Schmerzliche Wahrheit von Lilithen ================================================================================ Kapitel 3: Erster Wiederstand ----------------------------- Es war noch früh am Morgen. Das schwache Licht der Dämmerung drang nur spärlich durch die schmalen Spalten der Jalousie. Alles war friedlich, einzig die Straßenbahn übertönte ab und an die rhythmische Atmung des neben ihn Schlafenden. Sasuke selbst lag einfach nur still da und sah in das entspannte Gesicht, das so nahe an seinem eigenen lag. Es war schon lange her, dass der Schwarzhaarige sich sicher gefühlt hatte, aber genau hier, in dieser lockeren Umarmung, ging es ihm gut. Weder der Arm an seiner Wange, noch die Hand an seiner Hüfte störten ihn. Da war kein aufsteigendes Gefühl von Ekel oder der Gleichen, sondern nur Wärme. In diesem Augenblick war er einfach ein 17-jähriger Junge, frei von Erwartungen, frei von Schuldzuweisungen und frei von Lügen. Und gerade deswegen war er verunsichert. Er hatte gestern verloren, hatte ungewollt offen gelegt, dass er Naruto die ganze Zeit über belogen hatte und doch war der Blondschopf nicht gegangen. Der Uzumaki hatte vor ihm gestanden und ihm einfach nur zugehört. Noch immer brannte die Erinnerung daran, wie er bei den Erklärungsversuchen darum bemüht war Naruto davon zu überzeugen, dass es nicht so war wie es aussah. Vehement hatte er versucht das letzte bisschen Uchiha aufrecht zu erhalten. Sasuke hatte alles verdrängt, mit festem Blick den blauen Augen stand gehalten und jedes Gefühl begraben. Es ist meine Schuld. Er meint es nicht so. Bei keiner einzigen Wiederholung dieses Satzes, hatte der Schwarzhaarige an der Richtigkeit gezweifelt. Kein einziges Mal war er eingeknickt. Bis zu dem Punkt, an dem Naruto ihn in eine Umarmung gezogen hatte. Ab da fühlte sich jede Erinnerung wie in Watte verpackt an. Und jetzt war er hier. Bei dem blonden Chaoten und nicht Zuhause. Sasuke wusste nicht wie es nun weiter gehen sollte, konnte nur erahnen wie sein Vater darauf reagieren würde, aber darum wollte er sich jetzt keine Gedanken machen. Immer weiter sanken seine Lider und die anfangs scharfen Gesichtskonturen seines besten Freundes schwanden immer mehr. Ja, es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass er Ärger bekommen würde, aber das war ihm schon vertraut. Was wirklich zählte war die Tatsache, dass Naruto nicht gegangen war. Für den Uzumaki schien ein Beim nächsten Mal, Sasuke nicht zur Debatte zu stehen – und auch wenn ein Uchiha das nicht zulassen sollte, dieser Hauch von Sicherheit fühlte sich gut an. ~ Eine laute Stimme riss ihn zurück in die Realität. Es dauerte einen Augenblick, bis der Schwarzhaarige alle seine Sinne beieinander hatte und an Orientierung gewann. Es war nun heller in dem kleinen Raum, aber die aufgebrachte Stimme, die eindeutig zu Jiraiya gehörte, zerstörte die vorangegangenen Stille vollkommen. Der Ältere schien in der Küche ein Telefonat mit seiner Redakteurin zu führen, denn sein Tonfall klang eindeutig genervt. Resigniert drehte Sasuke sich auf die andere Seite und zog sich die schwere Decke über den Kopf, er wollte einfach weiter schlafen. „Er ist dein Sohn, wenn du es nicht weiß, woher soll ich es dann bitte wissen?“ Schlagartig war er wach, jeder einzelne Muskel von ihm spannte sich an. „Tja, hier ist er auf jeden Fall nicht.“ Sasuke wollte dem Telefonat nicht weiter lauschen, aber so sehr er auch versuchte weg zu hören, es gelang ihm nicht. „Nein, er liegt im Bett.“ Kurz herrschte Stille. „Weil ich vorhin nachgesehen habe.“ Wieder eine Pause, diesmal bedeutend länger. „Weißt du was ich denke? Du kannst dir deine Drohungen sonst wo hin stecken, Naruto liegt in seinem Bett und zwar alleine. Schönen Tag und schöne Geschäftsreise noch, Fugaku.“ Der laute Knall beim Auflegen des Telefonhörers ließ ihn kurz zusammenzucken. „Und nun zu dir, junger Mann.“ Ruckartig setzte sich Sasuke auf und sah auf die nun leere Seite des Bettes. Der Grauhaarige hatte gelogen, er hatte tatsächlich seinen Vater angelogen. „Hör´ auf zu grinsen und geh lieber zu deinem Besuch. Er müsste taub sein, um davon nicht wach geworden zu sein.“ Bei dem darauffolgenden Stuhlscharren versteifte er sich noch mehr. Sasuke konnte sich vorstellen worauf es es nun hinauslaufen würde. Er war gestern unangemeldet hier aufgeschlagen. Der Uchiha sollte nicht hier sein. „Ach und Naruto?“ Abrupt verstummten die tapsenden Schritte auf dem Flur. „Sei nett zu deinem-“ „Wage es ja nicht, alter Mann!“ Einige Zeit geschah nichts und dann erklang ein lautes Poltern. Naruto schien etwas geworfen zu haben. „Das ist ja wohl die Höhe! Du solltest liebe Tsunade anrufen.“ „Ich meine ja nur, Naruto.“ Selbst durch die Tür konnte der Schwarzhaarige das unterdrückte Lachen hören. Er war verwirrt, verstand nicht was da draußen vor sich ging, aber nachsehen wollte er auch nicht. Eine unangenehme Enge bildete sich in seinem Hals. Es war eine Blödelei in der Familie, da hatte er nichts verloren. Den Schritten zu folge nahm der Uzumaki seinen Weg wieder auf und nach einem kurzen Klopfen erstreckte sich auch schon die blonde Mähne im Türrahmen. „Guten Morgen, hast du-“ Unvollendet ließ der Blondschopf den schwungvollen Satz im Raum stehen und schloss die Tür von innen. „Was ist los?“ Es tat weh. Das hier. Naruto und Jiraiya waren eine Familie. Eine die wirklich funktionierte. „Sasuke?“ Stumm schüttelte der Schwarzhaarige mit dem Kopf, er musste sich zusammenreißen. Mühsam zwang er sich zu einem Lächeln „Danke.“ Langsam ebbte die Besorgnis in der Mimik des Blonden ab und machte Platz für ein warmes Lächeln. „Gerne. Ich wollte eben duschen, du kennst dich noch in der Küche aus? Wir haben jetzt sogar einen Wasserkocher, der dir nicht fast um die Ohren fliegt.“ Der Uchiha konnte nicht anders, er musste leise auflachen. Noch genau konnte er sich an die vielen Übernachtungen hier erinnern, besonders das darauffolgende Frühstück war immer eine heikle Angelegenheit gewesen. Der besagte Wasserkocher war schon vor Narutos Zeit im Besitz der Familie gewesen und genau so alt wie er aussah, hatte er sich auch angehört. „Ich beeil´ mich.“ Und damit griff er sich blind ein paar Sachen aus der Kommode und verschwand. Erst als der Schwarzhaarige das Zuschlagen der Badezimmertür hörte, setzte er sich in Bewegung. Schnell schlug er die Decke beiseite und griff hastig nach seinen Schuhen. Er musste hier raus. Der anfänglich angenehme Frieden schien ihn nun zu erdrücken. Es war ein Fehler von ihm gewesen mit Naruto zu gehen. Sasuke gehörte nicht hier her. Der 17-Jährige hatte kein recht das hier kaputt zu machen. Aber das würde er. Irgendwann würden auch sie erkennen, dass es seine Schuld war, egal was. Und dann würden sie gehen, dass kannte der Uchiha schon. Vielleicht, wenn es nur um ihn gehen würde, aber Naruto war sein bester Freund, das hatte der Blondschopf nicht verdient. Eher beiläufig schielte er auf den grünen Froschwecker, der seinen Platz schon seit Jahren auf dem Schreibtisch hatte. Es war halb eins. Dumpf halte das Brausen der Dusche durch den breiten Flur. Wenn er langsam ging, wäre der Ältere schon nicht mehr da, der Schüler hatte eine reelle Chance. Ohne Umschweifen stand er auf, griff im Gehen nach dem blauen Schal des Blonden und band ihn sich um. Es war erst Freitag, er hatte noch zweieinhalb Tage um sich etwas einfallen zu lassen. Eine Strategie, eine die hielt und die beinhaltete dem Uzumaki aus dem Weg zu gehen. Denn das wäre das Beste. Ohne sich noch einmal umzudrehen ging er aus dem kleinen Zimmer und schloss kurz darauf die Wohnungstür hinter sich. Mechanisch hallten seine Schritte in dem hellen Flur des Mehrfamilienhauses wieder. Es war komisch die marmorierten Stufen nach unten zu gehen. Früher hatten sie auch hier gewohnt, direkt gegenüber. Das war nun schon beinahe zehn Jahre her. Damals hatte sie oft gemeinsame Ausflüge unternommen. Ob in den Zoo, oder einfach nur in den kleinen Park die Straße runter, hatte dabei nie eine Rolle gespielt. Hauptsache sie waren zusammen, alle vier. Aber dann war sein Großvater in den Ruhestand gegangen und alles hatte sich schlagartig verändert. Sein Vater wurde zum Leiter der Uchiha-Industrie ernannt. Keine Woche später hatten sie in einem großen Haus nahe der Innenstadt gewohnt, allein und fernab von alten Freunden. Die Familienausflüge wurden immer seltener, bis diese schlussendlich gar nicht mehr stattfanden. Es hatte keine Leichtigkeit mehr zwischen ihnen gegeben, nur noch Leistungsdruck und die stetige Erwartung perfekt zu sein. Sasuke war damals erst sieben gewesen und doch konnte er sich noch allzu gut daran erinnern, wie alleine er sich in dem riesigen Haus gefühlt hatte. Zu Beginn konnte er es nicht verstehen, sich keinen Reim darauf bilden, dass sein Bruder nicht mit ihm spielen konnte, weil es wichtigeres im Leben gab. Bis er ein Jahr später in die selbe Schiene gestoßen wurde. Extra Unterricht nach der Schule, Klavierstunden und eine Begabtenförderung, von der er bis heute nicht so recht verstand wofür. Sie waren in der Sozialhierarchie aufgestiegen und genau das musste sie von da an verkörpern. Jeder einzelne entfernte sich immer mehr und so sehr sich seine Mutter auch bemüht hatte sie alle zusammenzuhalten, irgendwann hatte auch sie allein da gestanden. Die gemeinsamen Abendessen waren die einzigen Momente, an denen die ganze Familie beisammen saß. Zu Anfang hatte sie sich noch unterhalten, aber auch das hatte nach wenigen Monaten aufgehört. Langsam und schleppend war die makellose Maske, die sie für die Gesellschaft aufgesetzt hatten, auf jeden einzelnen von ihnen übergegangen. Alles was die Familie verkörpern musste war da gewesen. Kein Streit, keine Probleme und keine Skandale. Das einzige was sie dafür hatten tun müssen, war aufzuhören eine wirkliche Familie zu sein, denn genau das verkörperte der Name Uchiha – Perfektion. Nebensächlich zog der Schüler den Schal weiter in sein blasses Gesicht, als der kalte Wind ihm entgegen strömte. Trotzdem hatten seine Mutter und er nie aufgehört dagegen zu protestieren. Mit Kleinigkeiten hatte sie es geschafft ein letztes Bisschen der alten Familie zu bewahren, indem sie so oft es ging die Familie Uzumaki besuchten. Wie seine Mutter das Familienoberhaupt davon überzeugt hatte, dass es kein Hochverrat war dort zu sein, wusste er bis heute nicht. Schon damals hatte er den stillen Verdacht gehegt, dass sie es ihm einfach nicht erzählt hatte. Aber nichts davon spielte nun mehr eine Rolle, als er die letzte Kurve nahm und das einzige Haus in der Sackgasse erkannte. Die letzten Meter zogen sich, es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe er das aufwändige Gartentor öffnete und anschließend den Vorhof betrat. Nicht ein Geräusch drang zu ihm durch, aber das war gut, denn es schien als wäre sein Vater schon nicht mehr Zuhause. Routiniert griff er nach dem kleinen Schlüsselbund in seiner Jackentasche und schloss auf. Er hoffte wirklich, dass der Ältere schon im Flieger saß, weit weg von ihm. Denn der Eingangsbereich war verwüstet, überall lagen Scherben und vereinzelte Überreste der Blumenbouquets, welche für gewöhnlich rechts und links von der Tür drapiert waren. Das Wasser aus dem zersprungenen Aquarium bedeckte fast jeden Millimeter des Marmors, keiner der bunten Fische bewegte sich mehr und die Büste, auf die sein Vater Jahre lang so stolz gewesen war, lag zerschlagen in Mitten der feuchten Spur. Kurz musste der Schwarzhaarige schlucken, während er still dafür betete, dass er wirklich allein war. „Wo warst du?“ Heftig zuckte der schmale Körper zusammen und der sorgfältig festgehaltene Schlüsselbund fiel laut auf die hellen Fließen. „Bei Mama.“ Die Schuhe des Älteren klatschten leise, während sie durch die breite Wasserlache gingen. „Es ist halb zwei. Hat sie irgendwas gesagt? Dir was zu trinken und einen Schlafplatz angeboten?“ Deutlich roch er den Alkohol, als sein Vater sein Kinn auf der schmalen Schulter abstütze und ihm ins Ohr flüsterte. Er war viel zu nahe. „Nein.“ „Natürlich nicht“, unheimlich laut traf das kurze Lachen sein Trommelfell, „Weil sie tot ist.“ „Ich weiß.“ „Seit 35 Jahren sind die Uchiha Marktführer und dann kommen irgendwelche Leute, von denen niemand weiß wo genau sie sitzen und versuchen uns rauszudrängen“, leise klirrten die Eiswürfel in dem schweren Whiskyglas, „Ich hab mir den Arsch aufgerissen, verstehst du? Seit zwei Jahren versuche ich ein Treffen mit diesen Idioten von Akatsuki zu vereinbaren und dafür zu sorgen, dass sie als Tochterfirmer einsteigen.“ Immer näher kamen die Lippen seinem Ohr. „Und jetzt bin ich nicht da und das ist deine Schuld, ganz allein deine.“ Deutlich konnte er hören, wie der Ältere die Luft in seine Lungen sog. „Du warst bei diesem nutzlosen Uzumaki und du weißt, dass ich das weiß.“ „Ich war bei Mama“, beharrte der Angesprochene. Deutlich spürte er das Beben seines Vaters, als dieser anfing leise zu lachen. Er würde es ihm nicht sagen, das war er Naruto schuldig. Der blonde Chaot und sein leicht verschrobener Onkel hatten für ihn gelogen und ihm so ein paar Stunden eine Auszeit gegönnt. Das hier war ganz allein seine Sache. „Du willst also kindisch sein, Sasuke.“ Fest biss er sich auf die Unterlippe, als der breite Körper des Älteren von seinem Rücken verschwand. „Dieser Naruto tut dir nicht gut, du siehst ihn eindeutig zu oft“, das Klingeln der Eiswürfel hob sich über die widerhallenden Schritte Fugakus, „Ich werde die Schulleitung wohl vor die Wahl stellen müssen. Entweder dieses sitzengebliebene Nichtsnutz verlässt die Schule, oder du und damit die jährliche Spende.“ Fassungslos sah der Jüngere ihm hinterher. „Das ist nicht fair.“ Seine Stimme zitterte, zum ersten Mal seit Jahren war er wieder wütend. „Fair? Warum kannst du nicht einfach mehr wie dein Bruder sein?“ „Itachi.“ Der Name kam dem Schwarzhaarigen nur schwer über die Lippe, aber das spielte im Moment keine Rolle. Sein Vater hatte angefangen unter die Gürtellinie zu schießen. „Er heißt Itachi.“ Seine Stimme war monoton, nichts spiegelte sich in ihr wieder. Er wusste nicht, ob es die Kälte oder doch der Name war, aber die Wirkung zählte. Der Ältere blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Du willst, dass ich mehr bin wie Itachi?“, fuhr er fort und bemerkte mit Genugtuung, dass er einen wunden Punkt getroffen zu haben schien, „Bitte. Wenn Naruto die Schule verlassen muss, wenn er auch nur die Klasse wechselt bin ich weg.“ Sasuke hatte den alten Mann aus der Reserve gelockt. Die Finger des Anderen umschlossen das massive Glas so fest, dass die Knöchel weiß hervor traten. Aber das hatte das Familienoberhaupt verdient. Sasuke konnte es ertragen. Die Schläge, die zärtlichen Berührungen, egal was – solange nur er davon betroffen war. Jetzt ging es aber nicht mehr nur um ihn. „Wäre dir das dann genug Itachi?“ Laut zersprang das Glas, als der Griff darum sich lockerte und gab ihm für den Bruchteil einer Sekunde die Zeit, um sich auf das Kommende vorzubereiten. Das war er Naruto schuldig, weil der Uzumaki bei ihm geblieben war, ohne auch nur einen Augenblick zurückzuschrecken. Sasuke hatte entspannen können und sogar gelacht, also war es das wert, auch wenn er Angst hatte. Und das sollte er auch, denn der Schlag seines Vater saß und nichts deutete darauf hin, dass der Ältere so schnell wieder aufhören würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)