sich. Die Sonne wurde von einer dunklen Masse komplett verdeckt. Sofort breitete sich eine Eiseskälte im Raum aus. Der Himmel war so pechschwarz wie die Nacht. In der nächsten Sekunde tauchten aus jeder Ecke Dämonen auf. „Komm!“ Chiaki nahm Maron’s Hand und zog sie aus der Wohnung raus. Die Engel gaben ihnen dabei Rückendeckung. Gemeinsam begaben sie sich zum Dach hoch. Dort schien eine Gruppe dunkler Gestalten sie schon zu erwarten. Es war Satan mit seinen Dämonenrittern. „Einen schönen guten Morgen“, begrüßte der Teufel sie mit einem kalten Grinsen. „Lange nicht mehr gesehen.“ Sofort verwandelten Maron und Chiaki sich. „Was willst du?“, verlangte Jeanne zu wissen. „Ist das nicht offensichtlich?“, rollte Satan gelangweilt mit den Augen, „Gott und die Welt vernichten. Dafür muss ich euch loswerden.“ Mit einem Handzeichen ließ er tausende von Dämonen um die vier erscheinen. In der nächsten Sekunde griffen Dämonen sowie Dämonenritter an.   „Wir sollten uns aufteilen!“, rief Fin. „Nein!“, warf Jeanne ein, „Wir müssen zusammenbleiben!“ Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie unbedingt zusammenbleiben mussten. „Jeanne hat recht!“, stimmte Sindbad ihr zu. „Zusammen können wir gegen die Dämonen noch standhalten.“ Zu viert formatierten sie sich und ein langwieriger Kampf brach aus. Mit jedem besiegten Dämon, kamen noch mehr dazu. „Shit! Es sind zu viele!“, rief Access, feuerte ein paar Dämonen mit einem Lichtstrahl weg. „Nicht schlapp machen“, entgegnete Sindbad. Plötzlich tauchten, wie aus dem Nichts, Edacus und Avea auf, griffen gezielt die beide Diebe an, trennte sie von den Engeln. Geschickt konnten Jeanne und Sindbad den Angriffen zwar ausweichen, aber in der nächsten Sekunde kam schon der nächste Angriff auf beide zugeschossen. Jeanne fiel mit voller Wucht nach hinten zu Boden, während Sindbad noch rechtzeitig wegspringen konnte. „Maron!“, rief er. Er sah, wie Jeanne sich aufsetzte und hinter ihr die Dämonenritterin mit einem Messer ausholte. Gerade wollte er ein weiteres Mal ihren Namen schreien, sie warnen – als auf einmal eine helle Gestalt sich zwischen Jeanne und der Dämonin stellte. Sindbad’s Augen weiteten sich als er Engelsflügel sah. „Nell“, rief Jeanne überrascht, als sie den Engel erkannte. „Braucht ihr Hilfe?“, fragte Nell mit einem kleinen Grinsen, stieß die Dämonenritterin mit Magie von sich und warf auch eine mächtige Magiekugel auf Sindbad’s Gegner. Beide flogen schreiend einige Meter nach hinten. Sindbad nutzte die Chance, um zu Jeanne rüberzurennen und ihr aufzuhelfen. „Wir Engel kümmern uns um die Dämonen“, hörten sie Nell sagen. Überrascht blickten beide sie an. „Du kannst unmöglich mit Fin und Access allein gegen die kämpfen!“, wendete Sindbad ein. „Toki und Cersia sind auch da. Ebenso auch ein paar andere.“ Erst da sahen die beiden Diebe die anderen Engel um sie herum kämpfen. „Oh mein Gott…“, hauchte Jeanne ungläubig. „Jeanne. Sindbad. Ihr-“, setzte Nell an, wurde im selben Moment jedoch von den beiden Dämonenritter mit dunkler Magie angegriffen. In Sekundenschnelle ließ sie allerdings ein magisches Schild mit ihren Händen erscheinen, worauf die Angriffe abprallten. „Bist du okay?“, fragte Jeanne besorgt. „Ja. Ihr beide kümmert euch um Satan“, sagte der Engel mit zusammengebissenen Zähnen, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. „Aber-“ Sindbad unterbrach Jeanne, indem er sie am Arm packte. „Habt vertrauen“, sagte er ihr nur. Sie blickte ihn mit großen Augen an und nickte schließlich. „Geht. Satan hat sich irgendwo zurückgezogen. Er kann nicht weit sein.“ Mit einem Nicken wandten sich beide kurz Nell zu und gingen schließlich davon.   Satan saß einige Gebäudekomplexe entfernt auf dem Dach eines Hochhauses und beobachtete durch einen schwebenden, magischen Spiegel den Kampf zwischen den Engeln und den Dämonen. Mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck ließ er den Spiegel in Handumdrehen verschwinden. „Das Gott sich mal traut euch zu helfen und seine Engel runterschickt…“, sagte er und drehte sich um, blickte mit einem arroganten Grinsen Jeanne und Sindbad an. „Dir wird das Lächeln noch vergehen“, entgegnete Sindbad kühl. Satan rollte mit den Augen und manifestierte ein riesiges Schwert in seiner Hand. „Bringen wir es hinter uns.“ Mit den Worten war er verschwunden. Im nächsten Augenblick erschienen schwarze Leuchtkugeln, flogen um Jeanne und Sindbad rum und feuerten laserartige Energiestrahle. Die beiden wichen den Strahlen aus. Plötzlich tauchte Satan vor Jeanne auf, griff mit seinem Schwert an. Gerade so konnte sie es mit ihrer eigenen Klinge abblocken. Sindbad versuchte ihn von hinten anzugreifen, doch er teleportierte sich direkt wieder weg. Wenige Meter von den Dieben entfernt erschien er wieder. Jeanne und Sindbad tauschten sich kurze Blicke aus und teilten sich auf. Jeweils rechts und links griffen sie gemeinsam an. Es war ein harter, langwieriger Kampf. Jedes Mal, wenn einer von beiden zum Angriff ansetzte, wich Satan ihn ohne Mühe aus oder teleportierte sich weg. Dafür trafen seine Attacken immer mit voller Wucht. „Warum?“, fragte Jeanne nach einer Weile, sie atmete angestrengt. Blut von verheilten Wunden klebte stellenweise auf ihren Klamotten, wohingegen Satan noch unversehrt war, doch sie gaben nicht auf. „Warum willst du die Menschheit ausradieren?!“ Er schnaubte. „Ich beschleunige nur den Prozess. Ihr radiert euch doch irgendwann selbst aus.“ Satan stieß einen spöttischen Laut aus. „Ich habe euch Menschen für Jahrmillionen beobachtet... Habe beobachtet, wie ihr euch vermehrt, euch weiterbildet, euch bekämpft.“ Er grinste hämisch. „Ihr kämpft, stehlt, tötet. Was bedeutet ‚Mensch sein‘ überhaupt? Liebe trägt Hass mit sich. Familien sind voller Konflikte und Auseinandersetzungen. Zivilisationen entwickelten sich, um noch mehr zu stehlen und Gesellschaften wurden aufgebaut, um noch mehr und besser zu töten...“ Dies machte Jeanne wütend. „Rede nicht so über uns Menschen!“, schrie sie und schwang ihr Schwert. Sie hatte erwartet, dass Satan ihren Angriff einfach ausweichen würde, aber stattdessen stoppte er die Klinge mit einem Arm. Schwarzes Blut triefte heraus. „Aber ich liege doch nicht falsch, oder? Ist das nicht genau das, was ihr Menschen seid?“ „Sei still! Halt dein dreckiges Maul!“ „Warum bekämpfen Menschen sich untereinander dann, wenn sie doch zur selben Spezies gehören?“ „Hör nicht auf ihn, Maron“, kam es von Sindbad. Plötzlich schleudert Satan eine Energiewelle in seine Richtung, welche ihn kalt erwischte. „Chiaki!“, schrie Jeanne entsetzt. Er landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden, einige Meter von ihr entfernt. Sie wollte zu ihm rennen, doch Satan kam ihr dazwischen. „Du solltest ihn vergessen, Süße“, lächelte er boshaft. „Eure gemeinsame Zeit auf Erden ist sowieso abgelaufen.“ Sie ignorierte ihn, holte mit ihrem Schwert aus und konzentrierte sich darauf ihren Gegner zu besiegen. Immer und immer wieder prahlten ihre Klingen aufeinander. „Also allmählich wird’s auch mir zu langweilig. Stirb endlich!“, sagte Satan genervt, erhöhte den Druck seines Schwertes auf ihrem. Sie knirschte verbissen die Zähne und drückte gegen. Auf einmal kam von der Rechten ein Tritt und Satan taumelte zur Seite. „Du!“, funkelte er Sindbad wütend an. Jeanne nutzte diesen minimalen Moment und ihre Klinge ging durch Satan hindurch. „Schachmatt“, sagte sie tonlos. Er erstarrte und sie zog ihr Schwert aus seiner Brust, ging einige Schritte nach hinten. Sie bemerkte, wie Sindbad sich neben sie stellte. „Bist du verletzt?“, fragte er besorgt. Sie wandte sich kopfschüttelnd zu ihm. „Chiaki…“ Ihre Augen wurden etwas groß als sie beobachtete, wie er wieder zu Chiaki wurde, ohne an seinem Stirnband gezogen zu haben. Er blickte ungläubig auf sich herab. Erleichterung breitete sich in ihr aus. Seine Bindung zum Teufel war gelöst. Der Fluch wird nicht mehr auf ihnen lasten. Ein Knurren riss sie aus den Gedanken. Satan stand noch immer mit offener Wunde vor ihnen, ein dunkler Nebel begann ihn langsam zu umhüllen. „Denk ja nicht, dass du mir so leicht davonkommst, Jeanne...“, ächzte er. Plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Dolch blitzte in seiner Hand auf und kam blitzschnell in Jeanne’s Richtung zugeschossen. In der Millisekunde dachte sie an ihren Traum zurück. Resigniert schloss sie ihre Augen. Sie machte sich auf den Schmerz gefasst, doch er kam nicht. Sie öffnete ihre Augen und zog scharf Luft ein, das Blut in ihren Adern gefror. Sie sah zu Chiaki auf, der gekrümmt mit dem Rücken zu ihr gewandt stand. Der Dolch war in seiner Brust. Ein erstickter Schrei entkam ihr. „NEIN! CHIAKI!“ Im nächsten Moment gaben seine Beine nach. Und er fiel zu Boden. Satan brach in ein sadistisches Lachen aus. „Ich sagte doch, eure gemeinsame Zeit ist abgelaufen...“, sagte er, bevor der Nebel in komplett umhüllte und sein Körper sich auflöste. Das Lachen hallte noch eine Weile nach, bis es vollkommen still wurde. Kaum war der Teufel von der Welt verschwunden, brach die Sonne durch den schwarzen Himmel durch. *** Jeanne rutschte neben Chiaki auf die Knie, nahm ihn in ihre Arme hoch, legte seinen Kopf auf ihrem Schoss ab. Der Dolch in seiner Brust war mit Satan’s Verschwinden weg. Der Boden um sie herum war nass. Da war so viel Blut. Und er heilte nicht. Schließlich hatte er seine Kräfte nicht mehr. Sie legte ihm eine Hand auf die Wunde, in der Hoffnung, dass sie so aufhören würde zu bluten. Ihre Hand war direkt mit seinem Blut getränkt. Alle möglichen Emotionen breiteten sich in ihr aus. Ihr Verstand war noch nicht fähig zu verstehen, was gerade geschah. Chiaki’s Augen öffneten sich. Jeanne’s Herz taumelte. Sein Blick war auf ihren geheftet. Seine hellen, braunen Augen trugen so viel Liebe und Fürsorge mit sich. „Ist-… schon okay“, flüsterte er. Sie schüttelte heftig mit dem Kopf. Er reichte nach ihr, berührte sanft ihre Wange. Sie konnte sein Blut auf ihrer Haut spüren. Er war noch warm in ihren Armen, atmete noch. „Bitte verlass mich nicht, Chiaki“, sagte sie, strich ihm eine Hand durch die Haare, verteilte das Blut darauf. Ihre Stimme brach. „Bitte lass mich nicht allein in dieser Welt.“ Sie schluchzte. „Ich liebe dich…“ „Ich liebe dich auch...“ Seine Stimme war kaum zu hören. Er schaffte es sie anzulächeln. „Du warst das Beste, was mir im Leben passiert ist“, sagte er. Sie schluchzte noch mehr, schüttelte erneut den Kopf.   „Du wirst nicht sterben“, hörte Chiaki sie sagen. „Du wirst nicht sterben, hörst du“, wiederholte sie verbittert. Ihre Stimme hatte was Scharfes, Wütendes, Hoffnungsloses in sich. Er sah, wie Jeanne mit einem entschlossenen, aufgebrachten und zugleich verzweifelten Ausdruck auf ihn herabblickte. Aus unerfindlichen Gründen musste er an die Zeit zurückdenken, als er sie -Jeanne- das erste Mal sah, ein Messer an ihrem Hals gehalten, die violetten Augen unerschrocken auf ihn fixiert. Ebenso dachte er an seine erste Begegnung mit ihrem zivilen Ego zurück, wie sie ihren Frust an dem Snackautomaten rausließ und ihn mit demselben Blick ansah. Bevor sie in sein Leben aufgetaucht war, war jeder Tag, jede Stunde seines Lebens genau wie der vorherige gewesen. Einfach nur schonungslos langweilig. Und schrecklich eintönig. Monoton. Doch dann kam sie, war von Tag eins an ein Mysterium, welches ihn faszinierte. Selbst wenn er glaubte sie zu kennen, so schaffte sie es trotzdem ihn immer wieder mit ihrem Wesen zu überraschen. Er war in seinem Leben noch nie jemand so faszinierendes begegnet und alle Zeit der Welt wäre nicht genug, um sie aufs vollste kennenlernen zu können. Aber jetzt wollte er Zeit. Mehr Zeit. Seine Gedanken konzentrierten sich auf Erinnerungen von ihr, dem Gefühl ihrer Hände in seinen Haaren, ihrer Wange auf seine Brust, ihrer Stimme in seinem Ohr, ihren Atem in seinem Mund. Früher hätte es ihm wahrscheinlich nichts ausgemacht zu sterben. Ihm hätte es nichts ausgemacht für sie zu sterben. Es war ganz sicher eine gute, ehrenvolle Art zu sterben - für jemanden, den man aus vollem Herzen liebt. Und dennoch... wollte er noch nicht gehen. Er lächelte ein kleines, ironisches Lächeln und schloss seine Augen.   Ein erstickter Laut entkam Jeanne, während sie versuchte die Tränen zurückzuhalten. Es gab nichts Niederschmetterndes, als den Körper von denjenigen den man liebt zu halten und zu wissen, dass dessen Herzschläge begrenzt waren. Chiaki war noch am Atmen, aber nur ganz flach. Seine Augen öffneten sich nicht mehr als Jeanne seinen Namen sagte. Eben noch hatte sie Wut, Verzweiflung, Trauer verspürt. Jetzt fühlte sie sich nur noch leer. „Jeanne? Jeanne! Wo seid ihr?“ Fin’s Stimme war aus ihrem Amulett zu hören. Jeanne blickte auf Chiaki’s Gesicht herab. Sein Puls schlug schwach in seinem Hals. Im nächsten Moment hörte er auf zu atmen. Sie beobachtete wie der Puls in seinem Hals erstarb und sein letzter Atemzug seinen Lippen entkam, wie ein Seufzen. „Oh Gott“, wisperte sie. Eine Träne fiel. Und dann eine weitere. Ihr Herz blutete. Brach in unzählige Einzelteile. „Jeanne, hörst du mich?“, sagte Fin erneut. Aber sie hörte nichts. Sah nichts. Fühlte nichts. Außer ihn. Sie dachte an all die Entscheidungen, die sie hierhin geführt haben und wie jede einzelne anders hätte verlaufen können. Wären sie sich nie begegnet, wäre er vielleicht noch am Leben. Sie schloss ihre Augen. Sie sah Chiaki, lebend, wie er sie von zu Hause abholte und zum Campus fuhr. Wie er sich die Zeichnung von ihm anschaute und es sich in sein Portemonnaie einsteckte. Wie er mit schläfrigen Augen und wilden Haaren auf sie herabblickte, die Arme um sie gelegt, während sie beide im Bett lagen. „Du meine Güte“, hörte sie Fin’s schockierte Stimme neben sich. Access und Nell waren anscheinend auch da, schnappten fassungslos nach Luft. Jeanne achtete nicht auf die Engel, konzentrierte sich voll und ganz auf Chiaki und den Erinnerungen an ihm. Sie wollte das er lebte. Mehr als alles andere auf der Welt. Das hatte er verdient. Aber an etwas zu denken und es sich zu wünschen, ließ es nicht wahr werden. Etwas zu wollen, machte es nicht real. Nur wollte sie, dass Chiaki wieder lebt. Und in ihrem Inneren wusste sie, dass es seinen Preis haben wird. So wie alles seinen Preis hatte. Wenn sie etwas wollte, musste sie dafür etwas geben. Sie wollte Chiaki. Was würde sie für ihn geben? Sofort kam ihr auch die Antwort auf ihre Frage. Jeanne holte ihr Kreuz hervor und legte es auf dem Boden ab. Da sie ihre Mission erfüllt hatte, bräuchte sie das Kreuz und ihre Kräfte nicht mehr. Sie konnte das für seine Leben eintauschten. Aber reichte das auch? „Jeanne? Was hast du vor?“, fragte Fin besorgt. Die Angesprochene konnte die fragenden Blicke der Engel auf sich spüren. Tief atmete sie durch die Nase durch und konzentrierte sich. Es dauerte einige Sekunden bis sie und ihr Kreuz in einem sanften Licht eingehüllt waren. Im nächsten Augenblick löste das Artefakt sich in Luft auf. Jeanne spürte, wie sie wieder zu Maron wurde und fühlte sich irgendwie sogar um einiges leichter. Als wurde ihr eine Last abgenommen. Sie sah wieder zu Chiaki herab. Ihr Blick war tränengetrübt. Bitte mach die Augen auf, flehte sie in Gedanken. Momente vergingen. Gerade als Maron die Hoffnung aufgeben wollte, sah sie ihn blinzeln. Sein Brustkorb hob sich kaum merklich auf und ab. „Du meine Güte…“, kam es von Nell heilfroh. Wie als hätte er die Luft angehalten, atmete Access erleichtert aus. Fin umarmte ihn. Maron wusste nicht, ob sie vor Glück lachen sollte. Seine Augen öffneten sich und der Hauch eines schiefen Lächelns war auf seinen Lippen zu sehen. Das schiefe Lächeln, welches sie so sehr liebte. Sie lächelte zurück, strich mit ihrer Hand sachte über seine Wange. Sie fühlte sich warm an und das elektrisierende Kribbeln war auf ihren Fingerspitzen zu spüren. Er war am Leben. Nun war alles gut. Chapter 33: Happy-Go-Lucky -------------------------- Chapter 33: Happy-Go-Lucky   Ein paar Tage gingen seit dem Endkampf vorüber. Es fühlte sich alles wie ein langwieriger Traum an. Nachdem alle Dämonen von der Erde verschwunden waren, zogen Nell und alle anderen Engel sich auch wieder zurück. Nur Fin und Access blieben noch eine Weile bei ihren Partnern.   Es war Wochenende. Und gerade waren Maron und Chiaki bei seinen Eltern zu Besuch. Chiaki saß mit seinem Vater auf der Terrasse, während Maron, Minami und Nanako im Garten mit den Hunden spielten. Amüsiert lächelnd schauten die Männer ihnen dabei zu. Unsichtbar für die Augen der meisten schwebten eine grüne und eine lilane Lichtkugel umher. Chiaki sah, wie die Hunde immer mal versuchten die beiden Engel zu schnappen, nur ohne Erfolg. Schmunzelnd beobachtete er, wie Fin und Access sich auf einem Baum in Sicherheit begaben. Maron blickte lachend zur Baumkrone hoch. Anschließend wandte Chiaki sich von ihnen ab und blickte seinen Vater mit einem nachdenklichen Blick an. Kaiki erwiderte dessen Blickkontakt. „Was ist los?“, fragte er in einem ruhigen Ton. Seufzend fuhr Chiaki sich eine Hand durch die Haare, schaute beschämt zu Boden. „Ich...“ Er sah wieder zu seinem Vater auf, ihre Blicke trafen sich erneut. „Ich wollte mich für mein Verhalten letztens entschuldigen. Was ich letztens über dich und Nanako gesagt habe im Krankenhaus. Es war sehr unangebracht und unsensibel und...Naja, der ganze Stress und was Mina passiert ist, rechtfertig sowas nicht.“ „Hm.“ Kaiki verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich nach hinten und legte die Stirn in Falten. Chiaki konnte nicht einschätzen, was er gerade dachte, was ihn wiederrum etwas verunsicherte. „Also....was ich sagen will-… Ich war nicht ich selbst...“, murmelte er, was teilweise auch stimmte, „Und es tut mir leid.“ Einige lange Sekunden vergingen, in denen Kaiki ihn mit einem undurchdringlichen Blick anschaute. „Entschuldigung angenommen“, sagte sein Vater schließlich, seufzte und ließ die Arme wieder sinken. „In gewisser Weise... hast du, denke ich, auch recht.“ Überrascht sowie verwundert sah Chiaki ihn an. Kaiki seufzte erneut, fuhr sich wie sein Sohn mit der Hand durch die Haare. Eine nervöse Geste die beide teilten. „Es wird niemanden geben, die ich so sehr liebe wie deine Mutter“, begann er nach einiger Zeit zu erklären. „Und vielleicht habe ich mich auf Nanako eingelassen, um den Schmerz und Verlust zu entkommen. Was ihr gegenüber natürlich nicht fair war. Aber...“ Er blickte ihn mit einem kleinen Lächeln an und sah anschließend zu seiner Frau rüber. „Aber über die Jahre habe ich Nanako lieben gelernt.“ Chiaki machte große Augen. „Ich hätte vielleicht mehr mit dir darüber reden sollen. Dich verstehen lassen sollen“, sprach Kaiki weiter, blickte betreten zu Boden. „Ich werde Hikari -deine Mutter- nie vergessen können... Aber ich bin glücklich. Mit unserer Familie.“ Er sah auf und lächelte ihn an. Chiaki erwiderte das Lächeln und nickte. Im nächsten Moment kamen die beiden Hunde, Haru und Sora, auf ihn zugelaufen. Haru hatte einen Ball im Maul. „Na ihr.“ Chiaki nahm ihm den Ball ab und tätschelte dessen Kopf. Haru bellte zufrieden. Nanako lief zur selben Zeit an ihm vorbei und setzte sich zu Kaiki dazu. Er hatte einen Arm um sie gelegt, blickte sie liebevoll an. Chiaki lächelte seine Eltern an. „Hey, big Bro!“, rief Minami. Sie und Maron winkten ihm zu. „Wirfst du den Ball?“ Er grinste. Ohne zu antworten, warf er den Ball über die Köpfe der Mädels vorbei. Haru und Sora liefen wie von der Pistole geschossen los. Lachend ging Chiaki auf Maron und Mina zu, drückte seiner Freundin einen Kuss auf die Schläfe. „Alles gut?“, fragte sie lächelnd. „Ja. Alles gut“, grinste er. Ihm ging es mehr als gut. Seit dem Endkampf fühlte er sich so sorglos und befreit, wie schon seit langem nicht mehr und er genoss jede einzelne Minute davon. *** Wochen vergingen. Der normale Alltag nahm das Leben ein. Prüfungen wurden geschrieben. Und ehe man sich versah, hatten die Semesterferien schon begonnen.   „Ihr müsst gehen?!“ Geschockt und traurig blickte Maron Fin und Access an, die beschämt nickten. Auch Chiaki machte einen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck. „Eigentlich hätten wir schon gehen müssen nachdem Satan besiegt war. Aber wir hatten Gott darum gebeten noch etwas länger zu bleiben“, erklärte Fin seufzend. „Leider hat Rill gesagt, dass heute unser letzter Tag ist und wir uns verabschieden müssen“, fügte Access hinzu. „A-Aber… Müsst ihr jetzt gehen?“, hackte Maron nach, wollte noch nicht, dass ihre Engel sie schon verließen. Fin und Access tauschten sich einen langen Blick aus und begannen verschwörerisch zu lächeln. „Hmm…Rill hat nichts dazu gesagt, dass wir jetzt gehen müssen“, sagte Fin kichern. „Theoretisch hätten wir bis 23:59 Zeit“, grinste Access verschmitzt. Maron lächelte breit. „Dann haben wir noch genug Zeit, um die letzten Stunden zusammen zu genießen.“ Fin nickte und klatschte erfreut mit den Händen. „Dürfen wir uns ein letztes Mal Pfannkuchen wünschen?“ „Klar“, lachte Maron. „Es wird Pfannkuchen ohne Ende zum Abendessen geben“, fügte sie augenzwinkernd hinzu, worauf ihr Engel sich noch mehr freute. „Hey, heute Abend wäre noch eine Semesterabschluss-Party am Strand“, merkte Chiaki an. Access lachte. „Willst du uns unterschwellig sagen, dass wir in den letzten Stunden auf Erden richtig die Sau rauslassen sollen?“ „Vielleicht. Können Engel sich betrinken?“, kam es von seinem Partner als Gegenfrage interessiert. „Nö“, schüttelte Access lachend mit dem Kopf. „Aber eine Party klingt nach viel Spaß.“ „Das ist die Hauptsache“, grinste Chiaki. „Dann ist das beschlossene Sache“, rief Maron begeistert aus. Sie fand es zwar traurig, dass die Engel nicht mehr bei ihnen sein werden, aber auf keinen Fall wollte sie sich von dieser Tatsache die Stimmung vermiesen lassen.   Gegen neun begaben sie sich schließlich Richtung Strand zur Party. Dort trafen Maron und Chiaki sich auch mit Miyako und den anderen. Die Party fand in einem Club statt, welches auch eine große Terrasse hatte. Musik war lautstark von draußen zu hören. Hand-in-Hand begab sich das Paar zum Eingang, die Engel flogen ihnen als kleine Leuchtkugeln hinterher. Miyako und Touya warteten schon vor der Tür. „Wo sind denn Yamato und Yusuke?“, fragte Maron, nachdem sie beide mit einer Umarmung begrüßt hatte. „Die kommen noch“, antwortete Miyako ihr. „Wir sollten aber schon rein, meinten sie.“ „Ah okay!“ Damit hakte Maron sich bei ihrer besten Freundin ein und nickte mit dem Kopf in den Club rein. Chiaki steckte sich die Hände in die Hosentaschen und kicherte. Wenige Minuten später hatte sich die kleine Gruppe Einlass bei den Türstehern gewährt. Drinnen war es ziemlich dunkel. Nur ein paar bunte Lichter erleuchteten den Raum. Maron ging mit Miyako voraus, schlängelte sich durch die Masse durch. Die Jungs liefen ihnen hinterher. Chiaki konnte seinen Blick nicht von seiner Freundin abwenden. Wie die Lichter ihren Körper erleuchteten und wie ihre Kurven in diesem schwarzen Kleid zur Geltung kamen. Es war sehr, sehr voll im Club. Nichtsdestotrotz konnten sie einen freien Tisch auf der Terrasse finden. Chiaki setzte sich auf einem kleinen Strandsofa hin, Maron gesellte sich allerdings nicht zu ihm dazu. „Man, ist das voll hier“, sagte sie, schaute sich um. Besonders die Terrasse und der Strand waren voller Menschen. Es war schließlich eine sehr warme Sommernacht heute. Sowohl drinnen als auch draußen gab es eine Tanzfläche. „Ob die anderen uns finden werden?“ „Bestimmt“, entgegnete Chiaki geistesabwesend. Es war nahezu unmöglich sich auf irgendwas anderem zu konzentrieren als auf Maron in diesem Kleid. Sie bemerkte den Ausdruck auf seinem Gesicht und er konnte trotz der Dunkelheit sehen, dass sie errötete. „Ich will tanzen“, sagte sie, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Er legte den Kopf schief und lächelte seine Freundin an. Er würde sich ihr anschließen, aber jemand sollte hier warten, dass die anderen auftauchten. Und abgesehen davon-… „Ich bevorzuge es zuzuschauen“, erwiderte er mit einem schiefen Grinsen. Touya schnaubte lachend. „Glaub ich dir.“ Er streckte eine Hand nach Maron aus. „Keine Sorge, M. Ich werd mit dir tanzen.“ Lachend verdrehte sie ihre Augen, nahm seine Hand und ging mit ihm auf die Tanzfläche am Strand. „Ich bleib auch erstmal hier“, kam es von Miyako und setzte sich unterdessen neben Chiaki hin. Eine Kellnerin, die in einem sehr knappen Bikini gekleidet war, kam und warf ihm einen langen Blick zu. „Kann ich dir was bringen?“, fragte sie, ohne von ihm wegzusehen und ignorierte Miyako komplett. „Cola“, sagte er. „Nicht was Hartes? Wir sind schließlich auf einer Party.“ Daraufhin hielt Chiaki der Kellnerin, ohne sie anzusehen, seinen Autoschlüssel hoch. „Ich würde mich und meine Freundin drüben heil nach Hause fahren wollen. Also…“ Anschließend wandte er sich an Miyako. „Willst du was?“ Sie überlegte kurz. „Pina colada.“ Die Kellnerin schrieb sich die Bestellungen auf und stolzierte davon. Immer wieder drehte Miyako sich in Richtung Eingang um, saß förmlich auf heißen Kohlen. „Warum bist du mit Yamato eigentlich nicht zusammen hierhergefahren?“, erkundigte Chiaki, blickte sich ebenfalls kurz um. Einige bekannte Gesichter aus der Uni waren zu sehen, die ihm immer mal zu Begrüßung zu nickten. Er sah, wie Access und Fin zusammen durch den Club rumflogen und sich zu amüsieren schienen. Sie zuckte mit den Schultern. „Er meinte, er müsste noch schnell was von Zuhause holen.“ „Ah...okay.“ Sie schaute ungeduldig auf ihr Handy. „Er ist spät dran... genauso Yusuke.“ Die Kellnerin kam mit den Getränken wieder und Chiaki gab ihr zur Bezahlung ein paar Scheine. „Danke fürs bezahlen.“ Miyako nahm direkt ihr Glas und trank daraus. Er ließ seins unberührt. Er konnte nicht aufhören Maron anzuschauen. Und er war nicht der einzige. Sie und Touya bewegten sich synchron im Takt zur Musik. „Tanzen kann er“, kommentierte Miyako amüsiert. „Japp.“ „Kannst du tanzen?“, fragte sie ihn. „Kann ich.“ „Wieso bist du dann nicht auf der Tanzfläche?“ Chiaki sah wieder zu Maron. Ihre Augen waren geschlossen und sie ließ sich von der Musik leiten. „Weil das was ich vorhin gesagt habe wahr ist“, antwortete er Miyako. „Ich bevorzuge es zuzuschauen.“ Lachend schüttelte sie amüsiert mit dem Kopf. Eine Weile sagten die beiden nichts mehr und schauten ihren Freunden beim Tanzen zu. Plötzlich drängten sich von drinnen zwei bekannte Gestalten nach draußen. Chiaki begrüßte Yamato und Yusuke mit einem Handschlag. Miyako sprang neben ihm vom Sofa auf und umarmte ihren Freund erfreut. Yusuke hatte sich direkt zu Touya und Maron auf die Tanzfläche begeben. Miyako stand mit Yamato noch eine Weile neben dem Tisch. Sie blickte unsicher zwischen Chiaki und der Tanzfläche hin und her. „Ihr müsst nicht auf mich warten“, sagte er ihnen. „Geht tanzen.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja. Ich muss das eh noch fertig trinken.“ Er deutete auf sein volles Glas. Nickend ging sie mit Yamato zu den anderen, tanzte sofort zum Rhythmus der Musik mit.   Chiaki nippte an seinem Getränk, sah ihnen und insbesondere Maron auf der Tanzfläche zu. Er konnte sich an ihr nicht sattsehen. Ihre Augen waren immer noch geschlossen und ein wohliger Ausdruck war auf ihrem Gesicht. Sie leuchtete förmlich in der Dunkelheit, wirkte wie als wäre sie jenseits von dieser Welt. Manchmal konnte Chiaki es selbst kaum fassen, dass dieses Mädchen real war. Aber sie war realer als alles oder jeder andere. Lebendiger als alles und jeder andere. Sie machte ihn lebendig. Ohne sie wäre er nicht der Überzeugung, dass er wirklich existierte. (Von der Tatsache abgesehen, dass er dank ihr den Tod überlebt hatte.) Sie öffnete ihre Augen und für eine lange Sekunde trafen sich ihre Blicke. Sie warf ihm ein Lächeln zu. Sein Lächeln. Das Lächeln, was nur ihm bestimmt war. Sofort verspürte er diesen Drang ihre Lippen auf seinen schmecken zu wollen. Ihr Lächeln gegen seine Brust zu spüren. Und es von oben herab zu sehen. Zu viele Augen waren auf ihrer nackten Haut geheftet. Chiaki stand auf und ging zu ihr. Als er Maron erreicht hatte, beugte er sich zu ihr herunter bis seine Lippen ihr Ohr berührten. „Komm“, sagte er mit tiefer Stimme. Sie fragte nicht wohin. Brauchte sie auch nicht - sie wusste, was er wollte. Er konnte sehen, dass sie es auch wollte. Ohne Weiteres nahm er ihre Hand, führte sie von der Tanzfläche und ging mit ihr rein. Drinnen war es jetzt nur halb so voll wie draußen. Chiaki nahm auf die nächste freie Couch Platz und zog Maron zu sich auf den Schoß, ihre Beine hingen seitlich über sein Bein. Einen Arm hatte er fest hinter ihrem Rücken um die Taille gelegt. Sie legte ihre Arme um seinen Hals. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Liebevoll und verführerisch zugleich. Anschließend fanden seine Lippen die ihre. Wie als hätte er für Jahre nichts gegessen, küsste er gierig ihren Mund. Dennoch war sein Hunger nach ihr nicht zu stillen. Sein Griff um ihre Taille verstärkte sich und er umfasste mit der anderen Hand ihr Gesicht, strich mit seinen Fingern nach hinten durch ihre langen Haare. Sie schlang ihre Arme fester um seinen Hals, zog ihn näher zu sich heran. Heiß bewegten sich ihre Lippen auf seinen, öffneten sich und ließen seine Zunge passieren. Trotz der lauten Musik konnte er hören, wie ihr ein Stöhnen entkam. Was ihn noch mehr anregte. Ihre Finger begannen sich ihn seinen Haaren festzukrallen und sie drückte ihren Körper gegen seinen, presste sich noch mehr an ihn, sofern es noch möglich war. Ihre Lippen trennten sich für keine Sekunde. Dieses Mädchen machte ihn wirklich wahnsinnig. Er seufzte, wanderte mit seinen Lippen ihren Hals herab. „Alter, sucht euch ein Zimmer.“ Sofort erstarrte beide. Maron hielt sich kichernd eine Hand vor das glühendrote Gesicht und Chiaki musste innerlich stöhnen als er Access auf seinem Kopf landen spürte. Fast hätte er die beiden vergessen. „Eure Freunde vermissen euch schon“, grinste Fin, die sich auf Maron’s Kopf abgesetzt hatte und eine Augenbraue hochzog. Maron blickte kichernd zu Chiaki auf. „Wir sollten zu den anderen zurückgehen“, sagte sie, worauf er entnervt seufzte und nickte. „Ich freu mich schon, wenn wir das zu Hause dann fortsetzen“, wisperte er ihr in einem verführerischen Ton ins Ohr. Mit rosaroten Wangen rollte sie mit den Augen, stand auf und zog ihn an der Hand mit hoch.   Damit gingen die beiden wieder zum Strand raus und fanden nach einigen Momenten auch direkt ihre Freunde. „Und? Habt ihr den armen Leuten da drin eine kostenlose Show geboten?“, fragte Touya, schenkte ihnen ein zweideutiges Grinsen und wackelte mit den Augenbrauen. Chiaki lachte und Maron schlug ihrem Kumpel auf dem Arm. „Oooh! Schau!“, kam es plötzlich von mehreren Mädchen im Hintergrund, die in Richtung Meer hinauszeigten. Neugierig drehten alle sich um. In der Ferne war ein Feuerwerk zu sehen. „Wow“, sagte Maron, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Chiaki legte ihr einen Arm um die Taille. Mittlerweile hatten fast alle Partygäste sich an den Strand versammelt und schauten dem Feuerwerk zu. Auf einmal hörte man, wie Miyako überrascht nach Luft schnappte. „Oh mein Gott!“ Verwundert drehte Maron sich in ihre Richtung um. Ihr fiel die Kinnlade herunter, als sie Yamato sah, der sich vor Miyako hingekniet hatte und einen Ring in der Hand hielt. Anscheinend hatte er schon die Fragen aller Fragen gestellt. Denn das nächste was man sah, war wie Miyako, beide Hände vor dem Mund haltend, heftig mit dem Kopf nickte. Er lächelte sie erleichtert und mit leuchtenden Augen an. Im nächsten Moment warf sie sich Yamato in die Arme und küsste ihn. Jubel und Applaus war von der Menge im Hintergrund zu hören. Nachdem beide sich voneinander gelöst haben, kam Maron auf sie zu gerannt, umarmte das frischverlobte Paar stürmisch. „Oh mein Gott! Herzlichen Glückwunsch!“ Ihr kamen selbst fast die Tränen, freute sich so sehr für ihre besten Freunde. Yamato grinste verlegen, während Miyako einfach nur vor Freude heulte. Unterdessen kamen auch Chiaki, Touya und Yusuke sowie ein paar andere, um den beiden zu gratulieren. „Deswegen bist du wohl zu spät gekommen“, klopfte Chiaki Yamato auf die Schulter, der zur Bestätigung nickte. Anscheinend hatte dieser diesen Moment genaustens geplant habt, hatte durch Kontakte seiner Eltern das Feuerwerk organisiert. Und diese Kontakte gehörten zufällig zu Yusuke’s Familie, der für ihn ein gutes Wort eingelegt hatte und mithalf. Das Feuerwerk ging nach wenigen Minuten zu Ende und damit ging die Party anschließend weiter. Es wurde ausgelassen getanzt und gefeiert. Unsichtbar für alle, außer Maron und Chiaki, tanzten und schwebten Fin und Access in ihrer menschengroßen Form über dem Wasser. Als es schließlich kurz vor Mitternacht war, blickte Maron mit einem traurigen Lächeln zu ihnen rüber. Chiaki folgte ihrem Blick mit einem bedauernden Gesichtsausdruck. „Tja...das heißt jetzt wohl Abschied nehmen“, kam Fin auf die beiden zugeschwebt und umarmte sie. „Keine Sorge, wir werden euch bestimmt irgendwann besuchen kommen.“ Maron wollte ihre Partnerin und Freundin zurückumarmen, aber das würde für Außenstehende merkwürdig aussehen. „Bleibt anständig und haltet euch von Problemen fern“, grinste Access mit erhobenem Finger. „Danke für alles“, sagte Maron, eine kleine Träne entkam ihr. „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.“ Keinen Moment später flogen die Engel winkend davon und waren verschwunden. Seufzend sah sie ihnen noch eine Weile nach. Sie spürte, wie Chiaki sie in seine Arme nahm und ihr einen Kuss auf den Kopf drückte. „Wir werden sie bestimmt wiedersehen“, sagte er, worauf Maron nickte. Im nächsten Augenblick kam eine angeheiterte Miyako auf ihre Freundin zugelaufen, hakte sich bei ihr ein und animierte sie dazu mit ihr zu tanzen. Lachend gesellte das Paar sich wieder zu ihren Freunden. *** Es war relativ spät, als sie von der Party nach Hause kehrten. „Oh Gott“, entkam es Maron, die sich mit dem Gesicht voraus plumsend aufs Bett fallen ließ. Chiaki zog ihr einen ihrer Schuhe, dann den anderen, ließ sie beide auf dem Boden fallen. Anschließend zog er ihr den Reißverschluss ihres Kleides herunter. Maron drehte sich auf dem Rücken, sah ihn verträumt blinzelnd an und wölbte ihren Oberkörper so, dass er ihr das Kleid abziehen konnte. Und dann sah er, was sie darunter trug. Ihre Brust war mit schwarzer Spitze bedeckt und dazu trug sie den passenden Slip, auch aus Spitze. Voller Ehrfurcht blickte er auf sie herab, könnte mit Freunde den Rest seines Lebens damit verbringen sie einfach nur anzusehen und zu bewundern. „Gefällt dir was du siehst?“, fragte sie, ihre Stimme sanft und die Augen geschlossen. „Nicht genug, um es an dir dran zu lassen“, grinste er, stieg aufs Bett und wollte ihr die Sachen herunterziehen, aber sie rührte sich nicht. „Maron?“ Keine Antwort. Leise konnte er ihren ruhigen, regelmäßigen Atem hören. Chiaki hüpfte etwas auf dem Bett, nur um sicherzugehen und -in der Tat- sie war tief und fest eingeschlafen. Mit einem schweren, jämmerlichen Seufzer stand er auf und zog ihr die Decke über den Körper. Er legte sich zu ihr dazu, küsste ihr die Wange und flüsterte: „Du bist gemein, Maron Kusakabe.“ Sie lächelte im Schlaf.     ---------------------------------- Noch ein Kapitel und dann wird der Vorhang gezogen :) Chapter 34: Aren’t We Forever? [Final] -------------------------------------- Chapter 34: Aren’t We Forever? [Final]   „Was denkst du? Hört sich eine Strandhochzeit romantisch an?“ Maron warf Miyako einen amüsierten Seitenblick zu. Gerade befanden sich die beiden Freundinnen bei Maron zu Hause, aßen Kuchen, tranken Kaffee und unterhielten sich über alle möglichen Themen. Besonders Miyako konnte selbst nach einer Woche nicht aufhören über den Antrag, die Verlobung und die baldige Hochzeit zu schwärmen. „Lass mich raten: du willst am Ende dort heiraten, wo Yamato dir auch den Antrag gemacht hat?“, entgegnete Maron schmunzelnd. Miyako kicherte augenzwinkernd. „Wäre doch was, oder nicht? Wir könnten den Club mieten und dem Anlass entsprechend aufpolieren“, sagte sie. „Ach, ich müsste mich nach einem Hochzeitsplaner erkundigen. Und einen Termin mit Yamato festlegen. Du bist hoffentlich meine Brautjungfer! Und-“ „Gott, Miyako!“ Maron legte ihr eine Hand vor dem Mund, unterbrach ihren Redefluss. „Entspann dich. Du hast alle Zeit der Welt ihn zu heiraten. Und ja, ich werde deine Brautjungfer.“ Miyako rollte mit den Augen. „Ich kann’s kaum erwarten ihn zu heiraten und Mrs. Minazuki zu werden. Wir sind schließlich schon sooo lange zusammen!“ Lachend lehnte Maron sich in ihr Sofa zurück, schüttelte amüsiert den Kopf. „Wann fliegt ihr nochmal nach Deutschland?“, fragte Miyako nach einigen Momenten, den Kopf zu Maron gewandt. Sie und Chiaki hatten in den Semesterferien geplant ihre Eltern zu besuchen. „Montag. Sie freuen sich schon auf uns“, antwortete sie ihr. „Ein paar Tage würden wir bei ihnen bleiben und dann wollen wir ein wenig durch Europa reisen.“ Maron musste verträumt grinsen, stellte sich mit Chiaki in Paris vor und sah sich unter dem Eifelturm küssen. Oder mit einer Gondel durch Venedig fahren. Oder durch ein Beet voller Tulpen in den Niederlanden spazieren. „Klingt auch ziemlich cool“, entgegnete Miyako ebenfalls verträumt grinsend. Auf einmal klopfte es an der Tür. „Hmm... wer das wohl sein mag?“, wunderte Maron sich, als sie aufstand, zur Tür ging und sie öffnete. Überrascht verzog sie etwas das Gesicht, als sie Kagura vor sich stehen sah. „Kagura. Kann ich was für dich tun?“ „Ich würde Sie gerne darum bitten mir zu folgen“, sagte er in seiner üblich respektvollen Art. Maron hatte es lange aufgegeben ihn dazu zu bringen sie zu duzen. „W-Wieso? Ist was mit Chiaki?“, fragte sie perplex. Kagura schüttelte mit einem freundlichen Lächeln nur den Kopf. „Hmmm“, kam es von Miyako amüsiert, „Ich wette, dein Freund hat irgendwas ausgeheckt. Naja, es wird sowieso Zeit für mich nach Hause zu gehen.“ Mit den Worten verabschiedete sie sich und ging winkend in ihre Wohnung. Maron sah ihr winkend nach und wandte sich anschließend zu Kagura. Sie gingen aus dem Orleans und er öffnete ihr höflich die hintere Autotür seines Wagens. „Wo fahren wir hin?“, fragte sie, nachdem er den Motor angeschaltet hatte und losfuhr. „Mir wurde angewiesen zu jeder Frage einfach zu sagen, dass Sie sich überraschen lassen sollen“, antwortete Kagura mit einem Schmunzeln, worauf Maron seufzend mit den Augen rollte. Die Irritation wuchs noch mehr als sie bei Chiaki’s Wohnkomplex angekommen waren und sie Kagura in dessen Wohnung folgte. Maron blickte sich überall um, aber nichts deutete darauf hin, dass Chiaki da war. „Das ist für Sie“, sagte Kagura, als er im Wohnbereich stehen blieb und ihr einen Kleidersack, welches an der Garderobe hing, überreichte. „Sie können es sich aussuchen, ob Sie es tragen wollen. Nichtsdestotrotz gehört es Ihnen.“ Verwundert beäugte Maron den Kleidersack. „Sie können sich den Inhalt oben gerne anschauen. Ich werde hier unten auf Sie warten.“ „Oh. Okay.“ Ihr Herz begann zu flattern, als sie zum Obergeschoss hochsah. „Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?“ „Nein, danke.“ „Okay. Wenn Sie irgendwas bräuchten, geben Sie mir bitte Bescheid.“ Nickend ging Maron die Treppen hoch und steuerte direkt aufs Schlafzimmer zu. Auf dem Bett legt sie den Kleidersack ab und öffnete es. Ein gold-gelbes Kleid stach heraus und als sie es aus dem Sack rausnahm, fühlte sich der Stoff unter ihren Fingern wie weiches Wasser an. Es sah sehr hochwertig aus – war es garantiert auch. Maron traute sich fast nicht dieses Gewand anzuziehen. Sie schlüpfte in das schulterfreie Kleid und betrachtete sich im Spiegel. Es war wie als würde sie die Sonne tragen. Die Farbe brachte ihre Haut ideal zur Geltung. Das Kleid umhüllte sanft jedes ihrer Kurven. Maron konnte spüren, wie ihre Haut sich erhitzte und sah, wie ihre Wangen rosarot wurden. Sie wandte sich vom Spiegel ab und sah neben dem Bett einen Schuhkarton. Darin befanden sich schöne, flache Sandalen, die zum Kleid passten. Nachdem sie die Schuhe angezogen hatte, fiel ihr noch eine kleine, schwarze Box aus Samt auf dem Nachttisch auf. Eine Schmuckschatulle. Darauf lag ein cremefarbener Umschlag. Mit Herzklopfen öffnete Maron ihn und entfaltete vorsichtig den Zettel darin. Ihr Atem stockte etwas, als sie Chiaki’s handgeschriebenen Worte las. Das gehörte meiner Mutter, aber es ist für dich bestimmt. Ihr Plus flatterte unter ihrer Haut und ihr Herz schlug lautstark gegen ihre Rippen, als sie den Zettel beiseitelegte und in die Schatulle reinschaute. Die Kette darin setzte sich aus einem großen Juwel zusammen, welches die leuchtendschöne Farbe vom Sonnenuntergang hatte. Hunderte von kleinen Edelsteinen waren um rum verziert. Für einige Sekunden starrte Maron das Schmuckstück sprachlos an. Sie blickte zur Tür. Teilweise hatte sie erwartet, dass Chiaki auftauchen und ihr es um den Hals binden würde. Aber da er nicht da war, legte sie es sich selbst um. Die Kette fühlte sich schwer, aber auch richtig um ihren Hals an. Sie band sich die Haare zu einem losen Knoten und verließ schließlich den Raum.   Gespannt blickte Maron aus dem Fenster, sah ihrer Umgebung dabei zu, wie sie an ihr vorbeifuhr. Seit einigen Minuten ließ sie sich von Kagura durch die Stadt fahren, hatte immer noch keinen blassen Schimmer, wohin es gehen könnte und was Chiaki vorhatte. Plötzlich hielt er am Strand an und öffnete ihr die Tür. Sie stieg aus und wartete darauf, dass er ihr den Weg zeigen würde. Allerdings stand Kagura jetzt einfach nur da und nickte mit dem Kopf in Richtung Strand. Okay, dann bin ich wohl jetzt auf mich allein gestellt, dachte Maron sich, verdrehte stumm ihre Augen. Sie nahm den Rock in beide Hände, wollte auf keinen Fall, dass das Kleid in irgendeiner Weise ruiniert wird und ging los. Es war erstaunlich ruhig am Strand. Und die Sonne fing gerade an unter zu gehen, färbte den Himmel in denselben Farben, wie die ihres Kleides. Es war wunderschön. Der Wind hatte ihre Haare gelöst, welches lose, in dunklen Wellen über ihre Schultern fiel. Einige Meter lief Maron das Ufer entlang, hatte zwischendurch sich die Schuhe ausgezogen und wunderte sich wohin sie lief. Sie brauchte sich nicht lange zu wundern, denn sie fand kleine Fackeln, die im sandigen Boden befestigt waren und ihr den Weg wiesen. Sie folgte ihnen bis sie schließlich die Strandhütte von damals erblickte. Auch diese war mit Lichtern dekoriert. Und da sah sie auch ihn. Chiaki stand in einem schwarzen, enganliegenden Anzug vor ihr, sah nicht nur verdammt gut darin aus, sondern auch wie wandelnder Sex. Maron ließ den Rock ihres Kleides und ihre Schuhe zu Boden fallen, zusammen mit ihrer Kinnlade sowie jegliche Gedanken, die soeben noch in ihrem Kopf geschwirrt waren. *** Wartend fuhr Chiaki sich durch die Haare. Kagura müsste Maron schon längst zum Strand gefahren haben. Es war nur eine Frage von Minuten bis sie hier war. Er erwartete nicht, dass sie das Kleid tragen wird, welches er für sie anfertigen ließ. Es wäre in Ordnung gewesen, wenn sie es einfach verworfen hätte und in irgendeiner Jeans- und T-Shirt-Kombination zu ihm gekommen wäre. Für ihn war sie so und so umwerfend. Einfach nur perfekt und wunderschön. Und allein, dass sie kommen würde, hätte ihn mehr als glücklich gestimmt. Als sie schließlich kam, hätte man sie für eine mystische Erscheinung halten können. Ein Engel, die in Gold gebadet war. Mit Freude würde er sich von diesem Engel entführen und von dieser Welt fortbringen lassen. Maron lief auf ihn zu und fasziniert beobachtete Chiaki sie dabei, bis sie schließlich vor ihm stand. Die tiefstehende Sonne schien hinter ihr, spiegelte sich im Meer. Mit halboffenen Lippen blickte sie ihn schweigend an, sagte kein Wort oder brachte irgendeine freche Bemerkung entgegen. Und alles was er zustande brachte, war das Offensichtlichste: „Du bist hier.“ Er war völlig verzaubert von ihr, kam sich wie ein kompletter Vollidiot vor. Sie erwiderte nichts. „Maron?“ Für gewöhnlich war Maron wie ein offenes Buch, trug jedes ihrer Gefühle auf ihrem Gesicht. Aber jetzt? Kein Lächeln, kein Fünkchen von Belustigung, Glück oder Irritation. „Soll ich mir Sorgen machen?“, fragte Chiaki vorsichtig. Maron schüttelte den Kopf, ihre Augen musterten ihn. Nun musste er innerlich Lächeln. Er ging einen Schritt zurück und betrachtete sie auf derselben Weise. „Gut siehst du aus.“ Seine Worte lösten sie von ihrer Starre und ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Nun strahlte sie ihn mit ihren Augen an. „Du auch“, sagte sie mit ihrer engelsgleichen Stimme. „Du wolltest mich mal in Anzug sehen“, zuckte er lässig mit den Schultern. „Ich erfülle dir nur all deine Fantasien.“ „Eigentlich...“, entgegnete sie schmunzelnd, „Warst du derjenige, der von Fantasien gesprochen hat.“ Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Seinem Mädchen entging nichts. „Hmm. Da hast du vielleicht Recht“, sagte er, tat so als würde er nachdenken. Ihr Lächeln wurde breiter, verschmitzter und unwiderstehlicher. „Ich habe Recht.“ Ein Wind wehte vorbei, spielte verführerisch mit ihren Haaren. „Gefällt’s dir?“, fragte er, hielt den Kragen seines Jacketts hoch. Sie nickte. „Gut. Dann wird sich Tanaka freuen.“ „Tanaka?“ „Der Schneider, an den ich mich bisher nur selten gewendet habe. Er war völlig begeistert gewesen als ich anrief. Auch wenn er alles stehen und liegen gelassen hatte, um diesen Anzug in zwei Wochen anzufertigen“, erzählte er unbeschwert, wollte einfach nur reden, um nicht wie ein Idiot sie die ganze Zeit nur anzustarren. Sie war wie die Sonne - nahezu zu umwerfend, um sie direkt anzusehen und gleichzeitig war es unmöglich von ihr wegzusehen. Als ob er überhaupt jemals seinen Blick von ihr abwenden konnte. „Klingt teuer“, merkte Maron an. „Fünfzig Riesen, aber für den Ausdruck auf deinem Gesicht hätte ich auch hundert bezahlt.“ Chiaki hielt ihr eine Hand entgegen. „Wollen wir?“ Sie nahm seine Hand und er führte sie zu der Hütte, welche umgeben war von kleinen Fackeln. Die Sonne war inzwischen fast weg. „Das hätte ich damals zu deinem Geburtstag geplant“, offenbarte er, „Das hier -dieses Date- wäre dein Geschenk gewesen.“ Man konnte hören, wie ihr fast der Atem hängen blieb. Er drehte sich zu ihr um, ging einen Schritt auf sie zu. Seine Finger strichen ihr über den Nacken, wanderten die Kette entlang. „Und das“, sagte er, seine Augen folgten seinen Händen auf ihrer Haut. Sein Blick war anschließend auf ihren perfekt roten Lippen geheftet. Er nahm sanft ihr Kinn in seine Hand, fuhr mit den Daumen über ihre Unterlippe. Ihre Augen zogen ihn förmlich in den Bann. Er lehnte sich zu ihr nach vorne. „Und das“, wisperte er, seine Lippen nur Millimeter von ihren entfernt, wartete darauf, dass sie reagierte. Sie überwand die Distanz zwischen ihnen, berührte seine Lippen mit ihren und küsste ihn innig. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, worauf er seine Arme um sie legt. „Es ist unglaublich. Wundervoll… einfach traumhaft. Danke“, sagte sie gerührt und küsste sie erneut. „Außerdem war es ja damals nicht soo weit gefehlt gewesen“, lächelte sie gegen seine Lippen, „Mit Strand und einer Hütte.“ Ein raues Kichern entkam ihm. „Nun… da genau diese Hütte hier einen gewissen sentimentalen Wert hat, habe ich die uns gekauft.“ Maron starre ihn mit großen Augen und offenen Mund ungläubig an. „Oh mein Gott!“ Anschließend lachte sie fassungslos und begeistert zugleich auf, war sichtlich sprachlos. „Hmm-Mhm“, grinste Chiaki schief und küsste sie liebevoll. Sie erwiderte den Kuss und verlor sich direkt in ihn. Ihr Körper drückte sich automatisch gegen seinen. Seine Hände fanden sich auf ihrem Rücken wieder, während sie ihre Arme um seinen Nacken legte. Ohne ihre Lippen voneinander zu trennen, begaben sie sich ins Innere der Hütte. Eigentlich hatte er noch ein Essen geplant, aber gerade war er mehr hungrig nach ihr als nach irgendwas anderem. Und er konnte spüren, dass es ihr nicht anders ging. „Ich hoffe, du hast letzte Nacht genug Schlaf bekommen“, sagte er, worauf sie belustigt auflachte. „Ich habe mich auf eine schlaflose Nacht eingestellt“, entgegnete sie und versiegelte ihre Lippen wieder miteinander. Ihre Hände strichen ihm über die Schultern und schoben ihm das Jackett herunter. Er warf es achtlos zu Boden. Mit wenigen Handgriffen hatte er ihr das Kleid entledigt, sodass sie nur noch in ihrer Unterwäsche dastand und die Kette um den Hals hatte. „Du bist so wunderschön“, wisperte er, blickte sie ehrfürchtig an. Ihre Wangen wurden noch roter als sie schon waren und sie küsste ihn gierig. Immer und immer wieder trafen ihre Lippen aufeinander. „Du hast noch zu viel an“, flüsterte sie atemlos, begann ihm das Hemd aufzuknöpfen. „Nicht mehr lange“, entgegnete er mit tiefer Stimme, nahm ihre Handgelenke und drückte sie gegen die nächstliegende Wand. Überrascht keuchte sie auf, worauf er ihren Hals zu liebkosen begann und seinen Körper gegen ihren presste. Seine Hände strichen ihre Konturen entlang, was ihre eine angenehme Gänsehaut verursachte. Seine Berührungen waren wie Feuer. Schließlich verweilten seine Hände auf ihrer Brust, strichen ihr über die nackte Haut. Ihre Finger krallten sich an seinen Haaren fest. Nach einer Weile wanderte er unter Küssen ihren Hals wieder nach oben und nahm ihre roten Lippen in seine. Ihre Küsse wurden von Mal zu Mal leidenschaftlicher, heißer und fordernder. Ihre Zungen tanzten und spielten miteinander. Immer wieder hörte er Maron genüsslich aufseufzen. Was ihn noch mehr erregte. Mit einem Ruck nahm er sie hoch, schlang ihre Beine um seine Hüfte und trug sie Richtung Bett. *** Nach einigen Stunden lag Maron in Chiaki’s Arme, eingewickelt in einer Decke und sah der Sonne dabei zu, wie sie durch die Dämmerung brach. Das dunkle Meer begann golden zu glänzen. „Worüber denkst du nach?“, sprach er mit rauer Stimme in ihr Ohr, strich ihr nebenbei mit den Fingern über den nackten Oberarm. „Nur darüber wie aus dem Häuschen Miyako wegen der Verlobung immer noch ist. Sie und Yamato werden heiraten und, naja, ich freu mich einfach so für sie“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln und lehnte sich an seine Brust an, „Sie sind so glücklich und ich denke mir, eines Tages... können wir auch so glücklich werden.“ Er drückte ihr einen Kuss auf den Kopf. „Klar, werden wir das.“ Seine Zuversicht bereitete ihr ein beruhigendes, warmes Gefühl im ganzen Körper aus. „Sicher?“, hackte sie dennoch nach, lächelte ihn verspielt an. „Eines Tages den Bund fürs Leben mit mir zu schließen? Sowas gilt für immer.“ Leise kichernd sah Maron zu ihm auf. Chiaki zog mit einer gewissen Ernsthaftigkeit eine Augenbraue hoch. „Sind wir nicht für immer?“ Sie blickten sich tief in die Augen, ehe Maron sich ganz zu ihm drehte, ihre Arme um seinen Nacken legte und ihn küsste. „Natürlich“, entgegnete sie lächelnd, „Heute. Morgen. Für Immer“, hauchte sie. Er lächelte ebenfalls, umfasste ihren Hinterkopf und verteilte kleine Küsse auf ihrem Gesicht, ehe er sanft ihren Mund küsste. „Ich liebe dich so sehr. Heute. Morgen. Für immer“, hauchte er gegen ihre Lippen. „Und wenn ich für tausend Jahre leben würde, würde ich für alle die Jahre dir gehören. Wenn ich tausende Leben würde, würde ich dich in jedem Leben mein machen.“ „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie. „Ich bin dein und du bist mein. Mein Herz ist dein und dein Herz ist auch mein Herz. Ohne dich könnte ich gar nicht leben.“ Ohne den Blickkontakt abzubrechen, legte sie ihm eine Hand auf die Brust, direkt über seinem Herz. Eine dünne, kaum bemerkbare Narbe war darauf zu sehen. Ein Überbleibsel seiner tödlichen Wunde. Es war ungewöhnlich, dass überhaupt eine Narbe zurückblieb. Aber sie war die einzige Erinnerung, die ihnen von ihrem alten Leben übrig blieb. Selbst nach Wochen, Monaten konnten sie manchmal immer noch nicht glauben, dass genau dieses Leben vorbei war. Sie waren frei. Frei von Dämonen. Frei vom Kaito-dasein. Frei von jeglichen Lasten, die dazugehörten. Nach Jahren können sie endlich das tun, worauf sie Lust haben. Können tun und machen, was auch immer sie wollen. Können endlich ein Leben ohne Angst leben. Sie können ohne Angst zusammen sein. Einander lieben, ohne den anderen wehzutun. Zusammen glücklich und alt werden. Und das für immer.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)