Kirschblütenzauber von Sas-_- (Harry | Hermine) ================================================================================ Kapitel 4: Shimahebi -------------------- Harry öffnete seinen Mund, wusste nicht was er sagen sollte, denn er hatte keine Ahnung was eigentlich passiert war, weshalb er ihn wortlos wieder schloss. War das ... der Wolf? Hatte der Wolf gerade gesprochen?! Im Gang flammten einige Laternen wieder auf und der Mann trat aus den orangefarbenen Schatten in den Schlafraum hinein. Das dämmerige, flackernde Licht im Hintergrund erweckte bei Harry den Eindruck, als stünde der Flur im Flammen – was Harry auch nicht mehr sonderlich überrascht hätte. "Wo ist dein Zauberstab, Junge?!", fragte der Mann urplötzlich mit gepresster Stimme. Harry zuckte heftig zurück, dabei wich er einige Schritte zurück und wäre beinahe über einen seiner schlafenden Mitschüler gestolpert. "Äh ... mein ... mein Zauberstab ist im Schrank ...", antwortete er mit krächzender Stimme. "Du solltest ihn immer bei dir tragen!", knurrte der Wolf leise, während er sich neben dem Mann hinsetzte und Harry mit seinen unergründlichen Augen fixierte. "Wer sind Sie ...? Und was war das für ein ... Ding?!" Harry hatte große Schwierigkeiten, seine Gedanken zu ordnen. Wieso tauchte eine alte Frau vor dem Schlafraum auf und wer war dieser Mann mit dem eigentümlichen Wolf? Zudem wusste Harry nicht, vor wem er sich jetzt fürchten sollte und das schlimmste für ihn war – er hatte noch immer keinen Zauberstab! "Kageyama Shinya ist mein Name. Ich nehme an, du bist Harry Potter." Der Mann, der offenbar Kageyama hieß, musterte Harry von Kopf bis Fuß und blieb kurzzeitig an Harrys blitzförmige Narbe hängen. "Und das hier ist mein Okami." Kageyama wies auf den Wolf neben sich, der schweigend blinzelte. "Wer sind ...?" "Ich bin Lehrer. Mein Okami hat etwas gewittert, das hier nichts zu suchen hat. Und wie ich sehe, bist du der Grund dafür, warum es überhaupt erst auftauchen konnte." Ich?!, dachte Harry entsetzt, ehe ihm kurz darauf einfiel, dass er gar nicht wusste, was der Mann damit überhaupt meinte. Der riesige Wolf, der die Schulterhöhe eines achtjährigen Kindes hatte, kam wieder auf die Pfoten und lief lautlos zu Harry hinüber. Harry hielt den Atem an und ließ den Wolf, voller Anspannung, nicht aus den Augen. Sein Herz hämmerte so laut in seiner Brust, dass Harry sich sicher war, dass der Wolf es hören musste. Was hatte er vor?! Doch das Tier stieß mit seiner Schnauze lediglich gegen Harrys Hand in der er noch immer das Blatt hielt. "Ich fress dich schon nicht", murmelte der Okami ihm kaum hörbar zu. Kageyama machte einen Schritt auf Harry zu, griff nach dessen Hand und öffnete sie. Harry stand wie versteinert da und ließ es einfach mit sich geschehen. Er hatte keine Ahnung, warum dieser Lehrer und sein Wolf sich so sehr für ein Blatt interessierten, das er nur zufällig aufgehoben hatte. Kageyama nahm das Blatt aus Harrys Hand und hielt es ihm vors Gesicht. "Das ist ein Zedernblatt", sagte er mit gewichtiger Stimme und sah Harry ernst an. Offenbar sollten diese Worte Harry irgendwas sagen, taten sie aber nicht. Verständnislos pendelte sein Blick zwischen dem Blatt und dem Gesicht des Mannes hin und her. Kageyama stöhnte auf. "Das kann doch nicht wahr sein!" "Ich hab doch gesagt, dass Hamada es vergeigt", sagte der Wolf zerknirscht. "Also ... Was ist denn mit dem Blatt ...?" Kageyama ignorierte Harry und platzierte das Blatt wieder vor der Fusuma, wo Harry es ursprünglich gefunden hatte. Dann richtete der Lehrer sich wieder auf. "Nicht anfassen, kapiert? Einfach liegen lassen! Und jetzt geh wieder schlafen!", sagte Kageyama leise ihm und wies auf dessen Futon. "Aber was ist passiert, wieso ...?" "Hamada-kun darf dir das morgen alles haarklein erklären, nachdem er es offenbar versäumt hat, dich und deine Kameraden auf ein paar grundlegend wichtige Dinge hinzuweisen." Bei dieser Ansprache betonte Kageyama die Worte versäumt und grundlegende wichtige Dinge und schien sehr darum bemüht seine Stimme nicht nur leise, sondern auch ruhig zu halten. Harry wusste noch immer nicht wie ihm geschah, als Kageyama mit seinem Okami den Schlafraum verließen und der Lehrer mit einem Wink seines Zauberstabs die Fusuma zugleiten ließ. Verdattert, noch immer ziemlich verschreckt und vor allem extrem verwirrt, stand Harry verständnislos im Schlafraum und bewegte sich für gut eine Minute nicht vom Fleck. Was war das denn gerade?! Er fasste sich gerade an die Stirn und rieb sie sich, als – "Potter?" Harry sprang vor Schreck beinahe in die Luft, als er eine leise Stimme hinter sich hörte. Panisch drehte er sich um und griff aus Gewonheit in seine Hosentasche wo sich noch immer kein Zauberstab befand. Doch es war nur Theodore, der hinter Harry stand und ihn mit gerunzelter Stirn ansah. "Wer war der Typ mit dem Wolf?!" "Äh, ein Lehrer", antwortete Harry ausdruckslos. "Was macht ein Lerher mitten in der Nacht hier?!", wollte Theodore irritiert wissen. "Also ... ich weiß nicht so genau. Ich hab das Blatt da", Harry zeigte auf das Zedernblatt, "aufgehoben und so wie's aussieht, hätte ich das nicht tun dürfen ..." Theodore beäugte das Blatt, dann wieder seinen Mitschüler. "War ja klar!" "Bitte?! Was war klar?!", wollte Harry gereizt wissen. So langsam erholte er sich von seinem Schreck und gestresster Zorn machte sich in ihm breit. "Dass du gleich in der ersten Nacht Mist baust, Potter, das war klar! Mit dir kann man echt nirgendwo hingehen – peinlich ist das!" "Ey!" Aber zu großen Wiederworten sollte Harry nicht kommen. Theodore drehte sich aalglatt um und verkroch sich wieder unter seine Decke. Frustriert folgte Harry Theodores Beispiel und legte sich wieder schlafen. Leider spukten die jüngsten Ereignisse noch äußerst lebhaft in seinem Kopf umher und es fiel ihm schwer, wieder einzuschlafen. Fast eine Stunde lag er wach da, ehe die Müdigkeit endlich wieder Einzug hielt. ꕥꕥꕥ Allgemeines Gemurmel und geschäftiges Treiben holten Harry langsam, aber beständig aus seinem Schlaf. Als er sich gerade die Augen rieb und anschließend nach seiner Brille tastete, rüttelte ihn bereits jemand sachte an der Schulter. "Bin wach, bin wach ...", murmelte Harry schlaftrunken und richtete sich, mit schief sitzender Brille, auf. Hiro saß in der Hocke neben ihm und schaute ihn schuldbewusst an. Harry schaute verdutzt zurück. "Öh ... Alles klar mit dir?" Hiro reagierte nicht auf Harrys Frage, er blies nur die Wangen auf und schwieg eine kurze Weile, ehe er zu sprechen anfing. "Ich ... hab da was verdaddelt ..." Harry saß verständnislos da, er begriff nicht, was Hiro meinte. Nachdem Hiro ein Weilchen verlegen den Boden gemustert hatte und Harry ihm dabei verdutzt beigewohnt, brach Hiro das Schweigen endlich, um sich zu erklären: "Ich hab euch nicht gesagt, was es mit dem Zedernblatt auf sich hat." Schlagartig fielen Harry mit diesen Worten auch die Ereignisse von letzter Nacht ein. In Sekundenbruchteilen trudelten zig Fragen in seine Gedanken ein und Harry hätte sie am liebsten alle auf einmal gestellt, doch Hiro ließ ihn nicht zu Wort kommen und bedeutete Theodore und Morag ebenfalls zu ihm zu kommen. "Okay, es ist so ... Dieses Zedernblatt ist wichtig, es dient als Schutzzauber vor Amazake-babaa." "Kenn ich, hab ich schon viel gehört von", warf Theodore mit kühlem Gesicht ein. "Ach, echt?!", fragte Hiro überrascht nach. Theodore rollte nur mit den Augen. "Na klar, was denkst du denn ..." "Oh, verstehe ... Ja, also, Amazake-Babaa ist eine böse Kreatur, die in Form einer alten Frau vor Türen auftaucht und nach Amazake bittet ..." "Amazake, ist das dieses Getränk, das man aus fermentierten Reis gewinnt?", wollte Morag wissen. Hiro nickte. "Richtig. Amazake-Babaa interessiert sich aber eigentlich gar nicht für Amazake. Das ist nur ein Vorwand. Es beherrscht einen schwarzen Zauber. Wenn man ihr antwortet, dann wird man sehr, sehr krank. Das macht es Amazake nämlich einfacher, einen zu überwältigen." Harry verzog schaudernd das Gesicht. Er war heilfroh, dass er gestern vor Angst und Panik kein einziges Wort aus sich herausgebracht hatte. Hiro schien derselben Meinung zu sein, da er Harry besorgt ansah. "Tut mir echt leid", sagte Hiro und verbeugte sich vor Harry, "das hätte total dumm ausgehen können! Ich hab von Kageyama-sensei auch eine Menge Ärger dafür bekommen ..." "Jetzt mal was anderes: wie ist das Ding überhaupt hier reingekommen?! Ich dachte, Mahoutokoro hat starke Schutzzauber?!" Theodore sah Hiro abfällig an, hier in eventueller Gefahr zu sein, schmeckte ihm offenbar gar nicht. "Das ist es ja, es hätte gar nicht hier sein dürfen! Aber offenbar ist es gestern beim Schülertausch reingeschlüpft! Das Zedernblatt hätte es problemlos aufgehalten ..." "Nur ich hab's aufgehoben", beendete Harry Hiros Satz, seufzte tief und rieb sich die Stirn. Theodore hatte irgendwie recht, er war ein Großmeister im Mist bauen, selbst dann, wenn er es gar nicht vor hatte. Hiro legte eine Hand auf Harrys Schulter. "Das ist doch nicht deine Schuld!" "Nein, gar nicht. Er hat's ja nur aufgehoben und dieses Monster in den Schlafraum gelassen ...", nuschelte Theodore gehässig, Harry funkelte ihn zornig. "Harry wusste nicht, was es mit dem Blatt auf sich hatte, das hätte jedem passieren können", hielt Hiro höflich dagegen. "Ja und mit jedem meinst du uns drei", schlussfolgerte Theodore schmallippig. Hiro antwortete darauf nicht, er richtete sich auf und meinte nur noch, dass sie sich jetzt dringend fertig machen müssten, damit sie nicht zu spät zum Frühstück kämen. Doch Harry hatte noch weitere Fragen: wer genau war Kageyama und was zum Henker ein Okami, dieser Wolf, den Kageyama bei sich hatte? Aber Hiro verließ den Raum und Harry und seine Kameraden beeilten sich, dass sie sich umzogen und ihren neuen Mitschülern zum Speisesaal folgten. Harry, Theodore und Morag verließen das Bad und Harry entging nicht, dass seine japanischen Mitschüler neugierig seinen Umhang beäugten, der leider nicht so golden war, wie Harry es gerne hätte. Harry enting auch nicht, dass einige Schüler überrascht und sogar enttäuscht waren. Scheinbar hatten sie erwartet, dass Harrys Umhang wesentlich goldener sein müsste und Harry konnte es ihnen nicht verdenken – er hätte wohl dasselbe erwartet, wäre er an ihrer Stelle gewesen. "Hogwarts ist ja schon so eine Sache für sich! Erst der dreiköpfige Hund und dann auch noch ein Basilisk, abgesehen davon, dass im Moment Dementoren um das Hogwarts-Gelände streifen! Es ist eine Schande, dass ich nicht sagen kann, meine Schule wäre sicherer, aber trotzdem ...!", fauchte Theodore unterwegs leise Morag und Harry zu und machte dabei ein finsteres Gesicht. "Nun, wir werden nunmal auf das Leben als Hexen und Zauberer vorbereitet. Da draußen gibt es auch nicht immer Schutzzauber", meinte Morag geringschätzig. "Pf, mag schon sein, McDougal. Aber wenn ich einen Job im Ministerium kriege und das erste, das mir entgegenkommt, ein Drache ist, dann krieg ich Anfälle!" "So einen wie jetzt?" Harry konnte sich das Sticheln nicht verkneifen, wo doch Theodore bei sich jeder bietenden Gelegenheit einen dummen Spruch vom Stapel ließ. "Klappe, Potter! Eine Nacht in Mahoutokoro und du bringst uns alle um!" "Zu seiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass er den Basilisken zur Strecke gebracht hat. Ich finde, Harry hat was gut", sagte Morag und zwinkerte Harry amüsiert zu. Sie kamen am Speisesaal an, zogen ihre Schuhe aus und gesellten sich, genau wie gestern, zu Hermine, Susan und Machiko, die bereits auf sie warteten. Hermine sah etwas blass aus. Kaum, dass Harry saß, beugte sie sich zu ihm vor und griff besorgt nach seinem Handgelenk. "Harry, ich hab das von Amazake-Babaa gehört! Geht's dir gut?!" "Da er zur Abwechslung auf den Mund gefallen ist, ja", antwortete Theodore eisig für Harry. Das war wohl die Rache für Harrys Stichelei. Harry ignorierte ihn genervt und konzentrierte sich auf seine Freundin. "Alles bestens. Ein Lehrer kam dann und hat sich drum gekümmert. Apropos" Harry richtete sich an Hiro, "dieser Mann, Kageyama. Wer ist das genau?" "Kageyama Shinya, er ist Lehrer für verschiedenes, wie die meisten hier. Wir haben sehr viele Schüler, da kann sich ein Lehrer den Luxus nicht leisten, nur ein Fach zu unterrichten", erklärte Hiro, ehe er weiter ausführte, wer Harry nachts den Hals gerettet hatte. "Er unterrichtet hauptsächlich Pflege magischer Geschöpfe, gibt Leistungskurse in Verteidigung gegen die dunklen Künste und Nachhilfe in beiden Fächern." "Das Frühstück", sagte Machiko unvermittelt und auf dem Tisch tauchten die unterschiedlichsten Speisen auf. Nichts davon hatte Harry als Frühstück erwartet, eher als Mittagessen. Auf dem Tisch tauchten Platten mit eingelegten Gemüse, viel Fisch, Schüsseln mit Reis und Eiern in verschiedensten Formen auf. Und – wer hätte es gedacht – auch Suppe war wieder mit dabei. Machiko hob ihren Zauberstab, sieben Schüsselchen erhoben sich in die Luft und platzierten sich vor jedem einzelnen. "Das ist Umeboshi, die essen wir immer zuerst", erklärte Machiko, während Harry seine eingelegte, grüne Pflaume betrachtete. Mit den Stäbchen fischte jeder seine Umeboshi heraus. Vor allem Theodore hatte die meisten Probleme, seine Pflaume aus der Schüssel zu bekommen und Harry konnte sich seine Genugtuung darüber nicht verkneifen, während er seine eigene bereits aß. Kaum war sie in seinem Mund, gab er sich große Mühe, keine Miene zu verziehen. Umeboshi schmeckte ziemlich ungewöhnlich für ihn. Auf seiner Zunge machte sich ein salziger Geschmack mit einer sauren Note breit. Wach war er nach dieser Pflaume alle mal, es schüttelte ihn sogar leicht. Nach Umeboshi überlegte Harry, was er als nächstes versuchen sollte – vor allem, um diesen Geschmack wieder loszuwerden – und tat sich einen geräucherten Fisch auf seinen Teller. "Denk dran, dass die viele Gräten haben", erinnerte Hermine ihn und füllte ihre Schüssel mit Suppe. "Wie ist die Nacht sonst bei euch verlaufen?" Harry fieselte mit an seinem Fisch herum, der wirklich viele, viele Gräten hatte. "Äh, ganz gut. Ich hab erst prima geschlafen, dann wegen der Amazake-irgendwas gar nicht mehr und danach hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder schlafen konnte. Ansonsten war es okay, ungewohnt halt." "Unsere Nacht war ziemlich ereignislos. Weißt du schon, welche Kurse du wählst?", fragte Hermine und probierte ihre Suppe, die ihr offenbar schmeckte. Harrys Fisch war auch nicht schlecht und mit dem ganzen Reis wurde er schneller satt als gedacht. "Kurse?" "Hiro-kun, hast du ihnen von den Kursen noch nicht erzählt?", fragte Machiko ihren Mitschüler überrascht. "Oh, ja ..." Hiros Wangen färbten sich leicht rosa und er hörte auf sein Gemüse zu essen. "Nein, ich kam wegen dem nächtlichen Besuch und der dazugehörigen Erklärung noch nicht dazu." "Verstehe. Wie in Hogwarts auch, gibt es in Mahoutokoro, abgesehen vom regulären Unterricht, bestimmte Kurse die man wählen kann. Nachhilfe- und Leistungskurse sind allerdings freiwillig. Nach dem Frühstück werden Hiro-kun und ich euch jeweils eine Liste geben. Dort kreuzt ihr an, welche Kurse ihr besuchen möchte", erklärte Machiko trocken. Hermine hatte sofort eine Frage: "Gibt es irgendein Limit bei den Kursen?" Machiko zog die Augenbrauen hoch. "Das ist deine Entscheidung. Du musst genügend Zeit für alles haben. Wenn du zum Beispiel nicht mehr zum Lernen kommst, war es offenbar nicht optimal." "Und schlafen willst du vielleicht auch noch", fügte Theodore schief grinsend hinzu, der mit seinem Stäbchen ein Stück Rettich aufzunehmen versuchte, jedoch hatten seine Versuche eher etwas von Mordanschlägen an sich. Hermine strich sich ihre buschigen Haare aus dem Gesicht und blickte Theodore fest ins Gesicht. "Ich bin ambitioniert, Nott." "Das bin ich auch. Aber ich weiß, was das Wort ausgelastet bedeutet ..." Nach diesem unangenehmen Wortwechsel herrschte erst einmal Stille, zudem waren die Hogwarts-Schüler ohnehin damit beschäftigt, ihr Essen in ihre Münder zu befördern und sich an die ungewohnten Speisen zu gewöhnen. Nachdem das Frühstück beendet war, verließen Hiro und Machiko mit ihren Schützlingen den Speisesaal und erklärten, dass sie sie in die Bibliothek der Schule bringen würden. Als sie ihre Schuhe an ihren Füßen hatten, bedeutete Machiko, dass sie ihnen folgen sollten. "In der Bibliothek könnt ihr euch in Ruhe für eure Kurse entscheiden. Wir haben das Zeitlimit auf 45 Minuten erst mal gesetzt, wenn ihr mehr Zeit braucht, müsst ihr das nur sagen." Harry flüsterte Hermine leise zu: "Noch mehr Zeit als eine dreiviertel Stunde?!" Hermine schüttelte kaum merklich den Kopf, als sie den Flur betraten. "Das ist eher eine Höflichkeitsfloskel. Wir sollen gar nicht so lange brauchen ..." Am Flur zweigte ein weiterer Flur ab, der sie alle nach draußen zu einem kleinen Innenhof brachte, wo sich ein kleines Gärtchen befand. In seiner Mitte stand ein alter, prächtiger Kirschbaum, der gerade in voller Blüte stand. Der Weg, der um den Garten herumführte, war nach innen versetzt, so dass durch das Gebäude eine Überdachung ergab. Machiko und Hiro umrundeten gerade den Garten, als jemand aus einer Fusuma trat, die an der Seite des Gebäudes eingelassen war. Harry erkannte ihn nicht gleich, sah dann aber, dass es der Lehrer war, der ihn und seine Kameraden im Empfang genommen hatte. "Hiro-kun ..." Hiro antwortete dem Lehrer sofort, jedoch verstand Harry kein Wort, da sie sich auf Japanisch unterhielten. Dennoch sah er, dass Hiro sehr aufgeregt, wenn nicht sogar aufgebracht war, während der Lehrer ihm schweigend zuhörte. Kam es Harry nur so vor, oder sahen Hiro und dieser Mann sich ähnlich? War es Zufall, dass sie beide Hamada mit Nachnamen hießen? Harry hatte in seiner Klasse auch einen Jungen gehabt, der ebenfalls den Namen Potter trug hatte – Hamada könnte als Nachname ja ebenso häufig vertreten sein. Schließlich sprach Hamada-sensei mit leiser Stimme zu Hiro und legte seine Hand kurz auf dessen Schulter, dann wandte er sich an die Hogwartsschüler. "Auf dem Weg zur Bibliothek, nehme ich an?" "Ja, sie sollen ihre Kurse wählen", antwortete Machiko kurz angebunden, während ihr Blick den Weg entlang glitt. Hamda-sensei nickte ihnen allen freundlich zu ehe er sie durch dieselbe Fusuma verließ, durch die er gekommen war. Machiko lief sofort weiter und alle folgten ihr. Harry sah zu dem Garten hinüber und bemerkte, dass um die Blüten herum lauter kleine, buntschillernde Kolibris schwirrten, die blitzschnell ihre Schnäbel in die Blüten versenkten und dann zur nächsten weiterflogen. "Sie sind nicht echt, oder? Das ist ein Aves-Zauber, hab ich recht?", fragte Hermine, die die Kolibris ebenfalls gesehen hatte. "Ja, das stimmt", antwortete Machiko. Harrys begeisterter Blick war ihr nicht entgangen, sanft lächelte sie ihn an. Zum ersten Mal hatte Harry den Eindruck, dass Machiko tatsächlich lächelte –, sich ehrlich über etwas freute, das sie berührt. Machiko drehte sich zu Harry und Hermine um. "Sie sind wunderschön, obwohl es nur ein Zauber ist, findet ihr nicht?" Harry nickte und folgte Machikos Blick, sie war sogar stehen geblieben, dabei hatte sie es vorhin noch so eilig gehabt. Hiro stellte sich neben Harry und Hermine und deutete auf einen kleinen, rotschwarzen Kolibri, der hektisch umher sauste. "Den da hab ich gezaubert!" Der Kolibri schoss hoch in die Luft, machte eine scharfe Kurve und ... knallte gegen den Baum. "Äh ... ich übe noch ...", sagte Hiro und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Ich find ihn trotzdem toll", sagte Harry und meinte es auch so, obwohl der Kolibri noch immer hartnäckig gegen den Baum donnerte und dabei laut und zornig zwitscherte. "Er ist eben wie Hiro, will unbedingt mit dem Kopf durch die Wand", meinte Machiko und lächelte ihren Mitschüler amüsiert an. "Wie sagt man so schön? Wie der Herr so's Gescherr ..." Hiro lächelte ebenfalls, nur blickte er dabei zu Boden, als hätte er Schwierigkeiten, Machiko ins Gesicht zu sehen. Susan stupste Hiro leicht in die Seite. "Kannst du mir zeigen, wie man die macht?" "Das ist fortgeschrittene Magie, Susan. Das lernen wir erst in der sechsten Klasse ...", erklärte Morag ihr sofort und schüttelte den Kopf, um Susans Chancenlosigkeit zu unterstreichen. Susan verzog nur leicht den Mund. "Das muss nicht heißen, dass ich es nicht kann." "Klar kann ich dir das mal zeigen. Aber erinner mich dran, ich vergess das vielleicht, hab immer viel um die Ohren." "O wenn du das machst, dann wäre ich gern dabei!", klinkte Hermine sich sofort begeistert mit ein. "Wir müssen jetzt aber weiter", unterbrach Machiko höflich die Unterhaltung und ging wieder voraus. Als sie weiterliefen, fiel Harry wieder ein, was er Hiro vorhin fragen wollte. "Hiro, dieser Lehrer, Hamda-sensei –" "– ist mein Bruder, ja." "Echt?!" Harry hatte sich das zwar irgendwo gedacht, aber dann doch nicht so recht damit gerechnet. "Ja, echt" Hiro lachte und zuckte mit den Schultern, "und es ist nicht immer lustig, sag ich dir gleich! Nii-san will unbedingt, das ich was aus mir mache, dass ich meinen Grips für was ganz Tolles nutze ..." "Und was willst du?", fragte Hermine ehrlich interessiert. "Es gibt da schon etwas, das ich gern machen möchte ... aber das steckt noch in den Kunderschuhen ...", murmelte Hiro und runzelte die Stirn. "Ansonsten ... möchte ich mein Leben genießen – so wie es ist." "Hiro-kun sieht das alles sehr entspannt", pflichtete Machiko ihm bei. Sie erreichten eine der Fusuma, die sich von selbst öffnete als sie sich ihr näherten, anschließend betraten sie einen sehr großen Raum. Auch hier war alles in hellbraunes Holz gekleidet und Laternen schwirrten lautlos durch die Luft. Lediglich über Arbeitsplätzen schienen sie fixiert zu sein und verharrten dort regungslos. Hermines Gesicht begann sofort zu strahlen, als sie sich in der Bibliothek umsah. "Die ist wirklich schön! Ich meine, unsere in Hogwarts ist auch hübsch, aber die hier gefällt mir!" Theodore, Morag und Susan blickten sich ebenfalls schweigend um. Theodore hatte wohl kein besonderes Interesse an diesem Ort, Morag schien aber genauso angetan wie Hermine und Susan musterte neugierig ein Buch, das aufgeschlagen auf einem Arbeitstisch lag. "Ich finde diese Schrift echt interessant", murmelte sie Morag kaum hörbar zu. "Das sind Kanji und die japanische Silbenschrift." "Wenn du das sagst ..." "Ihr könnt euch gern erst einmal umsehen", schlug Machiko vor. Sofort wuselte Hermine davon und Harry beeilte sich, ihr dicht auf den Fersen zu folgen. Er hatte keine Angst davor irgendwo alleine zu sein, aber das hier war eine Bibliothek in der Harry nichts lesen konnte und da kann es ja nicht schaden, in der Nähe der Person zu bleiben, die es zumindest vielleicht konnte. Die Bücherregal waren hauptsächlich in die Wände eingelassen worden, in einigen Abständen befanden sich verschiebbare Leitern, die es einem ermöglichen sollten, auch an die obersten Bücher heranzukommen. Weiter hinten befand sich ein Tresen, hinter dem ein Mann Mitte 30 saß, der Bücher mit Zaubern bearbeitete. Er trug einen kurzen Bart und schien ganz in seine Arbeit versunken. Hermine steuerte direkt auf ihn zu und fragte ihn sogleich, was für Bücher sie hier hätten, wie viele es seien, ob sie sie ausleihen durfte und noch vieles mehr. Der Bibliothekar beantwortete jede Frage in stoischer Gelassenheit und zauberte unterdessen einfach weiter, was Hermine natürlich zu der Frage bracht, was das für Zauber waren, die er da anwandte. "Schutzzauber. Damit sie keiner klaut, damit sie nicht schmutzig werden, damit man sie nicht öffnen kann, wenn man es nicht lesen soll und noch einige mehr, die ich dir nicht verraten darf", erzählte der Bibliothekar verschmitzt. "Das ist ja toll! Richtig, da fällt mir ein – die Bücher, wie kann ich die denn lesen?" Harry rieb sich das Gesicht; wenn das so weiterging, bräuchten sie vermutlich tatsächlich die gesamten 45 Minuten, um sich für ihre Kurse zu entscheiden! "Die Bücher sind mit einem Zauber prepariert, die dir die Möglichkeit geben, die Schrift in deine Sprache umzuwandeln." Der Bibliothekar nahm ein fertig bearbeitetes Buch, sagte Hermine und Harry den Zauber "Interpretari", tippte es an und siehe da – schon war es auf Englisch. Dabei veränderte das Buch sogar die Form. "Wieso wächst das?!", wollte Theodore sofort wissen, der sich hinter Harry und Hermine herumgetrieben hatte. "Weil Sprachen unterschiedlich viel Platz brauchen. Mal werden es mehr, mal weniger Seiten." "Da stecken Sie ja." Der ganze Pulk blickte vom Buch auf und bemerkte eine Frau, gekleidet in einem dunkelblauen Umhang, die sich schnell dem Tresen näherte. "Sie sollten mich doch vor einer halben Stunde ablösen!" Der Mann runzelte die Stirn, während er das Buch wieder in seine Urform zurückzauberte. "Ach so, jaah ..." Die Dame öffnete die kleine Tür des Tresen, schob den Bibliothekar hinaus und setzte sich an dessen Platz. "So, wie kann ich euch Lieben denn weiterhelfen?", fragte sie anschließend breit lächelnd, während ihr Kollege seine Uhr suchte, fand, feststelle wie spät es war und dann gelassen den Raum verließ. "Äh, ich glaube, ihr Kollege hat uns schon alles ganz gut erklärt, wir sollen eigentlich –" "Würdet ihr mir bitte folgen? Ihr könnt euch da hinten hinsetzen und dann in Ruhe eure Kurse wählen", rief Machiko der Gruppe zu und deutete auf einige Tische im hinteren Bereich. Nachdem sich alle gesetzt hatten, verteilten Machiko und Hiro an jeden eine Liste, auf denen die verschiedenen Kurse aufgelistet waren sowie die Tages- und Uhrzeiten, die Harry verrieten, wann sie stattfanden. Harry überflog seine Liste kurz und schaute dann zu Hermine auf. "Okay, was nimmst du?" "Harry, du sollst nicht einfach das nehmen was ich nehme!" "Potter braucht dich doch, Granger! Es wäre nur dumm von ihm, einen anderen Kurs zu wählen als du. Dann hat er ja keinen mehr, der ihm alles dreimal wiederholt, bis er's kapiert ..." Theodore machte sich also wieder daran zu sticheln, ehe er sich wieder mit seiner Liste beschäftigte und so tat, als wäre Harry keines Blickes würdig. "Hermine wiederholt nichts für mich, sie erklärt es. Und zwar sehr gut. Von ihr hab ich in Zaubertränke schon hundertmal mehr gelernt als von diesem Ekel Snape", giftete Harry zurück, doch Theodore ignorierte ihn einfach und war schon mit Ankreuzen beschäftigt. Als Harry sich wieder Hermine zuwenden wollte, saßen plötzlich Morag und Susan ebenfalls an ihren Tisch. "Äh, ich möchte echt nicht irgendwo alleine sein ...", meinte Susan verlegen und schielte auf Harrys Liste, die noch leer war. Morag räusperte sich. "Was ist, wenn nicht alle so gut Englisch sprechen? Mindestens mit einem Hogwarts-Schüler möchte ich in den Kursen schon sein." "Ach, und wieso gehst du nicht zu Nott?", fragte Harry Morag und lachte dabei leise. "Weil Slytherins hinterhältig sein können und ich keine Lust hab, dass Nott mich blöd dastehen lässt!", flüsterte Morag Harry leise zu. Theodore blickte sofort auf. "Das hab ich gehört, MacDougal!" Morag zuckte nur mit den Schultern. "Hey, Nott! Sieht aus, als könnten alle darauf verzichten, mit dir in einem Kurs zu sein!" Dem konnte Harry einfach nicht wiederstehen und er musste zugeben, es machte unheimlich viel Spaß, Theodore reinzuwürgen, dass niemand erpicht darauf war, mit ihm alleine zu sein. Theodores Gesicht wurde bleich vor Zorn. "Ich brauche keine Ravenclaws und Hufflepuffs, die um mich herumschleichen! Ich komm super ohne euch zurecht, immerhin bin ich kein ..." Theodores Blick wanderte kurz zu Hermine, die allerdings ihre Liste begutachtete und es gar nicht mitbekam. Harry verstand allerdings sofort, worauf der Slytherin hinaus wollte und war schon halb dabei, von seinem Platz loszuhechten, als Morag ihn an der Schulter zurückhielt. "Nein, nicht." Er beugte sich zu Harry vor und wisperte: "Nicht hier." Ehe er dann leise kicherte und sich wieder zurücklehnte. Harry warf noch einen letzten, wütenden Blick zu Theodore, dann versuchte er sich wieder auf seine Liste zu konzentrieren. Er las sich durch, was denn nun alles zur Auswahl stand: einige Kurse kannte er auch aus Hogwarts, andere warem ihm jedoch völlig neu, wie zum Beispiel Zauberstabkunde, Fremdsprachen, Verteidigungskurs, selbst Quidditch war hier ein eigener Kurs an dem offenbar jeder teilnehmen konnte, selbst wenn man nicht Teil des Teams war! Den kreuzte Harry sofort an, auch wenn er wusste, dass er da nicht auf Hermine würde zählen können, aber Quidditch war etwas, das er sicher ohne Hermine schaffen würde. Neben weiteren bekannte Kursen wie Pflege magischer Geschöpfe, Wahrsagen, No-Maj-Kurs und Arithmantik, gab es auch Bogenschießen und Kunst. Ständig verlor Harry den Überblick, welcher Kurs an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten statt fand. Erneut wanderte sein Blick zu Hermine hinüber, die auf ihrer Unterlippe herumkaute und sich offenbar mit Pflege magischer Geschöpfe und Zauberstabkunde auseinandersetzte. "Die beiden Kurse kann ich nicht zugleich nehmen, weil dann schon der und der Kurs da statt findet, das ist echt schade ... Welchen würdest du nehmen, Harry?" "Pflege magischer Geschöpfe." "Aber das haben wir auch in Hogwarts! Wäre es nicht klug, einen Kurs zu wählen, den es bei uns nicht gibt?", hakte Hermine nach und sah Harry hin- und hergerissen an. Harry dachte kurz darüber nach. "Na ja, wenn ich was nehme, das es in Hogwarts auch gibt, dann kann ich da nicht so schlimm versagen ... Ich meine, schau dir Bogenschießen an. Ich wette, das ist nichts für mich." "Kunst, unbedingt! Nimmt einer von euch Kunst? Bitte sagt ja!", bettelte Morag und schaute großäugig in die Runde. Hermine schüttelte den Kopf. "Lieber nicht, da war ich schon in der Muggelschule ganz furchtbar drinnen und da musste ich." "Tja, also ..." Harry sog die Luft zischend ein. "Man kann erkennen, was ich zeichnen möchte, aber ob das gut ist ..." "Ich nehm Kunst", meinte Susan plötzlich und machte ein Kreuz. Morag seufzte erleichtert. "Nimmt einer von euch Zauberstabkunde?", fragte Hermine. Morag hob einen Finger, Susan und Harry schüttelten die Köpfe. "Äh, Pflege magischer Geschöpfe? Hermine ist raus, wer von euch beiden ...?", fragend blickte Harry Morag und Susan an. "Bin ich dabei. Mein Onkel hält einen Niffler und den finde ich ja schon cool. Möchte echt gerne wissen, was für Wesen es hier in Asien gibt", sagte Morag begeistert, Harry machte erleichtert ein Kreuz. Susan verneinte leise, sie meinte, sie käme schon mit dem Crup* ihrer Tante nicht zurecht, weshalb das wohl nicht so ihrs sei. "Ist einer von euch in Quidditch?" Auf Harrys Frage hin schüttelten alle verneinend die Köpfe, er seufzte enttäuscht. Er hätte gerne noch einen Hogwartsschüler dabei gehabt. "Sorry, Harry. Ich kann mit Besen zwar ganz gut, aber ich weiß, wie die hier in Mahoutokoro Quidditch spielen! Nein, danke. Ich will in einem Stück zurück nach Hogwarts kommen." Harry schaute Morag verdutzt an. Wie meinte Morag das? Wie sollte man Quidditch denn anders spielen als in Hogwarts?! "Okay, das hab ich dir tatsächlich nicht erzählt", gab Hermine zu. "In Mahoutokoro spielt man nämlich über dem Meer. Das kann zuweilen sehr nebelig und stürmisch sein und es wird trotzdem gespielt! Ganz abgesehen von den Flugzeugen, die hier manchmal auftauchen – da muss man wahnsinnig aufpassen." "Oh wow ... Ich mach's trotzdem. Ist ein gutes Training für Hogwarts!", entschied Harry dennoch. Er liebte das Fliegen auf dem Besen einfach zu sehr, als das ihn irgendwas davon abhalten könnte. Vielleicht war er hier in Mahoutokoro nicht so gut, aber er wollte es unbedingt versuchen! Nach einigem hin und her, hatten sich schließlich alle geeinigt und jeder wusste ungefähr, wer in welchem Kurs war – abgesehen von Theodore, der beleidigt alles mit sich selbst ausgemacht hatte. Machiko und Hiro sammelten die Blätter wieder ein, fertigten eine magische Kopie für jeden an und erklärten ihnen, dass sie jetzt zu ihrer ersten Unterrichtsstunden aufbrechen würden. "Japanische Zaubereigeschichte fängt gleich an, das schafft ihr rechtzeitig", erklärte Machiko, während sie die Bibliothek wieder verließen und zurück in den Innenhof kehrten. Harry seufzte innerlich. Vielleicht war der Unterricht von einem lebendingen Menschen interessanter als der, den er jedes Jahr in Hogwarts ertragen musste. Trotzdem, es war Geschichte und hier musste Harry sich tatsächlich mal Mühe geben, nicht einfach wegzudämmern! Sie kehrten über den Innenhof (Hiros Kolibri attackierte nun einen Ast) dorthin zurück, wo sie hergekommen waren. Die Gruppe begab sich zu einem kleinen Treppenhaus, das sich hier seitlich im Flur befand, folgten im nächsten Stockwerk einem Flur und blieben schließlich vor einer geschlossenen Fusuma stehen. "Der Unterricht fängt gleich an ...", erklärte Hiro. Hermine begann sofort, wild in ihrer Tasche herumzuwühlen – auf der Suche nach Stiften und Papier. "Granger-san, ganz cool bleiben." Hiro lachte auf und klatschte in die Hände. "Ihr könnt euch Notizen machen, aber keiner erwartet von euch irgendwelche Leistungen. Ihr sollt gut zu hören und auf ein paar Fragen antworten können, mehr nicht. Alles andere wäre ja wohl auch etwas viel verlangt, findet ihr nicht?" Das fanden auch alle so und nickten stumm, alle, außer Hermine. Enttäuscht hörte sie auf, in ihrer Tasche zu kruschen. Hiro und Machiko begleiteten ihre Schützlinge in das Klassenzimmer, dann verabschiedeten sich mit der typisch japanischen Verbeugung und verließen den Raum wieder. Harry und seine Kameraden durften zusammen sitzen. Ihre Schreibtische befanden sich nebeneinander in der Form eines Quadrats, sodass vorne und hinten zwei sitzen konnten, vorne war noch ein Tisch für den fünften Schüler reserviert. Da Hermine sich natürlich den vorderen Platz schnappte, fügte sich Harry seinem Schicksal und setzte sich, zusammen mit Morag, ebenfalls nach vorne. Während sie sich also an ihren Plätzen einrichteten, konnte Harry die unzähligen Blicke ihrer japanischen Mitschüler regelrecht spüren. Sein Trost diesmal war jedoch, dass es nicht er alleine war, der angestarrt wurde, sondern seine Kameraden ebenso. Verärgert musterte er seinen rosafarbenen Umhang, dessen wenige Goldsprenkel ihm noch immer das Gefühl gaben, ein ziemlich lausiger Schüler zu sein. Dass die Umhänge seiner Kameraden – mit Außnahme von Hermine und Morag – ebenfalls nicht gerade vor Gold glänzten, tröstete Harry noch immer recht wenig. "Hallo, Potter-san!" Harry blickte von seiner Tasche auf, aus der er gerade ein Notizheft holte und erkannte den Jungen von gestern Abend wieder – worauf Harry stolz auf sich war, denn für ihn sahen die meisten Jungen und Mädchen noch immer ziemlich gleich aus. "Satoshi-kun, du erinnerst dich?", flüsterte der Junge aufgeregt Harry zu und strahlte ihn an. Er hielt ein gefaltetes Namensschild hoch auf dem sein Name auf Japanisch und Englisch stand. Harry nickte. "Ja, klar. Hi, Satoshi-kun. Was gibt's?" Satoshi nästelte nervös an dem Schild herum, während er stockend seine Frage formulierte: "Ich ... wollte nur fragen ... Sag mal, welche Kurse hast du denn gewählt?" Harry kratzte sich am Kopf und dachte kurz darüber nach, ehe er sich dazu entschloss, lieber auf seiner Liste nachzusehen, ehe er in seinem Wust noch was Falsches erzählte. "Äh, Sekunde ... Quidditch auf jeden Fall." "Echt? Ich hab gehört, du bist in Hogwarts richtig gut! Ich bin voll schlecht in Sport, weißt du." Satoshi seufzte leise. Harry zuckte mit den Schultern. "Dafür bin ich in anderen Sachen lausig, die du gut kannst." "Meinst du?" "Klar, wie sieht's denn mit Verwandlung aus?" Satoshi zögerte erst, dann griff er in seine Tasche und holte ein Glas heraus, das er Harry zeigte. Darin befand sich eine Grille. Eine sehr interessante Grille; denn sie hatte noch das Blümchenmuster einer Tasse an sich, aber ansonsten schien es ihr gut zu gehen, denn sie putzte seelenruhig ihre Fühler. "So sieht das dann immer aus. Irgendwie ... ist das mit der Struktur nicht so meins ..." Satoshi lächelte verlegen und packte das Glas wieder weg. Harry reckte Satoshi seinen Daumen entgegen. "Zehnmal besser als meins! Das verwandelt sich nur zur Hälfte, lebt so halb und bringt sich dann immer selbst um!" Die Fusuma glitt schabend auf und ein Mann Ende 40 betrat mit schnellen Schritten den Raum. Satoshi lächelte Harry noch einmal zu, ehe er sich wieder nach vorne drehte. Als der Mann an der Tafel angekommen war wandte er sich seinen Schülern zu, hob seinen Zauberstab und ließ ein Stück Kreide seinen Namen auf Japanisch und Englisch an die Tafel schreiben. "Mein Name ist Kishimoto Masashi. Mein Nachname schreibt sich mit dem Zeichen für Strand und Herkunft und mein Vorname mit Gleichwertig und Geschichte. Wie mein Vorname Masashi auf ironische Weise verrät, bin ich der Geschichtslehrer hier in Mahoutokoro. Ich lehre Altjapanisch und japanische Zaubereigeschichte. Heute befassen wir uns mit Geschichte." Sein Blick wanderte zu den Hogwarts-Schülern. "Ihr fünf habt euch ja gestern beim Abendessen bereits einmal vorgestellt. Trotzdem möchte ich euch bitten, das für meine Schüler noch einmal zu wiederholen." Die kleine Gruppe kam der Aufforderung sofort nach. Sie standen nach der Reihe auf, nannten noch einmal Namen, Alter und Klasse und setzten sich dann wieder hin. Harry fiel dabei auf, dass nicht nur Satoshi, sondern auch alle anderen Schüler Namensschilder aus Papier auf ihren Schreibtischen stehen hatten. Der Lehrer, Kishimoto-sensei, verteilte mittels Magie Arbeitsblätter und begann dann, mit vielen bunten Bildern über die Geschichte der Ninja zu erzählen. "Ninja haben wenig mit dem gemein, was viele von euch heute unter dem Begriff verstehen! Die No-Maj wissen sehr wenig über die eigentliche Kultur der Ninja. Es ist allerdings weithin bekannt, dass sie als Spione eingesetzt wurden und im Verborgenen gearbeitet haben. Hauptsächlich liegt es aber daran, dass Ninja in der Regel Hexen und Zauberer waren. Darauf bedacht, unerkannt und unentdeckt zu bleiben, verbreitete die Zaubererwelt viele Geschichten über Ninja. In Wahrheit jedoch ..." Harry saß an seinem Tisch und bemühte sich darum, sich zu konzentrieren, während Hermine neben ihm hektisch mit ihrer Feder – genau wie die meisten japanischen Mitschüler – versuchte, jedes Wort von Kishimoto-sensei mitzuschreiben. Im Grund war der Unterricht gar nicht so uninteressant. Kishimoto hatte viel Bildmaterial und erklärte alles sehr anschaulich. Hin und wieder stellte er Fragen an seine Schüler oder ließ sie Unausgesprochenes diskutieren. Zum Beispiel sollten sich Schüler überlegen, was genau eigentlich mit Ninjutsu gemeint war. Das Ende der Doppelstunde kam früher als gedacht. Harry streckte sich kurz, packte seine Sachen zusammen und folgte dann seinen Mitschülern zum nächsten Unterrichtsfach. Satoshi gesellte sich sofort neben ihn. "Wir haben jetzt Verwandlung!", erzählte er und klopfte sachte auf seine Tasche, in der sich noch immer die Grille befand. Harry tastete aus Gewohnheit nach seinem Zauberstab und freute sich sogar richtig auf Verwandlung. Endlich etwas Praktisches! Das viele Sitzen, Stehen und Zuhören setzte ihm allmählich zu; es wurde Zeit, dass er mal wieder in die Gänge kam. "Wirst sehen, du bist viel besser in Verwandlung als ich", meinte Harry zu Satoshi. Sie verließen das Klassenzimmer und pilgerten zur Treppe. Damit waren sie aber nicht alleine. Auch unzählige andere Schüler schoben sich in Gruppen über den Flur, auf dem Weg zu ihren jeweiligen Lehrräumen. Harry fiel dabei auf, dass der Gang sich tatsächlich weitete! In kürzester Zeit war er so breit, dass jeder sich bequem auf dem Flur bewegen konnte, ohne sich wie eine Sardine in der Büchse zu fühlen. Das Verwandlungsklassenzimmer war noch ein Stockwerk weiter oben. Es sah genauso aus wie das Zimmer davor, nur tummelten sich Tiere in Käfigen, welche auf den Tischen standen. Satoshi setzte sich neben Harry. "Ich nehme Nachhilfe in Verwandlung. Machst du das auch?" "Oh, ich glaube, wir haben uns erstmal nur mit den Wahlkursen befasst. Ich denke, darum kümmern wir uns, wenn wir merken, dass wir in einem Fach nicht so prickelnd sind." "Die Geschichte der Ninja war wirklich sehr interessant! So was hätte ich in Hogwarts zum Beispiel nie erfahren!", sagte Hermine zu Harry, während sie sich zu den beiden Jungen gesellte und auf ihrem Tisch ein kleines Rotkehlchen begutachtete, das sie wohl bald verwandeln sollte. "Ja und der Unterricht war hundertmal spannender als der von Binns!", pflichtete Harry ihr bei, der sofort an den Geist des alten Mannes denken musste, dessen einschläfernde Stimme ihn jedes Mal ins Traumland versetzte. Satoshi sah die beiden erstaunt an. "Ein Geist unterrichtet bei euch?!" "Ja, aber glaub mir, es ist furchtbar öde", sagte Morag, der endlich nachgekommen war – dicht gefolgt von Susan. Theodore hielt etwas Abstand zu den anderen und schien stattdessen nach einem geeigneten Tier zu suchen. Satoshi musterte ihn neugierig. "Was ist mit dem?" "Nichts, er kann uns nur nicht leiden", meinte Harry, verdrehte die Augen und setzte sich vor seine kleine Schlange. "Lassss mich rausssss ..." "'Tschuldige, aber das darf ich nicht", murmelte Harry der Schlange zu. Seufzend drehte er sich zu Hermine um. "Könnten wir die Tiere tauschen?" "Wieso?" Irritiert sah sie ihren Freund an. "Weil meins mit mir spricht und ich mich damit nicht so wohl fühle ..." "O ja! Sicher." Noch während sie die Käfige tauschten ("Hübsssche Brille, Junge!"), kam auch schon der Lehrer ins Klassenzimmer. Wie Kishimoto zuvor, stellte sie sich kurz vor und erklärte den Schülern, was heute ihre Aufgabe sein würde. Sie sollten ihre Tiere vor sich in ein Kissen verwandeln. Hermine machte sich, kaum war der Startschuss gefallen, sofort ans Werk; Harry und der Rest zog verhaltener nach. Nach einer Stunde hatten manche Schüler ihr Tier bereits verwandelt und durften zur nächsten Aufgabe übergehen, dazu gehörte Hermine – zu ihrem Bedauern – noch nicht, aber immerhin hatte ihr Kissen nur noch ein paar vereinzelte Schuppen und noch zischte, während Harrys Vogel lediglich etwas samten wurde. Satoshi hatte eine Schildkröte abbekommen, die jetzt wie ein Stofftier aussah. "Na ja, genau das ist das Problem, es wird nur so ... zur Hälfte", meinte er und stupste frustriert seine Kissenschildkröte an, die protestierend Federn ausspuckte. Am Ende der Doppelstunde war Harrys Kissen zwar noch sehr federig, aber ganz okay. Nun wurde es nach, vier Stunden, Zeit für das Mittagessen. Die Schüler verwandelten die Tiere in ihren Ursprungszustand zurück und packten schnell ihre Sachen zusammen. Harrys Magen knurrten geräuschvoll. Er war gerade dabei, seine Tasche über die Schulter zu schwingen, als er bemerkte, dass die Schlange ihn dabei beobachtete. "Nimm mich mit!" "Ich glaube, die brauchen dich aber noch", erklärte Harry dem Tier und fühlte sich tatsächlich unwohl bei dem Gedanken, dass sie schon bald wieder verwandelt werden würde. "Keine Sorge, wir löschen sozusagen das Gedächtnis der Tiere. Andernfalls wären sie vermutlich schon längst wahnsinnig geworden." Die Verwandlungslehrerin, gekleidet in einem schlichten, grünen Umhang, war zu Harry hinüber gegangen und sah ihn interessiert an. "Du kannst mit ihr sprechen, nicht wahr?" "Ja", sagte Harry einsilbig. "Was sagt sie?" "Dass sie raus will." Die Lehrerin nickte seufzend. "Kann ich ihr nicht verdenken. Wie wär's, wenn du sie mitnimmst?", schlug sie plötzlich vor. Harry sah sie verdutzt an. "Äh ...?!" "Du kannst immerhin mit ihr reden und sie ist jetzt schon seit zwei Jahren hier. Ich hab einen kleinen Käfig, wenn du magst, kannst du sie haben. Aber kümmer dich gut um sie!", mahnte die junge Frau, Harry nickte kaum merklich. Wie sollte er auch vergessen, sich um ein Tier zu kümmern, dass ihm sprichwörtlich zu zischte, was sie wollte. Nach wenigen Minuten stand Harry mit einem kleinen Käfig auf dem Flur, seine Klassenkameraden und Satoshi staunten nicht schlecht. "Sehnsucht nach dem Basilisken, Potter?", sagte Theodore und grinste schief, als er die Schlange genauer in Augenschein nahm. "Der riecht sssscheiße ..." "Ich weiß", antwortete Harry seinem neuen Haustier platt und folgte anschließend Satoshi mit den anderen zum Speisesaal. Dort angekommen, fanden sich Harry und seine Kameraden mit Hiro und Machiko wieder an ihrem üblichen Tisch. Satoshi verabschiedete sich von Harry und meinte, er würde sie nach dem Mittagessen gerne zum nächsten Unterrichtsfach mitnehmen. Harry und die anderen nahmen das Angebot dankend an, keiner wollte orientierungslos durch dieses große Gebäude wandern. Hiro starrte Harrys Schlagen an, die neben dem niedrigen Tisch in ihrem Käfig herumkroch. "Wow, wieso ...?" "Die Lehrerin hat sie mir mitgegeben. Sie meinte, sie hätte sie schon so lange und weil ich mit ihr reden kann, wäre ich ein prima Aufpasser", erklärte Harry kurz, wie er an sein neues Haustier gekommen war. Morag, der die Schlange ebenfalls neugierig begutachtete, setzte zu einer Erklärung an: "Das ist vermutlich eine Japanische Vierstreifennatter, ich glaube, auf Japanisch nennt man sie Shimahebi. Sie ist übrigens ungiftig, aber zubeißen kann sie trotzdem!" "Hunger!" "Und sie ist sehr gesprächig ...", murmelte Harry. "Wo krieg ich eigentlich was zu Essen für sie her?" "Da gehst du nach dem Mittagessen am besten mal zu Kageyama-sensei. Er kümmert sich um alle Tierwesen hier, da hat er bestimmt auch Futter für eine simple Schlange", sagte Machiko und machte sich daran, ihre Hände mit einem Tuch zu reinigen. Harrys neues Haustier ringelte sich zischelnd in ihrem kleinen Käfig ein. Ihre Schuppen waren rötlichbraun und vier dünne, schwarze Streifen zogen sich über ihren Körper. Sie war nicht sehr groß, höchstens 100 Zentimeter lang. "Ich nennen dich Shima, wie findest du das?" "Hunger!" "Was hast du zu ihr gesagt?", wollte Machiko wissen. "Dass ich sie Shima nennen werde." Hiro kicherte. "Und was hat sie geantwortet?" "Hunger." "Sie ist wohl recht einfachgestrickt", stellte Theodore fest, der ebenfalls mit seinem Tuch hantierte. Hermine schüttelte den Kopf. "Es ist eine Schlange, kein Kniesel." Das Essen erschien diesmal in kleinen Boxen, die sich vor jedem, wie aus dem Nichts, materialisierten. In den Boxen befand sich Reis, eingelegtes Gemüse, etwas Fleisch und Fisch. Es war nicht sehr viel, Harry war fast ein bisschen enttäuscht, als er sich hungrig auf sein Essen stürzte. Hermine war das nicht entgangen und erwähnte möglichst beiläufig, dass man vor allem am Morgen und am Abend viel isst, während der Mittagszeit eher etwas weniger. Machiko und Hiro fragten ausgiebig, wie die ersten Unterrichtsstunden verlaufen waren, was sie alles gelernt hatten und ob es ihnen auch gefallen würde. Jeder konnte sich einbringen, sogar Susan, die sonst eher still ist, erzählte, was sie in Zaubereigeschichte gelernt hatte und wie sie sich in Verwandlung geschlagen hatte. "Eure nächste Unterrichtsstunden ist Kräuterkunde, freut ihr euch drauf?", wollte Hiro wissen, der gerade mit seinem Mittagessen fertig geworden war und Theodore neben sich nachschenkte. "Total, Tiere und Pflanzen sind voll meins! Ihr habt hier bestimmt ganz andere Pflanzen als wir!" Morag schien sich richtig zu freuen und Harry dachte kurz an Neville, der bestimmt etwas dafür geben würde, dabei sein zu können. Kräuterkunde war für Harry okay, nicht sein absolutes Lieblingsfach, aber es war bis jetzt immer recht interessant gewesen. Hermine konnte sich sofort über unzählige Pflanzenarten auslassen, die es nur in Japan gab und von denen sie hoffte, auch alle zu Gesicht zu bekommen. Machiko erklärte ihr, dass sie bestimmt einige sehen würde, alle aber eher nicht. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, kam Satoshi am Ausgang des Speisesaals wieder auf Harry zu, um ihn und die anderen, wie versprochen, zum nächsten Klassenzimmer zu begleiten. Wobei sich bald herausstellen sollte, dass Klassenzimmer nicht ganz der passende Begriff sein würde. "Hätte ich fast vergessen! Ich brauch noch Futter für Shima!", fiel es Harry wieder siedendheiß ein und blickte auf die Schlange in seinem Käfig, von der er glaubte, dass sie ihn beleidigt ansah. "Dann bring ich dich vorher zu Kageyama-sensei", schlug Satoshi gerade vor, als Hiro hinter Harry auftauchte und den Kopf schüttelte. "Ich bin für Harry zuständig, ich mach das. Satoshi-kun, du bringst die anderen zum Unterricht." Satoshi nickte nur und ging mit den anderen voraus. "Kageyama-sensei ist eigentlich ganz freundlich", sagte Hiro plötzlich, während er sich die Schuhe anzog und Harry es ihm gleich tat. "Und uneigentlich?", fragte Harry Böses ahnend nach. "Na ja, er erscheint erstmal nicht so ... Übrigens, ich freu mich, dass du dich bei uns in Quidditch versuchst!" Harry blickte überrascht auf, der Themenwechsel erschien ihm etwas abrupt. "Äh, ja, ich auch. In Hogwarts bin ich Sucher, ich würde mich echt freuen, wenn ich hier auch spielen darf!" Harry dachte sofort über Quidditch nach: an das Gefühl, wenn er mit dem Besen in die Höhe stieg, das Kribbeln im Bauch, wenn er im Sturzflug über die Menge flog und dieser unbeschreibliche Triumph, wenn seine Finger sich um den walnussgroßen Schnatz schließen. Dieses berauschende Gefühl war bis jetzt von nichts anderem übertroffen worden, außer vielleicht vom Spiegel Nerhegeb, der ihm seine ganze Familie gezeigt hatte, aber das war eine andere Art von Glück gewesen. Harry nahm den Käfig wieder auf ("Hunger!!") und folgte Hiro, der den Flur entlanglief und mit Harry am Haupteingang ankam. Unterwegs erzählte Hiro viel über Quidditch in Japan: dass sie es zwar genauso spielten wie in anderen Ländern auch, aber ihr Training durchaus anders aussehen konnte. Harry wusste ja, dass Oliver Wood wirklich viel Herzblut in Quidditch reinsteckte, aber die Japaner konnten da tatsächlich noch eins draufsetzen. Die beiden verließen sich unterhaltend das Schulgebäude und überquerten sogar die Plattform, auf der Harry gestern erst mit einer riesigen Sturmschwalbe gelandet war. Obwohl das noch nicht mal 24 Stunden her war, hatte Harry das Gefühl, als liege dieses Ereignis schon lange zurück. Neben der Plattform war eine Steintreppe eingelassen, die auf eine abgetragene Ebene, unterhalb der Plattform, führte. Sie war mit dichtem, grünen Gras bewachsen war, hier und da sprossen bereits die ersten Frühlingsboten in Form vieler bunter Blumen. Die Sonne schien heute sehr hell, es war angenehm warm. Harry atmete tief ein; die frische Luft, die sich hier mit dem Geruch des Meeres vermischte, roch unheimlich gut und füllte ihn mit neuer Energie. Auf der grasbewachsenen Ebene stand eine Hütte, die Harry sofort an die von Hagrid erinnerte. Hatte Kageyama-sensei so eine ähnliche Funktion wie ihr freundlicher Wildhüter? Bei der Hütte angekommen, verebbte das Gespräch. Hiro klopfte laut an die hölzerne Tür und wartete schweigend. Harry lauschte angestrengt, als ihm ein Zischeln etwas mitteilte: "Ich rieche etwas ... Großßess ... Blut ... Ich rieche ..." Mit einem Ruck öffnete sich die Tür, Harry zuckte heftig zusammen, Shima rollte sich ein und zeigte fauchend seine Zähne, als zwei schwarze Augen aus dem Dunkel der Hütte nach draußen blickten. "Was wollt ihr?!" "Potter-san hat eine Shimahebi bekommen. Er soll sich um sie kümmern, er bräuchte Futter", erklärte Hiro mit fester Stimme, sein Blick war fest auf Kageyama-sensei gerichtet, von dem Harry kaum etwas erkennen konnte. "Wieso haben Sie eine Schlange, Potter-san?!" "Er riecht nach Bluut!", zischte Shima und fixierte Kageyama-sensei. Harry schluckte schwer. Der Kerl war ihm unheimlich, obwohl er ihm letzte Nacht den Hals gerettet hatte, hatte Harry das Gefühl, den Mann nicht richtig einschätzen zu können. "Sie gehörte eigentlich zum Verwandlungsunterricht, aber mir wurde angeboten, sie zu behalten ..." "Tiere annehmen und dann nicht wissen, wie man sich richtig drum kümmert – solche Leute hab ich ja am liebsten!", knurrte Kageyama, öffnete die Tür aber und gewährte Hiro und Harry Einlass. Die Hütte war tatsächlich sehr dunkel. An der Decke hingen Käfige in den verschiedensten Größen, bestehend aus Metall und sogar Holz. Es war lediglich ein großer Raum, in dem sich eine Werkbank, ebenfalls aus dunklem Holz, befand. Auf dieser lag eindeutig Fleisch, das gerade zerteilt wurde. An den Wänden hingen unterschiedliche Werkzeuge – es gab Regale, in denen sich Zaubertränke aneinander drängten – Bücher, die kreuz und quer oder sogar aufgeschlagen auf den verschiedensten Möbelstücken lagen. Ein kräftiger Geruch von süßlichem Metall, Staub und der beißende Geruch von Zaubertränken lag in der Luft. Harry entschied sofort, lieber durch den Mund zu atmen. Er sah Kageyama an, der einen dunklen Umhang trug und darüber eine gräuliche, abgenutzte Schürze, auf der große Blutflecken prangten. Der Zauberer trug einen Dreitagebart über der Oberlippe. Seine etwas längeren, schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. "Fleisch!", zischte Shima und und starrte die Fleischbrocken an, die zerteilt in ihrer Blutlache lagen. "Schlangen brauchen Lebendfutter, Potter-san. Bereits tote Tiere fressen sie nicht", erklärte Kageyama kühl und lief zu einem kleinen Käfig, der in einem der Regale stand, die sich über die Seitenwände der Hütte zogen. Das leise Quietschen darin verriet Harry, dass dort drinnen Mäuse oder Ratten sein mussten. Shima starrte noch immer das Fleisch an. "Er schaut das Fleisch an", sagte Harry kleinlaut und deutete auf sein stummes Haustier. Kageyama blickte vom Käfig auf zu Harry und dann zur Natter. "Schlangen sind nicht sehr gescheit. Wenn sie merkt, dass es sich nicht bewegt, frisst sie es doch nicht." "Hast du verstanden? Das ist schon tot", erklärte Harry Shima. "Hund!" "Shima sagt, Hund", wunderte sich Harry laut. Kageyama hatte mit seinem Zauberstab eine der Mäuse aus dem Käfig geholt und ließ sie, in der Luft schwebend, zu Harry hinüberfliegen. "Sie riecht meinen Okami, das ist alles. Mach den Käfig auf, dann kann sie die Maus fressen." Hiro stieß nur leise pfeifend die Luft aus und wandte sich ab. Harry öffnete den Käfig und die Maus plumpste hinein. Kaum, dass die Maus versuchte zu entkommen, schnappte Shima zu; er wickelte sich um sein Opfer und würgte sie zu Tode, ehe er sich daran machte, den Nager zu verschlingen. "O Mann, ob ich mich daran gewöhnen kann ...", murmelte Harry und blickte angewidert auf das Spektakel hinab. "Sie können die Schlange auch aussetzen, wenn Sie sie nicht behalten wollen, Potter-san. Lassen Sie die Natter hier, ich kümmer mich drum", schlug Kageyama kühl vor. "Meine Mausss, meine Mausss!", zischelte Shima begeistert, als er die Maus runterwürgte. "Ich behalt sie noch ein bisschen ...", meinte Harry kleinlaut. Shima konnte ja nichts dafür, dass er eben fraß was er fraß. Oder wie. "Ganz wie Sie wollen ..." "Ihr seid hier, hier seid ihr ...!" Harry blickte verwirrt auf. Hiro murmelte ein leises: "Auch das noch!" und wich in die Hütte zurück. Kageyamas dunkle Augen verengten sich und starrten zum Ausgang der Hütte. Shima war so mit Fressen beschäftigt, das er um sich herum offenbar nichts wahrnahm. Harry trat, auch wenn er nicht wusste, was eigentlich los war, ebenfalls ein paar Schritte zurück. "Wer nicht kommt zur rechten Zeit ..." Diese Stimme klang eigenartig. Harry konnte sie nicht richtig zuordnen, es hörte sich ohnehin eher so an, als spräche jemand in seinem Kopf. Es war eine leise, eisige Stimme, die sich in Harrys Gedanken bohrte. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, obwohl das gar nichts genutzt hätte. Ein dunkler Schatten näherte sich dem Eingang der Hütte. Hiro und Kageyama verzogen angespannt das Gesicht, während Harry aufgeregt den Schatten anstarrte, der sich der Hütte näherte. "... der wird sehen, was übrig bleibt!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)