Mondlicht und Sonnenwind von Lizard (aus den Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 3: Vertrauen -------------------- Vorbemerkung: Ich bedanke mich wieder für alle bisherigen Kommentare. Und da einige von euch sich im zweiten Kapitel über diese kleine Szene mit Sesshoumaru und dem Messer gewundert haben, möchte ich dazu noch eine Erklärung abgeben: Inspiriert wurde ich zu dieser Szene durch einen Fünfzehnjährigen, den ich mal flüchtig kannte. Dieser Junge hatte die Angewohnheit langsam, demonstrativ und mit unbewegter Miene seine Zigarettenkippe am Handrücken auszudrücken, wenn er etwas Gewichtiges zu sagen hatte. Das sollte offensichtlich seine Coolness und Stärke unterstreichen (in der Ethologie (Verhaltensforschung) wird so ein Gehabe auch Imponierverhalten genannt^^). Ich schätze, seine von ehemaligen Brandblasen vernarbten Hände hat der Kerl heute noch (denn dummerweise verfügen Menschen ja nicht über Dämonenheilkräfte, *grins*). Doch zurück zu meiner Geschichte: im letzen Kapitel lernte der jugendliche Leibwächter Seto seinen herrschaftlichen Schützling und den jungen Wolfshundedämon Yoshio näher kennen. Daneben gab es erste Anzeichen, dass dem Westen eine beunruhigende Zeit bevorsteht. Kriegerische Konflikte bahnen sich an... Enjoy reading! Kapitel 3: Vertrauen Tief in Gedanken versunken stand Kage, der Heerführer des Westens und Hauptmann der Fürstengarde, auf einer Anhöhe nahe einem Dornenwald und blickte auf die vor ihm liegende Ebene. Kage gehörte dem Clan der dämonischen Flughunde an und die zunehmende Dunkelheit der hereinbrechenden Neumondnacht schenkte ihm ein angenehm schützendes Gefühl. Die Nacht war sein Verbündeter, mehr noch als für viele andere Dämonen. Am helllichten Tage fühlte er sich dagegen extrem unwohl. Umso beruhigter war er, dass das Ereignis, auf das er momentan warten musste, nachts geschehen würde. Auf etwas warten zu müssen ist allein schon unangenehm genug. Am schlimmsten ist jedoch die Erwartung einer Schlacht. Kage war ein Krieger seit er denken konnte. Seit langer Zeit schon diente er dem Gebieter des Westens als Heerführer. Er war dessen Stellvertreter und Helfer in mannigfaltigen Kriegen, die der Inu no Taishou immer wieder führen musste, um seine Herrschaft zu sichern. Auch bevor Kage seine hohe Stellung in der Heeresführung besaß, hatte er bereits viele Jahrhunderte auf der Seite des Hundeherrn gekämpft. Vor weitaus längerer Zeit war das allerdings anders gewesen, einst waren Kage und Inutaishou Feinde. Damals, in einer Zeit, als die Menschen gerade erst begannen sich auf der Erde zu verbreiten, herrschte in Japan das Chaos. Das Land war durch dämonische Machtkämpfe zerrissen und verheert gewesen. Auch Kages Clan, der aus fernen Landen vertrieben worden war, hatte sich auf der Suche nach einer neuen Heimat an diesen Kämpfen beteiligt. Es war furchtbar gewesen. Die dämonischen Kriege weiteten sich aus und rissen Unbeteiligte mit hinein. Ganze Stämme, Rassen und Familien wurden komplett ausgelöscht. Das alles hätte schließlich fast die ganzen japanischen Inseln vernichtet. Doch inmitten dieser Zeit des Schreckens und der Finsternis begann auf einmal ein neuer Stern zu erstrahlen. Unerwartet wie ein geheimnisvoller Komet, dessen gleißendes Licht das dunkle All durchbricht, tauchte Inutaishou im Westen auf. Die damals Mächtigen nahmen erst kaum Notiz von ihm, für sie war er zunächst bloß irgendein Fremder. Niemand hatte vorher etwas von ihm und dem Clan der weißen Hunde gewusst. Aber Inutaishou sorgte schnell dafür, dass er beachtet und bekannt wurde. Innerhalb kürzester Zeit kämpfte er sich an die Spitze der Dämonen und räumte dann im wirren, ausgebluteten Land gründlich auf. Der damals noch sehr junge Hundedämon überraschte alle. Er befreite sich oft aus größter Gefahr und den unmöglichsten Situationen, er führte seine Gefolgsleute aus scheinbaren Niederlagen zum Sieg und machte Unglaubliches wahr. Zudem hatte er etwas an sich, das ihn zum Anführer prädestinierte, das ihm unendliche Bewunderung und Begeisterung einbrachte. Etwas, das andere anzog und das seine Getreuen dazu brachte alles für ihn zu tun. Sie starben sogar voller Freude für ihn. Woher diese unbeschreibliche Loyalität und diese Anziehungskraft kam, die der Herr der Hunde ausstrahlte, war nicht leicht zu erklären. Vielleicht lag es daran, dass Inutaishou meist sehr selbstlos handelte, es entsprach nun mal seiner Art andere zu beschützen. Vielleicht lag es auch an seiner verführenden Vision von Versöhnung und Frieden sowie an seiner Bereitschaft jedes Lebewesen, sei es noch so bedeutungslos, grundsätzlich zu achten und anzuerkennen. Trotzdem war das sicher nicht alles. Das Charisma des Hundefürsten blieb ein genauso großes Rätsel wie er selbst. Dagegen und gegen den festen Glauben, den Inutaishous Gefolgsleute in ihren Herrn setzten, kam kein Feind an. Diejenigen wie Kage, die diese Sachlage rechtzeitig erkannten und darin eine Chance auf ein neues, besseres Leben sahen, unwarfen sich Inutaishous Führung. Viele seiner ehemaligen Feinde machte Inutaishou sich daraufhin zu Freunden und Verbündeten, manche davon wurden sogar seine glühendsten Anhänger. Diejenigen allerdings, die nicht auf eine gewaltsame Durchsetzung eigener Machtansprüche verzichten wollten, mussten den Preis bezahlen, den Zerstörung mit sich bringt. Sie wurden buchstäblich von der Erde getilgt, nichts von ihnen blieb übrig, nicht einmal ihre Namen blieben in Erinnerung. Nachdem die verheerenden, dämonischen Dominanzkämpfe beendet waren, teilten die siegreichen Mächte das Land unter sich auf und befriedeten es dadurch. Inutaishou übernahm die Herrschaft im japanischen Westen und mit dem Beginn seiner Herrschaft begann auch eine großartige, friedliche Blütezeit im Land, eine Art goldenes Zeitalter brach an. Der neue Dämonenherr im Westen wurde von allen hoch geachtet, er wurde auch von ebenso starken oder sogar von noch mächtigeren Wesen aus entfernten, anderen Reichen respektiert. Doch Ruhm und Glück des einen bringt oft Neid und Gier des anderen mit sich und so wurde der Glanz der goldenen Epoche wieder getrübt. Das Schicksal ging nicht dauerhaft gnädig mit Inutaishou um, er wurde betrogen. Ausgerechnet einige seiner engsten Vertrauten verrieten ihn und bildeten den Kern einer schrecklichen Verschwörung. Diese Verschwörung endete schließlich in einem Krieg, der so grässlich gewesen war, dass ihn alle überlebenden Beteiligten nur noch vergessen wollten und nie wieder darüber sprachen. Das war eine sehr traurige und schmutzige Geschichte gewesen, die wohl dunkelste Episode in Inutaishous Herrschaft bisher, die auch den Hundeherrn selbst fast gebrochen hätte. Zudem verschoben sich im Laufe der Zeit im Norden, Osten und Süden die Machtverhältnisse oder es bauten sich neue Mächte auf, die ebenfalls oft zu neuer Gewalt und weiteren, grausamen Kämpfen um die Vorherrschaft führten. Einfach deswegen, weil es immer wieder welche gab, die nicht akzeptieren konnten, dass da jemand existierte, der größer und besser als andere war. An der Spitze kann zwar nur einer stehen, aber es gefällt eben kaum jemanden, wenn ein Stern alle anderen überstrahlt. „Kage-sama?“ Ein junger, schlanker und sehr flink wirkender Dämon kniete hinter dem Heeresführer und sprach ihn schüchtern an. Aus seinen Erinnerungen gerissen drehte sich Kage zu ihm herum. Der junge Dämon war noch neu im Heer des Westens, Kage wusste nicht einmal, welcher Art er angehörte. Er wusste nur, dass dieser ursprünglich vom Festland stammte und wohl so etwas ähnliches wie eine Bergziege war. So jemand war sehr vertraut mit gebirgigem Gelände und daher ideal geeignet für die Mission, mit der Kage vom Inu no Taisho betraut worden war. „Die Krieger sind bereit“, fuhr der junge Dämon fort, „wir können nun aufbrechen und die Falle für Akechi vorbereiten. Der Inu no Taishou hat seinem Heer soeben den Befehl zum Aufbruch gegeben und wird uns somit die nötige Ablenkung und Deckung schenken.“ „Hervorragend“, sagte Kage und schlang seinen langen Umhang enger um sich, „nun kommt alles auf unsere Geschicklichkeit und den Überraschungseffekt an. Akechi darf auf keinen Fall an uns vorbei und durch die Düsterschlucht kommen. Schafft er und seine Armee es über die Donnerberge und vereinigt sich dieser Verräter mit dem Donnerstamm, haben wir versagt und das Vertrauen, das der Inu no Taishou in uns setzt, enttäuscht. Das darf nicht geschehen.“ „Es wird nicht geschehen“, meinte der junge Krieger schlicht. In seinen Augen lag die feste Überzeugung, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. Und Kage sah darin das ihm altbekannte Vertrauen, die Verehrung und sogar die tiefe Zuneigung, die dem Herrn der Hunde entgegen gebracht wurde. Das war und blieb Inutaishous wirkliche Macht und wohl seine größte Stärke. Auf seine wahren Getreuen konnte sich der Herrscher des Westens bedingungslos verlassen. Nicht nur auf dem Schlachtfeld, auch in der friedlichen Heimstatt des Fürsten, im gut geschützten Schloss des Westens, wurde währenddessen gewissenhaft jede Pflicht erfüllt. Alles dort lief seinen gewohnten Gang, so dass niemand etwas von den weit entfernten Bedrohungen und bevorstehenden Kämpfen im Donnergebirge bemerkte. Allerdings war Pflichterfüllung nicht immer leicht, diese Tatsache wurde insbesondere dem jungen Soldaten Seto mit jeder Stunde deutlicher. Genau zwanzig Stunden hatte Seto bisher als Leibwächter in der Nähe von Inutaishous Sohn verbracht und er war sich schon lange nicht mehr sicher, dass ihm seine ehrenvolle Position gefiel. Der direkte Umgang mit Sesshoumaru war prinzipiell nicht das Problem, denn der kleine Dämon ignorierte seinen Bewacher einfach komplett. Dummerweise hatte das aber zur Folge, dass sich sein Schützling nichts von Seto sagen ließ. Außerdem hatte Seto niemals zuvor Erfahrung mit kleinen Dämonen gesammelt. Daher hatte er absolut keine Vorstellung davon, was ein Kind alles anstellen konnte, insbesondere wenn es sich um ein Kind mit chronischer Selbstüberschätzung handelte. Nur ungern erinnerte sich der junge Soldat an den vorigen Nachmittag, als Sesshoumaru mit dem Wolfshundedämon Yoshio auf Vogeljagd gewesen war. Zunächst schien das alles eine recht harmlose Sache zu sein. Seto hatte nur nicht damit gerechnet, dass es sich bei den Vögeln, die sich der Prinz als Beute auserkoren hatte, um Habichte handelte, die in der Krone vom höchsten Baum eines alten Buchenwalds brüteten. Die Greifvögel hatten einen guten Platz für ihr Nest und ihren Schutz gewählt, Sesshoumarus Versuche die Tiere von unten her mit Wurfpfeilen abzuschießen, blieben durch das dichte Blätterdach ziemlich fruchtlos. Doch das hielt den Dämonenjungen nicht ab, gepackt vom Jagdfieber sprang er, gefolgt von Yoshio, einen Baum hinauf. Aufwendige Kletteraktionen gehörten eigentlich nicht zum normalen, angeborenen Verhaltensrepertoire eines Hundes und Seto hatte sich derartiges Können erst mühsam antrainieren müssen. Deshalb war er sehr überrascht wie spielerisch leicht Sesshoumaru das beherrschte. Seine Überraschung wandelte sich jedoch schnell in Entsetzen, als er beobachtete, wie der kleine Fürstensohn die Baumkronen erreichte und sich über sehr dürre und leicht brechbare Äste an seine Jagdbeute heranpirschte. Es kam wie es kommen musste, Sesshoumaru stürzte ab. Yoshio, der schwerfällig hinter dem Dämonenprinzen hergeklettert war, versuchte ihn noch im Fall zu erhaschen, griff aber ungeschickt daneben. Schleunigst sprang Seto hinzu, um den kopfüber stürzenden Jungen aufzufangen. Bevor er ihn allerdings erreichte, gelang es Sesshoumaru seinen Fall von alleine abzubremsen. Nachlässig schwebte er zwei bis drei Meter über dem Boden in der Luft, drehte er sich in eine aufrechte Stellung und sah sich nachdenkend um. Als wäre absolut nichts passiert, flog er daraufhin zu dem Ast eines anderen Baums und versuchte von dort aus erneut sein Glück. Währenddessen beruhigte Seto seinen Herzschlag und erhöhte seine Alarmbereitschaft, was sich als gute Idee erweisen sollte. Es blieb nicht bei einem Absturz, der zweite folgte nur wenige Minuten später. Denn die erschreckten Habichte hatten beschlossen ihre Jäger zu attackieren. Gegen Dämonenkrallen konnten einfache Vögel eigentlich nichts ausrichten. Aber sie sorgten dafür, dass Sesshoumaru in seinem Übereifer, während er nach den Vögeln schlug, das Festhalten vergaß und erneut von einer Baumspitze herab sauste. Dabei fiel er dieses Mal unglücklicherweise direkt auf Yoshio, woraufhin beide den Weg nach unten antraten. Im Gegensatz zu Sesshoumaru, der viele Talente seines mächtigen Vaters besaß, gehörte Yoshio genau wie Seto zur Mehrzahl der Hundedämonen, die nicht fliegen konnten. Sesshoumaru packte seinen mit ihm herabstürzenden Freund daher und versuchte Yoshio mit sich zusammen in der Luft zu halten. Aber der Dämonenprinz war schließlich noch ein Kind, seine Fertigkeiten und dämonischen Kräfte waren noch lange nicht ausgereift. Yoshio war zu schwer für ihn. Trotzdem ließ er den Älteren nicht los und wurde so mit in die Tiefe gerissen. Seto, dessen Hilfe diesmal eindeutig nützlich zu sein schien, fing beide auf. Das Gewicht der zwei auf ihn fallenden Dämonen drückte ihn zu Boden und bescherte ihm mehrere blaue Flecken und Beulen. Dank erntete Seto für seinen Einsatz nicht. „Warum mischt du dich ein? Ich hätte das schon selbst geschafft“, fauchte Sesshoumaru ihn kurz an, bevor er ihn wieder völlig ignorierte und sich eine neue Strategie für seine Vogeljagd überlegte. Seto hätte Sesshoumarus Behauptung gern widersprochen, hatte aber natürlich kein Recht dazu seinen hochrangigen Schützling zu kritisieren und musste schweigen. Yoshio, dem durch Seto einige unangenehme Blessuren erspart worden waren, schwieg ebenfalls. Er sah nicht ein, warum er sich bei dem Soldaten bedanken sollte. Immerhin hatte Seto den Wolfshundedämonen in der Vergangenheit nicht nett behandelt und ziemlich gemein verspottet. Zum Glück kam es nicht zu weiteren Unfällen, weil kurz darauf ein von Inutaishou ausgeschickter Diener erschien und den Prinzen ins Schloss holte, damit sich der Fürst von ihm verabschieden konnte. Als Sesshoumaru erfuhr, dass sein Vater ihn sehen wollte und fort musste, vergaß er sofort alles andere. Die Verabschiedung zwischen Vater und Sohn war kurz. Sie wirkte zudem ziemlich steif und förmlich, fand Seto. Vielleicht zeigte der Herr des Westens intime Gefühle wie Zuneigung nicht gern. Inutaishou hatte kaum etwas gesagt, auf Fragen seines Sohns zu dem bevorstehenden Feldzug antwortete er nicht und Sesshoumarus Bitten ihn begleiten zu dürfen wehrte er energisch ab. Nach einer flüchtigen Umarmung seines Sprösslings sowie einem kurzen Nicken in Setos Richtung war er dann gegangen und hatte mit dem Großteil der fürstlichen Garde das Schloss verlassen. Daraufhin zog sich Sesshoumaru enttäuscht und schmollend in sein Zimmer zurück. Seto war auch enttäuscht, dass er zurückbleiben und so auf einen spannenden Kampf verzichten musste. Stattdessen durfte sich der junge Leibwächter vorwurfsvolle Fragen von seinem älteren Partner und Lehrmeister Tamahato gefallen lassen, denn diesem war ein zerrissener Ärmel von Sesshoumarus Haori aufgefallen. Nachts gab es schließlich noch eine Aufregung, weil Sesshoumaru versuchte sich aus dem Schloss zu schleichen, um heimlich seinem Vater zu folgen. Nach seiner Entdeckung durch Tamahato, der mit so einem Fall aus Gewohnheit gerechnet hatte und sich zusammen mit zwei Wachposten dementsprechend vorbereitet hatte, wurde der kleine Prinz mühsam wieder zurück ins Bett verfrachtet. Und Seto, der das Ausreißen seines Schützlings prompt verschlafen hatte, bekam seine nächste Strafpredigt serviert. All diese Erfahrungen in den letzten zwanzig Stunden hatten Seto seine Freude am Dienst mittlerweile ziemlich verleidet, doch man konnte ihm zumindest zugute halten, dass er nicht so leicht aufgab. Trotz seiner Frustration befahl ihm sein Stolz jetzt erst recht weiter zu machen. Er würde sich doch nicht von einem Kind unterkriegen lassen! So saß er nun am frühen Vormittag in einem hellen, mit hübschen Malereien geschmückten Raum und hörte sich einen Vortrag über das Wachstum und den Nutzen von Ginko an. Der Vortragende war ein ehrwürdig wirkender, weiser Dämon mit langen, blaufarbenen Haaren und sanfter Stimme. Er trug den Namen Ieyasu, diente Inutaishou als Heiler und unterrichtete den Fürstensohn unter anderem in Pflanzenkunde. Für Hunde war das nicht gerade das spannendste Thema, doch zumindest konnte Sesshoumaru während dieser Lehrstunde nichts anstellen, das ihn hätte in Gefahr bringen können, und das empfand Seto als ziemlich erholsam. Als nächstes stand Kampfunterricht bei Tamahato auf dem Stundenplan, worauf Seto schon sehnsüchtig wartete. In dieser Zeit würde auch er sein tägliches Trainingspensum absolvieren und konnte so zumindest für einige Zeit seinem Leibwachdienst entfliehen. Er hoffte nur inständig, dass Tamahato sich nicht an den Vorschlag Inutaishous erinnerte, Sesshoumaru und Yoshio könnten zusammen mit Seto üben. Erfreulicherweise fanden Sesshoumaru und Yoshio diesen Vorschlag auch nicht besonders toll, so war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es eine getrennte Ausbildung gab. Nach Beendigung der langweiligen Schulstunde in Pflanzenkunde stellte Seto jedoch fest, dass sich Tamahato weder an Wahrscheinlichkeiten noch an die Vorlieben seiner ihm anvertrauten Schüler hielt. Das Kampftraining fand wie gewohnt draußen auf dem Sandplatz vor dem herrschaftlichen Hauptgebäude statt. Setos freudige Erwartung und all seine Hoffnungen schlugen sofort in Missvergnügen um, als er neben seinem wartenden Partner den Wolfshundedämonen Yoshio entdeckte. Tamahato begrüßte erst ehrerbietig den Fürstensohn und zeigte dann auf einen nahe liegenden, mit verschiedenen, versteckten Fallen versehenen Hindernisparcours. „Den durchquerst du zusammen mit Yoshio“, befahl er Seto, „wenn einer von euch in eine Falle gerät, sich verletzt oder zu lange zögert und nicht weiterkommt, fangt ihr beide wieder von vorne an.“ „Aber...“ begann Seto. „Ohne Widerreden“, fügte Tamahato scharf hinzu und reichte den beiden Hundedämonen je zwei Unterarmschützer, „und versucht keine betrügerischen Tricks, ich behalte euch im Auge. Los, fangt an!“ Yoshio und Seto warfen sich kurz einen verdrießlichen Blick zu, streiften sich die erhaltenen Armschoner über und gingen widerwillig zum Parcours. Tamahato wandte sich inzwischen Sesshoumaru zu, gab ihm ein kleines, auf seine Kinderhände abgestimmtes Schwert, das er extra hatte anfertigen lassen, und ermunterte den Fürstensohn damit einige Schwünge vorzuführen. Auch wenn seine Aufmerksamkeit jetzt scheinbar nur dem Jungen galt, wusste Seto, dass Tamahato sehr wohl gleichzeitig auch auf die beiden älteren Jugendlichen achten konnte und würde. Deshalb machte er sich ohne weiteres Zögern an die gestellte Aufgabe. Das erste Hindernis, das ihn und Yoshio erwartete, war eine hohe Bretterwand. Flink sprang Seto drüber und wich sofort geschickt winzigen, pfeilartigen Holzgeschossen aus, die überraschend auf ihn zugeflogen kamen, kaum dass der Hundedämon mit den Füßen den Boden berührte. Yoshio kam erst beim zweiten Versuch über die hohe Wand, mit irgendwelchen versteckten Waffen rechnete er überhaupt nicht. So wurde Seto, der sich bereits an die nächste Hürde wagte und sich vorsichtig durch einen mit spitzen Eisendornen gespickten Säulenwald bewegte, von einem Schmerzenslaut aufgehalten. Verärgert brach der Soldat seinen Hindernislauf ab und kam zu Yoshio zurück. Der Wolfshundedämon zog sich gerade mit leicht kläglichem Gesichtsausdruck mehrere Holzspitzen aus den Schultern und der Brust. „Na wunderbar“, war Setos Kommentar dazu, „jetzt müssen wir den Regeln entsprechend beide wieder von vorn beginnen. Musst du denn schon bei der ersten Schwierigkeit versagen?“ „Woher sollte ich denn wissen, dass so etwas passiert?“ gab Yoshio wütend zurück: „Ich habe so was doch noch nie zuvor gemacht!“ „Das hier ist ein Kampftraining, Wolfi“, betonte Seto, „kein harmloses Kinderspiel. Du hättest dir eigentlich denken können, dass hier einige überraschende Herausforderungen auf dich warten!“ Zögernd begutachtete Yoshio die Wunden, die er sich zugezogen hatte und die, typisch für Dämonen, rasch begannen zu heilen. „Was erwartet uns noch alles in diesem Parcours?“ fragte er. „Das weiß ich auch nicht vorher“, antwortete Seto unwirsch, „so ein Hindernislauf ist jedes Mal anders gestaltet. Das ist ja der Sinn der Sache, dass du nicht weißt, was dich erwartet, und so lernst blitzschnell auf jede Situation zu reagieren... Hast du Schiss davor dir weiter weh zu tun? Wenn es dich beruhigt, die Fallen sind so ausgelegt, dass sie dich nicht ernsthaft verletzen oder umbringen.“ „Danke, ich komm schon klar“, erwiderte Yoshio bissig. „Na, hoffentlich, sonst werden wir hier nie fertig... Ich hoffe, du hast dir wenigstens gemerkt, von woher die Holzspitzen geschossen kamen und stellst dich jetzt weniger dämlich beim Ausweichen an. Übrigens sind die Armschoner, die uns Tamahato gegeben hat, nicht nur zur Dekoration da. Damit kannst du dich zusätzlich vor Verletzungen schützen.“ Dieses Mal verzichtete Yoshio auf eine Antwort und gab nur ein ärgerliches Knurren von sich. Die beiden jungen Hundedämonen gingen an den Anfang des Parcours zurück und starteten erneut. Allerdings gelang es Yoshio erst nach zwei weiteren Versuchen das erste Hindernis verletzungsfrei zu bewältigen. Durch die eisendornigen Säulen danach kam er zunächst gut bis auf einmal eiserne Klingen in Kniehöhe aus den Säulen schnappten und den Wolfshund an den Beinen erwischten. Das dritte Hindernis, das beim wiederholten Durchgang auf die jugendlichen Dämonen wartete, war ein plötzlich einbrechender Boden mit darunter liegender Fallgrube. Danach galt es einen dunklen Tunnel mit einem dicht verwobenen Netz aus hauchdünnen und messerscharfen Drahtseilen zu durchqueren und dabei auf am Boden verteilte Sprengkugeln zu achten. Hier blieb Yoshio sehr häufig hängen, erhielt Schnittwunden oder zog sich Verbrennungen zu, weil er versehentlich Sprengsätze berührte und auslöste. Deshalb dauerte es lange bis die Trainierenden das fünfte Hindernis, eine äußerst schmale, über eine Feuergrube führende und wackelige Brücke erreichten. Bei Hindernis Nummer sechs, einem verzweigten Gang, in dessen Nischen kleine, bisswütige, niederdämonische Skorpione und Schlangenmonster lauerten, riss Seto schließlich der Geduldsfaden. „Du bist wirklich der unfähigste Tollpatsch, der mir jemals untergekommen ist“, fuhr er Yoshio an. Dieser war kurz davor von einer Schlange gebissen und fast völlig gelähmt worden, vergeblich versuchte er sich nichts von seinen Schmerzen anmerken zu lassen. Fluchend packte Seto ihn und schleppte ihn zu Tamahato. „Es reicht“, beschwerte er sich dort, „so komme ich nicht voran. Dabei kann ich doch nichts lernen, wozu soll so ein Training denn gut sein?“ Tamahato, der Sesshoumaru gerade einige Schwertattacken an einem Bambusstecken ausprobieren ließ, unterbrach den Eifer seines kleinen Schülers und drehte sich ruhig zu Seto um. „Was ist dein Problem? Sind die Fallen zu schwer für dich?“ „Die Fallen machen mir keine Schwierigkeiten“, schimpfte Seto und deutete zornig auf Yoshio, „dieser Anfänger ist das Problem.“ Tamahato antwortete mit einem leicht zynischen Lächeln. „Ist das so? Dann muss ich dir wohl erst demonstrieren wie du dieses Problem lösen kannst... Sesshoumaru-sama, würdet Ihr bitte Euer Schwert beiseite legen und mich begleiten?“ Daraufhin führte Tamahato den Fürstensohn zum Hindernisparcours und bat ihn über die erste Hürde, die Bretterwand, zu springen. Obwohl er wusste, dass ihn da eine unbekannte Falle erwartete, zögerte Sesshoumaru keinen Augenblick und sprang sofort. Blitzschnell tat Tamahato es ihm nach, er überholte den Jungen im Sprung, landete schützend vor ihm und fing dabei die ihm entgegen schießenden, hölzernen Pfeilgeschosse mit seinen Armschonern ab. Danach wandte er sich an Seto, der von der Seite her zugeschaut hatte. „Verstehst du den Sinn deines Trainings nun?“ fragte er seinen jüngeren Partner: „Du sollst hier nicht deine eigene Stärke beweisen, sondern gemeinschaftlich handeln. Es ist leicht Gefahren und Hindernisse zu überwinden, wenn man nur für sich selbst verantwortlich ist. Doch es ist schwer, wenn man dabei auf einen anderen achten muss. Dass Yoshio diesen Parcours nicht geschafft hat, war nicht seine, sondern deine Schuld. Nicht er, sondern du hast versagt. Durch dein Versagen wurde Yoshio verletzt. Denn aufgrund seiner Unerfahrenheit kann er so etwas ohne deine Hilfe gar nicht bewältigen. Das ist die Aufgabe der Stärkeren: den Schwächeren zu helfen und sie zu beschützen! Und jetzt fang nochmals von vorn an!“ Zerknirscht leistete Seto der Aufforderung Tamahatos Folge und machte sich erneut daran mit Yoshio den Hindernisparcours zu durchqueren. Widerstrebend behielt er den Wolfshundmischling nun dabei wachsam im Auge, warnte ihn vorzeitig, half ihm, wenn er mit etwas nicht zurecht kam, und schirmte ihn gegebenenfalls vor Gefahren ab. Da die beiden auf diese Weise weitaus besser und schneller voran kamen, gewährte Seto seine Hilfe bald bereitwilliger und störte sich schließlich nicht einmal mehr an der Tatsache, dass er nun häufiger Blessuren kassieren musste. Dadurch gewann Yoshio, der sich jetzt kaum mehr vor Verletzungen fürchten musste, zunehmend an Vertrauen. Letztendlich empfanden beide sogar Freude und Stolz, als sie gemeinsam das letzte Hindernis gemeistert hatten und unversehrt durch den Parcours gekommen waren. Auch wenn keiner von ihnen das offen zugab. Zum Abschluss seines lehrreichen Unterrichts stellte Tamahato seine beiden jugendlichen Schüler noch vor eine ganz besondere Herausforderung. Erneut schickte er sie durch den Hindernisparcours, dieses Mal allerdings zu dritt, zusammen mit Sesshoumaru. Für den kleinen Dämonenprinzen waren fast alle Hindernisse eigentlich zu schwer, aber diese Tatsache war ihm entweder nicht bewusst oder völlig gleichgültig. Er ließ sich nicht davon abhalten immer alles als Erster und allein ausprobieren zu wollen. Hilfe nahm er nur äußerst ungern in Anspruch und so wurde es eine extrem anstrengende Aufgabe für Seto und Yoshio, als sie Sesshoumaru oft nur im letzten Augenblick vor Verletzungen schützen konnten. Für Tamahato, der das Training sorgsam überwachte, war das ein unterhaltsames Schauspiel. Erst ein Wachposten, der wild gestikulierend auf ihn zu gerannt kam, lenkte seine Aufmerksamkeit ab. „Tamahato... äh, ich meine Tamahato-sama...“ Trotz seiner Hast vergaß der Wachsoldat nicht, dass der alte Soldat momentan die höchste Befehlsgewalt im Schloss inne hatte und dementsprechend ehrerbietig angesprochen werden musste. „Was ist denn los?“ „Wölfe...“ brachte der Krieger aufgeregt hervor, „wir wissen nicht wie und woher, aber ein Rudel Wölfe ist an der Südmauer aufgetaucht. Sie haben es irgendwie geschafft den Schutzbann des Schlosses zu durchbrechen. Es ist kaum zu glauben, aber... Wir werden angegriffen!“ Soweit das dritte Kapitel. Ob die jungen Hundedämonen wohl etwas aus Tamahatos lehrreichen Lektionen gelernt haben? Weise Ratschläge des Alters sollte man beherzigen, aber die Jugend besitzt eben auch viel Vorwitz und ist nur schwer zu bändigen. Im nächsten Kapitel werden alle im Schloss des Westens auf eine Bewährungsprobe gestellt. Es gibt Ärger, unvermeidlichen Streit und endlich mal wieder ein bisschen Action. Denn nun steht der Auftakt zu einem geheimnisvollen Intrigenspiel bevor... Über Kommentare freue ich mich sehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)