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Ein leises Flüstern

Ich befand mich in einem großen, kreisrunden Saal der einzig aus Glas zu bestehen schien. Jeder noch so kleine Winkel war mit Spiegeln bedeckt worden. Mein Spiegelbild starrte mir aus dutzenden Richtungen entgegen. Ich sah…anders aus.
 

Meine Haare waren braun und länger geworden. Strähnen davon hingen mir aus dem Helm heraus, welcher noch die charakteristische Krümmung des Schwarzen Magiers aufwies. Meine Hautfarbe war von weiß zu einer Art graugrün gewechselt. Meine Augenwinkel waren mit einer schwarzen Umrandung versehen und zwei gerade Striche, welche gerade nach unten verliefen, ließen es so wirken, als ob ich weinen würde.
 

Die Rüstung an meinem Körper musste extrem schwer sein. Schwarzblaue Panzerplatten wurden von goldenen Linien und Verzierungen unterbrochen und grenzten jedes einzelne Plattenstück voneinander ab. Grüne, kreisrunde Edelsteine zierten verschiedene Stellen der zweiten, metallenen Haut.
 

In meiner rechten Hand hielt ich einen Stab, der mehr wie eine Hellebarde wirkte, denn sonst etwas. Die scharfe Seite war gewellt geschmiedet worden, und an den Ausläufern mit goldenen Spitzen verziert worden.
 

Ich musste mir eingestehen, dass ich mehr wie ein Krieger, denn wie ein Magier wirkte. Diese Gestalt gefiel mir aber. Mein Gesichtsausdruck spiegelte Entschlossenheit wider. Ich hatte den metallenen Waffenstiel fest umklammert. Aus irgendeinem Grund war ich sicher, dass ich gewinnen würde, egal welche Hindernisse mir Mei auch in den Weg legen mochte.
 

„Mahad.“ Ein leises Flüstern durchzog den Raum. Die Stimme war weich, freundlich und vertraut. Ich hatte sie schon einmal wo gehört, nur wo? „Mahad.“ Erneut wanderte das Wispern, schien von jeder Richtung zu kommen und doch von keiner. Ich sah mich um, konnte aber niemanden erkennen. War das ein Trick?
 

„Wo bist du?“ Meine Stimme wurde gefühlte tausendmal gebrochen und wieder zurückgeworfen. Mein eigenes Echo machte mich beinahe wahnsinnig. Wie konnte es sein, dass die fremde Stimme nicht den gleichen Effekt auslöste? Ich unterdrückte mit Mühe den Drang, mir die Ohren zuzuhalten, was angesichts des Helmes auch ein wenig sinnlos gewesen wäre.
 

„Das Blut Mahads – Fleisch meines Fleisches.“ Ich seufzte laut. Das war doch sinnlos. Wahrscheinlich nur ein billiger Trick von Mei. Ich beschloss, die Stimme vorerst zu ignorieren und einen Weg aus dem prismatischen Gefängnis zu suchen. Ein genaueres Umsehen ließ keinen Ausgang erkennen. Irgendwo musste aber eine Lichtquelle sein, sonst wäre es stockfinster im Raum gewesen. Andererseits befand ich mich in der virtuellen Realität – Naturgesetze mussten hier nicht zwangsläufig gelten.
 

Vorsichtig machte ich einen Schritt. Der spiegelglatte Boden war fest und zeigte doch nur die Decke über mir. Ein Blick nach oben verriet mir, dass es sich dort genau gleich verhielt. Hier musste doch irgendwo eine Tür oder ein Ausgang sein.
 

„Ein Teil des Ganzen, ein Teil von Mahad. Der Spiegel der Seele, ein Teil von mir.“ Ich rollte genervt mit den Augen. Dieses flüsternde Etwas war nicht gerade hilfreich. „Zerbricht einer, zerbrechen alle.“ Sollte ich die Spiegel zerschlagen? War es das, was die Stimme mir mitteilen wollte?
 

Ich stieß einen lauten Schrei aus, der mich dazu zwang, in einer sinnlosen Geste die Hände an meinen Helm zu pressen. Mein Spiegelbild war verschwunden, stattdessen befand sich ein junger Mann, um die zwanzig Jahre, mit braunen Haaren und einem orientalischen Touch, in jedem einzelnen Prisma. Dieses Gesicht, welches unter der weißen Kapuze mit dem goldenen Diadem hervorlugte…
 

„Du hast dich damals schon einmal in meiner Schwertklinge gezeigt!“ Ein Lächeln erschien auf den Zügen des dunkelhäutigen Mannes. Sein Auftreten wirkte so erhaben. Seine Haltung, seine Mimik – selbst beim Lächeln wirkte er ehrfürchtig.
 

„Das hast du richtig erkannt, David. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile.“ Das Flüstern; er war diese Stimme gewesen! „Ich bin kein Wesen dieser Welt, ich existiere außerhalb davon. Du kennst mich nicht, aber ich dich.“

Kaiba hatte wohl einen äußerst seltsamen Humor. Seine eigenen Kreationen verweigerten es, sich als künstliche Intelligenz zu outen. Irgendetwas an dem Fremden ließ mich aber fast an seine Worte glauben. „Wer oder was bist du dann?“
 

Sein Lächeln wurde nur noch breiter und er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin dein Vorfahre, du in einem anderen Leben.“ Nun musste ich ein leises Lachen unterdrücken. Reinkarnation? Das widersprach meiner Erziehung und meinem Glauben.
 

„Wir haben nicht viel Zeit. Dein Freund wird hier festgehalten, und seine Zeit schwindet. Ich kann dir helfen, wenn du mich lässt.“ Ich schrägte den Kopf. Ich sollte Hilfe annehmen, von einem Wildfremden? Was, wenn es doch nur ein Trick von Mei war?
 

„Lass mich dir helfen, mit dir verschmelzen, nur für diesen einen Kampf.“ In mir regte sich etwas. Ich blinzelte angestrengt. Bilder flackerten vor meinem geistigen Auge auf. Ein riesiger Palast inmitten einer Wüste, Steintafeln, ein glitzernder, goldener Ring mit einem Auge, welches von einem Dreieck umspielt wurde.
 

„Was ist mit mir los?“ fragte ich mich selbst und griff mir an den Kopf. Irgendetwas lief hier falsch und mich beschlich das Gefühl, dass das hier nicht Teil des Spiels war. „Du erinnerst dich, oder? An den Palast, an die Spiele der Schatten…“ Was schwafelte der Typ da eigentlich?
 

„Ich habe weder Zeit noch Muße, Mahad, oder was auch immer du bist. Was hast du davon, mir zu helfen? Joey geht dich nichts an, und die letzten 17 Jahre hast du dich auch nicht um deine Reinkarnation gekümmert.“ Sicherlich war es gemein von mir, aber mir lief die Zeit davon. Ich wollte gar nicht wissen, was Mei mit Joey inzwischen anstellte.
 

Der Braunhaarige lächelte nur und schob die Hände in seine weißen Robenärmel. „Das stimmt so nicht, aber wir haben in der Tat keine Zeit uns zu unterhalten. Der Pharao wird dich aufklären. Sollen wir zusammenarbeiten?“ Der Pharao? Was? Mich beschlich das Gefühl, dass ich hier wirklich mit einer Art Geist sprach.
 

„Ich..“ Warum zögerte ich? Meine Antwort sollte eindeutig „Nein“ lauten. Dieses wildfremde Etwas vor mir war…so vertraut. Sein Lächeln zog mich in den Bann. „Ja, wenn du mir hilfst Joey zu retten, kannst du verlangen, was du willst.“ Hatte ich das wirklich gesagt?
 

„Ich verlange nichts von dir.“ Mahad nickte nur und schloss die Augen. Jeder einzelne Spiegel wurde plötzlich gleißend hell nur um mit einem lauten Klirren zu zerbrechen. Rasch bedeckte mich mit der freien Hand meine Augen. Was war hier nur los?
 

Ich spürte ein angenehmes Prickeln, ausgehend von meinem Herzen. Es war so, als ob jemand in meiner Nähe war, auf mich aufpasste, mich beschützte. Ich hatte das Gefühl manchmal beim Beten in der Kirche. War es möglich, dass dieser Geist… Nein, oder doch?
 

„Wir sind nun kurzzeitig eins. Ich übernehme die Kontrolle, bis zu einem gewissen Punkt. Keine Angst – vertraue mir einfach.“ Seltsamerweise beruhigten mich die Worte Mahads in meinem Kopf tatsächlich.
 

Nachdem ich die Hand gesenkt hatte, war ich von einer Horde Elfenschwertkämpfer eingekreist. Jeder einzelne hatte bereits seine Klinge erhoben, oder wartete darauf, dass ihm sein Hintermann Platz machte.
 

Kalter, weißer Marmor prangte dort, wo noch eben die Spiegel gehangen waren. Mahad hatte ganze Arbeit geleistet. Wie sollte ich jetzt jedoch mit diesen Dingern fertig werden? Ein paar konnte ich sicher ausschalten, aber so viele?
 

„Du bist nicht mehr nur der Schwarze Magier, du bist jetzt der Dunkle Paladin. Dein Ka ist mein Ka, und somit auch das des Schwarzen Magiers. Ich denke, wir sollten das Ganze abkürzen.“ Mahad klang so selbstischer, so überzeugt. War ihm bewusst, dass wir einer Horde Gegner gegenüberstanden?
 

Ehe ich mich versah, drückten sich meine Beine von selbst ab und ließen mich in die Höhe gleiten. Ich schwebte über meinen Gegnern, welche sich unter mir versammelten. Meine linke Hand streckte sich aus und ein schwarzer Energieball, durchzogen mit Blitzen, bildete sich in der Innenfläche dieser. Ein kurzes Zucken meiner Extremität schickte den Ball auf die Reise. Zielgenau schlug das Geschoss in der Mitte des Raumes ein und ließ auch Decke und Boden zerbrechen. Glas regnete an mir vorbei, prallte an der Rüstung ab, nur um dann auf dem weißen Steinboden endgültig zu zersplittern.
 

Ein Chor aus Sterbensschreien untermalte das Szenario mit einer gewissen Form von Befremdlichkeit. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken, während sich die Elfenschwertkämpfer einfach im Nichts auflösten. Weder Waffen noch Kleidung blieben übrig. War das wirklich ich gewesen?
 

„Natürlich bist du das gewesen. In dir steckt mehr als du glaubst.“ Meine Angst, meine Nervosität, alles verpuffte nach diesem Satz. Mahad hatte Recht: Ich war wirklich dazu fähig gewesen. „Konnte ich das schon immer? Hast du meine Fähigkeiten nur geweckt“ fragte ich die Gedankenstimme in meinem Kopf. „Ja und Nein. Du wächst an deinen Aufgaben. Dein innigster Wunsch, deinen Freund zu retten, hat es mir ermöglicht, direkt mit dir in Kontakt zu treten. Darum bin ich hier und kann mit dir kommunizieren.“
 

Dieses Mal war ich es, der sich langsam zu Boden sinken ließ. Elegant und sanft berührten meine Füße den Untergrund. Der kreisrunde Raum wirkte gänzlich leer ohne das Spiegelkabinett, kalt, kälter noch als vorhin. „Vertraue in dich selbst und deine Fähigkeiten, und keiner Gegner wird dir etwas anhaben können.“
 

Ich nickte gedankenverloren zu mir selbst und sah mich um. Tatsächlich: Eine riesige Steintüre, eingelassen in das aufgespreizte Maul eines Weißen Drachens mit Eiskaltem Blick war erschienen. Zwei saphirblaue Augen starrten auf mich herab und schimmerten unheimlich. Links und rechts von der Tür waren zwei Krallen herausgehauen worden.
 

Langsam trat ich auf den vermeintlichen Ausgang zu. „Was nicht sein soll, soll nicht sein. Du bist unrein, unwürdig weiterzugehen.“ Die Stimme, welche von der Tür her hallte, war weder dunkel noch tief, im Gegenteil – sie war hell und nervtötend. Mei.
 

„Sie spielt mit dir, will dich fernhalten.“ Mahad hatte wahrscheinlich Recht. „Öffne diese Tür Mei.“ Ich war mir sicher, dass sie mich hören könnte. Glockenhelles, süffisantes Lachen prasselte von überall und nirgendwoher auf mich ein. „Sonst noch Wünsche?“
 

Ich starrte auf meine linke Hand, dann auf die Tür. Mein Blick ruhte auf den Saphiren in den Augenhöhlen des Weißen Drachens. Je länger ich darauf starrte, desto intensiver kam mir das Duell mit Kaiba wieder in Erinnerung. Wie furchterregend die Bestie sich vor mir aufgebaut hatte, der Lichtblitz in seinem Maul.
 

Ich wollte zurückweichen, zurückzucken, doch ein sanfter Druck in meinem Rücken hielt mich davon ab. Die Szene wandelte sich: Joey, wie er grinste, seinen Arm um mich geschlungen hatte, wie sich unsere Lippen das erste Mal berührten.
 

Ich schrägte den Kopf ein wenig und meine Züge verhärteten sich. Ich würde nicht davonlaufen, nein, ich würde mich meinen Ängsten stellen. Nichts, nicht einmal der Weiße Drache mit Eiskaltem Blick, würde mich von Joey fernhalten. Ich hatte genug. Genug von Menschen, die über mein Leben bestimmen wollten, genug von Meis Erpressungen, ihrer herablassenden Art.
 

Wortlos streckte ich meinen linken Arm aus. Die flache Hand zeigte auf die Tür, der jeglicher Griff oder Schlüsselloch fehlte. Einzig die Schlitze seitlich des Türrahmens ließen überhaupt erahnen, dass sich vor mir ein Portal, ein Ausgang befand. Instinktiv krümmte ich meine Finger zur Handinnenfläche hin.
 

Mit einem ohrenbetäubenden Laut zerbrach der weiße Marmor vor mir. Risse bildeten sich, nur um dann aufzuspringen. Steine und Geröll flogen an mir vorbei, während ich unbeeindruckt meine ersten Schritte machte. Egal ob Mahad real existierte, nur ein Computerprogramm war, oder die geisterhafte Form eines meiner Vorleben darstellte: Ich fühlte mich sicher, geborgen und vor allem ermutigt – ich würde nicht versagen.



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