Heimatstern von Kylie (Band 2) ================================================================================ Kapitel 10: Treffen im Mondlicht -------------------------------- „Wie konntest du mir das antun?!“, schrie sie wie von Sinnen und warf einige Tassen klirrend zu Boden. „Ich habe dir vertraut!“ Die Winterferien waren seit gestern zu Ende und sie waren alle zurück in Hogwarts. Trotzdem hatte Camilla diesen einen Tag gebraucht, um dieses Gespräch zu suchen. Es war für sie nicht einfach, obwohl es für sie absolut wichtig war, das Warum zu erfahren. „Mir einen Liebestrank zu verabreichen... Geht’s noch?! Was sollte das?!“ „I-Ich... Ich wollte nicht-...“ „Jemanden wehtun? Mir wehtun?!“, fuhr sie ihm ins Wort. „Das ging aber nach hinten los!“ „Ich wollte ihm wehtun!“ „Hast du aber nicht! Es war ihm egal... Es war ihm vollkommen gleichgültig!“ Stille trat ein. Tränen liefen ihr über die Wangen. Schon wieder dachte sie spöttisch, woher die nur kamen, wo sie sich doch so ausgetrocknet fühlte. So leer... Mit verschwommenem Blick sah sie auf die zerbrochenen Tassen. Jene Tassen, in denen er ihr den Liebestrank unverblümt serviert hatte, um sie zu manipulieren. In diesen Tassen würde so schnell kein Liebestrank mehr stecken, sofern er diese nicht magisch reparierten. „Ich wollte... Ich wollte dich ihm wegnehmen...“, presste Joshua Pride endlich hervor. Überrascht stellte sie fest, dass auch seine Augen feucht waren. „Ich hatte eine Frau und ein Kind, wusstest du das?“ „Ich habe es geahnt...“ „Sie sind tot.“, sagte er bleiern, als würde er es sich das erste Mal laut eingestehen. „Er hat sie getötet, um mir wehzutun... Um sie mir wegzunehmen! Meine Frau war... ein Muggel... Meine Tochter ein Halbblut... Sie wäre nun vierzehn Jahre alt...“ „Und mit welchem Recht tust du dann mir weh?“, fragte Camilla atemlos. „Du warst wie ein Vater für mich! Ich habe dir doch vertraut! Ich habe dir gesagt, dass... dass ich nicht wie er bin...“ „Anfangs wollte ich nur, dass du dich verliebst... Du solltest dich verlieben, damit er dich nicht mehr haben kann.“, seufzte Professor Pride mit zittriger Stimme. „Doch dann machte ich weiter, damit... du bei Sirius bleibst...“ „Wieso...?“ „Weil du sonst vielleicht aus Mitleid mit Severus Snape zusammengekommen wärst... Er ist ein guter Junge, doch vollkommen verblendet. Durch ihn wärst du vielleicht...“, er brach ab. Tatsächlich musste er sich die Nase mit einem Stofftuch abputzen, während er mehrmals tief durchatmete. Seine Gefühle erschienen ihr aufrichtig zu sein. „Du wolltest, dass ich bei den Rumtreibern bleibe, damit ich mich von Severus fernhalte?“ „Ja... Sie taten dir so unwahrscheinlich gut. Du hast gelacht und warst glücklich. Hast nicht mehr so viel an ihn gedacht...“ „Ich mochte sie doch eh!“, tadelte Camilla ihn zornig. „Wahrscheinlich wäre ich früher oder später sowieso mit ihnen abgehangen!“ „Wahrscheinlich... Das ist keine Garantie.“ „Du hast mir Gefühle vorgegaukelt, die ich gar nicht hatte!“, schrie sie und warf nun die Teekanne vom Beistelltisch herunter. Sie schepperte genauso laut wie die Tassen, während ihre Augen rot glühten. „Nun kann ich meinen Gefühlen nie wieder vertrauen! Ich küsste ihn im Regen, um mir sicher zu sein, dass ich nicht träume! Es war für mich die einzige Möglichkeit die Wahrheit zu erkennen und nun zählt nicht mal das mehr!“ „Es... Es tut mir leid...“ „Das reicht nicht...“ „Camilla, in den Winterferien dürfte der Liebestrank kaum noch gewirkt haben.“, versuchte es Joshua Pride erneut. „Ich hatte die Dosis abgesetzt, damit du dich... Na ja... Damit du dich richtig verlieben kannst. Was immer du gefühlt hast, muss größtenteils echt gewesen sein...“ „Du bist dir doch selbst nicht sicher, wie stark ich noch beeinflusst wurde!“ „Stimmt... Aber wenn du es nun aufgibst, wirst du es niemals erfahren.“ „Das will ich auch nicht.“, spie es die Blondine verletzt heraus. „Ich will so etwas nie wieder fühlen! Mir ging es ohne Liebe viel besser!“ „Sag‘ das nicht, Camilla...“ „Warum?! He?! Warum darf ich dieser albernen Liebe deiner Meinung nach nicht abschwören?!“ „Weil du dann wie er bist...“, sagte er bleiern. Sie war erstarrt. Unglauben ergriff ihre Mimik, während die Tränen nicht mehr flossen. Immer wieder ballte Camilla ihre Hände zu Fäusten, um sie dann wieder zu lockern. Hatte er sie tatsächlich gerade mit Tom Riddle verglichen? Dem Mörder seiner Familie? „Wir sind geschiedene Leute...“, zischte die Amerikanerin enttäuscht. „Danke für die Hilfe, aber es reicht...“ Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und floh. Hinter sich knallte sie seine Bürotür zu, um schnellstmöglich aus den Kerkern zu entkommen. Mit jedem Schritt spürte sie, wie ihr Herz in tausend Teile zersprang. Einsamkeit ergriff ihren bibbernden Körper... In den letzten Tagen hatte sie alles verloren. Jeden, dem sie vertraut hatte, war fort. Nur durch einen einfachen Zaubertrank, der ihr ganzes Leben beeinflusst hatte. Camilla rannte weiter. Sie rannte und rannte. Rannte gegen den Schmerz an, während die Tränen wieder zu fließen begannen und ihre Sicht beeinträchtigten. Und mit jeder Träne schienen ihre Gefühle zu ermatten. Sie wusste nicht, wann sie auf das Schlossgelände gestürmt war, doch eben dort sank sie auf ihren Knien zusammen und weinte. Sie betrauerte nicht die Toten, sondern die Lebenden. Sie bedauerte sich selbst. Bedauerte ihr eigenes Überleben, welches ihr nur noch Kummer bereitete. Gedankenverloren glitten ihre Nägel an ihren linken Unterarm und begannen heftig zu kratzen. Etwas, was sie seit ihrer Beziehung mit Sirius Black nicht mehr getan hatte. Sie kratzte, bis sie blutete und Schmerz sie wieder erfüllte. Es erinnerte sie, dass sie noch lebte, obwohl alle anderen Gefühle abstumpften...   Severus hatte keine Ahnung, was genau zwischen Camilla und Sirius vorgefallen war, doch es musste heftig gewesen. Kurz nach den Winterferien bat sie ihn um Hilfe. Es war das erste Mal seit langem gewesen, dass sie ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Ihm blind zu vertrauen schien... Deshalb stimmte er sofort zu. Auf ihren Wunsch hin braute er heimlich ein Gegenmittel gegen Liebestränke. Ein sehr starkes Gegenmittel... Sie nahm es selbst, das hatte er gesehen. Auf seine Frage hin, ob Sirius ihr etwa einen Liebestrank untergejubelt habe, machte sie ihm glaubhaft, dass er ihr keinen einzigen Tropfen Liebestrank eingeflößt habe. Obwohl er es dem Black-Erben zutrauen würde, vertraute er dem Urteil von Camilla mehr. Anfangs wollte sie dann ständig sein Gegenmittel haben. Inzwischen reichte es ihr, wenn er ihr einmal in der Woche eines braute. Wer auch immer ihr den Liebestrank untergejubelt hatte, hatte ihrem Verstand damit übel mitgespielt. Sie traute ihren eigenen Gefühlen nicht mehr. Die Trennung des jungen Paars war inzwischen schon einige Wochen her und sie beide verarbeiteten es anders. Camilla zog sich in sich selbst zurück, während Sirius ein Mädchen nach dem anderen flachlegte. Das Eigenartige daran war, dass er tatsächlich nicht glücklich oder... befriedigt dadurch wirkte. Nicht wie früher, als Sirius durch die Gänge stolziert war und stolz seine neusten Errungenschaften präsentierte. Severus war nicht entgangen, dass Camilla den Anblick nur schwer ertrug. Immer wieder bekam sie mit, wie Sirius auf dem Flur mit anderen Mädchen knutschte, flirtete oder sogar an ihnen herumfummelte. Immer wieder sah sie rasch woanders hin, während sie ihre Fäuste ballte. Obwohl er ihr natürlich gerne helfen wollte, vermied er neugierige Fragen zu ihrer Trennung und weshalb sie nicht um ihren Liebsten kämpfte, weil sie das Ganze offensichtlich schmerzte. Selbst wenn ihr jemand einen Liebestrank verabreicht hatte, war das nicht die Ursache für ihre jetzigen Gefühle für Sirius. Ihre Eifersucht... Ihre Trauer. Immer wieder zog sich Camilla ganz alleine zurück. Anfangs hatte er geglaubt, dass sie sich doch heimlich mit einem neuen Lover traf oder sogar mit Sirius. Schließlich packte ihn die Neugier und er folgte ihr. Die Wahrheit war schlimmer als seine Fantasie... Sie traf keine Jungs oder Mädchen, sondern ging nach draußen auf das Schlossgelände. Bei Wind und Wetter stand sie dort und sah mit leeren Augen in die Ferne! Manchmal streckte sie die Arme aus, wenn es stark regnete und sie reckte das Gesicht Richtung Himmel. Mit geschlossenen Augen schien sie den prasselnden Regen beinahe zu genießen. Als würde er sie an etwas erinnern, was sie ansonsten womöglich vergaß... Inzwischen wurden die Tage wieder länger. Das Wetter milder. Für Camilla wurde es sogar beinahe heiß, weil sie immerhin fast immer lange Sachen trug! Ab und an krempelte die Amerikanerin sogar ihre Ärmel rauf, was er von ihr so gar nicht kannte. Um ihren linken Unterarm trug sie jedes Mal einen Verband, was ihn natürlich skeptisch machte. Doch es war nicht die Tatsache, dass sie den Arm verbarg, sondern weil oftmals frisches Blut durch den Stoff sickerte. Hellrote Streifen, die an Striemen erinnerten... Severus war wirklich besorgt um sie! Wollte sie sich umbringen? Lag es an der Trennung? Doch auch hier wagte er nicht, es zu hinterfragen. Womöglich machte er es dann nur noch schlimmer und er wusste auch nicht recht, wie er ihr helfen sollte, wenn sie sich wirklich töten wollte. Ob er dann einen Lehrer um Rat bitten musste. Noch mehr seltsame Dinge häuften sich... Ihr vorher noch gutes Verhältnis zu Professor Pride war vollkommen unterkühlt. Sie führte in Verteidigung gegen die Dunklen Künste nur noch Zauber vor, wenn Professor Callum sie beinahe unter Druck setzte. Und sie begleitete ihn partout nicht nach Hogsmeade. Sie ging auch sonst mit niemanden dorthin. Mied sogar Lily Evans. Leider hatte die Trennung zwischen Sirius und Camilla auch dafür gesorgt, dass er nun wieder bei den Rumtreibern auf dem Schirm stand. Sie spielten ihm wieder laufend Streiche und beleidigten ihn öffentlich. Vor allem der Black-Erbe war sehr motiviert dabei. Seufzend fuhr sich Severus durch seine fettigen, schwarzen Haarsträhnen, während er draußen an der Mauer lehnte. Camilla wollte gleich mit ihm an den See gehen. In letzter Zeit lernten sie oft dort unten. Er fragte sie dann alles Mögliche ab und im Anschluss tat sie das Gleiche bei ihm. Als er Schritte hörte, drehte sich der Zaubertrankfreak sofort um und wollte seine Freundin gerade begrüßen, nur um den Mund sofort wieder zu schließen. Es war nicht Camilla Blair. „Charles...“, brummte Severus nicht gerade begeistert und drehte sich wieder weg. Mit dem Werwolf wollte er lieber nichts zu tun haben. „Snape, welch‘ Freude dich zufällig hier zu treffen!“ „Die Freude ist ganz deinerseits...“ „Oh, die brichst mir mein Herz...“, säuselte Leon gespielt traurig. „Ich habe dir nichts zu sagen, Charles.“ „Sehr gut, dafür habe ich dir aber etwas zu sagen.“ „Ich hatte befürchtet, dass du das sagst...“, seufzte Severus angestrengt. „Du willst sie doch beschützen, nicht wahr?“ „Wen?“ „Blair... Wen denn bitte sonst?“, stöhnte Charles augenrollend. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Weil ich dir helfen kann, Snape.“ Irritiert blickte Severus auf und suchte den direkten Augenkontakt zum Werwolf. Etwas funkelte darin, doch er konnte nicht sagen, ob es eine List war oder vielleicht sogar Leidenschaft. Bisher hatte er eh bezweifelt, dass er irgendwas fühlen konnte. „Weshalb sollte ich dir bitte trauen?“, hakte Severus skeptisch nach. „Du tust nie etwas für andere. Du tust generell nichts... Außer, es bringt dir was.“ „Du bist wirklich nicht nett zu jemanden, der dir helfen will.“ „Und du druckst drumherum.“ Leon Charles klatschte in die Hände und nickte: „Du hast recht! Das tue ich.“ Wieso habe ich das Gefühl, dass ich ihn bald noch mehr hasse als sowieso schon? Wie kann man nur so anstrengend sein?, fragte sich der Schwarzhaarige ernsthaft. Mehrmals atmete Severus tief durch und versuchte die Beherrschung nicht zu verlieren. Leon wusste genau, wie er Menschen reizen konnte. Auch Camilla hatte ihm immerhin schon die Nase gebrochen, weil er eben so war. „Na gut, na gut... Lange genug auf die Folter gespannt.“, säuselte Leon endlich. „Dir ist sicherlich aufgefallen, dass Blair sich gerne mal an den linken Unterarm fasst und sie dort auch oft blutet, nicht wahr?“ „Natürlich ist mir das aufgefallen... Ich bin doch nicht blind.“ „Ausgezeichnet! Das sollte hilfreich sein.“ „Bei was? Um Himmelswillen! Rück‘ endlich raus mit der Sprache!“, schnaubte Severus ernsthaft genervt. „Sie ist eine Todesserin und du kannst sie nur beschützen, wenn du auch einer wirst.“, sagte Leon frei heraus. „Solange du kein Teil ihrer Welt bist, kannst du ihr auch nicht wirklich helfen. Sie kann dir ja nicht vertrauen... Aber wenn du auch einer bist, dann kann sie mit dir sprechen.“ „Sie soll eine Todesserin sein? Sie? Camilla Blair?“, hakte er ungläubig nach. „Die Camilla Blair, die die Dunklen Künste verabscheut? Die Camilla Blair, die keiner Fliege was zu leide tun kann?“ „Jupp, genau die meine ich. Haben wir überhaupt eine andere Camilla Blair auf der Schule?“ Schweigend sah Severus Snape ihn an. Voller Unglauben. Es gab zahlreiche Schüler, denen traute er das dunkle Mal durchaus zu, aber sie war keiner davon. Nicht mal in seinen kühnsten Träumen wäre er auf diese Idee gekommen! Es klang so absurd... Doch gleichzeitig musste er zugeben, dass alles dadurch einen Sinn ergab. Wieso sie sich oft zurückzog und weshalb die Beziehung mit Sirius gescheitert war. Warum Camilla sich keinen neuen Partner suchte oder weshalb sie ständig langärmliche Sachen trug. Selbst im Hochsommer! Aber traute er ihr das zu? Konnte er sich vorstellen, dass sie die unverzeihlichen Flüche nutzte? Muggel jagte? Schlammblüter vernichtete...? Nein., beschloss er kopfschüttelnd. Da steckt mehr dahinter! Sie hat niemals auch nur ein Wort gegen Schlammblüter verloren oder gegen Muggel. Sie nutzt keine dunkle Magie... Sie mag Todesser sein, aber es hat einen anderen Grund als blinden Gehorsam. „Du glaubst mir nicht.“, erkannte der Werwolf ganz richtig. „Frag‘ sie... Und wenn ihr das Gespräch geführt habt, komm‘ zu mir.“ Mehr hatte Leon Charles offenbar nicht zu sagen, denn er ließ ihn alleine zurück. Mit einem selbstgefälligen Grinsen schlenderte er einfach davon. Überließ ihn seinen Gedanken, was gar nicht so einfach für Severus war. Nur wenige Herzschläge später tauchte tatsächlich Camilla bei ihm auf. Sie trug ihre Lesebrille und ein Buch bei sich. Heute wollten sie für Zaubertränke üben und sie brauchte das Buch, damit sie ihn wirklich angemessen ausfragen konnte. Er war eben viel besser als sie. „Alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich irritiert. „Ja, lass‘ uns gehen.“ „Okay.“ Schon auf dem Weg zum schwarzen See begann sie ihm einige Fragen zu stellen. Natürlich konnte Severus jede einzelne problemlos beantworten. Bei den meisten sogar ohne nachzudenken! Während sie immer mal nachlesen musste, ob er wirklich alles korrekt wiedergegeben hatte. Seine Verbesserungen musste er in den theoretischen Prüfungen weglassen. Er hatte es schon mal versucht, jedoch dafür Punktabzug bekommen, weil es nicht dem vermittelten Lehrstoff entsprach. Professor Pride hatte ihm zwar gesagt, dass er seine Fähigkeiten bewunderte, er sich aber auch an gewisse Vorgaben halten musste, um jeden fair bewerten zu können. Seitdem nutzte er sein fundiertes Fachwissen nur noch im praktischen Teil. Er brachte die Zaubertränke meistens ohne die bekannten Nebenwirkungen hervor oder wesentlich intensiver, was ihm jedes Mal Bestnoten einbrachte. Niemand hinterfragte, warum seine Tränke so viel besser waren, sondern es wurden seine Leistungen benotet. Vollkommen abwesend fing nun auch er an, ihr Fragen zu stellen. Sie wusste die Antworten meistens recht schnell, doch ihm war bewusst, dass sie dieses Wissen in der Praxis nur unter großer Anstrengung auch anwenden konnte. Gerade in letzter Zeit konnte er nur mit Mühe und Not verhindern, dass sie ihren Kessel sprengte. Sie war einfach so ungemein unkonzentriert. „Sev...?“, hörte er sie plötzlich fragen. „Ja...?“ „Was ist denn los? Du hörst gar nicht richtig zu.“ „Doch, doch, alles ist super.“ „Achso... Dann lautet die Antwort auf meine Frage, ob wir heute zusammen essen wollen wirklich Antidot?“, hakte sie mit amüsierter Mimik nach. Severus spürte wie die Verlegenheit seine Wangen ergriff. Er war also wirklich nicht mehr bei der Sache gewesen und hatte nur noch automatisierte Antworten gegeben! Und dann hatte er es nicht mal zugegeben... Seufzend schüttelte er den Kopf: „Natürlich nicht... Ich möchte gerne mit dir zusammen essen.“ „Soll ich dir ein Antidot zum Abendessen mitbringen?“, erkundigte sich Camilla spottend. „Ich bitte darum...“ „Was ist los, Sev? Du kannst mir doch vertrauen.“ „Dasselbe möchte ich auch dir sagen...“ „Wie meinen?“ Der Zaubertrankfreak atmete tief durch, überwand sich dann aber doch: „Ich weiß, dass du das dunkle Mal trägst.“ Es war keine Frage. Inzwischen war er sich tatsächlich sicher. „Okay...“ „Ich werde mit diesem Wissen nichts tun, was dir schaden kann. Ich möchte nur, dass du ehrlich zu mir bist...“ Mit ihrer freien Hand fuhr sie sich knetend in den Nacken, während sie das Zaubertrankbuch fest umklammerte. Ihre müden Augen blickten in die Ferne. Severus konnte ihr ansehen, dass sie unentschlossen war, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Er verstand ihre Zweifel. Diese Thematik konnte sie beide nach Askaban bringen. Und zwar ohne Wiederkehr! „Ja, es stimmt...“, seufzte die Blondine dann doch. Obwohl er sich dieser Antwort sicher gewesen war, überraschte es ihn trotzdem. Sie war immer noch nicht der Typ dafür! Nicht sie... Jeder andere Mensch auf der Welt war es, doch nicht sie. „Warum?“, hörte er sich atemlos fragen. „Weil ich gezwungen wurde.“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Paranoid sah sich die Amerikanerin um, ehe sie den linken Ärmel hochkrempelte und im Anschluss auch den Verband entfernte. Darunter lag das dunkle Mal... Der Totenkopf mit der Schlange, die aus dessen Mund kroch. Es sah so falsch auf ihr aus. Um das magische Tattoo herum befanden sich zahlreiche Verletzungen. Einige waren schon älter und waren inzwischen zu Narbengewebe geworden, doch die meisten waren frisch. Fast alle sahen so aus, als habe sie sich die Wunden durch ihre Fingernägel zugefügt. Nur einige konnten auch von einer Klinge stammen... Liebevoll nahm er ihren Unterarm entgegen und strich schmerzlindernd über die zahlreichen Verletzungen. Es beantwortete seine nächste Frage... Sie wollte sich nicht umbringen. Sie wollte das dunkle Mal entfernen, das voller Hohn vollkommen unbeschadet dort verblieb. Als heilte die Haut dort sofort wieder von selbst. „Lass‘ mich dir helfen...“, hauchte Severus aufrichtig. „Ich möchte für dich da sein.“ „Dabei kann mir keiner helfen, Sev. Das ist kein Schicksal, was ich mir für mich selbst gewählt hätte und ich wünsche es auch keinem anderen.“ „Alleine kannst du das doch nicht schaffen...“ „Das weiß ich... Es gibt Auroren, die mir helfen.“, schwor die Amerikanerin. „Du musst aufhören, dir selbst wehzutun...“, bat er sie eindringlich. „Damit tust du auch mir weh.“ „Es erinnert mich daran, dass ich noch lebe... Und dass ich wach bin.“ Irritiert überlegte er, was sie damit meinte. Es klang beinahe so, als würde sie ihren Verstand verlieren... Doch war dem so oder versuchte jemand sie das Glauben zu machen, damit sie gehorchte? „Egal wie, ich werde für dich da sein.“, versprach Severus aufrichtig. „Wenn du mich brauchst, damit du dich an das Leben erinnerst, werde ich da sein. Ich werde dich schlagen, wenn du willst, aber bitte kratz‘ dich nicht mehr blutig... Wenn du jemanden brauchst, der dir deine Gefühle vor Augen führt, werde ich da sein und es tun. Camilla... Du bist meine beste Freundin und ich würde für dich sterben. Das schwöre ich dir.“ Plötzlich zerbrach die Fassade. Die Augen seiner Freundin fluteten sich mit Tränen, während ihre gefasste Mimik verzerrter Trauer wich. Weinend warf sie sich in seine Arme, während das Zaubertrankbuch mit einem lauten Aufprall auf dem Boden landete. Sofort schlang er seine Arme um sie. Sie brauchte nichts zu sagen. Er verstand sie auch so. Also hielt Severus sie einfach nur in seinen Armen und bot ihr den Halt, den sie so dringend brauchte. Streichelte beruhigend ihren Rücken, damit ihre Atmung sich wieder regulieren konnte. Mehr war in diesem Augenblick nicht nötig, um die Aufrichtigkeit seiner Worte zu beweisen. Schade, dass dein Herz vergeben ist..., dachte er traurig. Wir haben mehr gemeinsam, als uns beiden vorher bewusst war. Regen setzte ein, während er Camilla in seinen Armen hielt, doch sie blieben draußen. Es kam ihm so vor, als würde sie sich besser durch den prasselnden Regen fühlen, also hielt er es aus. Ihr zuliebe...   Kühl blickte Sirius herab zu Camilla und Severus. Eifersucht kochte in ihm, doch er wagte es nicht, die beiden voneinander zu trennen. Als der Regen einsetzte, kam ihm das Ganze sogar noch verwerflicher vor! In genau solch einem Regenguss hatte er sich das erste Mal mit Camilla geliebt. Sie das erste Mal geküsst... Und nun umarmte Schniefelus sie hier draußen im Regen. Schnaubend drehte sich Tatze um. Während er sich entfernte, ließ er seine Hände in die Manteltaschen sinken. Er schwor sich, dass er aufhören würde, das Slytherin-Mädchen zu bestalken. Innerlich wusste er, dass er es nicht durchziehen würde. Vielleicht waren ihre Gefühle für ihn nicht echt gewesen, aber seine für sie waren es. Auch wenn er sich zu Weihnachten nicht ganz sicher gewesen war, war er es jetzt. Verdammte scheiße! Ich habe mich in dich verliebt und kann es dir nicht mal sagen!, fluchte er innerlich. Stattdessen stürze ich mich in bedeutungslosen Sex, der mich nicht mal ausfüllt! Keine kann dich ersetzen... Mit diesem Wissen stürmte er beinahe schon durch die Flure von Hogwarts. Obwohl es eigentlich Camillas Job war in Leute hineinzulaufen, übernahm er heute den Part. Zu seiner großen Überraschung rannte er direkt in die Amre von James, den er beinahe umgerissen hätte. „Woah! Immer langsam mit den jungen Pferden!“, keuchte Krone entsetzt, während er sich zu stabilisieren versuchte. „Entschuldige...“ „Schon okay, ist ja noch alles dran. Alles in Ordnung?“ „Nicht wirklich...“, schnaubte Tatze verächtlich. Gar nichts war mehr in Ordnung! Der dunkle Lord hatte einfach alles kaputt gemacht! „Hast du dich immer noch nicht überwunden, mit ihr zu sprechen, Tatze?“ „Nicht wirklich... Sie schmust eh gerade mit Schniefelus.“ James seufzte. Ihm war offenkundig klar, dass es keine ernste Geschichte zwischen Camilla und Severus war. Er wusste es ja auch! Aber er ertrug ihren Anblick trotzdem nicht... Es machte ihn rasend vor blinder Eifersucht, die ihm als Ex eigentlich nicht mehr zustand. „Komm‘ mit... Ich habe eine Idee.“, sagte Krone geheimnisvoll und winkte ihn mit sich. Seufzend folgte er ihm, auch wenn ihm eigentlich nicht danach war. Seit James immer mehr Zeit mit Lily verbrachte, schien er sich für einen Liebesexperten zu halten. Dabei hatte Camilla ihm das ermöglicht! Wieso bin ich nur so wütend?, fragte er sich schnaubend. Dieser Zorn war schon früher ein ständiger Begleiter gewesen, doch neuerdings wurde er ihn gar nicht mehr los. Egal, wie sehr er auch dagegen ankämpfte, alles machte ihn zornig. Jeder war schuld. Obwohl Camilla ihm versichert hatte, dass er keinen Liebestrank getrunken hatte, sondern nur sie, kam es ihm anders vor. Sie hatte ihm trotzdem ein Gegenmittel gegeben. Sirius hatte es sogar getrunken! Er hatte gehofft, dass es ihm den Liebeskummer nahm, doch es hatte rein gar nichts geändert. Seine Gefühle waren echt... Konnte ein Liebestrank denn wirklich solch eine Macht haben? War ihre Beziehung tatsächlich nur ein Fake? Er war kein Profi, wenn es um Tränke ging, doch er bezweifelte es einfach. Vielleicht, weil es seine letzte, verzweifelte Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft war, doch er wollte es partout nicht glauben. Krone führte ihn in einen verlassenen – oder eher verbotenen Korridor. Vorsichtig sah er sich um, doch von dem grimmigen Hausmeister und seiner ebenso grimmigen Katze fehlte jede Spur. Es waren auch keine anderen Schüler hier. Selbst die Gemälde schienen allesamt verlassen zu sein. An sich war es wirklich gruselig, wenn nicht mal die Gemälde bewohnt waren, doch er wusste, dass sie sich vermutlich nur in dem Korridor langweilten. Die Gemälde wollten mitbekommen, was in Hogwarts los war und Gespräche führen. Nicht nur mit Schülern und Lehrern, sondern auch miteinander. An sich eigenartig, doch das war Sirius gewohnt. „Du willst doch kein Feuer legen, oder?“ „Unfug!“, stöhnte James augenrollend. „Ich bin doch kein dreizehnjähriger Muggel.“ „Ich bin mir sicher, dass Lil dir in diesem Punkt mehrfach widersprechen würde.“ „Ich bin kein Muggel!“ „Das ist der einzige Punkt, bei dem sie vermutlich keine Einwände haben würde...“, amüsierte sich Tatze kühl. „Ha, ha... Sehr witzig!“ „Was wolltest du mir erzählen?“ „Hast du dir schon mal überlegt, dich Camilla einfach mal... anders zu nähern?“, flüsterte James geheimnisvoll. „Inwieweit anders?“ „In einer anderen Gestalt, du Nase!“ „Du meinst als Hund?“, hakte er verwirrt nach. „Weshalb sollte ich das tun?“ Krone schüttelte theatralisch den Kopf, als redete er mit einem dummen Kind, ehe er seufzend antwortete: „Warum du das tun solltest? Um ihr einfach wieder nah zu sein! Um den Mut zu finden, das Gespräch endlich zu führen. Um ihr einfach anders beizustehen.“ „Sie weiß, dass wir Animagi sind, Krone.“ „Ja, das hast du ihr gesagt, aber du hast ihr niemals gesagt, was wir für Animagi sind.“ Sirius dachte nach. Stimmte das? Hatte er niemals Genaueres erzählt? Je intensiver er sich an alle Gespräche erinnerte desto klarer wurde es ihm. Krone hatte recht! Er hatte ihr weder seine Gestalt gezeigt noch hatten sie weiter darüber gesprochen. Camilla hatte diese Information wortlos zur Kenntnis genommen. Doch war das wirklich eine gute Idee? Wäre das nicht auch irgendwie hinterhältig? Ihm war etwas unbehaglich bei der Vorstellung, sich ihr ohne ein Wort als Hund zu offenbaren. Aber James hatte recht... Als Mensch traute er sich kaum noch in ihre Nähe. Inzwischen wusste er kaum noch, wie ihre Stimme klang und wie sie eigentlich roch. War es wirklich so verkehrt, sich nochmals an ihr sonnen zu wollen? Nochmals ihre Wärme zu spüren? Nochmals ihren Duft zu inhalieren? Vermutlich war es das, doch es schien ihm auch seine einzige Chance zu sein, solange er so feige war. Es ging immerhin nicht um irgendein Mädchen, sondern das einzige Mädchen, das jemals sein Herz berührt hatte. „Und... wenn sie es rausbekommt...?“ „Sie wird es irgendwann rausbekommen, aber mit etwas Glück, habt ihr euch bis dahin wieder vertragen.“, sagte Krone beschwichtigend. „Und mal ehrlich... Was hast du denn schon zu verlieren? Ihr meidet einander wie die Pest. Schlimmer kann es kaum noch werden...“ „Schlimmer geht immer, Krone.“ „Probier‘ es einfach mal aus und guck‘, was passiert.“, winkte James ab. „Wenn es nicht klappt, hast du zumindest alles versucht.“ „Und wie soll ich es anstellen?“, seufzte Sirius ratlos. „Ich kann das schlecht in Hogwarts machen. Das fällt wohl ziemlich auf...“ „Bist du so blöd oder tust du nur so?“ „Ich tu‘ nur so... Ich will dich nur testen.“ James verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, ehe er den Kopf schüttelte: „Sie ist wahnsinnig oft draußen und in der Regel vollkommen alleine. Du verwandelst dich und nährst dich ihr. Wie ein armer, ausgesetzter Hund, der Hunger hat... Da kann sie nicht widerstehen!“ „Das... könnte tatsächlich funktionieren.“, gestand Tatze sich ein. Außer sie schloss aus ihren Spitznamen und der Information, dass sie Animagi waren, wer dieser Hund in Wahrheit war. Allerdings konnte er nicht abstreiten, dass der Jäger recht hatte: Er hatte nichts mehr zu verlieren. Sie mieden sich und selbst Hass und Geschrei waren ihm lieber als das! „Danke, Krone...“ „Kein Ding, Alter, dafür sind Freunde doch da.“   Wie James es gesagt hatte, suchte Camilla die Einsamkeit regelrecht. Nur einen Tag später konnte Sirius ihr nach draußen folgen und beobachtete sie eine Weile aus der Ferne. Sie sah irgendwie unglücklich aus. Wie sie alleine im Wind stand und einfach in die Leere starrte, konnte sie einem nur leidtun. Die Amerikanerin schien nicht mal zu merken, dass es bereits zu dämmern begann. Oder es war ihr egal... Sie blieb einfach auf dem Gelände stehen und starrte. Wenn sie so weitermacht, dann glaubt man noch, dass sie zur Außendekoration gehört..., dachte Sirius witzlos. Innerlich sammelte er seinen letzten Mut zusammen, raffte die Schultern und verwandelte sich dann endlich in den großen, schwarzen Hund. Er war wirklich gespannt, ob die Animagi-Gestalt ihm nun noch einen Vorteil bot. Bisher hatte er sie hauptsächlich genutzt, um Moony in Vollmondnächten zu begleiten oder ihn sogar anzugreifen, wenn Menschen in der Nähe waren. Tatze versuchte sich ihr nicht zu schnell zu nähern, sondern sich vorsichtig heranzupirschen. Wie Krone gesagt hatte, musste er wie ein Streuner auf der Suche nach Futter wirken. Ein armer, ausgesetzter Hund, der Menschen immer noch vertrauen wollte... Anfangs bemerkte Camilla ihn nicht. Sie wirkte wie in Trance. Es machte ihn verrückt! Inzwischen war er nämlich beinahe vor ihren Füßen und sie rührte sich einfach nicht. Sah nicht umher. Merkte offenbar nicht mal, dass ein Lebewesen um sie herumstreunte. Dann bin ich wohl selbst meines Schicksals Schmied..., dachte er. Wenn er könnte, würde er die Augen rollen, doch er war auf gewisse tierische Merkmale und Eigenschaften beschränkt. Konnte auch nicht mehr so komplex denken und fühlen wie es ein Mensch tat. Es war irgendwie angenehm. Trotzdem winselte er nun wehleidig auf, damit das Mädchen ihn endlich zur Kenntnis nahm. Und da war er! Der erhoffte Blick dieser wunderschönen eisblauen Augen, die plötzlich nur noch ihn sahen. „Oh, Flauschel!“, keuchte die Blondine erstaunt. „Was machst du denn hier so alleine?“ Flauschel? Ernsthaft?! Gott sei Dank war sie nicht dabei, als wir unsere Spitznamen ausgesucht haben... Alle wären für Flauschel gewesen!, überlegte Tatze verzweifelt. Doch statt sich darüber zu ärgern, warf er sich vor ihr auf den Rücken und bot ihr seinen Bauch an. Es war ihm ein Bedürfnis, dass sie ihn dort kraulte. Das lag tief in seinen Instinkten als Hund verankert... Sie war nicht die erste, der er sich so anbot. James freute sich jedes Mal, wenn er seinen Bauch kraulen durfte! So auch Camilla, die sich sofort vor ihm hinhockte, um den angebotenen Bauch zu streicheln. Seine Hinterpfote zuckte dabei genüsslich, während er den Hals durchstreckte. Ihre andere Hand kraulte nun auch noch diese empfindliche Stelle hinter seinem Ohr, die ihn genussvoll aufbrummen ließ. Bei allen Göttern dieser Welt, diese Frau wusste, wo ein Hund berührt werden wollte! Immer mal wieder riskierte er einen Blick und erkannte, dass sie tatsächlich lächelte. Glücklich aussah... Da waren keine trübsinnigen Gedanken mehr, sondern nur noch der Wunsch, ihm Freude zu bereiten. Sie liebte Tiere. Er wusste, dass sie einen Husky Zuhause hatte, der ihr sehr fehlte. Jetzt würde er gerne mit Sol tauschen und bei ihr als Hund leben! „Bist du etwa ausgesetzt worden, Flauschel?“, fragte sie besorgt, hörte aber nicht auf ihn zu kraulen. „Du bist bestimmt hungrig... Ich habe nur leider nichts dabei. Jedenfalls nichts, was du essen darfst...“ Leise winselte er auf, als wollte er ihre Aussage bestätigen, dass er Hunger litt. Doch eigentlich tat er es, weil ihre Hand nicht mehr so viel Druck beim Kraulen aufbaute. Er wollte mehr! „Das nächste Mal werde ich etwas für dich dabeihaben, versprochen.“, schwor Camilla ihm lächelnd. Ihre Hände drückten sich nun etwas dichter auf, um ihn richtig zu massieren. Zu massieren! Glücklich wälzte er sich unter ihr und wedelte wie verrückt mit der Rute. Okay... Nun verstehe ich, warum Krone meint, ich soll direkt ein Hund bleiben. Ich gehe in der Rolle richtig auf..., wurde es ihm zum ersten Mal richtig bewusst. „Wie wäre es, wenn ich dir ein Stöckchen werfe, hm? Statt Futter?“, schlug sie liebevoll vor. „Ich finde es zwar gefährlich, wenn du einem Stock nachläufst, aber ich habe kein Spielzeug von Sol dabei...“ Er schwor sich, er würde nun nicht wieder so euphorisch reagieren! Egal, wie sehr seine Hundeinstinkte es auch wollten, er würde nicht ausflippen. Camilla hob einen dicken Stock vom Boden auf, nahm etwas Anlauf und warf ihn dann. Tatze beobachtete ihn hochkonzentriert und raste dann wie von Sinnen los. Immer mal wieder bellte er begeistert! Sie konnte weit werfen, was ihm eine gewisse Strecke zum Hetzen ließ. Außerdem hatte sie schlauerweise den Hügel heruntergeworfen, was die Flugbahn verlängerte. Wie von Sinnen sprang er auf den Stock, als müsste er ihn erlegen, ehe er mit dem Stock im Maul zurückraste. Seine Rute wedelte dabei hektisch von links nach rechts. „Brav, Flauschel, ganz toll!“ Sirius legte die Ohren unterwürfig an, als er ihr Lob hörte und brachte ihr den Stock. Gefügig legte er ihr diesen sogar in die Hand und hoffte inständig, dass sie ihn nochmals werfen würde! In ihm brodelte es so heftig, dass er kaum still sitzen bleiben konnte! Doch bevor die Blondine überhaupt in Betracht zog, den Stock zu werfen, tätschelte sie ihn lobend. Ihre Begeisterung steckte ihn an und ließ seinen Schwanz noch wilder hin und her peitschen. Endlich warf sie den Stock wieder! Wie ein geölter Blitz schoss er mit aufrechten Ohren dem Holz hinterher. Wieder bellte er ein paar Mal, sprang am Ende auf den Stock und brachte ihn dann euphorisch zurück. Das wiederholten sie einige Male. Innerlich schwor sich Tatze, dass er niemals jemanden von diesem Treffen erzählen würde. Sie hatte wirklich alle Hundeseiten aus ihm herausgekratzt und er hatte es auch noch genossen! Peinlicher ging es kaum... „Ich muss nun langsam mal rein...“, sagte Camilla traurig. „Aber wenn du öfters vorbeikommst, habe ich Futter für dich. Versprochen.“ Liebevoll schloss sie ihn in ihre Arme und küsste liebevoll seinen Schädel. Er erwiderte diesen Kuss, indem er ihr einmal liebevoll über das Gesicht schleckte. Sie lachte glockenhell auf: „Du Schelm!“ Tatze konnte wahrnehmen, dass sie nicht wirklich böse war. Ihr hatte es gefallen, dass er sie so liebevoll verabschiedete. Als sich die Amerikanerin abwandte und ging, musste er dem Drang widerstehen, ihr zu folgen. Stattdessen blieb er mit wedelndem Schwanz auf dem Boden sitzen und beobachtete ihr Gehen. Sie fehlte ihm schon jetzt... In den nächsten Tagen suchte er immer wieder das Schlossgelände auf, um sich ihr als Hund zu offenbaren. Sie machte ihr Versprechen wahr und hatte jedes Mal etwas zu Essen für ihn dabei. Sie nahm es aus der Großen Halle mit. Mal war es Geflügel, dann Würstchen und ein anderes Mal sogar feiner Braten. Ab und zu auch mal Obstsorten wie Äpfel, Bananen oder köstliche Beeren. Aufmerksam hörte er ihr zu, wenn sie ihm berichtete, dass Obst und Gemüse auch sehr gesund und gut für ihn seien. Es würde viele wichtige Nährstoffe und Vitamine enthalten, weshalb er nicht nur pures Fleisch bekam. Ihm war es eigentlich egal, was sie sagte, solange sie nur mit ihrer honigsüßen Stimme mit ihm sprach. Sie brachte ihm sogar Spielzeug mit! Entweder gehörte es eigentlich Lizzy oder sie hatte ihm extra etwas gekauft. Vielleicht hatte sie sich sogar von ihren Vätern etwas schicken lassen, was eigentlich Sol gehörte... An sich spielte es auch keine Rolle. Sie gab sich einfach so viel Mühe. An manchen Tagen verpassten sie einander jedoch, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten Unterricht hatten. Sie sprach ihn dann am nächsten Tag darauf an, dass sie ihn vermisst hätte und er bestätigte seine Sehnsucht dann mit einem Winseln. Alles in allem war es wohl tatsächlich eine von James‘ besseren Ideen gewesen, sich als Hund zu zeigen. So konnte er ihr tatsächlich nah sein ohne wirklich mit ihr zu sprechen. Jedoch musste sich Tatze selbst eingestehen, dass er sich langsam wirklich mal überwinden sollte... Immerhin rückten die Prüfungen kontinuierlich näher und damit auch die Sommerferien.   Es war ein stressiger Tag gewesen. Der Stundenplan war voll gewesen, zusätzlich hatte sie noch zahlreiche Hausaufgaben erledigen müssen und Severus hatte sie getriezt mit ihm zu lernen. Als wollte er sie an ihre miserablen Fähigkeiten in Zaubertränke erinnern, hatte er Camilla solange einen Trank brauen lassen, bis es ihr gelang. Er vermutete, dass er in der Prüfung drankommen würde... Inzwischen war es bereits dunkel draußen und eigentlich war auch schon die Ausgangssperre aktiv. Trotzdem schlich sie sich hinaus. Irgendwie schaffte es die Amerikanerin sich weder von einem Vertrauensschüler noch von einem Professor erwischen zu lassen. Sie begegnete nicht mal Peeves! Der machte ihr sonst gerne das Leben schwer. Weil sie es über den Tag nicht geschafft hatte, suchte sie jetzt nach dem überdurchschnittlich großen, schwarzen Schäferhund, den sie liebevoll Flauschel getauft hatte. Heute hatte sie ihn noch nicht füttern können. Zu ihrem Leidwesen konnte sie ihn einfach nicht finden. Wahrscheinlich hatte er sich wieder in sein Versteck zurückgezogen – wo das auch immer sein mochte. Oder er jagte nun selbst nach Futter... „Flauschel!“, rief sie trotzdem verzweifelt. Hinter sich hörte sie plötzlich etwas. Ein Rascheln in den Büschen. Und war das nicht ein... Knurren? Freudig drehte sich die Blondine um und erblickte nicht den süßen Flauschel, sondern einen grimmigen Werwolf. Rasch starrte sie in den Himmel. Der Vollmond stand hoch oben und erhellte ihr das Gelände. Eigentlich hätte es ihr längst auffallen müssen... Für diese Zeit war es zu hell! Und doch war es ihr entgangen. Panik kroch in ihr hoch, während sie unruhig nach ihrem Zauberstab tastete. Instinktiv bewegte sie sich nicht. Mit etwas Glück, nahm die Bestie sie dann nicht allzu deutlich wahr oder sein Jagdinstinkt blieb inaktiv. Ihr Herz aber raste! Der Werwolf war groß, hellbraun und sah wirklich kräftig und jung aus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es also ein Kind oder Jugendlicher. Es konnte also Leon Charles sein oder Remus Lupin. Nein... Remus müsste in der Heulenden Hütte sein... Das ist der Deal mit Dumbledore! Hat er mir doch selbst gesagt., dachte Camilla zweifelnd. Dann blieb nur Leon oder ein ganz anderer Werwolf. Endlich fand sie ihren Stab und konnte ihn in ihre rechte Hand nehmen. Noch hob sie ihn nicht. Camilla wollte den Werwolf nicht unnötig reizen. Auf einmal raschelte es wieder im Gebüsch. Innerlich wappnete sich die Amerikanerin für einen zweiten Werwolf. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie einander riefen und miteinander agierten. Wölfe waren Rudeltiere... Auch Wölfe, die nur zu Vollmond welche waren. Doch es war kein Werwolf, der aus den Büschen kam, sondern ein gigantischer Hirsch. Der wohl größte Hirsch, den sie jemals gesehen hatte! Er kam anmutig und erhaben heraus. Den Kopf in die Höhe gereckt. Es war recht dunkel, dennoch glaubte die Blondine, dass auf dem Kopf des Hirsches eine Ratte saß. Direkt zwischen seinem majestätischen Geweih. Aber das war doch lächerlich! Warum sollte bitte eine Ratte auf dem Kopf eines Hirsches hocken? Und wieso war der Hirsch überhaupt hier? Seltsamerweise machte weder der Hirsch Anstalten vor dem Werwolf zu fliehen oder vor ihr noch versuchte der Werwolf das Wild zu reißen. Es war wohl das Seltsamste, was ihr jemals wiederfahren war. Ist das etwa einer seiner Träume? Habe ich ihn versehentlich in meinen Kopf gelassen?, fragte sie sich und sah sich nach Tom um. Von ihm fehlte jegliche Spur. Plötzlich sprang der Werwolf auf sie zu. Sie war außerstande rechtzeitig zu reagieren und sah sich schon auf dem Boden verbluten. Doch die Bestie schaffte es gar nicht so weit! Ein riesiger, schwarzer Hund warf sich von der Seite direkt gegen den Werwolf und riss ihn dabei zu Boden. Flauschel drehte sich sogar zu ihr, als wollte er sichergehen, dass sie unverletzt war. Nun stapfte auch der Hirsch auf den Werwolf zu und schnaubte verächtlich. Er scharte mit den Hufen und war offenbar bereit, sich auch mit dem Werwolf anzulegen. Camilla wurde bewusst, dass sie zu Boden gefallen war. Rasch zog sie sich wieder auf die Füße und umklammerte ihren Zauberstab. Hastig sah sie sich um. Das Schloss war viel zu weit weg... Sie würde es niemals rechtzeitig dorthin schaffen! Auch Hagrids Hütte schien unerreichbar fern. Unzufrieden sah sie zur Peitschenden Weide. Mit etwas Glück konnte der Werwolf nicht durch ihre schlagenden Äste gelangen und sie wäre dort vielleicht sicher. Aber da drin lauerte wahrscheinlich der nächste Werwolf. Moment..., wurde es ihr endlich bewusst. Sirius sagte, sie seien Animagi, um Remus zu helfen... Das ist Remus! Also musste die Heulende Hütte gerade tatsächlich eine werwolffreie Zone sein! Es könnte ihre einzige Chance sein, um das Ganze zu überleben. Die Amerikanerin sah sich zu den Animagi um, die den Werwolf noch in Schach halten konnten, dann rannte sie los. Den Zauberstab hielt sie fest umklammerte, während ihr Atem immer unruhiger wurde. Hinter sich konnte sie ein Jaulen hören. Sie sah über die Schulter und erkannte, dass Flauschel von dem Werwolf weggeschleudert worden war. Nun versuchte der Hirsch ihm den Weg zu verstellen und drohte mit seinem Geweih. Unglücklicherweise übersah Camilla eine Wurzel. Ihr Fuß verhakte sich darunter und sie stürzte ächzend zu Boden. Schnaubend wollte sie aufstehen, doch ihr Fuß hing in dieser vermaledeiten Wurzel fest! Ihr erschien das Ganze wie verhext, als sie versuchte ihr Bein irgendwie herauszubekommen. Etwas schnaubte laut, dann hörte sie laute Schritte auf sich zukommen. Moony hatte den Hirsch offenbar einfach beiseitegestoßen und raste nun blind vor Blutgier direkt auf sie zu. Instinktiv schwang sie ihren Zauberstab: „Stupor!“ Der Lichtblitz traf Remus, doch er bremste ihn nur für einen Augenblick. Leider fiel er nicht in Ohnmacht, wie sie es eigentlich gehofft hatte. Ganz im Gegenteil! Der Werwolf schien eher noch wütender zu sein. „Scheiße!“, fluchte Camilla panisch auf. Just in diesem Augenblick fiel ihr ein, dass sie doch eine Hexe war! Warum um alles in der Welt versuchte sie ihr Bein mit Muskelkraft zu befreien, statt mit Magie? Moony stürzte sich mit gefletschten Zähnen auf sie, doch der Hirsch tackelte ihn von der Seite und riss ihn aus seiner Flugbahn. Im Anschluss griff ihn auch Flauschel an. Der Werwolf sah sehr wütend über ihre Einmischung aus, wollte aber nur sie. Das gab den Animagi die Chance, ihm immer wieder soweit zu zusetzen, dass er nicht zu ihr kam, aber nicht so viel, dass sie ihm ernsthaft schadeten. „Incendio.“, sagte sie deutlich. Feuer kam aus ihrem Stab und verbrannte die Wurzel blitzschnell. Rasch zog sie ihren Fuß hoch und hievte sich wieder auf die Beine. Zwar schmerzte jeder Schritt, doch sie rannte mit tränenden Augen weiter. Plötzlich riss sie etwas zu Boden. Wieder kroch Panik in ihr hoch! Doch zu ihrer Überraschung war es nicht der Werwolf, sondern Flauschel. Mit einem Blick stellte sie fest, dass er damit verhindert hatte, dass Moony sie von hinten erwischte. In den Augen des Hundes erkannte sie so etwas wie... Sorge. Doch darüber konnte die Amerikanerin nun nicht auch noch nachdenken. Stattdessen umklammerte sie... nichts. Nichts! Bei dem Sturz musste sie ihren Zauberstab verloren haben! „Fuck!“, fluchte Camilla auf. Es war zu dunkel. Sie konnte den Stab in dem hohen Gras und der aufgewühlten Erde partout nicht finden. Flauschel stand zwischen ihr und dem Werwolf, doch er würde ihn nicht mehr lange aufhalten können. Bis zur Peitschenden Weide war es aber noch zu weit, um ohne Zauberstab dorthin zu laufen. Sie... Sie sind Animagi geworden, um ihm zu helfen..., wurde es der Blondine auf einmal klar. Werwölfe greifen Menschen an... Nur Menschen! Tiere sind nicht interessant. Deshalb wurden sie Animagi. Allmählich kam sie sich selten dämlich vor. Nicht nur, weil sie in einer Vollmondnacht Hogwarts verlassen hatte, sondern weil ihr so viele Dinge entgangen waren. Gerade als der Werwolf erneut angreifen wollte, konzentrierte sie sich. Ihr fraulicher Körper begann zu schrumpfen und Fell wuchs ihr aus jeder Pore. Sie hasste dieses Gefühl! Doch es würde ihr vielleicht das Leben retten. Nur wenige Sekunden später hatte sie einen weißen, buschigen Schweif, weiße, spitze Ohren und kluge, eisblaue Fuchsaugen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie glücklich, dass sie in Ilvermorny die Animagi-Verwandlung gelernt hatte. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit befand sie sich in der Gestalt eines überdurchschnittlich großen Polarfuchses. Sie war gegen den Hirsch und den Hund winzig, aber das spielte keine Rolle. Plötzlich erstarrte Moony. Hechelnd sah sich der Werwolf um und suchte offenbar das Mädchen, was er eben noch so effektiv gejagt hatte. Seine Instinkte ließen nicht zu, dass er auf die Idee kam, dass der kleine Polarfuchs das Mädchen war. „Wo ist es?!“, knurrte der Werwolf wütend. „Wo ist meine Beute?!“ „Weg.“, antwortete der Hirsch. Krone... Tatze... Wurmschwanz..., wurde es ihr klar. Flauschel war Sirius! Krone war der Hirsch und auf dessen Kopf saß tatsächlich eine Ratte. Der Name Moony war ihr längst klar gewesen. „Geht es dir gut?“, wollte Tatze wissen und stupste sie mit seiner großen, schwarzen Nase an. Es war eigenartig sie nun verstehen zu können. „Ja...“ „Warum bist du denn bitte zu Vollmond hier draußen?!“, schimpfte James empört. „Du hättest sterben können!“ „Hab‘... Hab‘ nicht gerallt, dass Vollmond ist...“, gestand Camilla reuevoll. Fiepsend legte sie sich in das Gras und legte die Ohren reuevoll an. Es klang für sie seltsam, dass sie solche Laute von sich gab, doch irgendwie war es auch interessant. Selbst die weniger komplexen Gefühle und die ausgeprägten Instinkte waren fast schon angenehm. „Schon gut...“, brummte der Hirsch und stupste sie nun auch mit seiner Nase an. Er leckte ihr sogar über das Ohr als wollte er sie trösten! Eigenartigerweise fühlte sich das wirklich tröstlich an, was wohl an den Sinnen des Fuchses lag. Langsam blickte sie auf und stellte fest, dass der Werwolf sich wieder beruhigte. Entweder hatte Remus es geschafft, sich zu beruhigen oder die Bestie in ihm hatte eingesehen, dass seine Beute nicht mehr da war. Stattdessen schnupperte er herum und suchte wohl nach einer neuen Fährte. Außer ihr war aber offenbar niemand draußen. Sie wollte aufstehen, dann durchschoss sie jedoch wieder dieser Schmerz in ihrem Bein und sie sackte sofort wieder ins Gras. Ihre Instinkte ermahnten sie! Sie durfte keine Schwäche zeigen, um nicht aus dem Rudel verstoßen zu werden. Tatze aber ignorierte offenbar den Ruf der Natur und schmiegte sich an sie. Seine viel größere Zunge leckte ihr liebevoll über das weiße, weiche Ohr, während er sich auf das Gras legte. „Ich kann dich tragen.“, brummte er mit seiner Hundestimme. „Du musst dich dann in meinem Nacken verbeißen.“ „Tue ich dir denn nicht weh?“ „Nein, mein Nacken hat eine sehr dicke Hautschicht.“ „Und eine Fettschicht.“, warf der Hirsch amüsiert ein. „Fick‘ dich, Krone.“ Camilla ignorierte den Kleinkrieg und versuchte irgendwie auf seinen breiten Rücken zu klettern. Wie er es ihr gesagt hatte, verbiss sie sich mit ihren spitzen Zähnen in seinen dicken Nacken. Sehr langsam erhob sich der schwarze Hund, um im Anschluss ganz entspannt neben seinen Freunden zu trotten. Wenn sie ihm wehtat, dann zeigte er es zumindest nicht. Stattdessen verbrachte er fast die ganze Nacht damit, sie über das Gelände zu tragen. Glücklicherweise verirrte sich kein weiterer Mensch nach draußen. So konnten die Rumtreiber weiter die Gegend erkunden und den Werwolf dann überzeugen, in die Heulende Hütte zurückzukehren. Vorher hatte er stets darauf bestanden, nach weiterer Beute zu suchen. „Wurmschwanz, wenn ich bitten darf?“, sagte Krone und senkte den Kopf, damit die Ratte von ihm herunterklettern konnte. Durchaus geschickt huschte das Nagetier unter den Ästen der Peitschenden Weide hindurch und sprang dann gegen den Knoten. Sofort erstarben die Äste und Zweige. Nacheinander huschten sie in den Geheimgang, den sie auf vier Pfoten so viel schneller überwanden als als Menschen. Moony begab sich direkt in das einzige offene Zimmer und rollte sich auf dem Boden zusammen. Er würde sich bald zurückverwandeln. Der Mond war fast fort... Das schien auch der Werwolf in ihm zu wissen. Die anderen folgten ihm. Tatze ließ sie nun vorsichtig herunter, damit auch sie sich auf dem Boden einrollen konnte. Der große Hund legte sich einfach zu ihr und rollte sich um sie herum ein. So spendete er ihr Wärme, Schutz und auch Nähe. Es fühlte sich befremdlich in dieser Gestalt an, doch irgendwie auch gut. Tatsächlich schlief sie sogar ein. Vollkommen erschöpft von der Hetzjagd, der Panik und der aufregenden Reise auf dem Rücken eines Hundes. Für sie hörte sich das alles absurd an. Wie ein Märchen für Kinder...   „Camilla?“, fragte Sirius vorsichtig. Irgendwann war sie eingeschlafen und deshalb befand sie sich immer noch in ihrer süßen Animagi-Gestalt. Moony hatte sich inzwischen wieder zurückverwandelt und sich rasch etwas übergezogen. Sein schlechtes Gewissen war ihm anzusehen. Natürlich hatten auch Peter und James wieder ihre menschliche Gestalt angenommen. Sie waren beide unverletzt, was man von Remus nicht sagen konnte. Die Attacken durch Hirsch und Hund hatten ihre Wunden hinterlassen. Endlich wachte der Polarfuchs auf. Sie sah auf und erkannte recht schnell, dass sie alle ihre menschlichen Gestalten wieder angenommen hatten. Sie musste sich nur kurz konzentrieren, dann verwandelte auch die Amerikanerin sich wieder zurück. Seine Front lehnte immer noch an ihrem Rücken. Sie hatten die ganze Nacht zusammen gelegen und geschlafen. Wären sie keine Tiere gewesen, dann wäre es genauso wie in der Zeit, als sie noch ein Paar gewesen waren. „Das war... interessant...“, gestand sie verlegen. „Habe ich dich verletzt?“, wollte Moony sofort wissen. Sein schlechtes Gewissen überschlug sich förmlich! Ebenso wie seine Stimme. „Nein, keine Sorge.“ „Aber da ist eine frische Wunde!“ Jetzt erst riskierte Sirius einen genaueren Blick. Remus hatte recht! An ihrem rechten Oberarm befand sich ein recht großer Kratzer, der den Ärmel ihres Sweatshirts einfach durchtrennt hatte. Auch Camilla sah sich nach der vermeidlichen Verletzung um und schüttelte den Kopf: „Ist nicht von dir.“ „Aber die ist doch frisch!“, warf Remus panisch ein. „Wenn ich dich nun infiziert habe...“ „Die ist echt nicht von dir.“ „Wie ist denn das passiert?“, erkundigte sich Sirius besorgt. Er befürchtete, dass sie das nur sagte, damit Moony sich keine Vorwürfe machte. „Na ja... Als du dich auf mich geworfen hast...“, murmelte die Amerikanerin verlegen. „Deine Krallen sind ganz schön lang, Sirius...“ „Oh... Entschuldige!“ „Schon gut, schon gut! Du hast mich vor dem Tod bewahrt. Der Kratzer ist da das geringste Übel...“ „Was macht dein Fuß?“, erkundigte sich nun James. „Weiß nicht...“ Gezwungenermaßen löste sich Sirius von ihr, damit sie probeweise aufstehen konnte. Ihrem Gesicht war anzusehen, dass das Aufsetzen des Fußes nicht angenehm war. Trotzdem sah es nicht so aus, als habe sie sich wirklich ernsthaft dort verletzt. Eher eine Quetschung oder Prellung. „Wird schon wieder.“, winkte das Slytherin-Mädchen ab. „Ist vermutlich verstaucht.“ „Alles in allem hattest du also echt Glück.“ „Ja, irgendwie schon...“ „Wieso hast du dich denn nicht sofort in einen Animagus verwandelt?“, quiekte Peter aufgeregt. „Ganz ehrlich? Ich habe nicht gecheckt, dass er mich dann in Ruhe lässt.“, gestand sie verlegen. „Und ich hatte auch gar nicht mehr dran gedacht, dass ich das kann.“ „Du hast vergessen, dass du ein Animagus bist?“ „Ich habe mich bestimmt seit einem Jahr nicht mehr verwandelt!“ „Warum hast du es denn dann gelernt?“, mischte sich Moony verwirrt ein. „Wegen deines Ex-Freundes? Er war doch ein Werwolf?“ „Nein, hatte nichts mit ihm zu tun... War eine Art Wettbewerb auf Ilvermorny.“ „Wettbewerb?“ „Ein paar ältere Schüler haben sich Schüler aus den unteren Stufen ausgesucht und sie in der Animagi-Verwandlung unterwiesen.“, erklärte Camilla seufzend. „Der, der sich als erstes willentlich verwandeln konnte, hatte gewonnen. Und natürlich dessen Mentor auch.“ „Und du hast es wieder mit Bravour gemeistert?“, kicherte James nicht besonders überrascht. „Nicht wirklich... Ich hatte sogar überlegt, das Prozedere abzubrechen. Das war mir nicht so geheuer. Hab‘ es dann aber doch durchgezogen.“ „Hat dir nun das Leben gerettet.“ „Das stimmt.“ „Ich hätte erwartet, dass du so etwas mehr nutzen würdest.“, gestand Sirius irritiert. „Wenn du nicht registriert bist, kannst du so gefahrlos herumschleichen und Informationen sammeln. Oder an Orte gelangen, in die du sonst nicht kommen würdest.“ „Theoretisch hast du damit natürlich recht, aber ich bin ein weißer Polarfuchs. Auffälliger geht’s kaum noch!“ „Stimmt.“, lachte Krone amüsiert. Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätten sie sich niemals getrennt. Als wäre da kein Streit und kein Liebestrank zwischen ihnen. Sie redeten normal miteinander. Tauschten Informationen aus, die nicht ganz ungefährlich waren. „Du warst die ganze Zeit Flauschel?“, fragte Camilla dann empört. Natürlich fingen die Jungs sofort im Chor an zu lachen und wiederholten den Spitznamen in diversen albernen Sätzen. Das würde ihn die nächsten Monate definitiv verfolgen! James würde dafür sorgen, dass er das nie wieder vergessen würde. „Ja... Aber Tatze wäre mir lieber.“ „Warum um alles in der Welt hast du das denn gemacht?“ „Ich... Ich wollte dir einfach nah sein...“, gestand Sirius unsicher. Die Anwesenheit seiner Freunde kam ihm zum ersten Mal lästig vor. „Du hast mir Stöckchen apportiert!“, erinnerte sie ihn entsetzt. „Nur, um mir nah zu sein? Du schienst die ganze Zeit Spaß zu haben! Ich dachte echt, dass du ein richtiger Hund bist...“ James lachte lautstark auf. Auch das würde er ihn nie wieder vergessen lassen... Jedoch schien Remus zu begreifen, dass sie hier nur störten, denn er scheuchte Peter und auch Krone hinaus. Sie würden in einem Nebenzimmer warten, damit sie dann gemeinsam zum Schloss zurückkehren konnten. „Ja... Es hat mir ja auch Spaß gemacht.“ „Wie bitte?“ „Hast du es denn nicht gemerkt, als du dich verwandelt hattest?“, erkundigte sich Tatze seufzend. „Die starken Instinkte und Sinne? Bestimmte Bedürfnisse, die du vorher nicht hattest?“ „Jetzt, wo du es sagst... Ich wollte unwahrscheinlich gerne Peter jagen.“ Obwohl die Situation an sich nicht lustig war, musste er bei der Vorstellung doch lachen. Wurmschwanz wäre durchgedreht, wenn sie ihn über das ganze Gelände gejagt hätte! Trotzdem wäre es solange witzig gewesen, bis sie ihn erwischt hätte. „Ja... Ja, genau so etwas meine ich. Und ich wollte dir eben immer wieder das Stöckchen bringen und dir gefallen.“, gestand er ehrlich. „Du hättest mich Rollen machen lassen können und Männchen, ich hätte es gemacht! Nur um meinem... Frauchen zu gefallen.“ „Ich war dein Frauchen?“ „Sozusagen...“ „Wow... Ich wusste nicht, wie intensiv die Verwandlung sein kann.“, gestand die Blondine. „Aber warum hast du nicht einfach mit mir gesprochen?“ „Warum nicht? Weil du mich abgeblockt hast! Und du bist mir aus dem Weg gegangen...“ „Okay... Ja, schon... Aber trotzdem kommt mir das etwas rabiat vor.“ „Ich... wollte einfach nur bei dir sein...“, seufzte Sirius unglücklich. „Dich spüren... Deiner Stimme lauschen... Etwas Kraft und Mut tanken. Ich wollte es dir ja noch sagen, aber ich habe mich einfach nicht getraut.“ Camilla schien es zu verstehen, denn sie widersprach ihm nicht mehr. Stattdessen senkte sie ihren Blick bestürzt. Ihr schien es unbegreiflich zu sein, wie ihr all das hatte entgehen können. Vor allem, dass er „Flauschel“ gewesen war. „Für dich war unsere Beziehung vielleicht nicht echt, aber für mich war sie es, Camilla. Meine Gefühle sind echt.“ „Du hast eine eigenartige Art und Weise das zu zeigen.“, schnaubte die Amerikanerin verächtlich. „Immerhin hast du dich doch direkt wieder auf deine Betthäschen gestürzt und dich durch die halbe Schule gevögelt! Wie ein billiges, kleines Flittchen!“ „Okay, das habe ich verdient...“, gestand Sirius. „Aber sie waren nur Lückenbüßerinnen, weil ich nicht mehr an dich herankam. Ablenkungen... Eine Zerstreuung, damit ich nicht hoffnungslos untergehe.“ „Hast du es schon mal mit puzzeln versucht?“ „Nein... Was ist puzzeln?“ „Das ist... Ach! Egal!“, winkte Camilla verwirrt ab. Wieder musste er etwas lachen. Sie wirkte so, als schmollte sie. Also war da Eifersucht gewesen... Die ganze Zeit hatte die Amerikanerin ihn beobachtet und es hatte ihr wehgetan ihn mit anderen zu sehen. So wie es ihn geschmerzt hatte, sie mit Severus zu sehen – obwohl da sicherlich nichts gelaufen war. Erneut senkte die Blondine ihren Blick und atmete mehrmals tief durch. Die letzten Wochen waren für sie beide furchtbar gewesen, das war ihm nun klar. Sie hatten auf ihre eigenen Weisen getrauert und sich nach dem jeweils anderen verzerrt. Hatten sich gegenseitig wehgetan... „Camilla...“, flüsterte er und sie sah ihn endlich wieder an. „Ich liebe dich.“ Berstende Stille setzte ein, während sie ihn einfach nur ansah. In diesem Augenblick konnte er nicht in ihr lesen. Nicht in den eisblauen Augen erkennen, ob sie entsetzt war, erleichtert oder sogar dasselbe fühlte. Sirius hatte noch nie erlebt, dass ein Mädchen einen Jungen derartig ansah. Er hatte aber auch noch niemals jemanden seine Liebe gestanden, wenn er ehrlich war. „Du musst es nicht erwidern.“, warf er unsicher ein. „Weder heute noch morgen... Du sollst es nur sagen, wenn du es auch fühlst.“ „Selbst dann, wenn es vielleicht niemals so sein wird?“ „Ja, selbst dann. Gerade dann! Ich will nicht, dass du mir etwas vorgaukelst.“ Nun entspannten sich ihre Gesichtszüge. Es wäre ihm fast nicht aufgefallen, doch auch ihre Schultern sanken etwas nach unten. Seine Offenbarung hatte sie also in Anspannung versetzt und vielleicht auch ein bisschen in Panik. Sirius warf alle seine Prinzipien über Bord und ging direkt auf die Blondine zu. Dominant griff er nach ihrer Hüfte und zog sie einfach an sich, damit er seinen Mund auf ihren senken konnte. Leidenschaftlich versuchte er sie zu einem Kuss zu verlocken. Anfangs wurde er tatsächlich nervös! Camilla machte keine Anstalten den Kuss zu erwidern. Langsam kam es ihm doch so vor, als habe der Liebestrank tatsächlich alle Gefühle bei ihr verursacht. Dann aber pressten sich ihre vollen Lippen doch auf seine und ihre Hände glitten an seine Schultern. Kurz blinzelte er und stellte fest, dass ihre Augen entspannt geschlossen waren. Das beruhigte sein wild pochendes Herz ein wenig. Also zog er sie ein wenig dichter an sich heran und legte die Arme um ihren unteren Rücken. Sein Mund aber küsste sie inbrünstiger. Langsam legte die Amerikanerin ihre Arme um seinen Nacken, während sie sich unterwürfig ihm ergab. Er war erleichtert darüber, dass ihre unterwürfige Ader nicht durch den Liebestrank verursacht worden war. Er dominierte wirklich gerne! „Fuck...“, fluchte sie in den Kuss hinein. „Du fluchst ganz schön viel.“ „Scheiße noch eins, das tue ich! Der Liebestrank hat dafür gesorgt, dass ich das nicht so viel mache... Um dir zu imponieren.“, stöhnte sie augenrollend. „Wie du, wenn du als Hund unterwegs bist. Einfach alles tun, was dem anderen gefällt.“ „Von mir aus kannst du weiterhin so viel fluchen.“, säuselte Tatze lächelnd. „Ich finde das sexy.“ „Gut.“ „Und warum hast du geflucht?“, fragte er ohne die Umarmung zu lösen. Ihr wieder so nah zu sein, tat unwahrscheinlich gut. „Weil... Na ja... Weil wohl doch nicht alles durch den Trank kam...“ „Also magst du mich auch?“, stichelte er kichernd. „Vielleicht ein bisschen...“ „Nur ein bisschen?“ „Geringfügig. Kaum der Rede wert!“ „Du bist eiskalt.“ „Danke.“, lächelte sie, als habe er ihr ein Kompliment gemacht. Ihre eisblauen Augen entdeckten etwas, was um seinen Hals baumelte. Zuerst kam er nicht darauf, was es war, doch er brauchte nicht lange dafür. Musste nicht mal hinsehen! Ihre filigranen Finger glitten an den Anhänger. Malten mit den Kuppen über die Maserungen und das kühle Metall. Fasziniert betrachtete sie das Schmuckstück, das sie ihm zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte. „Du trägst es noch...“ „Natürlich.“, schnurrte er aufrichtig. „Hab‘ es nie abgenommen.“ Ihre Hände drückten ihn etwas dichter zu sich herunter, dann berührten sich ihre Münder wieder. Ihr süßer Geschmack hatte ihm genauso gefehlt wie sie. Er konnte nicht anders, als einmal neugierig über ihre Lippenpartien zu lecken. Sie zu kosten, als wäre es das erste Mal. Seine Finger glitten derweil unter ihr Sweatshirt, um zumindest an Seiten und Rücken ihre nackte, weiche Haut zu spüren. Ihre Haut war so schrecklich anschmiegsam... Kein anderes Mädchen hatte ihm dieses Gefühl vermitteln können, was er jetzt hatte. Als würde die Zeit stillstehen und die Welt nur ihnen gehören. „Entschuldigt, wenn wir stören...“, räusperte sich Remus vorsichtig. „Aber wir müssen langsam zurück. Das Frühstück ist bald vorbei und dann beginnt der Unterricht.“ Sirius hob die rechte Hand und versuchte ihn damit zu verscheuchen, indem er damit nach hinten wedelte. Seine Lippen lösten sich nicht von ihren. Genauso wenig wie seine linke Hand, die sie dicht bei sich behielt. „Ich bin doch keine lästige Fliege, die du so Vertreiben kannst! Beweg‘ lieber deinen Hintern.“ Es war Camilla, die ihren Mund langsam von seinem löste. Innerlich verfluchte er sie dafür. Zu gerne hätte er sie nun richtig ausgekostet! Aber dafür war tatsächlich keine Zeit mehr. Seufzend nahm er die Hand des Slytherin-Mädchens und zog sie mit sich mit. So schnell würde er sie nicht mehr loslassen! Ihm war die Fluchtgefahr zu groß. „Kommst du eigentlich zum letzten Quidditch-Spiel dieser Saison?“, erkundigte er sich, während sie Remus, Peter und James durch den Geheimgang folgten. „Auf die Gefahr hin, dass wir den nächsten Streit haben... Ich hasse Quidditch und würde es lieber vermeiden in die Nähe des Spielfelds zu kommen.“ „Kein Ding.“ „Ernsthaft?“, hakte die Amerikanerin irritiert nach. „Ja, so wichtig ist das nun wirklich nicht. Aber ich wollte zumindest versuchen, meine süße Freundin hinzulocken. Um etwas anzugeben.“ „Ich bin also schon wieder deine Freundin?“ „Einwände?“, fragte er und spielte den Überraschten. „Nein... Irgendwie mag ich dich ja unwesentlich.“ Wieder musste er lachen: „Du machst mich fertig!“ „Ich bin stets bemüht.“ Liebevoll küsste er ihre Schläfe und ließ ihr dann wieder ihren Freiraum. Sie war wirklich anders ohne den Einfluss des Liebestrankes. Eindeutig weniger anhänglich und ehrlicher. Direkter... Doch diese schonungslose Ehrlichkeit fand er erfrischend. Vorerst spielte es für ihn wirklich keine Rolle, ob und wann sie seine Gefühle erwidern würde. Es reichte ihm, dass er die Chance bekam, um ihr Herz zu kämpfen, denn irgendwas sagte ihm, dass sie es wert war. Dass ihr Herz es wert war...   Zwar hatte Camilla ihren Weg zurück zu Sirius Black gefunden, aber nicht zurück zu Professor Pride. Für Severus spielte das keine Rolle. Er wollte sie kein zweites Mal an eine fanatische Liebe verlieren. Nicht diese Freundschaft riskieren... Also musste er etwas tun, was Sirius nicht tun konnte. Severus war sich sicher, dass er seine Entscheidung irgendwann bereuen würde, doch vorerst spielte die Zukunft keine Rolle mehr. Er lebte im Jetzt. Was sollte ihm eine glückliche Zukunft bringen, wenn seine ganze Vergangenheit voller Schatten lag? Kein Licht konnte das mehr ausgleichen. Doch vielleicht konnte ihr Licht seine Schatten endlich vertreiben. Das war es ihm wert. „Ich mach‘ es.“, hörte er sich überzeugt sagen. „Wer hätte das gedacht?“, säuselte Leon Charles amüsiert. „Na ja... Ich habe es mir gedacht. Sonst hätte ich dich ja nicht gefragt!“ „Ja, ja... Klopf‘ dir ruhig selbst auf die Schulter.“ „Gute Idee!“ Tatsächlich klopfte sich der Siebzehnjährige selbst auf die Schulter, was den Zaubertrankfreak dazu verleitete mit den Augen zu rollen. Es gab Menschen, da verstand er keineswegs, weshalb sie überhaupt Freunde hatten. Leon hatte zwar keine wirklichen Freunde, aber die Mädchen verfielen ihm Reihenweise. Er hatte auf das weibliche Geschlecht eine ähnliche Wirkung wie Sirius Black. Nur erfreute er sich ansonsten keinerlei Beliebtheit – nicht mal unter den Slytherins. „Genug rumgealbert?“, fragte Severus seufzend. „Wer albert hier denn herum? Ist eine toternste Angelegenheit!“ „Vielleicht sollte ich doch zu jemand anderes gehen...“ „Zu wem denn?“, hakte Charles interessiert nach. „Zu Bellatrix Black, die dich laufend beleidigt und dich für schwach hält? Oder doch lieber zu Lucius Malfoy, der dich als Speichellecker betrachtet? Oder dein bester Freund Mulciber, der den Kopf verliert, wenn er sich in dir irrt?“ „Okay, okay! Schon klar... Du bist meine einzige Option.“ „Wenn du das so ausdrückst, klingt das aber verdammt unromantisch.“ „Ist auch nicht romantisch gemeint gewesen!“, schnaubte Severus genervt. Er schwor sich, dass er zukünftig nicht mehr mit dem Werwolf reden würde, solange es sich vermeiden ließ. „Na gut, wir hatten unseren Spaß.“, winkte Leon ab. „Ich werde dich bei der nächsten Gelegenheit zu ihm nehmen. Wenn er dich als würdig ansieht, wirst du einer von uns.“ „Und wenn nicht?“ „Das musst du mich ernsthaft fragen?“ „Ich fürchte nicht...“, seufzte der Schwarzhaarige. „Ich will es erst in den Sommerferien machen.“ „Warum solange warten?“ „Damit ich mich selbst mit all dem anfreunden kann und mich nicht versehentlich bei den Prüfungen selbst verrate.“ „Okay, klingt logisch.“, gestand Leon nicht ganz überzeugt. „Ich kauf‘ mir hier immerhin keinen Hamburger!“, erinnerte Severus ihn tadelnd. „Todesser-Burger...“ „Oh Gott!“, fluchte Severus und drehte sich um. „Wir sind aber empfindlich.“, kicherte Leon und folgte ihm einfach. Obwohl Severus danach war, schrie er den Werwolf nicht an. Irgendwas sagte ihm, dass er wirklich gefährlich war und er es bereuen würde. Stattdessen ging er mit ihm über den Flur und versuchte sich selbst zu beruhigen. Es gab wirklich nicht viele Menschen, die ihn so aus der Reserve locken konnten. Leon wirkte ganz zufrieden mit sich selbst. Er grinste von dem einen zum anderen Ohr und ließ sich von finsteren Blicken keineswegs beirren. Für ihn war es normal, dass er mit seinen Mitschülern und sogar mit Lehrern aneckte. Da war er selbst eigentlich nicht viel anders. Auch er eckte schnell mit anderen an. Sicherlich nicht auf die Weise, wie es Charles tat, doch die meisten konnten ihn nicht leiden. Ständig tuschelte man über den ungewaschenen, hasserfüllten und kaltherzigen Severus Snape, der nie ohne sein Zaubertrankbuch anzutreffen war. Auch Camillas Freundschaft hatte daran nichts geändert. Der Flair um die schöne Amerikanerin war ohnehin inzwischen weitgehend verflogen. Natürlich war sie immer noch eine überragende, talentierte und hübsche Schülerin, aber eben nicht mehr das neue, unbekannte Spielzeug. Außerdem war ihr Herz vergeben. Trotzdem war Camilla eigentlich tatsächlich beliebt. Hauptsächlich durch die Rumtreiber, aber sie war so ziemlich die einzige Slytherin, die auch Kontakte zu anderen Häusern pflegte. Und bei der es keinen zu stören schien, dass sie eigentlich ein Slytherin war... „Dackelst du mir nun den restlichen Tag hinterher?“, seufzte Severus irgendwann doch. „Ich hätte gedacht, dass du noch Fragen haben würdest.“ „Was soll ich schon großartig fragen? Mir ist bewusst, wem ich mich anschließe und was das bedeutet.“ „Bist du dir sicher?“, hakte Leon Charles mit hochgezogener Augenbraue nach. „Wir reden hier nicht von einer Verabredung zum Spielen, Snape. Man wird Dinge von dir erwarten, wenn du dich anschließen solltest.“ „Schon klar.“ „Dunkle Dinge.“ „Ach nein? Was du nicht sagst!“ „Tödliche Dinge...“, ergänzte der Werwolf trotzdem noch. Severus warf ihm einen bitterbösen Blick zu, obwohl es innerlich anders aussah. Er wusste nicht, ob er wirklich fähig war, andere Menschen zu töten oder zu foltern. Natürlich hatte Charles recht: Der dunkle Lord würde eben das von ihm erwarten. Er würde Loyalität voraussetzen, Hemmungslosigkeit und sicherlich auch gewisse Talente. Da war sein Talent für Zaubertränke, doch er war auch gut in Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Dazu kam sein bereits großes Wissen über die Dunklen Künste selbst. Sein eigener Fluch... Doch würde das reichen? Konnte er auch Unschuldige verletzen, wie er es bei James Potter getan hatte? Im Augenblick konnte er sich das selbst nicht beantworten. Er wusste nur, dass er Camilla Blair um jeden Preis beschützen wollte. Das bedeutete, dass er sich in die Kreise der Todesser begeben musste, um ihr auch dort nah sein zu können. Auch wenn sie ihn nicht darum gebeten hatte – nein! Gerade weil sie ihn nicht darum gebeten hatte, musste er es tun! Sirius Black würde dieses Opfer niemals bringen. Sein Hass gegen die Todesser war zu groß. Wenn Severus ehrlich war, war er den Todessern ohnehin nicht wirklich abgeneigt. „Du hast also wirklich keine Fragen?“ „Im Moment nicht.“, seufzte Severus. „Sei dir einer Sache bewusst, Snape.“, ermahnte Charles ihn streng. „Es gibt keinen Weg zurück, wenn du dich dafür entscheidest. Bist du einmal drin, ist das dauerhaft.“ „Schon klar.“ Allmählich kam es dem Schwarzhaarigen so vor, als wollte der Werwolf ihm die Sache ausreden. Doch vermutlich wollte er nur seine eigene Haut schützen, falls Severus doch einen Rückzieher machte. Oder er wirklich unbedacht beitrat, um dann direkt am Anfang direkt zu fliehen. Etwas, was sie beide töten konnte... Was es auch immer war, es nervte ihn zunehmend. Es gab kaum einen anderen Menschen, den er weniger an seinen Fersen haften haben wollte. „Solltest du dennoch Fragen haben, dann wende dich an mich.“, sagte Leon ernst. „Wenn du sie verschweigst, dann bringt dir das nichts. Du weißt ja, wo du mich findest.“ „Ja, offenbar als meinen neuen, zweiten Schatten!“ Jetzt war Charles, der mit den Augen rollte: „Bist eine ziemliche Dramaqueen.“ Seine Rettung war wohl Camilla, die gerade auf die beiden zu schlenderte. In ihren eisblauen Augen konnte er erkennen, dass sie sich nicht über den Werwolf freute. Da war eine Spur Hass zu erkennen. Vielleicht sogar Abscheu. „Verpiss‘ dich, Charles.“, sagte Camilla kühl. „Euer Wunsch ist mit Befehl, holde Slytherin-Prinzessin.“, erwiderte Leon und fuchtelte albern mit seinen Armen, um eine Verbeugung anzudeuten. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, um in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. „Ich war niemals glücklicher dich zu sehen.“, seufzte Severus erleichtert. „Ich dachte, der geht nie mehr weg.“ „Ja, er ist wie Fußpilz...“ „Schlimmer. Fußpilz kann man zumindest behandeln!“ „Was wollte er denn von dir?“, fragte die Blondine besorgt nach, während sie ihn nun begleitete. Sie wollten noch für die Prüfungen büffeln. „Hat sich nach dir erkundigt...“, log er ohne rot zu werden. „Nach mir?“ „Wollte wissen, ob du nun wirklich wieder mit Black zusammen bist.“ Genervt rollte sie mit ihren Augen: „Was hast du ihm gesagt?“ „Die Wahrheit... Dass ihr wieder zusammen seid.“ „Das wird er direkt wieder weitergeben...“, seufzte Camilla. Sie schien aber nicht verärgert zu sein. „Du hast gesagt, dass du den dunklen Lord mit Okklumentik aus seinem Kopf heraushältst...“, setzte Severus vorsichtig an. „Ist das sehr schwer?“ „Oh ja... Extrem schwierig und wahnsinnig schmerzhaft. Deshalb braust du mir ja diese speziellen Tränke.“ „Und das Gegenmittel für Liebestränke...“ „Und das Gegenmittel für Liebestränke.“, bestätigte sie seufzend. „Warum fragts du?“ „Ich würde das auch gerne können.“ „Deine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen vor dem dunklen Lord abschirmen?“ „Allgemein... Ich würde mich gerne einfach gegen Legilimentoren schützen.“ „Ja, kann ich verstehen. Ist gar nicht schön, wenn irgendwelche Zauberer oder Hexen in deinem Kopf herumgeistern...“ „Kannst... du es mir beinbringen...?“, fragte Severus behutsam. Er ging von einer Absage aus. Irritiert sah die Amerikanerin ihn an: „Ich? Ist es nicht besser, wenn das ein Professor macht?“ „Ist bestimmt sicherer, aber ich will es nicht sicher, sondern vollständig. Wenn du den dunklen Lord aus deinem Geist heraushalten kannst, dann bist du eine der Besten.“ „Hat mich eine Menge gekostet, Sev...“ „Ich will es trotzdem gerne versuchen, Camy. Ich bitte dich.“, flehte er sie schließlich doch an. Vorerst gab sie ihm keine Antwort, sondern schlenderte nachdenklich neben ihm her. Hin und her gerissen, ob sie das wirklich tun sollte. Er sah die Gedanken hinter ihren Augen kreisen. Er hatte keine Ahnung, wie ein Okklumentik-Training aussah und ob es gefährlich war, dennoch wollte er es riskieren. Wenn er sich den Todessern anschloss, dann musste er sich vor ihnen schützen. Vor allem vor dem dunklen Lord. Das würde ihn auch wertvoller machen. Wenn er Professor Pride fragen würde, würde er ihm vielleicht helfen, doch es war ihm lieber, wenn er es inoffiziell lernte. Es niemand wusste. „Wir können es einfach mal versuchen.“, lenkte Camilla überraschenderweise ein. „Aber sei dir bewusst, dass ich kein Lehrer bin und selbst erst seit einigen Monaten Okklumentik betreibe.“ „Weiß ich. Ich erwarte ja keine Wunder.“ „Außerdem muss dir klar sein, dass ich in deinen Kopf eindringen werde. Ich werde Dinge sehen, die du vielleicht geheim halten willst.“ „Bist du Legilimentor?“, hakte er erstaunt nach. „Nein, bin ich nicht.“, antwortete Camilla kopfschüttelnd. „Ich werde den Spruch dafür nutzen müssen. Doch solange du die Okklumentik nicht beherrscht, werde ich auch über den Spruch auf so gut wie alles Zugriff haben.“ „Ist in Ordnung... Ich kann dir ja vertrauen.“ „Denk‘ in den nächsten Tagen nochmals genau darüber nach. Ich werde mir überlegen, wie ich das Ganze aufbauen werde. Solltest du es dir in der Zwischenzeit anders überlegen, ist das in Ordnung.“ Vehement schüttelte Severus den Kopf: „Werd‘ ich nicht.“ „Gibt es auf Hogwarts irgendeinen geborenen Legilimentor?“, erkundigte sich die Blondine. „Außer mir? Ich glaube nicht.“ „Du bist Legilimentor?“, fragte sie atemlos. „Habe ich das nicht erzählt?“ „Nein...“ „Oh, entschuldige bitte.“, sagte er aufrichtig. „Ich muss es versäumt haben, weil ich bei dir eh nicht in den Kopf komme. Bin auch nicht besonders geübt...“ „Macht nichts... Ich werde mich mal umhören, ob es noch jemanden gibt. Mit dem Spruch kann ich dir nur die Grundlagen beibringen.“ „Danke.“ „Noch habe ich nichts getan.“, erinnerte Camilla ihn. „Ja, aber du gibst jetzt schon dein Bestes.“ „Mal sehen, ob das reicht...“ „Bestimmt.“, lächelte Severus erleichtert. Er hatte seine Lehrerin für Okklumentik gefunden. Bis zu den Sommerferien war zwar kaum noch Zeit, doch vielleicht lernte er genug, um den dunklen Lord damit zu beeindrucken! Wenn nicht, dann wurden zumindest schon mal die ersten Grundsteine gelegt. Für ihn war es eine Win-Win-Situation. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)