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Insanity Love

I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.
von

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Chapter 6: First Date

Chapter 6: First Date

 

„Fin, tu mir den Gefallen und verschwinde, wenn er da ist.“, sagte Maron, die frisch geduscht sich die Haare trocknete.

„A-Aber wieso? Ich will sehen wie er aussieht.“, rief die Angesprochene empört.

„Weil ich keinen nervigen Engel brauche, die wie eine Fliege umherschwirrt und mich noch komplett aus dem Konzept bringt. Ich finde es schon unhöflich genug, wenn du das bei meinen Eltern, Miyako und so, machst. Und du kennst ihn schon von meiner Zeichnung!“

„Du bist gemein, Maron.“, sagte die Grünhaarige beleidigt und verzog eine Schnute.

„Tu mir bitte den Gefallen einfach, okay?“

„Und was ist, wenn er dir irgendwas antut?“

„Ich kann auf mich selbst aufpassen, keine Sorge.“, zwinkerte Maron ihr zu.

„…Na gut. Dann verschanze ich mich nach draußen, oder so. Wenn irgendwas ist, dann melden wir uns über das Kreuz bzw. dem Amulett.“, ging der grünhaarige Engel schließlich auf die Bitte ein.

„Danke, Fin.“

Nachdem diese aus dem Fenster verschwand, ging die Kamikaze-Diebin zu ihrem Kleiderschrank und suchte verzweifelt nach etwas zum Anziehen.

Rock? Nein. Kleid? Nein, definitiv nicht! – Verdammt, das ist kein Date, Maron! Mit der Überlegung griff sie schließlich nach ihrer dunkelgrauen Lieblingsjeans, einem weißes T-Shirt sowie gemütliche Sneakers.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren.

„Maron. Ich bin es!“, hörte sie Miyako draußen sagen. Irritiert öffnete sie die Tür.

„Was machst du hier??“, begrüßte Maron ihre Freundin.

„Ich wollte dir helfen, damit du für das Date bereit bist.“, sagte Miyako verschmitzt lächelnd und ging rein. „Sag mir nicht, dass du heute das tragen wirst?“, fragte sie und deutete mit dem Finger auf Maron’s Outfit.

„Das ist kein Date! Somit kann ich anziehen was ich will.“, zuckte Maron gleichgültig mit den Achseln.

„Ich bin dafür, dass du dich umziehst.“

„Nein.“

„Doch.“

„Du nervst, Miyako.“

„Dann lass wenigstens was an dein Make-Up oder an den Haaren machen!“, beharrte die Kurzhaarige.

„Nein!“

„Ach komm!“

„Ich sagte Nein, Miyako!“

In der nächsten Sekunde klingelte es an der Tür. Überrascht schaute Maron auf die Uhr.

10:00 Uhr pünktlich.

Die beiden Freundinnen tauschten sich für eine halbe Sekunde Blicke aus, ehe Miyako in die Küche verschwand, Maron zur selben Zeit zur Tür ging und sie öffnete.

Zu ihrer minimalen Überraschung stand Chiaki in dunkelgrauer Jeans und in einem weißen T-Shirt vor ihr. Es war ungewohnt für sie ihn ohne Hemd zu sehen.

Trotzdem sah er unbeschreiblich gut aus. Mit den zerzausten Haaren, gab der Look ihm Extrapunkte für seinem wilden Charm.

Insgeheim fragte Maron sich, wie gut er wohl in einem Anzug aussehen würde.

Unbewusst errötete sie leicht.

Dann entdeckte sie die Blumen in seiner Hand, während die andere lässig in der Hosentasche steckte.

„W-wozu die Blumen?“, platzte es aus Maron.

„Dir auch einen guten Morgen! Die sind für deine Eltern.“, antwortete er ihr und reichte ihr den Strauß, den sie auf unbeholfener Weise annahm.

„Ehm…Das ist sehr nett und aufmerksam, aber meine Eltern sind nicht da.“ Mit einem kurzen Kopfnicken, gewährte die Studentin ihrem Kommilitonen Einlass und ging mit dem Blumenstrauß ins Wohnzimmer, auf der Suche nach einer Vase.

„Arbeiten sie Samstags?“, fragte Chiaki und schaute sich neugierig in der Wohnung um.

„Nein. Sie sind vor über einem Monat ins Ausland gezogen.“, erklärte Maron knapp. Überrascht schaute der Blauhaarige sie mit leicht geweiteten Augen an. „Im Vergleich zu anderen Familien, sind meine Eltern nach meinem Abschluss aus dem Nest ausgezogen und nicht ich.“, ergänzte sie achselzuckend. In einem Schrank fand sie endlich eine passende Vase.

„Ah…Wow.“ Das hatte er sogar nicht erwartet. „Und dabei habe ich mich schon darauf vorbereitet, den besten ersten Eindruck ihnen zu bieten.“

„Tja, daraus wurde nichts.“

Plötzlich kam Miyako aus der Küche heraus. Grinsend.

„Während ihre Eltern weg sind, kümmere ich mich um sie. Hi. Miyako Toudaiji.“, sagte sie und hielt ihm die Hand hin.

„Freut mich dich kennenzulernen.“, schüttelte Chiaki ihr die Hand.

Die Polizeitochter warf Maron einen kurzen Blick zu, welches förmlich „Partnerlook! mit einem sehr großen Ausrufezeichen schrie und grinste noch breiter. Auf einmal fand Miyako es nicht schlimm, dass ihre Freundin sich nicht umgezogen hatte.

Die Braunhaarige ignorierte die stumme Message augenverdrehend.

„Dürfte ich fragen, was du mit meiner besten Freundin vorhast?“ Miyako hatte ihren typischen Verhörblick aufgesetzt. Maron seufzte innerlich, darauf hoffend, dass ihre Freundin sie nicht blamierte.

„Tut mir leid. Ich will keine Überraschungen ruinieren.“, grinste Chiaki sie an.

„Ah ja…Ich warne dich nur vor. Mein Vater ist ein angesehener Polizeiinspektor und ich bin zukünftige Anwältin.“ Daraufhin musste der Medizinstudent nur lachen.

Ich hätte sie aus der Wohnung schmeißen sollen…, dachte Maron sich und versuchte -soweit es geht- die Beiden zu ignorieren, während sie in die Küche ging und den Blumen Wasser füllte.

„Können wir jetzt gehen?“, fragte sie als sie in den Flur zurückkehrte, ihre Tasche holte und eine Konversation zwischen den Beiden unterbrach.

„Klar. Also, wir sehen uns vielleicht im Campus.“, verabschiedete Chiaki sich von Miyako, die ebenfalls die Wohnung verließ.

„Japp. Viel Spaß bei euren Date!“, rief Miyako den Beiden zu und verschwand schließlich in ihre eigene Wohnung. Unbemerkt knirschte ihre braunhaarige Freundin genervt mit den Zähnen.

„Damit du es weißt. Das ist kein Date.“, sagte sie zu Chiaki nachdem sie in den Aufzug einstiegen und herunterfuhren.

„Ich glaube, unsere Klamotten sagen da was anderes.“, lachte er sie frech an.

„Ach, halt die verdammte Klappe.“

„Du hast ein ziemlich loses Mundwerk.“

„Stört dich das?“, fragte Maron mit einem selbstgefälligen Lächeln und verließ den Fahrstuhl.

Chiaki folgte ihr grinsend raus. „Nicht im geringsten.“

 

Nachdem die beiden Studenten ins Auto eingestiegen waren, schaltete Chiaki den Motor an und fuhr los.

„Also, wie lange fahren wir? Wo auch immer es hingeht.“, erkundigte Maron sich mit Skepsis und Neugier in ihrer Stimme.

„Nicht lange. Wir gehen einen Freund besuchen.“, antwortete Chiaki ihr.

„Was für einen Freund?“

„Sage ich dir nicht.“ Nach einer kurzen Pause fügte er lächelnd hinzu: „Keine Sorge, du wirst ihn mögen.“

Maron schaute leicht verunsichert auf ihre Sachen herab.

„Ich hoffe mal, dass ich für einen formalen Besuch nicht zu schlecht angezogen bin.“, kam es sarkastisch.

„Wird ihn nicht interessieren.“, entgegnete Chiaki und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Und du siehst perfekt aus.“

Daraufhin drehte Maron sich zum Fenster weg, um ihre rosa Wangen zu verbergen.

Unterdessen schaltete Chiaki den Musik-Player an und schweigend fuhren sie weiter, bis zum Ziel.

Da angekommen, erstreckte sich vor ihnen eine riesige, moderne Villa mit übergroßen Fenstern und einem Vorgarten, von der Größe eines Fußballfeldes. Chiaki steuerte auf ein großes Gittertor zu, welches sich ihnen öffnete und fuhr in die Einfahrt rein.

Maron beobachtete alles mit großen Augen.

„Also…Was genau macht dein Freund?“, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.

„Nicht viel. Er genieß ein unbeschwertes Leben in seiner Freizeit.“, sagte ihr blauhaariger Fahrer achselzuckend.

„Verständlich. Wenn man da wohnt, bräuchte man garantiert nicht mehr arbeiten.“

„Wohl eher nicht.“ Chiaki entkam ein leises Kichern.

Er parkte auf dem privaten Parkplatz des Anwesens.

Vor dem Eingang des Gebäudes stand ein junger Mann mit schwarzen Haaren, bekleidet in einem schwarzen Anzug und steuerte auf sie zu.

Chiaki stieg als Erstes aus.

„Guten Morgen, Chiaki-sama.“, begrüßte der junge Mann den Studenten und wollte sich zur Beifahrertür begeben, um seiner Begleitung die Tür zu öffnen. Chiaki hielt ihn jedoch davon ab.

„Morgen Kagura. Ich mach das schon.“, sagte er und öffnete Maron die Tür. Diese verengte skeptisch ihre Augen. Irgendwas war merkwürdig. Ebenso war ihr der Name ‚Kagura‘ komischerweise vertraut.

„Du scheinst öfters hier zu sein.“, merkte sie an.

„Japp.“ Aus unerfindlichen Gründen vermied Chiaki ihren Blickkontakt.

Kagura öffnete ihnen die Eingangstür und nachdem sie eintraten, blieb der 19-jährigen fast die Spucke weg. Schon von draußen sah das Anwesen beeindruckend aus, doch nichts hätte sie auf die Inneneinrichtung vorbereiten können.

Blitzblanker Marmor übersäte den Boden. Die Decken und Fenster waren mindestens bis zu drei Meter hoch. Teure Bilder von angesehenen Künstlern verzierten die weißen Wände. Moderne Treppen mit Glasgeländer führten zu den oberen Stockwerken. Jeweils rechts und links von ihr konnte sie Räume sehen, die mit hochwertigen Bonsai-Pflanzen bestückt waren und mit jeweils einer großen Terrasse endeten.

Ein riesiges Aquarium verzierte allein das Foyer, welches schon so groß wie ihre eigene Wohnung war. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie die restliche Villa aussah.

„Du kannst mir nicht sagen, dass hier jemand wohnt…!“, sagte Maron eher zu sich selbst als zu sonst irgendjemanden.

„Wieso?“, fragte Chiaki lachend.

„D-Das ist kein Haus, sondern bestimmt das Set für ein koreanisches Drama! Solche Villen kenne ich nur aus Dramen oder Hollywood-Filmen.“

Daraufhin musste er schmunzeln. „Leider muss ich dir sagen, dass hier wirklich Leute leben.“

Auf einmal kam ein kleiner, weißer Spitzhund die Treppe heruntergerannt und sprang fröhlich auf Chiaki zu.

„Hey. Ruhig. Jedes Mal dasselbe.“, lachte er, kniete sich hin und streichelte dem Tier durch das weiche Fell. „Darf ich vorstellen, das ist Sora. Sie ist immer etwas hyperaktiv.“, stellte Chiaki Maron den Vierbeiner vor, worauf sie frech angebellt wurde.

„Hey, benimm dich.“, ermahnte der Blauhaarige die Hündin.

„Sie ist süß.“, sagte Maron etwas perplex und hockte sich ebenfalls herunter, um Sora zu streicheln.

„Na, so eine Überraschung. Was beschert dich den hierher? Und Besuch hast du auch noch direkt mitgebracht!“, hörte sie plötzlich eine bekannte Männerstimme sagen.

Als Maron sich umdrehte, sah sie Dr. Kaiki Nagoya -in Hemd und Pullunder- vor sich stehen. Hinter ihm stand seine Frau, in einem gemütlichen Leinenkleid. Beide musterten die jungen Studenten mit einem amüsierten Lächeln.

Maron’s Blick huschte zwischen den Ärzten und Chiaki hin und her.

Moment…! Wenn seine Eltern hier sind…

Dann machte es in ihrem Kopf Klick.

„Ihr erinnert euch an Maron?“, antwortete Chiaki seinem Vater.

„Guten Morgen.“, begrüßte sie seine Eltern höflich, die sie freundlich zurückbegrüßten.

„Wie geht es dir?“, erkundigte der Chefarzt sich bei ihr.

„Ganz gut.“, sagte Maron mit einem Lächeln. Innerlich musste sie jedoch verarbeiten, dass sie sich in Chiaki’s Elternhaus befand. Dass ihr Kommilitone hier -in diesem Haus- aufgewachsen war.

„Wollt ihr was trinken? Ich kann euch einen Tee machen.“, bot Frau Dr. Nagoya an, doch ihr Sohn lehnte ab.

„Nein, wir gehen gleich. Ich wollte Maron nur jemand zeigen.“ Suchend schaute er sich um.

Das Gebell eines zweiten Hundes hallte durch den Raum und Maron sah eine vertraute Gestalt auf sie zu tapsen.

„Da ist er!“, rief Chiaki, nahm den bräunlich-roten Vierbeiner hoch und drehte sich zu Maron um. „Und, erkennst du ihn wieder?“

Maron’s braune Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Oh mein Gott! Haru!!“ Erfreut nahm sie den Hund in ihre Arme, der glücklich mit dem Schwanz wedelte. „Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt!“ Er sah gesünder und kräftiger aus als vorher. Und war doppelt so schwer. Maron hatte Schwierigkeiten den Shiba Inu hoch zu halten.

„Ist schließlich auch fast zwei Wochen her seitdem du ihn das letzte Mal sahst.“, lächelte Chiaki sie an, nahm ihr Haru wieder ab und setzte ihn wieder auf dem Boden.

„Das war also deine mysteriöse Überraschung.“

„Überraschung geglückt.“

„Was ist das für ein Lärm? Kann man dann an ‘nem Samstag nicht ausschlafen?“, sprach eine junge, verschlafene Stimme die Treppe herab. Ein zierliches Mädchen in Pyjama und wildstehenden Haaren kam herunter und stellte sich zwischen den Erwachsenen. Maron erkannte in ihr sofort das hübsche Elfenmädchen von der Party wieder. Chiaki’s Mutter legte fürsorglich eine Hand um ihre Schulter. Beide hatten dieselben orange-braunen Haarfarbe und ähnliche Gesichtszüge. Nun wusste die Braunhaarige auch, an wen das Mädchen sie erinnert hatte.

„Hey, Mina.“, begrüßte Chiaki sie. Ihre verschlafenen Augen weiteten sich als sie Maron sah.

„Hast du ein Date?“ Chiaki ignorierte die Frage und wandte sich wieder an seine Kommilitonin.

„Das ist Mina, meine Schwester.“ Maron schaffte es geradeso verstehend zu nicken. Indessen machte ihr inneres Ich in ihrem Kopf Freudensprünge als das Wort „Schwester“ fiel.

„Minami.“, korrigierte sie ihn und schenkte Maron ein wissendes Lächeln. „Guten Morgen.“

„Es ist fast Mittag, Schatz.“, entgegnete ihre Mutter. Das Mädchen gähnte und zuckte gleichgütig mit den Schultern.

„Wir gehen jetzt auch.“, sagte Chiaki im nächsten Moment, machte auf dem Absatz kehrt und winkte seiner Familie zum Abschied zu. Kagura öffnete ihm die Tür und er ging direkt zu seinem Auto rüber. Maron schaute verwirrt zwischen seiner Familie und der Tür hin und her. Anschließend verbeugte sie sich höflich und verabschiedete sich bei jedem einzeln.

„War nett dich kennenzulernen, Maron.“, sagte Minami winkend und verschwand in ein Zimmer.

„Komm ruhig öfters vorbei.“, entgegnete Kaiki grinsend.

„Vielleicht zum Essen.“, fügte seine Frau augenzwinkernd hinzu.

Mit einem schüchternen Lächeln verließ sie das Haus und ging auf Chiaki zu, der vor seinem Auto wartete.
 

***

 

„Du bist ein elender Lügner, der lügt.“, sagte Maron ihrem Fahrer fassungslos, nachdem sie das Anwesen verlassen hatten und auf der offenen Straße weiterfuhren.

„Wieso?“, fragte dieser schmunzelnd. Sie deutete mit dem Zeigefinger nach hinten, wo sie die Villa hinter sich gelassen hatten.

„Du hast daaas alles geheim gehalten.“ Sie machte eine kreisende Bewegung mit ihrem Finger.

„Habe ich nicht. Du hast bloß nicht gefragt.“, sagte Chiaki offen und ehrlich.

„Na gut… ich hätte vielleicht schlau genug sein können, um selbst darauf zu kommen. Wenn deiner Familie ganze Krankenhausketten gehört.“ Maron fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich kann nicht glauben, dass du mir nichts gesagt hast!“

Der Blauhaarige warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. „Was hätte ich dir sagen sollen?“

„Keine Ahnung! Sowas wie: ‚Hey, Maron. Zieh dir was Hübsches an und hol dein bestes Make-Up raus. Wir gehen mein Elternhaus besuchen.‘ Oder ähnliches!“

Chiaki musste sich ein Lachen verkneifen.

„Erstens: Das was du an hast, ist perfekt. Zweitens: Du brauchst kein Make-Up.“

Elender Schleimer! Maron rollte mit den Augen, auch wenn sie sich für die Komplimente freute.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du in einem Ort aufgewachsen bist, was womöglich so groß wie das Weiße Haus ist.“

„Ich glaube, das Weiße Haus ist größer.“, korrigierte Chiaki seine Beifahrerin.

„Wie auch immer. Und wo geht es jetzt hin?“, fragte sie misstrauisch.

„Zu mir nach Hause.“, grinste er. „Und dann gehen wir Essen.“

„Scheinst ja einen straffen Zeitplan zu haben.“

„Ich will nur, dass du das volle Erlebnis bekommst.“

Nach einigen Minuten kamen sie an einem Hochhaus an, wo Chiaki Maron zum obersten Stockwerk führte.

Maron wusste nicht, ob seine Wohnung das war, was sie von ihm erwartet hätte. Wie ihre Wohnung, war seine eine Maisonette-Wohnung, nur -natürlich- größer.

Alles war ziemlich minimalistisch eingerichtet. Das Wohnzimmer und die offene Küche teilten sich die neunzig Quadratmeter große Fläche, des untersten Stockwerkes. Vom Wohnzimmer aus, führte ein großer Balkon nach draußen und schenkte einem einen atemberaubenden Ausblick über Momokuri. Im Obergeschoss befanden sich Bad, Arbeitszimmer und Schlafzimmer. Alle Möbel waren in weiß und schwarz gehalten. An manchen Ecken konnte sie gesunde, großgewachsene Pflanzen entdecken.

Chiaki beobachtete Maron neugierig, während sie sich in seinem zu Hause umschaute. Access hatte der Dieb schon am frühen Morgen weggeschickt, damit er ungestört mit seinem Mädchen allein sein konnte. Der Engel wäre für andere Menschen zwar sowieso unsichtbar, aber es ging ums Prinzip! Im Stillen hoffte er auch, dass keine Aufträge kommen, welche ihm den Tag ruinieren könnten.

Gemeinsam ging er mit Maron zu seinem Schlafzimmer. Da angekommen stach ein riesiger Bücherschrank der Braunhaarigen ins Auge.

„Willkommen zur privaten Sammlung von Chiaki Nagoya.“, hörte sie Chiaki demonstrativ sagen, während sie die Titel am Buchrücken überflog. Über neunzig Prozent der Titel und Romane kannte Maron nicht. Gelegentlich nahm sie eins heraus und schaute sich das Cover an.

„Du kannst unmöglich alle gelesen haben.“

„Habe ich auch nicht.“

Maron musste grinsen. „Also, hast du den Schrank hier nur, um Gäste zu beeindrucken.“

„Das ziemlich gemein von dir sowas zu behaupten, Maron.“, sagte Chiaki und ließ sich mit dem Rücken voraus auf sein King-Size-Bett fallen.

Dabei rutschte sein T-Shirt leicht hoch und Maron bekam einen kurzen Blick auf seinen flachen, trainierten Bauch.

Mit hochroten Wangen drehte sie sich weg und fixierte ihren Blick auf einem Wandregal mit einer -nicht weniger- beeindruckenden Musik-Sammlung.

„I-Ich hätte eventuell Hunger.“

Sofort sprang Chiaki auf, schnappte sich eine Sonnenbrille vom Nachttisch und setzte sie sich auf.

„Gut. Ich zeige dir den besten Italiener der Stadt.“

 

Wiedermals fanden sie sich in Chiaki’s Auto wieder.

Unangenehme Stille bahnte sich an, trotz der Musik aus dem Musik-Player.

Chiaki hatte einen vielfältigen Musikgeschmack, fiel Maron auf.

Sie wusste nicht, worüber sie reden konnten, weshalb sie spontan sagte: „Witzig, oder? Du siehst deinem Vater extrem ähnlich und deine Schwester deiner Mutter.“ Chiaki stoppte sich kurz, ehe er ihr antwortete:

„Meine Mutter ist nicht meine biologische Mutter. Genauso wenig wie Minami meine biologische Schwester ist.“ Er warf seiner Beifahrerin einen Seitenblick zu, um ihre Reaktion zu beobachten. Maron behielt ihre neutrale Miene bei.

Sie wusste nicht viel über Chiaki, bis auf den Gerüchten seiner extraordinären Nachtaktivitäten. Doch in den letzten zwei Stunden hat sie erstaunlicherweise mehr über seine Person erfahren als in den letzten zwei Wochen. Und tief in ihrem Inneren wollte Maron mehr über ihn wissen, auch wenn sie es sich noch nicht ganz eingestehen will.

„Meine Mutter starb als ich fünf war.“, sagte Chiaki plötzlich in einer neutralen Stimmlage. Diese Offenbarung warf Maron’s Gedankengänge komplett aus der Bahn. Schockiert weiteten sich ihre Augen. Mit einem Mal fühlte sie sich elend, dass sie ein derartig sensibles Thema hervorgebracht hatte.

„Mein Beileid…“, brachte sie kleinlaut hervor.

„Danke.“, sagte er und starrte mit gefühlloser Miene auf die Straße. „Es war schon sehr lange her…Ich erinnere mich kaum an sie.“, fügte Chiaki wie beiläufig hinzu. Allerdings entging Maron nicht wie sich seine Schultern versteiften und seine Hand um das Lenkrad sich anspannte. Sein Gesicht konnte sie dank der Sonnenbrille nicht lesen.

Maron wusste nicht, ob sie noch was sagen sollte, nachdem er für eine Weile nichts mehr sagte.

Zu ihrer Überraschung sprach Chiaki weiter: „Bevor meine Mutter starb…waren sie, meine Vater und Nanako ziemlich enge Freunde. Irgendwann zu ihren Studienzeiten hatten sich meine Eltern ineinander verliebt und geheiratet. Und dann kam ich auf die Welt.“ Während er erzählte, blieb seine Miene regungslos hinter den dunklen Sonnenbrillengläsern. Insgeheim warf der Kaito Maron immer wieder ein paar Seitenblicke zu, um ihre Reaktion zu beobachten. Noch sah er Neugier in ihren Augen.

„Schließlich wurde sie eines Abends getötet….und ich war anwesend.“ Wieder schaute er zu der Braunhaarigen rüber. Zu seinem Erstaunen starrte sie ihn nur ausdruckslos an. Ohne Mitleid in den Augen.

Maron wusste nicht was sie fühlen, denken oder sagen sollte.

Sie hatte alles erwarten.

Alles.

Nur nicht, dass er den Tod -den Mord- seiner Mutter mit eigenen Augen miterlebt hatte.

„Mein Vater war ziemlich am Boden zerstört. Und Nanako war an seiner Seite, trauerte mit ihm. Tja…und ein Jahr später hatten sie geheiratet und Minami kam aus ihrer vorherigen Ehe dazu.“, erzählte Chiaki in einem ebenmäßigen Ton abschließend.

Die Kamikaze-Diebin wünschte sich sein Gesichtsausdruck hinter der Sonnenbrille sehen zu können. Ihn richtig lesen zu können.

Mit einem bedrückten Gefühl starrte sie auf ihren Schoß herab und zupfte nervös an ihrem Shirt. Sie fragte sich, wie viele Leute davon wussten.

Ihr war das Thema Tod nicht neu, dennoch belastete es sie sehr.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Ich-…“, wollte sie ansetzen. „Also-…“

„Ist schon okay.“, unterbrach Chiaki sie kühl.

„Nein, ist es nicht.“

„Doch, ist es.“, sagte er einfach und schob sich die Sonnenbrille die Nase hoch. Kurzes Schweigen herrschte zwischen ihnen, als Maron sie schließlich durchbrach.

„Ich habe zwar nicht so einen großen Verlust wie du erlitten, aber auch ich habe jemand verloren, der wie Familie für mich war…“, sagte sie leise. Sie nahm kurz tief Luft und begann zu erzählen:

„Ein guter Freund von mir… Zen hieß er. Er war wie ein kleiner Bruder für mich, obwohl wir fast gleich alt waren. Wie kannten uns aus der Nachbarschaft. E-Es ist schon drei Jahre her. Er erlag nach fünf Jahren Krankenhausaufenthalt seinem Herzleiden… Und ich war dabei, als es…als es aufhören wollte zu schlagen. Er bekam einen Anfall. Seine Eltern hatten in dem Moment ein Gespräch mit den zuständigen Arzt gehabt. Alles danach ging so schnell. Plötzlich stand ich mit seinen Eltern vor dem OP-Saal. Nach einigen Stunden kam der Arzt und die Krankenschwestern raus… und dann lag er da. So friedlich… wie als würde er schlafen.“ Maron warf Chiaki, der die Straße fixierte, einen kurzen Blick zu.

„Ein Grund, weshalb ich in die medizinische Richtung gehen wollte. Um Menschen zu helfen.“, schloss sie ruhig ab.

Überrascht zog der Blauhaarige seine Augenbraue hinter der Brille hoch. Er hatte nicht erwartet, dass sie ebenfalls mit einer tragischen Geschichte ankommen würde, nachdem er seine erzählt hat.

„Mein Beileid.“, sagte er.

„Ist schon okay.“, sagte sie ihm sanft lächelnd.
 

***

Nachdem das Auto vor dem Restaurant geparkt war, Chiaki seine Sonnenbrille auf das Armaturenbrett warf und beide ausgestiegen waren, streckte er Maron die Hand aus.

Zögernd platzierte sie ihre in seine.

Kaum hatten sie sich ihre Hände berührt, spürte Maron wieder dieses angenehme Wärme durch ihren Körper fließen.

Unbewusst verschränkte sie ihre Finger in seine.

Im Restaurant beobachtete Maron Chiaki dabei, wie er die Wirtin um einen Tisch fragte.

Es war erstaunlich, wie schnell sich die Wahrnehmung auf einen Menschen ändern kann.

Der Chiaki, der vor ihr stand - war nicht mehr der Chiaki, den sie vor zwei Wochen kennengelernt hatte.

Er war auch nicht mehr der Chiaki, der sie heute Morgen abgeholt hatte.

Sie kannte den sarkastischen, distanzierten, unnahbaren Chiaki.

Und sie hatte in den letzten Stunden einen Chiaki kennengelernt, der tief in seinem Inneren auch seine fürsorglichen, mitfühlenden Seiten hatte.

Seiten, die ihn menschlich machten.

Ehe Maron sich versah, standen sie vor einem Tisch am Fenster.

„Ich gehe mal kurz auf Toilette. Setz dich ruhig schon mal hin und such dir was aus.“, sagte Chiaki und verschwand aus ihrem Blickfeld.

Die junge Frau nahm wie ihr geheißen Platz und blätterte durch das Menu. Sie wollte etwas zutrinken bestellen und blickte sich nach einem Kellner um.

Sie stoppte mitten in der Bewegung als sie jemand in der hintersten Ecke des Restaurants sitzen sah.

Jemand bestimmtes.

Jemand den sie sofort wiedererkannte.

Mit einem Schlag verlor ihr Gesicht an Farbe.

Es war unverwechselbar.

Die große Statur.

Die langen roten Haare, die unter einer Baseball-Kappe verdeckt waren.

Die dunklen Augen, die direkt in ihre Richtung starrten.

Was macht er hier?! Nein, nein, nein, nein! Er darf nicht hier sein!, ging es Maron panisch durch den Kopf. Sie drehte sich zur Seite und suchte in ihre Tasche nach ihrem Handy. Als ihr Telefon fand und wieder aufblickte, war er weg. Verwirrt schaute sie sich in alle Richtungen um. Er war weg!

Was zu Teufel…?!

Die Braunhaarige wollte Miyako gerade kontaktieren als eine fremde Stimme sie zusammenzucken ließ.

„Wie fühlt es sich an, die schönste Frau im Raum zu sein.“

Ein junger Mann mit aschbraunem Haar stand vor ihr. Unter Umständen war er süß.

„Was dagegen wenn ich mich dazu setze?“, fragte er, während er sich auf den Stuhl ihr gegenüber Platz nahm, ohne auf ihre Antwort zu warten.

Maron’s Augen verengten sich argwöhnisch. „Eigentlich bin ich mit jemanden hier.“, sagte sie ihm und fragte sich stark, wo dieser besagte jemand war.

„Ah…Dein Freund?“

Sie hielt kurz inne, ehe sie antwortete: „Ein guter Freund.“

Der Fremde grinste breit. „Dann ist er ein ziemlicher Narr.“

„Was?“

„Wenn er nur ein guter Freund ist, dann ist er ein ziemlicher Narr. Ich denke nicht, dass ich es aushalten kann bei dir nur ein guter Freund zu sein. Ich bin übrigens Ren.“

Innerlich verzog Maron das Gesicht. Was denkt der Typ, wer er ist?

„Nun, Ren. Ich sehe darin kein Problem.“

„Nicht? Wieso?“

„Weil du jetzt gehst.“, hört Maron Chiaki auf einmal hinter sich sagen.

Sie drehte sich leicht um und schaute auf. Seine braunen Augen waren mit einem kalten Blick auf Ren gerichtet.

Dieser stand auf, holte einen Stift aus seiner Jackeninnentasche und schrieb etwas auf einer Serviette auf.

„Falls du genug von deinen Freunden hast, hier ist meine Nummer.“ Mit den Worten schob er Maron die Serviette über den Tisch. Chiaki griff es sich schnell.

Ren stierte ihn verärgert an. „Sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.“

„Natürlich kann sie das.“, sagte der Medizinstudent und schenkte ihm ein kaltes Lächeln.

Maron wusste nicht genau, was als nächstes passierte. Chiaki ging so auf Ren zu, dass sie nur noch seinen Hinterkopf im Blick hatte. Die beiden Männer sahen sich kurz in die Augen und im nächsten Augenblick war Ren’s selbstsichere Erscheinung verschwunden. Mit einem nervösen Gesichtsausdruck ging er schließlich. Maron schaute ihm kurz hinterher.

Sie war zwar mehr als erleichtert, dass Chiaki wieder da war, aber irgendetwas war faul gewesen. Ren wirkte wie als hätte er einem blutdurstigen Löwen ins Auge geblickt.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, wollte sie von ihren Kommilitonen wissen, der sich mit einem zufriedenen Lächeln in den leeren Sitz begab. Ihre Augen beobachteten ihn skeptisch.

„Habe ihm nur signalisiert, dass er sich nicht an mein Mädchen ranmachen darf.“, antwortete er unschuldig und studierte die Karte.

„Ich bin nicht dein Mädchen.“

Im selben Moment kam der Kellner und nahm ihre Bestellung auf. Zehn Minuten später kam er mit ihrem Essen und Getränken wieder.

 

„Wie ist es eigentlich alleine zu leben?“, fragte Chiaki nach wenigen Minuten unerwartet und nahm einen Bissen von seinem Gratin.

Maron verstand nicht ganz. „Was meinst du? Du lebst doch auch alleine.“

„Nein, ich meine ohne Eltern. Wenn sie am anderen Ende der Welt leben.“

„Ah…Ganz okay, schätze ich.“, zuckte sie mit den Schulter. „Ich meine, ich bin neunzehn Jahre mit ihnen aufgewachsen. Da ist es nun Zeit selbstständig zu werden…und irgendwann werden sie nach Japan wiederkommen.“

Der Blauhaarige nickte verstehend.

„Außerdem bin ich nicht allein allein. Sie rufen mich jeden zweiten Tag an, wir halten regelmäßig Kontakt und ich habe ja meine Freunde um mich rum.“

„Und mich.“, ergänzte Chiaki grinsend. Sein Gegenüber verdrehte schmunzelnd die Augen und nahm einen Biss von ihren Nudeln.

„Darf ich dich was fragen?“, kam es von Maron nach einigen Sekunden.

Erwartungsvoll schaute ihr Gegenüber sie an. „Du magst deine Mutter-…eh, ich meine, Nanako nicht wirklich, oder?“, fragte sie vorsichtig.

„Wie kommst du darauf?“, kam es als Gegenfrage.

„Immer wenn du mit ihr redest, sprichst du in dieser kühlen Tonlage.“

Chiaki hob hochachtungsvoll die Augenbraue. „Ausgezeichnete Beobachtungsgabe.“ Er lachte kurz auf, bevor er auf ihre Frage schulterzuckend einging: „Sagen wir es so…Ich habe sehr lange gebraucht sie als Mutter zu akzeptieren. Und ich weiß, dass tief in seinem Inneren, mein Vater sie nicht liebt.“

„Oh…Aber Minami hast du direkt akzeptiert? Mit ihr scheinst du dich ja zu verstehen.“

„Sie war gerade Mal drei als unsere Eltern geheiratet haben. Da war die Familienannäherung einfacher.“

„Warte- Sie ist gerade mal in der Oberstufe?“, kam es Maron überrascht.

„Ja.“, kam es von Chiaki wie selbstverständlich.

„Und da bringst du sie zu einer Studentenparty mit?“

„Sie wollte mit ihren Freundinnen dahin. Und es ist nichts Schlimmes passiert.“

Abgesehen davon, dass ein Dämon fast die Party gesprengt hat…!, dachten sich Beide im Stillen.

„Was für ein vorbildlicher großer Bruder du bist…“, sagte Maron sarkastisch.

In der nächsten Sekunde versank sie in Gedanken, stocherte in ihrem Essen und schaute sich unsicher im Restaurant um.

Hatte sie sich ihn doch nur eingebildet oder hatte sie ihn wirklich gesehen?

Maron musste später dringend mit Miyako reden.

Chiaki bemerkte ihre innere Unruhe. „Alles okay?“, fragte er besorgt.

„J-Ja…“, stotterte sie und riss sich wieder in die Gegenwart zurück. „Ehm…hast du eigentlich vor irgendwas Angst?“, versuchte sie das Thema zu wechseln.

Wieder hob Chiaki die Augenbraue. „Ziemlich spontane Frage.“

Maron zuckte mit den Achseln und schaute ihn erwartungsvoll sowie interessiert an.

„Du wirkst wie jemand, der sich nicht mal vor dem Tod fürchtet.“, gab sie offen zu.

„Wirklich…?“

Chiaki stützte seinen Kopf mit der Hand ab und schaute aus dem Fenster. Es dauerte eine Weile bis er ihr antwortete:

„Ich habe Angst davor… ein Fake zu sein. Eine leere Hülle.“, sagte er in einer monotonen Stimmlage und schaute mit ausdruckslosen Augen weiterhin nach draußen. „Es gibt nichts, was ich wirklich will und es gibt nichts wofür ich wirklich lebe. Ich bin ein Schauspieler in meinem eigenen Leben.“ Der 20-jährige ließ seinen Blick wieder zu Maron rüber wandern.

Wiedermal wusste sie nicht, was sie sagen sollte.

„Das ist sehr…tiefgründig.“, brachte sie nur entgegen.

„Da wir jetzt auf die tiefgründige Ebene gehen… wovor hast du Angst?“, warf Chiaki ihre Frage auf sie zurück, worauf sie zunächst unbeholfen sich durch die Haare fuhr.

„Ich habe Angst davor… den falschen Leuten zu vertrauen.“ Maron atmete tief ein und wieder aus. „Ich habe Angst davor, dass man mich nur ausnutzt und hintergeht….Und ich am Ende verletzt werde.“, antwortete die Diebin ihm und schaute ihm ernst in die Augen. Ihr Gegenüber erwiderte ihren Blick.

„Hm…Vertraust du mir schon so weit, dass du mir sowas anvertraust?“ Ein geheimnisvolles Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.

„Das frage ich mich auch.“ Seine Begleiterin schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln.

Nach einer gewissen Zeit riefen die Beiden nach der Rechnung, die der Kellner ihnen auf den Tisch legte. Maron schob den Beleg zu sich hin und suchte im ihrem Portemonnaie nach dem passenden Betrag.

Horror breitete sich in Chiaki’s Gesicht aus.

„Was machst du da?“, wollte er von ihr wissen.

„Siehst du doch. Für mein Essen bezahlen.“

„Verstehe ich nicht.“

„Essen kostet Geld.“

„Schön. Das erklärt aber nicht warum du denkst, dass du es bezahlen musst.“

„Weil ich mein eigenes Essen bezahlen kann und ich zufällig Bargeld habe.“

„Und ich habe zufällig eine Kreditkarte.“

„Chiaki-…“

„Du hast übrigens was…da rechts.“, sagte er und deutete mit dem Finger auf seine untere Wangenhälfte.

„Was?! Wo? Da?“ Maron schnappte sich panisch eine Serviette und rieb sich an der vermeintlich besagten Stelle.

Chiaki schüttelte belustigt den Kopf. „Immer noch da. Komm ich mach.“

Er reichte mit seiner Hand über den Tisch und fuhr ihr mit dem Finger über die Wange. Unbewusst hatte Maron ihre Augen geschlossen und den Atem angehalten.

Ihr war die Sache mehr als peinlich. Und dabei hatte sie schon aufgepasst, anständig wie möglich zu essen!

„D-Danke. Ich bin ziemlich unkultiviert.“, versuchte sie ihre Verlegenheit zu verdecken.

„Dann muss ich dir Kultiviertheit wohl beibringen.“, sagte Chiaki und dann merkte Maron, dass die Rechnung vor ihr weg war.

Ein Blick auf ihr verschmitzt grinsendes Gegenüber sagte schon alles. Ebenso kam der Kellner mit seiner Kreditkarte wieder und wünschte den beiden einen schönen Tag.

„Wusstest du, dass man mich vor dir gewarnt hatte?“, sagte Maron ihm trocken.

Chiaki schenkte ihr ein schiefes Lächeln, welches ihr Herz höher schlagen ließ.

„Und dennoch bist du heute mit mir hier.“
 

***

Letztlich führte der Blauhaarige sie zu einer hochgelegenen Klippe mit Aussichtsplattform, welches einen atemberaubenden Blick aufs Meer spendierte. Die Sonne ging allmählich unter und verfärbte den Himmel in ein harmonisches Orange-Rosa.

„Ich dachte, du hättest noch was extravaganteres geplant, wie eine Kunstausstellung oder ein Sea-Life-Besuch.“, gestand Maron, lehnte sich gleichzeitig ans Geländer an und genoss den Ausblick. Sie liebte die frische Meeresluft.

Simple is the best.“, sagte Chiaki ihr nur, steckte die Hände entspannt in die Hosentasche und starrte ebenfalls aufs offene Meer.

Nach einigen Minuten drehte Maron sich zu ihm um.

„Warum? Warum eigentlich ich? Und sag mir nicht sowas wie ‚weil ich dein Mädchen‘ bin! Ich möchte eine vernünftige, rationale Erklärung.“

Ein Seufzen entkam seiner Kehle.

„Eine vernünftige, rationale Erklärung? Da überfragst du mich.“, sagte Chiaki ohne sein Blick vom Meer abzuwenden.

Die Braunhaarige hob wartend die Augenbraue.

Dann fing er an zu reden: „Nachdem wir das erste Mal miteinander geredet hatten… Keine Ahnung. Ich wollte mehr über dich dann wissen. Und da habe ich deine Freunde gefragt-…“

„Warte! Welche Freunde?“ Maron zog kritisch die Brauen zusammen. Chiaki drehte sich mit einem tiefen Seufzen zu ihr um und fuhr sich durch die Haare.

„Miyako und ihr Freund.“

Verwirrung spiegelte sich in ihrem Gesicht. „Miyako hast du doch erst heute kennen-….“, dann kam ihr der Geistesblitz. „Moment-… Von ihr hast du meine Nummer!“ Entsetzt verschränkte sie die Arme vor der Brust. Bestätigend nickte Chiaki mit dem Kopf.

„Bevor du irgendetwas Falsches verstehst…Miyako wollte dir nicht irgendwie in den Rücken fallen, oder so. Das geht alles auf meine Kappe. Du hattest schnell klar gemacht, dass du nicht mit mir reden wolltest und ich-…“

„Was hat Miyako dir alles über mich erzählt?“, unterbrach Maron ihn.

„Nichts! Ich schwöre. Sie hat mir nur ein-zwei Tipps gegeben hinsichtlich deiner Person und sonst nichts! Sonst hätte es mich beispielsweise nicht überrascht, dass deine Eltern im Ausland sind.“ Er hielt inne und schaute ihr direkt in die Augen. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte, okay? Ich musste dich kennenlernen.“

Bevor Maron wieder „Warum?“ fragen konnte, sprach Chiaki weiter:

„Ich wusste nicht, wie ich an dich rankommen konnte…dein Vertrauen gewinnen konnte. Nachdem du noch sagtest, dass du Sachen über mich gehört hattest… Du hattest direkt abgeblockt! Und-… Keine Ahnung! Ich wollte dich unbedingt näher kennenlernen und da habe ich deine Freunde gefragt. Natürlich, musste ich mir für drei Stunden ein sehr intensives Verhör bei deiner Freundin ergehen lassen, damit sie sich 100-prozentig sicher sein konnte, dass ich dir nichts Böses will.“ Er stoppte sich kurz und lächelte sie an. „Übrigens, du kannst froh sein so eine Freundin wie sie zu haben. Das ist das einzige Vernünftige, was ich dir sagen kann!“

Maron schaute ihn mit großen Augen sprachlos an. Sie wusste nicht wieso, aber sie glaubte ihm. Und sie war nicht einmal sauer auf ihre beste Freundin.

„Und auf der Party letztens, wie du in dem Seidenkleid da saßt und wahrhaftig wie ein Engel Gottes aussahst. Ich dachte mir nur ‚Verdammt‘! Mina hatte mich die ganze Zeit aufgezogen, weshalb ich so launisch war. Also erzählte ich von dir und als sie dich sah, war für sie alles klar. Und ehe ich mich versah…warst du wieder weg. Eigentlich weiß ich immer noch nicht, was ich hier tue. Ich versuche es selbst noch zu verstehen. Aber glaube mir, dass ich dich nicht hintergehen will, oder so.“

Ein leichter Wind wehte an ihnen vorbei und spielte mit ihren Haaren. Maron ging seine Worte durch den Kopf durch.

„Ich glaube dir.“, sagte sie ihm ehrlich und ruhig. „Nun muss du dich aber noch mehr anstrengen, mein Vertrauen zu erkämpfen.“, fügte sie hinzu und gab ihm ein herausforderndes Lächeln. Erleichterung spiegelte sich in Chiaki’s Augen wider, er ging einen Schritt aus sie zu und erwiderte ihr Lächeln ebenso herausfordernd.

„Ich werde mein Bestes geben.“

 

Es dauert nicht lange bis sie wieder vor dem Orléans standen. Kaum hatte Chiaki das Auto geparkt, sprang er aus dem Wagen raus, ging mit schnellen Schritten zur Beifahrertür und öffnete sie.

Maron warf ihm einen irritierten Blick zu, doch bevor sie was sagen konnte, fiel er ihr ins Wort.

„Ich mache das gerne für dich. Also bitte denk daran, damit ich nicht jedes Mal zu dir sprinten muss.“

Zaghaft nickte sie mit dem Kopf.

Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, als sie ausstieg und Chiaki sie händchenhaltend zu ihrer Wohnungstür begleitete. Und dann standen sie da.

„Ich hole dich Montag früh ab.“, kündigte der Blauhaarige an, während er Maron liebevoll eine Strähne hinter das Ohr fixierte. Sie gewöhnte sich allmählich an das schöne Gefühl seiner Berührungen.

„A-Aber machst du nicht den extremen Umweg?“, wendete sie ein.

„Und?“

„Und ich fahre sowieso mit Miyako zur Uni.“

„Und?“

„Und waru-…“ Chiaki legte ihr einen Finger auf die Lippen.

„Frag nicht. Frag mich nicht ‚warum‘. Das nervt langsam. Ich will einfach. Nichts weiter. Also lass mich das machen.“ Gerade wurde Maron bewusst, dass Chiaki’s Gesicht ihrem sehr nah war.

Sehr, sehr nah.

„Dann wird man wirklich denken, dass wir zusammen wären.“

„Lass die Leute denken.“ Ein Grinsen bildete sich um seine Lippen. „Ich will, dass man das denkt.“ Er strich ihr eine weiter Strähne aus dem Gesicht.

Maron’s Verstand setzte komplett aus.

„Also, bis Montag um acht.“ Chiaki ließ von ihrer Hand los und ging zurück zum Fahrstuhl.

 

Mit hochrotem Kopf ging die Studentin in ihre Wohnung rein und ließ sich die Tür herunterrutschen.

Nach einigen Augenblicken ging sie ins Wohnzimmer und schnappte sich das Telefon. Sie hatte noch einen wichtigen Anruf zu tätigen.

„Maron! Schon zurück? Und wie war’s?“, nahm Miyako’s gutgelaunte Stimme ab, die gleichzeitig was zu essen schien.

„Du bist mir einige Erklärungen schuldig.“, konterte die Angesprochene direkt.

Ein Schlucken war am anderen Ende zu hören. „Ja, ja. Ich spreche mich schuldig. Hattest du Spaß gehabt?“

„Ich kann nicht glauben, dass du mir sowas antust.“, sagte Maron vorwurfsvoll.

„Hattest. Du. Spaß. Gehabt?“

„Lenk. Nicht. Vom. Thema. Ab!“

Miyako fing an zu lachen. „Ich mag ihn.“

„Das hört Yamato bestimmt gerne.“

„Yamato kann ihn auch gut leiden. Chiaki ist kein schlechter Kerl.“

Innerlich stimmte Maron ihr zu, wollte es aber nicht zugeben. „Andere denken dabei anders.“

„Dann denken andere falsch.“

„Erklär mir mal, wie ihr euch kennengelernt habt. Und wehe, du lässt was aus.“, verlangte die Braunhaarige von ihrer Nachbarin.

„Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Er ist mir und Yamato in der Bibliothek begegnet und anscheinend hatte er uns drei -mit Touya vier- schon des Öfteren abhängen sehen. Und dann sind wir ins Gespräch gekommen.“

„Über mich?“

„Am Anfang. Schließlich muss ich sicherstellen, dass dir nicht dasselbe passiert wie-…“ Miyako stoppte sich einen Moment. „Du weißt schon. Aber sonst reden wir über alles Mögliche, wie Gott und die Welt, wenn wir uns mal begegnen. Und da wirst du nicht einmal erwähnt.“

Maron atmete hörbar in den Hörer ein und aus.

„Na gut… damit du es weißt, ich bin nicht sauer auf dich. Ich war nur sehr…überstürzt gewesen.“

„Ja…ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du Überreagieren könntest.“

„Hmmm…“ Maron fing an nervös mit ihren Haaren zu spielen. Schließlich gab es einen anderen Grund, weshalb sie ihre beste Freundin hauptsächlich anrufen wollte.

„Maron? Ist irgendwas?“, fragte Miyako besorgt, nachdem für eine Weile Stille in der Leitung herrschte.

„Ich glaube…“, setzte die Angesprochene an, „Ich habe ihn gesehen…!“

Mit einem Schlag wurde die Stimme ihrer Freundin ernst. Sie verstand sofort von wem Maron sprach. „Wo? Wo hast du ihn gesehen?“

„Im Restaurant, wo Chiaki mich ausgeführt hatte.“

„Unmöglich. Er sollte doch in Frankreich sein. Vor einem Jahr hatte er doch Japan verlassen! Und sollte in naher Zukunft auch nicht wieder zurückkehren.“

„Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, denn in der nächsten Sekunde war er verschwunden.“, versuchte Maron sich zu beruhigen. Vergebens. „Aber die letzten Tage fühle ich mich schon so, wie als werde ich verfolgt.“

„Okay…Bevor wir irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehen, sollten wir mit meinem Vater reden.“, schlug Miyako vor

„Okay.“

„Wenn du wieder irgendwas Verdächtiges beobachtest, dann gib mir sofort Bescheid.“

„Werde ich machen. Oh, übrigens…“, Maron fiel wieder ein, was Chiaki ihr vor wenigen Minuten an der Tür gesagt hat. „Du brauchst mich am Montag nicht zu fahren.“

„Ich weiß Bescheid. Habe gerade eine SMS von deinem Lover bekommen.“, kicherte Miyako in den Hörer hinein.

„Er ist nicht mein Lover!“, sagte Maron. Ihre Freundin kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen.

„Ich wünsche mir jetzt, ihr hättet euch nie kennengelernt. Gute Nacht.“, verdrehte die Braunhaarige mit den Augen und legte auf.

Im selben Moment kam Fin durch das Fenster reingeflogen.

„Maron! Bin ich froh! Du bist alleine zu Hause! Ich hatte schon Angst, ich müsste draußen übernachten, oder so, weil du Männerbesuch hättest.“ Die Diebin schaute ihren Engel entgeistert an.

„So denkst du über mich schon?“

„Hätte ja sein können…Man weiß ja nie! Und wie war’s?“

Ohne auf die Frage einzugehen, ging Maron ins Schlafzimmer und knallte die Tür zu.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KagomeKizu
2020-05-24T16:29:57+00:00 24.05.2020 18:29
Das war wieder ein sehr schönes Kapitel.
Und Chiaki kann ja auch ganz anders, das finde ich schön.

Hatte ich ja doch gar nicht so unrecht mit dem Stalker, oder was der Typ auch immer ist. Exfreund?
Das wird sicher noch spannend.

Glg Kago
Antwort von:  mairio
24.05.2020 18:46
wer mr stalker ist wirst du schon erfahren :)

LG
Von:  Demonic-Cookie
2018-08-24T22:59:38+00:00 25.08.2018 00:59
Ich mag deine Story wahnsinnig gerne :)
Du schreibst wirklich super gut... humorvoll, aber auch spannend und gefühlvoll.
Freue mich jedes Mal, wenn ein neues Kapitel erscheint, also bitte schnell mehr davon <3
Antwort von:  mairio
25.08.2018 08:40
Vielen lieben Dank!! Das freut mich sehr :) Hoffe dir gefällt die Story weiterhin, wenn die nächsten Kapitel rauskommen.


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