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Arbeit und Knistern

Ich fischte mein Smartphone hervor, suchte Joeys Kontakt heraus und rief ihn an. Nach kurzem Läuten ging er auch an sein Handy: „Ja?“ Zögernd räusperte ich mich: „Hey, Joey, David hier. Erinnerst du dich noch an das Angebot von dir und Tristan?“ Kurz herrschte betretenes Schweigen. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte nur vage, bis ich kapierte, dass er es schlecht sehen konnte. „Ja, Joey. Alles in Ordnung. Könntest du trotzdem vorbeikommen und mit mir nach Hause gehen? Es ist dunkel, und ich bin mir nicht mehr ganz sicher, wie ich nach Hause komme.“ Ich kam mir entsetzlich dämlich vor. Mir war irgendwie unwohl, und ich wollte jetzt nicht alleine sein.
 

„Klar. Warte einfach, ich bin in gut fünfzehn Minuten da.“ Seufzend schob ich mein Smartphone in die Hosentasche und lehnte mich an die Hausmauer des Aufnahmestudios. Hatte ich gerade wirklich diesen Vertrag unterschrieben? Das war doch irre. Wenn das wirklich alles glatt ging, und ich daran auch noch Spaß haben würde, hätte ich für die nächsten Jahre ausgesorgt. Die Wohnung zu verscherbeln würde ein kleines Vermögen einbringen, und wenn nicht, dann hatte ich ein Feriendomizil in Japan. Aus fünfzehn Minuten wurden zwanzig, aus zwanzig fünfundzwanzig. Mittlerweile waren die Straßenlaternen angegangen. Ich wollte nicht mehr ins Gebäude zurück. Mir war einfach nicht danach. Außerdem tat mir die frische Luft gut. Nach einer halben Stunde erschien Joey endlich im fahlen Licht einer Laterne.
 

„Sorry, dass du so lange warten musstest. Mein Rad hatte eine Platten, und meinen Alten…“ Joey hielt mitten im Satz inne. Ich sah ihn fragend an. „Nichts, ich konnte einfach nicht früher.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung signalisierte mir der blonde Chaot, dass er wohl nicht drüber reden wollte.
 

„Mh“ erwiderte ich und stieß mich von der Mauer ab. „Was war los? Erzähl schon!“ Mein Freund konnte seine Neugierde nur schlecht verbergen. Wir machten uns gemeinsam auf den Weg in Richtung meiner Wohnung. „Kaiba und Mokuba, und der Chef von der Firma da hinten, möchten, dass ich auf dem Cover von Kaibas neuem Game erscheine, und den Schwarzen Magier synchronisiere.“ Joey schrägte den Kopf ein wenig und präsentierte mir seinen offenen Mund. „Wie jetzt? Ohne Scheiß?“ Ich nickte bejahend. „Außerdem darf ich an der Figur mitentwickeln und werde am Umsatz beteiligt.“
 

Gespielt beleidigt schob mein Gesprächspartner die Unterlippe nach vorne: „Mich hat Mokuba gar nicht gefragt, ob ich nicht den Flammenschwertkämpfer synchronisieren möchte. Außerdem, es sieht dem Kotzbrocken nicht ähnlich, dass er jemandem etwas Gutes tut.“ In der Tat, das war auch einer meiner Gedanken. „Naja, also, wenn alles glatt geht, dann bekomme ich eine Eigentumswohnung für das Mitwirken am Projekt. Der Typ hat irgendwas von mündelsicher gesagt, und keine Ahnung was.“ Verlegen rieb ich mir den Nacken. „Und von welcher Summe sprechen wir hier?“ Joey schob seine Hände in die Hosentaschen und beobachtete mich.
 

„Fünf Prozent von einem siebenstelligen Betrag.“ Mein Freund rechnete wohl in Gedanken nach, dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, und riss die Augen auf. „Das ist ja eine Menge Asche. Da muss ein Haken dran sein.“ Ich schob nun meinerseits die Hände in die Hosentaschen: „Das dachte ich auch, Joey. Der Vertrag hat aber eine Kündigungsklausel, welche mir ermöglicht, jederzeit abzubrechen. Ich weiß auch nicht, was Kaiba geritten hat. Mokubas Einfluss?“
 

Joey schüttelte den Kopf: „Nein, das glaube ich nicht. Mokuba mag mich schließlich auch gerne, und ich wurde nicht gefragt.“ Amüsiert wanderten meine Mundwinkel nach oben: „Du hast ihn auch noch nie so vernichtend geschlagen wie ich.“ Mein freches Kommentar wurde mit einer schmerzenden Schulter und einem grinsenden Joey belohnt: „Bloß nicht eingebildet werden, sonst duellieren wir zwei uns mal.“
 

Mittlerweile kam ich mir äußerst dumm vor, dass ich Joey nicht gleich von meinem Aufenthalt bei Mokuba erzählt hatte. Er war mir der Liebste aus der gesamten Clique rund um Yugi, und wir verstanden uns blendend. Auch seine fröhliche, unbeschwerte Art – das mochte ich so an ihm. „Mh, du sprichst mit dem Meister von Virtual Duel Arena. Mein Gesicht prägt den Schwarzen Magier und den Dunklen Magier-Ritter.“
 

Joey gab nur ein leises „Pff“ von sich, und reckte gespielt beleidigt den Kopf in die Höhe. „Ich sehe es schon vor mir – nach Fertigstellung des Games kennst du uns gar nicht mehr, weil du ja soooo berühmt bist.“
 

Sanft, fast schon vorsichtig anmutend, trat ich ihm angedeutet gegen das Schienbein.

„Depp. Das weißt du wohl selbst ganz genau, dass ich so nicht bin!“ Mein Kumpel rieb sich gespielt die getroffene Stelle und grinste noch ein wenig breiter: „Na hör mal, wir kennen uns erst seit gut zwei Wochen.“ Da hatte er natürlich Recht. Andererseits fühlte es sich so an, als würden wir uns ewig kennen. Den restlichen Weg bis zu meiner Wohnung unterhielten wir uns über Duel Monsters und ich wurde mit einer von Joeys zahlreichen Duellgeschichten belohnt. Vor meiner Tür angekommen, zückte ich den Wohnungsschlüssel und sperrte auf. „Komm noch auf einen Sprung mit rein. Limo und Chips sind wohl das Mindeste, dafür, dass du extra wegen mir zu dem Studio gelatscht bist.“
 

Joey folgte mir in meine kleine, aber feine Wohnstätte. Natürlich war es nicht zu vergleichen mit Kaibas Anwesen, oder auch nur mit dem Gästezimmer, aber ich fühlte mich wohl und sicher in meinen eigenen vier Wänden. „Setz dich schon mal auf die Couch. Im Fernsehen läuft glaube ich grade irgendein Anime oder so. Ich bin gleich da.“ Ich schmiss meine Schultasche in die Ecke, schlüpfte aus meinen Schuhen und verschwand in der Küche. Während ich Chips und Orangenlimonade dementsprechend vorbereite, konnte ich Joey beobachten, wie er sich auf mein Sofa pflanzte und nach der Fernbedienung griff. Ich stellte die Schüssel mit Chips und unsere zwei Gläser auf den kleinen Tisch vor der Couch und lehnte mich zurück. Joey zappte sich durch das Programm und hielt bei einer Doku über Nutztiere in der Landwirtschaft an.
 

„Sowas gibst du dir?“ Schmunzelnd knöpfte ich die Jacke meiner Schuluniform auf. „Das nennt man Bildung.“ Mir lag ein schnippischer Kommentar auf der Zunge, welchen ich aber hinunterschluckte. „Stört es dich, wenn ich mich eben kurz umziehe?“ Ein kurzes Kopfschütteln von einem gebannt auf den Fernseher starrenden Joey ließ mich in mein Schlafzimmer verschwinden, wo ich mich umzog. Die Uniform wurde durch ein enges, schwarzes T-Shirt und eine kurze, dunkle Sporthose getauscht. Barfuß verließ ich das Zimmer und zog die Türe hinter mir zu. Joey hob die rechte Braue in die Höhe und pfiff leise, während ich einer genaueren Musterung unterzogen wurde.
 

„Sportlich, der Herr.“ Ich blickte kurz an mir herab und schüttelte lachend den Kopf: „Das ist einfach nur bequem.“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen setzte ich mich neben Joey, und stützte meine Füße an der Tischkante ab. Meinen linken Arm legte ich um die angewinkelten Knie, während die rechte Hand nach den Chips griff. Mein Blick war dabei auf den Fernseher gerichtet, wo gerade einige Ochsen vor einen Pflug gespannt wurden, um ein Reisfeld umzupflügen. Ich zuckte kurz zusammen, als sich meine und Joeys Hand berührten. Wir waren wohl beide zu gebannt der Doku gefolgt, und hatten dabei unsere Griffel in die Chipsschüssel gesteckt. Für einen kurzen Moment breitete sich ein angenehmes Prickeln in meiner Hand aus. So schnell wie das Gefühl gekommen war, war es auch wieder abgeklungen, als Joey sich eine Ladung Chips in den Mund schob. Ich schüttelte leicht den Kopf und nippte an meiner Limonade. Vielleicht hatte ich beim Sport einfach ein wenig übertrieben.
 

„Du hast ja gesagt, du würdest relativ viel Sport machen, oder? Ich meine, man sieht es dir an, aber aus reiner Neugierde, was machst du so? Schi fahren?“ Mein Gesprächspartner hatte den Blick nach wie vor auf den Fernseher gerichtet, während er sprach.
 

„Mh, nein. Ich habe Schi fahren schon als Kind gehasst. Jetzt keine doofen Witze über Alpenbewohner und deren Anbindung an Verkehrsmittel.“ Diese Sprüche hatte ich mir schon zur Genüge anhören müssen. „Hm?“ Joey zerkleinerte geräuschvoll eine weitere Ladung Chips und starrte mich fragend an.
 

„Nicht so wichtig. Ich laufe gerne, trainiere mit der Hantel und mit dem eigenen Körpergewicht. Ich war nie so der Fitnessstudiomensch. Im Winter gehe ich gerne Langlaufen.“ Der Blonde nippte an seiner Limo und grinste dann: „Ah ja, Schi fahren nicht, aber Langlaufen schon?“
 

Ich verdreht die Augen ein wenig: „Da liegen Welten dazwischen. Mein Vater hat das gefördert. Der war mal selbst begnadeter Langläufer. In der Schulmannschaft war ich immer unter den ersten Fünf, und heiß begehrt, wenn es um den Staffelwettbewerb ging.“ Meine Hand wanderte wieder zur Chipsschüssel und bediente sich.
 

„Mh, ich hatte sowas schon ein wenig vermutet. Adern an den Unterarmen und den Waden deuten doch auf regelmäßige Betätigung hin. Ich selbst schwimme sehr gerne und liebe Bodenturnen.“ Da war was. Joey hat mir einmal erzählt, er wäre im Regionalwettbewerb beim Schwimmen Erster geworden.
 

„So siehst du aus. Mal abgesehen davon, dass ich eher glaube, dass du dich mit deinen Prügeleien über Wasser hältst.“ Grinsend zerkaute ich ein paar Chips, während Joey den Fernseher ausschaltete. „Klar. Irgendwer muss ja auf die Zwerge und Frauen der Gruppe, also dich, Yugi, Bakura und Tea, aufpassen.“ Gähnend streckte sich Joey und stand dann auf.
 

„Du kannst auch hier pennen, Joey, ich habe eine Luftmatratze irgendwo rumliegen. Außerdem haben wir morgen nur eine Doppelstunde Geschichte, dann Japanisch, Doppelstunde Englisch und Kunst. Den Großteil der Sachen hast du in deinem Spind gelassen.“ Joey schüttelte den Kopf: „Lass stecken. Ich bin gleich zu Hause.“ Damit schlüpfte er auch schon in seine Turnschuhe und band die Schnürsenkel.
 

„Wo wohnst du eigentlich? Gleich um die Ecke, oder was? Dann könnte ich dich ja mal besuchen kommen.“ Joeys Gesichtsausdruck verhärtete sich für einen Moment, und ich hatte das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. „Mh, kommen wir sicher mal dazu. Hast du Bock mit mir, Duke und Yugi morgen in die Arcadehalle zu gehen? Sie sollen wohl ein neues Beat em up reinbekommen haben.“ Sollte ich weiter nachbohren? Er hatte rasch das Thema gewechselt, als es um sein Zuhause ging. „Klar. Was treiben Tristan, Tea und Bakura?“ Joey richtete sich auf und schlüpfte in seine blaue Jacke, welche farblich zu seinem weißen Shirt passte.
 

„Tristan hat wohl was mit einem Mädchen am Laufen, Tea konnte sich für die Arcadehalle nie so richtig begeistern und Bakura hat Besuch von seinem Vater. Der ist für einige Tage hier, und muss dann wieder zurück nach England.“
 

Ich nickte leicht: „Okay. Dann bis morgen in der Schule, Joey, und Danke fürs Abholen heute, ja?“ Joey machte nur eine wegwerfende Handbewegung. „Nicht dafür. Gute Nacht. Bis morgen. Du kannst dich in Englisch revanchieren, einverstanden?“
 

Grinsend begleitete ich meinen Kumpel zur Tür, wünschte ihm erneut einen guten Heimweg und schloss hinter ihm ab. Warum hatte er so komisch reagiert, als ich ihn auf sein Zuhause ansprach? Müde streckte ich mich, und fiel dann ins Bett.
 

Die nächsten Tage waren von Schule und Freizeitaktivitäten mit Joey und Co geprägt. Ich war mir unschlüssig, ob ich nicht ihn, oder jemanden aus der Clique, vorzugsweise Yugi oder Tristan, bezüglich seines Zuhauses befragen sollte. Joeys Blick hatte mich ein wenig abgeschreckt. Andererseits, wir waren erst seit 14 Tagen Bekannte, bzw. Freunde. Vielleicht würde er sich ja von selbst öffnen? Die Zeit verging jedenfalls, und als es Mittwoch wurde, packte ich meine Sachen eilig zusammen.
 

„Hummeln im Hintern, oder was ist los? Zu spät für ein Date?“ Tristan beobachtete mich grinsend, während ich meine Utensilien rasch in den Rucksack schmiss. „Heute ist doch mein erster Arbeitstag als Synchronsprecher.“ Insgesamt kam mir die Formulierung „Arbeitstag“ ein wenig übertrieben vor. Ein Synchronsprecher musste eine fundierte Ausbildung durchlaufen und hatte eine markante Stimme. Ich war nur durch Glück und einer Portion Vitamin B in diese Position gehoben worden.
 

„Locker machst du das. Joey ist fast ein wenig eifersüchtig. Er hätte gerne den Flammenschwertkämpfer synchronisiert.“ Ich seufzte leise und senkte den Blick. War er angefressen? Tristan musste meine Gedanken wohl erraten haben, denn ich spürte seine Hand auf meiner Schulter: „Hey, Joey gönnt es dir, genauso wie wir.“ Sanft drückte er zu und ich lächelte unwillkürlich. „Und jetzt hau ab, nicht dass du zu spät kommst!“
 

Eine Stunde später war ich bereits im Gebäude. Eine junge Empfangsdame führte mich an unzähligen Räumen vorbei, bis wir in einen großen, geräumigen Raum kamen. Dieser wurde vom spärlichen Licht einiger Lampen erhellt, welche den Blick auf eine große Glasscheibe preisgaben, hinter der drei Leute saßen. Einer von ihnen war Herr Takeshita, der andere ein grinsender Mokuba und der Dritte ein völlig Unbekannter. Die Empfangsdame verließ mich wieder und ich steuerte auf die Türe zu, welche hinter die Glastür führte.
 

„Bleiben Sie ruhig an Ort und Stelle, und gehen Sie zum Pult in der Mitte des Raumes.“ Der Fremde war wohl der Aufnahmestudioleiter oder keine Ahnung was. Jedenfalls hatte er mir die Anweisung gegeben, der ich auch Folge leistete. „Das Mikrofon können Sie verstellen wie Sie möchten. Wir haben bereits einen Text vorbereitet, welchen Sie bitte gemeinsam mit uns abarbeiten. Auf der Leinwand vor Ihnen wird simultan die dementsprechende Szene abgespielt, damit sie ein Gefühl für die Emotionen bekommen.“
 

Ich nickte kurz und überflog den Text. Es war ein Sammelsurium an heroischen Sprüchen und Dialogteilen. „Gut, dann fangen wir einmal an. Seien Sie ganz ruhig und konzentrieren Sie sich.“ Der vermeintliche Leiter war jedenfalls äußerst freundlich. Es dauerte eine Weile, und ich musste viele Dialogteile mehrmals sprechen, aber man wirkte insgesamt sehr zufrieden mit mir. „Für heute sind wir fertig. Wir fahren dann am nächsten Mittwoch fort.
 

Ich nickte lächelnd und löste mich vom Pult. Das Ganze war ziemlich anstrengend gewesen. Wie das jemand nur den ganzen Tag machen konnte? Spaßig war es auf jeden Fall gewesen. „Spitze, David. Wenn wir in dem Tempo weiterarbeiten, dann sind wir bald fertig.“ Mokubas Stimme überschlug sich fast.
 

„Denkst du?“ Ich zweifelte ein wenig an seiner Einschätzung. „Klar. Nächste Woche wieder, und dann noch ein paar Mal und dann sind wir fertig! Zwischendrin kommst du dann einmal in die Entwicklungsabteilung und bringst noch Vorschläge ein! Außerdem musst du mich diese Woche noch besuchen“ sprudelte es aus meinem kleinen Groupie heraus.
 

„Ähm, okay?“ Mokuba nickte nur eifrig und zog mich an der Hand nach draußen. „Am besten gleich. Ich habe eine Überraschung für dich!“ Ich lächelte ein wenig gequält. Die letzte Überraschung hat mir eigentlich gereicht. Wir erreichten wenig später die Kaibavilla – Mokuba wurde schließlich als Stellvertreter seines großen Bruders ebenfalls von einer Limousine abgeholt.



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