Heimatstern von Kylie (Band 2) ================================================================================ Kapitel 11: Privatstunden ------------------------- „Okklumentik ist die Fähigkeit, den eigenen Geist vor dem Einfluss eines anderen Zauberers oder einer Hexe abzuschirmen. Sie ist weniger eine magische Begabung, als vielmehr eine geistige Kunst.“ „Camilla... Das weiß ich doch.“, mischte sich Severus skeptisch ein. „Du wolltest, dass ich dir Okklumentik beibringe, dann mache ich es auch richtig!“, warf die Blondine schnaubend ein. „Die Theorie ist wichtig und du musst es verstehen, damit du die Okklumentik richtig anwenden kannst. Problem?“ „Nein... Entschuldige...“ Sie verstand seine Ungeduld. Für Camilla war die Theorie auch nervig gewesen, doch inzwischen verstand sie, dass das Wissen ebenso wichtig war wie die Anwendung. Im Ernstfall konnte ein Magier dann auch korrekt reagieren, statt vollkommen hilflos zu sein. Außerdem begriff man einige der Fakten erst, wenn man die Okklumentik aktiv betrieb. Vorher erscheint alles recht schwammig oder auch zu simpel zu sein. Okklumentik war vieles, aber sicherlich nicht simpel und erst recht nicht schwammig! Es war eine sehr genaue Kunst... Schwierig in der korrekten Anwendung, doch unverzichtbar, wenn man sich schützen wollte. „Durch Legilimentik können andere Zauberer und Hexen Zugriff auf deinen Verstand erhalten. Je nach Ausprägung der Fähigkeiten des Angreifers, können die Auswirkungen signifikant sein.“ „Inwieweit?“, hakte Severus wissbegierig nach. „Geborene, geübte und talentierte Legilimentoren können nicht nur auf deine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen zugreifen, sondern sie auch verändern.“ „Wie stark können diese Veränderungen werden?“ „Jemand wie der dunkle Lord kann dein ganzes Bewusstsein zerlegen und dich neugestalten, wenn er nur die wichtigen Erinnerungen findet und entsprechend verändert.“, erklärte die Blondine nüchtern. „Meistens sind nur kleine Veränderungen der Gefühle, Gedanken oder der Wahrnehmung notwendig, damit die Sichtweise sich für einen selbst vollkommen verändert.“ Erstaunt ließ sich der Schwarzhaarige in die Rückenlehne sinken. Ihm war es wohl nicht bewusst gewesen, wie massiv der Einfluss eines Legilimentors wirklich sein konnte. Zufrieden betrachtete sie ihn. Ihr theoretischer Unterricht trug also schon Früchte! Natürlich würde sie es nicht so übertreiben wie Professor Ward und täglich dieselbe Rede schwingen, aber ab und an würde sie den Stoff abfragen. Spätestens in der Praxis würde sich zeigen, ob und was er alles richtig verstanden hatte. „Ein Okklumentor kann sich nicht nur vor solchen Zugriffen schützen, sondern auch vor der Manipulation von Erlebten und seinen Gefühlen.“, fuhr sie sachlich fort. „Bedenke aber, dass der Kampf zwischen Okklumentor und Legilimentor meistens nur eine Frage der Ressourcen ist.“ „Du meinst, wer den stärkeren Willen hat?“ „Das kann ausschlaggebend sein, aber wenn es um eine längere Zeit geht, dann sind vor allem Kraftreserven und Konzentration wichtig. Dein Wille kann noch so stark sein, wenn du dich einfach nicht konzentrieren kannst, kommt der Legilimentor in dich hinein.“ „Was ist, wenn ich schlafe?“, hakte Severus skeptisch nach. Er schien wirklich zu begreifen. Nachdenklich ging sie auf und ab, entschied sich dann aber, ihm das Wissen bereits zu geben: „Das ist der Knackpunkt. Im Schlaf kannst du dich weder konzentrieren noch deinen Willen lenken. Es hilft nur, wenn du den Geist leerst, bevor du einschläfst.“ „An nichts denken?“ „Ja, aber das ist leichter gesagt als getan. Wir Menschen haben die Angewohnheit ständig nachzudenken. Selbst wenn wir denken, dass wir nichts denken dürfen, denken wir nach. Jeder Gedanke kann zu einem weiteren führen. Irgendwann denkst du also an etwas, was der Legilimentor gegen dich einsetzen kann.“ „Was ist, wenn wir unseren Verstand dauerhaft gedankenfrei halten könnten? Theoretisch zumindest...“ „Wenn du wirklich niemals denken würdest, könnte auch kein Legilimentor in deinem Geist etwas finden. Dennoch könnte er ohne Okklumentik eindringen, es würde ihm nur nicht viel nützen. Jedoch ist es unmöglich niemals zu denken.“ „Trotzdem interessant.“, warf der Zaubertrankfreak lächelnd ein. Ihm schien ihr Unterricht zu gefallen. „Theoretisch kannst du dich auch mit einem Legilimentor nur über den Geist unterhalten. Das kann aber sehr verstörend sein...“, erklärte Camilla weiter. „Vor allem, wenn das ohne dein Einverständnis oder Wissen geschieht. Es kann den Verstand vollkommen überlasten.“ „Klingt so, als wüsstest du, wovon du sprichst...“ „Ja, er hatte mich schon so weit, dass ich Realität von Träumen nicht mehr unterscheiden konnte.“, gestand sie seufzend. „Die Grenzen verschwimmen, wenn man einen so massiven Eingriff in den eigenen Geist erlebt. Es kann außerdem auch sehr belastend sein, wenn ein Legilimentor seine Gabe nutzt, um alles über seinen Gegenüber zu erfahren. Für einen Menschen ist es nicht schön, wenn der Gesprächspartner jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Erinnerung kennt und uns ungefragt darauf anspricht.“ „Es ist sicherlich auch gruselig, wenn jemand das tut und man nicht weiß, dass derjenige ein Legilimentor ist.“ „Korrekt.“ „Doch durch die Okklumentik kann auch diese Art der Kommunikation verhindert werden, oder?“ „Exakt.“, bestätigte sie zufrieden. „Keine Kommunikation, keine Beeinflussung, keine ungewollt erteilten Informationen. Mit Okklumentik hast du den ultimativen Schutz überhaupt. Beinahe effektiver als ein Zauberstab...“ „Doch wie funktioniert das?“, hakte Severus nach. „Man muss einen starken Willen haben und sich konzentrieren, okay, aber worauf konzentrieren?“ „Vor allem darauf, dass niemand in deinen Kopf kommen soll. Anfangs musst du bewusst daran denken, deine Okklumentik aufrecht zu erhalten, indem du dich darauf konzentrierst, dass niemand in deinen Kopf soll.“, berichtete Camilla vorsichtig. „Später passiert es instinktiv. Du schützt dich eigentlich immer, obwohl du nicht mal richtig darüber nachdenkst. Das alles spielt dann nur noch in deinem Unterbewusstsein statt.“ „Und wenn schon jemand drin ist?“ „Dann ist vor allem dein Wille entscheidet. Du musst es wirklich wollen, dass er aus deinem Kopf verschwindet.“ „Wenn der Legilimentor aber auch drinbleiben will? Er sich gegen mich wehrt?“ „Dann stell‘ dich auf starke Kopfschmerzen ein.“ Überrascht sah er sie an, musste dann aber doch etwas schmunzeln. Ihre trockene Art hätte viele andere Mitschüler dazu gebracht, sie für arrogant oder sarkastisch zu halten. Er sah hinter die Fassade. Erkannte, dass sie einfach nur ehrlich war. „Wir sollten es einfach mal ausprobieren.“, schlug Camilla vor. „Ich werde mit dem Zauberspruch in dich eindringen und du wirst versuchen das abzuwehren. Schaffe ich es hinein, dann versuchst du mich schnellstmöglich herauszuwerfen. Sei dir bewusst, dass ich uneingeschränkten Zugriff auf deine Erinnerungen, Gedanken und Gefühle haben werde. Du wirst mir womöglich Dinge zeigen, die du für dich behalten willst. Gefühle offenbaren, die nur dir gehören sollten... Willst du das wirklich?“ „Ja, ich will es wirklich.“, sagte er mit fester Stimme. „Na gut... Dann wagen wir den wilden Ritt.“ Für Camilla war es das erste Mal, dass sie bewusst in den Geist eines anderen eindringen würde. Zwar hatte sie bereits durch die Verbindung mit ihrem Vater an fremden Erinnerungen teilgenommen, doch nicht als aktive Kraft. Es war eher eine Art... Nebenwirkung. Weil ihre Verbindung so stark war, teilten sie mehr, als sie kontrollieren konnten. Nicht mal Tom hatte darauf wirklich Einfluss. Mehrmals atmete sie tief durch, dann richtete sie ihren Zauberstab auf Severus: „Legilimens.“ Es war nicht besonders überraschend, dass sie recht widerstandslos in seinen Geist eindringen konnte. Trotzdem fühlte es sich für die Amerikanerin eigenartig befremdlich an. Plötzlich war sie der Eindringling und nicht das Opfer der Manipulation. Schwindel ergriff sie. Wieder atmete sie mehrmals tief durch und versuchte das flaue Gefühl im Magen einfach zu verdrängen. Als sie ihre Augen wieder öffnete, erkannte sie, dass sie bereits in einer Erinnerung steckte. Es war ein kleines, heruntergekommenes Haus. Camilla sah aus dem Fenster und stellte fest, dass es irgendwo abseits stehen musste. Nicht direkt in einem Wald, doch in der Nähe. Als fürchteten die Bewohner, dass jemand ihre Geheimnisse erfuhr, wenn sie sich in die Zivilisation begaben. Ein Geräusch machte die Blondine aufmerksam. Sie suchte sofort den Ursprung und erreichte ein mickriges Wohnzimmer mit furchtbar alten Möbeln. Alles hier drin schrie nach Armut! Die Möbel schienen aus dem letzten Jahrtausend zu sein und das nicht nur vom Design. Sie fielen beinahe auseinander... Im Raum stand Severus Snape. Zumindest vermutete sie das, denn er war noch jung. Vielleicht acht oder neun Jahre... Seine Haare waren genauso fettig wie immer, doch seine Haut wirkte noch fahler. Seine Augen leblos. Vollkommen atypisch für ein Kind seines Alters, denn eigentlich sollte er Freude empfinden. Lachen! Lächeln. Spielen... Doch er stand einfach nur da. „Wo ist deine Mutter?“, hörte sie eine Männerstimme zischen. Ein Mann betrat das Wohnzimmer. Er war groß, breitschultrig und absolut beängstigend für ein Kind. Camilla spürte diese Furcht, die auch Severus damals empfunden hatte, als dieser Mann hereinkam. Sie spürte die tiefen Verletzungen in seiner Seele und musste die Augen langsam schließen. Immer wieder ermahnte sie sich selbst, sich nicht von all dem mitreißen zu lassen. Konzentriert zu bleiben. Wenn sie einknickte, konnten sie nicht richtig üben. Die Amerikanerin zwang sich ihre Augen wieder aufzuschlagen und den Mann erneut zu mustern. Er war keine Schönheit! Die große Hakennase, das fettige schwarze Haar und die hasserfüllten Augen machten deutlich, dass sie miteinander verwandt waren. Anhand von Severus‘ Gedanken erfuhr sie, dass er sein Vater war. Tobias Snape... Ein Muggel, der eine reinblütige Hexe geheiratet hatte. Eileen Prince, nach der er sich gerade erkundigte. „Einkaufen...“, murmelte das Kind kleinlaut. „Wie war das?“, schnaubte Tobias erbost. Sie konnte seine Alkoholfahne sogar bis hier riechen. Wohl eher, weil Severus sie damals auch gerochen hatte... „Einkaufen.“, wiederholte er etwas lauter. „Kannst du auch in ganzen Sätzen sprechen?!“ „Sie... Sie ist einkaufen...“, wimmerte Severus jämmerlich. Seine Augen fluteten sich mit Tränen der Angst. Genau diese Angst schien den Sadisten nur noch zu füttern. Er griff an die Schnalle seines Gürtels und öffnete ihn, damit er mit dem Leder direkt ausholen konnte. Der Schlag klatschte laut und das Kind ging keuchend zu Boden. Weinend versuchten die kleinen Kinderärmchen zumindest den Kopf zu schützen, während sich Tobias breitbeinig über ihn stellte. Dann schlug er zu. In seinen Augen konnte Camilla erkennen, dass er den Anblick seines unterlegenen Sohns genoss. Ihm gefiel es, ihm wehzutun. Ihn zu demütigen. Severus wehrte sich nicht. Er versuchte sich nur weitgehend vor Schaden zu schützen, was bei der Naturgewalt tatsächlich schwierig war. Der Alkohol schien Tobias nicht einfach nur blind zu machen, sondern vor allem rasend. „Hör‘ auf!“, schrie plötzlich eine Frau. Taschen gingen laut klirrend zu Boden. Einkäufe breitete sich aus. „Wie kannst du es nur wagen?!“, zischte Tobias jähzornig. „Heb‘ das gefälligst wieder auf!“ „Lass‘ Severus in Ruhe!“ „Da hast du dich nicht einzumischen, Weib!“ „Er ist unser Sohn!“, schrie Eileen mit Tränen in den Augen. Erschöpft kroch Severus über den Boden. Er wollte zu seiner Mutter, doch Tobias trat ihm einfach auf den Handrücken, damit er sich nicht mehr damit ziehen konnte. Es knackte laut. Camilla spürte den Schmerz, den der Junge durchlitt und schloss die Augen. Kurz darauf knallte es wieder. Dieses Mal schlug Tobias nicht den Jungen, sondern Eileen, die ihren Sohn schützen wollte. Der Gürtel riss ihr eine Strieme am Oberarm. Doch sie wollte nicht aufgeben und hob Severus vom Boden auf. Drückte ihn an ihren Körper. Klatsch! Ein weiterer Schlag. Klatsch! Wieder... Knall! Er erwischte Eileen am Rücken. Rumms! Körper gingen zu Boden. Ein Wimmern... Ein Flehen. Der Geruch von Alkohol – von fahlem Bier. „Du musst kämpfen.“, sagte Camilla plötzlich. „Wirf‘ mich raus!“ „I-Ich... Ich kann nicht!“, weinte das Kind herzerweichend. Klatsch! Wieder der Gürtel. Dieses Mal erwischte es die gebrochene Hand. Severus jaulte auf. „Du kannst. Wenn du diese Hölle überlebt hast, dann kannst du mich auch aus ihr herauswerfen.“, sagte Camilla aufrichtig. „Ich weiß, dass du es kannst. Ich glaube an dich, auch wenn es sonst keiner tut. Ich glaube an dich...“ Plötzlich verbiss sich das Kind und alles um sie herum verschwamm. Das kleine, schäbige Haus verschwand, doch die sadistische Fratze von Tobias hatte sie noch vor Augen. Mit dem nächsten Lidschlag waren sie wieder in dem abgelegenen Raum. Zurück in Hogwarts. Sie würden sich wohl einen anderen Unterschlupf suchen müssen, denn das versprach eine heikle, langlebige Angelegenheit zu werden. Schwer atmend stützte sie sich an der Wand ab und merkte erst jetzt, dass sie schwitzte. So intensiv war ihr nicht mal die Verbindung mit Tom Riddle vorgekommen. Doch vielleicht erging es dafür jedes Mal ihrem Vater so. Es war jedoch unwahrscheinlich, weil er ein geborener Legilimentor war und dazu ein geübter. „Geht es dir gut...?“, hörte sie Severus besorgt fragen. Als sie aufsah, war er wieder siebzehn Jahre alt. „Ja... Geht schon. Ich dachte nicht, dass das so intensiv sein würde.“ „Warst du das erste Mal in dem Kopf eines anderen?“ „Abgesehen von den Fetzen, die ich in dem Kopf meines Vaters sah?“, hinterfragte Camilla scherzlos. „Ja. Ja, das war das erste Mal...“ „Wow... Dafür hast du dich aber gut gehalten.“ „Findest du?“ „Die Erinnerung war... heftig für den Einstieg.“ „Ach was? Dein Vater ist doch ein richtiges Herzchen!“ „Stell‘ dich darauf ein, dass du ihn vorerst häufiger sehen wirst.“, murmelte der Zaubertrankfreak kleinlaut. „Ich wäre entzückt, wenn ich ihn noch häufiger sehen dürfte. Ich kann mir kaum etwas Besseres vorstellen!“, log sie theatralisch. „Außer vielleicht mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert zu werden oder von Todessern gehetzt zu werden. Oder wie wäre es mal wieder mit einem Liebestrank?“ Amüsiert, aber freudlos lachte Severus auf: „Okay, okay, ich habe verstanden. Ich werde versuchen, mich nicht allzu oft an ihn zu erinnern.“ „Danke.“ „Vielleicht sollten wir für heute Schluss machen?“, schlug Severus taktvoll vor. „Das war echt anstrengend...“ „Ja, ich denke, dass das eine gute Idee ist. Dann kann ich mich auch erholen.“ Obwohl mich das Gesicht von Tobias vermutlich bis in die Albträume verfolgen wird., gestand sich Camilla ein. Gemeinsam räumten sie das Zimmer auf und versuchten die Beweise ihrer Anwesenheit zu verschleiern. Ihr privater Unterricht war immerhin nicht nur verboten, sondern konnte ihnen auch schwere Konsequenzen einbringen. Umso wichtiger war es, dass sie ein anderes Zimmer fanden. Das hier war ein verlassenes Klassenzimmer... Severus hatte ihr erzählt, dass hier früher mal der Zaubertrank-Unterricht stattgefunden hatte. Es gab jedoch zu viel Licht, was den Zutaten und Tränken geschadet hatte, weshalb das Ganze in die Kerker verlegt worden war. Seitdem wurde dieser Raum jedoch nicht mehr genutzt, obwohl es immer noch nach Kräutern roch. Mister Filch kontrollierte jedoch regelmäßig die bekannten Räumlichkeiten. Auch ehemalige Klassenzimmer! Die sogar ganz besonders, damit die Schülerschaft sie nicht zu ihren Zwecken missbrauchten. Dazu zählte auch geheimer Unterricht. Vor allem aber hatten die älteren Schüler gerne in solchen Zimmern heimlich Sex. „Eines noch...“, murmelte Camilla, während sie gemeinsam durch die Flure wanderten. Es gab bald Abendessen. „Ich werde selbstverständlich nicht über die Dinge sprechen, die ich in deinem Kopf sehe. Das schwöre ich.“ „Ich hatte nichts anderes von dir erwartet.“ „Ich bitte dich aber auch, mir diesen Gefallen zu erwidern.“ Verwirrt blickte Severus sie an: „Wie meinst du das?“ „Es kann passieren, dass ich dir versehentlich auch mal Dinge zeige. Unwahrscheinlich, weil wir mit dem Zauber arbeiten, trotzdem möglich... Es wäre nett, wenn du darüber dann auch schweigst.“ „Selbstverständlich.“ „Gut... Manche Dinge bleiben besser geheim.“ „Da stimme ich dir zu.“ „Und wir müssen unbedingt irgendein Geheimzimmer oder so etwas finden.“, überlegte die Blondine. „Vielleicht erscheint uns ja der Raum der Wünsche? Mit etwas Glück...“ „Der Raum der Wünsche?“ „Nicht davon gehört oder gelesen?“, hakte der Schwarzhaarige nach. „Nein...“ „In Hogwarts soll es ein geheimes Zimmer geben, das ständig die Position wechselt. Keine Karte kann ihn deshalb verzeichnen.“, erklärte Severus nüchtern. „Wenn jemand in großer Not ist, offenbart er sich. Er nimmt dabei die Gestalt des Bedarfes an.“ „Also zum Beispiel eine Arena, wenn man sich unbedingt duellieren muss?“ „Zum Beispiel, ja.“ „Und niemand kennt den Standort?“, fragte sie interessiert. „Nichts, das ich wüsste.“ „Das wäre perfekt! Sofern er uns erscheinen sollte... Da könnten wir Stunden lang üben und niemand würde uns stören.“ „Ich werde die Augen offenhalten.“, versprach er sanft lächelnd. „Wäre auf jeden Fall gut, damit Mister Filch uns nicht stört.“ „Wobei soll ich euch nicht stören?“, fragte plötzliche eine kalte, kratzige Männerstimme. Beide Jugendlichen erstarrten. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf! Wenn sie jemanden unheimlich fand, dann war es dieser Hausmeister. Er tauchte immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten gebrauchen konnte! Langsam drehten sie sich um und sahen den misstrauischen Augen des Squib entgegen. Neben ihm stand Misses Norris, deren roten Augen zwischen ihnen hin und her wechselten. Intelligenz schimmerte in ihnen. Nicht so, wie sie es von Katzen gewohnt war, sondern eher wie ein Mensch. „Bei nichts.“, antwortete Camilla endlich. „Ach ja? Und deshalb sprecht ihr darüber und erstarrt, wenn man euch anspricht?“ „Wir sind eben schreckhaft. Ist ein gruseliges Schloss und dieser Korridor ist voll dunkel. Sie hätten ein Axtmörder sein können!“ „Ein Axtmörder?“ „Ja! Wie in den No-Maj-Filmen!“, seufzte die Blondine theatralisch. „Auf der Jagd nach Kindern...“ „Was soll ein No-Maj sein?“ „Ein-... Na, ein Muggel halt.“ „Dann sag‘ das auch, Kind!“, schnaubte der Hausmeister verächtlich. „In Amerika sagen wir No-Maj...“ „Sie sind hier nicht in Amerika.“, erinnerte er sie streng. „Und nun sagen Sie mir, was Sie zu verheimlichen versuchen.“ „Mister Filch, wenn wir Ihnen das verraten würden, dann wäre es ja kein Geheimnis mehr.“ „Deshalb sollen Sie es mir doch sagen!“ „Ich denke eher nicht... Ist doch viel witziger, wenn man jemanden überraschen kann.“, säuselte die Blondine schulterzuckend. Der Hausmeister schien etwas erwidern zu wollen, schloss den Mund aber fast augenblicklich wieder. Sein Gesicht verriet jedoch eine perverse Freude. Beinahe so, als habe er sie bei irgendwas Verwerfliches erwischt, wofür sie von der Schule fliegen konnten. „Miss Blair... Mister Snape.“, sagte er vertraute, gesittete Stimme. Wieder spürte die Amerikanerin, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten, während sie sich umdrehte. Professor Pride stand mit hochgezogener Augenbraue hinter ihnen, war aber wohl erst eben dazu gestoßen. Er war aber sicherlich nah genug gewesen, um zumindest das Ende des Gesprächs zu hören. „Sie sollten wirklich höflicher mit unseren geschätzten Mister Filch umspringen.“ „Das kann man auch umgekehrt sagen.“, warf Camilla trotzig ein. „Er könnte mal höflicher zu allen anderen sein.“ „Miss Blair, Sie sollten sich mal zusammenreißen.“ „Was sonst? Mische Sie mir sonst etwas Tödliches in meinen Tee? So zur Abwechslung?“ Joshua Pride atmete tief durch und zwang sich ganz offensichtlich zur Ruhe, ehe er sie wieder ansah: „Sie haben jedes Recht wütend auf mich zu sein, aber ich bin immer noch Ihr Hauslehrer.“ „Das Recht haben Sie verwirkt, als Sie mein Vertrauen missbraucht haben.“ „Es reicht! Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin.“, zischte der Zaubertranklehrer streng. „Und wenn ich Sie bei irgendwas erwische, was Sie nicht tun sollten, dann beten Sie, dass ich Ihnen nur Punkte abziehe.“ Erbost drehte sich der Lehrer um und verzog sich. Camilla spürte ihr schlechtes Gewissen piksen, versuchte es aber zu ignorieren. Er war doch selbst schuld! Es war seine Entscheidung gewesen, ihr einen Liebestrank unterzujubeln, damit sie sich nach seinen Wünschen verhielt. Unabhängig davon, dass sie sich tatsächlich in Sirius Black verguckt hatte. Als Mister Filch klar wurde, dass keine weiteren Strafen erteilt werden würden, ging er mit einem bitterbösen Blick weiter. Sah über die Schulter immer wieder zu ihnen. Seine Augen sagten deutlich, dass er sie beide beobachten würde. Es gab im Augenblick nichts, was ihr egaler war. „Hast du nicht etwas extrem reagiert?“, fragte Severus vorsichtig. Er wollte sie nicht reizen. „Vielleicht... Aber wir reden da nochmals drüber, wenn jemand Kontrolle über dein Leben übernimmt.“ „Klar, ich versteh‘ schon... Aber er hat es doch nicht aus Egoismus getan, oder?“ „Er hat aus bestem Wissen und Gewissen gehandelt... Das macht es sogar noch schlimmer!“, empörte sich Camilla. „Er würde es wieder tun, weil er es als richtig erachtet. Jedes Mal würde er sich so entscheiden.“ „Bist du dir da sicher?“ „Absolut, ja. Mir würde es genauso gehen.“ Severus lächelte matt. Sie wusste nicht genau, wie sie das deuten sollte. Er war nicht amüsiert, doch irgendwas schien ihn an ihren Worten dennoch zu erheitern. Schnaubend winkte sie ab und schlenderte mit ihm weiter. In nächster Zeit würden sie ihre Pläne nicht mehr auf dem Flur durchgehen.   Das letzte Quidditch-Spiel des Jahres war vorbei. Abigail hatte den Goldenen Schnatz gefangen und das Spiel damit für sich entschieden. Die Slytherins waren sehr wütend darüber gewesen und hatten wohl heftig randaliert. Davon hatte Sirius nichts mehr mitbekommen. Ihn hatte im Laufe des Spiels ein Klatscher getroffen! Zu seinem Leidwesen direkt am Kopf, sodass er das Bewusstsein verloren hatte und vom Besen gefallen war. Laut James hatte Madam Hooch seinen Aufprall abgefangen, dennoch hatte er sich diverse Knochen gebrochen. Er war sofort in den Krankenflügel gebracht worden, während das Spiel weiterlief. Ab da hatten die Slytherins richtig gepunktet! Ihr Ersatz-Hüter war nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Darauf hatten sie sicherlich spekuliert, als der gegnerische Treiber ihn ausgeschaltet hatte. Obwohl es Krone sichtlich schwergefallen war, hatte er dennoch weitergemacht und viele Punkte für Gryffindor geholt. Dann war der Schnatz aufgetaucht und Abigail hatte wohl eine Meisterleistung erbracht! Trotz gezielt auf sie gefeuerte Klatscher und der ständigen Behinderung durch den gegnerischen Sucher, hatte sie ihn schließlich bekommen und das Match knapp für Gryffindor entschieden. Sie hatte sich ordentlich feiern lassen, sich aber bei James unterkühlt gegeben. Der Zorn wegen des verpatzten Balls war immer noch gegenwärtig, was Tatze wirklich amüsierte. Als er im Krankenflügel aufgewacht war, waren jede Menge Leute da gewesen. Sie hatten Süßigkeiten, Scherzartikel und Gute Besserungs-Karten gebracht. Außerdem wollten sie wissen, wie es ihm ging und ihm von dem tollen Sieg berichten. Es war James, der immer wieder dazwischenhaute. Er wollte alles erzählen! Natürlich mit seinem bekannten Eifer, wenn es um Quidditch ging, wobei er es sich nicht nehmen ließ, auch seinen Absturz sehr detailliert zu beschreiben. Selbstverständlich mit diversen Veralberungen. Wenn er ehrlich war, erinnerte er sich selbst nicht mehr an die Geschehnisse. Weder an den Klatscher und wie er seinen Schädel erwischt hatte noch an seinen Absturz. Nicht mal daran, dass er hierhergebracht worden war! Er meinte sich zwar dunkel daran erinnern zu können, dass Madam Pomfrey ständig darüber geflucht hatte, dass man Quidditch verbieten sollte, doch das war nichts Neues. Ihre Abneigung gegen den magischen Sport war leicht erklärt: Etwa achtzig – wenn nicht sogar neunzig – Prozent aller verletzten Schüler, die sie behandeln musste, waren nur wegen Quidditch hier. Entweder hatten sie sich während eines Spiels oder des Trainings verletzt oder eine gegnerische Mannschaft versuchte die Konkurrenz im Vorfeld auszuschalten. Dafür wurden diverse Tränke missbraucht, Flüche eingesetzt oder sogar Massenschlägereien losgetreten. Es endete stets mit vielen Knochenbrüchen, Tränen und Erbrochenem... Wenn die Mädels nicht so auf Quidditch-Spieler abfahren würde und James nicht so begeistert von diesem Sport wäre, hätte Sirius längst aufgehört! Aber Anerkennung, Mädchen und Freundschaft waren wirklich nette Zusätze. „Gut, dass wir trotzdem gewonnen haben!“, meinte Krone sichtlich erleichtert. „Das nächste Mal aber bitte ausweichen, Tatze.“ „Ich bin stets bemüht, Krone.“ „Du siehst richtig kacke aus.“ „Danke, du findest immer die richtigen Worte, um jemanden zu trösten.“, seufzte er amüsiert. Tatsächlich musste er schlimm aussehen! Madam Pomfrey hatte sein Bein schienen müssen und sein rechter Arm war komplett verbunden. Sie hatte sich erstmal um seine Kopfverletzung gekümmert, weil sein Schädel offenbar leicht angebrochen gewesen war. Um seinen Körper nicht zu überlasten, hatte sie keine weiteren Zauber und Tränke riskiert. Ein paar Stunden musste er die gebrochenen Rippen, das angebrochene Handgelenk mit teils gebrochenen Fingern und auch das ebenfalls gebrochene Schienbein ertragen. Geschweige denn von den diversen Prellungen! Zumindest konnte Tatze behaupten, dass er keinerlei Kopfschmerzen hatte. In diesem Bereich hatte die Krankenschwester wirklich super Arbeit geleistet. Bisher war ihm auch weder schlecht noch schwindelig. Insgesamt ging es ihm erstaunlich gut. „Die anderen wollen die Slytherin-Treiber übrigens heimlich aufmischen.“, berichtete Krone eifrig. „Hab‘ ihnen gesagt, dass sie es sein lassen sollen, aber ich denke, dass sie es trotzdem tun werden.“ „Das kann hässlich werden, wenn sie damit einen Kleinkrieg lostreten...“ „Oh ja, aber du weißt ja, wie sie sind...“ „Dabei haben wir gewonnen.“, warf Moony augenrollend ein. „Sollte das nicht reichen? Sie könnten das den Slytherins unter die Nase reiben und gut ist.“ „Tja, so ist das im Leistungssport... Sind alle total nachtragend.“ Gerade als James sich einmischen wollte, wurde plötzlich die Flügeltür des Krankenzimmers regelrecht an die Wand gedonnert. Die anderen Patienten zuckten zusammen, ebenso wie die zahlreichen Besucher. „Oho...“, presste James noch hervor. Just im nächsten Augenblick wurde er herumgerissen und von Camilla ziemlich unsanft geschüttelt. Sirius konnte James ansehen, dass ihm ganz schwindlig davon wurde, aber er wehrte sich trotzdem nicht. „Wie konntest du das zulassen?!“, schimpfte sie lautstark. „Du solltest auf ihn aufpassen, Jim! Du hast es versprochen!“ „Ent-... Entschuldige~...!“ „Und dann sagt mir auch noch keiner Bescheid, dass er im Krankenflügel ist! Keiner!“ „Er ist übrigens auch anwesend...“, warf Sirius irritiert ein. „Ich habe irgendwelche Slytherins darüber kichern hören, dass er vom Besen gefallen ist! Vom Besen gefallen! Wie konntest du das zulassen?!“ „Ich... Es war ein Klatscher!“, versuchte James atemlos zu erklären. „Könntest... du bitte aufhören...? Ich bekomme noch ein... Schleudertrauma!“ Schnaubend ließ sie endlich von dem Kapitän ab, der mehrmals tief durchatmete. Er sah tatsächlich etwas grün um die Nase aus! Sirius amüsierte sich innerlich darüber, dass der große, gestandene James Potter von einem Mädchen fertiggemacht wurde. „Du brauchst gar nicht so zu grinsen!“, richtete sie direkt an Sirius. „Du bist als nächster dran.“ Sofort verklang das Grinsen. Er war auch noch dran? Er war doch das Opfer! Doch das warf er lieber nicht ein, solange sie noch so unfassbar wütend war. „Ein Treiber hat einen Klatscher auf ihn zugeschlagen und der hat ihn am Kopf erwischt.“, erklärte der Jäger rasch. „Da konnte echt keiner etwas machen, Camy...“ „Und wo waren eure Treiber? Warum haben die denn nichts getan?!“ „Weiß nicht... Es ging alles verdammt schnell.“ „Pah!“, schnaubte sie verächtlich und drehte sich nun zu ihm um. „Und du? Warum bist du denn nicht ausgewichen?!“ „Ich... habe den nicht gesehen... Denke ich.“ „Denkst du?!“ „Na ja... Ich kann mich nicht erinnern, was passiert ist. Ich war auf dem Feld und dann bin ich hier aufgewacht.“ Sofort wurde die Blondine still und musterte ihn. Sie forschte wohl nach einer Lüge, doch der Hüter hatte wirklich einen Blackout. Madam Pomfrey hatte gesagt, dass das normal sei. Das Gehirn würde gerne traumatische Erlebnisse ausblenden, die es noch nicht richtig verarbeiten konnte. Es sei möglich, dass er sich irgendwann erinnern könnte, doch eher unwahrscheinlich. Zumindest schien sie die Gedächtnislücke endlich zu besänftigen, denn sie schob die Rumtreiber beiseite, damit sie auf das Bett steigen konnte. James vertrieb derweil die neugierigen Zuschauer und zog den Vorhang zu, damit sie nur noch zu fünft waren. „Hast... du große Schmerzen...?“ „Im Moment geht es.“, flüsterte Sirius sanft und strich ihr zärtlich mit seiner unverletzten Hand durch das goldblonde Haar. Ganz vorsichtig legte sie ihren Kopf auf seine Brust, achtete aber darauf, nicht ihr Gewicht auf ihn zu verlagern. Dabei sah sie in sein Gesicht. Wenn er es irgendwie verzog, würde die Amerikanerin es sehen und sich sicherlich sofort erheben. So viel Fürsorge hatte er bei ihr gar nicht erwartet... Sie streichelte sehr sanft über seine Seite, während sie einfach seine Nähe suchte. Es erinnerte ihn an die Vollmondnacht, als er sich an sie gekuschelt hatte. Nur waren sie da Tiere gewesen. „Was hat Madam Pomfrey gesagt...?“, erkundigte sich Camilla schließlich. „Er hat eine Gehirnerschütterung, die sie aber wohl weitgehend behandeln konnte.“, erklärte Krone einfühlsam. „Die anderen Verletzungen wird sie in...“ Er sah auf die Uhr, dann blickte er wieder zu dem Paar. „In etwa einer halben Stunde wird sie auch die anderen Verletzungen behandeln. Sie will seinem Körper Zeit zur Erholung geben.“ „Wie lange muss er denn bleiben?“ „Da wollte sie sich noch nicht festlegen.“ Vorsichtig legte Sirius seinen unverletzten Arm um die Blondine. Er wollte sie zumindest etwas halten und trösten, wenn sie schon so in Sorge war. „Mach‘... so etwas nie wieder...“ „Ich werde es versuchen.“, versprach er ihr und küsste sanft ihre Schläfe. Das war gar nicht so einfach, weil die Rippen ganz schön schmerzen, als er sich vorbeugte! „Ich hasse Quidditch...“ „Madam Pomfrey ist da voll bei dir.“, meinte Moony seufzend. „Und ich auch.“ „Es ist echt gefährlich.“, murmelte Camilla unzufrieden. „Ja, ist es, aber es macht auch Spaß.“, mischte sich James begeisterungsfähig ein. „Es ist ein richtiger Nervenkitzel! Das Adrenalin dreht voll durch, wenn man Quidditch spielt. Und wenn man gewinnt, hat man ein richtiges Hochgefühl!“ „Das trifft auf viele Sportarten zu, die aber nicht so leicht tödlich enden...“ „Es ist doch ewig keiner mehr in Quidditch gestorben! Hin und wieder verschwinden mal Spieler, aber die tauchen nach einer Weile wieder auf... Meistens etwas lädiert, aber am Leben.“ „Du hast kein Händchen für tröstende Worte, Jim.“, seufzte die Blondine augenrollend. „Außerdem weiß ich das.“ „Wir sollten die beiden alleine lassen.“, schlug Remus rasch vor. „Ich... denke auch.“, quiekte Peter kleinlaut. Er sah, dass Sirius auch gerne bei Camilla sein wollte und was Tatze wollte, war Gesetz! „Na gut... Ich komme dich später nochmals besuchen, Tatze. Gute Besserung.“, sagte James aufrichtig. Mit einem letzten Blick zu dem Paar gingen die Freunde. Sirius konnte hören, dass Krone beinahe sofort wieder anfing, von dem Spiel zu reden. Wie glorreich sie gesiegt hatten! Das würde vorerst auch wieder sein Hauptthema bleiben. Vor allem, wenn sie wieder den Hauspokal gewinnen sollten – was derzeit wirklich möglich war. All das war Tatze egal. Er schob lieber seine Nase in ihr weiches Haar und inhalierte ihren süßen, natürlichen Duft. Es war seltsam beruhigend. Seit sie nicht mehr unter dem Einfluss des Liebestrankes stand, fühlte sich ihre Beziehung irgendwie gesünder an. Vorher war Camilla wirklich regelrecht besessen gewesen, was ihm erst im Nachhinein klar geworden war. Nun hingen sie auch aneinander, aber sie kamen auch wunderbar alleine zurecht. Es musste nicht sein, dass sie sich vierundzwanzig Stunden auf die Pelle rückten. Natürlich sahen sie sich häufig und sie hatten immer noch ständig Sex, aber es hielt sich die Waage. „Wer... hat dir den Liebestrank gegeben...?“, fragte er seufzend. Bisher hatte sie daraus ein Geheimnis gemacht, aber stets versichert, dass Schniefelus nichts damit zu tun gehabt hatte. Von ihm waren die Gegenmittel. „Wieso ist das wichtig?“ „Es hat uns Monate gekostet... Ich würde es einfach nur gerne wissen.“ „Pride...“ „Professor Joshua Pride?“, wiederholte er ungläubig. „Jupp, genau der.“ „Warum?“ „Er wollte dafür sorgen, dass ich mich deinetwegen von meinem Vater und von Severus abwende.“ „Von deinem Vater verstehe ich ja noch, aber von Severus? Seinem Musterschüler?“ Leise seufzte sie und drückte ihr Gesicht sanft in seine Halsbeuge: „Weil er die dunklen Künste mag.“ „Ah... Verstehe.“ Mehr musste er nicht wissen. Es ging ihn weder etwas an, weshalb der Professor so versessen darauf war, seine Schülerin zu schützen noch wie sie seither verblieben waren. Wenn sie es wollte, würde sie es ihm irgendwann erzählen. Er konnte sich gedulden. Immerhin hatte Sirius auch lange auf sie gewartet. Er lächelte zufrieden, als er langsam in einen tiefen Schlaf dämmerte. Seine Freundin in seinem Arm und ohne Gedanken an irgendwelche Liebestränke. Einfach nur zufrieden, dass sie die Krise überwunden hatten, sie nun hier war und er sich von dem Unfall im Quidditch erholen würde.   Wenn Remus in einer Sache gut war, dann gewiss darin, die Rumtreiber dazu zu kriegen zu lernen. Da Camilla sich wieder als Mitglied etablierte, betraf das auch sie. Meistens lernte sie jedoch mit Severus Snape, was für den Werwolf vollkommen in Ordnung war. In letzter Zeit traf sich das Mädchen sogar noch häufiger mit dem Slytherin. Wenn Sirius oder James neugierig danach fragten, bekamen sie jedoch keine Antwort von ihr. Sie sagte immer nur, dass sie lernen würden, jedoch bezweifelte selbst Moony das inzwischen. Sie verschwanden nämlich neuerdings sogar von der Karte des Rumtreibers, während sie „lernten“. Trotzdem würde er nicht auch danach fragen. Krone und Tatze begriffen nicht, dass sich die Blondine noch mehr verschloss, wenn man auf sie Druck aufbaute. Eine verständliche Reaktion, wie er fand. Stattdessen konzentrierte er sich weiterhin auf den Lernstoff und die herannahenden Prüfungen, die schon ab der nächsten Woche losgingen. Er fühlte sich gut genug vorbereitet, doch Camilla wie auch Sirius hatten ein Problem, das er lösen wollte, damit auch sie keine Probleme bei den Prüfungen hatten. Zu diesem Zweck hatte er die Amerikanerin davon überzeugt, heute mal mit ihnen zu lernen. Tatsächlich tauchte Camilla sogar auf. Der Vertrauensschüler hatte irgendwie befürchtet, dass sie aus Trotz vielleicht doch nicht erscheinen würde. Sie lernte bald mehr als er! „Was wollt ihr denn heute üben?“, fragte sie, während sie hinter Remus her schlenderte. Sirius hatte bei ihr eingehakt, damit auch ja jeder Mitschüler sah, dass sie wieder miteinander gingen. Du bist erstaunlich besitzergreifend, Tatze... Hatte ich echt nicht gedacht., musste Remus sich eingestehen. Bald gab es keine Schüler mehr, die das Pärchen zusammen sehen könnten. Trotzdem löste sich Tatze nicht von ihr. James schlenderte hingegen neben ihm her und grinste breit. Er wusste, worum es ging und freute sich schon auf die Privatstunden. „Erde an Remus?“, fragte die Amerikanerin. „Was hast du mit uns vor?“ „Wirst du noch sehen.“ „Oder du sagst es einfach...“ „Oder ich lass‘ es.“ „Ist bald Vollmond?“ „Nein...“, antwortete er irritiert. „Dann gibt es keinen Grund miesepeterich zu sein.“ Sirius kicherte über ihre Worte, während Moony nur mit den Augen rollte. Ihre sarkastischen Sticheleien war er inzwischen gewohnt und nahm es nicht mehr persönlich. Er schuldete ihr ohnehin noch etwas, doch die Rechnung würde er heute definitiv begleichen. Endlich erreichten sie eine Kluft, die mit Baumreihen eingeschlossen wurde. Sie war nah genug am Verbotenen Wald, damit sich hier keiner herwagte, doch auch weit genug weg, damit hier keine ungebetenen Kreaturen auftauchten. Oder sie mit Strafarbeiten rechnen mussten... In der Mitte der Kuhle stand ein Kofferschrank und in Camillas Gesicht konnte er erkennen, dass sie nun wusste, worum es ging. Ihr entwich jegliche Farbe und sie wollte sogar umdrehen, doch Tatze hielt sie davon ab. Obwohl er auch nicht begeistert aussah... „Es gibt Gerüchte, dass in der praktischen Prüfung für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ein Irrwicht vorkommen wird.“, erklärte Moony nüchtern. „Ihr habt euch beide nicht gerade mit Ruhm bekleckert, also sollten wir üben.“ „He, ich bin nur getürmt! Sie hat den sterbenden Schwan gemacht.“ „Fick‘ dich, Sirius!“ „Es steht außer Frage, wer von euch sich mehr blamiert hat.“, mischte sich Krone altklug ein. „Fakt ist, dass ihr beide versagt habt. Mit euren Leistungen fallt ihr glatt durch die Prüfung durch.“ „Fick‘ dich, Jim...“ „Na, nicht solche Kraftausdrücke, bitte!“ „Ich vergaß, dass du sensibel bist.“, stichelte Camilla ihn eifrig. „Ich will das trotzdem nicht machen.“ „Willst du lieber durch die Prüfung durchfallen?“, hakte Moony irritiert nach. „Irgendwie würde ich sogar lieber gegen eine Armee Todesser antreten, als schon wieder vor einem Irrwicht zu stehen.“ „Sag‘ doch so etwas nicht!“, quiekte Peter empört auf. Er sprach immer noch nicht gerne über Todesser, den dunklen Lord oder das dunkle Mal. Allmählich schien er aber mit ihrer Verbindung zu all dem klarzukommen. „Ich bin zwei Mal auf einen Irrwicht getroffen und ich habe beide Male versagt...“ „Was ist beim ersten Mal passiert?“ „Ich bin erstarrt...“ „Erstarrt? Du?“, fragte Sirius verwirrt. Seine Freundin war in der Regel immer in Bewegung und um keinen Kommentar verlegen. Bleiern nickte das Slytherin-Mädchen: „Ja, vollkommen erstarrt... Ich konnte absolut gar nichts tun und nicht denken. Mein Lehrer musste eingreifen.“ „In was hatte er sich verwandelt?“ „In... In meine toten Väter.“ Stille trat ein. Die Jungs stellten sich vor, was in ihr vorgegangen sein musste, als sie die toten Leiber ihrer Väter vor sich gehabt hatte. Es war anders, als wenn man sich einer Spinne oder einem verhassten Lehrer gegenübersah. Irgendwann starb natürlich jeder, doch ihre Väter waren sicherlich keinen natürlichen Tod gestorben. „Und was befürchtest du, würdest du dieses Mal sehen?“, wollte Remus wissen. „Wieder deine toten Väter?“ „Nein...“ „Was dann?“ „Den dunklen Lord.“ Wieder trat Schweigen in ihre Mitte. Bis auf Camilla und Sirius hatte keiner von ihnen den dunklen Lord jemals leibhaftig gesehen. Natürlich gab es zahlreiche Gerüchte um seine nichtmenschliche Erscheinung, doch es war etwas anderes, wenn man es nur hörte oder es wirklich zu sehen. Auch dann, wenn es eigentlich nur ein Irrwicht war... Moony war sich nicht mal sicher, wie man den dunklen Lord ins Lächerliche ziehen sollte! Er hatte zahllose Menschen getötet oder töten lassen. Er folterte... Er spielte Gott! Ihn zu fürchten war keineswegs verwerflich, sondern absolut menschlich. „Was ist mit dir, Tatze?“, lenkte Remus vom Thema ab. „Wirst du dieselbe Version haben?“ „Ich denke nicht.“ „Weißt du, was du sehen wirst?“ „Nope.“, erwiderte Sirius kopfschüttelnd. Darüber hatte er sich offenbar auch noch gar keine Gedanken gemacht. „Dann sollten wir einfach mal mit Tatze anfangen. Er wird hoffentlich die leichtere Angst haben. Zauberstäbe raus.“ Keiner widersprach. Sie zogen alle ihre Zauberstäbe und folgten Moony hinab in den Krater, wo der Kofferschrank hin und her schaukelte. Er war überrascht, dass die Amerikanerin nicht mehr zu widersprechen versuchte, sondern einfach dicht bei Sirius blieb. Der hatte den Arm um sie gelegt. Es war schön zu sehen, dass sie füreinander da waren ohne die frühere Besessenheit. James und Peter hielten etwas Abstand, waren aber bereit im Notfall einzugreifen. Camilla entfernte sich widerspenstig von ihrem festen Freund, umklammerte dabei aber fest ihren Zauberstab. Als alle Position bezogen hatten, öffnete Remus mit einem Schwenker seines Zauberstabs den Kofferschrank und ließ ihn aufspringen. Er selbst machte einen Satz dahinter, damit der Irrwicht nicht ihn auswählte. Wie Tatze prophezeit hatte, verwandelte sich der Irrwicht nicht erneut in die Blacks. Auch nicht in Regulus, wie es Remus eigentlich vermutet hatte. Die neue, tiefste Angst von Sirius Black überraschte nicht nur Moony, sondern auch alle anderen. Einschließlich Sirius selbst. Es war Camilla, die blutüberströmt da lag und sich nicht mehr regte. Was genau sie getötet hatte, musste er nicht fragen. Es war definitiv der Fluch, den Severus Snape am Anfang des Jahres auf James losgelassen hatte. Nur waren die Auswirkungen wesentlich stärker, als habe ein viel mächtigerer Zauberer den Fluch benutzt. Obwohl diese Form der Amerikanerin tot war, sickerte das Blut noch aus den zahlreichen Wunden, die gigantisch aussahen. Moony hatte so etwas noch nie gesehen... Doch er war sich sicher, dass er davon noch lange Albträume haben würde. Tatze war vollkommen erstarrt und sah die Erscheinung ungläubig an. Außerstande irgendwas zu tun. Remus wollte gerade einschreiten, da sprang Camilla schon zwischen den Black-Erben und den Irrwicht. Innerlich wappnete sich Moony für den schlimmsten Anblick seines Lebens, während die Gestalt des Irrwicht sich veränderte. Es war nicht der dunkle Lord... Zumindest, wenn er den Erzählungen glauben durfte. Es war ein Jugendlicher, der in ihrem Alter zu sein schien. Er sah gut aus... Sein schwarzes Haar war kurz, doch der Pony war etwas länger und lässig zur Seite geschoben. Seine Augen waren genauso strahlend blau wie die von Camilla, aber seine Haut war etwas bleicher. Sofort wurde ihm bewusst, dass dieser eigenartige Junge sogar die Hogwarts-Uniform trug! Nur anders. Sie sah etwas altmodischer aus. Außerdem bemerkte er die grün-silberne Krawatte, die ihn als Slytherin auswies. Er hatte auch diese typische Slytherin-Ausstrahlung, als würde er sich für etwas Besseres halten. „Du... machst mir keine Angst...“, hörte er Camilla wie ein Mantra sagen, dann hob sie ihren Zauberstab: „Riddikulus!“ Ob Täuschung oder nicht, aber Moony kam es so vor, als haben sich die Augen des Jungen kurz rot verfärbt, ehe der Zauberspruch ihn traf. Der Junge veränderte sich. Plötzlich wurde er fett. So fett, dass er aus allen Nähten zu platzen schien! Auch sein Gesicht quoll an. Da war nichts Schönes mehr. Camilla lachte nicht, aber Peter und James taten es. Sirius war noch zu sehr im Schock, um wirklich auf die Geschehnisse zu reagieren. Ebenso wie er selbst. War das wirklich der dunkle Lord?, fragte er sich verwirrt. Es gibt Gerüchte über diese rotglühenden Augen... Aber er kann unmöglich so jung sein! „Ich dachte, bei dir würde der dunkle Lord erscheinen?“, fragte Krone das, was sie alle dachten, während Remus den Irrwicht erstmal wieder in den Schrank sperrte. „War er ja auch...“ „Aber... Tatze meinte, er sähe aus wie ein Hybrid aus Schlange und Mensch.“ „Ja, heutzutage, aber nicht damals...“, seufzte die Blondine unruhig. „In meinen Träumen ist er mir meistens in seiner jugendlichen Gestalt erschienen, damit ich mich... wohler fühle.“ „Er sah verdammt gut aus...“, murmelte Remus abwesend. „Also soweit ich das als Junge beurteilen kann!“ „Tat er, ja, aber die dunklen Künste forderten ihren Tribut. Nun ist er nur noch gruselig.“ „Aber du hast es geschafft!“, freute sich Krone aufrichtig. „Du bist nicht umgekippt!“ „Stimmt.“, wurde es ihr plötzlich bewusst. „Aber nur, weil ich Sirius beschützen wollte... Apropos... Sirius, lebst du noch?“ „Ähm... Ja, entschuldigt...“ „Dann müssen wir nur noch mit Tatze üben.“, stellte Remus erstaunt fest. „Muss das denn echt sein?“ „Ja, es muss sein. Du warst total erstarrt!“ „Das wärt ihr an meiner Stelle auch...“ Moony seufzte tief, nickte dann aber: „Das bestreitet ja auch keiner, aber du musst das hinbekommen.“ Der Black-Erbe wirkte etwas so, als würde er jeden Moment ausrasten und einfach türmen, doch er blieb. Wahrscheinlich auch, weil Camilla ihn behutsam in den Arm nahm und ihn einfach hielt. Das spendete ihm Ruhe. Erinnerte ihn vielleicht auch daran, dass sie nicht wirklich tot war. Dennoch war das eine wirklich schwierige Angst, die sie besiegen mussten. Eine verständliche Sorge... Die Amerikanerin würde wahrscheinlich jung sterben. Entweder durch die Hand ihres eigenen Vaters oder durch einen Feind ihres Vaters. „Du hast die einmalige Chance mich in deiner Vorstellung richtig lächerlich zu machen.“, säuselte die Blondine liebevoll. „Das solltest du wirklich ausnutzen. Ausnahmsweise werde ich deshalb nicht böse sein.“ „Ich will dich gar nicht ins Lächerliche ziehen.“, schnaubte Sirius widerspenstig. „Ach nein? Das kommt mir oft aber anders vor.“ „Du... warst tot...“ „Eigentlich war der Irrwicht tot.“, widersprach sie kopfschüttelnd. „Das ist nicht echt, Sirius... Lass‘ mich doch wie eine Marionette aufstehen und tanzen oder so. Du kannst das. Ich glaube an dich.“ Sie stockte, als wurde ihr bewusst, dass sie genau das schon mal gesagt hatte. Remus konnte sich jedoch nicht erinnern, dass sie diesen Satz schon mal in ihrer Gegenwart ausgesprochen hatte. Sie fing sich auch kurz darauf wieder und lächelte Tatze ermutigend an. Sirius sah nicht begeistert aus und wollte es wohl am liebsten sein lassen, nickte aber trotzdem bleiern. Offenkundig wollte er seine Freundin nicht enttäuschen. Und er wollte sich sicherlich auch seinen Freunden beweisen! Sie traten alle beiseite, damit der Irrwicht sich auf ihn fokussieren konnte. Remus stellte sich wieder leicht hinter den Kofferschrank und ließ ihn aufspringen, als alle bereit waren. Erneut baute sich die Erscheinung von der toten, stark blutenden Camilla auf. Sofort schien der Hüter wieder zu erstarren. Der Anblick war auch wirklich heftig und der Werwolf konnte es wirklich nachfühlen, dass das schwer war. Um seinen Freund nicht länger zu quälen, griff er ein und sperrte den Irrwicht wieder ein. Sirius fluchte laut und ärgerte sich über sich selbst, wollte es aber erneut versuchen. Das wiederholte sich einige Male. Es wurde sogar bereits dunkel, doch Tatze bestand darauf, dass er es weiter probieren wollte! Irgendwann schien er den Punkt erreicht zu haben, an dem er nur noch vorankommen konnte. Er hob den Stab und endlich rief er: „Riddikulus!“ Camillas Worte hatten ihn offenbar inspiriert, denn tatsächlich schlossen sich Fäden um die Extremitäten ihres toten Ebenbildes. Vollkommen steif erhob es sich. Es sah wirklich aus, als wäre sie eine Holzpuppe, so steif waren die Gelenke! Kurz nachdem die Erscheinung aufrecht war, verschwand das Blut vollständig und die Camilla-Marionette begann sehr albern zu tanzen. Es fehlte nur noch ein Marionettenspieler, der im Hintergrund eine Geschichte zum Besten gab. James war der Erste, der zu lachen begann. Ihm schlossen sich Camilla und Peter an. Tatze war immer noch etwas schockiert, konnte sich dann aber auch ein erschöpftes Lachen abringen. Lächelnd schloss Remus den Irrwicht wieder ein und verschloss den Schrankkoffer nun vollständig. Er hatte sich das Geschöpf von Professor Callum geliehen. Nur hatte der Lehrer deutlich gesagt: „Wiedersehen macht Freude.“ Aus diesem Grund winkte er den Jäger heran, der ohne Murren den Koffer zu ziehen begann. Inzwischen war er es offenbar gewohnt, dass er für die Drecksarbeit eingesetzt wurde. Nach einer langen Trainingseinheit hatten sie es endlich geschafft! Jeder von ihnen konnte erfolgreich einen Irrwicht abwehren ohne zu erstarren, ohnmächtig zu werden oder theatralisch die Flucht zu ergreifen. Die Prüfungen konnten also endlich kommen. „Ich finde, weil wir das alle so toll gemacht haben, verdienen wir eine ganz besondere Belohnung.“, warf Camilla auf dem Rückweg ein. „Na ja... Ich habe euch den Erfolg eurer Prüfungen gesichert. Ist das nicht Belohnung genug?“ „Du hast mich fast umgebracht! Ich denke, ich verdiene etwas mehr.“ Moony sah sie empört an, währen Krone, Tatze und Wurmschwanz kicherten. Sie manipulierte ihn auf eine sehr hinterhältige Art und Weise und alle wussten es. Einschließlich ihm. Und doch war er außerstande sich gegen diesen Einwand zu wehren. Sein Gewissen pochte. Schrie ihn an! Er hatte sie wirklich fast umgebracht... Seufzend nickte er also: „Was schwebt dir denn vor?“ „Verrate mir ein Geheimnis.“ „Ein Geheimnis? Du weißt doch schon, dass ich ein Werwolf bin.“ „Da ist noch ein anderes...“, schnurrte die Amerikanerin wissentlich. Seine Freunde wurden aufmerksam. Sahen erst ihn, dann sie fragend an. Remus war selbst verwirrt und fragte sich, worauf sie hinauswollte. Es schien zumindest um eine ganz spezielle Information zu gehen, die sich ihm nicht erschloss. „Was meinst du?“ „Narzissa Black...“, hauchte sie. „Was ist das zwischen euch?“ Daran hatte er gar nicht mehr gedacht! Sofort peitschte ihm eine verlegene Röte in das Gesicht und er schwor sich, dass er zukünftig an seinem Pokerface arbeiten würde. Nun waren sich sogar seine Kumpel sicher, dass da irgendwas im Busch war. „Meine Cousine? Die Narzissa Black?“, hinterfragte Sirius vollkommen ungläubig. „Was soll da zwischen ihnen sein?“ „Kennst du noch eine Narzissa Black? Natürlich die! Und was da ist, will ich ja von ihm wissen.“ „Nichts... Da ist nichts...“ „Aber ihr habt in einem verbotenen Korridor geknutscht.“, widersprach Camilla kopfschüttelnd. „Ihr habt geknutscht?!“, keuchten seine Freunde wie aus einem Munde. Absolute Verwirrung mit Empörung schlug ihm entgegen. „Knutschen... ist wohl etwas... viel gesagt...“, murmelte der Werwolf verlegen. „Das geht euch auch gar nichts an!“ „Seid ihr etwa verliebt?“, freute sich das Mädchen. „Nein... Unsinn!“ „Aber verknallt?“ „Das geht dich nichts an, Camilla!“, wehrte sich Moony peinlich berührt. „Awww~... Es ist so süß, wenn sie sich winden!“ „Lass‘ ihn, Camy.“, mischte sich Krone ein. „Wenn er nicht darüber sprechen möchte...“ „Danke, Krone!“ „Wir fragen ihn später ohne dich aus. Ich erzähle dir dann alles morgen.“ „Argh!“ Tatze begann lautstark zu lachen und klopfte Remus dann ermutigend auf die Schulter. Er schien tatsächlich nicht böse zu sein, dass er offenbar etwas mit einer seiner verhassten Cousinen hatte. Natürlich war Narzissa auch das geringere Übel... Ginge es um Bellatrix, hätte er ihn spätestens jetzt zu dem Irrwicht in den Kofferschrank gesperrt. Zu seinem großen Ärgernis schien Camilla wahnsinnig zufrieden mit sich zu sein. Sie hatte ihn eiskalt erwischt und letztendlich alle Informationen erhalten, die sie interessiert hatten. Nun hoffte er nur, dass sie das Wissen nicht gegen die junge Black einsetzen würde. Zumindest fragte ihn wirklich keiner mehr nach ihr aus. Stattdessen sprachen sie über die herannahenden Prüfungen und dass sie alle diese mit Links bestehen würden. Er war sich nicht so sicher, ob das auch auf Peter zutraf, doch um den Rest machte er sich keine Sorgen. Obwohl Camilla sicherlich im praktischen Teil der Zaubertrank-Prüfungen Probleme haben würde... Sie konnte es aber wenigstens mit ihrem theoretischen Wissen wieder ausgleichen. Und damit, dass sie eine Slytherin war.   Die Prüfungen liefen bereits und das machte die Woche wahnsinnig anstrengend. Trotzdem hatte Severus seine Freundin darum gebeten, weiterhin die Okklumentik-Techniken zu üben. Sie hatte eingewilligt, aber auch betont, dass sie eine Pause einlegten, wenn es zu viel wurde. Inzwischen kam das Mädchen gut mit den Auswirkungen des Legilimentik-Zaubers zurecht und er konnte sie auch schon schneller aus seinem Geist herauswerfen. Trotzdem war es viel schwieriger als er gedacht hatte. Leider hatte er ihr diverse Male seinen Vater gezeigt. Vermutlich wusste sie inzwischen mehr über Tobias Snape als sein Vater und er zusammen! Jeder andere hätte ihn bemitleidet, doch sie sprach ihn kaum auf das Gesehene an. Nahm es einfach so hin. Ihr Verhältnis schien sich durch ihr zusätzliches Wissen sogar noch mehr zu bessern. Camilla vertraute ihm mehr und er konnte auch ihr vertrauen, weil keine der Informationen plötzlich durch Hogwarts hausierten. Es fiel ihm trotzdem schwer damit klarzukommen, dass sie inzwischen so viel wusste. Wie oft sie nun schon all die Misshandlungen gesehen hatte, die er erlitten hatte und immer noch erlitt. Immer, wenn er Zuhause war... „Ich verstehe nun, warum du mit No-Maj Probleme hast.“ „Was?“, ihn irritierte nicht der Begriff No-Maj, den kannte er inzwischen von ihr, sondern ihre Aussage als solche. „Dein Vater ist einer, nicht wahr? Und er ist echt eine Arschgeige.“ „Ich... habe keine Probleme mit Muggeln.“ „Ach ja? Ich habe doch gesehen, weshalb du dich mit Lily gestritten hast. Du nanntest sie Schlammblut...“, seufzte die Blondine. „Und sie ist nicht die einzige, die du so nennst.“ „Das ist doch nicht wahr.“, widersprach er sinnloser Weise. Er schämte sich für die Demaskierung. „Ich mache dir keine Vorwürfe, Sev. Ich verstehe, dass wenn man so von einem No-Maj behandelt wird, man das irgendwann nicht mehr trennen kann.“ „Irgendwie macht es das nicht besser...“ „Ansichtssache.“ „Warum bist du nie richtig sauer auf mich?“, wollte Severus wissen. „Ich habe schon so viel verbockt und du hast gesehen, was ich für Flüche beherrsche... Trotzdem bleibst du bei mir.“ „Du liebst deine Kinder ja auch nicht nur, wenn sie artig sind.“ „Hä?“ „Niemand ist perfekt, Sev, und ich mag dich trotz deiner Fehler – nein... Ich mag dich wegen deiner Fehler.“, erklärte sie lächelnd. „Aber ich bin ein Monster...“ „Bist du nicht. Du bist nur missverstanden.“ „Glaubst du nicht auch, dass ich mal zum Mörder werde?“, hakte er nach. „Dass ich von den dunklen Künsten zu sehr beeinflusst werde?“ „Ich mache mir Sorgen um dich, ja, aber ich glaube auch an deine Charakterstärke.“ „Du bist eigenartig...“ „Ich weiß.“ „Sag‘ das doch nicht so stolz!“ „Warum nicht?“, kicherte Camilla amüsiert. „Ich bin gerne eigenartig.“ Lächelnd schüttelte er den Kopf und gab ihr dann einen sanften Kuss auf die Wange. Ihre Freundschaft ließ derartige Gesten durchaus zu. „Lass‘ uns weitermachen.“, schlug die Amerikanerin zufrieden vor. „In Ordnung.“ Er hoffte inständig, dass sie dieses Mal etwas Schönes sehen durfte. Zum Beispiel irgendeinen Moment mit Lily Evans, bevor sie sich gestritten hatten. Nach solchen Erinnerungen wirkte Camilla meistens erleichtert. „Legilimens.“ Natürlich kam es anders. Es war keine schöne Erinnerung, an die er sie unterbewusst teilhaben ließ, sondern eine seiner schlimmsten. Etwas, was er ihr wirklich nicht zeigen wollte! Angestrengt versuchte Severus sie aus seinem Kopf zu verbannen, doch er schaffte es nicht. Die Bilder bauten sich auf, wie er über das Schlossgelände schlich und sich hinter einem Felsen versteckte. Er beobachtete Madam Pomfrey, die Remus Lupin gerade zur Peitschenden Weide brachte. Obwohl der Mond noch nicht am Himmel stand, wusste der Zaubertrankfreak genau, dass es Vollmond war. Die Frau verschwand mit dem Schüler in dem Geheimgang und er wartete. Die Kälte schien allgegenwärtig zu sein, ebenso wie die enorme Vorfreude darauf, endlich das Geheimnis von Lupin zu lüften. Als die Krankenschwester herauskam, wartete er ab, bis sie fast wieder beim Schloss war, dann kam er aus seinem Versteck heraus. Er fühlte sich seltsam beobachtet, trotzdem nahm er sich einen Stock und suchte nach dem Knoten. Als der Baum tatsächlich erstarrte, huschte er durch. Keine Sekunde zu früh, denn hinter ihm schlug bereits ein Ast auf den Boden! Wieder versuchte er sich zu konzentrieren. Sie aus dieser Erinnerung herauszuhalten, doch er schaffte es einfach nicht. Neugierig ging er durch den Geheimgang. Befühle die Beschaffenheit der Wände und versuchte den Ursprung zu ergründen. Severus erschien all das hier magisch entstanden zu sein und nicht mit Knochenarbeit. Es wirkte auch so, als sei der Geheimgang noch nicht lange hier. Auch die Weide war erst in seinem ersten Jahr dort gepflanzt worden. Bisher ging er davon aus, dass der Baum verhindern sollte, dass Schüler den Gang unbefugt nutzten. Erstaunt erreichte er das Ende des Ganges und sah sich atemlos um. Das war eine Hütte! Irgendwas sagte ihm, dass er auch genau wusste, welche Hütte er hier gerade erreicht hatte. Dann sah er es... Nur einen Augenblick lang konnte er Lupin sehen, der sich auf dem Boden wand und lautstark aufschrie. Seine Gestalt veränderte sich. Wandelte sich einfach in die eines gigantischen Wolfes. Just in diesem Augenblick packte ihn etwas am Arm und er wurde nach hinten gerissen. Der Werwolf knurrte und sprang mit einem lauten Knall gegen das Eisentor. Wäre er nicht zurückgezogen worden, dann hätte die Bestie ihn trotz des Tores erwischt! Jemand riss ihn mit und er folgte dem Gezerre anfangs ohne großen Widerstand. Jedoch fühlten sich seine Beine wie aus Blei an. Er war so knapp dem Tod entgangen! Und doch hörte er das Heulen des Wolfes und dass er sich noch ein paar Mal gegen die Eisengitter warf. Nun ergab alles einen Sinn... Weshalb Remus einmal im Monat von Madam Pomfrey hierhergebracht wurde und er oftmals so erschöpft aussah. Die Verletzungen, die man immer mal entdecken konnte... Warum war er nicht vorher draufgekommen? Die Anzeichen waren so offensichtlich! Und Sirius Black hatte ihn eiskalt reingelegt. Dieses verdammte Arschloch wollte mich umbringen!, dachte er fassungslos. Erneut versuchte Severus Camilla aus dieser Erinnerung zu verbannen, doch er schaffte es nicht. Unterbewusst wollte er wohl, dass sie sah, wozu ihr Freund eigentlich fähig war. Als er sich umdrehte, war es nicht Sirius, der ihn mitzerrte, sondern kein geringerer als James Potter. Schwitzend zog er ihn immer weiter durch den engen Gang und drückte den Knoten, damit sie endlich auf das Schlossgelände gelangen konnten. „Bist du denn des Wahnsinns?!“, schrie James ihn plötzlich atemlos an. „Du kannst da doch nicht ganz alleine hingehen!“ „Ich könnte dich dasselbe fragen!“, brüllte Severus ebenfalls außer Atem zurück. Er war nicht nur einfach gereizt, sondern spürte regelrecht Panik in sich. „Also ich gehe bestimmt nicht unvorbereitet einen Werwolf in einer Vollmondnacht besuchen.“, konterte der Jäger. „Ihr solltet ihn gar nicht besuchen! Er ist gefährlich!“ „Ich weiß, dass Werwölfe gefährlich sind. Warum meinst du denn, schleicht er sich mit Madam Pomfrey raus und wird dort eingesperrt?“ „Das reicht nicht!“, kreischte Severus beinahe hysterisch. „Erst recht nicht, wenn jemand wie Black um das Geheimnis weiß! Oder du!“ „Ich hatte damit nichts zu tun...“, knirschte Potter mit seinen Zähnen. Auch wenn er ihn hasste, glaubte er ihm innerlich irgendwie. Aber er konnte das natürlich nicht zugeben. Stattdessen schüttelte er energisch den Kopf: „Als ob!“ „Wenn ich was damit zu tun hätte, wieso sollte ich dann herkommen und dich im letzten Moment wegzerren?“, warf James ruhiger ein. „Ich hätte dich auch durch das Eisengittertor gehen lassen können, aber stattdessen habe ich dich gerettet.“ „Was weiß denn ich?!“, schrie Severus wie von Sinnen. „Vielleicht hattest du einen Anflug von einem schlechten Gewissen!“ „Ich habe nur zufällig mitbekommen, dass Sirius dich hierher geschickt hat... Ich wusste es nicht.“ „Ist mir egal! Ich gehe zu Dumbledore!“ In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass James Potter ihn immer noch festhielt. Er schüttelte ihn einfach ab und ergriff sofort die Flucht. Der Gryffindor versuchte nicht mal ihn aufzuhalten, sondern sah ihm nur mit einem tiefen Seufzen hinterher, während Severus ihm innerlich dankbar für seine Rettung war. Endlich verpuffte die Erinnerung und er fand sich in dem Raum der Wünsche wieder, den sie vor einigen Wochen gefunden hatten. Seither nutzten sie ihn für das Training. Es gab bequeme Sessel, einen Tisch und ein prasselndes Feuer. Alles, was man zur Entspannung brauchte. Nur war er gerade so gar nicht entspannt. Unsicher sah der Schwarzhaarige auf und musterte Camilla, die seltsam ruhig war. Irgendwas sagte ihm, dass der Black-Erbe ihr tatsächlich nichts von diesem Ereignis erzählt hatte. Warum auch? Es war kein glorreicher Augenblick. „Ist... die Erinnerung echt gewesen...?“, fragte Camilla atemlos. „Entschuldige...“ „War sie echt?!“, schrie sie nun energischer. „Ich fürchte ja...“ „Wann war das?“ „Letztes Jahr... Also bevor du nach Hogwarts gekommen bist.“, erklärte Severus vorsichtig. „Ihr macht mich echt fertig...“ „Es tut mir echt leid.“ „Weshalb entschuldigst du dich?“ „Weil ich dir das gezeigt habe...“, gestand er. „Ich wollte dich nicht wirklich rauswerfen. Das war nicht richtig.“ „Schon okay.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich meine es so.“, seufzte Camilla angestrengt. „War das ein einmaliger Mordanschlag?“ „Ja.“ „Dann seid ihr ja quitt...“ „Wie meinen?“, hakte der Schwarzhaarige irritiert nach. „Die Sache mit Jim am Anfang dieses Jahres. Das Blut, die Nahtoderfahrung...“ „Achso... Das...“ „Quid pro quo.“ „Ja, ich habe es verstanden.“, schnaubte er. „Ich denke, für heute haben wir genug geübt. Morgen haben wir wieder eine Prüfung.“ „Wirst du ihn darauf ansprechen?“ „Worauf?“ „Dass du die Geschichte mit dem Mordversuch kennst.“ „Nein.“, antwortete sie nüchtern. „Warum nicht?“ „Ich gebe ihm die Chance, es mir selbst zu erzählen.“, erklärte die Amerikanerin gelassen. „So etwas würde ich auch nicht voller Stolz sofort erzählen. Aber vielleicht tut er es ja noch.“ „Klingt... irgendwie logisch.“ „Hattest du gehofft, dass wir uns nun streiten würden?“ „Vielleicht ein bisschen...“ „Du bist echt durch und durch Slytherin.“, kicherte die Blondine undeutbar. Kumpelhaft legte sie ihm den Arm um die Schulter und zog ihn mit, damit sie den Raum der Wünsche gemeinsam verlassen konnten. Das Training und auch dieses Thema waren vorerst vom Tisch. Wahrscheinlich würde sie ihn tatsächlich nie wieder auf diese eine Vollmondnacht ansprechen, die für ihn so verheißungsvoll im Gedächtnis geblieben war.   Langsam neigten sich die Prüfungen dem Ende zu, was ruhigere, letzte Tage bedeutete. Aber nicht für Camilla. Sie war stets ruhelos. Außerdem hatte sie durch all den Stress, den Liebeskummer und die privaten Unterrichtsstunden eine ganz andere Aufgabe verdrängt. Dabei war diese Aufgabe so wahnsinnig wichtig für sie und ihre Zukunft! Da Severus heute von Professor Slughorn eingeladen worden war und er tatsächlich auf seine Einladung eingehen wollte, fiel heute das Okklumentik-Training aus. Sirius war von James hingegen zu einem Quidditch-Training verdonnert worden, obwohl die Spiel-Saison längst vorbei war. Offenbar wollte er aber so seinen Stress abbauen. Tatze hatte zugestimmt, aber nicht wirklich begeistert. Es gab ihr Zeit für sich. Also hockte sie so ziemlich als einzige in der Bibliothek mit ihrer schwarzen Hornbrille auf der Nase, über ein dickes Buch gebeugt. Madam Pince sah immer mal nach ihr, wollte aber offenbar nur sichergehen, dass sie nichts anstellte. Auf einmal setzte sich jemand zu ihr und Camilla sträubten sich die Nackenhaare. Sie befürchtete, dass es Leon Charles war, doch als sie sich hindrehte, saß da Remus Lupin. Seine Augen fixierten sie neugierig. „Bitte... Setz‘ dich doch.“, sagte die Amerikanerin ohne zu wissen, dass Sirius das im letzten Jahr auch schon mal gesagt hatte. „Also stör‘ ich dich gerade?“ „Wie bist du da nur draufgekommen?“ „Umso besser!“, stieß er grinsend hervor. „Warum hast du die Sache mit Zissy angesprochen?“ „Warum nicht? Deine Freunde sollten davon echt was wissen.“, seufzte die Blondine und las dann einfach im Buch weiter. Dabei strich sie sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Aber vielleicht wollte ich gar nicht, dass sie das wissen.“ „So etwas sollten sie aber wissen.“ „Warum?“, hakte der Werwolf unmutig nach. „Weil sie eine Slytherin ist? Oder weil sie Sirius‘ Cousine ist?“ „Hallo? Bin ich nicht zufällig selbst bei Slytherin? Was juckt es mich, wenn sich die Häuser mischen...“ „Also müssen sie es wissen, weil sie seine Cousine ist...“ „Nö, hat nichts damit zu tun.“ „Warum dann?!“, polterte er etwas zu laut. Madam Pince kam um die Ecke, sah ihn bitterböse an und machte: „Pscht!“ Mit einem vernichtenden Blick drehte sie sich um und ging dann wieder zu ihrem Tisch. „Das hattest du verdient.“, kicherte Camilla leise. „Beantworte mir doch einfach meine Frage, statt mich zu ärgern.“ „Stell‘ dir folgende Situation vor, Remus...“, begann sie und hob den Blick vom Buch in sein Gesicht. „Du triffst ein Mädchen, das du toll findest und ihr habt erstmal eine geheime Beziehung. Erstmal sehen, wohin das geht... Nicht mal deine engsten Freunde wissen Bescheid. Sagen wir mal, ihr verliebt euch ineinander. Alles ist wunderbar. So toll, dass ihr es nun zumindest Freunden und Familie sagen wollt. Sie treffen sich und deine Freundin hasst deine Freunde und umgekehrt. Nun glaube ich nicht, dass Jim, Peter und Sirius dich vor die Wahl stellen würden, aber was ist, wenn doch? Und wenn sie dich auch wählen lassen will? Liebe oder Freundschaft... Eine schwere Entscheidung, die die meisten falsch treffen. Zumal sich so etwas vermeiden lässt, wenn man zumindest seine Freunde direkt einbindet. Merkt man, dass das nicht klappt, kann man es beenden, bevor es zu intensiv wird.“ „Okay, ich verstehe, worauf du hinaus willst...“, gestand Remus nachdenklich. „Aber etwas scheinheilig ist das schon, oder? Was ist mit der Sache zwischen Tatze und Schniefelus?“ „Irrelevant. Keiner von ihnen will, dass ich wähle und ich zwinge sie nicht miteinander Zeit zu verbringen. Notfalls halten sie es aber zusammen aus...“ „Wen würdest du wählen, wenn es doch soweit kommen würde? Hypothetisch...“ Sie legte den Kopf schief, während sie ihn skeptisch betrachtete: „Severus natürlich. Bruder vor Luder.“ „Das fiel dir aber verdammt leicht...“ „Weil ich kein Dummchen bin. Deine Freunde sind für dich da und sie sind es, die deine Tränen trocknen, wenn die Beziehung in die Brüche geht. Freundschaft geht über eine Romanze... Romanze enden meistens rascher.“ „Jetzt verstehe ich zumindest, was Sirius damit meint, dass du recht kühl bist.“ Unberührt zuckte Camilla mit den Schultern und beugte sich wieder über ihr Buch. Vielleicht mochte sie für Außenstehende unterkühlt wirken, doch die Erfahrung mit Oliver hatte sie reifer gemacht. Weitsichtiger... Er hatte sie eiskalt betrogen und es waren Logan, Aiden und Noah gewesen, die für sie da gewesen waren. Die ihre Tränen trockneten. Sich zu rächen versuchten! Sie bereute es nicht, dass sie sich an ihre Freunde gehalten hatte, auch wenn Oliver genau diese Entscheidung umbrachte. Es schmerzte sie, dass er die Rechnung so hatte begleichen müssen, doch wenn Camilla ehrlich war, konnte sie ihm trotzdem nicht verzeihen. „Wahrscheinlich wird das eh nichts mit Zissy...“, säuselte Remus plötzlich und riss sie aus ihren düsteren Gedanken. „Weshalb?“ „Ich kann ihr das nicht sagen... Na... Dass ich ein Werwolf bin.“ „Musst du ja auch nicht.“ „Aber sollte sie das nicht wissen? Wir können eine Beziehung doch nicht auf einer Lüge aufbauen.“ „Streng genommen ist es keine Lüge, wenn du ihr einige Dinge verschweigst.“ Verwirrt blickte Moony sie an: „Ist das nicht ein bisschen... Wortspalterei?“ „Wir haben alle ein zweites Leben, von dem keiner etwas wissen soll, Remus.“, erwiderte sie gelassen. „Geheimnisse, die nur uns gehören... Nur, weil deine Freunde dein Geheimnis kennen, heißt das nicht, dass du es jedem bereitwillig offenbaren musst. Wenn ihr anfangt vom Kinderkriegen und Heiraten zu sprechen, dann solltest du sie spätestens aufklären. Solange du dir unsicher bist, inwieweit sich das entwickelt, ist es dein gutes Recht, dein zweites Leben für dich zu behalten.“ „Okay... Ich verstehe langsam, was Krone und Tatze an dir finden.“, gestand Moony sachte lächelnd. „Und langsam begreife ich es, wie du es geschafft hast, dass Lily und Krone sich näherkommen.“ „Ich mach‘ doch gar nichts weiter.“ „Du sprichst aus, was andere nur zu denken wagen. Das ist unfassbar hilfreich.“ „Danke...?“ „Bitte.“ Okay, das hat wirklich noch niemand zu mir gesagt... Meine Direktheit ist unfassbar hilfreich., überlegte Camilla. Ich dachte, dass das die meisten an mir stört. Schweigend beugte sich die Blondine wieder über das aufgeschlagene Buch und versuchte sich wieder auf dessen Inhalt zu konzentrieren. Gar nicht so einfach, wenn ein Werwolf einen dabei beobachtete ohne noch etwas zu sagen. Also sah sie langsam wieder auf und musterte ihn: „Ist da noch mehr?“ „Weshalb liest du etwas über magische Verhütung?“, hakte Remus nach. „Will Tatze etwa ein Baby und du nicht?“ Ihr Gesicht glühte regelrecht, als sie ihm lauschte. Es war so absurd, aber natürlich war es für Moony die einzig sinnige Schlussfolgerung, wenn er sie bei solch einer Lektüre antraf! Sirius und ein Baby... So etwas Lächerliches hatte die Amerikanerin noch nie zuvor gehört! „Ich denke, das geht dich wirklich nichts an, Remus.“ „Nenn‘ mich Moony...“ „Ganz bestimmt nicht.“ „Warum störst du dich so an unseren Spitznamen?“, hinterfragte der Werwolf skeptisch. „Weil ich kein dreizehnjähriges Mädchen bin und ihr auch nicht. Außerdem habe ich diese Phase gekonnt übersprungen...“ „Also findest du es einfach nur albern?“ „Der Kandidat gewinnt hundert Gummipunkte!“ „Für mich ist das nicht albern... Diesen Namen bekam ich von den ersten Menschen, die mich so respektiert haben wie ich bin. Die mich nicht fürchteten...“, erklärte er emotionaler als er es vermutlich wollte. „Für mich ist der Name »Moony« nicht nur ein Spitzname, sondern meine Befreiung aus tiefster Melancholie.“ „Okay... Das klingt logisch.“, gestand Camilla unsicher. „Aber muss das echt sein? Darf ich dir nicht einen eigenen Namen geben?“ „Was... schwebt dir vor...?“ „Rem? Vielleicht?“ „Rem...“, wiederholte der Werwolf nachdenklich, nickte dann aber. „Von mir aus. Moony wäre mir zwar lieber, aber du sollst dich ja nicht unwohl fühlen.“ „Danke.“ „Außerdem scheint Krone es inzwischen auch zu gefallen, dass du ihn Jim nennst. Vielleicht gefällt mir Rem dann auch irgendwann.“ „Könnte passieren.“, lächelte die Blondine sachte. „Und warum informierst du dich nun über magische Verhütung?“ „Können wir das nicht einfach vergessen?“ „Ich fürchte nein...“ Seufzend blickte Camilla wieder in das Buch. Bisher hatte es ihr keine Antworten geliefert, die ihr auf lange Sicht etwas nützen konnten. Nur so viele Informationen, dass sie sich generell beim Geschlechtsverkehr schützen konnte. Zumindest solange sie einen Zauberstab zur Hand hatte und die Zeit, um die Sprüche anzuwenden. Sie hielten meistens nur für ein oder zwei Stunden. Im Falle einer Vergewaltigung waren sie also vollkommen wertlos. Oder bei spontanen Sex. Was sie brauchte, fand sie vermutlich in keinem Buch. Jedenfalls nicht in Hogwarts... Obwohl da noch die verbotene Abteilung war, die vielleicht noch ganz andere Zauber bot. Jedoch wusste die Blondine nicht, wie sie dort hinkommen sollte. Kein Lehrer würde ihr ein Schreiben unterzeichnen, dass sie dort nach starken Verhütungszaubern suchen durfte. Ganz zu schweigen davon, wie Madam Pince darauf reagieren würde, wenn sie das las! Missmutig wandte sie sich wieder an Remus: „Ich suche nach einem Mittel, um mich vor meinem Vater zu schützen.“ „Mit Verhütung?“ „Hat Sirius es euch nicht erzählt?“ „Was soll er uns nicht erzählt?“, fragte Moony verwirrt. „Und woher soll ich das bitte wissen?“ „Er will... einen Erben mit mir zeugen. Einen möglichst reinblütigen Salazar Slytherin-Erben.“ Angewidert erschauderte er und schien den Gedanken abschütteln zu wollen. Verständlich. Für die meisten war Inzest heutzutage ein rotes Tuch, auch wenn einige Familien diesen immer noch betrieben. Natürlich heimlich. Camilla war selbst dagegen. „Und du suchst nach einer Methode, damit er keinen Erfolg hat? Selbst wenn er es schaffen sollte mit dir... Du weißt schon...“ „Exakt.“ „Soll ich dir dabei helfen?“, erkundigte sich Moony hilfsbereit. „Ich könnte auch ein paar Bücher checken und würde auch in den Ferien recherchieren. Vielleicht finde ich ja etwas.“ „Das würdest du tun?“, fragte sie ehrlich überrascht. „Klar! Dafür sind Freunde doch da.“ „Danke schön, Rem, ich wäre dir sehr dankbar für deine Hilfe.“ „Was würde er tun, wenn Tatze dich schwängern würde?“ „Ich weiß es nicht genau... Ich hoffe mal nichts.“ Camilla würde lügen, wenn sie behaupten würde, dass sie nicht öfters darüber nachdachte, was dann geschah. Immerhin hatte sie mit Sirius ein recht aktives Sexleben und es konnte passieren, dass sie mal zu verhüten vergaßen. Selbst ihre Mutter war schon mit sechszehn Jahren das erste Mal schwanger gewesen. Sie selbst wollte nicht in dieselbe Lage kommen, doch sie musste stets davon ausgehen, dass es geschehen konnte. Tom hatte erlebt, was der Verlust eines Kindes bedeutete. Es ließ sie hoffen, dass er sie niemals zur Abtreibung zwingen würde oder er das Kind töten ließ. Dennoch war er wahnwitzig und vollkommen verblendet. Das, was er ihr bereits angetan hatte, wog wahnsinnig schwer und beeinträchtigte laufend ihr Leben. Wenn Camilla eines begriffen hatte, dann dass Lord Voldemort zu allem fähig war! Zwar stand sie nun nicht mehr alleine gegen ihn, doch die Amerikanerin machte sich wirklich Sorgen. Je mehr Menschen ihr halfen desto mehr Opfer blieben ihrem Vater, um sie unter Druck zu setzen. Jedoch musste sie sich langsam eingestehen, dass sie dem Ganzen nicht alleine gewachsen war. Sie brauchte die Hilfe ihrer neuen Freunde dringend. „Komm‘, gib‘ mir eines der Bücher. Ich helfe dir beim Lesen.“, sagte der Werwolf hilfsbereit. „Danke sehr... Moony.“, säuselte sie und schob ihm eines der dicken Wälzer zu, die sie bisher noch nicht gelesen hatte. „Du hast mich Moony genannt.“, grinste er feist. „Solltest du es jemanden sagen, werde ich es glaubhaft abstreiten.“ „Oh nein, das behalte ich schön für mich. Diesen Ruhm feier‘ ich innerlich.“ „Du kannst mich mal...“ Kichernd lehnte sich Remus über das Buch und schlug es auf.  Manchmal blickte sie zu ihm und konnte erkennen, dass er angewidert dreinschaute. Der Inhalt solcher Lektüren war nicht unbedingt angenehm und viel zu oft auch mit Bildern versehen. Leider gab es auch Kapitel über magische Abtreibungen. Auch hier mit zahlreichen Bildern. Besonders schlimm waren die Berichte, in denen irgendwas furchtbar schiefgelaufen war. Zauberer und Hexen kannten in solchen Sachen einfach keine Zurückhaltung. Bisher war aber nichts dabei, was die anstrengenden Recherchen irgendwie ausglich. Hilfreich war etwas anderes... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)