Welt ohne Grenzen von SoraNoRyu ================================================================================ Kapitel 13: Tag (Gladiolus Amicitia) ------------------------------------ Zwei Wochen ist es jetzt her, dass Callus und seine kleine Schwester den armen Sunny hier hergebracht haben. Anfangs war kein Pieps aus dem Kerl rauszubringen, die ersten Tage hat er nur reagiert, und das auch nicht besonders schnell oder gut. Ignis hat ihn ein wenig angefüttert, und nach ein paar Tagen habe ich ihn zum ersten Mal beim Joggen erwischt. Nicht besonders gut, aber mehr hätte ich auch nicht erwartet von jemandem, dessen Muskeln praktisch vor Hunger abgestorben sind. Ich hab ihn ein, zwei Mal aufgehalten, um ihn zum Trinken zu überreden, hab ihm ein Ohr abgekaut über Proteine und Muskelaufbau, aber viel kam nicht zurück. Nur Schweigen und dieser hilflose Hundeblick, der einem bei lebendigem Leib das Herz rausreißt. Einmal hat er sich sogar von mir ins Krähennest schleifen lassen, weil er vor Hunger fast umgekippt wäre. Geredet hat er kein Wort, aber ich hatte zumindest den Eindruck, dass er zuhört. Inzwischen glaube ich, seine tägliche Route zu kennen. Ich laufe deutlich schneller als er und in die andere Richtung, je nachdem, wie gleichmäßig er vorwärts kommt und welchen Weg ich laufe begegnen wir uns an immer anderen Stellen. „Morgen Sunny!“, grüße ich, als er mir entgegen kommt. „Guten Morgen.“ Fast wäre ich einfach normal weitergelaufen, da holt mein Hirn mich doch noch ein. „Wowowow, warte mal!“, rufe ich, drehe auf dem Absatz um und beschleunige mein Tempo, bis ich den dürren Blondschopf eingeholt habe, „Du kannst ja sprechen!“ Sunny weicht fast erschrocken zurück und wird etwas rot. Ich passe mein Tempo an um bequem neben ihm zu laufen – bisschen langsam, aber er macht seine Sache nicht ganz schlecht. „Kommst langsam ein bisschen an, was? Schon eingewöhnt hier?“ Ich weiß, dass Noct sich immer noch Stress macht wegen Prompto. Diese ganze Unsicherheit, ob er es nun ist oder nicht… darauf habe ich auch keine Antwort. Ich bin aber auch nicht der Richtige, um über sowas nachzudenken, das müssen Leute wie Ignis machen, die mehr Hirn als Muskeln im Körper haben. In einem sind Noct und ich uns einig: Solange wir nichts sicher wissen, ist Prompto nicht tot. Und solange Prompto nicht tot ist, mache ich mir keinen Stress. Sunny antwortet mir nicht, aber sein ‚Guten Morgen‘ eben war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, damit kann ich arbeiten. Wenn er nicht redet, übernehme eben ich das Blabla. „Du läufst immer dieselbe Strecke, oder? Lust, mal eine von meinen Routen mitzugehen?“ Schweigen, dann ein vorsichtiges Nicken. „Super, dann komm hier lang. Siehste mal was anderes.“ Ich winke ihm, mir zu folgen, und Sunny joggt hinter mir her wie ein braver Hund. Die gewählte Route ist keine Herausforderung, aber bei Sunnys Trainingsrückstand noch anspruchsvoll genug. Wer weiß, wenn er vom Laufen anständig geschafft ist, lockert das vielleicht auch seine Zunge. Und die Gegend ist schön, da sieht man auch was von der Stadt und den neu gepflanzten Grünanlagen. Ich verstehe nicht viel von Politik, aber Noct und Ignis scheinen ihre Sache gut zu machen – die Ruinen werden langsam weniger, es werden Gebäude restauriert, die es dringend brauchen, und die Menschen, denen wir beim Joggen begegnen, sehen zufrieden aus und grüßen uns freundlich zurück, wenn wir ‚hallo‘ oder ‚guten Morgen‘ rufen. Sunny scheint es noch viel Mut zu kosten, aber er schafft es, jeden zu Grüßen, der uns entgegen kommt - manchmal sogar mit einem Lächeln. Und er freut sich sichtlich, dass die anderen zurück grüßen. „Wird langsam hier in der Stadt“, greife ich das Gespräch wieder auf, „Macht unser König schon nicht schlecht. Die Sporthalle ist auch wieder aufgebaut, und wir haben einen coolen neuen Trainingsparcours für die Konigsgleven und die Garde. Lust, dir den mal mit mir anzusehen? Du machst mit Schusswaffen, oder?“ Irgendwas war da jedenfalls von wegen MI Scharfschütze oder so. Sunny nickt, diesmal tatsächlich untermalt von stimmlicher Zustimmung. Der taut ja heute richtig auf. „Gut gefrühstückt hast du ja, oder? Hat Ignis dir was Schönes gekocht?“ Wieder ein Nicken und Brummen. Ich werde ja inzwischen von meiner Frau verköstigt, aber ein wenig neidisch bin ich schon manchmal wenn ich höre, was Noct und Sunny so serviert bekommen… Und da kommt mein Hausarzt noch und meint, ich soll mit dem Cholesterin aufpassen. Bah. Dabei ist mein Blutdruck völlig in Ordnung, seit Noct wieder da ist. Ich plaudere munter weiter, während Sunny langsam die Luft ausgeht, und führe ihn schließlich zu unserem Trainingsplatz. Das hier war kein offizieller Bauauftrag, das war Teamarbeit. Die Männer und Frauen der Garde haben gute Arbeit geleistet, der neue Parcours ist richtig super geworden. Total High Tech, mit Monstersimulationen, Kistenclowns und Ballwerfern, denen man ausweichen muss, um ans andere Ende zu kommen. Für die offensiven Abschnitte gibt es sogar elektronische Punktezähler, und man kann die Aufgabe mit jeder Waffe bewältigen. Perfekt für die Männer des Königs. Sunnylein braucht noch einen Moment, um zu verschnaufen, in der Zeit suche ich ihm eine Waffe aus. Keine echten Waffen – auch die Dinger hier sind elektronisch. Ich wähle eine normale Handfeuerwaffe, wie Prompto sie getragen hat, und ein Maschinengewehr. Mal sehen, was er damit macht, wenn ich ihn erst mal am normalen Stand schießen lasse. Das Ergebnis ist ziemlich ernüchternd – in dem Moment, in dem er das Maschinengewehr in der Hand hat, erstarrt Sunny praktisch zu Stein. Ich kann direkt sehen, wie das Licht aus seinen Augen weicht, als er die Waffe auf die Zielscheiben richtet und abdrückt. Die Trefferquote ist mit beiden Waffen erbärmlich. „So wird das nichts, Hündchen, du schießt ja wie ein MI. Mach dich mal locker!“ Ich packe Sunny an den Schultern und drücke ihn herunter, nicht grob, aber doch so, dass er eigentlich nachgeben müsste. Mann ist der steif… Ein Flashback von der Kaserne? „So triffst du mit hundert Schuss keinen Behemoth, mein Freund. Du bist doch kein Roboter, vorhin sah das besser aus.“ Meine Worte sind gemein, aber eigentlich will ich ihn nur provozieren, sich wieder normal zu bewegen. Seine Schultern geben nur langsam etwas nach, immer noch hält er sich verkrampft an der Waffe fest. Ich lasse meine Hände zu seinen dürren Ärmchen herunterwandern, knete die Muskeln ein bisschen weich und packe ihn schließlich an der Hüfte, um ihn soweit aus der Balance zu bringen, dass er sich selbstständig bewegen muss, um sich aufrecht zu halten. Es funktioniert, Sunny fängt ein wenig an zu zappeln und lässt leise Protestlaute hören. Endlich windet er sich unter meinem Griff und ich fange an, ihn zu kitzeln und in den Schwitzkasten zu nehmen. Er schaffte es, sich freizustrampeln. Ich nutze den Moment seines Triumphes, lobe kräftig und schubse ihn unvermittelt in den Parcours. „Und los!“ Der erste Gegner springt aus seiner Kiste, so unvermittelt plötzlich, dass Sunny vor Schreck fast auf dem Hintern landet. Er fängt sich gerade so, gibt eine Salve aus seinem Gewehr ab und springt weg, als das Monster auf den Weg hinter ihm fällt. „Lauf!“, fordere ich und jogge außerhalb des Parcours mit, um ihn weiter zu beobachten. „Sehr gut, das wollte ich sehen!“ Gemeinerweise habe ich die Schwierigkeit recht hoch eingestellt. Nicht, damit er scheitert – er soll nur nicht nachdenken. Der Trick funktioniert, Sunny bewegt sich. Er ist schnell, treffsicher, und seine Manöver sind die eines Mannes der Königsgarde. Cool, ausgelassen, individuell. Behände wechselt er zwischen beiden Waffen hin und her, springt über Hindernisse hinweg, rollt sich vor Angriffen davon und schießt alles nieder, was der Aufbau an Gegnern zu bieten hat. Am Ziel angelangt muss er die Hände auf die Knie stützen, um wieder Luft zu bekommen. Ich schlage ihm lachend mit der Hand auf den Rücken und er fällt hilflos auf die Matte am Boden. „Sehr gut, volle Punktzahl!“, lobe ich, „Wir sollten dir ne Uniform besorgen, Sunnyboy!“ Sunny lacht, erst leise, dann richtig ausgelassen. Dachte mir doch, dass der Sport ihm gut tut… so mit zerzausten Haaren sieht er fast wirklich aus wie Prompto. Aber ganz im Ernst, nach der Leistung – wer sollte er auch sonst sein. Klar, Prompto ist gesprächiger, aber das wird schon, wenn er erst mal wieder Fuß fasst. Ich war ja auch nicht ich selbst, als Noct nicht da war. Ich stimme in das Gelächter mit ein, schubse Sunny, als er aufseht, um noch ein kleines Wrestlingmatch zu provozieren, bevor ich ihn völlig ausgepowert weiterschicken muss. „Morgen wieder?“, rufe ich ihm noch nach. Sunny lacht heiser und schüttelt den Kopf. „Okay, dann sehen wir uns übermorgen. Selbe Zeit!“ Hat der doch tatsächlich den Nerv, mir den Vogel zu zeigen. Aber er wird kommen. Den hol ich mir schon. Morgen ist erst mal Noct dran, der wird mir langsam dick auf seinem Thron. Bisschen Sport nach dem Frühstück wird ihm gut tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)