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Ein Austausch mit Folgen

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Eine Offenbarung

Wir standen draußen – es war bereits dunkel geworden. Joey hatte seinen Parka geholt und war bereits in diesen hineingeschlüpft. Ein kurzes Gespräch über den Ball (Kaiba hatte sich nicht blicken lassen, warum auch?), und einige trockene Kommentare seitens Joey bezüglich des weiblichen Inventars später, machten wir uns auf den Nachhauseweg. Ich und Joey mussten in dieselbe Richtung, während der Rest einen anderen Weg einschlug. Wie sollte ich also Joey das mit seinem Vater herauskitzeln, wenn es denn stimmte?
 

„Wie hat dir der Ball so gefallen?“ Mein Freund hatte die Hände wieder in die Parkataschen geschoben und stapfte neben mir her. Sein Blick wirkte glasig, fast schon ein wenig abwesend. Hatte er Angst, wieder in seine Wohnung, zu seinem Vater zu müssen?
 

„Ganz gut. Ich habe mit Tea ein wenig getanzt, und Tristan den ein oder anderen Tipp gegeben, bezüglich der Mädels. Dir?“ Gedanklich war ich immer noch bei dem Gespräch mit meinen Freunden.

„Auch. Es war dieses Jahr aber weniger los als sonst. Jetzt geht es dann ab in die Federn und morgen einmal ausschlafen.“ Joey klang gerade beim letzten Satz nicht sonderlich überzeugt. Mir kam eine Idee.
 

Die nächsten Minuten, bis wir bei meiner Wohnung ankamen, unterhielten wir uns über den Englischaufsatz, welcher am Montag abzugeben war. Joey bat mich, seinem Text wieder den nötigen Feinschliff zu geben. Insgesamt meinte er, habe er sich deutlich verbessert, seitdem er korrekte Versionen zu lesen bekam. An der Tür angekommen, zog ich die Schlüssel aus meiner Tasche und sperrte auf.
 

„Sag mal Joey, möchtest du heute nicht bei mir übernachten? Es ist schon spät, und außerdem kalt, und so wie es aussieht, hält das Wetter nicht mehr lange. Bei deinem Glück kommst du entweder in den Regen, oder es schneit.“ Ich wusste, dass ich hoch pokerte. Wenn er aber heute hier blieb, würde ich meine Fühler ganz behutsam ausstrecken können.
 

„Mh, ne, ich habe ja nicht mal Sachen hier zum Pennen.“ Joey rieb sich den Nacken und zog dabei den Kragen seines Parkas enger um den Mund.
 

„Ich habe ein paar Shirts in Übergrößen zum Schlafen, da passt dir sicher eines. Außerdem, eine Jogginghose in deiner Größe werde ich wohl auch noch auftreiben können. Komm, gib dir einen Ruck. Wenn du bleibst, könnten wir uns gleich morgen an deinen Aufsatz machen, oder?“ Ich konnte erkennen, wie es in Joeys Hinterkopf ratterte. Er überlegte ernsthaft, mein Angebot anzunehmen. Mit sanfter Gewalt zog ich ihn am Arm in meine Wohnung und schloss hinter uns ab.
 

„Du bleibst hier, basta. Sieh es als kleines Dankeschön für die Scherereien an, die du in letzter Zeit mit mir hattest.“ Die Züge meines blonden Freundes waren schwer zu deuten. Würde er bleiben? Mit angehaltenem Atem wartete ich auf seine Antwort.
 

„Mh, hast Recht. Danke, David.“
 

Erleichtert grinste ich. Das war einfacher als gedacht gewesen. „Ich suche dir inzwischen ein paar Klamotten raus, ja? Wo das Badezimmer ist weißt du – im Gefrierfach müssten noch Fertigpizzen sein, falls du Hunger hast. Fühl dich wie zuhause.“
 

Damit klopfte ich Joey auf die Schulter und verschwand in meinem Zimmer. Ich konnte hören, wie er den Reisverschluss seines Parkas öffnete, der Kühlschrank aufgemacht wurde, und der Fernseher die Titelmelodie eines Animes abspielte. Inzwischen trieb ich in meinem Kleiderschrank ein schwarzes T-Shirt und eine dünne Trainingshose auf, welche ich nach draußen brachte. Joey lümmelte auf der Couch und fummelte gerade an seinem Krawattenknopf herum.
 

„Meine Fresse, diese verdammten Krawatten – welcher Idiot hat die überhaupt erfunden?“ Trotz Zerrens und Reißens konnte er sich nicht befreien. Ich schmunzelte leicht und legte Joeys Sachen auf das Sofa, nur um mich dann vor ihm hinzuhocken.
 

„Nicht so grob, sonst franst du sie nur aus. Lass mich mal.“ Wieder berührten sich unsere Hände, als ich seine Griffel beiseite drückte. Ich konnte erneut dieses Prickeln spüren, welches meine Finger beherrschte. Joey beobachtete mein Tun mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, der nach Lösen des Knotens in ein breites Lächeln umschlug.
 

„Wie hast du das so schnell hinbekommen?“ Der Blonde zog sich die Krawatte vom Hals und drapierte sie neben seinen Schlafsachen.
 

„Alles Übung. Ich ziehe mich nur eben schnell um, ja? Leg deine Sachen auf die Couch, und ich würde dir raten, das Bad vor mir zu okkupieren, denn sonst wirst du lange warten.“
 

Mit einem Grinsen auf den Lippen schnappte Joey sich seine Kleidung und verschwand ins Badezimmer.
 

„In der linken Schublade müssten noch Packungen mit frischen Bürstenköpfen sein. Nimm dir einen und mache den farbigen Ring drauf, dann wissen wir, welcher deiner ist.“
 

Mein Freund klopfte kurz gegen die Tür, zum Zeichen dass er verstanden hatte. Ich besorgte mir inzwischen bequemere Kleidung, in Form eines weißen T-Shirts und kurzen, schwarzen Trainingshosen. Meine Sachen hing ich ordentlich in den Kleiderschrank und ging dann nach draußen. Joey musste kurz aus dem Badezimmer gehuscht sein, seine Sachen lagen nämlich unordentlich auf der Couch. Schmunzelnd faltete ich das Hemd, die Hose und packte seine Krawatte obendrauf. Seine schwarzen Socken stopfte ich ineinander und vervollständigte das Kleiderpaket, indem ich alles auf dem Parka drapierte. Das Prasseln von Wasser ließ mich aufhorchen. Duschte er wirklich? Das war aber gewagt, wenn meine Freunde wirklich Recht hatten: Ich hatte nichts da, um seine vermeintlichen Flecken zu kaschieren.
 

Ich ging zu meiner Küchenzeile und begutachtete das Paket eingehend, welches ich heute noch nicht geöffnet hatte. Die Absender waren meine Großeltern. In dem Pappkarton, der ordentlich verschnürt worden war, befand sich, nebst einem Foto der Beiden mit Grüßen, eine dünne Glasflasche mit geradem Hals. Die klare Flüssigkeit ließ mich lächeln. Das Etikett mit der Aufschrift „Heidelbeere, 2008“ bestätigte meine Vermutung. Die beiden hatten mir tatsächlich Heidelbeerschnaps, oder Schwarzbeerschnaps, wie wir ihn zuhause nannten, geschickt. Mein Großvater hatte einmal einen zu seinem 80ten Geburtstag bekommen. Der Geschmack war exzellent. Außerdem handelte es sich bei Heidelbeerschnaps um den teuersten, mir bekannten, heimischen Alkohol. Die Flasche musste ein kleines Vermögen gekostet haben.“
 

„Was hast du da?“ Joey stand neben mir, und trocknete sich mit einem Handtuch die nassen Haare ab. T-Shirt und Hose passten ihm einigermaßen. Neugierig begutachtete er die Flasche.

„Mh, ein Geschenk von meinen Großeltern. Ist heute mit der Post gekommen. Schnaps aus der Heimat.“ Ich räumte den Karton weg, während mein Freund die Glasflasche fasziniert betrachtete.

„Du trinkst?“ Joey fuhr mit dem Daumen über das Etikett, dann fiel sein Blick auf das Foto. „Sind das deine Großeltern?“
 

Ich nickte und stellte mich neben den Blonden: „Ja, das sind meine Großeltern, und ja, ab und an. Wenn der Schnaps alt ist, und nicht wie Müll gebrannt wurde, dann brennt er normalerweise nicht. Auch im Tee schmeckt er hervorragend.“
 

Ungläubig starrte mich Joey an. “Wie, im Tee?“
 

Mir ging ein Licht auf. In Japan waren die Vorschriften bezüglich des Erwerbs von Alkohol strenger als in Österreich. Joey hatte wahrscheinlich mal an einem Bier genippt, mehr aber auch nicht. Darum war er so fasziniert – Schnaps war etwas Hochprozentiges.
 

„Klar, Schnapstee. Ich trinke den manchmal, wenn ich krank bin, eine Grippe ausgefasst habe, oder so.“
 

Mein Freund starrte auf den Korken der Flasche. Ich konnte die Neugierde in seinen Augen förmlich aufblitzen sehen.
 

Lachend schüttelte ich den Kopf: „Mach auf, wenn du probieren möchtest.“
 

Joey wirkte unschlüssig. Sollte er, oder sollte er nicht? Ich nahm ihm die Entscheidung ab – mit einer Hand griff ich nach der Flasche und besorgte mit der Anderen zwei Gläser aus dem Schrank. Vorsichtig entkorkte ich die Flasche und schnupperte daran. Der Geruch war unverkennbar – Alkohol gemischt mit der fruchtigen Note von Schwarzbeeren. Ich füllte in die beiden Gläser jeweils eine kleine Menge ein und verkorkte den Glasbehälter wieder sorgsam. Grinsend hielt ich Joey sein Glas entgegen.
 

„Keine Sorge, es ist nur ganz wenig – probiere mal.“ Argwöhnisch schaute der Blonde in sein Glas und schwenkte es ein wenig. Schnuppernd sog er den Duft des Schnapses ein. Ich schmunzelte und exte mein Getränk. Er brannte nicht, hatte eine fruchtige Note und doch schmeckte man den Alkohol heraus. Ein Hochgenuss.
 

Joey tat es mir gleich und keuchte dann, nur um sich auf die Brust zu schlagen. Ich lachte lautstark. Für ihn war es sicher trotz allem noch immer unangenehm, obwohl die Menge so klein war. Mein erster Schnaps, Marille, hatte mich auch zu einem Hustenanfall bewogen.
 

„Gratuliere, Mr. Wheeler. Damit sind Sie ein vollwertiger Mann.“ Joey ließ sich von mir auf den Rücken klopfen. Er keuchte noch immer, schien sich aber zu beruhigen.
 

„A-Alter, das Zeug trinkst du? Du hast ja nicht mal gezuckt. Woah. Wie kann man sich sowas nur in den Tee mischen?“
 

„Im Tee wird er verdünnt, und du machst normalerweise ganz wenig rein, aus dem einfachen Grund, dass er warm schneller einfährt. Du wirst rasch betrunken, wenn du nicht aufpasst.“
 

Joey leckte sich über die Lippen und klopfte sich erneut auf die Brust: „Kannst du sowas denn machen, David?“
 

Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. „Natürlich? Es ist ganz einfach. Warum?“
 

Mein Freund kratze sich am Kinn: „Machst du uns welchen? Ich meine, ich würde gerne probieren und…“ Er biss sich auf die Lippen. Warum druckste er so herum?
 

„Du weißt schon, dass du das sicher nicht verträgst? Ich will nicht, dass es heißt, ich hätte dich zum Saufen animiert, Joey. Ein Kater ist nichts Wünschenswertes.“ Ich hatte nach meinem ersten Schnaps dankend auf eine weitere Dosis verzichtet.
 

„Mh, wenn du einen trinkst, dann trinke ich auch einen. Außerdem habe ich das dann den anderen voraus. Auswärtige Spirituosen.“ Joey grinste schief und bedachte mich dann mit einem Dackelblick.
 

„Na gut, ich mache uns welchen. Aber beschwere dich nachher nicht bei mir, und wehe du kotzt mir die Bude voll“ seufzte ich und gab mich geschlagen. Ich hielt es zwar für keine gute Idee, aber ich hatte ihn gewarnt. Mein Freund strahlte förmlich und begab sich dann wieder zur Couch. Indessen kippte ich Chips in eine Glasschüssel und machte mich an den Tee. Gut fünfzehn Minuten später war er fertig und hatte Trinktemperatur. Der von Joey war äußerst dünn und hatte, wenn überhaupt, nur den Ansatz des Schnapsgeschmackes. Meiner war schon ein wenig kräftiger, aber immer noch weit von einem ordentlichen Schnapstee entfernt. Die Flasche ließ ich auf der Theke stehen und brachte Joey sein Getränk.
 

„Vorsicht, ist immer noch heiß, und nicht zu schnell trinken.“ Der Blonde schnupperte und nippte dann an der Tasse. Ein leises Schmatzen ließ erkennen, dass er mit der Mischung wohl deutlich zufriedener war, als mit dem puren Alkohol.
 

„Das ist gut. Es schmeckt ein bisschen nach Heidelbeere und ein bisschen nach Alkohol, aber größtenteils nach Tee.“ Ich nickte schmunzelnd, schnappte mir ein paar Chips und trank ebenfalls.

Wir guckten gemeinsam noch einen Film und in der Werbepause entschuldigte ich mich kurz – die Toilette rief. Als ich zurückkam wirkte Joey schon ein wenig beschwipst, hatte aber seinen Tee schon ausgetrunken. Der würde heute gut schlafen.
 

„Zeit fürs Bett, Großer, hm?“ Ich lugte in meine Tasse und kippte den letzten Rest weg. Verwirrt leckte ich über meine Lippen. So stark hatte ich ihn gar nicht in Erinnerung. Schulterzuckend stellte ich die Tasse ab. Wahrscheinlich vertrug ich auch nicht mehr so viel wie früher.
 

„Mr. Wheeler? Ab in die Heia!“ Ich stupste Joey an, welcher angestrengt blinzelte.
 

„Klar, ab ins Bett.“ Müde rieb er sich die Augen und stand auf.
 

„Ich gehe noch eben ins Bad – geh ins Schlafzimmer, ich komme gleich.“ Gesagt getan. Beim Zähneputzen hatte ich selbst Mühe, die Augen offen zu halten. Was war los? Das war ungewöhnlich. Ich fühlte mich fast betrunken. Dabei hatte ich meinen aber auch relativ dünn angemacht. Egal, es war Zeit fürs Bett.
 

In meinem Schlafzimmer bot sich ein interessanter Anblick. Die Matratze für Joey glänze mit gähnender Leere, während mein eigenes Doppelbett bereits besetzt war. Der Blonde hatte sich auf der linken Seite breit gemacht, die Augen halb geschlossen. Der Anblick war unwiderstehlich.
 

„Na, hast du die Betten verwechselt?“ Ich schmunzelte amüsiert.
 

„Mh, gib Ruhe.“ Joey klang verschlafen.
 

Ich merkte selbst, wie mir die Müdigkeit in die Knochen fuhr. Ich legte mich ins Bett neben Joey und machte das Licht aus. Wir hatten schließlich schon einmal nebeneinander genächtigt.
 

„David?“

Ich hmte nur auf Joeys Frage. Eigentlich war ich hundemüde und mir mittlerweile sicher, morgen selbst einen Kater auszufassen.
 

„Bist du müde?“
 

Was war das für eine dumme Frage? Ich hmte erneut, mit einem zustimmenden Unterton.
 

„Sehr müde?“
 

Ich kam mir vor wie in einer Kindergruppe, wo man dauernd gefragt wurde, wann man denn endlich da sei. „Schon, ja. Ich glaube, ich habe ein wenig zu viel erwischt. Keine Angst, ich bin morgen für Englisch noch brauchbar.“ Langsam aber sicher fiel mir auch das Sprechen schwer. Verdammt, was war los? So viel hatte ich wirklich nicht in meinen Tee gemischt.
 

„ Bist du schon mal verliebt gewesen?“
 

Ich seufzte leise. Er war wohl an dem Punkt angelangt, an dem man entweder sentimental oder stocksauer wurde. Joey hatte sich anscheinend für Ersteres entschieden.
 

„Mh, war ich. Zweimal bisher. Mit Schmetterlingen im Bauch, klopfendem Herzen, dem Zeug eben.“ Eigentlich waren es drei Male gewesen, und wahrscheinlich war er auch dabei, aber das zuzugeben war doch sehr gewagt. Außerdem war ich mir selbst noch immer nicht ganz sicher; oder wollte es nicht wahr haben.
 

„Wie hast du es ihnen gezeigt?“
 

Nun war ich doch ein wenig verwundert. Warum zum Teufel stellte man um zwei Uhr morgens solche Fragen? Ich hatte eher damit gerechnet, dass er mich nach meinem ersten Mal fragen würde, oder wie man Bräute klar machte.
 

„Beiden habe ich ein Gedicht geschenkt, der Zweiten außerdem einen Blumenstrauß, und eine Halskette.“
 

„Bereust du es?“
 

Ich schüttelte leicht den Kopf: „Nein, obwohl es beide Male nichts geworden ist. Ich bereue es nur, immer ein wenig gekniffen zu haben, zu spät dagewesen zu sein.“
 

„Wie würdest du es heute machen?“
 

In mir keimte eine leise Vermutung auf. „Bist du denn verliebt, Joey?“
 

Das Licht der Nachttischlampe blendete mich und ich seufzte innerlich. Den Schlaf konnte ich für die nächsten Stunden knicken. Der betretene Blick meines Freundes sprach Bände.
 

„Wer ist die Glückliche? Kenne ich sie?“
 

Mein Freund nickte leicht und zog die Beine an den Körper. Seine Arme schlang er um die Knie und bettete sein Kinn darauf. „Mh, sehr gut sogar, glaube ich.“ Der sonst so selbstsichere Joey wirkte auf einmal ganz klein und schüchtern. Ich setzte mich ein wenig auf und rieb mir die Augen.
 

„Okay, ist es Tea? Oder die heiße Austauschschülerin aus Lyon?“
 

Joey schüttelte auf meine Frage hin nur den Kopf. Irgendwie wirkte er bedrückt.
 

„Hm, eine unserer Lehrerinnen?“
 

„Nein, niemand davon. Ich, soll ich dir die Person zeigen?“
 

Meine Güte, der konnte herumdrucksen. Mir war selbst ein kleiner Stein im Magen gewachsen – andererseits war ich froh, damit konnte ich Joey gedanklich aus meiner vermeintlichen Gefühlswelt streichen. Wenn er eine Freundin hatte, würde ich dieses seltsame Gefühl schon irgendwie loswerden. „Klar.“
 

„Gut, dann schließe die Augen.“
 

Kompliziert war kein Ausdruck. Seufzend tat ich wie mir geheißen. Man konnte auch neben mir ein Bild auf seinem Handy heraussuchen.
 

Mit einem Mal liebkoste etwas ganz zärtlich meinen Mund. Meine Lippen wurden mit dem Geschmack von Alkohol, Chips und Minze benetzt. An meinen Wangen konnte ich Hände spüren, nein Finger, welche mich dort streichelten. War ich eingeschlafen? Hastig öffnete ich die Augen und konnte Joey erkennen, wie er mich küsste. Das Gefühl seiner weichen, zarten Lippen auf den meinen, wie sich unsere Nasenspitzen streiften – ich hatte den Eindruck, mein Herz müsse stehenbleiben. Ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren, was mir eine Gänsehaut verschaffte. Ganz langsam löste Joey sich von mir und senkte beschämt seinen Blick.
 

„Ich glaube ich, ich hole meine Sachen und…“ Ich griff mit meiner Hand nach seinem Arm und zog ihn zu mir. Unsere Lippen berührten sich erneut. Einen Moment lang versteifte sich Joey und starrte mich mit großen Augen an, nur um dann in meinen Armen zu erschlaffen. Meine rechte Hand vergrub sich in seinen Haaren, während die linke seinen Nacken kraulte. Ich sog seinen Duft ein, während ich mich ein wenig aufrichtete. Behutsam zog ich ihn auf mich und konnte spüren, wie er seine Arme um meinen Rücken schlang. Mein ganzer Körper zitterte. So intensiv hatte ich mir den Kuss mit Joey nicht vorgestellt. Meine Lippen brannten wie Feuer, verlangten nach mehr, genauso wie mein Geist. Ganz vorsichtig löste ich mich von Joey und sah ihn ernst an. Im nächsten Moment bedauerte ich diese Entscheidung bereits. Es war eine süße Qual, seine Lippen nicht mehr spüren zu dürfen, und doch, das Verlangen, sie wieder zu spüren, ließ mein Herz hüpfen und meinen Puls rasen. Joeys Blick zeigte erneut Beschämung. Hatte ich etwas falsch gemacht? Die Zeichen falsch gedeutet? Konnte man so etwas überhaupt falsch deuten?
 

„Was ist?“ fragte ich vorsichtig.
 

Joey löste sich gänzlich von mir und hockte sich in den Schneidersitz, meinem Blick ausweichend. „Es, ich, es hätte nicht so sein sollen. Du bist betrunken.“
 

Bei der letzten Aussage hob ich irritiert meine Augenbrauen: „Du auch?“
 

Der Blonde schüttelte nur den Kopf: „Nein, bin ich nicht. Ich habe den Tee zwischendrin weggeschüttet, und dir ein wenig mehr beigemischt, als du auf dem Klo gewesen bist.“
 

Er hatte was? Warum? Genau das fragte ich ihn auch. Mein Freund begann an seinen Fingern herumzunästeln: „Ich hatte die Hoffnung, dass du so betrunken bist, dass du ein Blackout hast, oder so. Dann hätte ich dich risikolos fragen können, was du von meinen Gefühlen hältst.“
 

Ich seufzte leise und griff nach Joeys Hand, nur um meine Finger mit seinen zu verweben. Zärtlich strich ich mit dem Daumen über seinen Handrücken. „Depp. Du erklärst mir etwas von Vertrauen, und selbst hast du Schiss? Warum?“
 

Der Blonde sah mich nur entgeistert an. Ich konnte fühlen, wie die Adern an seiner Hand hervortraten: „Hast du mitbekommen was ich gemacht habe? Dich abgefüllt, geküsst?“
 

Ich lachte leise. „Ja, habe ich? Joey? Ist dir auch bewusst, dass ich dich das zweite Mal geküsst habe?“
 

Verwirrt blinzelte Joey nur um dann erleichtert zu seufzen: „Du bist mir also nicht böse?“
 

Ein Kopfschütteln meinerseits ließ ihn sich sichtlich entspannen.
 

„Nein, bin ich nicht. Der Zeitpunkt ist nur ein wenig ungünstig, weil ich noch geradeso die Augen offenhalten kann. Du hättest weniger Alk in meinen Tee mischen sollen. Ein Vorschlag zur Güte – wir schlafen jetzt, und besprechen das Ganze morgen, wenn ich einen einigermaßen klaren Kopf habe, ja?“
 

Ich konnte meinen Freund aufatmen hören. Eilig huschte er unter die Decke und zog mich an sich, was ich mit einem wohligen Laut quittierte. Fürs Erste genoss ich den Moment und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.



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