Mit Liebe Gekocht von tobiiieee (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Naked ---------------- Sephiroth lief ein Schauer über den Rücken und er bekam eine Gänsehaut, als er Genesis‘ Finger an seiner Wange spürte. Vor Schock gelähmt sah er dabei zu, wie Genesis ihm die Haare zur Seite schob und sich zu ihm vorbeugte. Noch ehe er realisieren konnte, was geschah, hatte er die Augen geschlossen und fühlte Genesis‘ Lippen auf seinen. Der sanfte Druck auf seinem Mund ließ Sephiroth die Realität ausblenden. Die Zeit hörte auf zu existieren. Alles, was zählte, war die sinnliche Verbindung zwischen ihnen. Sephiroth war noch am nächsten Morgen zerstreut und völlig verwirrt von den Ereignissen des Vortages. Sein Magen fühlte sich merkwürdig leicht an, als er darüber nachdachte, ob der kurze Kuss, den Genesis anschließend unkommentiert gelassen hatte, etwas bedeutete. So sehr, wie er Sephiroth in seiner Morgenroutine durcheinanderbrachte, für die er an diesem Tag mindestens dreimal so lange brauchte wie üblich, musste er darauf aufbauen. Doch – wie? Konnte es wirklich sein, dass Genesis ihn … mochte? Ausgerechnet Genesis? Ein Mann? Ein Mensch? Aber warum hatte er dann nach dem Kuss nichts mehr gesagt? Und warum hatte er es plötzlich so eilig gehabt, wegzukommen? Zu einer leisen Hoffnung, die Sephiroth nicht leugnen konnte, mischten sich große Zweifel. Was sollte jemand wie Genesis von einem wie Sephiroth wollen? Kalt und gesellschaftsunfähig, wie Sephiroth nun einmal war, musste er zugeben, dass er keinen adäquaten Partner für den weltoffenen und viel erwachseneren Genesis darstellte. Hilflos seufzend setzte Sephiroth sich auf sein Bett und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie er es auch betrachtete, es drehte und wendete, er hatte ein Problem, und zwar ein großes. Und er sah sich nicht dazu in der Lage, damit umzugehen, wusste nicht, was er von sich selbst halten sollte. Er kam nicht vorwärts und nicht rückwärts. Ein Blick auf die Uhr auf dem Tisch gegenüber verriet ihm allerdings, dass er sich um seine privaten Probleme später würde kümmern müssen: Er war bereits eine gute halbe Stunde zu spät dran, um neue Kadetten willkommen zu heißen. „Wenn das publik wird, hab ich meinen Ruf als Diva weg“, flüsterte er in dem Versuch, sich selbst aufzumuntern und wieder etwas Normalität in seine aktuelle Lebenssituation zu bringen. Nach dem Treffen mit den Kadetten und einer längeren Besprechung mit Direktor Lazard war Sephiroth gerade auf dem Weg in sein Büro, als er Genesis auf dem Gang entdeckte, der in ein Gespräch mit einem Rang-3-Soldaten vertieft war. Urplötzlich fiel Sephiroth auf, wie schmerzhaft trocken seine Kehle war. Er versuchte zu schlucken, doch es fühlte sich an, als ob etwas in seinem Hals feststecken würde. Wie in Trance ging er auf Genesis zu, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was er vorhatte und was er sagen würde. Schließlich blieb er neben dem Rang-3-Soldaten und Genesis stehen; dieser bedachte ihn mit einem flüchtigen Blick, der ein leichtes Lächeln vermuten ließ. Die Unterhaltung dauerte noch wenige Minuten an, in denen Sephiroth danebenstand und fieberhaft nachdachte, wie er Genesis erklären sollte, was er nicht einmal in seinen eigenen Gedanken entwirren konnte, doch je angestrengter er überlegte, desto mehr leerte sich sein Kopf, bis sich darin reine Schwärze ausbreitete. Nachdem Genesis den Soldaten endlich entnervt verabschiedet hatte, wandte er sich an Sephiroth. Er wirkte völlig normal, als er ungezwungen fragte: „Ist noch was?“ Sephiroth fühlte sich von der simplen Frage völlig vor den Kopf gestoßen. Stockend setzte er an: „Also, eigentlich …“ Ihm war quälend bewusst, dass dies der Augenblick schlechthin war, in dem er sich auszudrücken hatte, in dem er sagen musste, was ihm sein Herz seit Stunden sachte zuflüstern wollte, und wenn er nur mit der banalen Tatsache begann, dass ihm ihr Kuss am Abend zuvor, gelinde gesagt, sehr gefallen hatte. Wenn er nur einmal anfangen würde, würde sich bestimmt alles andere schnell von selbst lösen. Mit dem festen Vorhaben, endlich jemandem zu erzählen, was Sache war, setzte er erneut an: „ … nichts, nein.“ Entsetzt von dem, was da eben aus seinem eigenen Mund gekommen war, suchte Sephiroth verzweifelt nach einer Reaktion auf Genesis‘ Gesicht, doch Fehlanzeige. „Ok“, erwiderte dieser nämlich, „dann sehen wir uns.“ Völlig unberührt drehte er sich um und setzte seinen normalen Alltag fort. Und ließ einen versteinerten Sephiroth zurück, der seiner vielleicht einzigen Chance, ein Gespräch über den gestrigen Abend mit Genesis zu beginnen, nur trauernd hinterher starren konnte. In seinem Kopf fand jetzt nur noch ein Gedanke Platz: Ich habe versagt, musste er einräumen und er ließ die Schultern hängen und starrte zu Boden. Ich habe so versagt … Kapitel 2: Weiter ----------------- Sephiroth saß auf seinem Bett. Er hielt einen Schlüssel in der Hand. Den SOLDATEN ersten Ranges waren von Shin-Ra Wohneinheiten im Hauptquartier zugeteilt, deren Türen mit einem täglich ändernden Zahlencode und persönlichen Schlüsselkarten gesichert wurden. Für den Fall, dass die Technik verrücktspielte, hatte man jedem von ihnen auch einen Schlüssel überreicht. Und vor zwei Tagen hatte Sephiroth von Genesis ein extra angefertigtes Ersatzexemplar zu dessen Wohnung erhalten. Von dieser Handlung war er noch immer sehr überrascht, da Genesis nie sehr erpicht auf seine Nähe schien und sich auch sonst eher abweisend verhielt, womit Sephiroth sich mittlerweile sogar einfach arrangiert hatte. Ihm war klar geworden, dass es auch möglich war, dass er Genesis viel bedeutete, wenn dieser es nicht direkt sagte – zumindest nicht mit Worten – und wenn er nicht jede freie Minute mit Sephiroth verbringen wollte. Umso mehr beschäftigte ihn die Frage, warum Genesis ihm ständigen Zutritt zu seiner Wohnung gewährte, anstatt weiterhin die Kontrolle darüber zu behalten, wann sie sich sahen und wann nicht. Und damit nicht genug – er hatte ausdrücklich gesagt, dass es ihm nichts ausmachte, wenn Sephiroth sich so weit bei ihm einrichtete, dass er ohne Weiteres die eine oder andere Nacht bei Genesis statt nebenan bei sich verbringen konnte. Es war ja nicht so, dass Sephiroth sich nicht freute, im Gegenteil. Jedoch musste er sich eingestehen, dass er Genesis doch vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Er drehte den kleinen silbernen Schlüssel weiter in der Hand, sah sich vom Fußende seines Bettes aus in seinem Zimmer um. Wenn er es sich recht überlegte, war es bei Genesis sowieso viel schöner als hier, wo an den Schränken, Regalen und dem Schreibtisch, alles aus dunklem Wengéholz, nichts Persönliches zu finden war – wobei, fast nichts. Im Laufe der Jahre war er an ein Schwarz-Weiß-Photo seiner bei seiner Geburt verstorbenen Mutter Lucretia gekommen*, das neben seiner Schreibtischlampe in einem schlichten Rahmen steckte. Ansonsten wäre man fast nicht auf die Idee gekommen, dass hier überhaupt jemand wohnte. Den Schlüssel weiter in seinen Händen drehend kam Sephiroth der Gedanke, dass es gar keine schlechte Idee war, teilweise bei Genesis zu wohnen. Jetzt, wo er dazu kam, darüber nachzudenken, gefiel ihm die Vorstellung sogar so gut, dass er sich fragte, warum er nicht gleich ganz bei Genesis einziehen sollte. Seufzend erhob er sich vom Bett und begann langsam, ein paar Sachen zusammenzusuchen, während er sich all die Vorteile vor allem in Sachen Zeitmanagement vor Augen führte. Er musste unbedingt mit Genesis darüber reden … Seine Sachen in einem Rucksack geschultert, zog er die Wohnungstür hinter sich zu, wandte sich nach rechts und durchquerte den Korridor, bis er zur letzten Tür kam. Er nahm den neuen Schlüssel zur Hand und verschaffte sich damit Zugang zur Wohnung seines Freundes. Direkt links neben der Tür hing ein großer Spiegel an der Wand, in den Genesis vor dem Verlassen der Wohnung immer einen kurzen Blick warf. Doch Sephiroth wandte sich nach rechts, wo neben einer Küchenzeile ein runder Tisch und drei Stühle standen; von dort aus wiederum links führte eine Tür ins Schlafzimmer. Sephiroths Blick fiel allerdings auf den Sessel hinter dem Tisch, in dem Genesis die ganze Zeit regungslos verharrt war, vertieft in seine neueste Errungenschaft, ein weltweit populäres britisches Buch – dessen Namen Sephiroth sich beim besten Willen nicht merken konnte**. Er baute sich vor dem lesenden Genesis auf, sodass der ihn einfach bemerken musste. Trotzdem dauerte es noch fast eine Minute, ehe Genesis das Buch zuklappte und zu ihm aufschaute. „Musstest du mich an der spannenden Stelle unterbrechen?“, fragte er vorwurfsvoll. „Das hättest du doch jetzt an jeder Stelle behauptet“, erwiderte Sephiroth wagemutig, wie er fand, aber Genesis ging nicht weiter darauf ein. „Also“, sagte er stattdessen, „du hast es dir überlegt?“ „Schon“, gab Sephiroth zurück. Die Tatsache, über Genesis zu stehen, da dieser saß, gab dem Gespräch für ihn eine angenehme Note. So traute er sich direkt hinzuzufügen: „Ich könnte mich generell an den Gedanken gewöhnen, hier zu bleiben.“ „Abwarten“, sagte Genesis mit skeptischem Blick. Ihm schien Sephiroths plötzlich optimistische Art nicht geheuer zu sein; Sephiroth selbst war nicht ganz klar, wo sein Frohmut herkam. Mit einem Schulterzucken ging er los und räumte seine Sachen ein. Am Abend, als Sephiroth langsam begann sich zu fragen, was er mit sich selbst anfangen sollte, da Genesis wieder einmal nur geringes Interesse an ihm zeigte, kam Angeal mit einem Forelleneintopf vorbei, der für sie alle drei gedacht war; zu dritt wäre es bei Angeal etwas eng geworden. Freudig machten sie sich über den Eintopf her. Während Sephiroth sich still Gedanken darüber machte, warum eigentlich ausgerechnet Genesis die größte Wohneinheit, die diesen Namen auch tatsächlich verdiente, zugeteilt bekommen hatte und wie Angeal regelmäßig dazu kam, für sich selbst zu kochen und warum bei Sephiroth keine Kochgelegenheit zu finden war – nicht, dass er eine vermisste –, kamen Genesis und Angeal schnell dazu, über das Wesentliche zu sprechen. Nur leider bemerkte Sephiroth erst sehr spät, dass er angesprochen worden war. „Hm, was?“, fragte er und riss sich von seinen eigenen Gedankengängen los. Angeal lachte. „Physisch hier und in Gedanken ein paar Kilometer weit weg?“, mutmaßte er. „Eigentlich nicht“, erwiderte Sephiroth, „ich war sogar noch ziemlich genau auf dieser Etage.“ „Also“, setzte Angeal erneut an, „ein Vögelchen zwitscherte mir, du sollst dich hier wie zu Hause fühlen.“ „Ich zwitschere nicht“, unterbrach Genesis ihn mürrisch. „Und nenn mich nicht Vögelchen. Verniedlichungsformen gehören verboten.“ Angeal schien von diesem kleinen Ausbruch ziemlich amüsiert, sagte aber nichts weiter dazu. Sein Blick ruhte stattdessen neugierig auf Sephiroth. „Ja …“, sagte der, um sich Zeit zu verschaffen. Er wusste nicht so recht, was Angeal hören, worauf er hinauswollte. „Ich hab mich hier vorhin sozusagen provisorisch eingerichtet.“ „Ach, vorhin erst?“ Angeal stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. „Aber den Schlüssel hattest du doch schon eine ganze Weile?“ „Schon …“ Sephiroth warf Genesis, der ihn wiederum nicht ansah, einen finsteren Blick zu. Ihm war klar, dass sich die beiden praktisch ihr ganzes Leben lang kannten und sich einiges erzählten – aber alles? „Aber … ich hatte so einiges zu tun …“ Sephiroth wand sich mit einer Antwort. Ihm war nicht wirklich danach, sich vor Angeal zu rechtfertigen. Also stammelte er weiter: „Und überhaupt, jetzt bin ich ja hier. Das wird schon … das wird toll …“ Genesis schaute Angeal vielsagend an. „Ich sag ja, schlimmer als ein Teenager***.“ Sie lachten und Sephiroth war sich nicht ganz sicher, ob er sich nun angegriffen fühlen sollte oder nicht: „Schlimmer als ein Teenager“ konnte er absolut nicht einordnen. „Stimmt, hast du gesagt“, bestätigte Angeal. „Aber ich glaube, das war jetzt schon das vierte Mal.“ Langsam begann es Sephiroth zu dämmern, wie viel die beiden Freunde über ihn sprachen. Und auch diesmal wusste er nicht, ob ihm das gefallen sollte … Die beiden konnten sich allerdings lustig machen, wie sie wollten. Auch wenn er Angeal nicht so recht hatte überzeugen können, so war Sephiroth beim Aussprechen seiner (wenn auch noch unvollendeten) Gedanken ein Licht aufgegangen. Es mochte noch etwas forschend anmuten, doch seine eigentlich bloß einige Wochen alte Beziehung zu Genesis war gerade dabei, ein völlig neues Level zu erreichen. Zwar waren ihre Wohnungen nur wenige Meter voneinander entfernt und sie liefen sich auch manchmal im gesamten Hauptquartier über den Weg. Doch sollte ihr „Projekt“ gut laufen, sollte Genesis tatsächlich zustimmen, dass Sephiroth ganz und gar bei ihm einziehen sollte, hätten sie etwas Gemeinsames, etwas Geteiltes, das sie miteinander verband und ihre Beziehung besonders machte, sie von allem abhob, was Sephiroth je erlebt hatte. Da war er sich sicher. Zufrieden und zur Abwechslung vollkommen optimistisch, gar gespannt in die Zukunft blickend, widmete Sephiroth sich dem Rest des Eintopfes. Kapitel 3: Ein Hoch auf Klimaanlagen ------------------------------------ Midgar erstickte vor Hitze. Im Schatten wurden Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad gemessen und der Wind, so er überhaupt zu spüren war, wirkte ebenso warm. Und Sephiroth, der seit seiner Geburt dazu verdammt schien, immer Pech zu haben, hatte den ganzen Tag draußen verbringen müssen. Fast hätte er vor dem Losgehen vergessen, sich Wasser abzufüllen und einzupacken, doch mittlerweile war die Flasche sowieso leer. Gerade brach die heißeste Stunde des Tages an, als er noch schnell seinen letzten Auftrag erledigte, um unverzüglich ins gekühlte Hauptquartier zurückkehren zu können. Eine Wand aus frischer gekühlter Luft empfing ihn dort, sobald er durch die automatischen Türen getreten war. Seufzend spürte er, wie sich sein Körper umgehend entspannte und sein Kopf etwas klarer wurde. Gelöst bewegte er sich in Richtung des Aufzugs, der zu den Wohneinheiten führte, im Sinne den vagen Plan, sich unter die Dusche zu stellen und sich danach auf die Suche nach etwas Essbarem zu begeben. Oben angekommen, betrat er Genesis‘ leere Wohnung, da sich dort seine Sachen zum Duschen befanden, drehte mithilfe großer Nadeln und Klammern seine Haare ein, die vorher bereits zusammengebunden gewesen waren, und duschte sich im Bad den Schweiß und die Hitze vom Körper. Sich noch mit dem Handtuch abtrocknend ging er übers Wohn- ins Schlafzimmer, um sich dort etwas Neues anzuziehen, doch zuerst musste er feststellen, dass er doch gar nicht allein war. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen und nur mit einer Unterhose* bekleidet, lümmelte Genesis auf seinem Bett und schaute Sephiroth mit verrucht blitzenden Augen an. Scheinbar hatte er schon eine ganze Weile dort gewartet. Sephiroth durchquerte das Zimmer und löste die Befestigungen um seine Haare, ohne ein Wort zu sagen; ihm wäre sowieso nichts eingefallen, während Genesis‘ belustigter Blick ihm folgte. „Angenehm kühl hier“, sagte er schließlich doch. „Komisch“, sagte Genesis amüsiert, „den Eindruck hatte ich gar nicht.“ Sephiroth drehte sich um und ihm wurde schlagartig wieder heiß, aber diesmal auf eine ganz andere Art und Weise. Genesis hatte sich auf dem Bett leicht aufgerichtet und zu ihm vorgebeugt. Alles von seinem lüsternen Blick über seine ihm zugewandte Haltung bis hin zu seinem bereits erhitzt wirkenden Körper schrie förmlich nach Sex. Sephiroth schluckte und ließ die gesamte verführerische Sinnlichkeit seines fast nackten Freundes auf sich wirken, dessen einladende Körperhaltung ihn plötzlich mit aller Macht magisch anzog. Auch Genesis‘ Augen wanderten begutachtend an Sephiroths Körper entlang. „Ich sehe da etwas, das mir sehr gefällt“, bemerkte er daraufhin, als sein Blick etwa in der Mitte hängen blieb. „Ich wusste doch, dass es sich lohnen würde, so etwas Junges zu nehmen.“ „Aber du bist doch gar nicht so viel älter als ich …“, sagte Sephiroth verwundert und setzte sich mit aufs Bett. Genesis verdrehte die Augen und kam Sephiroth jetzt ganz nahe. „Hör auf nachzudenken, du brauchst dein Blut woanders.“ Noch bevor Sephiroth etwas antworten konnte, fing Genesis ihn mit einem Kuss in seiner Leidenschaft ein und zog ihn in die Laken. Kapitel 4: Zwischen Spaß und Ernst ---------------------------------- Als Sephiroth Genesis‘ Wohnung betrat, wusste er, dass er seinen Freund in der Küche vorfinden würde; er war nicht in der Kantine aufgetaucht. In der Küche standen Salat und selbstgebackenes Brot, die Hälfte davon war offensichtlich schon verspeist. Sephiroth nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu Genesis. „Wo hast du das her?“, begann er ohne Umschweife. Genesis nahm sich Zeit mit seiner Antwort, doch Sephiroth kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er ihm antworten würde. Er nahm noch eine Gabel Salat zu sich, sah demonstrativ in eine andere Richtung – er inszenierte die Situation wie immer nach seinem Geschmack. „Von Angeal“, gab er am Ende zu. Sephiroth lachte darauf leise. „Weißt du, ich glaube, du bist der einzige Essensdieb hier bei Shin-Ra.“ „Ich stehle nichts“, entgegnete Genesis leicht gereizt. Er machte eine weitere Spannungspause. „Angeal teilt gerne mit mir.“ Sephiroth seufzte. „Das glaub ich dir, aber er würde das sicher auch gerne wissen.“ „Wo wir gerade beim Teilen sind“, überging Genesis ihn, „willst du auch was?“ „Nein.“ Plötzlich wurde er ernst. Er seufzte erneut, diesmal resignierend. „Ich gehe gleich zu Hojo, besser, ich hab da nichts im Magen.“ Genesis sah ihn mitleidig an. „Du weißt, ich bin hier.“ Kapitel 5: "... When you've beaten it into my head ..." ------------------------------------------------------- „Und siehst du, hier in Akt II wird die Liebe der Göttin erstmalig als ihr Geschenk angedeutet, das ist eine wirklich wichtige Stelle, sie sollte nicht unterschätzt werden, denn das tun viele, du glaubst es gar nicht, die gängigen Kommentare – ich hab einen hier, wenn du kurz – hörst du mir zu?“ Sephiroth bemerkte nur wenige Augenblicke zu spät, dass er angesprochen worden war. „Ja, doch, natürlich“, sagte er wenig überzeugend. Genesis blitzte ihn daraufhin derartig an, dass er sich schutzsuchend vom Bett erhob, auf dem sie bis eben LOVELESS erörtert hatten, und rückwärts langsam zur Tür herauszugehen begann, während er vorschlug: „Können wir’s für heute nicht einfach dabei belassen?“ Er hatte das Falsche gesagt. Genesis richtete sich in seinem Schneidersitz auf dem Bett kerzengerade auf, klappte das Buch zu und nach seiner Miene zu schließen, die er aufsetzte, als er tief Luft holte, war er gerade dabei, genügend Kraft für eine längere Moralpredigt zu sammeln. Jedenfalls witterte Sephiroth Gefahr, also startete er einen neuen Versuch: „Sieh mal, wir haben doch jetzt detailliert den Prolog und Akt I besprochen –“ Genesis neigte interessiert den Kopf; Sephiroth wich vorsichtshalber trotzdem weiter zurück. „Wir können doch später weitermachen, oder?“ Auch Genesis stand nun vom Bett auf und ging Sephiroth nach; der war mittlerweile rücklings am Tisch vor der Küchenzeile angestoßen. Mit angehaltenem Atem erwartete er sein Urteil für das Verbrechen, die LOVELESS-Lektüre unterbrochen zu haben. Genesis liebte das Stück, er war vernarrt in seine ledergebundene Ausgabe. Sicherlich hatte er alle verfügbaren Kommentare in verschiedenen Sprachen aus verschiedenen Jahrhunderten gewälzt. Dass Sephiroth nun schon nach dem ersten Akt schlappmachte, musste ihn unheimlich enttäuschen. Tatsächlich legte Genesis den Band mit einem resignierten Seufzer auf dem Tisch ab. „Wenigstens bemühst du dich“, sagte er leise, ohne ihn anzuschauen. „Das hab ich schon ganz anders erlebt.“ „Da bin ich aber froh, siehst du, morgen ist auch noch ein Tag.“ Er registrierte, was Genesis gesagt hatte. „Wen meinst du jetzt speziell?“ Genesis zögerte kurz. Er sah ihm immer noch nicht in die Augen. „Meinen Ex. Furchtbar unbelesener Kerl.“ Sephiroth wusste darauf nichts zu sagen. Zunächst mal konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, dass Genesis sich mit so jemandem abgab. Und dann war da noch die Traurigkeit in Genesis‘ Augen, als der nun doch zu ihm aufschaute. „Es ist nicht schön, wenn Beziehungen zerbrechen, weißt du.“ Kapitel 6: Kleine Hommage ------------------------- Es war nicht so, dass Genesis Sephiroth vermisste, keineswegs. Nein, vermissen tat er ihn nun wirklich nicht. Was gab es auch an Sephiroth zu vermissen? Höchstens seine grünen Augen, aus denen zu jeder Tages- und Nachtzeit der Schalk hervorblitzte; oder seinen Humor, mit dem er mit jeder von Genesis‘ Launen umzugehen wusste; oder seine große, schlanke, muskulöse Statur; oder seine liebevolle, wenn auch sehr anhängliche Art; oder seinen zärtlichen Blick, mit dem er jedes „Ich liebe dich“, das er laut aussprach, unnötig machte; oder seine naive Ehrlichkeit und Unerfahrenheit, mit der er Genesis immer wieder erheiterte; oder seine Lippen, die sich zu einem katzenhaften Lächeln verziehen konnten; oder die Tatsache, dass Sephiroth sich hervorragend als Kissen missbrauchen ließ. Alles in allem, nein, er vermisste Sephiroth ganz und gar nicht. Trotzdem würde Genesis ihm bei seiner Rückkehr seine Meinung darüber unterbreiten müssen, wie lange es für einen General zu dauern hatte, ein paar Reaktoren zu überprüfen. Kapitel 7: Naschkater (2019) ---------------------------- Sephiroth lehnte sich ruhig ausatmend weiter auf den weichen Laken seines Betts zurück und verschränkte entspannt die Arme hinter dem Kopf. Was ihn anging, so war er für den Moment zufrieden und darüber hinaus auch etwas schläfrig. Hinzu kam der herrliche Anblick, der sich ihm bot. Auf seinem Gesicht mochte sich ein schiefes Lächeln ausgebreitet haben, er hatte nur Augen für seine bessere Hälfte, die ohne Hemd und ohne Hose vor dem Spiegel stand und ihm dabei den Rücken zuwandte. Sephiroth gefiel Genesis‘ Rückansicht. Das kupferrote Haar war gerade lang genug, um einen Nacken zu verdecken, der Sephiroth schon so oft so einladend vorgekommen war, über die Schultern hatte er unzählige Male seine Fingerspitzen tanzen lassen, die helle Haut zog sich weich weiter nach unten, bis Sephiroths Blick an Genesis‘ Unterhose hängen blieb. Aber Sephiroth kannte seinen Gatten auch so gut genug. Laufen war schon immer seine beste Disziplin gewesen – entsprechend schlank und ansprechend waren Genesis‘ Beine ... Sephiroths Blick kehrte zurück zu Genesis‘ Gesichtsausdruck. Mit gerunzelter Stirn musterte der seine eigene Frontansicht im Spiegel. Sephiroth richtete sich in eine sitzende Position auf und warf an Genesis vorbei einen Blick in den Spiegel. Zwar hatte er immer noch einen stolz erhobenen Ausdruck im Gesicht, doch keine Frage, dass sich unter einem schlanken Hals langsam eine dünne Speckschicht über die einst so fein definierte Oberkörpermuskulatur legte, die ein etwaiges Sixpack nur noch erahnen ließ. Sephiroth erahnte die Bestürzung, mit der Genesis seinen sich verändernden Körper betrachtete. Er startete einen Versuch, Genesis etwas aufzumuntern. „Du weißt, laut Statistiken nehmen Menschen in Beziehungen zu.“ Der vernichtende Blick, den Genesis ihm daraufhin über die Schulter zuwarf, hätte ihn in früheren Zeiten sicherlich zusammenschrumpfen lassen, aber nun grinste Sephiroth nur schelmisch zurück. Seufzend setzte sich Genesis zu ihm aufs Bett; er ließ den Kopf hängen. „Vielleicht ...“, setzte er an, ohne Sephiroth dabei anzusehen, „sollte ich das Training doch wieder aufnehmen.“ „Auch wir werden nicht jünger“, pflichtete Sephiroth ihm nickend bei. Genesis warf ihm erneut einen tödlichen Blick zu, ließ diesmal allerdings auch ein Lächeln dabei vermuten. „Und nur ganz vielleicht ... müssen es auch nicht immer die Süßigkeiten und die Chips sein?“ Sephiroth konnte Genesis‘ hierauf folgenden Blick kaum deuten. War er ihm böse? Dachte er darüber nach? „Vielleicht ...“, gab Genesis nach einer Weile zu, wieder ohne Sephiroth anzuschauen. „Aber du weißt, mir ist es im Grunde gleich“, fiel es Sephiroth zu sagen ein. Möglicherweise hatte Genesis schon die ganze Zeit darauf gewartet, eben dies zu hören. Jedenfalls ging sein Blick skeptisch an Sephiroth auf und ab. Er sah selbst an sich herunter. Zugegeben, aus seinem Mund mochte eine solche Aussage seltsam klingen, immerhin hatte er kaum ein Gramm Fett am Körper und seine eigenen Schultern waren deutlich breiter als Genesis‘. Aber für ihre Beziehung war es ihm nun wirklich nicht wichtig, wie trainiert Genesis‘ Oberkörper war. Vielleicht war es eine gute Idee, ihm das zu zeigen. Sephiroth beugte sich sehr nah zu Genesis herüber, bis sie sich tief in die Augen blickten und nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. „Ich werd schon dafür sorgen, dass du an nichts anderem knabberst als an mir.“ Genesis wirkte belustigt. „Oh, Seph, so kenn ich dich ja gar ni... – hmpf!“ Kapitel 8: Diät? Päh! --------------------- Sephiroth wollte eigentlich gar nicht wissen, wie spät es war, als er nach Hause kam; Fakt war, dass es sehr spät sein musste. Trotzdem zeigte ihm die Uhr gegenüber der Tür erbarmungslos „02:37“ an. Generell war es nicht gerade sein Tag gewesen. Der Luftzug ließ die Wohnungstür laut zuschlagen; die Schlüssel fielen klappernd zu Boden, statt auf dem Flurschrank liegen zu bleiben; er brauchte drei Anläufe, um seinen Mantel aufzuhängen. Kurz überlegte er, ob er betrunken war, bis ihm einfiel, dass er keinen Tropfen Alkohol angerührt hatte.* Was ihn allerdings wirklich wunderte, war, dass Genesis noch nicht angelaufen gekommen war. So wandte er sich nach links, durchquerte den kurzen Flur und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Das Licht der Lampe auf dem Nachttisch brannte noch. Genesis lag mit dem Rücken zur Tür im Bett und schlief. Als Sephiroth um das Bett herumging, sah er, dass sein Mann** den Arm um irgendeine Tüte Süßigkeiten gelegt hatte. Lächelnd machte er das Licht aus und nahm Genesis die Tüte ab; während er sich die Tüte näher ansah – Krokant mit Pralinenschokolade umhüllt –, wachte Genesis langsam auf. „Typisch“, meinte er, als sich Genesis‘ Blick auf ihn richtete, „ich komme nach Hause, mache einen Haufen Lärm, knipse das Licht aus und du schläfst weiter. Aber kaum versuche ich, dir deine Schokolade wegzunehmen, wachst du auf.“ Genesis brummte schlaftrunken. Übergehend, was Sephiroth gesagt hatte, fragte er: „Wo warst du überhaupt so lange?“ „Na ja …“, setzte er an, doch sein Liebster unterbrach ihn schon. „Ist ja auch egal. Lass die Schokolade hier und scher dich auf die Couch.“ „Bitte?“, fragte Sephiroth perplex. „Du bist für heute Nacht aus dem Bett verbannt. Hau bloß ab.“ Langsam tröpfelte in Sephiroths Hirn ein, dass das die Bestrafung dafür sein musste, dass er so spät nach Hause gekommen war, ohne Bescheid zu sagen. Da er Genesis‘ Launen und seinen Sturkopf kannte, war ihm klar, dass es das Beste war, zu tun, was Genesis ihm sagte, und die Nacht auf der Couch statt im Bett bei seiner Liebe zu verbringen. Er legte noch schnell seine Kleidung ab, Genesis machte es sich wieder im Bett gemütlich. Sephiroth war gerade wieder auf dem Weg durch den Flur, diesmal zum Wohnzimmer mit dem Sofa, da hörte er Genesis rufen: „Seph?“ „Hm?“, antwortete er zum Zeichen, dass er zuhörte. „Komm mal wieder her, die Schokolade isst sich nicht von alleine.“ Erleichtert seufzte er auf. Beinahe hatte er befürchtet, es sich mit Genesis verscherzt zu haben – für eine Nacht, den folgenden Tag, eine Woche – Genesis war unberechenbar. Mit dem Gefühl, endlich wirklich zu Hause angekommen zu sein, ging er ins Schlafzimmer und legte sich zu Genesis unter die Decke. Eine Weile lagen sie schweigend Arm in Arm, Genesis dabei, sich über die Pralinen herzumachen. „Warst du nicht auf Diät?“, fragte Sephiroth, sein Recht, im Bett schlafen zu dürfen, aufs Spiel setzend. Die Tüte schien ihm bereits zur Hälfte geleert. Genesis nahm die Tüte unter die Lupe. „Hat nur dreiunddreißig Prozent Fett“, meinte er trocken. „Na ja, gut, mir ist es egal …“ Er küsste Genesis auf die Stirn. „Ich weiß nicht, ob ich’s dir schon mal gesagt habe, aber ich liebe dich so oder so.“ Kapitel 9: Five Kisses ---------------------- First Kiss (Februar 2001) Zwanzig Jahre hatte Sephiroth für Shin-Ra vor sich hin gelebt, ohne je darüber nachzudenken. Jetzt, wo sich seine Gedanken nur noch um eines drehten, fragte er sich, wie das hatte passieren können. Lag es denn nicht in der Natur des Menschen? Nie war es ihm in den Sinn gekommen, dass es einmal jemanden geben könnte, dessen Nähe er ständig suchen würde. Vor allem nicht, dass es ein Mann sein würde. Es hatte ganz unbewusst angefangen. Als er Genesis kennenlernte, fand er ihn interessant – möglicherweise, weil er sich verstanden fühlte, wo sie doch so verschieden waren – und er wollte mehr über ihn erfahren. Wo kam er her, wie war er so geworden, wie war er denn? Doch irgendwann ging ihm Genesis nicht mehr aus dem Kopf. Sephiroth begann sich zu fragen, was Genesis wohl tat, was er über die neuesten Vorkommnisse dachte – und ob Sephiroth ihm auch fehlte. Sephiroth fühlte sich unwohl, wenn er nichts von seinem neuen Freund hörte und wurde schon Stunden vorher nervös, wenn er wusste, dass sie sich sehen würden. Mehrmals ertappte er sich dabei, wie er Ausreden zu erfinden versuchte, nur um irgendwo vorbeischauen zu können, wo sich, wie er ahnte, Genesis aufhalten dürfte. In Genesis‘ Gegenwart war Sephiroth glücklich. Froh, zu sehen, dass es seinem Gegenüber gutging, entspannte er sich endlich und genoss die gemeinsame Zeit, die wie im Fluge verging. Trafen sie sich, ging eine halbe Stunde vorüber, ehe einer merkte, dass sie sich wieder trennen mussten, aber Sephiroth wollte noch so viel mehr sagen, wollte noch so viel mehr hören, sehen – waren es nicht gerade nur wenige Minuten gewesen? Lange konnte er es nicht leugnen. Er hegte nicht nur freundschaftliche Gefühle für diesen attraktiven Mann mit den wunderbaren Kupferhaaren. So, wie sein Herz bei jedem Gedanken an Genesis zu rasen begann, wollte es ihm wohl nur eines sagen: Er war verliebt. Mittlerweile war es beinahe eine Qual, mit Genesis bei einem abendlichen Glas Wein im für ihn neu entdeckten Pausenraum zu sitzen. Regelmäßig schweiften seine Gedanken ab und es fiel ihm schwer, sich nicht durch Genesis‘ makelloses Gesicht von dem ablenken zu lassen, was er sagte. Zu gerne würde er seine Hand ausstrecken und die helle Haut an Genesis‘ Wange streicheln; die Lippen ertasten; die Lippen … Plötzlich trafen sich ihre Blicke und Sephiroth fühlte sich wie in der Falle. Es brachte ihn fast um den Verstand, als Genesis interessiert den Kopf leicht schief legte. Kurz hielten sie den Blickkontakt, bevor Sephiroth sich abwandte. Lange konnte er allerdings nicht wegsehen; fasziniert und mit laut klopfendem Herzen schaute er zurück zu Genesis, in dessen Augen Erkenntnis aufblitzte. Jetzt war es vorbei. Das wusste er. Männer, die Männer mochten – wurden in Gaia alles andere als gemocht. Deswegen hatte er mit niemandem über seine Gefühle gesprochen. Beschämt und hoffnungslos schlug er die Augen nieder. Er fühlte sich wie versteinert. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Genesis sich erhob, die paar Schritte auf ihn zukam und sich neben ihn setzte. Sein Herz raste. War er auf eine Abfuhr gefasst? Er zitterte am ganzen Körper. Ihm lief ein Schauer über den Rücken und er bekam eine Gänsehaut, als er Genesis‘ Finger an seiner Wange spürte. Vor Schock gelähmt sah er dabei zu, wie Genesis ihm die Haare zur Seite schob und sich zu ihm vorbeugte. Noch ehe er realisieren konnte, was geschah, hatte er die Augen geschlossen und fühlte Genesis‘ Lippen auf seinen. Der sanfte Druck auf seinem Mund ließ Sephiroth die Realität ausblenden. Die Zeit hörte auf zu existieren. Alles, was zählte, war die sinnliche Verbindung zwischen ihnen. Just One Kiss (März 2001) Seit ihrem ersten Kuss war es recht ruhig geworden um Genesis und Sephiroth. Sie waren sich noch zwei weitere Male über den Weg gelaufen; Sephiroth hatte sich gefühlt, als würde er unter Strom stehen. Er verzehrte sich nach dem Gefühl von Genesis‘ Lippen, wagte es allerdings nicht, sich ihm zu nähern, wie Genesis es zuvor bei ihm getan hatte. Wie Sephiroth so im Bett lag und an seinen Liebsten dachte, nahmen seine schönsten Vorstellungen vor dem Hintergrund der weißen Zimmerdecke Gestalt an. Seine Sehnsucht war dabei, ihn zu zerreißen. Sein Herz sagte ihm schmerzhaft, dass er nur noch bei Genesis sein wollte. Er wollte sein Gesicht in die Hände nehmen, es mit Küssen bedecken, ihn umarmen und in dieser Umarmung einschlafen. Was er nicht geben würde … für nur einen Kuss. Genesis wirkte sehr überrascht, als er mitten in der Nacht die Tür öffnete und Sephiroth vor sich fand. Verschlafen und in einem schnell übergeworfenen Hemd stand Genesis da, sich langsam mit der Hand durchs Haar fahrend. „Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“, fragte er missbilligend. „Nein“, erwiderte Sephiroth ehrlich. Er trat unaufgefordert ein und schloss die Tür hinter sich. Obwohl er von Genesis‘ Reaktion etwas verunsichert war, tat er nun das, wonach es ihn so sehr verlangte. Sanft legte er seine Hände auf Genesis‘ Hüfte und küsste ihn leicht auf die Lippen. Er spürte, wie überrascht Genesis im ersten Moment war, bevor er sich dem kurzen Kuss hingab. „Dafür kommst du extra mitten in der Nacht her?“, neckte Genesis ihn. „Offenbar schon“ war alles, was Sephiroth dazu einfiel. Genesis‘ Blick wurde verständnisvoll. „Komm mit“, sagte er in einem sanften Ton, den er Sephiroth gegenüber noch nie angeschlagen hatte. Er drehte sich um und bewegte sich in Richtung Schlafzimmer. „Und ausziehen“, wies er Sephiroth an. „Das wolltest du schon eine ganze Weile sagen, oder?“, fragte Sephiroth ihn, während er seine Kleidung abstreifte. „Ach was ...“, entgegnete Genesis aus dem Schlafzimmer. Dort lag er bereits im Bett, das Hemd unachtsam daneben, als Sephiroth in der Tür stand, und sah ihn auffordernd an. Sephiroth verstand. Er kletterte ins Bett und legte einen Arm um Genesis, sodass sie einander zugewandt waren. Sichtlich müde legte Genesis den Kopf an Sephiroths Brust und gab keinen Mucks mehr von sich. Sephiroth schmiegte sich an ihn und fuhr durch das weiche, kupferrote Haar. An diese idyllische Zweisamkeit konnte er sich noch gewöhnen. Hot Kisses Natürlich war an Schlaf nicht zu denken. Obwohl Genesis sich umgedreht und Sephiroth sein Gesicht in den duftenden roten Haaren vergraben hatte, obwohl alles ruhig war, kamen die beiden Männer selbst nicht zur Ruhe. Sephiroth sah, wie sich Genesis‘ Ohr immer wieder nervös in seine Richtung bewegte. Und sein eigenes Herz schlug laut gegen seine Brust und somit gegen Genesis‘ Rücken. Am Ende wandte sich Genesis ihm doch wieder zu. „Das hast du doch geplant“, warf er Sephiroth vor. „Klar“, erwiderte dieser und schob seine Finger zwischen die Kupfersträhnen. Von Genesis‘ Lippen magisch angezogen beugte er sich vor und genoss zum ersten Mal bewusst die Gefühle, die bei dem Kuss entstanden. In seiner Brust beginnend breitete sich eine stechende Hitze in seinem Körper aus; unter seinem Bauch bildete sich ein Pochen. Angeregt fuhr er über Genesis‘ Seiten und Brust zurück zu seinem Gesicht. Vorsichtig legte sich sein Freund über Sephiroth und naschte atemlos von seinen Lippen. Erhitzt küsste Sephiroth an Genesis‘ Kinn entlang, die Hände über dessen Körper wandernd. Als Sephiroth Genesis sanft in die Kissen drückte, fand er in einer sehr angenehmen Position zwischen dessen Beinen Platz. Neugierig auf den unter ihm liegenden Körper ging Sephiroth mit seinem Mund auf Erkundungstour ... Kiss Goodbye (Dezember 2009) Sephiroth versuchte sich einzureden, dass es nur daran lag, dass sie jetzt schon fast neun Jahre lang zusammen waren. Irgendein vernünftiger Teil in ihm wusste vermutlich, dass das Unsinn war, aber der Rest von ihm wollte es sich einreden. Sonst hätte er sich Gedanken darüber machen müssen, was Genesis‘ Verhalten bedeutete und was noch kommen könnte. Genesis war schon immer kurz angebunden gewesen. Dass er mittlerweile häufiger ernsthaft gereizt reagierte und nicht nur gespielt genervt war, konnte Sephiroth in seiner ruhigen Art geflissentlich ignorieren; er hatte gelernt, sich nicht daran zu stören, wenn Genesis ihn anherrschte. Ihm kam es nicht in den Sinn, dass es ein Ausdruck davon sein konnte, dass Genesis wirklich unglücklich war. Auch dass sie immer seltener miteinander schliefen, hielt er nach so vielen Jahren nicht unbedingt für ungewöhnlich. Sicherlich hätte ihm auffallen können, dass Genesis, wenn sie es doch taten, immer abweisender wurde; der Sex, den sie hatten, war keine Sache der Nähe mehr, sondern eine der reinen Bedürfnisse. Keuchen und Stöhnen hatten die Oberhand gewonnen; Küsse tauschten sie kaum noch aus. Es ging schnell, beide hatten bekommen, was sie wollten. So auch jetzt. Sephiroth zog sich aus Genesis zurück. Der drehte sich direkt auf die Seite und wandte ihm kommentarlos den Rücken zu. Für Genesis war das üblich; es war seine Art zu zeigen, dass der Sex, was ihn anging, jetzt beendet war. Sephiroth schaffte es noch, sich vom Kondom zu befreien und sich wieder neben Genesis ins Bett zu legen, bevor ihn eine bleierne Müdigkeit im Handumdrehen einschlafen ließ. Er konnte nicht lange gedöst haben, als er wieder aufwachte, aber Genesis stand bereits frisch geduscht neben der Zimmertür und knöpfte sich das Hemd zu; eine Hose trug er schon. Noch etwas verschlafen richtete sich Sephiroth auf. „Gehst du schon?“, fragte er. „Hm-hm“, machte Genesis bloß, ohne ihn anzusehen. Sephiroth streckte die Hände nach ihm aus. Als Genesis das bemerkte, richtete er seinen Blick doch noch auf Sephiroth. „Was?“ „Ein Kuss?“ „Wir hatten doch eben Sex.“ „Ich möchte trotzdem noch einen Kuss.“ Hatte er es früher häufig nur gespielt, um Sephiroth zu necken, war dies eindeutig einer dieser Momente, in denen Genesis aufrichtig genervt war. Er seufzte gereizt, ging ums Bett herum auf Sephiroth zu, beugte sich zu ihm herunter und setzte ihm einen kurzen, gefühllosen Kuss auf die Lippen. „Zufrieden?“ Sephiroth scheute sich sehr, die Frage zu verneinen, und nickte stattdessen nur. Jetzt, wo Genesis vor ihm stand, bemerkte er, dass er auch Schuhe trug. „Wo gehst du hin?“ Genesis schaute ihm nicht in die Augen. „Da ist so eine Ausstellung, die ich – ach, damit kennst du dich doch eh nicht aus.“ Er winkte ab. Sephiroth machte ein verstehendes Geräusch. Er fasste Genesis bei der Hand und zog ihn noch einmal zu sich herunter, um ihn zum Abschied zu küssen. „Bis später dann.“ „Ja.“ „Ich liebe dich.“ Genesis wirkte wieder genervt. „Jaja“, erwiderte er nur und verschwand. Sephiroth sah ihm noch lange nach. One Last Kiss (August 2010) Vergiss ihn. Vergiss ihn. Selbst Angeal hielt keinen besseren Rat für ihn bereit. „Vergiss ihn.“ Seit acht Monaten hörte Sephiroth nichts anderes mehr. Vergiss ihn, versuchte er mittlerweile sogar sich selbst zu ermahnen. Erinnerung konnte eine schwere Bürde sein.** Er konnte nicht leugnen. Er konnte nicht vergessen, dass sie glücklich gewesen waren. Acht Jahre. Neun Monate. Genauso wenig konnte er vergessen, dass Genesis eines Tages ihre Beziehung beendet hatte. Ohne Vorwarnung. Und er war gegangen, verschwunden, hatte keine Nachricht hinterlassen, hatte nie wieder angerufen und war auch nicht mehr zur Arbeit erschienen. Von Lazard hatte er erfahren, dass Genesis sich für ein Jahr freigenommen hatte, mehr wusste er aber auch nicht. Über die Medien hatte Sephiroth außerdem erfahren müssen, dass sein Freund – streng gesehen sein Ex-Freund – in Lissabon war. Und aus den schlimmsten Klatschblättern schließlich erfuhr er, dass Genesis sich dort mit einigen Männern vergnügte. Gedemütigter hätte er nicht sein können. Und trotzdem … trotzdem war er nicht in der Lage, Genesis böse zu sein. Nichts konnte seine Gefühle ändern, die er nun seit über neuneinhalb Jahren für ihn hegte. Seit sie sich kennengelernt hatten, hatte er sich ein Leben ohne Genesis nicht mehr vorstellen wollen – nun wusste er auch, wieso. „Vergiss ihn“, hatte Angeal gesagt. Natürlich wäre es das Beste gewesen, aber – es war so logisch. Was hatten seine Gefühle mit Logik zu tun? Seit acht Monaten hatte Sephiroth keine Nacht mehr ordentlich durchgeschlafen. Es war nicht so, als ob er nicht müde gewesen wäre; im Grunde konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie es war, ausgeschlafen und wach zu sein. Seine Augen brannten geradezu vor Müdigkeit. Und doch konnte er sie nicht schließen, ohne in Erinnerungen zu versinken, die eigentlich glücklich sein sollten, ihn aber nur weiter in sein Unglück herabzogen. Die ersten Nächte waren am schlimmsten gewesen. Alles, einfach alles roch nach Genesis. Die Wohnung. Alle Decken, alle Kissen, alle Laken. Der Lesesessel. Die Vorhänge. Selbst die Bücher, so schien es Sephiroth. Vielleicht auch gerade die Bücher. Er mochte Genesis‘ Geruch eigentlich; wo Genesis war, war alles gut, dort war er sicher. Zumindest war es einmal so gewesen. Jetzt ließ er nur noch sein Herz schmerzen. Sephiroth war sich nicht sicher, ob er manchmal doch kurz einnickte oder schon Halluzinationen hatte, jedenfalls hätte er manchmal schwören können … aber nein, das konnte nicht sein, er war in Portugal. Und wollte Sephiroth nie wieder sehen. Das hatte er ihm sehr deutlich gemacht. Und doch … Anfangs war es Sephiroth gar nicht in den Sinn gekommen. Genesis war weg, daran ließ sich nichts ändern. Als er auf die Idee kam, war er erschrocken – sowohl von der Idee selbst als auch davon, sie nicht vorher gehabt zu haben. Seit mehreren Wochen spielte er nun mit dem Gedanken, es einfach zu tun. Ihm war nicht ganz klar, was genau er damit erreichen wollte. Ihm war auch nicht klar, wie diese Idee vielleicht ausgehen könnte. Fakt war, dass es so nicht weitergehen konnte. Also musste er etwas tun. Etwas. Irgendetwas. Sephiroth hatte nicht erwartet, dass Lissabon direkt am Meer lag. Im Grunde war es ihm auch egal, er war nicht in Portugal, um sich schöne Städte anzusehen. Kaum auf der Straße, bemerkte er schon die ersten Photojäger, darauf aus, ein möglichst unvorteilhaftes Bild von ihm machen zu können. Seit Monaten berichteten die Medien über ihre Trennung – darüber, wie ausschweifend Genesis‘ Liebesleben mittlerweile geworden war und ob Sephiroth schon Ersatz gefunden hatte. Und dieses Mal hatten sie einiges zu kritisieren: seine Augenringe, die bleiche Haut, die matten Haare, die er zusammengebunden hatte, seine hängenden Schultern. Sie würden sich schon irgendetwas aussuchen. Nur war ihm auch das egal. Alles, was er wollte, war ein klärendes Gespräch mit Genesis. Es war nicht schwierig gewesen, Genesis‘ Adresse herauszufinden – bei Shin-Ra war man neuerdings sehr kooperativ gelaunt, wenn er vorbeikam. Sah er so furchterregend aus? Vielleicht war er etwas launisch und unberechenbar geworden. Aber er wollte einmal diese Zuckerlächelnsekretärinnen sehen, wenn sie nach neun Jahren verlassen wurden. Für einen kurzen Moment schien die Zeit stillzustehen, als Genesis die Tür öffnete und Sephiroth geschockt anstarrte. Seine sinnlichen Lippen waren vor Überraschung leicht geöffnet, die graublauen Augen leer und weit; für diesen einen Moment wirkte er unendlich verletzbar und berührt. Doch schon einen Augenblick später verfinsterte sich sein Gesicht wieder und er setzte einen missbilligenden Ausdruck auf. „Was machst du hier?“, fragte er abweisend. „Ich freu mich auch, dich zu sehen“, erwiderte Sephiroth – in einem Ton, den er so kalt gar nicht beabsichtigt hatte. In einem plötzlichen Aufkommen von Wut drängte er sich an Genesis vorbei ins Haus und ließ die Tür hinter sich laut ins Schloss fallen. „Hab ich dich rein gebeten?“ Auf Genesis‘ gereizte Bemerkung drückte Sephiroth ihn unsanft gegen die Tür. „Das hoffe ich für dich“, sagte er mit drohend blitzenden Augen. Sephiroth wusste, dass Genesis sich ausgerechnet von ihm nicht einschüchtern ließ; er musste ihm allerdings mit aller Klarheit verdeutlichen, dass er nicht vorhatte, sich erneut wegschieben zu lassen. Genesis‘ Blick wurde noch kälter. „Ich habe Besuch.“ Dann war es also wahr. Genesis hatte viele Männer in sein Bett gelassen. Anstatt ihn zu verunsichern, erfüllten Sephiroth diese Worte allerdings nur erneut mit Wut. „Und?“ Sie sahen sich lange unnachgiebig in die Augen. Schließlich ließ Sephiroth Genesis los; er machte den ersten Schritt. Genesis musterte ihn weiterhin, als ob er sehr intensiv darüber nachdachte, was er jetzt tun sollte. Dann nickte Genesis kurz zu Sephiroths Linken, sichtlich beeindruckt und damit beschäftigt, nicht beeindruckt auszusehen. Sephiroth ging in die ihm gewiesene Richtung und fand sich bereits nach ein paar Schritten in einem großen, hellen Wohnzimmer wieder. Zugegeben, der Kerl war hübsch; jung, ein Vollblutportugiese mit dunklen kurzen Locken und einem angenehm gebräunten Hautton. Im Moment jedoch wirkte er eher verwirrt. Sephiroth gefiel die latente Angst in den Augen des Burschen. Er kostete sie noch kurz aus, bevor Genesis, der ihm gefolgt war, den jungen Mann auf Portugiesisch und in mehreren Versuchen herauskomplimentierte; dann war Genesis‘ Bekanntschaft endlich an ihm vorbei und verschwunden. Mit Genugtuung hörte Sephiroth erneut die Tür auf- und zugehen. Tief durchatmend lehnte er sich gegen einen Tisch, der vor dem Fenster stand. Auf einmal bemerkte er, wie erschöpft er war. Der Gedanke, Genesis wiederzusehen, hatte ihn die acht schlaflosen Monate vergessen lassen. Sein Körper aber war nicht so nachgiebig. Genesis stellte sich ihm gegenüber ans Fenster und schaute ihn an, als ob er erwartete, dass Sephiroth etwas sagte. „Warum hat das jetzt so lange gedauert?“, war das erste, was ihm einfiel. Genesis‘ Lippen kräuselten sich spöttisch „Er sorgt sich um meine Sicherheit, weil ihn dein plötzliches Erscheinen erschreckt hat, und da er Angst hat, du könntest mir etwas tun, möchte er, wenn er nichts mehr von mir hört, die Polizei einschalten.“ Sephiroth schnaubte. Gewalttätig hatte ihn noch nie jemand eingeschätzt. Auch Genesis lächelte. „Hierzulande kennt man dein sanftes Gemüt nun mal nicht.“ Sie schwiegen eine Weile. „Und schönen Dank auch“, meinte Genesis sarkastisch, als von Sephiroth nichts weiter kam. „Gern geschehen“, antwortete Sephiroth, jetzt wieder etwas bissig, und doch meinte er es ernst – er wollte nicht, dass Genesis mit noch mehr Männern schlief. Einer plötzlichen Eingebung folgend lehnte sich Sephiroth neben Genesis ans Fensterbrett. Eine Weile standen sie so da, Sephiroth genoss Genesis‘ Gegenwart und den Duft, der von ihm ausging. „Du siehst übrigens schlimm aus“, stellte Genesis schließlich fest. „Danke“, erwiderte Sephiroth lachend. „Also, was willst du hier?“ Sephiroth begegnete Genesis‘ fragendem Blick mit Unverständnis. „Du bist einfach so abgehauen, glaubst du nicht, da gibt es ein paar Dinge, über die wir reden sollten?“ „Zum Beispiel?“ Genesis zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Doch Sephiroth war abgelenkt von der Haut an Genesis‘ Hals, die er schon seit Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. „Keine Ahnung“, sagte er, sich zusammenreißend. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich bis hier komme.“ Ungläubig sahen sie sich an, bevor Genesis zu lachen anfing. „So kenn ich dich ja gar nicht“, meinte er lächelnd. Wieder entstand Stille zwischen den beiden, eine angenehme Stille; es war mehr eine Idylle als ein Schweigen, in der Sephiroth angestrengt darüber nachdachte, was er sagen sollte. „Was ich meine“, fing er langsam an, während sich Genesis‘ Augen wieder auf ihn richteten, diesmal neugierig, „ist, dass du – einfach so abgehauen bist. Ohne etwas zu sagen. Du – und … und –“ Er stockte. Was genau wollte er? Er wusste nur: „Und ich kann dich so nicht gehen lassen.“ Genesis wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Als er wieder zurücksah, war sein Blick verständnisvoll. „Jetzt, wo du hier bist …“, sagte er, unterbrach sich allerdings. „Ja?“, animierte Sephiroth ihn weiterzusprechen. „Nichts“, meinte Genesis und sah wieder weg. „Cheru*“, bat Sephiroth. Er wollte wissen, was Genesis auf dem Herzen hatte. Doch dieser schaute ihn nur gereizt an. „Sag das nicht!“ Sephiroth sah, dass Genesis von sich selbst überrascht war. „Es ist nur … ich hab das seit Ewigkeiten nicht mehr gehört …“ „Seit acht Monaten, um genau zu sein“, erinnerte ihn Sephiroth. „Ja, ich weiß …“, räumte Genesis ein. Plötzlich wurde sein Ton geschäftlich. „Du meinst also, ein letzter Kuss würde es besser machen? Eine letzte Nacht und du kannst das mit uns begraben?“ Sephiroth musste zugeben, das war der grobe Plan gewesen, selbst wenn er das nicht so gut hätte erklären können. Doch so, wie Genesis es sagte, klang es einfach hirnrissig. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie sollte so ein Plan funktionieren? „Jetzt, wo du hier bist“, sagte Genesis wieder, „möchte ich mich gar nicht von dir verabschieden.“ Der Blick, den Genesis ihm diesmal zuwarf, traf Sephiroth mitten ins Herz. Er konnte nicht anders: Er nahm Genesis‘ Gesicht in seine Hände, näherte sich ihm … und tat es doch nicht. Kurz überlegte er, ob er sich wieder zurückziehen sollte, doch als er in Genesis‘ blaue Augen sah und dort die gleiche Sehnsucht erkannte, die er selbst empfand, konnte er nicht widerstehen. Vorsichtig strich er mit seinen Lippen über die Genesis‘, bevor er sie in einem liebevollen Kuss einfing. „Vergiss ihn“, hatten sie gesagt. Ja, dachte sich Sephiroth, er würde die letzten acht Monate vergessen – mit Genesis an seiner Seite. Kapitel 10: Fives Kisses: Aftermath ----------------------------------- Auf den Versöhnungskuss war der Versöhnungssex gefolgt, bei dem sie laut, leidenschaftlich und grob geworden waren. Sephiroth war an diesen Kontrollverlust gar nicht mehr gewöhnt gewesen; nach beinahe neun Jahren kontinuierlichen Liebeslebens war das nervöse Kribbeln einfach irgendwann verschwunden. Völlig fertig mit den Nerven lag er nun in Genesis‘ großem Bett auf dem Rücken, noch leicht außer Atem und verschwitzt. Auf seinem ausgestreckten linken Arm, von ihm abgewandt, lag seine bessere Hälfte und ruhte sich von ihrem Liebesspiel aus, wobei er immer wieder wohlig seufzte. Liebevoll legte er seine in Sephiroths Hand und sagte verträumt: „Ich hatte schon ewig keinen so guten Sex mehr.“ „Dafür aber reichlich“, warf ihm Sephiroth gekränkt vor. „Ach, krieg dich ein“, erwiderte Genesis entspannt, wandte sich ihm zu und legte den Kopf mit geschlossenen Augen auf Sephiroths Brust. Sanft spielte er mit Genesis‘ Kupfersträhnen, die ein wenig in dessen Gesicht klebten. „Und, Beziehungsstatus?“, fragte Sephiroth betont unbesorgt und doch im Innern hoffnungsvoll. Der Ausdruck auf Genesis‘ Gesicht, als er seine Augen wieder öffnete, gefiel Sephiroth ganz und gar nicht. Es sah aus, als ob Genesis ihm ein Nein als Antwort geben wollte. Er stützte sich auf Sephiroths Brust ab und rang sichtlich mit sich selbst um die richtigen Worte. „Mir wäre es lieb“, sagte er, ohne Sephiroth anzusehen, „wenn wir verlobt wären.“ Nun sah Sephiroth ihn geschockt an. Von Genesis, der gegen alle Regeln und Normen mit Absicht verstieß, hätte er so einen klassischen Wunsch nicht erwartet. Sichtlich enttäuscht drehte Genesis sich weg und setzte sich, ihm nur den Rücken zuwendend, auf die andere Bettseite, wobei er sich die Decke um die Schultern legte. Sephiroth musste diese Information erst einmal verarbeiten. Vor gut zehn Monaten hatte es eine offizielle Presseanfrage gegeben, was sie von der neuen Regelung in Gaia hielten, dass nun auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten konnten – sie als das homosexuelle Paar in der bunten Medienlandschaft –, woraufhin Sephiroth – diplomatisch, wie er fand – geantwortet hatte, dass nicht jeder heiraten wollen musste. Ungläubig sah er auf Genesis‘ verdeckten Rücken. „Darum ging es dir die ganze Zeit?“, fragte er und fühlte sich hintergangen. „Und darüber konntest du nicht mit mir reden?“ Zutiefst verletzt starrte Sephiroth auf Genesis‘ Rücken, den dieser ihm immer noch zuwandte. Sie hätten über alles reden können. Niemals hätte Sephiroth pauschal Nein zu Genesis‘ Wünschen gesagt. Aber wenn es das war, was zwischen ihnen stand … Wenn es das war, was Genesis mehr als alles andere wollte ... Genesis brauchte eine Weile, ehe er antwortete. Er sprach ganz leise, so als ob er sich das, was er sagte, gerade selbst zum ersten Mal gestand. „Nein, das war nicht alles“, entgegnete er schließlich, immer noch, ohne sich umzudrehen. „Mir war klar, dass du nichts vom Heiraten halten würdest.“ „Und?“ Der Ausdruck auf Genesis‘ Gesicht, als er ihn über die Schulter ansah, war einer tiefster Traurigkeit. „Und ich fand es nicht schlimm.“ Sephiroth verstand immer noch nicht. „Und?“ Genesis vergrub das Gesicht in den Händen. „Und ich wusste, was das bedeutet.“ „Was?“ Es war das bisher längste Schweigen, das zwischen ihnen entstand. Sephiroth begann sich zu fragen, ob er überhaupt noch eine Antwort bekommen würde, aber er war zu gebannt, um etwas zu sagen. Genesis ergriff nach einer langen Zeit doch wieder das Wort. „Es bedeutet, ...“, sagte er langsam, „dass du mir nichts mehr bedeutet hast.“ Sephiroth entfuhr ein bestürztes Keuchen; er richtete sich auf und starrte Genesis entsetzt an. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte; zumindest wusste er nicht, was er zuerst sagen sollte, da ihm sofort tausend Dinge durch den Kopf schossen, die sich alle um eine Frage drehten: Was genau tat er dann hier? Und was war es nun, das Genesis wollte? Genesis seufzte. „Verstehst du? Diese Regelung war mir so unglaublich wichtig, aber privat war sie mir egal.“ „Wenn du sagst, es war dir egal ...“, fragte Sephiroth verwundert, „dann hat sich das jetzt geändert, ja?“ Genesis schwieg. „Sag mal“, sprach er Genesis in einem erneuten Versuch an, der sich nun endlich zu ihm umdrehte, „einen Verlobungsring brauchst du aber nicht, oder?“ Aus Genesis‘ Augen sprach die pure Überraschung. Es dauerte eine Weile, bis er sagte: „Nein … – Nein, brauch ich nicht. Mir reicht das Versprechen.“ Überglücklich nahm Sephiroth Genesis‘ Hand in seine und streichelte mit einem Daumen darüber. Genesis sah ihn lächelnd an, wie er es seit Jahren nicht mehr getan hatte. Sephiroth zögerte kurz, wagte dann aber doch zu sagen: „Ich liebe dich.“ Genesis verdrehte die Augen, wie er es früher immer getan hatte. Trotzdem ließ er sich seufzend in den Arm nehmen und wieder in die Laken ziehen. Sephiroth musste zugeben, dass er trotz der Hitze im Lande recht zufrieden mit der Situation war: Sie waren wieder offiziell ein Paar. Und privat sogar verlobt. Kapitel 11: Man lernt nie aus ----------------------------- Plötzlich fiel Sephiroth so vieles an Genesis auf. Sein Freund – streng genommen ja nun auch sein Verlobter – sprach fließend und vor allem akzentfrei Portugiesisch. Nach näherem Erkunden erfuhr er, dass Genesis in Banora von klein auf von einem Muttersprachler unterrichtet worden war. Nun hatte sich für ihn die Frage, warum Genesis sich ausgerechnet für Lissabon entschieden hatte, wenigstens erledigt. Außerdem bemerkte Sephiroth, dass Genesis zwar rote Haare, blaue Augen und blasse Haut hatte – jedoch keine Sommersprossen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war es ihm nie in den Sinn gekommen, den Genesis zu hinterfragen, den er vor fast zehn Jahren kennengelernt hatte. Jetzt, wo sie so oft im strahlenden Sonnenschein unterwegs waren, stellte sich ihm die Frage über Genesis‘ Haut auf einmal wie selbstverständlich. Dieser erklärte Sephiroth, dass das Mako seine Sommersprossen, die er in der Tat gehabt hatte, nach und nach hatte verschwinden lassen – und dass er absolut nichts dagegen einzuwenden hatte. Doch es war etwas anderes, was ihn am meisten verblüffte, und es dauerte eine ganze Weile, bis es ihm überhaupt klar wurde. Nun kannte er Genesis schon so lange – trotzdem hatte er seinen Liebsten noch nie so viel lächeln und lachen sehen. Vor allem während ihres täglichen Aufenthaltes am Strand und bei regelmäßigen Besuchen der Confeitaria Nacional* war Genesis besonders ausgelassen. Nicht, dass er in den letzten Jahren immerzu eine Schnute gezogen hätte – aber seine Mundwinkel hatten sich tatsächlich selten nach oben verzogen. Doch ob beim Überwinden der vielen Hügel mit der Tram**, auf der Praça do Comércio*** oder bei einem guten Stück vom iberischen Schwein****, sein Blick war nun immer mit einem sanften Lächeln verbunden. Ja, plötzlich fiel Sephiroth auf, dass Genesis sich in den acht Monaten, während derer sie sich nicht gesehen hatten, sehr verändert hatte. Nun konnte er es kaum erwarten, nach Midgar zurückzukehren und die vielen nächsten Jahre auf sich zukommen zu lassen. Kapitel 12: Papier ------------------ Sephiroth betrat mit Cloud die SOLDIER-Etage des Shin-Ra-Hauptquartiers in Midgar. Bevor er in sein Büro ging, wollte er noch sein Postfach überprüfen, in das er sich geschäftliche wie private Briefpost schicken ließ; er erwartete seine Gehaltsabrechnung. Doch als er das Fach öffnete, fand er nicht nur diese sowie Werbung von seinem Mobilfunkanbieter vor, sondern auch einen von Hand beschrifteten Umschlag, der in Banora abgestempelt worden war. Sephiroth glaubte, Genesis‘ Handschrift zu erkennen. Neugierig drehte er den Umschlag um. Es stand tatsächlich ihre Banora-Adresse darauf, bei der Genesis sich aufhielt, während Sephiroth zum Arbeiten in Midgar war. Nichts Gutes ahnend suchte er den Blickkontakt zu Cloud, der seine eigene Gehaltsabrechnung nur kurz überflogen hatte. „Schau nicht mich so an“, sagte er, als er Sephiroths ratlosen Blick bemerkte. „Du hast den Brief in der Hand, nicht ich.“ Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, was zur Hölle er verbrochen haben mochte, öffnete Sephiroth den Umschlag zutiefst beunruhigt. Dieser wirkte jedoch zunächst leer. Als er ihn näher inspizierte, fand er zwei Karten; er zog sie heraus. Es waren Theaterkarten. Sephiroth schaute erneut in den Umschlag, der nun allerdings wirklich leer war. Und mit einem Schlag verstand er alles, als er das Datum auf den Karten entdeckte. Sephiroth steckte sie zurück in den Umschlag und reichte ihn Cloud, der ihn geduldig beobachtet hatte. Auch er inspizierte die Karten. „Nicht LOVELESS?“, fragte er. „Du versteht nicht, oder?“, entgegnete Sephiroth, nun ganz erleichtert und gelassen. „Nope“, räumte Cloud ein. Er händigte Sephiroth den Umschlag mit den Karten wieder aus. Dieser seufzte. „Das ist unser Hochzeitstag.“ Cloud nickte verstehend. „Oh.“ „Das ist … Es ist so …“ Sephiroth suchte das richtige Wort, doch ihm fiel nichts Besseres ein als: „Es ist einfach so Genesis.“ Er sah Cloud an, dass dieser angestrengt ein Lachen zu unterdrücken versuchte. „Ich kann dir auch ganz genau sagen, wie dieser Tag ablaufen wird.“ Cloud begann langsam zu glucksen. „Irgendwann am Nachmittag wird er hier im Foyer auftauchen und wenn ich ihm dann über den Weg laufe, wird er mich gespielt vorwurfsvoll anschauen, so als ob wir seit Stunden verabredet wären“ – mittlerweile lachte Cloud ihn ganz offen aus – „und dann wird er als Entschädigung darauf bestehen, dass ich ihn zum Essen einlade. Natürlich wird er das Teuerste auf der Karte bestellen, egal, was es ist – er isst ja auch eigentlich fast alles.“ „Ach, ihr habt ja getrennte Konten, nicht?“, unterbrach ihn Cloud, der seinen schadenfrohen Lachanfall überwunden zu haben schien. „Ja“, antwortete Sephiroth gereizt, „dieser Staat. Wir sind sogar verheiratet und dürfen nicht mal ein gemeinsames Konto haben.“ „Adoptieren dürft ihr auch nicht“, erinnerte Cloud ihn sensibel. „Na, das sowieso nicht. Und es gibt keine Steuervorteile.“ „Hey, du solltest froh sein, dass du überhaupt wählen gehen darfst*“, meinte Cloud augenzwinkernd. „Lustig“, sagte Sephiroth trocken. Dann nahm er den vorigen Gesprächsfaden wieder auf, während er erneut die Karten inspizierte. „Ich schätze, danach gehen wir schon in die Vorstellung. Und wenn ich es mir genau überlege – wir waren noch nie zusammen im Theater … Aber wie ich meinen Mann kenne, werde ich kein Wort sagen dürfen.“ „Dabei bist du doch so eine Plaudertasche“, meinte Cloud mit einer überraschend überzeugenden Unschuldsmine. „Lustig“, sagte Sephiroth erneut. Nach einer kurzen Pause überlegte er laut: „Eigentlich hätte Genesis auch darstellerisches Talent.“ „Inwiefern das?", fragte Cloud skeptisch. Mit Genesis verstand er sich nicht wirklich gut. „Na ja, er inszeniert so ziemlich jede Situation so, wie er sie haben möchte, das kann er sehr gut. Und er bekommt es ja sogar hin, obwohl es mir durchaus bewusst ist.“ „Normale Menschen nennen das manipulativ.“ „Wenn man es negativ ausdrücken möchte“, stimmte Sephiroth gezwungenermaßen zu. Er konnte nicht abstreiten, dass es nicht zu Genesis‘ positivsten Eigenschaften gehörte. „Und der restliche Verlauf des Abends bleibt fürs Erste offen …“ „Das will ich auch gar nicht so genau wissen“, sagte Cloud und verzog das Gesicht. „Ich sag dir seit Jahren, dass Frauen das einzig Wahre sind, mein Freund.“ „Was soll ich mit Frauen? Die können auch manipulativ sein.“ „Nein, Frauen wissen nur, was das Beste für uns ist.“ „Das kann auch nur ein Pantoffelheld sagen“, wandte Sephiroth ein. „Zumindest habe ich zu Hause überhaupt irgendetwas zu sagen.“ „Ja, zum Beispiel: ‚Sehr gerne, Tifa, was immer du von mir verlangst, Tifa, natürlich springe ich von der Brücke, Tifa‘.“ „Ach, komm“, winkte Cloud ab, „du hast es nicht drauf, Crescent – ach nein, deinen Nachnamen hast du ja auch noch abgegeben.“ Sephiroth sah auf seine imaginäre Armbanduhr. „Um zwei auf Etage 49?“, fragte er. „Naa, lass mal. Zum Duell trete ich nur gegen echte Männer an.“ Sephiroth lachte. „Dann um halb eins beim Essen?“ „Klingt besser.“ Sie verabschiedeten sich. Sephiroth schaute nach diesem freundschaftlichen Schlagabtausch erneut auf den Umschlag in seiner Hand; diesmal breitete sich ein liebevolles Lächeln auf seinem Gesicht aus. Auch wenn Genesis die Angewohnheit hatte, sich über Sephiroth hinwegzusetzen – so musste er doch zugeben, dass er sich nun besonders auf seinen ersten Hochzeitstag freute. Kapitel 13: Valentinsbonus: Papier Teil 2 ----------------------------------------- Genesis war nervös. Er war es nicht oft. In den Spiegel hatte er schon unzählige Male geblickt. Trotzdem fasste er sich schon wieder ins Haar und legte eine Strähne nach links, nur um sie doch wieder nach rechts zu legen, wo sie hergekommen war. Er zupfte an seinem Hemd, zog die Hose ein Stück nach oben, nur um sie wieder nach unten zurückzudrücken. Er trat sehr nahe an den Spiegel heran; seine Gesichtshaut war genauso, wie sie schon vor zwanzig Sekunden gewesen war, der Hals war auch ansehnlich. Natürlich nur vom Nahen; er pflegte seine Hemden ordentlich zuzuknöpfen. Jemand anders als sein Mann brauchte seine Haut nicht zu sehen. Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass es Zeit wurde. Er atmete noch einmal tief durch, schulterte seinen kleinen Rucksack mit einem Buch und zwei Äpfeln darin, öffnete die Tür und trat hinaus in den Hausflur. Den Weg von ihrer Wohnung in Midgar zum Hauptquartier war er noch gar nicht sehr oft gegangen. Sein Ziel lag allerdings nicht weit entfernt, sodass er kurze Zeit später in der altbekannten Eingangshalle ankam. Er blieb im vorderen Bereich kurz stehen und atmete noch einmal tief durch. Sein Blick fiel nach links auf den kleinen Stand mit den Tischen davor. Nach einem kurzen Plausch ließ er sich mit einer dampfenden Tasse Kaffee auf einem davon nieder. Wenn ihn nicht alles täuschte, musste es innerhalb der nächsten Minuten so weit sein. Er sammelte sich zum wiederholten Male und versuchte, möglichst lässig zu wirken: Er setzte sich nicht ganz aufrecht in den Stuhl, schaute in keine bestimmte Richtung, hatte einen, wie er hoffte, unbekümmerten Gesichtsausdruck. Er wusste, dass Klamotten und Haare einwandfrei saßen, seine Erscheinung war umwerfend. Eigentlich musste alles klappen. Nach Sephiroth konnte man für gewöhnlich die Uhr stellen. Eine gesicherte Tür im hinteren Bereich öffnete sich und da erschien er. Sephiroth ließ den Blick durch das Foyer schweifen und entdeckte ihn zielsicher in kürzester Zeit. Lächelnd, als ob er es geahnt hätte, steuerte er den Tisch an, an dem Genesis sich lümmelte. Genesis tat überrascht. „Bist du öfter hier?“, fragte er unschuldig, aber mit stark ironischem Unterton. „Ist das dein Anmachspruch?“, fragte ihn Sephiroth neckend zurück. „Spruch? Pff“, machte Genesis nur. Er legte den Kopf schräg und streckte dabei den Hals etwas. „Ich hab ganz andere Methoden, dich anzumachen.“ Als Sephiroths Blick seiner Bewegung interessiert folgte und anschließend den Rest von ihm in Augenschein nahm, wusste er um den Erfolg seiner perfekt inszenierten Show. Schließlich kam Sephiroth wieder in der Wirklichkeit an. „Wenn du eh wusstest, dass ich auftauche, hättest du mir gleich einen Tee holen können.“ Genesis gluckste belustigt. „Die Rechnung beim Imbiss ist übrigens noch offen.“ „Wow.“ Sephiroth lachte etwas hilflos. „Klar, was auch sonst?“ Nachdem sich auch Sephiroth seufzend mit einer Tasse an den Tisch gesetzt hatte, musterte er Genesis eingehend. „Erzähl jetzt nicht, dass ich ja dein Geld wert sei“, sagte dieser trocken. Sephiroth lachte darauf, sagte aber nichts. Ihre Getränke waren geleert, als er wieder das Wort ergriff. „Wie ich dich kenne, hast du Hunger.“ „Ach, und du nicht?“, versetzte Genesis skeptisch. „Das war ja nicht der Punkt“, sagte Sephiroth ruhig. „Wonach wär dir?“ „Nach dem Chinesen um die Ecke.“ „Aber der ist ja gar nicht teuer.“ Nein, dachte Genesis, dafür kann man dort unter sich bleiben. „Ich dachte, du willst den Tag nutzen, um mich zu schröpfen.“ „Ew, weißt du, wie widerwärtig Schröpfen ist?“ Sie schauten sich kurz vielsagend an, bevor sie sich von den Stühlen erhoben und Genesis das Thema wechselte. „Hast du übrigens die Karten?“ „Natürlich, wofür hältst du mich?“ „Hm ...“, machte Genesis gespielt unsicher. Sephiroth zog ihn an der Taille näher an sich heran. In der Pause zwischen den beiden Teilen des Stückes zog Sephiroth ihn an der Hand in eine lauschige Ecke und, abgeschirmt von neugierigen Zuschauern, legte sanft die Arme um ihn, um ihn sehr nahe an sich heran zu ziehen. Er spürte kurz Sephiroths Lippen unter seinem Ohr und nahm seinen angenehmen Duft wahr, ehe er ihn mit sanfter Gewalt wegdrückte. Während Sephiroth ihn gespielt schmollend anschaute, griff Genesis zu seinem Rucksack und holte einen der beiden Äpfel hervor. Mit einem Taschenmesser halbierte er ihn und reichte eine Hälfte davon Sephiroth. Der nahm sie mit einem schwer lesbaren Lächeln entgegen. „Du weißt, ich mag nichts Süßes.“ „Das ist ein Apfel, nichts Süßes, das ist was völlig anderes.“ Alles war genauso gelaufen, wie er es geplant hatte. Er hatte Sephiroth auf die Minute genau abgepasst, hatte ihn mit seinem Auftreten von Anfang an verzaubert, ihn entführt und in ihrer Zweisamkeit noch ein Stück weiter um den Verstand gebracht, *bevor er unter all den andern Leuten zurückhaltender geworden war und Sephiroths Hand nur um Schutz der dunkleren Szenen kurz gedrückt hatte. Nun standen sie hier, zwei allein unter so vielen, und schauten sich lange in die Augen. „Ein Jahr“, sagte Sephiroth schließlich. „Ein Jahr ist gar nichts“, sagte Genesis nachdrücklich. Damit und mit allem anderen wollte er alles aussprechen, was zwischen ihnen war: Dass sie so lange zusammen waren, dass sie zwischenzeitlich getrennt gewesen sein mochten, doch dass er erkannt hatte, dass Sephiroth der Mann für ein gemeinsames Leben war, niemand sonst, dass er diesmal alles richtig machen wollte, dass er für seinen Mann perfekt sein wollte, dass er sich bemühte, dass er wusste, dass sie füreinander kämpften, nicht gegeneinander, und zwar noch für eine möglichst lange Zeit und dass er ... nicht immer alles sagen konnte. Und Sephiroths Blick sagte ihm, dass er verstand. Kapitel 14: Warum ich? ---------------------- Es war ein schöner, milder Sommertag. Die Sonne schien zum leicht geöffneten Fenster herein, durch das eine angenehme Brise in die Küche wehte. Sephiroth hatte eine ungefähre Ahnung, dass er hungrig war, aber das war nebensächlich; er war glücklich. Unheimlich glücklich. Er lehnte mit einem Glas in der Hand an der Spüle und schaute ihr beim Kochen zu, während sie ihm erklärte, was sie da so machte. „Siehst du, und jetzt kommen die Tomaten in die Pfanne, die guten italienischen Tomaten“, sagte sie gerade, als sie genau dies tat: Tomaten in die Pfanne geben. „Das zischt ein bisschen, ist ja viel Wasser dabei.“ Trotz des Dampfes, der nun emporstieg, blieb sie ganz ruhig. Sie lächelte fröhlich und strich sich die braunen Haare aus der Stirn, die sie mit ihrem Haarband nicht hatte bändigen können. Hübsch war sie, hoch gewachsen, wie so oft in einer lila Bluse. Neben dem Herd stand ein Glas Wein. „Beim Kochen mit Wein muss man immer aufpassen, dass auch was davon im Essen landet“, hatte sie lachend gesagt. „Salz nicht vergessen“, ermahnte sie ihn nun, indem sie zu ihm herübersah und nebenbei Salz zu den Tomaten gab. Dann wandte sie den Blick wieder dem Herd zu, als sie einen Holzlöffel in die Sauce tauchte und vorsichtig probierte. Sie nickte anerkennend. „Dann die Pasta direkt aus dem Topf mit einer Zange zu den Tomaten in die Pfanne geben – so, siehst du – gut schwenken, Basilikum drunter heben. Ist gleich fertig.“ „Wenn ich dich nicht hätte“, sagte Sephiroth neckend, „wüsste ich nicht, wie man Spaghetti mit Tomaten kocht.“ „Du“, sagte sie mit einem Tonfall wie ein erhobener Zeigefinger. Dann streckte sie einen Arm nach ihm aus. „Komm her, Baby.“ Er stellte sein Glas in der Spüle ab und ging auf sie zu, woraufhin sie einen Arm um seine Taille schlang und ihren Kopf unter seinen drückte. Dann schaute sie ihn liebevoll von unten an. Und da waren sie. Diese grünen Augen. Die exakt so aussahen wie seine. „Mama hat dich lieb, Schatz.“ Sephiroth schlug die Augen auf. Oft hatte er gelesen, Leute würden schreiend aus Albträumen auffahren und augenblicklich kerzengerade im Bett sitzen, schwer atmend und mit schnell pochendem Herzen. Doch auch wenn er oft schlecht träumte, hatte er diese Erfahrung noch nie gemacht. Wie jetzt auch wachte er für gewöhnlich mit dem Bewusstsein auf, eben noch geträumt zu haben, war aber trotzdem noch verschlafen und musste sich erst orientieren und an den Traum erinnern, der ihn geweckt hatte. Manchmal wusste er schon Sekunden nach dem Aufwachen aus dem Albtraum nicht mehr, worin genau er bestanden hatte. Was er dafür gegeben hätte, dass dies nun auch der Fall wäre. Er konnte sich furchtbar genau daran erinnern, was er geträumt hatte. Schwer schluckend schaute er zu seiner Linken, wo Genesis neben ihm im Bett lag und seelenruhig weiterschlief. Die schlimmsten Albträume waren nicht die, in denen Hojo, Mako und Behandlungen mit Injektionen vorkamen, deren Effekt er schon vorher genau kannte. Es waren auch nicht die, die in Wutai spielten, in denen er Schreie, Röcheln, Blut und Knochenknacken wieder durchlebte. Dies waren die Träume, bei denen er sich umherwälzte und die Genesis weckten, sodass sie zusammen wieder einschlafen konnten. Sephiroth richtete sich langsam auf. Er spürte es sich anbahnen, dass sein Körper wach wurde und dass er lange nicht mehr würde einschlafen können. Er warf noch einen Blick auf Genesis. Konnte er es über sich bringen, ihn zu wecken? Und wenn er ihn geweckt hätte, was dann? Wie sollte er ihm erklären, was ihn wach hielt? Dass Sephiroth häufig von Albträumen geplagt wurde, war für seinen Mann nichts Neues, aber was hatte er soeben geträumt? Und würde es nicht albern klingen, wenn er erzählte, was ihn gerade beschäftigte? Leise, um Genesis wirklich nicht zu wecken, stahl sich Sephiroth aus den Laken und durchquerte das Schlafzimmer; öffnete die Tür zum Flur. Dort zögerte er. Wollte er wirklich sehen, was er sehen wollte? Wenn er jetzt weiterginge – wie tief war dann der Abgrund, der sich vor ihm auftun würde, wenn er nur einen falschen Schritt machte? Er hatte von Narben gelesen, die die Brust wie eine Schlucht aufklaffen ließen, sobald sich der geringste Anlass bot. Und war seine Brust nicht seit der Geburt schrecklich vernarbt? Oder war genauer gesagt nicht sein ganzer Körper von Narben gezeichnet? So vieles, das immer neue Verletzungen geschlagen hatte. Angefangen hatte es bei ihr. Er musste es wissen. Nein, er wollte nicht sehen, was er sehen wollte. Aber er musste. Er musste jetzt einen Fuß vor den andern setzen und sich dem stellen, was dort nicht wartete. Ohne Licht einzuschalten – er konnte ja im Dunkeln gut genug sehen –, warf er noch einen letzten Blick auf Genesis zurück und schloss dann die Tür zum Schlafzimmer. Nun war es wirklich stockfinster. Sephiroth bemühte angestrengt all seine Sinne: Er spitzte die Ohren, aber kein Geräusch drang daran; er versuchte, den Weg vor sich zu erkennen, aber selbst seine Augen machten in dieser Dunkelheit kaum ungefähre Schemen aus. Aus dem Gedächtnis lief er den kurzen Flur entlang, bis er, wie er wusste, zu der Tür gekommen war, durch die er jetzt gehen musste. Sie war geschlossen. Natürlich. Abends, bevor er zu Bett ging, schloss er alle Türen. Immer. Ein neues Hindernis. Er verharrte kurz. Wappnete sich. Atmete tief ein. Aus. Atmete noch einmal ein. Hielt die Luft an, ohne es zu merken. Er legte eine Hand auf die Klinke und drückte die Tür auf. Was hatte er zu sehen erwartet? In der kurzen Zeit war er nicht dazu gekommen, darüber nachzudenken. Wäre ihm auch nur ein vernünftiger Gedanken gekommen, wäre er wohl im Bett geblieben. Im hereinfallenden Mondlicht lag die Küche da, wie er sie zurückgelassen hatte: Der Herd war sauber, die Oberflächen gewischt, das Geschirr gespült, abgetrocknet und weggeräumt, der Boden war gefegt. Alles war ordentlich. Kein Zeichen davon, dass hier jemand zugange gewesen wäre. Die Leere der Küche wirkte zerstörerischer auf ihn, als er angenommen hatte; als er jemals angenommen hätte. Sie übertrug sich auf ihn. Er stand im Türrahmen und starrte in den Raum. Da war niemand. Da konnte ja auch niemand sein. Zumindest sollte dort niemand sein. Es war noch nie jemand dort gewesen außer ihm selbst. Sein Leben lang. Schon früher. Immer. Sephiroth sackte gegen den Türrahmen. Atmete er eigentlich noch? Sollte er noch atmen? In ihm sollte nichts sein. Nirgendwo. Vielleicht konnte er eins mit dem Nichts werden und verschwinden. Vielleicht konnte ihn das Nichts mitnehmen. Langsam glitt er am Türrahmen herunter, bis er am Boden angekommen war. Er versenkte die Hände in den eigenen Haaren, krümmte sich, versuchte irgendwie, die Leere in sich zu fassen, das Nichts, das immer mehr wurde. Es fraß schmerzhaft mit eiskalten Zähnen an ihm, die wie heiße Klingen in ihn schlugen. Er öffnete den Mund, aber es kam kein Schrei heraus; gar kein Laut. Sein Körper schmerzte, krampfte, schmolz. Es tat so weh. Sein Atem ging so schnell. Er atmete. Atmete. Atmete ein. Aus. Ein. Er schloss die Augen und atmete lange aus. Langsam kam er wieder zu sich. Er spürte etwas an seiner Schulter; etwas Warmes. Als er hinschaute, sah er etwas in dem spärlichen Licht blitzen, das zum Fenster hereinkam. Er blinzelte. Es war ein Ring. Er sah noch einmal genauer hin. Genesis hockte neben ihm und sah ihn bestürzt und fassungslos an. Sephiroth merkte, wie sein Verstand langsam wieder einsetzte. Jetzt, mit einem Blick in Genesis' weit aufgerissene Augen, in denen sich das Mondlicht fing, fiel ihm auch wieder ein, dass die Welt ja überhaupt nicht leer war. Und doch. Sephiroth sah, dass Genesis ihn ansprach, er folgte den Bewegungen seiner Lippen, aber er hörte ihn nicht. Er konnte ihn einfach nicht verstehen. Mit Genesis‘ Hilfe erhob sich Sephiroth, ein lautes Rauschen im Ohr, langsam vom Boden; sein Rücken schrie vor Schmerz; seine Glieder waren kalt und starr. Er ahnte nur, wie lange er dort in sich selbst versunken gehockt haben musste. Gegen den Schmerz in seinen Muskeln ankämpfend, ließ er sich langsam von Genesis zurück ins Schlafzimmer leiten. Während das Dröhnen in seinen Ohren abnahm, spürte er, wie ihm dafür beim tiefen Durchatmen leicht schwindelig wurde. Genesis zog ihn stützend durch die Schlafzimmertür und half ihm vorsichtig aufs Bett; Sephiroth fühlte, wie sich sein wilder Herzschlag allmählich beruhigte. Nun verstand er auch Genesis‘ beruhigendes Einreden, der sich über ihn beugte, ihm einen Kuss unter das Ohr gab und sich sanft an ihn schmiegte. Erst jetzt merkte Sephiroth, wie erschöpft er war. Er zog Genesis in seine Arme und zusammen sanken sie wieder aufs Bett. Genesis, so sah Sephiroth, fiel schnell wieder in einen wenn auch unruhigen Schlaf; immer wieder blitzte das Leuchten seiner Augen in der Dunkelheit auf, suchte und fand Sephiroth neben sich und erlosch wieder für eine Weile. Sephiroth aber blieb noch lange wach, seine Gedanken kreisten. Es mochten seltene Momente sein, aber manchmal fragte er sich doch, warum er schon kurz nach der Geburt so allein gelassen worden war. Er wusste, er würde nie eine Antwort erhalten. Aber manchmal brach es einfach aus ihm heraus. Warum ich? Kapitel 15: So Suddenly The Wind Blows -------------------------------------- Genesis war einem akuten Zustand von tiefem Glück verfallen. Auch wenn ihm die heißen Sommertemperaturen nicht zusagten, so konnte er doch nicht anders, als sich zufrieden seufzend am Ufer des Sees bei Banora umzusehen. Die Sonne, die von einem komplett blauen Himmel herabstrahlte, tauchte den Grasfleck, an dem er saß, und die Bäume um das Wasser herum in eine friedliche Idylle; die Familien aus dem Dorf hatten sich versammelt; die Kinder sträubten sich gegen ihre Eltern, weil sie lieber direkt in den See stürmen wollten, als sich vorher mit wasserfestem Sonnenschutz einschmieren zu lassen; ein paar begabte Jünglinge lieferten sich ein spannendes Volleyballspiel und auf der anderen Seite hatten die Schulkinder ihren Einweggrill aufgebaut. Als Genesis von seinem im Sonnenschein glänzenden Ehering aufsah, war der Dorfnachwuchs bereits freudig kreischend bis zum Wasser vorgedrungen. Er musste grinsen; sie belagerten seinen Seph, dessen langes Haar mittlerweile fast bis zu den Schultern durchnässt war, wie ein Klettergerüst. Die leichte Sommerbrise wehte ihm angenehm ins Gesicht und Genesis fühlte sich genau hier perfekt aufgehoben. Er dachte daran, wie sehr die Luft in Midgar stehen musste, schloss die Augen und genoss das Rascheln der Blätter, die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht, das Beisammensein mit den anderen aus dem Dorf, die Ruhe und vor allem das Gefühl völliger Unbeschwertheit. „Mit Kindern kann Seph gut, oder?“, riss ihn sein anderer Begleiter, den er aus Jugendtagen kannte, aus seinen Gedanken. Er sah ihn an. Starres dunkles Haar umgab ein energisches Gesicht von olivefarbenem Teint, in dem lange Wimpern dunkle Augen einfassten, die von Freundlichkeit und Durchsetzungsvermögen zugleich sprachen. Er lächelte mit schönen großen Zähnen. „Ja …“, erwiderte Genesis schlicht. „Hm“, machte sein Begleiter. „Dann ist‘s ja schade mit euch beiden.“ „Pass auf, was du sagst“, entgegnete Genesis gelassen, „sonst jubel ich dir Alkohol unter.“ „Das wagst du nicht!“, entrüstete sich sein muslimischer Freund. „Nein, natürlich nicht“, räumte Genesis lächelnd ein, woraufhin er erneut vor Glück seufzte. Es war ein schöner Tag mit Seph und Ergin. ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~ So suddenly things went wrong Just like that you were gone ~ Genesis schloss vorsichtig die Tür hinter sich, was in der klirrenden Kälte laut widerhallte. Er atmete kurz durch – weiße Wölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht – und wappnete sich innerlich für seinen Weg. Er machte sich auf durch den Schnee, den Kopf eingezogen und die Hände tief in den Taschen vergraben. Alleine wanderte er vorsichtig den Hügel hinab ins Dorf und zog dabei Spuren durch den beinahe knöcheltiefen Schnee. Vorbei ging es an kargen, zugeschneiten Bäumen und Büschen; sogar der Fluss, der Banoras Wasserquellen speiste, war zugefroren. Weit und breit sah Genesis niemanden auf den Hügeln über Banora. Langsam näherte er sich dem Dorfkern mit der Hauptstraße, an der sich das Wirtshaus und der Laden befanden. Auf dieser kam ihm Katie mit ihrem kleinen Sohn entgegen. Zuerst hatte er vor, sich an ihnen vorbeizustehlen, doch das war gar nicht nötig, denn der kleine Mann beanspruchte die ganze Aufmerksamkeit seiner Mutter, weil er jammerte, nicht in den Kindergarten gehen zu wollen. Eine Weile beobachtete Genesis das Schauspiel abwesend, dann entschied er, seiner ehemaligen Schulkameradin und guten Freundin unter die Arme zu greifen. Er ging auf die beiden zu. „Na, Großer, willst du nicht in den Kindergarten gehen?“, fragte er den Jungen. Dieser stampfte beeindruckend mit dem Fuß auf. „Nein!“, heulte er. „Willst du lieber mit mir mitkommen?“ Katie schaute Genesis irritiert an, aber das überging er. „Wohin gehst du denn?“, fragte ihn ihr Sohn strahlend. Genesis beugte sich tief hinunter, bis er dem Kind genau ins Gesicht sehen konnte. „An einen sehr traurigen Ort*“, sagte er mit allem Ernst, den er aufbringen konnte. Das verfehlte seinen Effekt nicht: Erschrocken konnte der Junge gar nicht schnell genug mit seiner Mutter wegkommen. Sie hauchte Genesis noch ein „Danke“ zu, dann waren sie weg und er stand einen Moment lang etwas ratlos auf der Stelle. Dann fiel ihm sein Ziel wieder ein. Mit einem Blick über die Schulter fragte er sich kurz, ob er sich im Wirtshaus etwas Moral dafür aneignen sollte, doch das schien ihm besonders in diesem Fall nicht angemessen**. Resigniert seufzend setzte er seinen Marsch durch den Schnee fort, bis ihm kurz vor dem angestrebten Ort eine gute Freundin seiner Mutter über den Weg lief. Gut gelaunt begrüßte sie ihn. „Heute ganz in Schwarz?***“, fragte sie ihn nach seiner Kleidung. „Ja“, sagte er nur. „Das ist ja ein schöner Kontrast zu dem ganzen Schnee“, plapperte sie drauflos, „und Schwarz steht dir auch so gut.“ Er nickte gedankenversunken. „Ich wollte jetzt eigentlich auch weiter, weißt du.“ „Ach“, sagte sie, ein wenig vor den Kopf gestoßen. „Dann will ich dich nicht aufhalten. Grüß deine Mutter von mir.“ Er murmelte noch eine unbestimmte Antwort, bevor er seinen Weg nun widerwillig erneut fortsetzte. Ein wenig fühlte er sich, als würde er auf seinen Galgen zugehen, dabei war es nicht sein Ende, dem er entgegenlief. Immer tiefer versank er in Erinnerungen, in traurig-schönen Erinnerungen, die ihn nicht losließen, seit etwas gar Schreckliches vorgefallen war. Als er angekommen war, wagte er es erst nicht, sich umzudrehen, doch er wusste, dass er da war; diese Strecke war er in letzter Zeit zu oft abgegangen. Genesis schloss die Augen und lauschte. Stille. Niemand. Die Luft war kalt und ungastlich. Es würde nichts darum herumführen. Indem er sich umwandte, richtete er seinen Blick auf den schlichten Grabstein vor sich: Ergin Aydın D. 19.12.1976 Ö. 28.09.2012 **** Genesis sank auf die Knie. Seine Augen brannten in der kalten Luft. Er fühlte sich unendlich verloren in der Weite der Schneelandschaft um den Friedhof herum und die Stille erdrückte ihn, während kein Atemzug seine Brust ausfüllen wollte. Der Schmerz über den brutalen Verlust eines seiner ältesten Vertrauten schlug in blinde Wut um, sein Magen brannte lichterloh, wann immer er daran dachte, wer ihm Ergin gewaltsam entrissen hatte. Doch tief in sich spürte Genesis noch etwas, was sich zu Trauer und Zorn mischte. Er war in seiner Nähe gewesen, er hätte da sein können. Warum hatte er Ergin allein losziehen lassen? Immer noch auf dem Boden kniend sah Genesis gen Himmel. Wie er sich immer weiter in sich verlor, wehte ihm der Wind ins Gesicht. ~ I’ll leave when the wind blows. ~ Kapitel 16: The Naked Chef -------------------------- Sephiroth war gerade damit fertig, die Küche aufzuräumen, als seine bessere Hälfte es doch noch für angebracht hielt, nach Hause zu kommen. Da Genesis ihn in der Küche werkeln hörte, steuerte er diese direkt an. „Schönen guten Abend“, sagte Sephiroth lächelnd, als Genesis sich an den Türrahmen lehnte. „Wie war dein Tag?“ „Hn …“, brummte Genesis. „So schlimm?“ Genesis sah ihn mit leerem Blick an. „Soll ich dir was Leckeres kochen?“ Mitleiderregend schlurfend kam Genesis auf ihn zu und schmiegte sich an Sephiroth. „Ja, bitte“, schmollte er. „Was willst du denn haben?“, fragte Sephiroth ihn. „Mir würden schon Nudeln mit Tomatensauce alle Wünsche erfüllen.“ Er seufzte. „Hauptsache Essen.“ „Hauptsache mit Liebe gekocht“, erwiderte Sephiroth lächelnd. Er küsste Genesis flüchtig, aber mit allem Gefühl auf die Stirn und schickte ihn unter die Dusche. Als sie endlich beim Abendessen zusammensaßen, konnte Sephiroth beobachten, wie Genesis sich mit jedem Bissen mehr entspannte. „Kochen wär ja nichts für mich“, meinte Genesis. „Weiß ich“, sagte Sephiroth. Sofort warf Genesis ihm einen strafenden Blick zu – wie immer, wenn er seine Monologe unterbrechen musste. „‘tschuldige.“ „Nun …“ Sephiroth erkannte Genesis‘ Gereiztheit – er hasste es abgrundtief, unterbrochen zu werden. „Jedenfalls wär das nichts für mich – ich seh ja, was du immer machst. Du machst die Küche sauber, um sie zu benutzen – nur um sie wieder sauber machen zu dürfen.“ „Ja, das gehört irgendwie dazu“, antwortete Sephiroth amüsiert. Dass sein Mann jede Form von „sinnloser“ Arbeit ablehnte, war ihm nur zu bewusst. „Wie praktisch, dass du einen Mann geheiratet hast, der dir Koch, Diener, Sexsklave und Hausmädchen zugleich ist.“ „Praktisch, stimmt“, meinte Genesis trocken. Er hasste es auch, unterstellt zu bekommen, gefühllos und berechnend zu sein. Dabei war es ihm egal, dass Sephiroth es sowieso besser wusste. Ihm war klar, dass Genesis ihn aus der gleichen Liebe geheiratet hatte, aus der Sephiroth ihn gerne mit Streicheleinheiten, gutem Essen und Komplimenten verwöhnte. Und von ihm aus konnte das für immer so bleiben. Kapitel 17: Was wäre, wenn ... ------------------------------ Ständig waren alle der Meinung, Sephiroth könnte Cloud nicht leiden. Dabei waren die gegenseitigen Sticheleien nur ihr Ausdruck dafür, dass sie sich gut leiden konnten. Ja, um ehrlich zu sein, er mochte den blonden Wuschelkopf recht gerne. Tatsächlich gingen sie verhältnismäßig oft zusammen essen, wenn sie nicht in Midgar waren. Clouds kulinarische Vorlieben deckten sich einfach am besten mit Sephiroths eigenen. Cloud wusste überraschend genau, was in welchen Maßen gesund war. Wenn Sephiroth da an Genesis‘ Schokoladen- und Chipsbunker dachte … Die Presse hatte Sephiroth schon oft unterstellt, seinem hübschen Mann fremdzugehen. So war das nun einmal, wenn man berühmt war – kaum traf man sich regelmäßig mit jemandem, schon hatte man etwas am Laufen. Doch solange Genesis wusste, dass dem definitiv nicht so war, war Sephiroth vollauf zufrieden. Obwohl er zugeben musste, dass Cloud nicht gerade schlecht aussah; wenn er sein Gegenüber über den Rand des Weinglases so betrachtete, fiel ihm auf, dass dieser gar keine schlechte Partie war. Schade eigentlich, dass er eindeutig auf Frauen stand. Und schade, dass sie beide seit über zehn Jahren vergeben waren, sich aber erst seit ein paar Jahren kannten … Kapitel 18: Love & Snow ----------------------- Sephiroth hätte es eigentlich ahnen sollen. Seit einer Woche gab es im Dorf nur noch ein Thema, das von schnell Vorbeieilenden verschwörerisch besprochen wurde; niemand blieb mehr für einen kurzen Plausch stehen (was ihm als Liebhaber des kurzen Plauschs besonders negativ auffiel) und die Spannung war auf diesem Höhepunkt, den sie eben erreicht hatte, schon beinahe greifbar. Sogar Genesis hatte ihn schon darauf hingewiesen. Vor wenigen Tagen, während Sephiroth gerade das Abendessen vorbereitete, war seine wunderbare bessere Hälfte – ganz unüblich – zu ihm in die Küche gekommen und hatte leicht verträumt vier völlig harmlos wirkende Worte zu ihm gesagt: „Es wird bald schneien.“ Dabei hatte er sich nichts weiter gedacht. In Midgar schneite es immerhin auch jedes Jahr und das Leben lief ungehindert weiter. Schnee war nicht unbedingt sein Lieblingsniederschlag, das war sein erster Gedanke dazu gewesen. Aber ansonsten hatte ihn die Nachricht, dass es schneien würde, nicht wirklich berührt. Auch als es schließlich tatsächlich zu schneien begann, nahm Sephiroth diesen Umstand höchstens zur Kenntnis. Er war kurz vor der Mittagsstunde nach einigen Besorgungen aus Banora zu seinem Haus auf den Hügeln zurückgekehrt*, da erspähte er sie: die ersten Schneeflocken. Er sah allerdings bloß zu, dass er schnell ins Warme kam und ging sorglos zu seinem normalen Alltag über. Der Schock kam erst am nächsten Morgen: Eben erst aufgestanden, streckte er sich etwas und ging leicht gähnend am Bett mit dem noch schlafenden Genesis darin vorbei zum Fenster hinüber, hinter dem der Schnee einen unglaublichen halben Meter hoch lag, während es weiterhin schneite. Wie erstarrt schaute er minutenlang nach draußen, bevor er sich endlich fangen konnte und versuchte, seinen Morgen wie üblich fortzuführen: duschen, eine Kleinigkeit essen, anziehen … Trotzdem musste er sich dem Schnee am Ende geschlagen geben: Auch für General Sephiroth war es nicht möglich, seine übliche Route durch beinahe knietiefen Schnee zu joggen. Betrübt machte er sich dennoch zu einem kurzen Spaziergang auf, von dem er bereits nach etwa fünfzehn Minuten zurückkehrte. Seufzend stand er an der Tür und wusste nicht recht, was er mit sich anfangen sollte. Kurz ging sein Blick zur Treppe, die nach oben zum Schlafzimmer führte, in dem Langschläfer Genesis noch immer im Bett lag. Der Gang zu seiner Rechten endete an einem Bibliothekarbeitszimmer, das mit Genesis’ vielen Büchern randvoll war. Und vor ihm erstreckte sich der Wohnbereich, der den Großteil des Erdgeschosses einnahm. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es noch lange nicht Zeit für ein ausgedehntes Frühstück mit seinem Ehegatten war. Also konnte er sich nur widerwillig murrend an andere Haushaltsaufgaben machen. Kurze Zeit später landete Sephiroth allerdings wieder am Schlafzimmerfenster, von wo aus er resigniert seufzend den immer noch fallenden Schnee beobachtete. Leises Rascheln verriet ihm, dass Genesis mittlerweile auch aufgewacht war, allerdings war er vom Anblick des sich weiter anhäufenden Schnees zu gebannt, als dass er sich umgedreht hätte. „Ich hab dir gesagt, dass es schneien würde“, sprach Genesis ihn an. „Woher sollte ich wissen, welche Ausmaße das annehmen würde?“, fragte Sephiroth leise. „Du bist so ein Stadtkind“, gähnte Genesis, bevor er aufstand und ins Bad ging. Sephiroth begab sich in der Zeit nach unten und richtete das Frühstück her. Gerade als er Genesis nach unten kommen hörte, stellte er diesem eine Tasse Kaffee auf den Platz. Genesis setzte sich telefonierend an den gedeckten Tisch, und Sephiroth konnte nur raten, dass es sich beim Gesprächspartner um Genesis‘ Mutter handelte, da die beiden gerne Dialekt sprachen – und zwar einen, den Sephiroth beim besten Willen nicht im Geringsten verstand. So auch jetzt: Von den wenigen Dingen, die Genesis, der überwiegend zuhörte, überhaupt sagte, verstand er kein Wort. Leicht genervt beendete Genesis das Telefonat und trank einen Schluck Kaffee. Auf Sephiroths fragenden Blick hin sagte er: „Meine Mutter. Tut so, als wäre das mein erster Winter in Banora.“ Ein weiterer Schluck Kaffee. „Wobei, eigentlich macht sie sich ja eher Sorgen um dich, weil du so was vorher noch nie erlebt hast. Da kennen wir uns jetzt schon so lange und du warst noch nie im Winter in Banora.“ „Aus dem einfachen Grund, dass man im Winter nicht nach Banora kommt“, entgegnete Sephiroth. „Wohl wahr …“, seufzte Genesis. Den Rest des Frühstücks verbrachten sie in einer angenehmen schläfrigen Stille. Wenn Sephiroth danach überrascht war, dass Genesis sich bereit erklärte, ihm beim Abräumen zu helfen, so war er höchst erstaunt, als sein Mann sich auch noch an ihn schmiegte, ihm über die Brust strich und liebevoll auf die Wange küsste. „Ich verabschiede mich jetzt in den Winterschlaf“, sagte er nur und wandte sich zum Gehen. „Und was genau hast du vorher gemacht?“, fragte Sephiroth ihn noch. „Wirklich aktiv warst du da ja auch nicht.“ In einer geschmeidigen Bewegung drehte Genesis sich noch einmal um und setzte einen koketten Blick auf, der Sephiroths Herz zum Stillstand brachte. „Das war mein normaler Tagesablauf.“ Gespielt verletzt sah er erst zu Boden und setzte dann seinen Weg zurück ins Bett fort. Da Sephiroth sonst nichts mehr zu tun hatte, folgte er seinem Mann kurz darauf ins Schlafzimmer, wo er Genesis mit Lesebrille und Buch im Bett liegend vorfand. Eigentlich war Sephiroth kein Freund von sinnlosem Faulenzen am Tage, aber in seiner Lage sah er keine andere Lösung mehr, als sich zu Genesis unter die Decke zu gesellen. Er legte seinen Kopf an dessen Schulter und strich ihm sanft über den Bauch. Doch bald merkte er, dass Genesis unruhig wurde: Immer wieder seufzte er und rückte hin und her, ständig blieb sein Blick auf der Buchseite stehen, anstatt weiterzulesen. Und Sephiroth wusste auch, woran das lag. Langsam weitete er seine Streicheleinheiten aus, bis Genesis sein Buch unachtsam zu Boden fallen ließ und sich die beiden nur noch aufeinander konzentrierten. Wenn das die kalte Jahreszeit war, überlegte Sephiroth, als er sich mit Genesis im Arm in die Laken kuschelte, konnte er sich dem absoluten Winterblues gerne völlig hingeben. Kapitel 19: Besuch ------------------ „Also, lieber Apfelkuchen. Wenn ich nicht schon verheiratet wäre und wenn ich dich nicht gleich aufessen würde, könnte ich dich glatt heiraten.“ „Schön, dass es dir schmeckt.“ Wenn Genesis die Tarte Tatin mit Dummäpfeln gefiel, war Sephiroth durchaus zufrieden. Gemütlich seufzend breitete er sich auf dem Sofa aus, den Kopf gegen Genesis‘ Beine gelehnt. „Schön, dass ich den Kuchen für mich allein haben werde.“ Da ist was dran … Wie schnell Genesis einen ganzen Kuchen allein vernichten konnte … Komisch, dass Guiness noch nicht an die Tür geklopft hatte. „Das ist übrigens kein simpler ‚Apfelkuchen‘, was du da isst, klar?“ „Ja, ja, schon gut“, meinte Genesis abwesend. Die Tarte musste wirklich gut sein. Schade, dass Sephiroth Süßes nicht ausstehen konnte. Karamellisierte Äpfel … allein bei dem Gedanken grauste es ihm. „Hauptsache ich hab alles für mich.“ „Na ja“, wandte Sephiroth belustigt ein, „du kennst ja die Spontanbesuche deiner Mutter.“ Als Sephiroth einen genauen Blick in Genesis‘ Gesicht warf, merkte er, dass dieser kurz nachdenklich innehielt. „Ich muss einfach schneller essen*“, sagte er schließlich. Dann setzte er erneut an: „Ist meine Mutter so schlimm?“ „Keineswegs“, meinte Sephiroth ehrlich, „aber du kannst dir vorstellen, dass ich gerne mit dir allein bin, oder?“ „Oh ja“, erwiderte Genesis, stellte den leeren Kuchenteller beiseite und strich Sephiroth mit der Hand durchs Haar. „Weil wir ja schon immer so wenig Zeit miteinander hatten.“ Sephiroth wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als es an der Tür klingelte. „Wenn man vom Teufel spricht“, sagte er stattdessen. „Warum musst du bloß immer recht haben?“, fragte Genesis ratlos. Kapitel 20: Zwei kurze Erzählungen, die irgendwie zusammengehören, aber nicht zusammenhängend erzählt werden ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Cheru?“, rief Sephiroth aus der Küche, als er diese startklar gemacht hatte. „Hm?“, kam es aus dem Wohnzimmer. „Komm mal her.“ „Komm du her, wenn was ist“, erwiderte Genesis trocken. Sephiroth musste unwillkürlich kurz auflachen; dass Genesis nicht auf ihn hören würde, hatte er schon geahnt. Also verließ er die Küche und ging zu seinem Mann, der lesend auf dem Sofa im Wohnzimmer saß. Dieser sah nicht einmal auf, als er sagte: „Ich lasse mich nirgendwo hin ordern, das weißt du.“ „Stimmt“, räumte Sephiroth ein. „Ich hatte vor, dich heute in unsere Küche einzuführen.“ Genesis sah ihn wie vor Schock versteinert durch seine Lesebrille an. „Ich koche nicht“, sagte er am Ende. „Heute schon“, meinte Sephiroth souverän. „Es sei denn, du hast keinen Hunger.“ Genesis sah ihn immer noch schockiert an. Schon sein ganzes Leben lang war er bekocht worden – von seinen Eltern, von den Shin-Ra-Kantinenköchen, von Sterne- und Chefköchen, zuletzt von Sephiroth – und die Vorstellung, sich nun selbst versorgen zu müssen, war ihm zuwider. „Komm schon“, bat Sephiroth. „Nur heute. Das macht Spaß, vertrau mir.“ Immer noch die pure Skepsis und blanken Horror im Blick, legte Genesis die Brille ab und das Buch beiseite, stand auf und kam mit seinem Mann in die Küche. Es war einer der gemütlicheren Abende, den Sephiroth mit Genesis verbrachte. Das Licht der Schirmlampe auf Genesis‘ Nachttisch, der ansonsten mit Notizblöcken, Stiften und Büchern übersät war, warf sanfte Schatten gegen die Wände ihres Schlafzimmers. Draußen war es dunkel; Banora ruhte. Sephiroth beobachtete seinen Gatten liebevoll beim Lesen; auch beim Wählen der Farbe für die Lesebrille hatte er Stil bewiesen – das recht breite Gestell war tiefgrün. Die blauen Augen hinter den schmalen Gläsern huschten hin und her, vertieft in eine Geschichte über Verrat, Sex, Meuchelmord, Macht* – nur das Wort „Shin-Ra“ fehlte. Der seit Neuestem wieder muskulöse nackte Brustkorb, der unter der Decke hervor lugte, hob und senkte sich regelmäßig. Die helle Haut am Hals wirkte in diesem dunkelgelben Licht besonders einladend. Dieser Gedanke versetzte Sephiroth innerlich ein paar Stunden zurück; Genesis war dabei gewesen, über das Gemüse zu wachen und darin zu rühren, als Sephiroth der unbändige Drang überkam, die Kupferhaare beiseite zu schieben und den freigelegten Nacken zu küssen – woraufhin Genesis meinte, er müsse sich konzentrieren und habe keine Zeit für so etwas. Sephiroth grinste. „Sag mal“ – Er wartete, bis Genesis‘ Augen zum Stillstand kamen – „wann hast du eigentlich vor, auch mal allein nur für mich zu kochen?“ „Das einzige, was ich dir jemals vorsetzen werde, ist ein Dummapfel“, erwiderte Genesis, ohne ihn anzusehen. „Ich werde diesen Tag sehnsüchtig erwarten“, meinte Sephiroth, weiterhin grinsend. „Du könntest ja gleich zu den Apfelbäumen runtergehen und einen ganz frischen pflücken.“ Jetzt sah Genesis ihn tatsächlich an. „Rein theoretisch könnte ich jetzt auch in die Küche gehen, in den Obstkorb greifen, einen Dummapfel herausnehmen, wieder herkommen und ihn dir anbieten – könnte, aber ich bin jetzt mit diesem Buch beschäftigt.“ „Buch vor Ehe?“, fragte Sephiroth schelmisch. „Jederzeit.“ „Heißt das, irgendwelche Heterosexszenen zu lesen erfüllt dich mehr, als mit deinem schwulen Ehemann zu schlafen?“ Wieder sahen sich die beiden Männer an, Genesis diesmal milde überrascht. „Das hab ich nicht gesagt.“ „Warum legst du dann das Buch nicht weg?“ Kapitel 21: Pajamas? -------------------- Draußen war entfernt fröhliches Vogelgezwitscher zu hören, das aus dem Wald um den Hügel drang. Alles blühte üppig, alles war saftig grün, durch die dichten Bäume wehte eine angenehme rauschende Brise. Gleißendes Sonnenlicht fiel durch die Fenster herein und beleuchtete die frischen, weichen Laken auf ihrem großen Bett. Genesis räkelte sich gemütlich darauf und spürte überall dieses angenehme Gefühl auf seiner Haut; er fühlte sich ausgenommen geborgen und entspannt. Mit einem wohligen Geräusch drehte er sich quer über das Bett auf den Bauch und griff nach seinem Handy. Ihm war danach, seine sozialen Plattformen auf Neuigkeiten zu durchsuchen. Langsam und etwas gedankenverloren wischte er auf dem Bildschirm vor sich hin. Den Großteil dessen, was er sah, ignorierte er ohnehin. Sein träger Geist war nahezu umwölkt vor endloser Muße. Er unterdrückte ein Gähnen und drehte sich auf eine Seite, das Handy ließ er nur lustlos neben sich auf die Decke fallen. Verträumt schloss er die Augen und fuhr sich geistesabwesend mit der Hand der einen Seite den Arm der anderen hinauf bis zur Schulter. Eine Weile nahm er so nur sein eigenes Atmen wahr, während er döste, die Arme beinahe so etwas wie ineinander verschlungen, die Augen nicht ganz offen, aber auch nicht ganz geschlossen auf die Bettseite neben sich blickend, ohne wirklich etwas zu sehen. Ruhig und warm, wie es war, stieg ihm ein angenehmer Duft in die Nase. Er blinzelte. Er merkte, dass er mit weit geöffneten Augen auf das Laken vor sich starrte. Allmählich erwachte Genesis auch innerlich. Mit einem leisen Seufzen richtete er sich in eine sitzende Position auf und umschlang mit dem Armen seine eng an den Oberkörper geschlungenen Knie. Wieder ein Gähnen unterdrückend, streckte Genesis gemächlich seine Gliedmaßen und, die Hände in die Seiten gestützt, reckte seinen Rücken, bewegte die Schultern nach hinten. Nun aus seinem Tagesschlummer erwacht, nahm er wieder sein Handy zur Hand, öffnete erneut die sozialen Netzwerke und entschied sich, eine öffentliche Nachricht abzusetzen. Er war gerade am Tippen – „He thinks I’m sexy in my pajamas“, schrieb er – als sich die Tür öffnete und Sephiroth eintrat. Der blieb nach einem kurzen Blick ins Schlafzimmer wie angewurzelt stehen und schaute Genesis atemlos an. Genesis, unbeeindruckt, fügte zur Nachricht hinzu: „Wait ... I’m not wearing any ...“ Kapitel 22: You're Coming With Me --------------------------------- Sephiroth setzte sich lustlos seufzend Genesis zu Füßen aufs Sofa, der gebannt auf sein Handy starrte. „Du hast nicht zufällig Lust, mich nächste Woche auf diesen Empfang zu begleiten?“, fragte er, obwohl er Genesis‘ Erwiderung schon vorausahnen konnte. Ohne aufzusehen, sagte dieser nämlich: „Du hast dir deine Frage schon selbst beantwortet.“ Er wischte weiter auf seinem Handy in alle Richtungen. Sephiroth machte ein enttäuschtes Gesicht, sagte aber vorerst nichts weiter dazu. Man hatte ihn von arbeitswegen dazu verpflichtet, einem Empfang mit hohen Tieren aus Wirtschaft und Kultur als Repräsentant für Shin-Ra beizuwohnen, um das Image des Konzerns aufzupolieren. Er hatte sich in einem Anzug einzusperren, schicke Schuhe dazu zu tragen, er sollte an einem Pulk von Reportern vorbeigehen, kurze Interviews geben und die ganze Zeit nett lächeln, während er erzählte, wie toll die Möglichkeit, sich mit solch bedeutenden Persönlichkeiten austauschen zu können, doch war, und das alles auf Shin-Ra zurückführte. Sephiroth hasste Henry, der für alles an PR, die mit ihm zu tun hatte, zuständig war, leidenschaftlich, was aber halb so schlimm war, da das immerhin auf Gegenseitigkeit beruhte. Henry war ein furchtbar missgünstiger, homophober Mensch, der Sephiroth wahrscheinlich lieber auf einem Scheiterhaufen als auf dem roten Teppich gesehen hätte. „Ich hab auch absolut keine Lust, da hinzugehen“, klagte er leidvoll. Genesis schaute immer noch nicht von seinem Handy auf. Sephiroth warf ihm einen Seitenblick zu. Ihm war nicht danach, Genesis‘ Aufmerksamkeit an ein Handy zu verlieren. Sanft legte er zunächst eine Hand auf Genesis‘ Knie, als der aber nicht die geringste Reaktion vermuten ließ, nahm Sephiroth noch die andere Hand hinzu und legte sie auf Genesis‘ anderes Knie. Der begann zu protestieren. „Seph, was willst du bitte von mir?“, fuhr er ihn halbherzig an, als Sephiroth ihm leicht die Knie auseinanderdrückte und sich über ihn beugte. „Jetzt leg doch mal das Handy weg“, sagte er und nahm es Genesis tatsächlich aus der Hand, um es auf den Boden gleiten zu lassen. Seine Hände platzierte er nun an beiden Seiten von Genesis‘ Gesicht, der ihm die Arme um den Hals schlang. Ihre Zungen berührten sich in einem sanften Kuss. Genesis drückte ihn weg. „Du kannst mich nicht überreden.“ „Ach, meinst du?“, fragte Sephiroth mit einem verschmitzten Grinsen und küsste an Genesis‘ Kiefer entlang. „Seph“, sagte Genesis, der es wieder einmal seinem begriffsstutzigen Mann erklären musste, „ich schlafe seit 20 Jahren mit dir, glaubst du, damit kannst du mich noch hinterm Ofen hervorlocken?“ „Klar“, antwortete Sephiroth, seine Lippen nur Millimeter von Genesis‘ entfernt, „warum nicht?“ Kapitel 23: Tira-mi-sù ---------------------- „Hab ich Geburtstag?“, fragte Genesis skeptisch, als Sephiroth neben ihm auftauchte und ihm einen Teller und einen Löffel hinhielt. „Nein, wieso?“, fragte Sephiroth leicht irritiert. Nachdem Genesis ihm Teller und Löffel abgenommen hatte, setzte er sich zu dessen Füßen mit aufs Sofa. „Oder haben wir heute Hochzeitstag?“, bohrte Genesis weiter. „Brauch ich eine Ausrede, um dir ein bisschen was Süßes zu machen?“ Genesis tauchte den Löffel in ein herrliches Dessert aus dicker Crème und fluffigem Teig. Er roch Kaffee und Schokolade. Und noch etwas anderes. Alles zusammen in seinem Mund machte ihn sehr glücklich. „Ok“, sagte er, als er den ersten Bissen geschluckt hatte. Sephiroth beobachtete ihn. „Was hast du kaputtgemacht?“ Sephiroth gluckste. „Ich mach nie wieder was für dich.“ Genesis löffelte weiter seine Süßspeise. Beim dritten oder vierten Löffel, der Teller war nun fast geleert, fiel ihm etwas auf. „Das hat aber auch einige Umdrehungen, oder?“ Sephiroths Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Ich hab den Alkohol mit dem Kaffee vermischt – ich hab das nicht noch mal probiert.“ Sephiroth hasste Kaffee ebenso wie Süßes. „Nein, ist ok“, beschwichtigte ihn Genesis, der nun den Löffel auf dem leeren Teller ablegte. „Du hast nicht zufällig noch mehr?“ Sephiroth grinste geschmeichelt, nahm ihm den Teller ab und ging zurück in die Küche, um eine weitere Portion zu holen. „Und bring gleich noch den Likör mit, den du reingegeben hast“, rief ihm Genesis nach. Kurz darauf kehrte Sephiroth mit Nachschub zurück. Neben dem wiederbefüllten Teller drückte er ihm nun auch ein kleines Glas in die Hand. Genesis schnüffelte vorsichtig an dem leicht bernsteinfarbenen Gebräu. „Du nicht?“, fragte er Sephiroth, der selbst ohne Glas zurückgekehrt war. „So früh am Nachmittag ist mir noch nicht nach so schwerem Alkohol“, entschuldigte er sich. Genesis zuckte die Schultern und stürzte den Likör in einem Schluck herunter, woraufhin er das Gesicht verzog. Als nach mehreren Sekunden das Brennen in Kehle und Magen nachließ, schmeckte der Alkohol eigentlich ganz gut. Nun mit einem leicht schwummrigen Gefühl im Kopf, verspeiste er auch die zweite Dessertportion. „Und ‘s gibt ganz sicher keinen Anlass?“, fragte Genesis noch mal nach. „Ganz sicher“, seufzte Sephiroth. „War gut?“ „Ja, ja, ‘s is‘ schon ganz ok“, erwiderte Genesis. „Du schleifst das S schon ziemlich, so viel Alkohol war da jetzt auch nicht drin.“ Genesis warf Sephiroth einen koketten Blick und ein schiefes Lächeln zu, wenn auch mit ein wenig Schwierigkeiten. „Vielleicht war das heute ja nicht mein erster Alkohol.“ „Was, trinkst du heimlich in deinem Arbeitszimmer?“, neckte ihn Sephiroth. „Du weißt, vor mir musst du das wirklich nicht verbergen.“ Genesis‘ Lächeln wurde unmerklich breiter. „Vielleicht möchte ich dich einfach nicht mit dem Wissen um die Menge verletzen, die es braucht, um mir dich schön zu trinken.“ Sephiroth starrte ihn entgeistert an. Irgendwo zwischen Belustigung und Schock, brachte er zunächst gar keine Antwort heraus, obwohl ihm eine ganze Weile der Mund leicht offen stand. Genesis stellte den Teller beiseite und richtete sich etwas gerade auf. Immer noch hart getroffen, kam langsam wieder Leben in seinen Mann. „Und?“, fragte er. „War’s schon genug?“ Genesis zuckte die Schultern. „Müsste ich auf einen Versuch ankommen lassen.“ Sephiroth lächelte und kam ihm näher. Bevor er allerdings viel mehr tun konnte, fragte Genesis noch dazwischen: „Das hattest du die ganze Zeit vor, oder?“ Sephiroth hielt kurz inne und zwinkerte ihm zu. Genesis entschied, sich nicht gegen den Plan zu stellen. Er zog Sephiroth gierig in seine Umarmung. Kapitel 24: D-I-N-O-S-A-U-R --------------------------- ~ D-I, N-O, S-A, U-R a dinosaur D-I, N-O, S-A, U-R a dinosaur An O-L, D-M, A-N, you’re just an old man Hittin‘ on me what? You need a CAT scan! ~   Sephiroth warf Genesis einen vorwurfsvollen Blick zu. „Was?“, fragte der gespielt unschuldig. „Gar nichts“, sagte Sephiroth und schluckte den Drang herunter, mit den Augen zu rollen. Genesis stellte den Lautstärkeregler der Musik hoch. Elektronische Beats und menschliches Pfeifen dröhnten durch die Wohnung. „Ich dachte mir, dass dir der Text zusagen würde“, sagte Genesis mit einem diabolischen Grinsen, das er kaum unterdrücken konnte. „Du bist so unfassbar lustig.“ Sephiroth hatte nicht gerade die Geduld für Genesis‘ Humor. So alt, dass er ins Altenheim oder Museum gehörte, fühlte er sich nun wirklich nicht. ~ You're pretty old Not long till you're a senior citizen And you can strut around with that sexy tank of oxygen ~   Genesis nahm seinen fertigen Kaffee aus der Maschine in ihrer kleinen Küche. „Was machen wir denn dann heute?“ Sephiroth zuckte die Schultern. „Weiß nicht, es gibt ja nichts zu tun“, sagte er. „Also wie immer und Take-Away?“ Nun zuckte Genesis die Schultern, was wohl gleichgültige Zustimmung bedeutete. Als er also seinen Kaffee ausgetrunken hatte, machten sie sich auf den Weg; vom Hauptquartier aus konnten sie zu Fuß gehen. Das Wetter war unangenehm: Der Himmel über Midgar schwankte zwischen kleinen Schneeflocken und leisem Nieselregen; es ging ein leichter, dafür aber kalter Wind, der ihnen die Gesichter sachte rötete. Ihnen begegneten nicht viele Menschen, immerhin gab es Anweisung, wenn möglich zu Hause zu bleiben. Die Leute, die ihnen über den Weg liefen, trugen ihre Masken oder hatten sie schon unter das Kinn gezogen. Sephiroth wusste nicht, ob es am Wetter lag oder an der Pandemie, aber alle machten den Eindruck, schnell wieder nach Hause kommen zu wollen. Sephiroth hingegen hatte es nicht unbedingt eilig, und Genesis hetzte ihn auch nicht. Am vierten Februar machte er immer denselben Weg, normalerweise ohne Genesis, weil der dann in Banora war, aber im Moment war alles anders. Seit nunmehr fast einem Jahr blieben sie allein in ihrer kleinen Wohnung oben im Hauptquartier; so war es Sephiroth möglich, sein Büro im selben Gebäude zu benutzen, während es den meisten andern im Moment nicht einmal gestattet war, überhaupt das Gelände zu betreten. Das Leben im Hauptquartier war etwas gespenstisch mit ihnen beiden als fast einzige Bewohner. Aber mittlerweile hatten sie sich daran gewöhnt. Trotzdem hoffte Sephiroth, dass sich der Zustand bald ändern würde. Sie bogen in einen langen Weg ein, der auf ein geschweiftes Tor zu führte. Dahinter lagen weite grüne Bereiche, es gab große schattige Bäume, eine Kapelle und ein Bächlein. Sephiroth wurde das Herz schwer mit jedem Schritt, den sie den langen Weg entlanggingen; er nahm Genesis‘ Hand, die durch den kalten Wind selbst etwas kühl geworden war, und richtete den Blick starr aufs Tor. Solange es näherkam, bedeutete das, dass er weiterlief. Er mochte den Gang nicht, auch wenn er ihn jedes Jahr tat. Er hätte gedacht, nach mehreren Jahrzehnten wäre er daran gewöhnt. Aber der Friedhof verursachte ihm nach all der Zeit immer noch ein mulmiges Gefühl im Magen. Der Grabstein, den sie suchten, lag nicht weit vom Tor entfernt. Es war ein schöner, aber schlichter Marmorstein. Er las darauf: „Lucrecia Crescent. 22. Juli 1950 – 4. Februar 1981.“ Nichts stand darauf von der Familie, die sie nie gehabt hatte, nichts von ihren Errungenschaften. Nichts davon, dass sie ihr Leben gegeben hatte, um es ihrem Sohn zu schenken. Genau an diesem Tag, nur vierzig Jahre zuvor. Er starrte auf den nichtssagenden Stein, wütend, traurig, verwirrt. Wie konnte er eine Mutter lieben, die er nie kennengelernt hatte? Bildete er es sich ein? Oder war es die Sehnsucht, zu haben, was andere hatten? Wieso hatte er nach vierzig Jahren noch keine Antworten gefunden? Er seufzte und wandte sich ab. Genesis, der sich bisher respektvoll im Hintergrund gehalten hatte, kam nun auf ihn zu und blieb vor ihm stehen, wurde so sein gesamtes Blickfeld, alles, was er sah. Genesis legte seine Hände um Sephiroths Gesicht und küsste ihn kurz sanft auf die Lippen. Sephiroth entspannte sich und lächelte sogar schon wieder ein bisschen. Genesis erwiderte das Lächeln und sagte verschmitzt: „Happy Birthday, alter Mann.“ Kapitel 25: At last, the promise has been made. ----------------------------------------------- Es war ein unerträglich heißer Tag in Banora gewesen, an dem die Sonne bis zum Abend gnadenlos vom blauen Himmel herab gestrahlt hatte. Während Sephiroth am Ende des Tages zur vollen Größe und Breite ausgestreckt im Schatten hinter seinem Haus im kühlen Gras lag, saß Genesis neben ihm in einem Gartenstuhl, gedankenabwesend mit dem bunten Strohhalm in seiner linken Hand sein gekühltes Getränk umrührend, weil er mit der rechten seit Minuten gebannt auf seinem Panasonic* herum wischte. Doch bei der Hitze konnte Sephiroth sich nicht wirklich dafür interessieren, was Genesis so sehr faszinierte. Wenn es denn wichtig sein sollte, würde er schon damit herausrücken. Seufzend wandte Sephiroth den Kopf zur anderen Seite. Zu mehr war er heute nicht mehr fähig. Vielleicht war es das Mako in seinem Körper, aber mit Hitze war er noch nie wirklich klargekommen … „Das Internet explodiert gerade“, teilte Genesis ihm mit. „Hm“, machte Sephiroth. „Warum?“ „So ein Spiel … Meine ganze Timeline ist voll damit. Facebook auch. YouTube, Instagram … Die Fans rasten aus“, erklärte ihm Genesis verwundert. „Ein Spiel?“, fragte Sephiroth noch verwunderter. Was für ein Spiel sollte so wichtig sein? „Ein Videospiel, stell dich nicht so an“, erwiderte Genesis gereizt. „So was kennst du natürlich nicht.“ „Und hab ich da was verpasst?“, fragte Sephiroth etwas beleidigt. Um sich doch versöhnlicher zu geben, fügte er hinzu: „Wie heißt das Spiel denn?“ Genesis ließ sich etwas Zeit, um zu antworten. „Ist schon ziemlich alt, jetzt kommt aber eine neue Version. Sieht nicht so aus, als ob die nur Geld machen wollen, die Fans wollten das Spiel tatsächlich noch mal. Es heißt wohl Final Fantasy …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)