A New Life von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 16: Weg mit dem Blut ---------------------------- Es war also wieder passiert, das Virus hatte die Kontrolle übernommen, und dieses Mal hatte es das nicht getan, um Piers zu retten, sondern um Chris anzugreifen. Und offenbar reichte ihm einfaches Töten nicht aus, es wollte Spaß dabei haben, sich amüsieren. Dieses Virus, es war wirklich seltsam. Dass es ihn kontrollierte, war noch irgendwie nachvollziehbar. Piers wusste, dass so etwas möglich war, dass auch der Plaga-Parasit ähnlich funktioniert hatte. Menschen, die eigentlich ganz normal wirkten, die keine Zombies waren, keine wirklichen BOWs. Natürlich hatte er auch Mutationen hervorgerufen, aber nicht immer. Doch das, was dem jungen Soldaten Angst machte, war die Tatsache, dass dieses Virus in ihm nicht nur seine Handlungen kontrollierte, sondern ein komplettes Eigenleben zu haben schien, so, als besäße es ein komplett eigenes Bewusstsein. Und das war das Ungewöhnliche und wirklich Gefährliche an der ganzen Sache. Und genau deshalb mussten sie nun schnell handeln, bevor etwas noch Schlimmeres passierte. Piers wollte niemanden verletzen, er wollte nicht irgendwann vollkommen gegen das Virus verlieren. Momentan schien es so, als müsse es sich ab und an zurückziehen, als wäre es nicht stark genug, ganz Herr über den Körper des Scharfschützen zu werden. Warum sonst sollte es sich nur ab und an regen. Und das mussten sie nutzen, so lange es noch so war, so lange Piers noch irgendwie er selber war. Er wusste, wie riskant die Prozedur sein würde, gerade in seinem geschwächten Zustand. Die zwei Wochen im Labor waren kein Wellnessurlaub gewesen, ebenso wenig die Zeit davor im Krankenhaus. Seit Jake ihn gerettet hatte, hatte Piers nur wenig Zeit gehabt, sich wirklich richtig auszuruhen und zu erholen. Und auch jetzt konnte er sich diesen Luxus nicht erlauben, so sehr er es sich auch gewünscht hätte. Aber jede Sekunde zählte, und schlafen konnte er immer noch, wenn all das vorbei war, wenn der Plan wirklich funktionierte. Piers wusste durchaus, dass es ihn umbringen konnte, aber dieses Risiko mussten sie nun einmal eingehen. Er wollte nicht sterben, schon gar nicht nach allem, was er jetzt überlebt hatte, aber sie hatten nun einmal keine andere Wahl. Wenn das Virus wirklich so sehr an seinem Blut haftete, dann musste es weg, um jeden Preis. Und wenn er dabei starb, dann war es eben so. Sein Leben war doch ohnehin in Gefahr, und so war es wenigstens wirklich nur seines. Solange das Virus in seinem Körper war, war Piers eine Gefahr für alle Menschen um ihn herum. Es konnte jederzeit die Kontrolle übernehmen, konnte stärker werden, ihn vielleicht sogar nach Belieben mutieren lassen. Und Piers wusste, wie mächtig er in mutiertem Zustand war, er hatte es selber erlebt. Und er konnte auf keinen Fall zulassen, dass diese Stärke missbraucht wurde, um andere Menschen zu verletzen oder gar zu töten. Auch Chris hatte das endlich begriffen, auch wenn er es auf die harte Tour hatte lernen müssen. Noch immer spukten diese Momente in seinem Kopf herum. Piers, kontrolliert vom Virus, dann seine eigenen Hände um den Hals des Jüngeren. Wenn er auf diese hinab sah, spürte er das Zudrücken, den harten Puls, der gegen seine Finger schlug. Der Soldat schüttelte den Kopf, atmete tief durch und schloss die Augen. Das, was er bei alledem am wenigsten spürte, waren die Schmerzen, die ihm Piers' Schläge zugefügt hatten. Der Bereich um seine Rippen herum war leicht bläulich bis lila, und eigentlich bemerkte Chris den Schmerz bei jedem Atemzug, aber der innere Schmerz war deutlich stärker und überschattete den physischen. Er wusste, dass er keine Wahl gehabt hatte, dass er Piers hatte aufhalten müssen. Und er wusste auch, dass der junge Soldat ihm in keinster Weise böse war und sich eher selber Vorwürfe machte, obwohl er nichts dafür konnte, dass das Virus ihn kontrolliert hatte. Sie mussten es los werden, und sie mussten es schnell tun. Seufzend blickte der Brünette auf sein Handy, mit dem er zuvor Leon und Sherry angerufen hatte. Die Beiden hatte er im Eifer des Gefechts total vergessen, und als Sherry ans Telefon gegangen war, hatte sie beinahe panisch geklungen. Sie war gemeinsam mit dem Special Agent, wie abgesprochen, zu den Koordinaten des Labors gefahren, und dort war alles zerstört gewesen, niemand war mehr dort gewesen, und ihr war das Herz in die Hose gerutscht. Mehrmals hatte sie anschließend versucht, Chris zu erreichen, aber er war nie an sein Handy gegangen, und sie hatte es langsam aber sicher mit der Angst zu tun bekommen. Sie hatten sogar eine halbe Ewigkeit lang alles um den zerstörten Bereich herum abgesucht. Leon hatte dann, nachdem sie nichts gefunden hatten, vorgeschlagen, bei der B.S.A.A. um Informationen zu bitten, doch trotz seiner Verbindung zur Regierung, und obwohl die Leute dort wussten, dass er ein Bekannter von Chris war, hatte man ihm jegliche Informationen verweigert. Also hatte er entschieden, gemeinsam mit Sherry zu Chris' Haus zu gehen, und auf dem Weg dorthin hatte das Handy der Blonden geklingelt. Chris hatte sie beruhigt, dass soweit alles in Ordnung war und auch berichtet, dass Piers am Leben und bei ihnen war. Auf Leons Frage hin, ob sie dennoch vorbeikommen sollten, hatte der Soldat abgelehnt, die Beiden jedoch gebeten, zum Krankenhaus der B.S.A.A. zu gehen, und dort Bescheid zu geben, dass sie Piers wieder dorthin bringen würden. Er hatte versprochen, alles zu erklären, sobald sie sich sahen, dann hatte er aufgelegt und die Zwei mit eher dürftigen Informationen einfach stehen lassen. Aber Leon und Sherry waren der Bitte nachgekommen und hatten sich auf den Weg zum Krankenhaus gemacht, um dort Bescheid zu geben. Auf die Frage, warum Chris sich nun doch anders entschieden hatte, hatten sie jedoch keine Antwort, und so bereiteten die Ärzte erst einmal ein normales Zimmer vor und warteten auf die Ankunft des Patienten. Sie wollten helfen, das wollten sie unbedingt, und nachdem sie von dem Verrat erfahren hatten, von Jackson und Anderson, hatten sie sich vorgenommen, Piers so gut wie nur irgendwie möglich zu behandeln. Chris sollte ihnen vertrauen, sollte verstehen, dass sie nur das Beste wollten. Natürlich hatten sie Angst vor dem Virus, das einfach keiner zu verstehen schien, aber sie wollten natürlich auch, dass es dem Soldaten gut ging, dass er sich nicht wie ein Gefangener fühlte, sondern wie ein Patient. Denn ein solcher war er. Ein Patient, jemand, der krank war, jemand, der Hilfe brauchte, wieder gesund zu werden. Kein Gefangener, kein Versuchskaninchen. Es war nicht verwunderlich, dass Chris nach der Aktion zuvor niemanden mehr hatte vertrauen können, und dass er deshalb auch nicht um Hilfe gebeten hatte. Piers' Entführung hätte verhindert werden können, hätten sie eher Bescheid gewusst. Aber wer hätte all das schon ahnen können. Dr. Anderson und Prof. Jackson hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise auffällig verhalten. Sie hatten den Patienten geholfen, so gut sie konnten, und vor allem Prof. Jackson hatte sich mit großer Hingabe der Erforschung jeglicher Heilmittel gewidmet. Niemand hatte ahnen können, dass ausgerechnet diese beiden Männer mit einem Mal zum Feind werden würden. Aber es war geschehen, und beinahe hätte Chris all sein Vertrauen zur B.S.A.A. verloren. Jetzt galt es, dem Soldaten zu zeigen, dass man hier auf seiner Seite war, dass man ihm wirklich helfen konnte, und dass er sich auf die Mitarbeiter hier voll und ganz verlassen konnte. Es war klar, dass der eigentliche Feind noch immer da draußen war, und sicherlich hatte er das Interesse an Piers nicht einfach verloren. Sie mussten den jungen Soldaten beschützen, so gut es ging, und wenn Chris ihn letztendlich doch wieder mit zu sich nehmen wollte, mussten sie ihn gewähren lassen. Und auch ein Gespräch mit Miss Williams war unausweichlich. Chris würde es sich nicht nehmen lassen, sich selber um diese Sache zu kümmern und den Feind ausfindig zu machen. Aber damit er das offiziell tun konnte, brauchte es das Einverständnis der Psychiaterin. Während einer der Ärzte sich nun also auf den Weg zu ihr machte, warteten die anderen weiter auf Piers' Ankunft, gemeinsam mit Leon und Sherry, und ebenso Jake, den die Blonde nach Chris' Anruf unverzüglich herzitiert hatte, ohne irgendwelche Widerworte zu dulden. Und auch Jill war ja immer noch hier, hatte ihr Zimmer vorübergehend verlassen und sich ebenfalls zu den Wartenden gesellt. Etwa fünf Stunden nach dem Vorfall hatten sich Chris, Rebecca und Piers auf den Weg zum Krankenhaus gemacht. Auch die Biochemikerin war sehr erschrocken gewesen, als Chris ihr erzählt hatte, was passiert war, und sie hatte ebenso versucht, ihm sein schlechtes Gewissen auszureden, was aber natürlich nicht funktioniert hatte. Auch jetzt war dem Soldaten noch immer anzusehen, welche Vorwürfe er sich machte, und Piers fiel auf, dass er penetrant versuchte, seinen Blicken auszuweichen. Etwas, das den Jüngeren durchaus schmerzte. Chris hatte getan, was er hatte tun müssen, er hatte keine Wahl gehabt. Das Virus hatte gestoppt werden müssen, und Chris hatte es geschafft. Klar war es riskant gewesen, aber was hätte er denn sonst tun sollen? Piers K.O. schlagen? Das Virus hatte ja klargemacht, dass das nicht klappen würde. Ja, Chris hätte es versuchen können, aber wenn es nicht funktioniert hätte, hätte er wieder keine andere Wahl gehabt. Piers' Körper brauchte Sauerstoff, um zu funktionieren, ganz gleich, wer ihn nun kontrollierte. Er war schließlich kein untoter Zombie, sondern ein lebendiger Mensch. Chris hatte das Virus erst einmal ausschalten können, und Piers war noch immer am Leben, alles war gut gegangen. Wollte Chris jetzt wirklich in Selbstmitleid versinken? Wollte er Piers so gehen lassen? Nicht wissend, ob der Jüngere je wieder aus der Narkose erwachen würde? "Sieh mich an", murmelte Piers deshalb, als sie angekommen waren und Chris noch immer seine Blicke mied. Der Ältere murrte nur, ballte die Hände zu Fäusten und blieb weiterhin mit dem Rücken zu Piers stehen. "Ist es das, was du willst, Chris? Mich ignorieren? Meinst du, das hilft? Meinst du, das ändert was? Wenn ich da drinnen sterbe, wenn ich nicht wieder aufwache, dann soll das hier der letzte Moment zwischen uns..." Doch weiter kam Piers nicht. Chris hatte sich umgedreht, eine Hand gehoben und dem Scharfschützen eine schallende Ohrfeige verpasst, die dessen Kopf zur Seite rucken ließ. Erschrocken legte der Jüngere eine Hand an die brennende Wange und starrte Chris einfach nur. Er wirkte müde und verzweifelt, aber da stand auch Wut in seinem Blick. "Wag es ja nicht, zu sterben, Piers!", knurrte er und ballte die Hände zu Fäusten. "Hab ich nicht vor, aber ich kann es nun mal nicht versprechen. Soll ich dich anlügen? Denkst du wirklich, dann geht es dir besser? Und wenn du noch tausende Male zuschlägst, es ändert nichts. Ich kann da drinnen sterben und nie wieder zurückkommen, und unser letzter gemeinsamer Moment bestünde aus dem hier..." Piers hatte natürlich Recht. Egal, was sich Chris wünschte, egal, welche Vorwürfe er sich machte, nichts änderte sich. Piers konnte bei der Prozedur sterben, das war eine Tatsache, egal, wie sehr Chris sich einredete, dass alles gut wurde. Sie wussten es nicht sicher, es war, wie Piers gesagt hatte. Er konnte es nicht versprechen, und zu lügen, um Chris sich besser fühlen zu lassen, änderte nichts an der Realität. Und natürlich wollte Chris seinen Liebsten so nicht da rein gehen lassen, aber er konnte ihn einfach nicht ansehen. Jedes Mal, wenn er in die Augen des Jüngeren blickte, sah er das Entsetzen in ihnen, wie in dem Moment, in dem er ihn erwürgt hatte. Jedes Mal hörte Chris in seinem Kopf das Röcheln, spürte er an seinen Armen die Hände, die versuchten, seine zu lösen. Er erinnerte ich an die anschließende Stille, an den kurzen Moment, in dem ihm fast das Herz stehengeblieben war, als Piers so regungslos da gelegen hatte, und Chris sicher gewesen war, ihn umgebracht zu haben. Und da brachte es auch nichts, ihm wieder und wieder zu erklären, dass er keine Wahl gehabt hatte, oder dass er getan hatte, was hatte getan werden müssen. Er wusste das alles, natürlich wusste er das. Er hatte das Virus aufhalten müssen, und das war die einzige Möglichkeit gewesen, die ihm in diesem Moment in den Sinn gekommen war. Und ja, es war gut ausgegangen. Aber all das änderte nun einmal nichts an Chris' Erinnerungen, an den Bildern, die immer wieder vor seinem inneren Auge vorbeihuschten. Nichts konnte etwas daran ändern, und ganz gleich, was noch passierte, er würde es auch niemals vergessen. Und das mussten die Anderen nun einmal verstehen, dagegen konnten sie auch nichts machen. Trotzdem stimmte es natürlich, dass Chris sich zusammenreißen musste, und dass er seinen Liebsten nicht einfach ignorieren durfte, schon gar nicht jetzt. "Es tut mir leid", murmelte er deshalb nun leise und hob die Hand wieder an, um sie an Piers' Wange zu legen. Das kurze Zucken des Jüngeren ließ auch ihn leicht zusammenzucken, und er seufzte schwer auf, ehe er es sich anders überlegte und Piers stattdessen mit beiden Armen an sich heran zog. "Das hier darf einfach nicht unser letzter gemeinsamer Moment sein. Ich habe noch so viel vor mit dir, wir hatten bisher kaum Zeit, wirklich etwas als Paar zu machen. Nach allem, was passiert ist, kann es jetzt doch nicht enden..." "Ich will das sich auch nicht. Und ich werde versuchen, stark zu seim und durchzuhalten", erwiderte Piers leise und lehnte sich seufzend gegen den Älteren, genoss die Nähe und schloss leicht die Augen. Er hatte nicht vor, hier zu sterben, und er vertraute auch darauf, dass die Ärzte wussten, was sie taten. Aber es war nun einmal ein verdammt riskantes Unterfangen, bei dem niemand sicher wusste, wie es ausgehen würde. Rebecca war schon rein gegangen, um den Ärzten überhaupt mal zu erklären, was sie vor hatten, und so hatten Chris und Piers nun noch ein paar Momente für sich, ehe sie ebenfalls rein mussten. Diese paar Minuten hatten sie also noch dort gestanden, doch irgendwann ließ sich das alles nicht weiter hinauszögern. Jede Sekunde zählte, und Rebecca hatte ihnen bereits Bescheid gegeben, dass die Ärzte mit den Vorbereitungen fertig waren und sich nun um Piers kümmern konnten. Also gingen sie schließlich zusammen in das Gebäude hinein, wo sie auch endlich die Anderen begrüßen konnten, die bisher brav und schweigend hier gewartet hatten. Neben Jill, Sherry und Leon bemerkte Chris auch Jake, der jedoch nur kurz grüßend eine Hand hob und sich dann wieder auf die Bank sinken ließ. Offenbar wusste der Söldner immer noch nicht so recht, was er nun von Chris halten sollte. Aber das zu klären, hatte Zeit, und nun gab es ohnehin Wichtigeres. Rebecca blieb nun bei den Anderen, während Chris seinen Scharfschützen zum OP begleitete. Bleiben durfte er jedoch nicht, und trotz aller Proteste verwiesen ihn die Ärzte nach einigen Minuten des Raumes. Einen letzten Blick auf Piers erhaschte Chris noch, dann wurde ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, und er stand einfach nur da, einen kurzen Moment lang wieder an den Moment erinnert, als Piers das letzte Mal hierher gebracht worden war. Auch an diesem Tag vor etwas mehr als zwei Wochen hatte Chris befürchtet, seinen Liebsten nie wieder zu sehen, und wie an dem Tag kam auch jetzt Rebecca zu ihm, griff sanft nach seinem Arm und zog ihn mit sich, damit er sich zu ihnen auf die Bank setzen konnte. Tun konnte Chris nun ohnehin nichts mehr, niemand von ihnen konnte das. Jetzt war es an den Ärzten, sich um das Virus-Problem zu kümmern, und Rebecca war sicher, dass sie ihr Bestes geben würden. Auch sie hatte einiges an Vertrauen eingebüßt durch den Verrat, aber ein Gefühl sagte ihr, dass die B.S.A.A. selber wirklich nichts dafür konnte, und dass hier fähige Leute am Werk waren, die ihnen wirklich helfen wollten. Und es waren ja auch die einzigen Leute, die wirklich helfen konnten. Sie würden es schon schaffen, da war die Biochemikerin sicher. Und wenn das hier vorbei war, wenn es wirklich klappte, dann war Piers das Virus endlich los und konnte sich richtig erholen. Das hatte der junge Soldat dann auch bitter nötig. Und auch Chris würde schließlich etwas Ruhe finden, die er ebenso nötig hatte wie der Scharfschütze. Rebecca gönnte es den Beiden, endlich richtig Zeit miteinander verbringen zu können und das Leben als Paar zu genießen. Sicherlich würde es irgendwann wieder Arbeit für sie geben, aber das konnte warten. Und selbst wenn etwas passierte, wenn es in nächster Zeit einen Ausbruch geben sollte, Rebecca schwor sich, eigenhändig dafür zu sorgen, dass sich Chris und Piers von alledem fernhielten, bis sie beide wieder voll und ganz bei Kräften waren. Doch erst einmal musste der Plan mit dem Blutaustausch funktionieren. Und natürlich gaben die Ärzte ihr Bestes, damit es auch wirklich klappte. Sie hatten alles vorbereitet, Piers an mehrere Geräte angeschlossen und unter Narkose gesetzt, und schließlich, als sie sichergestellt hatten, dass die Werte stabil waren, hatten sie mit der Blutentnahme begonnen. Es war ein riskantes Unterfangen, das war jedem der drei Ärzte und vier Schwestern klar, die sich hier mit dem Soldaten im Raum befanden. Sie mussten vorsichtig sein, langsam machen und immer wieder die Werte prüfen, damit sie den Kreislauf des Patienten nicht sofort außer Gefecht setzten. Irgendwann würde es zu einem Stillstand kommen, das war unausweichlich. Kein Körper konnte ohne Blut funktionieren, natürlich nicht, doch sie mussten es nun einmal erst gänzlich entfernen, ehe sie Piers neues Blut geben konnten. Der kleinste Rest konnte für das Virus ausreichen, und dann war alles umsonst gewesen. Und das durfte auf keinen Fall passieren, weshalb es nur umso wichtiger war, so vorsichtig wie nur irgend möglich zu sein. Immer mehr Blut verließ den Körper des Scharfschützen und wurde durch die Schläuche geleitet. Die Werte auf den Geräten wurden instabiler, Piers nach und nach blasser, und die Ärzte konzentrierten sich voll und ganz auf ihr Tun, jeder in diesem Raum funktionierte perfekt wie eine Maschine. Jeder noch so kleine Fehler konnte unverzüglich zu Piers' Tod führen, und deshalb durften sie sich keinen einzigen erlauben. Als kaum noch Blut im Körper übrig war, brach Piers' Kreislauf, wie erwartet zusammen, das Gerät, das seinen Herzschlag aufzeichnete, zeigte Nulllinie, und sofort wurden einige Positionen getauscht, der Soldat wurde über ein Gerät beatmet, und ein weiteres, das nun auf seinem Brustkorb angebracht wurde, trieb sein Herz künstlich an, auch wenn es kaum noch Blut zum Pumpen gab. Medikamente konnten sie Piers momentan nicht verabreichen, denn diese wurden ja über das Blut durch den Körper getrieben, welches in diesen Momenten aber eben entfernt wurde. Immer wieder warfen die Ärzte und Schwestern einen Blick auf die Geräte und prüften die Werte, mit hochkonzentrierten Gesichtern, bereit, das Experiment abzubrechen, wenn es wirklich nicht anders ging, denn Piers' Leben stand für sie an erster Stelle, und das war auch das, worum Chris sie noch gebeten hatte, ehe sie ihn hatten aus dem Zimmer werfen müssen. Nachdem der erste Teil nun geschafft und das Blut restlos entfernt worden war, wurden die Infusionen angeschlossen, die Piers das neue und reine Blut zuführen sollten, und nun konnten sie auch einige Mittel einsetzen, um den Kreislauf des jungen Mannes wieder in Gang zu bringen. Dieser Teil war der schwierigste, der, für den sie am wenigsten Zeit hatten, und von dem alles abhing. Nach wie vor wurde das Herz des Patienten künstlich angetrieben, und noch zeigte Piers selber keinerlei Lebenszeichen und lag einfach regungslos und teilnahmslos da, während nur seine Haut langsam aber sicher wieder ein wenig an Farbe gewann. Nach und nach wurde das verlorene Blut wieder aufgefüllt, mehrere Medikamente wurden dem Scharfschützen verabreicht, und die Ärzte beteten, dass es klappte, dass sie ihn wieder zurückholen konnten. Die Konzentration der Ärzte und Schwestern war beinahe zu greifen, und es schien, als würden sie teilweise selber den Atem anhalten, wenn sich irgendwelche Änderungen auf den Bildschirmen zeigten. Aber noch passierte nicht wirklich etwas, und nur die Geräte gaben Piers' Körper den Anschein, lebendig zu sein. Sie hatten vor gut zwei Wochen nicht aufgegeben, und sie würden es auch jetzt nicht tun. Nach und nach schien dann auch tatsächlich etwas zu passieren, und als das durchgehende Piepen nach einer Weile zum ersten Mal unterbrochen wurde, schnell und unregelmäßig, wurde das Gerät von Piers' Brustkorb entfernt und dem Kammerflimmern mit dem Defibrillator entgegengewirkt. Es dauerte, länger als die Ärzte gehofft hatten, aber es gelang ihnen. Mehrere Male wechselten sich kompletter Herzstillstand und Kammerflimmern ab, dann begann das Herz des jungen Mannes wieder aus eigener Kraft zu schlagen und stärker und regelmäßiger zu werden, und auch seine Atmung setzte nach einigen weiteren Momenten wieder ein. Sie hatten es geschafft. Das Blut war erneuert, und Piers war am Leben, sein Zustand schien sich nach und nach wirklich zu stabilisieren. Einige Minuten lang beobachteten die Ärzte das noch, und als sie sicher sein konnten, dass es wirklich überstanden war, verließen zwei von ihnen den Raum, um den Wartenden da draußen Bescheid zu geben. Es würde noch dauern, bis der junge Soldat wieder erwachte, und die Ärzte würden dieses Erwachen auch nicht erzwingen. Zunächst würden sie auch nur Chris gestatten, Piers zu sehen, für wenige Minuten, denn der Patient brauchte nun in erster Linie Ruhe, um wieder ganz zu Kräften zu kommen und nicht am Ende doch noch einen tödlichen Schwächeanfall zu erleiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)