Schmerzliche Wahrheit von Lilithen ================================================================================ Kapitel 6: Versprechen ---------------------- Stumm starrte er auf die Wasserlache, die er in seinen Händen gesammelt hatte. Das rauschende Wasser aus dem Hahn bildete eine seltsame Untermalung für die kleinen Wellen, die seine zittrigen Glieder verursachten. Ein letzter, stotternder Atemzug und dann fand das eisige Nass den Weg direkt in sein Gesicht. Nichts. Egal wie lange Sasuke wartete, egal wie fest sich seine Finger um den Rand des Waschbeckens schlossen, es geschah einfach nichts. Die erhoffte, belebende Wirkung blieb aus. Alles was er fühlte war eine zentnerschwere Müdigkeit, seitdem er mit Tsunade den Schutz ihres Büros verlassen und ein sogenannter Yamato gefühlt jeden Millimeter seiner Haut dokumentiert hatte. Die Blonde hatte noch versucht ihm etwas zu beruhigen, ihm klar zu machen, dass dieser für ihn völlig Fremde vertrauenswürdig war. An die genauen Worte erinnerte er sich nicht mehr, dafür aber an die Angst. Ein quälendes Reißen überall in seinen Gliedern, als er mit freiem Oberkörper vor diesem Mann gestanden hatte. Sasuke hatte es gehasst. Es gehasst, noch einer fremden Person zu offenbaren, wie verletzt er wirklich war. Es gehasst, dass er nicht in der Lage war diese Angst abzustellen. Alles hatte er gehasst an diesem Moment, an dieser Situation. Aber das hatte nachgelassen. Mit jedem Lichtblitz, mit jedem mechanischen Geräusch das verkündete, dass wieder ein neues Foto geschossen worden war. Mit jedem neuen Bild war seine Angst ein Stück mehr verschwunden und hatte nichts als Müdigkeit hinterlassen. Lieblos drehte der Schwarzhaarige das Wasser ab und griff nach dem kleinen Handtuch, um sich das Gesicht zu trocknen. Tsunade hatte ihn nicht angelogen. Er durfte tatsächlich hier bleiben. Nur ein Bett und ein karger Schreibtisch mit passendem Stuhl standen in dem kleinen Zimmer. Wenn er schätzen müsste, würde er sagen, dass es gerade einmal um die zwölf Quadratmeter groß war, aber das störte ihn nicht. Zumindest hatte es ein kleines Fenster und ein eigenes Bad. Für ihn reichte es. Ein letztes Mal atmete er tief durch, strich sich leicht über den Stoff seines Schlafshirts und wappnete sich für den letzten Teil Angst, der sich hartnäckig an ihm festkrallte. Das Stück, welches auch nach dem gefühlt tausendsten Foto nicht verschwunden war. Nur ein winziger Teil, aber mit Abstand der Schlimmste. Bewusst wich er dem prüfenden Blick aus, der sich direkt an ihn haftete, als er die Schwelle zu seinem provisorischen Zimmer überquerte. Sasuke hatte es wirklich gehasste. Hatte die Blicke gehasst, das Gefühl der Blöße und sich selbst. Weil ihm alles über den Kopf gewachsen war, die Situation ihm entglitt und er damit unweigerlich Naruto seine Probleme auflud. Ein Problem das niemals nach außen hätte dringen sollen. Am meisten hasste er jedoch, dass er es nicht verstand. Sasuke konnte einfach nicht nachvollziehen, warum Naruto noch immer hier war – und wenn er die orangenen Sporttasche richtig deutete, die neben seiner eigenen stand, auch bleiben würde. Es war so surreal, dass gerade er, jemand der niemals Schwäche zeigte, es nicht einmal schaffte den Blick der blauen Augen zu erwidern und die Antworten zu geben, auf die der Uzumaki eigentlich ein Recht hätte. Lieber richtete er seine Aufmerksam auf die Schlafstätte. Es lagen zwei Bettgarnituren darauf. Eine für ihn und eine für Naruto. „Jiraiya hat ein paar Sachen für mich gepackt, bevor wir hier her gefahren sind.“ Stumm nahm der Schwarzhaarige die Erklärung hin. Was sollte er auch schon groß antworten? „Da ist auch eine dünne Decke drin. Ich werde auf dem Boden schlafen.“ „Du musst nicht auf dem Boden schlafen.“ Seine Stimme war leise und viel zu brüchig. Wie er das hasste. „Sas...“ - „Ehrlich, schon okay.“ Das Rascheln von Naruto Pullover zog durch den Raum, als dieser sich durch sein Haar fuhr. Sasuke musste ihn nicht ansehen, um das zu wissen. Sie kannten sich lange genug. Dem Schwarzhaarigen reichte schon das resignierte Ausatmen des Uzumaki, um sich im Klaren darüber zu sein, dass dieser mit einem entmutigten Gesichtsausdruck nach den richtigen Worten suchte. „Du musst dich nicht zwingen. Wenn du nicht...wenn du das Bett...also wenn du Abstand brauchst, dann...“ Der Satz hing unvollendet zwischen ihnen. Der Jüngere wusste nicht was für ein Bild er dem Uzumaki geliefert hatte, als dieser ihn gefunden hatte. Wenn es jedoch nur annähernd so ausgesehen hatte, wie er sich gefühlt hatte, dann... dann war es scheiße, definitiv – und das war wohl noch die netteste Umschreibung. Davon auszugehen, dass der Blondschopf sich keinen Reim auf alles gemacht hatte, sich zu wünschen, dass er das unordentliche Bett nur angesehen hatte, weil im der Bezug so gefallen hatte, dass alles war utopisch. Viel zu deutlich hatten die blauen Augen ihn danach in seinem Zimmer gemustert und viel zu eindeutig war gerade sein Versuch ihm zu erklären, dass Sasuke nur etwas sagen müsste, um diese Nacht keinen Bettpartner zu haben. Naruto wusste es. Immer und immer wieder hallte diese Erkenntnis in seinem Kopf wider, jagte ihm eine Gänsehaut über den Körper. „Du wärst okay.“ Nervös spielte der Uchiha mit seinen Fingern. „Wenn dir das aber unangenehm ist wegen mir, dann-“ - „Halt die Klappe!“ Ungewohnt heftig zuckte der Schwarzhaarige zusammen. Nicht, weil der Uzumaki schrie, sondern weil dieser den Raum durchquert und ihn nun Arm packte. Der Griff war nicht so fest wie bei seinem Vater, nicht einmal annähernd, trotzdem stieg in ihm unweigerlich die Panik hoch. So erbärmlich. „Sag das nie wieder, Sasuke. Du bist mir nicht unangenehm, verstanden?“ Kurz wurde es still zwischen den beiden, ehe Naruto ihn los ließ und mit einem „Ich bin dann auch mal im Bad“ seine Tasche schnappte und in diesem verschwand. Resigniert atmete Sasuke ein und straffte seine Schultern. Es ist Naruto, nur Naruto, wiederholte er in Gedanken, als er anfing den unordentlichen Inhalt seiner Sporttasche nach Klamotten für morgen zu durchforsten. Einer Tasche, die der Uzumaki für ihn gepackt hatte, bevor sie mit Jiraiya hier her gefahren waren. Wahllos zog er sich zwei Teile aus dem Kleiderchaos und drapierte sie ordentlich auf den Schreibtisch. Länger als nötig strich er die Falten aus dem Stoff des Pullovers. Immer wieder fuhr er mit seinen Fingern über das dunkle Blau, bis er frustriert inne hielt. Das war doch lächerlich. Mit einem tiefen Atemzug drehte er sich um und ging zum Bett. Langsam zählte er bis zehn, ehe er die Luft geräuschvoll aus seiner Lunge entließ und sich auf die Matratze legte. Noch einmal wiederholte die Prozedur. Einatmen, bis zehn zählen, ausatmen. Solange, bis er nicht mehr steif wie ein Brett da lag. Etwas entspannter drehte der Uchiha sich auf die Seite und fixierte einen willkürlichen Punkt an der Wand. Die Bettwäsche raschelte, als er bis zum äußersten Rand des Bettes robbte. Es ist nur Naruto. Wie ein Mantra wiederholte er diesen Gedanken. Und es half. Immer weiter lockerte sich seine Muskulatur, immer ruhiger wurde seine Atmung. Alles was jetzt noch seine Sinne beschlagnahmte war die Müdigkeit. Deutlich hörte der Schwarzhaarige, wie sich die Badezimmertür öffnete. Kurz wanderte sein Blick zum Blondschopf, der ihm ein schwaches Lächeln schenkte, bevor er die Tür ein Stück heranzog und auf ihn zuschritt. Das Licht hatte der Uzumaki an gelassen und als dieser kurz darauf die helle Deckenlampe im Schlafraum ausschaltete, verstand er auch warum. Schwach schien das Licht bis in dieses Zimmer und vertrieb die Dunkelheit. Naruto hatte es für ihn getan, damit er sich besser fühlte. Kräftig schluckte er den Kloß in seinem Hals hinunter und blinzelte heftig. Ob es an der bloßen Dankbarkeit dem Blonden gegenüber lag, oder doch daran, dass die komplette Situation erst jetzt richtig zu ihm durchdrang konnte er nicht sagen. Um ehrlich zu sein wollte er auch nicht darüber nachdenken, er war viel zu müde. Die Matratze gab leicht nach, als Naruto sich zu ihm legte. Das Geräusch der Bettwäsche, als der Uzumaki die Deck über sich legte, ließ ihn kurz verkrampfen. Wirklich nur kurz. Das Licht half, ließ Sasuke Umrisse von fremden Möbeln erkennen, die ihn daran erinnerten, dass er nicht Zuhause war, nicht bei seinem Vater. Ja, das Licht half. „Sas?“, nur ein flüstern, das mit einem kurzen, fragenden Ton seinerseits beantwortet wurde. Lange kam nichts, nur ihre gleichmäßigen Atemzüge. „Darf ich dich anfassen?“ Zittrig atmete er aus. Sein Herz raste, aber Sasuke ignorierte es. „Wenn du willst.“ Zaghaft zog der Uzumaki ihn näher an sich, solange, bis sein Rücken sich an der Brust des Blonden wiederfand. Der Griff war locker, nur ein Arm umfasste leicht seine Hüfte. „Du musst mir was versprechen, Sas. Versprich mir, dass du nicht wieder nach Hause gehst. Du kannst von hier weg, wenn du willst, aber geh nicht wieder zurück“, die Umarmung wurde etwas stärker, fast schon verzweifelt, “Im Gegenzug verspreche ich dir, dass ich dich nicht alleine lasse, okay?“ „Das solltest du aber vielleicht.“ „Nein.“ Narutos Atem kritzelte angenehm in seinem Nacken. „Versprich es mir.“ „Versprochen.“ Nur allzu deutlich konnte er das Lächeln des Uzumakis spüren, als dieser harmlos mit seiner Nasenspitze durch sein Haar strich. „Du bist so ein Idiot, Naruto.“ Das meinte er ernst. Der Blonde würde nicht gehen, ganz egal was kommt und ganz egal wie negativ es für den Chaoten selbst wäre. Das war einfach nur idiotisch. „Ich weiß, aber hey, in guten wie in schweren Zeiten.“ Ganz fein schwang Belustigung in der Stimme des Blonden mit. „Wir sind nicht verheiratet“, protestierte er, „Und jetzt hör' auf so kitschiges Zeug zu labern.“ „Aber-“ „Kein aber, schlaf jetzt.“ „Okay. Gute Nacht, schlaf gut, träum was schönes und-“ „Gott, halt jetzt einfach die Klappe.“ Die Brust des Blauäugigen vibrierte angenehm, als dieser leise Lachte. „Schlaf gut, Sasuke“ Und das tat er auch. Zum ersten Mal fiel er ganz bewusst in einen ruhigen und entspannenden Schlaf. Daran könnte er sich gewöhnen, auch wenn das Lächeln auf seinen Lippen sich mehr als nur fremd anfühlte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)