Welt ohne Grenzen von SoraNoRyu ================================================================================ Kapitel 17: Neues Leben (Prompto Argentum) ------------------------------------------ Junge, tut mir der Rücken weh. Eigentlich bin ich der Königsgarde ja nur beigetreten, um Noct auf seiner Reise nach Altissia begleiten zu können. Und ihm vielleicht auch später noch irgendwie beistehen zu können, wenn er mich nach seiner Hochzeit noch braucht und will. Dass ich als Bürgerlicher tatsächlich in die Leibwache aufgenommen und auf einer Stufe mit all den anderen Adeligen in der Zitadelle behandelt werden würde… puh. Ich fühle mich auch nicht so wirklich bereit für diese Position. Ich meine, klar – ich will bei Noct sein und ich kann und werde ihn vor allem beschützen. Ich habe viel gelernt, fleißig geübt, und bin inzwischen durchaus in der Lage mehr als nur mein eigenes Gewicht zu tragen. Aber diese ganze höfische Etikette… das ist viel, was man sich merken muss. Und viel, was einem körperlich abverlangt wird. Normal lässt Noct mich ja einfach vor der Tür Wache halten, wo ich mich auch mal ein bisschen hängen lassen kann, aber jetzt, wo Gladio verletzt ist, muss jemand an seinem Platz stehen, direkt an Nocts linker Seite. Und da ist dann Stillhalten angesagt. Stun-den-lang. Hab ich erwähnt, dass mir der Rücken wehtut? Zehn Stunden strammstehen gehen ganz schön ins Kreuz. Entsprechend froh bin ich, mich jetzt in Nocts frisch restaurierten Privatgemächern in einen der superweichen Sessel sinken lassen zu können. Und zwar so, wie man eben sitzt, wenn keiner hinschaut. Ich hab keine Ahnung, wie Ignis das schafft… den ganzen Tag steht er da wie eine Säule, die Hände im Rücken überkreuzt und fast ohne sichtbar zu atmen. Selbst jetzt, wo er sich eigentlich entspannen könnte, sitzt er immer noch total gerade. „Prompto ist ja richtig fertig“, scherzt Gladio und ich hebe den Finger, um ihm meine Meinung zu symbolisieren. Alle lachen, aber das geht mir gerade auch sonstwo vorbei. „Ich habe mich heute nochmal an diesen Süßigkeiten aus Tenebrae versucht“, eröffnet Ignis uns und stellt einen Karton auf den Tisch, aus dem es herrlich duftet. Ich vergesse meinen müden Rücken und springe wieder in eine aufrechtere Sitzposition, damit ich nichts verpasse. „Meine Frau hat mir ein paar landesübliche Rezepte zugespielt, ich bin gespannt zu sehen, ob es das war, was Luna dir damals angeboten hat, Noct.“ Gladio und ich geiern wie gebannt auf die duftenden Leckereien, aber natürlich ist es Noct, der als erstes zugreifen darf. Und der lässt sich Zeit, die kleinen Küchlein ausgiebig zu inspizieren, bevor er endlich hineinbeißt und sein Urteil fällt. „Nahe dran“, meint er, und ich kann Ignis die Enttäuschung direkt ansehen, „aber irgendwas fehlt noch.“ Ich will mir auch eines der Teilchen nehmen, aber Noct zieht den Karton aus meiner Reichweite und grinst hämisch. Aber Hauptsache erst mal meckern, dass es nicht perfekt ist, was? Ich blicke ihn enttäuscht an und natürlich schiebt er mir den Karton wieder zu. „Nur Spaß, nimm dir ruhig.“ Ich greife grinsend zu. Die Küchlein sind herrlich locker und saftig mit einer fast flüssigen Füllung und sehr viel feinem Zucker obendrauf. Es schmeckt fantastisch und ich lasse das Ignis auch entsprechend wissen. Noct hält den Karton zu Gladio, der irgendwas von seinem Blutdruck murmelt und sich dann trotzdem bedient. Muss ja keiner wissen. Von uns erfährt jedenfalls weder Edna noch der verhasste Hausarzt, dass Gladio seine Diät ignoriert, wo er kann. Und ganz ehrlich, bei den leckeren Teilchen… da muss man sich einfach eins gönnen. Oder zwei oder drei, wenn Noct so viel übrig lässt. „Scheint ja immerhin zu schmecken“, meint Ignis beruhigt und nimmt sich auch ein Stück. „Ich hab nie gesagt, dass es nicht schmeckt“, verteidigt sich Noct, „Es ist nur nicht ganz das, was Luna mir damals geschenkt hat. Aber fast, nur… irgendwas fehlt halt noch.“ „Das finde ich schon raus“, ist sich Ignis sicher, „Aber gut zu wissen, dass das Grundrezept schon mal stimmt. Die Zutaten für die Füllung und Glasur sind ja sehr Variabel.“ „Uns schadet es jedenfalls nicht, wenn du noch ein bisschen rumprobieren musst“, gebe ich mit vollem Mund zu, „wir gehen dann halt einfach etwas länger joggen, was, Gladio?“ Gladio nickt nur, auch er hat den Mund voll. „Werd deine Kochkünste vermissen, wenn ich wieder in Galahd bin“, gibt er zu, nachdem er geschluckt hat, „Edna und Iris kochen beide so brav nach dem Diätplan dass fast gar nichts richtig schmeckt…“ „Ach, wenn dein Blutdruck sich wirklich wieder so gut eingependelt hat und das Cholesterin auch in Ordnung ist, wird der Doktor schon nachgeben“, meint Ignis, „Genieß einfach deinen Urlaub.“ „Werd ich wohl müssen, was? Und versuchen, mich nicht zu ärgern, weil Noct mich wegschickt und ihr beide dableibt…“ „Die anderen schick ich auch weg“, meint Noct und Ignis merkt genauso überrascht auf wie ich. „Waaas?“, entfährt mir, und ich stemme beide Hände auf den Tisch, um Noct anzustarren. Tut gut, sich frei bewegen zu dürfen. „Die Gesandtschaften der anderen Reiche kommen erst in zwei Wochen hier an, bis dahin dürfte es in Insomnia relativ ruhig zugehen“, erklärt Noct ruhig und leckt sich noch etwas Zucker von den Fingern, „Ich möchte, dass ihr die Zeit nutzt, um bei euren Familien zu sein. Gladio und Ignis auf jeden Fall, Prompto kann auch bleiben, wenn er nirgendwo sonst gebraucht wird. Wenn der Gipfel vorbei ist, würde ich gerne nochmal mit dem Auto durch ganz Lucis fahren und in jedem größeren Dorf eine kleine Ansprache halten. Präsenz zeigen, den Leuten zuhören… sowas eben. Da sind wir lang unterwegs und ihr seht die Kinder eine Weile nicht wieder, will ich damit sagen.“ „Zwei Wochen, hu?“, meint Gladio und lässt sich in seinen Sitz zurücksinken, „Bis dahin könnte mein Arm wieder voll belastbar sein, wenn ich die Platte noch drin lasse.“ „Besprich das bitte mit deinem Arzt“, meint Noct, „Ich will dich voll kampfbereit an meiner Seite oder wir verschieben die Fahrt. Noch ist nichts offiziell angekündigt, also haben wir etwas Spielraum.“ „Bis zum Gipfel bin ich wieder fit, keine Sorge.“ „Zwei Wochen mit der Familie würden mir sicher gut tun, Noct“, gesteht Ignis, „Wenn du so lange ohne mich klarkommst?“ „Davon gehe ich aus. Wird hart, aber ich bin ja kein kleines Kind mehr… und hab einen Haufen anderer Bediensteter, die sich um deinen Job reißen würden.“ Kann ich mir vorstellen… so wie sich alle hier aufführen, gibt es da sicher mehr als nur ein paar Leute, die töten würden, um dem König die Füße waschen zu dürfen. Dabei macht Noct das meist allein, weil ihm das ganze Gehudel total zuwider ist. Immer schon war, wenn ich mich recht erinnere. Ich greife nach dem letzten Teilchen, ernte einen giftigen Blick dafür und muss es doch Noct überlassen. Freundlicherweise reißt er es dann doch in zwei Hälften und gibt mir einen Teil ab. „Na, dann kann ich mich ja halbwegs beruhigt zurückziehen“, lenkt Ignis ein, „ich bin ja auch nicht weit weg, falls du mich brauchst, meine Wohnung ist ja praktisch direkt nebenan.“ „Und falls was wäre ist ja immer noch Prompto da“, fügt Gladio hinzu. Ich gebe ertappt Laut. „Also eigentlich…“ „Eigentlich was?“ Mir bleiben die Worte im Hals stecken. Natürlich können Gladio und Ignis Noct nicht einfach allein zurück lassen. Sie sind von klein auf darauf getrimmt worden, den Prinzen – und späteren König – zu beschützen und zu versorgen. Und ich habe keine Familie außer dieser hier… das heißt, eigentlich. „Wenn du auch gehen willst, tu‘s ruhig“, beruhigt mich Noct, „Ich komme schon klar. Monica und Dustin werden euch als Leibwächter vertreten, die sind vielleicht nicht mehr so knackig jung, aber passen schon gut auf mich auf. Du hast genauso ein Recht auf Urlaub wie die anderen.“ „Danke, Noct.“ „Nur so aus Interesse… wohin?“ „Hammerhead“, gebe ich zu, „Cidney ist gestern aus dem Krankenhaus beim Stadttor entlassen worden, wo sie sich wohl noch von dem Kampf mit der Maschine erholt hat oder so. Jedenfalls hatte ich vorgestern Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und… naja… stellt sich raus sie ist schwanger und weiß nicht recht, von wem.“ „Na, deins kanns nicht sein, oder?“, meint Gladio locker, „Du warst seit über einem Jahr nicht mehr in Hammerhead.“ „Naja, aber…“, hui ist das peinlich. „Cidney ist… ein paarmal zu mir rausgefahren. Hat Bier mitgebracht und was man halt sonst noch so braucht für einen gemütlichen Abend… ja. Ihr ging es so weit draußen auch einfach besser, und sie hat sich Sorgen um mich gemacht.“ „Also seid ihr wieder zusammen?“, fragt Ignis. „Naja… nein? Es ist ein bisschen kompliziert, mehr so… ein Gelegenheitsding.“ „Also bist du praktisch verfügbar wenn sie grad keinen gutaussehenden Kerl hat, was?“ Gladio kann echt gemein sein manchmal, aber ganz Unrecht hat er nicht. „Ungefähr, schon… aber sie mag mich schon auch recht gern. Es ist halt… Cidney ist keine Frau, die einem gehört, weißt du? Keine, die man sich einfach mitnimmt und daheim an den Herd stellt wie eine hübsche Trophäe. Sie gehört einfach nach Hammerhead wie der Teer auf die Straße, und sie hat natürlich auch eine gewisse Auswahl unter den Männern, die da durchkommen.“ Nur zu mir ist sie extra raus gefahren. Kilometerweit, letztlich bis nach Cap Caem. Hat stundenlang mit mir geredet, zugehört, mit mir gelacht und geweint. Nachts an meiner Seite geschlafen… gut, das sind Erinnerungen, die ich lieber nur hervorholen sollte, wenn ich allein bin. Wird sonst peinlich. Gladio seufzt nur und reibt sich mit der gesunden Hand die Schläfen, Ignis und Noct wirken eher amüsiert. „Eine Frage hätte ich allerdings noch“, brummt Gladio, während ich abwesend den letzten Zucker aus dem leeren Karton auflese, „Wenn Cidney dich so oft besuchen gekommen ist, wie du sagst, warum hat sie dann keinen Alarm geschlagen, als du weg warst? Ich meine, wir hatten vier Monate keinen Kontakt mehr mit dir!“ Ich kann Gladio ansehen, dass er sich immer noch Vorwürfe macht, nicht früher gekommen zu sein. Aber ich weiß, wie es ihm ging zu der Zeit, ohne Noct, und da sind vier Monate schnell. Zumal ihn keiner gedrängt hat. Die Antwort auf seine Frage fällt mir trotzdem schwer. Ich stelle den Karton zurück auf den Tisch, wische mir die Hände gründlich an einer Serviette ab und überlege, wie ich das am besten erkläre. „Ich… wusste, dass etwas passieren würde“, gebe ich schließlich zu, „schon kurz nachdem du weg bist. Mich hat jemand beobachtet, einmal ist er auf mich zugekommen. Wollte, dass ich mitkomme. Ich hab nein gesagt, das hat ihm nicht gepasst. Als Cidney da war… hatte ich es einen Moment vergessen, aber dann hab ich es wieder gemerkt, also… dass da wer ist, meine ich. Nicht nur der eine. Und ich wusste irgendwie, dass sie mich mit Gewalt holen würden, wenn ich nicht mitwill.“ Ich atme tief durch und blicke auf die Serviette zwischen meinen Fingern. „Also hab ich absichtlich einen Streit vom Zaun gebrochen, damit Cidney abhaut und eine Weile nicht wiederkommt. Ich hab nicht damit gerechnet, dass sie ganz wegbleibt, aber mein Handy war kaputt und sie hat mir mein Schweigen wohl übel genommen, bis sie erfahren hat, was wirklich passiert ist… warum ich mich nicht mehr gemeldet habe. Sie hat sich auch entschuldigt, als wir uns gestern gesehen haben. Meinte, sie hätte sich Sorgen um mich gemacht.“ „Das hat sie auch“, versichert mir Ignis, „Cor hat erzählt, wie sie gegen den Maschinenableger in Hammerhead mitgekämpft hat. Dass das persönlich gewesen sei… ich nehme an, da ging es um dich.“ Ich muss lächeln. Der Gedanke, dass Cidney für mich kämpft… macht mich irgendwie glücklich. „Das Baby würd ich mir trotzdem nicht unterschieben lassen“, meint Gladio mürrisch. Ich muss lachen. „Nicht ungetestet jedenfalls, so viel ist schon klar.“ „Habt ihr denn nicht verhütet?“ Ignis' Frage klingt beinahe anklagend. „Sagt derjenige von uns, der als erstes ein Kind in die Welt gesetzt hat“, stichelt Gladio. „Dem lag allerdings eine gewisse Absicht zugrunde“, verteidigt sich Ignis. Ich bin froh, der Frage so ausweichen zu können. Wir… haben verhütet. Aber wir waren auch beide ziemlich besoffen, also… nicht ganz ausgeschlossen, dass da was schief gelaufen ist. Wie gesagt, die schmutzigen Details gehe ich lieber durch, wenn ich ganz alleine bin. „Dann geh nach Hammerhead zu Cidney“, raunt Noct mir zu, „Genieß die Zeit, kümmert euch ein bisschen umeinander, und dann komm mir erholt zurück, ja?“ „Mach ich, danke Noct.“ „Wer war das eigentlich, der dich damals angegriffen hat?“, fragt Ignis, sicher, um sich aus der Diskussion mit Gladio zu retten, aber auch aus echtem Interesse. Ich seufze tief. Immer diese komplizierten Fragen… „Er nannte sich Nemo, die anderen haben ihn Kapitän genannt.“ „Wie aus diesem Roman von Jules Verne?“ „Den kenne ich nicht. Jedenfalls… Nemo war… er nannte mich seinen Bruder. Ist auch nicht ganz falsch so.“ „Also auch einer von Besithias Klonen?“ „Ja, vermutlich der erste, der entkommen ist. Aus der defekten Reihe… ich weiß die Nummern nicht mehr, irgendwas mit drei vorne. Jedenfalls haben die Kinder aus der Zuchtlinie nicht so gut auf Plasmodium reagiert, die meisten sind gestorben, Nemo ist ausgebrochen. Der Rest wurde weggeworfen wie Müll, waren ja nur ein paar Zellen pro Fläschchen.“ Mehr waren wir unserem Vater nie wert… nur ein paar Zellen in einem kleinen Plastikgefäß. Wenn’s kaputt ist, schmeiß weg, mach ein Neues. Einen neuen Satz Zellen, aus denen sich ein paar hundert neue Soldaten ziehen lassen. Es ging immer nur um die Masse. Möglichst viele Soldaten vom Band, mit denen man Lucis überrennen kann. Ich kann warme Hände auf meinen Schultern spüren und weiß, dass meine Freunde zusammengerückt sind, um mich zu trösten. „Nemo war selbst noch total jung. Er hat seine ganze Kindheit in diesem Behälter verbracht, damit er kein Bewusstsein entwickelt, bevor er infiziert und katalysiert wird. Aber irgendwie ist er trotzdem ‚wach‘ geworden und hat sich befreit. Hat noch zwei Babys aus meiner Charge mitgenommen, weil wohl gerade ein ziemlicher Aufstand war – einer von den Forschern ist durchgebrannt und hat eine ‚Probe‘ gestohlen. Also mich.“ „Prompto…“ „Ist schon okay, ich komm klar. Nemo und die anderen wohl auch… er hat sein ganzes Leben nach seinen ‚Brüdern‘ gesucht, ist immer wieder in verschiedene Anlagen eingebrochen und hat einzelne von uns befreit. Obwohl er mit Plasmodium infiziert war, bis er mal zufällig der Kannagi über den Weg gelaufen ist. Also Lunas Mutter, glaube ich. Sie hat ihn geheilt, er ist abgehauen. Er hat Angst vor normalen Menschen… oder hatte es lange Zeit. Irgendwann hat er es wohl auch geschafft, Frieden zu finden. Die meisten Kinder hat er vor Kirchen ausgesetzt, hat dafür gesorgt, dass alle ein gutes Zuhause als Menschen finden.“ Nun fällt es mir doch schwer, ruhig zu atmen. Ich lehne mich in Nocts Arme und versuche, mich zu beruhigen. „Er… war so wütend wegen der Maschine. Weil sie uns ausgesucht und zerstört hat, als wären wir wegen unserer Herkunft nicht wert, zu leben. Er hat seine Brüder wieder zusammengesucht, um sie zu beschützen. Und er wollte etwas tun. Gegen die Maschine, gegen Lucis. Ich hab… ich hab verstanden, dass er es nicht leicht hatte. Warum er sauer war. Aber an der Stelle hat er mich verloren. Weil er das ganze Land verantwortlich gemacht hat. Weil er wollte, dass ich mit ihm in den Krieg ziehe, gegen meine eigenen Leute. Weil er nicht zugehört hat… weil er nicht hören wollte, dass es auch gute Menschen gibt. Er… hat viel gelitten, und er hat ein gutes Herz, aber er merkt nicht, dass er zu weit geht.“ „Also hat er dich angegriffen und mit Gewalt einkassiert?“, fragt Gladio. Seine Hand drückt meine Schulter so fest, dass es weh tut. Ich nicke. „Ja, hat er. Und versteh mich nicht falsch, er war gut zu mir. Hat sich gekümmert, mich liebevoll seinen kleinen Bruder genannt und sich wirklich bemüht. Aber ich wollte diese Rüstungen nicht tragen… und ich wollte keine Hilfe annehmen von jemandem, dem ich nicht helfen will. Nemo war ein Feind von Lucis… er wollte, dass ich mit ihm kämpfe. Ich wollte lieber sterben als das.“ Noct drückt mich fester an sich. Seine Nähe tut gut. „Irgendwann war es so schlimm, dass er mich nicht mehr mitnehmen konnte, also hat er mich in diesem Keller abgelegt, wo die Maschine nicht so stark hin gestrahlt hat. Hat mir ein Radio dagelassen, weil ich gesagt habe, dass ich nicht allein sein will. Er war schon ein netter Kerl, wisst ihr? Er war nur einfach zu wütend um zu erkennen, wer sein eigentlicher Feind ist.“ Ich war fast vier Monate in diesem Luftschiff. Kann mich nicht beschweren über die Behandlung dort… alle waren nett zu mir. Aber sie haben auch gehofft, dass ich ihnen mit meiner Kraft und Kampferfahrung zur Seite stehen würde, einer von wenigen Klonen, die zu kämpfen gelernt haben. Ein anständiger Scharfschütze, der auch aus großer Ferne zielen kann. Und das konnte ich ihnen nicht geben. Nicht gegen Lucis… nicht gegen meine Freunde. „Was macht dieser Nemo wohl jetzt, da die Maschine besiegt ist?“, überlegt Ignis, „Droht von ihm noch Gefahr?“ Ich zucke die Schultern. Nach allem, was ich weiß, wollte Nemo ganz Lucis in Grund und Boden stampfen. Die Kampfrüstungen und den Panzer der Nautilus soweit verbessern, dass er gut geschützt bis ins Zentrum Insomnias eindringen und dort alles niederreißen kann. Den Schmerz, den er erleiden musste, wieder zurückgeben… mir graut bei dem Gedanken, dass er Nyx oder Crowe hätte erwischen können. „Weiß nicht. Es war vor allem die Maschine, die ihn so aufgeregt hat. Wenn er bis jetzt noch nicht angegriffen hat, hat er sich vielleicht beruhigt.“ „Meinst du, diese neuen MI haben mit ihm zu tun?“ Ich schüttle entschieden den Kopf. „Die Roboter? Nein, auf keinen Fall. Du hast gesehen, was die mit uns gemacht haben, das hätte Nemo nie zugelassen! Er weiß, dass wir… er weiß, was wir sind. Er ist fehlgeleitet, ja, aber er behandelt uns alle wie seine kleinen Brüder. Nie… so.“ Die Erinnerungen an den Bunker kommen wieder hoch und mir wird kalt. Noct drückt mich fest an sich, ich vergrabe mein Gesicht in seiner Schulter. Langsam lässt das Zittern wieder nach. Ich weiß, dass dieses klamme Gefühl bleiben wird. Dieser Schatten… wie die Narben an meinen Hand und Fußgelenken. Das ist für immer. Aber meine Freunde sind bei mir, und mit ihnen… solange ich sie habe, folgt noch auf jede Nacht irgendwann ein neuer Tag. Allein der Gedanke an sie hat mich bis nach Hause gebracht, vom anderen Ende der Welt aus. Das zu wissen tut gut. „Also haben wir mindestens zwei Feinde da draußen“, schlussfolgert Ignis, „Denjenigen, der diese neuen MI baut und kontrolliert, und diesen Kapitän Nemo.“ „Vergiss die Sicher nicht“, fügt Gladio hinzu, „Der Wall hält sie ab, aber er zehrt an Noct’s Kräften. Und dann ist da noch Rashin… den können wir, denke ich, auch mitzählen.“ „Das ist wenigstens nur ein politischer Feind.“ „Trotzdem… sicher, dass wir dich allein lassen können, Noct? Sollen wir nicht doch lieber bleiben?“ „Nein, ihr geht alle drei brav euren Urlaub genießen.“ Nocts Worte sind bestimmt, seine Stimme kräftig, die Haltung so aufrecht, wie es ihm mit mir im Arm möglich ist. „Ich bin ja nicht allein, die Zitadelle ist gut besetzt, und Moncia und Dustin sind ja jetzt auch noch nicht SO furchtbar alt. Zwei Wochen komme ich locker klar, und falls doch was ist, hab ich euch auf den Schnellwahltasten. Lasst also einfach die Handys an, wenn ihr euch Sorgen macht, ja? Ich melde mich. Und wenn‘s nur zum Kings Knight zocken ist.“ „Stimmt ja, seit dem dritten Teil kann man sich ja auch auf große Distanz verbinden.“ Gladio seufzt tief, ergibt sich aber in sein Schicksal. Er wäre so oder so die Zeit ausgefallen… vielleicht fällt es ihm gerade deswegen so schwer zuzulassen, dass Noct mich und Ignis auch wegschickt. Aber er kommt klar, das hat Noct gesagt, also wird er es auch so meinen. Ich jedenfalls freue mich auf Hammerhead. Ein bisschen Zeit mit Cidney verbringen. Gibt noch ein paar Fleckchen in der Werkstatt, die wir noch nicht zweckentfremdet haben. Und viel zu reden. Ich hoffe wirklich, das Kind ist nicht meines… klar, die Alimente könnte ich mir schon leisten, am Geld liegt‘s nicht. Aber der Gedanke, Vater zu sein… das geht einfach nicht. Nicht ich. Nicht mit seiner DNS. Ich weiß nicht, wann ich eingeschlafen bin oder wer mich ins Bett gebracht hat, aber ich wache gut eingepackt in meinem eigenen Bett auf. So viel Fürsorge habe ich als Kind nur ein paar Jahre lang genießen können… bis das Geld knapp wurde und meine Mutter auch arbeiten gegangen ist. Dann war wieder Geld da, aber meine Eltern habe ich kaum noch gesehen. Nicht mal an meinem letzten Tag hier in der Stadt, als ich ihnen voller Stolz die neue Uniform zeigen wollte, war jemand zu Hause. Ob sie wohl gekommen wären um sich zu verabschieden, wenn sie gewusst hätten, was passiert? Dass es die letzte Chance war, einander zu sehen? Den Angriff der Niffen hat keiner von beiden überlebt. Ich hätte mich gerne noch vernünftig verabschiedet, ihnen gesagt, dass sie stolz auf mich sein können, dass was aus mir geworden ist. Seufzend befreie ich mich aus der warmen Decke. Nur noch den Koffer packen, Noct und den anderen auf Wiedersehen sagen und dann ab nach Hammerhead. Zu Cidney. Ich freu mich drauf. Auch auf Takka und die anderen im Ort, die staubige Luft, die vielen Autos, der Geruch der Werkstatt… wären die Umstände nicht so übel gewesen hätte es mir sicher gefallen, eine Weile dort zu wohnen. Vielleicht auch in einer richtigen Wohnung im eigentlichen Ort statt im Wohnwagen an der Tanke. Und ohne die Kopfschmerzen. Zwei Wochen… ich werde Noct fleißig schreiben in der Zeit und zurückkommen, sobald mir etwas komisch vorkommt. Ansonsten bin ich tatsächlich sicher, dass er auch gut ohne mich klar kommt. Es ist leichter, mal eine Weile weg von ihm zu sein, jetzt, da ich weiß, dass er wirklich nur eine Autofahrt entfernt ist. Drei Stunden im normalen Tempo, aber in der Not… Cidney hat mein Auto nach Hammerhead schleppen lassen und etwas aufgemotzt, bevor sie es nach Insomnia weitergeschickt hat. In der Not kann die Karre fliegen. Ich muss nur aufpassen, dass ich die Landung nicht verpatze. Hin bleibe ich aber sicherheitshalber auf der Straße und fahre langsam. Und vorsichtig, Augen auf der Straße, und was Ignis mir vor dem Losfahren noch alles eingeschärft hat. Links und Rechts schauen? Allein im Auto kann ich mich ganz gut konzentrieren, da habe ich nichts, was mich vom Verkehr ablenkt, außer meinen eigenen Gedanken. Irgendwer hupt hinter mir und ich muss mich zusammenreißen, um nicht scharf zu bremsen. Wie schnell darf man hier fahren? Doch fünfzig? Die hab ich drauf, also hetz nicht so. Immer diese Choleriker auf der Straße. Der Verkehr hier in Insomnia wird auch jeden Tag schlimmer. Vermutlich wegen der Baustellen – die Wohnviertel im Norden und Westen sind fast komplett dicht, und wegen der U-Bahn wird überall der Boden aufgerissen. Viele Straßen sind immer noch zerstört, der Rest teilweise gesperrt. Wo noch Autos fahren, Verzeihung, stehen können hängen riesige Plakate. Nächste Woche finden Wahlen statt, ganz klassisch mit Papier und Urne diesmal, für einen Bürgermeister und einen offiziellen Wahlminister. Als Ergebnis muss ich mir im Ampelstau jetzt Rashins hässliche Fresse anschauen, wie sie drei Meter hoch neben der Straße hängt. Ich verkneife es mir, meinen Mittelfinger in die Richtung zu heben, weil der eigentliche Rashin es eh nicht sehen würde. Außerdem hat Ignis mich mehrfach ermahnt, beide Hände am Lenker zu lassen. Der Choleriker hinter mir hupt schon wieder. Ein kurzer Blick zurück nach vorne bestätigt mir, dass die Ampel grün, der tiefergelegte Zweisitzer vor mir aber noch nicht losgefahren ist. Ein weiteres Hupen, und diesmal sehe ich, dass die Karre wirklich nicht läuft. Ich ziehe die Handbremse an, steige aus und gebe Starthilfe. Läuft, ich schaffe es sogar noch, selbst über die Kreuzung zu kommen, bevor die Ampel wieder rot wird. Der hinter mir hat weniger Glück, fährt aber trotzdem. Im Gegensatz zu mir weiß er wohl nicht, dass an der Stelle öfter geblitzt wird. Man merkt, dass man die Stadtgrenze passiert hat, wenn der Verkehr plötzlich wieder flüssig wird und einem niemand mehr an der hinteren Stoßstange klebt. Als ich damals im Regalia aus der Stadt gefahren bin, hat man auch deutlich den Unterschied in der Straßenbeschaffenheit gespürt, aber heute fährt man auch im Stadtzentrum streckenweise auf Kies und Schlaglöchern. Nun, nicht mehr lange – sobald die U-Bahn einigermaßen fixiert ist werden die Straßen renoviert. Jetzt, wo Noct wieder da ist, geht es schnell mit dem Wiederaufbau. Sollen die Leute gegen die Monarchie wettern, so viel sie wollen, Noct weiß, wie man sich um ein Land kümmert. Ihm ist die Verantwortung dafür schon in die Wiege gelegt worden, im Gegensatz zu den demokratischen Politikern, denen ich teilweise nicht mal die Verantwortung für eine Schildkröte übertragen möchte. Auf der Hauptstraße habe ich endlich meine Ruhe, sowohl vom Verkehr, der hier raus deutlich flüssiger ist, als auch vor den Wahlplakaten mit ihren Köpfen und Parolen. Näher an Hammerhead kommen sie wieder, mit anderen Gesichtern und denselben Sprüchen – für Heimat und Ehre, gegen die Alleinherrschaft des Königs! Ja ne ist klar. Hauptsache mal gegen den Typen, der eure Wahlversprechen einlöst. Als ob Noct unbedingt regieren wollte… der hätte es gerne jemand anderem überlassen, wenn jemand Kompetentes da gewesen wäre. So wie Ravus in Tenebrae… hübsch lächeln und winken, aber die Politik macht der gewählte Kanzler. So hätte es hier auch laufen können, aber wir hatten ohne Noct ja keinen fähigen Regenten. Dabei haben wir es echt versucht mit der Partei der Königstreuen. Ignis hat sich so viel Mühe gegeben, und Monica war auch richtig gut. Nur die Wähler wollten nicht… vielleicht hätten wir auch mehr Energie in den Wahlkampf stecken sollen statt in die Umsetzung unserer Ziele? Mehr reden, weniger tun? Ist es das, worum es bei der Demokratie geht, einen Stillstand zu erwirken, in dem sich die Parteien gegeneinander blockieren, damit niemand Zeit hat, Blödsinn anzustellen? Wenn die Taktik wenigstens neue Kriege vermeiden würde wäre das ja gut, aber so ist es dann ja auch nicht gelaufen. Ich ziehe auf den Parkplatz vor der Werkstatt, deren Rolltor nun wieder offen steht. Hier ist ordentlich was los, anscheinend ist Cidney dabei, nachzuholen, was in ihrer Abwesenheit liegen geblieben ist. Nicht weniger als zehn Autos stehen in und um die Werkstatt, manche mit offensichtlichen, manche mit diskreteren Schäden. Cidney selbst steckt wie so oft mit dem ganzen Oberkörper unter einer dampfenden Motorhaube. Sie ist natürlich auch schon lang keine zwanzig mehr, aber der Anblick ist immer noch bezaubernd. „Na, viel zu tun?“, frage ich locker. „Prompto! Was machst du denn hier?“ Cidney strahlt direkt, als sie unter der Motorhaube hochkommt, und umarmt mich stürmisch. Dass sie immer noch ihren Schraubenschlüssel in der Hand hat und voll mit Motoröl ist, stört dabei keinen von uns. „Hab ein wenig Urlaub bekommen und dachte, ich kann die nächsten zwei Wochen vielleicht hier zubringen, wenn es dich nicht stört. Vielleicht kann ich dir ja wieder etwas zur Hand gehen?“ Mein Blick schweift über die vielen halb schrottreifen Autos in der Werkstatt, ein paar Hände mehr könnten hier sicher nicht schaden. „Oh du kennst mich, ich komme gut klar“, meint Cidney gespielt abweisend, „aber wenn du dich unbedingt nützlich machen willst, fällt mir sicher etwas ein.“ Sie zwinkert, ich grinse. Cidney fällt immer etwas ein, wenn sie die Chance wittert, einen Mann herumzuscheuchen. Und meistens ist es die Mühe wert – mein Auto kann nicht umsonst fliegen. Und wenn‘s mal um fremde Autos geht komme ich erst recht auf meine Kosten. „Na dann. Ich helf wie immer gern.“ Allein der Geruch ihrer Haare mit dem des Motoröls… ich könnte sie ewig so halten, wenn ich nicht loslassen müsste, damit wir uns um die halbtoten Autos kümmern können. „Aber sag, dass du mich so in aller Öffentlichkeit umarmst… hast du nicht einen Ruf zu verlieren?“ Cidney winkt nur ab und kriecht wieder in den Motorraum des Pickups. „Ach was, dich nimmt doch keiner als Konkurrenz wahr.“ Autsch, das tat weh. „Außer Paul vielleicht, aber den hab ich eh abgeschossen.“ „Kommt der nicht in Frage für…“ „Das Baby? Eigentlich schon, deswegen hätte ich ihn ja gerne ohne Schutzausrüstung zum Mond geschickt. Du glaubst ja nicht, wie der sich aufgeführt hat… wenn’s von ihm ist, hab ich ein echtes Problem.“ Cidney sieht ernsthaft besorgt aus, so habe ich sie noch nie gesehen. Mir wird klar, dass sie hier ohne Cid ganz allein ist; ganz allein mit diesem Kind klar kommen und nebenher die Werkstatt schmeißen müsste. Nur sie und die durchreisenden Männer, die zwar gerne ihr, aber sicher keinem Baby helfen wollen. „Die anderen beiden haben jetzt auch nicht so super reagiert, aber die sind wenigstens bereit, Alimente zu zahlen. Ich will echt ehrlich sein, wenn das Baby erst mal kommt, kann ich hier ne Weile dicht machen, und dann wird’s eng mit dem Geld. Mitarbeiter kann ich mir so schon nicht einstellen… und ich merk ja jetzt schon wie’s läuft, wenn man mal ein, zwei Monate krank ist. Jede Menge Backlog durch die treuen Kunden, aber der Rest fällt aus. Dauert ne Weile, bis ich hier wieder so frei bin, dass ich neue Kunden annehmen kann, und mit jedem, der an der geschlossenen Werkstatt vorbei fährt, verliere ich einen zukünftigen Kunden an die Konkurrenz.“ „Ist nicht einfach, selbstständig zu sein, was?“ Ich stemme einen Kleinwagen auf die Hebebühne. Ein Insomnisches Model, also eigentlich ein gutes Auto, wenn man mal von der eingedellten Front absieht. Zu spät in die Kurve gelenkt? Sieht jedenfalls aus, als müsste man da was ausbeulen. „Bei dem gehört ne neue Vorderachse rein“, informiert mich Cidney, „Der Motor ist noch gut, für die Karosserie hab ich auch Ersatzteile. Nur wegen der Lichter musst du schauen, da wollen jetzt alle diese neuen Spezialstrahler gegen Siecher.“ „Kann ich verstehen“, versichere ich Cidney, „Aber unter dem Wall sind wir sicher.“ „Zumindest, solange wir ihn haben, ja. Hier reden alle davon, dass der König uns doch nur wieder im Stich lassen wird, wenn es eng wird. Scheiß Propaganda, natürlich, aber irgendwo stimmt’s. Noctis hat auch nur begrenzt Kraft und er wird im Ernstfall auch nur schützen, was er eben kann, und wir fallen eben schnell mal raus.“ „Der Wall hatte hunderte von Jahren in der Größe Bestand“, erwidere ich, „Wenn keine Armee an die Tür klopft wird es Noct nicht schwer fallen, ihn über ganz Lucis zu halten. Und die anderen Reiche sind friedlich.“ „Bis auf diese Magitech, die überall auftauchen. Und die stören sich nicht an dem Wall.“ Ich blicke von der zerstörten Achse auf. Cidney sieht mir an der Motorhaube vorbei direkt in die Augen und ich muss mich abwenden. „Wenn sie hier agieren können, sind es wohl wirklich nur Roboter, keine echten Magitech“, überlege ich, „Und wenn sie schon innerhalb des Walls sind… wurde denn jemand hier angegriffen?“ „Wir sehen sie nur rumschleichen“, gibt Cidney zu, „In die Stadt kommen sie nicht. Aber die Leute, die hier durchkommen, erzählen von Angriffen, einige Autos haben Einschusslöcher oder Dellen, die ich von solchen Attacken kenne. Ich glaube jedenfalls, dass hier Magitech unterwegs sind.“ „Ich weiß, dass es welche gibt, ich hab gegen sie gekämpft.“ Und verloren. Zu meiner Verteidigung: Die waren eindeutig in der Überzahl. Sehr eindeutig. „Und wir haben darüber geredet, also, die Jungs und ich. Wenn ihr hier Gleven braucht, die Wache stehen, kann ich welche organisieren.“ „Ne, Takka und ich kommen schon klar. Die trauen sich hier nicht hin. Nach dem, was ich so höre, wären Straßenpatrouillen sinnvoller. Da sind auch zwei, die hier mit einem Wohnwagen durchkommen, so ein grimmiger Typ mit seiner kleinen Schwester. Blutjung, aber haben ordentlich was drauf.“ „Callus und Nora etwa? Ja, die wissen, was sie tun.“ „Kann sein. Die meisten Leute fühlen sich sicherer, wenn sie den Wohnwagen sehen. Das Wappen des Königshauses hat schon noch einen gewissen Effekt auf die Leute, es ist nur, dass sich alle wünschen, es würde mehr getan werden. Und das Vertrauen fehlt… wir haben alle Angst, wieder ‚draußen‘ gelassen zu werden.“ „Immerhin habt ihr hier draußen Strom.“ „Stimmt ja, Insomnia ist komplett dunkel bei Nacht. Wie ist denn das passiert?“ Ich zucke die Schultern. „Keine Ahnung, irgendein Ausfall im Kraftwerk. Gehört alles diesem Rashin, schätze, dem ist der Wahlkampf im Moment wichtiger als Troubbleshooting. Lieber erst mal den König vom Thron stoßen, bevor man sich über die Stromversorgung der Stadt Gedanken macht.“ „Ist ja im Moment nicht sein Problem, was? Manche Männer sind echte Arschlöcher.“ „Na, der eine auf jeden Fall, und dieser Paul definitiv auch. Soweit ich weiß, bekommt die Stadt aber zum Teil schonwieder Strom aus Lestallum, der nur angeschlossen werden musste. Erst mal nur für wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser und die Baustellen, aber der Rest rückt nach, wenn Rashin bis dahin immer noch nicht liefern kann.“ „Noctis bewegt wenigstens was, hm? Der hätte hier ruhig auch mal hallo sagen können.“ „Hat er noch vor, Noct ist nur bis jetzt nicht wirklich aus dem Palast gekommen. Zu viel zu tun mit dem ganzen Mist, der da liegen geblieben ist.“ Ich bin fertig damit, das Auto auseinanderzunehmen, jetzt muss ich es nur mit den neuen Teilen wieder zusammenbauen. Die Farben der Ersatzteile passen nicht wirklich zusammen, aber das macht nichts, weil Cidney später eh den ganzen Wagen neu lackiert. Tut gut, wieder einfach schrauben zu können… in offenen Motorräumen herumzukriechen liegt mir definitiv eher, als stocksteif neben einem Stuhl zu stehen, bis alle Wirbel knacken. „Morgen ist hier Wahl…“, seufzt Cidney und knallt die Motorhaube zu, „Und ich hab keine Ahnung was ich wählen soll.“ „Was steht denn zur Auswahl?“ „Insgesamt fünf Parteien. Immerhin waren die diesmal so freundlich, ihren Bürgermeisterkandidat mit aufs Plakat zu schreiben. Bisher hab ich immer die Königstreuen gewählt, aber die treten diesmal nicht an…“ „Ja, weil wir den König eh beraten. Noct will lieber jemanden, der auch wirklich aus dem Volk kommt, statt aus dem Adel, meint, das käme besser an gegen Rashins Propaganda.“ Ich schiele nochmal über die Wahlplakate, die überall an der Tankstelle hängen, wo sie die Autofahrer stören. „‘Heimat und Ehre‘ fällt flach, so viel ist eh klar. ‚Die der Götter‘ sind auch bis zum Rand voll mit Propaganda. ‚Die Krieger des Lichts‘ waren glaub ich nicht ganz schlecht, die setzen sich zumindest für die Leute ein. ‚Drachenherz‘ ebenso, die haben fleißig gegen die Maschine protestiert, auch wenn sie ziemlich extrem vorgegangen sind.“ So extrem, dass es viele Wähler wieder abgeschreckt hat. Aber die Idee war nicht verkehrt… der Maschine sind zu viele Leute zum Opfer gefallen. „Bleibt noch ‚Naturgewalt‘, die würden am liebsten alle Technik aufhalten und überall Blumen pflanzen. Die würd ich nicht wählen, die verbieten uns am Ende noch, mit dem Auto zu fahren.“ „Dann wäre ich meinen Job los.“ „Jap, und nicht nur du.“ Wenn Noct nicht zurückgekommen wäre würde ich ja auch in der Autoindustrie arbeiten, und da hatte ich viele Kollegen. In Forschung und Entwicklung ebenso wie beim Bau… Die Autoindustrie in Insomnia boomt, und wir sind durchaus daran interessiert, saubere Motoren zu bauen. Solche, die mit wenig Sprit weit kommen und dabei möglichst nicht aus dem Auspuff stinken wie manches niflheimer Fabrikat. „Aber alle Parteien sind gegen den König, oder?“ „Nicht unbedingt so direkt wie ‚Heimat und Ehre‘, aber ja, die würden natürlich alle gerne selber regieren, weil sie meinen, sie könnten es besser. Selbst ‚Die der Götter‘, die ja eigentlich damit klarkommen müssten, wen die Götter da eingesetzt haben… aber hey, man kann ja immer noch behaupten, Noct gäbe sich nicht genug Mühe.“ Cidney seufzt tief. Das Auto, das sie repariert hat, läuft wieder einwandfrei, und sie fährt es auf den Parkplatz, wo der Besitzer es abholen kann. Bis sie das nächste Auto in Position gebracht hat, habe ich den Kleinwagen schon wieder zusammengesetzt und heruntergelassen. Der Versicherung zu Liebe ist Cidney diejenige, die ihn abschließend prüft und in den Lackierraum fährt. „Immerhin wählen wir diesmal nur einen Bürgermeister“, meint sie, als sie zurückkommt, „Der tut dann hoffentlich wirklich nichts, als dem König zu sagen, was wir hier an Anliegen haben. Bleibt natürlich zu hoffen, dass er unterwegs nicht die Worte verdreht.“ „Im Zweifelsfall hast du meine Handynummer für den kurzen Dienstweg“, erinnere ich zwinkernd. „Stimmt auch wieder. Jetzt hast du ja wieder eines, das funktioniert… Tut mir echt Leid, dass ich dir unterstellt habe, du hättest mich blockiert.“ „Ach was, da bin ich doch fast froh drüber… ich hätte mir nie verziehen, wenn ich dich da mit reingezogen hätte.“ „Ich kann kämpfen, das weißt du.“ „Kann ich auch, und trotzdem hab ich verloren. Ich hätte dich nicht verjagt, wenn ich die Gegner für einfach gehalten hätte. Was ich an dem Abend zu dir gesagt habe…“ „War nur Mittel zum Zweck, das ist mir klar. Du wolltest mich da weg haben, damit ‚die‘ nur dich kriegen. Es ist spät und wir haben schon einiges geschafft heute, wollen wir kurz was trinken? Ich hab kühles Bier drinnen…“ „Immer gerne. Also… alles vergeben und vergessen?“ „Alles außer das Baby. Danke, dass du dem Test zugestimmt hast.“ „Gerne doch.“ Auch wenn ich echt immer noch hoffe, dass es nicht meines ist. „Und… wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen, ja? Ich kann jederzeit hier aushelfen, wenn Noct mich nicht braucht.“ „Lieb von dir, Prompto. Ich sag‘s nur ungern aber ich komme sicher darauf zurück.“ Cidney klopft mir liebevoll auf die Schulter und schiebt mich in den hinteren Bereich der Werkstatt, wo eine Tür in die Wohnung führt. Zu kühlem Bier und was der Abend noch bereithält. Ich freu mich, wieder hier zu sein. Soll Gladio doch lästern, weil Cidney mich nie heiraten wird… ich brauche nicht mehr, als ich jetzt habe. Mit ihr zusammen in der Werkstatt zu arbeiten und danach gemütlich zusammensitzen, vielleicht zusammen baden… Damit kann ich gern bis an mein Lebensende glücklich sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)