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Insanity Love

I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.
von

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Chapter 9: Close and Closer

Chapter 9: Close and Closer

 

„Würdest du mit mir ausgehen?“

Stark blinzelnd starrte Maron den Jungen ihr gegenüber an.

Passierte das wirklich?

Er war recht beliebt in seinem Jahrgang und viele Mädels in ihrer Klasse standen auch auf ihn. Er sah auch nicht schlecht aus, dass musste die 17-jährige zugeben. Besonders seine dunklen Augen hatten was Anziehendes, Magisches.

Und von allen Mädchen fragte er ausgerechnet sie aus? Dabei war sie ein Jahr unter ihm und er würde in wenigen Monaten seinen Schulabschluss machen.

Gelegentlich hatten sie miteinander geredet und bisher schien er auch ganz nett zu sein, verhielt sich nahezu wie ein Gentleman an ihrer Seite, schmeichelte sie mit Komplimenten.

Die Schülerin hatte nicht viel Ahnung von der Liebe, aber vielleicht stand ihr die große Liebe gegenüber?

Maron wusste nicht wie lange sie ihn anstarrte, bis sie ihm schließlich antwortete:

„Okay. Gerne gehe ich mit dir aus.“
 

***

Eine Woche war vergangen seit Maron und Chiaki ein Paar wurden.

Sie gingen es langsam an. Bis auf zärtliches Händchenhalten und ein gelegentlicher Kuss auf die Wange oder Stirn war bisher noch nicht.

Maron selbst war zu zurückhaltend, um die Initiative zu ergreifen, während Chiaki nichts ohne ihre Zustimmung überstürzen wollte. Überhaupt genoss der junge Student auch so einfach die Zeit und Zweisamkeit mit ihr, was ihn mehr als zufrieden stellte. Mit ihr an seiner Seite fühlte er sich im Gleichgewicht und das reichte ihm.

 

Eine Woche war vergangen seit ihre Engel verschwunden waren.

So oft die Beiden auch versuchten sie zu kontaktieren, so erhielten sie keine Antwort von ihren beflügelten Partnern.

Seit Tagen gab es auch keine weiteren Dämoneneinsätze mehr, was Maron recht war. Denn derzeit beschäftigten sie andere Dinge.

 

Eine Woche war vergangen seit sie den mysteriösen Umschlag mit den Fotos erhielt.

Fotos, die sie zu ihrem Schulabschluss, am ersten Uni-Tag, auf der Kostümparty sowie anderen Anlässen der letzten Wochen abbildeten. In vielen der Bilder war auch Chiaki zusehen. Wie sie zusammen mit Haru vor der Tierarztpraxis standen, beim Italiener im Restaurant saßen und viele mehr.

Eine gefühlte Ewigkeit starrte Maron fassungslos auf die Bilder, konnte sich nicht bewegen, nicht mal richtig atmen. Kalter Schweiß bracht ihr aus. Dass Fin immer noch zurückgekehrt war, entging ihr komplett.

Letztlich nahm Maron all ihren Willen zusammen, sammelte die Fotos auf und ging mit ihnen zu den Toudaijis. Es war schon spät in der Nacht gewesen, doch sie musste sofort mit Miyako und ihrem Vater reden.

„Maron…“, verschlafen öffnete ihre Freundin die Tür und gähnte, „Es ist fast zwei Uhr nachts… Was willst du hier? Was auch immer es ist, hat es nicht bis morgen Zeit?“

„Nein, hat es nicht.“, sagte die Angesprochene mit monotoner Stimme und hielt die Fotos sowie den Umschlag in die Höhe.

Miyako musste einige Male blinzeln bis sie realisierte, was ihre Freundin in der Hand hielt. Sofort ließ sie die Braunhaarige rein und weckte ihren Vater.

Maron erzählte dem Polizeiinspektor von ihrer Beobachtung im Restaurant sowohl auch von dem Verfolgungswahngefühl, den sie seit Wochen verspürte.

„Hört sich nach einem eindeutigen Fall von Stalking an.“, sagte Himuro Toudaiji ernst. „Keine Sorge, Maron. Ich werde mich mit meinen Kollegen darum kümmern. Aber solange keine eindeutigen Beweise vorliegen, dass er dahinter steckt, können wir auch nicht viel machen.“, fügte er bedauernd hinzu und nahm die Sachen an sich, um sie mit aufs Präsidium zu nehmen.

Betreten nickte die Studentin und zupfte unruhig an ihrem Oberteil herum.

„Wirst du Chiaki davon erzählen?“, fragte Miyako leise, nachdem ihr Vater ins Arbeitszimmer verschwunden war.

„Nein.“, antwortete ihr Maron. Überrascht sowie entsetzt weiteten sich Miyako’s Augen.

„Wieso nicht? Schließlich ist er auf den Bildern mit drauf! Er hat ein Recht davon zu erfahren!“

„Weil das meine Angelegenheit ist, Miyako! Mein Problem. Ich will ihn damit nicht belasten.“, brachte Maron bestimmt entgegen. „Bitte versprich mir, dass du ihm nichts davon erzählst.“

Die Kurzhaarige zögerte stark, ehe sie der Bitte zustimmte: „O-Okay…“

Maron vergrub ihren Kopf in ihre Hände und schob sich die Haare nach hinten. Ihre Hände zitterten unkontrolliert.

„Was willst du nun machen?“, fragte Miyako besorgt und legte beruhigend eine Hand auf die ihrer besten Freundin.

„Keine Ahnung….“, gestand Maron kraftlos und schaute ihr in die Augen, „…Aber ich kann nicht zulassen, dass Hijiri einen von euch zu nahe kommt.“
 

***

„Ich habe heute Training, also musst du heute auch nicht auf mich warten.“

„Schade. Dann sehen wir uns morgen.“, sagte Hijiri und beugte sich zu Maron nach vorne. Diese drehte sich noch so um, dass seine Lippen ihre Wange erwischten. Dies reichte dem Oberschüler aber nicht, weshalb er mit einer schnellen Bewegung seiner Freundin noch einen Abschiedskuss auf den Mund drückte.

Mit einem Winken verschwand er schließlich vom Schulgelände. Maron winkte ihm kurz zurück, ehe sie sich zu Miyako gesellte, die vor dem Eingang der Turnhalle wartete.

Hijiri Shikaidou und Maron Kusakabe, das neuste Traumpaar der Momokuri Akademie. Viele ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen beneideten die Beiden füreinander.

Nun war es drei Monate her, seit er sie aus gefragt hatte.

Maron mochte ihn auch - zu mindestens für die ersten zwei Monate. Er war attraktiv und hatte gute Manieren. Jede Mutter wäre stolz darüber Hijiri als Schwiegersohn zu haben.

Und nun?

Die anfängliche Faszination für Hijiri war verschwunden und wurde mit einem dumpfen, leeren Gefühl ersetzt.

Maron war sich noch nicht mal sicher, ob sie ihn überhaupt noch richtig mochte.

„Ich kann nicht verstehen, was du und die anderen Mädels an ihm so toll findet.“ Miyako’s meckernde Stimme riss sie aus den Gedanken. „Für mich wirkt der Typ einfach nur gekünstelt. Seine Anwesenheit allein verursacht mir schon eine Gänsehaut im Nacken.“

„Du und dein komischer Polizeiinstinkt.“, murmelte Maron.

„Glaub mir, ich habe ein Gespür für zwielichtige Charaktere wie ihn.“, sagte Miyako misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust. 

„Du weißt, dass er einen Namen hat und du ihn auch so nennen kannst.“

„Und du weißt, dass ich ihn nicht mag.“, kam es zurück.

Daraufhin seufzte Maron nur und machte sich für das Rhythmische Gymnastik Training bereit. Dass ihre beste Freundin Hijiri nicht ausstehen konnte, hatte sich schon früh bemerkbar gemacht. Insbesondere als das junge Paar zusammen kam und die Polizeitochter die beiden mit einem kritischen, ungläubigen Blick beäugte.

Ihre Abneigung gegenüber Hijiri ließ Miyako auch in dem Sinne spüren, dass sie ihn nie bei Namen nannte, sondern immer nur Pronomen oder sonstige Umschreibungen benutzte.

Die Kamikaze-Diebin akzeptierte die Meinung ihre Freundin mit einem Schulterzucken. Letztlich konnte sie niemanden dazu zwingen, jemanden zu mögen.

„Mal unter Frauen gesagt… Weißt du, was mir aufgefallen ist?“, sagte Miyako, während sie sich dehnte.

„Was denn?“, fragte Maron verwundert und übte schon mit einem Gymnastikball.

„Dass du ihn nicht küsst.“

Vor Überraschung ließ Maron den Ball fallen und schnellte ihren Kopf in Miyako’s Richtung.

„Ha? Wonach sah das eben für dich dann aus, Miyako?“, brachte sie irritiert entgegen und hob das runde Objekt wieder auf.

Die Kurzhaarige seufzte augenverdrehend bevor sie sagte: „Mir ist klar, wonach das vorhin aussah. Was ich allerdings meinte war, dass du ihn nie von dich aus küsst. Eher lässt du dich einfach von ihm küssen. Und so wie du immer guckst, kann ich nicht sagen, ob es dir gefällt.“

Maron krauste die Stirn und verzog ein beleidigtes Gesicht.

„Vielleicht ergreife ich ja die Initiative, wenn wir allein sind? Und vielleicht küsse ich ihn gerne?“

Miyako entkam bei der Ansage ein kurzes, ungläubiges Lachen.

„Bitte, Maron! Das glaubst du wohl selbst nicht. Auf jeden Fall wollte ich das gesagt haben, sonst wäre ich nicht deine beste Freundin.“

Damit holte sie ein Gymnastikband und begann mit ihrem Training.

Maron schaute ihrer Freundin mit einem ausdruckslosen Blick einige Sekunden zu, bis sie selbst ihr Training wieder fortführte.
 

***

„Alles okay?“

Chiaki’s sanfte Stimme warf Maron zurück in die Gegenwart. Wie ertappt zuckte sie am ganzen Körper zusammen. Sie hatte noch nicht mal mitbekommen, dass sie in Gedanken und Erinnerungen versunken war. 

„Ehm…Ja! Wieso fragst du?“, sagte Maron mit einem gezwungenen Lächeln und sortierte ihre Unterlagen und Bücher.

Es war Samstag.

Sie und Chiaki hatten sich bei ihr zu Hause verabredet, damit er am Feinschliff ihrer Hausarbeit helfen konnte, welches sie in der kommende Woche abgeben musste.

Ihr Freund verengte ungläubig die Augen.

„Irgendetwas beschäftigt dich. Du wirkst geistesabwesend und gestresst.“, sagte er besorgt. Seit einer Woche entging es ihm nicht, dass seine Freundin sich mehr als merkwürdig benahm. Dass sie sich mit einem verstörten Blick auffällig oft in allen Richtungen umdrehte, total unkonzentriert und angespannt war.

Nur an manchen Augenblicken konnte Maron sich in Chiaki’s Anwesenheit etwas entspannen, doch das minderte seine Sorgen nicht.

„Ja. Uni stresst mich und ich muss mir gedanklich einen Plan machen, wann ich was mit Lernen anfange.“, sagte sie und stapelte ihre Papiere auf dem Tisch zusammen. „Schließlich sind bald Prüfungen.“, vollendete sie, darauf hoffend, so überzeugend wie möglich geklungen zu haben.

Chiaki wirkte nicht ganz überzeugt.

„Mag zwar sein, aber-…“

„Mir geht’s gut, Chiaki!“ Ohne dass Maron es merkte, verkrampften sich ihre dünnen Hände um den Papierstapel, sodass ihre Knöchel weiß hervorstachen.

Mit einem unschlüssigen Ausdruck musterte Chiaki sie stumm.

Sie war blasser als sonst, dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren braunen Augen ab und die langen Haare fielen ihr glanzlos und ohne Volumen herunter. So ein Zustand kann nicht von einfachem Unistress kommen.

Seufzend reichte Chiaki über den Tisch nach ihrer Hand, löste ihren angespannten Griff und ließ sie sachte auf seine ruhen.

Er spürte, wie Maron sich etwas entspannte. Mit einem warmen Lächeln umschloss Chiaki vorsichtig ihre Hand und fuhr kreisende Bewegungen mit seinem Daumen über ihren Handrücken.

„Was auch immer es ist…Denk daran, dass ich für dich da bin.“, sprach er eindringlich auf sie ein. Diese senkte schuldig ihre Augen zu Boden und biss sich unsicher auf die Lippe.

„Okay...“, sagte sie schließlich.

Chiaki beugte sich über den Tisch und drückte der Braunhaarigen einen Kuss auf die Stirn.

In Maron fand ein reiner Gewissenskonflikt statt. Tief in ihrem Inneren wollte sie Chiaki doch alles erzählen. Dass ihr Ex-Freund sie womöglich stalkte und -Gott weißt wo- ihr irgendwo auflauerte. Doch sie konnte es nicht. Sie konnte es ihm nicht sagen.

Ein Klopfen an der Tür ließ das Paar zusammenfahren.

Yamato und Miyako standen vor der Tür. 

„Hey, ich wollte euch fragen, ob ihr Lust habt mit uns in den Freizeitpark zu gehen. Touya und Yusuke haben wir auch eingeladen.“, fragte Yamato und hielt Freizeitpark-Tickets in die Höhe. „Meine Eltern haben die mir geschenkt.“

„Als Ablenkung zum Unistress.“, fügte Miyako hinzu und gab Maron einen vielsagenden Blick.

Chiaki drehte sich ebenfalls zu ihr um. „Ich hätte nichts dagegen.“, sagte er schulterzuckend.

Drei Paar Augen schauten die sie erwartungsvoll an. Maron musste schwer schlucken.

„Okay, ich denke du hast Recht, Miyako.“, sagte sie mit einem künstlichen Lächeln.

 

Vor dem Eingang des Freizeitparkes fanden die vier Freunde Touya bereits wartend vor.

Die Mädchen begrüßten ihn mit einer freundschaftlichen Umarmung, während Yamato ihm einen einfachen Handschlag gab.

„Kirishima.“, begrüßte Chiaki den Rothaarigen und neigte leicht den Kopf.

„Nagoya.“, nickte Touya trocken zurück.

Maron rollte mit den Augen.

Noch immer war ihr tätowierter Kommilitone skeptisch gegenüber Chiaki. War fest davon überzeugt, dass er ihr das Herz brechen würde und zweifelte, dass die Beziehung was wahrhaftig Ernsthaftes sei.

Maron nahm seine Zweifel und Bedenken mit einem Schulterzucken hin.

„Wo ist den Yusuke?“, fragte sie als ihr auffiel, dass Touya alleine war.

„Er hat heute ein wichtiges Familientreffen, weshalb er nicht mitkommen konnte.“, antwortete er ihr und trat einen Kieselstein beiseite.

„Ah…“ Mehr wollte die Diebin auch nicht mehr wissen.

„Komm lass uns rein gehen, oder wollt ihr draußen Wurzeln schlagen?“, rief Miyako, die schon ihr Ticket einlöste.

„Wir kommen schon!“, rief Touya zurück und lief bereits vor.

Maron spürte, wie Chiaki sachte einen Arm um ihre Taille legte. Die Geste gab ihr ein warmes, sicheres Gefühl, was nur er schaffte.

Mit großen Augen schaute sie zu ihm hoch. Chiaki lächelte sanft auf sie herab und nickte mit dem Kopf Richtung Eingang. Maron schloss kurz ihre Augen, nahm tief Luft und lächelte ebenfalls. Diesmal ungezwungen. Zusammen begaben sich die Medizinstudenten in den Freizeitpark rein.

Es wird schon nichts passieren…!, dachte Maron sich ermutigend und warf ihre negativen Empfunden für die nächsten Stunden weg.

 

Zu ihrer eigenen Überraschung waren all ihre Sorgen wirklich wie vergessen und sie konnte nach Tagen wieder aus vollem Herzen lachen und spaßen. Sie und ihre Freunde machten eine Attraktion nach der anderen mit. Angefangen von Autoscootern bis zu schwindelerregenden Achterbahnen.

„Lass uns als nächstes durch das Spiegellabyrinth gehen!“, rief Maron den anderen erfreut zu und deutete mit dem Finger auf das nächste Ziel.

„Yamato und ich wollten aber jetzt in den Riesenrad. Da ist gerade keine Schlange.“, wendete Miyako ein, die in dem Arm ihres Freundes eingehakt war.

„Riesenrad ist doch stinklangweilig.“, entgegnete Maron und stemmte die Hände an die Hüfte.

„Ich wollte mir jetzt eigentlich was zu essen holen.“, sagte Touya mit erhobener Hand. „Hab nämlich Hunger.“

„Dann gehe ich mit Maron durch das Labyrinth, ihr macht was auch immer ihr machen wollt und wir treffen uns dann alle in ein paar Minuten hier an dieser Bank.“, schlug Chiaki diplomatisch vor, worauf alle zustimmend nickten.

„Okay, dann bis gleich.“, winkte Yamato und ging mit Miyako Richtung Riesenrad. Touya war ebenfalls schon in der Menschenmenge verschwunden.

Währenddessen standen Chiaki und Maron vor dem Labyrinth.

„Schau. Auf dem Schild steht, die Durchschnittszeit um rauszufinden sei fünfzehn Minuten.“, las Maron vor. Mit einem herausfordernden Lächeln sah sie zu ihrem Freund auf. „Lass uns ein Wettrennen machen.“

Chiaki zog amüsiert eine Braue hoch. „Wer von uns beiden schneller draußen ist?“

„Ja.“

Bevor er noch was sagen konnte, war seine Freundin schon reingerannt. Der Blauhaarige stand noch eine kurze Weile vor dem Eingang und lachte leise in sich hinein. Süß…, dachte Chiaki sich und ging anschließend ebenfalls rein.

In der Zwischenzeit lief Maron schon durch den durchspiegelten Irrgarten umher. Die Wände waren bis zu zwei Meter hoch und die Gänge waren in alle Richtungen geschickt durchwinkelt und verzweigt. Dadurch dass es sich bei den Wänden um Spiegeln handelte, bekam das Labyrinth einen erhöhten Schwierigkeitsfaktor. So kam es nicht selten vor, dass die Studentin sich vor einer Sackgasse wiederfand. Ab und an kamen ihr verwirrte Besucher entgegen gelaufen.

Als Maron an einem versteckten -dennoch beschilderten- Notausfang vorbeilief, stand sie wieder vor einer Sackgasse. Frustriert schnaufte sie aus. Es wunderte sie, dass Chiaki ihr noch nicht entgegen kam. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie schon länger als zehn Minuten umherirrte. 

Ob er schon rausgeschafft hat?, ging es ihr durch den Kopf, während sie sich kurz im Spiegel betrachtete und die Haare richtete.

Plötzlich öffnete sich hinter ihr die verspiegelte Tür des Notausganges und eine Person kam hindurch.

Ehe Maron reagieren konnte, wurde ihr ein Tuch vor das Gesicht gehalten und der süßliche Geruch von Chloroform benebelte ihre Sinne.

Das Letzte was sie sah, waren lange rote Haare, dunkle Augen und ein gehässiges Grinsen im Spiegel.

Dann wurde alles schwarz.
 

***

„Du gehst nach Frankreich?“, fragte Maron Hijiri überrascht während sie in der Schulcafeteria Mittag aßen. Sein Abschluss stand in wenigen Tagen an und soeben hatte er ihr seine Pläne erläutert.

„Ja, fürs Studium. Ich habe gestern eine Zusage bekommen und Tickets sind auch schon gebucht.“

„Was? Und wieso erfahre ich erst jetzt davon?“, brachte Maron noch überraschter entgegen und hob eine Augenbraue.

„Tut mir leid. Ich habe selbst noch nicht einmal erwartet, dass ich angenommen werde. Deshalb habe ich noch nichts gesagt. Nicht dass wir uns am Ende alle falsche Hoffnungen gemacht hätten.“, erklärte Hijiri mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck.

„Okay… Und was wirst du dort studieren?“

„Europäische mittelalterliche Geschichte.“

„Ah… natürlich.“, nickte Maron mit dem Kopf und widmete sich wieder ihrer Bentobox. Hijiri hatte schon immer ein außergewöhnliches Interesse an Geschichte, was sie persönlich nicht nachvollziehen konnte. Sie konnte es sich nicht vorstellen stundenlang sich mit trockenen Theorien alter Zeiten zu beschäftigen und vor staubigen, alten Dokumenten und Schriften zu sitzen.

„Und was denkst du?“, fragte er.

„Über was?“, fragte sie zurück.

„Wie es mit uns weitergeht.“

„Oh… Naja, wird doch auf eine Fernbeziehung hinausgehen, oder nicht? Und du wirst an den Feiertagen bestimmt zu Besuch kommen.“ Maron wusste nicht, wieso sie das sagte. Hinsichtlich den neusten Umständen würde sie die Beziehung lieber beenden wollen. Allein unter dem Vorwand das er wegging.

Hijiri schüttelte den Kopf und sagte: „Ich werde wahrscheinlich nicht das Geld haben, um für einen Besuch nach Japan zurückfliegen.“

„Werden deine Eltern dir kein Geld geben?“

„Doch, aber nur um das Studium finanzieren zu können. Die Studiengebühren haben es in sich.“

„Oh…“ Traurig stimmte sie das alles nicht.

„Wir sollten die letzten gemeinsamen Tage genießen, solange ich noch hier bin, findest du nicht?“, sagte Hijiri und legte eine Hand auf Maron’s. Seine dunklen Augen blickten eindringlich in ihre.

„Ja…Schätze schon.“, sagte Maron.

Mit einem Grinsen beugte Hijiri sich über den Tisch und drückte ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. Maron zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln.

Ein unangenehmes Gefühl kam ihr hoch, welches sie nicht zuordnen konnte.
 

***

Chiaki brauchte keine fünfzehn Minuten bis er wieder draußen war. Zu seiner Verwunderung war Maron nirgends zu sehen. Er wartete noch einige Minuten, doch es kamen alle möglichen Menschen aus dem Labyrinth raus, bloß nicht seine hübsche, braunhaarige Freundin.

Ist sie vielleicht schon beim Treffpunkt?, fragte er sich und setzte sich in Bewegung.

Auf der Bank saß Touya, hielt eine halbleere Packung Tintenfischbällchen in der Hand und schlürfte an einer Soda.

„Hey, hast du Maron gesehen?“, fragte Chiaki ihn.

„Kann noch nicht mal auf seine Freundin aufpassen…“, murmelte Touya (laut genug sodass Chiaki es hören konnte), bevor er antwortete: „Nein. Sie war doch die ganze Zeit bei dir.“ Mit einem kritischen Blick schaute er zu dem Blauhaarigen auf und zog eine Augenbraue hoch.

Chiaki verdrehte die Augen und erklärte: „Wir hatten im Labyrinth ein Wettrennen veranstaltet und sie kam nicht raus. Da dachte ich, sie wäre schon längst draußen.“

Touya machte ein ahnungsloses Gesicht. „Ich sitze seit zwanzig Minuten hier und warte auf euch alle.“

„Verstehe…“ Eine steigende Unruhe breitete sich in Chiaki’s Inneren aus.

Er holte sein Handy aus der Hosentasche und versuchte Maron anzurufen. Kein Erfolg. Sofort wurde die Leitung weggedrückt. Er versuchte es erneut, erreichte jedoch dasselbe Ergebnis.

„Wo bist du?“, schrieb er anschließend als Nachricht. Er bezweifelte, dass etwas zurückkommen würde.

Zu seiner Überraschung blinkte das Display auf und eine Nachricht erschien:

„Mir ging es nicht gut. Bin schon nach Hause gegangen :)“

Chiaki zog die Augenbrauen zusammen. Ihr ging es doch gesundheitlich und körperlich gut, wieso sollte sie schon nach Hause gegangen sein? Und dass ohne ihn oder ihren Freunden? Oder ohne richtigen Abschied?

Wieso konnte sie seine Anrufe nicht annehmen, aber ihm zurückschreiben?

Alles an der Nachricht wirkte falsch und gekünstelt, selbst der Smiley. Chiaki mochte Emojis nicht.

Abgesehen davon, stimmte etwas so ganz und gar nicht. Das war ihm von Anfang an klar.

„Hey, wo ist Maron?“, hörte er Miyako sagen, die mit Yamato im Schlepptau auf ihn zugelaufen kam.

Mit einem ernsten Gesichtsausdruck drehte Chiaki sich zu der Kurzhaarigen um.

„Bitte, sag mir was los ist.“

„Was?“, fragte sie überrascht.

„Maron ist weg. Ich erreiche sie mit dem Handy nicht. Und ich bin mir sicher, ihr verschwinden hat irgendwas mit dem zu tun, was sie mir verschweigt.“, erklärte er ruhig. Inzwischen war Touya aufgestanden und blickte mit großen Augen zwischen beiden Mitstudenten hin und her. Auch Yamato machte einen alarmierenden Gesichtsausdruck.

„Maron ist verschwunden?“, flüsterte Miyako fassungslos, die Augen schockiert geweitet.

„Ja. Und ich bin mir sicher, dass du weißt worum es geht.“, sagte Chiaki.

Aufgewühlt biss sich Miyako auf die Unterlippe und hielt sich eine Hand vor das Gesicht.

„I-Ich habe ihr versprochen nichts zu sagen…“, setzte sie an.

„Aber….?“

„Aber lieber ein Versprechen brechen, als darauf zu warten, dass ein Irrer meine beste Freundin noch umbringt.“, vollendete die Politeitochter ernst und begann anschließend von den Fotos zu erzählen.

Nachdem sie fertig geredet hatte, raufte Chiaki sich verbittert durch die Haare.

„Das erklärt einiges.“

Er war wütend.

Allerdings war er nicht wütend darüber, dass Maron ihm nichts gesagt hat, sondern über sich selbst, dass er nicht bei ihr geblieben ist.

„Das Wichtigste ist jetzt herauszufinden, wo dieser Typ Maron verschleppt haben kann!“, kam es von Touya entsetzt.

„Ich werde vorerst meinem Vater Bescheid geben.“, sagte Miyako und zog ihr Handy raus.

Chiaki lief währenddessen nervös auf und ab.

Was konnte er nur tun?

Wäre Access hier, würde er ihn losschicken, um Maron zu suchen.

Er wusste nicht was er tun konnte und er hasste es.

Er hasste es, sich machtlos zu fühlen.

Sowie damals….

Auf einmal durchfuhr ihm ein stechender Schmerz durch den Kopf und er sah Bilder vor sich. Er sah Bilder von einem bunt leuchtenden Nachthimmel sowie den Ansatz eines Riesenrades aus einer bestimmten Entfernung, in einem bestimmten Winkel.

Der Freizeitpark…?

Verwirrt drehte der Dieb sich zur Seite und sah das Riesenrad direkt vor sich.

Aber wie…?

Die fremden Bilder begannen sich mit der Realität zu vermischen und er hörte Geräusche sowie Stimmen. Er hörte die distanzierte Freizeitparkmusik, eine Männerstimme sowie… Maron’s Stimme.

„Lässt die Wirkung etwa schon nach?“, fragte die Männerstimme.

„Nicht…!“, wisperte Maron schwach. Chiaki sah einen Arm. Er erkannte Maron’s Jackenärmel wieder.

Er realisierte, dass er alles aus ihren Augen sah. Sie versuchte jemanden von sich zu drücken. Dank der Lichter konnte er die Silhouette eines jungen Mannes erkennen.

Er verspürte das Gefühl von Angst in seinem ganzen Körper.

Ihre Angst.

Vermischt mit seiner.

Dann hörte die Vision auf.

Schmerzlich keuchte Chiaki auf und hielt sich den Kopf. 

„Hey, Chiaki! Alles okay?“, hörte er Yamato besorgt fragen. Zwei weitere Paar Augen waren auf ihn gerichtet. Ihm war nicht bewusst, dass er wie erstarrt dastand.

„Ja…mir geht es gut!“, sagte er, richtete sich wieder auf und ging los, „Ich weiß, wo Maron ist….Zu mindestens die Richtung in der sie sich befinden muss.“

Perplex liefen die anderen Drei ihm hinterher. „Irgendwo außerhalb des Geländes muss sie sein.“, sprach Chiaki weiter und deutete mit dem Finger in die gezielte Richtung.

„W-woher weißt du das?“, fragte Miyako irritiert.

„GPS.“, log er.

Ehe Chiaki sich versah, rannte er los.
 

***

Es war spät abends als es an der Tür der Kusakabes klingelte.

„Oh. Hey.“, brachte Maron überraschter als beabsichtig hervor, als sie Hijiri sah. 

„Hey.“, begrüßte er sie mit einem Lächeln.

„Was machst du hier? Du fliegst doch morgen.“, fragte die Schülerin verwundert.

„Ja, ich habe deine Nachricht gesehen, dass du mit mir reden wolltest.“, sagte Hijiri ruhig und hielt sein Handy mit der besagten Nachricht hoch. Sein Gegenüber biss sich auf die Lippe.

Die ganze Zeit schon wartete sie auf einen guten Moment mit ihm Schluss machen zu wollen und nun hat es sich bis zum letzten Tag hinausgezögert. Maron wusste auch nicht, wie sie sowas angehen sollte, schließlich hatte sie noch nie eine Beziehung beendet. Abgesehen von dem Fakt, dass dies ihre erste war.

„Ich, eh…meinte eigentlich damit, dass ich mit dir am Telefon reden wollte…“, sagte sie. „Ich wollte dich nicht stören, wenn du dich für die Reise bereit machst.“

„Nun, jetzt bin ich hier… Ich wollte dich sowieso noch ein letztes Mal sehen, bevor ich weg bin.“

Das war nicht das, was Maron geplant hatte. Aber vielleicht war ein persönliches Gespräch doch die humanere Methode.

„O-Okay. Komm doch rein.” Wie ihm geheißen, betrat er ihre Wohnung.

„Wo sind deine Eltern?“, fragte Hijiri, als er das Wohnzimmer betrat.

„Die sind auf einem Wochenendtrip und feiern gerade ihren Hochzeitstag.”, sagte Maron, setzte sich aufs Sofa hin und schaute aus dem Fenster raus. „Süß, wie verliebt sie nach so vielen Jahren Ehe noch sind…Sowas will ich auch mal erleben.“ Zu spät merkte sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte.

Hijiri setzte sich zu ihr dazu. „Ist das was wir haben etwa nicht so?“, fragte er eindringlich und legte einen Arm über ihre Schultern. Die Geste brachte Maron einen eiskalten Schauer über ihren Rücken.

„Ich… eh-...“ Doch ehe sie was sagen konnte, drückte Hijiri seine Lippen fest auf ihre. Überrascht riss die Braunhaarige ihre Augen auf und drückte ihn von sich.

„Was sollte das?!“, rief sie entsetzt aus.

Ihr Gegenüber schenkte ihr ein kaltes, unheimliches Lächeln. „Na was wohl! Ich will unseren letzten Abend aufs vollste genießen und ausnutzen.“

„Ich will aber nicht.“, funkelte Maron ihn an, ihre Stimme war heiser.

„Du willst nie, Maron.“, sagte Hijiri und sein Lächeln verschwand.

Die Angesprochene zuckte verängstigt zusammen und versuchte Abstand zwischen sich und ihm zu halten. Maron wusste, dass Hijiri eine obsessive, besitzergreifende Art hatte - doch das ging weitgehend über ihre Erwartungen hinaus.

Plötzlich drückte er sie auf das Sofa herunter und sie spürte seine Lippen an ihrem Hals.

Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Alles in ihr wollte schreien.

Würde schreien etwas nützen? Ob jemand sie hören würde?

Ihre Eltern werden nicht nach Hause kommen und Fin war noch auf Dämonensuche.

Verdammt…!, dachte sich Maron verbissen, ballte ihre Hand zu einer Faust und gab Hijiri einen kräftigen Schlag auf die Schläfe.

„Geh runter von mir!!“, schrie sie aufgebracht und versuchte sich aufzusetzen, doch er hielt sie fest und drückte sie wieder herunter.

Hijiri hielt sich eine Hand über die geschlagene Stelle und blickte leicht überrascht zu Maron herunter. In der nächsten Sekunde wurde sein Gesichtsausdruck fuchsteufelswild.

„Du! Miststück!“, zischte er wütend und schlug ihr mit dem Handrücken über das Gesicht. 

Ein Schmerzensschrei entkam Maron.

Im nächsten Augenblick spürte sie, wie Hijiri wieder seine Lippen auf ihre drückte. Seine rauen Hände wanderten unter ihren Klamotten. Die kalten Berührungen ließen Maron erschaudern.

„Bitte nicht…“, wisperte sie hilflos. Tränen standen ihr in den Augen. Als Antwort hörte sie nur ein kühles, diabolisches Lachen. Ihr Shirt wurde ihr über den Kopf hochgeschoben.

„Wehe du bewegst dich.“, kam es von Hijiri als Warnung, die Stimme dunkel und rau. 

Eine Hand war dabei ihre Leggins runterzuziehen, als plötzlich die Haustür aufging.

„Maron? Ich habe Geräusche gehört und die Tür war offe-…“

Mit schockiert großen Augen und offenen Mund stand Miyako in der Wohnung ihrer Freundin. Kaum hatte sie registriert, was für eine Szene sich vor ihr abspielte, ging sie stampfend auf Hijiri zu, gab ihm mit aller Kraft einen Kinnhaken, sodass er von Maron runtertaumelte.

„Halt dich gefälligst fern von ihr, du mieser Hurensohn!! Oder ich jag dich bis ans Ende der Welt!!“, schrie sie wutentbrannt und stellte sich zwischen ihm und Maron auf.

Zähneknirschend warf Hijiri beiden Frauen einen stechenden Blick zu, ehe er wortlos die Wohnung verließ.

Miyako stierte ihm noch eine Weile hinterher, bis sie ein Schluchzen hinter sich vernahm.

„Maron! Bist du verletzt?“, fragte sie besorgt und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter. Daraufhin warf sich die Braunhaarige in die Arme ihrer Freundin und weinte hemmungslos.

Im selben Moment kam Fin zurück und sah mit großen Augen verwirrt zu ihrem Schützling herunter.

Gleichzeitig näherten sich der Wohnung Schritte. 

„Was ist hier los?“, kam es von Himuro Toudaiji, der mit einem fassungslosen Ausdruck vor der Tür stand.

Seine Tochter ging nicht auf seine Frage ein und konzentrierte sich komplett auf Maron.

Strich ihr beruhigend über den Rücken und blieb die ganze Nacht an ihrer Seite.
 

***

„Ich habe noch eine Rechnung mit dir offen.“, hörte Maron Hijiri sagen. Seine Stimme war wie ein entferntes Echo. Ihr Kopf schmerzte und Schwindelgefühle überkamen sie.

Ihr Körper fühlte sich wie betäubt an.

Als sie merkt, wie grobe Hände an ihren Klamotten zerrten, schaffte sie es dessen Besitzer von sich zu drücken. Doch dann spürte Maron, wie sie hart zu Boden gedrückt wurde.

„Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir unsere Beziehung offiziell beendet haben. Kaum versehe ich mich, hast du schon einen Neuen an der Leine.“, sagte Hijiri gefährlich ruhig, „Was für ein dreckiges Miststück du doch bist, Maron.“

„Nach deiner Aktion damals… war es vorbei zwischen uns…!“, brachte die Angesprochene hervor.

„Wann was vorbei ist, hast du nicht zu bestimmen!“, zischte ihr Ex-Freund und schlug sie ins Gesicht. „Außerdem hatte es dir doch gefallen. Wäre bloß deine schlampige Freundin nicht dazwischen gekommen!“

Maron sah, wie er die Hand wieder erhob und zum zweiten Schlag ansetzen wollte. Angsterfüllt kniff sie die Augen zusammen, machte sich auf den Schmerz bereit.

Doch stattdessen hörte sie Schritte sowie ein schmerzhaftes Stöhnen von Hijiri. Sie spürte, wie dessen Körpergewicht sich von ihr entfernte.

„Fass sie nicht an!“, sprach eine vertraute Stimme. Chiaki…!

Benommen öffnete Maron ihre Augen und sah wie Chiaki ihrem Ex-Freund das Knie in die Brust rammte.

Hijiri schwankte zurück, stierte seinen blauhaarigen Gegner zornig an. Auf einmal zog er ein großes Taschenmesser aus seiner Tasche und ging damit auf Chiaki zu, doch das wich er gekonnt aus, packte seinen ausgestreckten Arm und warf ihn mit einem Schulterwurf zu Boden. Chiaki nagelte ihn mit dem Knie am Rücken auf dem Boden fest und entfernte dessen Messer aus der Hand.

Maron konnte Chiaki’s Gesicht nicht sehen, doch aus irgendeinem Grund blickte Hijiri mit Horror in den Augen zu ihm auf.

„Maron!“, hörte sie drei bekannte Stimmen nach ihr rufen. Yamato und Touya beugten sich über sie und halfen ihr auf. Miyako lief an ihnen vorbei, gesellte sich zu Chiaki und gab Hijiri eine kräftige Ohrfeige.

Aus einer Jackentasche holte sie unerwartet Handschellen hervor. „Gut das mein Vater mir welche als Glücksbringer geschenkt hat.“, sagte Miyako. „Und ich bin mehr als glücklich, die an dir anlegen zu können, verdammter Psychopath.“

Nach einer Weile waren Polizeisirenen zu hören und kurze Zeit später waren schon Inspektor Toudaiji und seine Kollegen vor Ort.

„Hijiri Shikaidou. Du kommst wegen Stalking, Entführung, versuchter Körperverletzung, sexuelle Nötigung sowie versuchter Vergewaltigung mit uns aufs Revier.“, sagte Miyako’s Vater souverän und wandte sich mit einer väterlichen Fürsorge an Maron: „Alles okay? Lass dich am besten von einem Arzt untersuchen.“

„Mir geht es gut.“, flüsterte die Freundin seiner Tochter und schüttelte monoton den Kopf.

Himuro fuhr sich seufzend über das Kinn. „Ich würde dir raten, eine Einstweilige Verfügung gegen ihn zu beantragen.“

Stumm nickte Maron.

Damit setzte der Ältere sich wieder auf, ging auf Chiaki und Miyako zu und befragte die Beiden.

„Ich habe mich geirrt.“, sagte Touya wie aus dem Nichts und schaute Maron entschuldigend an.

„Was meinst du?“, fragte sie ihn.

„Chiaki ist doch kein schlechter Kerl.“, sagte er anerkennend. „Du scheinst ihm wirklich wichtig zu sein.“

Bevor Maron wieder was sagen konnte, liefen Haruta und Fuyuta an ihr vorbei und waren dabei Hijiri wegzuführen.

„Ich an deiner Stelle würde ihm nicht trauen.“, sagte er an Maron gerichtet und deutete mit einer Kopfbewegung auf Chiaki.

„Fick dich.“, zischte sie und verengte hasserfüllt ihre Augen. Im selben Augenblick stellte sich Chiaki zu ihr und legte beschützend einen Arm um ihre Taille.

Seine Miene war eine ausdruckslose Maske.

Hijiri schüttelte seinen Kopf und lachte kühl.

„Denk an meine Worte, Maron.“
 

***

Alles was danach Geschah bekam Maron nicht mehr mit.

Ihr Kopf war wie abgeschalten.

Sie bekam nicht mit, wie Chiaki ihr fürsorglich seine Jacke über die Schulter lege und sie aus dem Freizeitpark rausführte.

Sie bekam nicht mit, wie sich ihre Freunde von ihr verabschiedeten.

Sie bekam auch nicht mit, wie ihr Freund sie nach Hause brachte.

Die ganze Zeit über sagte Chiaki auch nichts, bis Beide vor Maron’s Haustür standen und er nach dem Schlüssel fragte.

Geistesabwesend drückte sie ihm den Bund in die Hand. Es dauerte einige Versuche, bis der junge Student den Hausschlüssel fand. Vorsichtig nahm er Maron bei der Hand und führte sie rein.

In ihrem Zimmer angekommen, fing sie an vor seinen Augen zu zerbrechen.

Zusammengekauert ließ Maron sich an der Wand herunterrutschen und weinte. Weinte Tränen, die sie seit Tagen zurückgehalten hatte.

Tränen, die sie nicht mehr aufhalten konnte.

Sie wollte stark bleiben.

Sie wollte nicht, dass Chiaki sie so sah.

Doch sie schaffte es nicht mehr.

Chiaki brach es das Herz sie so zu sehen.

Vorsichtig näherte er sich ihr und legte seine Arme um sie.

Maron ließ es geschehen.

 

„Erzählst du mir, was passiert ist? Was es mit diesen Hijiri auf sich hat?“, fragte Chiaki in einer leisen, ruhigen Stimme. Er saß auf dem Boden neben Maron’s Bett, während sie in ihrer Decke eingewickelt darauf saß. Nur eine Hand lugte raus und hielt seine, die auf der Matratze ruhte.

Beide wussten nicht wie viel Zeit vergangen war, seit sie den Freizeitpark verlassen hatten. Das war ihnen auch egal.

Bis auf das Licht der Lampe auf dem Nachttisch war es dunkel in Maron’s Zimmer.

Mit einem herzzerreißenden Blick schaute Chiaki zu ihr auf.

Sie atmete tief durch und sammelte sich, ehe sie ihm antwortete:

„… Es ist alles jetzt über ein Jahr her…“ Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern. „Er war ein Jahr über uns in der Oberstufe. Und… er war mein Ex-Freund.“

Dann erzählte sie Chiaki alles. Sie erzählte ihm alles und ließ nichts aus. Während sie erzählte, ließ Chiaki seine braunen Augen keine Sekunde von ihr ab. 

„Meinen Eltern hatte ich nur erzählt, dass es zwischen uns aus war. …Durch Yamato -der hatte sich bereit erklärt hatte, bei seinem Elternhaus nachzusehen- hatten wir erfahren, dass er wirklich weg war…Ich hatte gehofft, dass er wegblieb…“, schloss Maron ab.

„Unglaublich. Ich hatte so etwas in der Richtung geahnt, als Miyako mich verhört hatte…“, sagte Chiaki. „Der kann froh sein, dass er hinter Gittern kommt. Ansonsten würde er ein zweites Treffen mit mir nicht überleben.“

Maron nach atmete hörbar ein und wieder aus. „Nächtelang konnte ich nicht schlafen, lag wach im Bett und spürte überall seine Hände und Lippen an mir. Auch die letzten Tage, als die Fotos auftauchten, kam alles wieder hoch und ich bekam kein Auge mehr zu.“, sagte sie.

Für einen Moment war es still zwischen ihnen.

„Das meintest du also, als du sagtest, du hättest Angst den falschen Leuten zu vertrauen.“, schlussfolgerte Chiaki ruhig.

Maron nickte zur Bestätigung und zog die Decke enger an sich.

„Es war meine Schuld…“, sagte er plötzlich, worauf Maron schockiert zu ihm runterschaute. „Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen.“, fügte Chiaki hinzu und wandte sich zu ihr. Sein Gesichtsausdruck brach Maron innerlich das Herz.

„Dich trifft keine Schuld! Wenn dann trifft mich alle Schuld, weil ich dir nichts gesagt habe.“, sagte sie schnell. „Außerdem hast du mir das Leben gerettet…!“

Reumütig und ernst schüttelte ihr Freund den Kopf.

„Trotzdem hätte es nicht soweit kommen sollen, wenn ich bei dir geblieben wäre. Es war Glück, dass ich dich finden konnte…“ Er stoppte sich kurz.

Sollte er ihr von der Vision erzählen? Sollte er ihr erzählen, dass er alles sehen, hören und fühlen konnte, was sie sah, hörte und fühlte? Er entschied sich dagegen, um nicht noch für verrückt abstempelt zu werden. Chiaki konnte es sich schließlich selbst nicht erklären, von was das plötzlich kam.

„Du solltest schlafen. Es war ein harter Tag für dich.“, sagte er, ließ von ihrer Hand los und stand auf.

„Warte…“, sagte Maron und hielt ihn am Handgelenk fest, „Bleibst du bitte bei mir?“

Sie wollte nach allem auf keinem Fall alleine sein. Jetzt, wo auch Fin verschwunden war.

„Ja. Ich werde nebenan sein.“, sagte Chiaki.

„Ich-…Ich möchte dich aber hier…bei mir haben.“ Sie blickte zu ihm auf. Er strich ihr mit einer Hand sachte durch die Haare und ließ sie auf ihrer Wange ruhen.

„Vertraust du mir?“, fragte er leise.

„Ja.“, sagte sie ohne zu zögern.

Maron zog Chiaki an seinem Handgelenk zu sich, sodass er halb auf das Bett fiel und halb auf darauf kniete. Sie wollte ihn bei sich haben.

Nah bei sich.

 

Letztlich lagen die Beiden engumschlungen auf ihrem Bett, die Finger ineinander verflochten. Ihr Kopf auf seiner Schulter, sein Arm beschützend hinter ihrem Rücken. Zärtlich strich Chiaki mit der Hand über ihren Oberarm.

Sie konnte seinen ruhigen Herzschlag in der Brust hören und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Kopf. 

Für eine Weile lagen sie schweigend da, bis Chiaki die Stille durchbrach.

„Du weißt, dass ich ab sofort nicht mehr von deiner Seite weichen werde.“, wisperte er ihr ins Ohr.

„Okay.“, wisperte Maron zurück und lächelte.

„Ich bleibe bei dir…für immer.“

„Ja…“

„Du riechst gut.“ Maron spürte, wie Chiaki’s Lippen sich zu einem Lächeln formten.

„Wirklich?“

„Mhmmm. Nach Zitrone.“ Ihr entkam ein leises Lachen.

Chiaki schaute Maron an und zog sie enger an sich. Mit den Kopf lehnte er sich zu ihr nach vorne.

„Was würdest du tun wenn ich dich jetzt küsse?“, fragte er leise. Die Stimme verführerisch tief.

Maron starrte sehnlich ihn an.

„Ich würde dich zurückküssen.“, antwortete sie ihm ehrlich.

Mit den Worten legte Chiaki seine Lippen sanft auf die ihrer und in dem Moment blieb die Welt für sie stehen. Der Kuss war sowohl zärtlich als auch gefühlvoll.

Etwas was Maron noch nie erlebt hatte.

Und sie genoss es mit jeder Faser ihres Körpers.

Chiaki löste sich von ihr und sah ihr mit einem liebvollen Lächeln tief in die Augen. Sie lächelte ebenfalls, nahm sein Gesicht in beide Hände und versiegelte ihre Lippen wieder miteinander. Diesmal wurden der Küsse intensiver, leidenschaftlicher.

Maron spürte, wie Chiaki ihr mit seiner freien Hand über die Wange strich und durch die langen Haare fuhr. Seine andere Hand war stabil auf ihrem Rücken platziert, hielt sie fest.

Seine Berührungen brannten wie Feuer auf ihrer Haut.

Nach einer Weile entfernten sie sich voneinander.

Atemlos.

Die Lippen angeschwollen.

Ihre Herzen schlugen im Gleichtakt schnell auf.

Mit einem glücklichen Gefühl schlief das Paar schließlich ein.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KagomeKizu
2020-05-25T19:45:31+00:00 25.05.2020 21:45
Was für ein schöner Ausgang des Tages!

Gut das Hijiri jetzt endlich hinter Gittern Sitz, und Maron nichts mehr antun kann.

Glg Kago


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