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Crazy like a skull

Das Paradies hat einen Haken
von

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End of Game...?


 

1
 

Ein Moment der Übelkeit erregenden Schwerelosigkeit ergreift von ihnen Besitz und dann spüren sie alle auf einmal die wärmende Sonne, die sie blendet und ihnen klar macht, dass sie wieder in ihrer eigenen Welt angekommen sind. Etwas mitgenommen sieht sich Sun nach seinen Begleitern um. Solgaleo steht etwas abseits auf dem Podium, genau an der Stelle, an der es praktisch zur Welt gekommen ist, und betrachtet nahezu hypnotisiert das glitzernde Wasser auf dem Relief. Lilly braucht noch einen Moment, um sich zu sammeln und blickt den Schwarzhaarigen dann müde, aber glücklich an. Er schenkt ihr ein ebenso erschöpftes Lächeln und schaut sich dann nach Bromley um. Dieser ist erstaunlicherweise schon aufgestanden und zu Samantha hinüber gegangen.
 

Langsam geht er neben ihr auf die Knie. Die blonde Frau liegt ausgestreckt auf dem Boden, scheint noch immer ohnmächtig, weshalb er nach ihrem Puls sucht. Als die beiden Kinder dann zu ihm kommen, hebt er den Kopf. „Ich fürcht‘, sie wird noch ‘ne Weile ausgeknockt bleiben...“, teilt er ihnen wehmütig mit. „Sie braucht dringend einen Arzt!“, meint Lilly besorgt. „Wir sollten sie zurück zum Æther-Paradies bringen.“, wirft Sun ein. „Das ist eine gute Idee. Da kann ihr sicher jemand helfen. Doch, wie sollen wir so schnell dort hinkommen? Immerhin haben wir einige Tage durch den Canyon gebraucht...“, erinnert ihn das Mädchen hilflos. Dummerweise fällt Sun das auch gerade wieder ein und er wirkt ratlos.
 

Plötzlich steht der Weißhaarige auf und betrachtet angestrengt suchend den Himmel. „Macht euch ma‘ nich‘ gleich ins Hemd. Unsre Mitfahrgelegenheit müsst‘ jeden Moment da sein.“, verkündet er und wirft dabei nur noch mehr Ratlosigkeit auf. Verwundert sehen nun auch Sun und Lilly in den Himmel, doch sie können beim besten Willen nichts erkennen und können sich auch nicht vorstellen, was passieren wird. „Da!“, entkommt es Bromley und er deutet mit dem Finger auf einen kleinen Punkt, der rasant auf sie alle zukommt. Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen und nach einem Augenblick ist erkennbar, dass es sich um zwei Pokémon handelt. „Und, was soll uns das bringen?“, fragt Sun verwirrter denn je.
 

Der Ältere antwortet jedoch nicht gleich, sondern wartet, bis die zwei Pokémon nahe genug sind. Dann streckt er die Arme aus und Maskeregen lässt Lady – die rote Reißlaus – hineinfallen. Etwas schnaufend lässt sich der große Falter anschließend auf Bromley’s Schulter nieder. Die Assel hingegen flitzt aufgeregt und freudig fiepend über den Käfer-Trainer hinweg, bis er sie schließlich wieder einfängt. „Is‘ ja gut! Beruhig dich ma‘! Hab‘ euch auch vermisst!“, meint er grinsend, streichelt Lady über den Panzer und drückt Maskeregen liebevoll einen Kuss auf die Wange. Überrascht betrachten Sun und Lilly das Schauspiel, erst recht des Shiny wegen. Dennoch verstehen sie nicht, wie diese beiden winzigen Käfer sie alle zum Æther-Paradies bringen können.
 

Schließlich hat sich die rote Reißlaus wieder beruhigt und hockt nun eingekuschelt in der Kapuze ihres Besitzers, fühlert neugierig vor sich hin. Der Falter ist inzwischen auch wieder zu Atem gekommen und erhält nun von dem Weißhaarigen eine Pokébohne zur Stärkung. „Hat’s geklappt?“, fragt Bromley die beiden schließlich. Die Käfer geben fiepend ihre Zustimmung. „Sehr schön. Dann kannste dich jetz‘ ausruhen.“, meint er zufrieden und ruft Maskeregen in seinen Ball zurück. Nun endlich wendet er sich auch den beiden Kindern zu, die ihn immer noch verwundert betrachten. „Eure Mietze kann uns doch sicher ‘n Stück den Canyon runterbringen, ‘ne?“, fragt der Weißhaarige und blickt sich nach Solgaleo um, der immer noch das Wasserspiel beobachtet. „Vermutlich...“, meint Lilly ratlos. „Gut, dann los!“, erwidert er und nimmt die bewusstlose Samantha auf die Arme.
 

„Was soll das eigentlich werden?“, fragt Sun nun, während sie alle zu dem Sonnenlöwen hinüber gehen. „Ganz einfach, Kleiner. Ich wusst‘ schließlich, dass Samantha in die Ultradimension geh’n will und, dass ich ihr folgen werd‘, ob ich’s nun will oder nich‘. Ich hab‘ mir auch gedacht, dass sich diese dämliche Pforte wieder schließen würd‘, weil sie’s immer im falschen Moment getan hat, und wenn’s uns irgendwie gelingt, ‘ne neue zu öffnen, dort, wo wa‘ gelandet sind, dann wird sie ganz sicher nich‘ an ‘ner selben Stelle sein. Also hab‘ ich Pia im Vorfeld gebeten meine Yacht zu holen. Maskeregen und Lady sollten beobachten, wo sich die Pforte öffnet und ihr dann Bescheid geben, damit sie die Yacht dann dort hinbringen kann. Wa‘ zwar nich‘ geplant, dass ihr hier auftaucht und uns rausholt, aber scheiß drauf. Hauptsache wa‘ ham’s geschafft, checkters?“
 

Sanft legt Bromley Samantha auf Solgaleos Rücken ab. Perplex starren Sun und Lilly ihn an. „Was’n? Ich bin vielleicht nich‘ ganz klar im Kopf, aber dämlich bin ich deswegen noch lang‘ nich‘!“, versucht er sich nun zu rechtfertigen. „So etwas würde ich nach alledem nie behaupten...“, entgegnet ihm die junge Blondine überrascht. „Genau. Das war ganz und gar nicht dämlich, sondern unglaublich weitsichtig!“, pflichtet der Schwarzhaarige ihr bei. Auf Bromley’s Wangen breitet sich ein kräftiger Rotschimmer aus. Verhalten räuspert er sich. „Dann is‘ ja alles geklärt. Schwingt den Hintern! Wa‘ ham nich‘ ‘n ganzen Tag Zeit!“, meint er knapp und klettert auf den Rücken der großen Katze.
 

Kurz darauf haben sie alle Platz genommen und Solgaleo folgt den Anweisungen des Käfer-Trainers und bringt die vier Menschen zum Fuß des Canyon und dessen einzigem Zugang zum Meer. Eigentlich ist es kein direkter Zugang und kann normalerweise nur durch eine unschöne Kletterpartie erreicht werden, aber für den Löwen ist das eine Kleinigkeit. Und tatsächlich finden sie an der zerklüfteten Kante der Felsen eine Yacht – pechschwarz und mit dem Logo von Team Skull verziert. Etwas Unwohlsein überkommt die beiden Kinder, als sie dieses Gefährt sehen. Andererseits hat sich Bromley seit ihrer letzten Auseinandersetzung sehr verändert. Ob nun aus Herzschmerz wegen Samantha, aus Reue wegen seinen Untaten oder durch die Wirkung der Ultradimension, bleibt ein Geheimnis. Doch er ist ganz sicher kein gefährlicher Rabauke mehr, der ihnen Schaden zufügen will, sonst würde er sie wohl kaum mitnehmen. Also überwinden die beiden ihre Vorurteile ihm gegenüber und gehen an Bord. Solgaleo bleibt allein zurück und verschwindet schließlich im Relief des Sonnenkreis-Podiums, bis jemand erneut die Föten spielt, um ihn herbeizurufen.
 


 

2
 

Es dauert eine Weile, doch dann taucht vor der Nase der schwarzen Yacht die künstliche Insel auf. Während sich Sun und Lilly um die noch immer bewusstlose Samantha kümmern, steuert Bromley das Gefährt zur Anlegestelle. Eine gewisse Unbehaglichkeit ergreift ihn dabei, doch er kann nicht sagen, was sie auslöst oder, wo sie so plötzlich herkommt. Allerdings verstärkt sich das Gefühl, als er das Boot auf einmal abbremsen muss, weil vor ihnen das Schleusentor geschlossen ist. Gleicht sein also so etwas wie einer Vorahnung – einem schlechten Omen? Mit verwundert erhobener Augenbraue mustert der Weißhaarige die Absperrung. Seit er die Insel das erste Mal betreten hat, war die Schleuse noch niemals geschlossen. Sein Unbehagen wächst deutlich an, kommt er sich hier doch nun so ungewollt vor.
 

Ein Gefühl von Ablehnung hat er hier schon immer gespürt. Viele wollten ihn hier nicht und sahen in ihm nur Ärger. Doch Samantha hat ihn stets vom Gegenteil überzeugt und Pia gleichwohl. Doch die Blondine ist nicht in der Lage etwas zu tun, das ihm helfen könnte und Pia ist auch nirgends zu sehen. Stattdessen entdeckt Bromley nun eine ganze Heerschar an Æther-Personal, das ihn misstrauisch und angriffslustig mustert. Überall hocken kampfbereite Pokémon und warten ungeduldig auf einen Befehl. Das gefällt dem Käfer-Trainer ganz und gar nicht. In seiner Abwesenheit muss hier einiges vorgefallen sein, dass das hier nötig gemacht hat. Oder galt dieses Aufgebot etwa tatsächlich ihm? Der junge Mann sieht sich außerstande, diese Frage zu beantworten, aber das wird sich sicher schnell ändern. Denn nun betritt Fabian die Bühne.
 

Der Blonde lässt selbstzufrieden den Blick über seine Untergebenen schweifen und fixiert dann Bromley mit einem durchtriebenen Grinsen. „Wisst ihr, was ich an Wasser nicht leiden kann?“, lässt er den Umstehenden zuteil werden. Sie erwidern sein Grinsen, sagen jedoch nichts. „Ganz einfach: Es sind diese widerlichen Insekten, die sich überall breitmachen und die man einfach nicht mehr loswird. Sie werden angeschwemmt wie eine verfaulende Leiche und nisten sich so hartnäckig ein, dass überhaupt nichts mehr hilft. Dennoch gibt es wirksame Maßnahmen, das Ganze etwas in Zaum zu halten. Und, wie wir hier sehr schön sehen können, ist uns da ein besonders dicker Brummer ins Netz gegangen!“ Fabian gibt ein gehässiges Kichern von sich, in das die anderen schnell einstimmen.
 

„Schwafel hier nich‘ rum, sondern mach das Tor auf!“, verlangt Bromley nun nachdrücklich. „Ich denke nicht, nein...“, kommt es knapp, aber arrogant von dem Regionalleiter. „Stimmt etwas nicht?“, fragt Lilly nun und besieht sich das Ganze. „Als wärst du nicht allein schon eine große Plage, so hast du auch noch diese kleinen Kletten mitgebracht? So kommst du hier ganz sicher nicht mehr rein!“, pikiert sich Fabian nun entschieden, als er das Mädchen und den Jungen erblickt. Etwas erschrocken weicht die junge Blondine zurück. „Aber Fabian, was hast du denn? Bitte lass uns doch herein! Mutter geht es sehr schlecht, sie braucht einen Arzt!“, versucht sie es dann.
 

„Na so was aber auch! Der guten Präsidentin geht es also nicht besonders? Es bricht mir das Herz! Aber, was soll ich sagen? Wäre sie hier geblieben, anstatt irgendwelchen seltsamen Wesen nachzujagen, hätte das alles nicht sein müssen und wir hätten vernünftig darüber reden können. Doch so nicht! Die Präsidentin hat nun ausgedient! Wird vielleicht nie wieder in der Lage sein ihrer Arbeit hier nachzugehen, weshalb ich nun ihren Platz eingenommen habe! Und als neuer Präsident der Æther Foundation verfüge ich, dass keiner von euch jemals wieder diese Insel betreten darf!“ Mit offenem Mund starren ihn Lilly, Bromley und Sun gleichermaßen an.
 

„Das kannst du nicht so einfach machen!“, entgegnet ihm der Schwarzhaarige, nachdem der erste Schock von ihm abgefallen ist. „Ach nein? Wie du siehst, mein Junge, habe ich es bereits getan und ihr könnt rein gar nichts dagegen unternehmen. Und solltet ihr es auch nur wagen, einen Fuß auf die Insel zu setzen, dann werden euch meine Untergebenen so fertigmachen, dass ihr nicht einmal mehr als Futter für die Wasser-Pokémon zu gebrauchen seid!“, kommt es barsch von dem selbsternannten Präsidenten. Kampflustig pflichten ihm das Personal und deren Pokémon bei. „Wie – wie kannst du nur so herzlos sein? Mutter könnte sterben, wenn ihr nicht geholfen wird!“, fleht Lilly ein weiteres Mal nun den Tränen nahe. „Das ist mir völlig gleich und nun macht, dass ihr verschwindet! Ich habe zu tun!“, eröffnet Fabian kalt und will sich schon abwenden.
 

„Wag es ja nich‘ abzuhau’n, du selten dämlich gestriegelter Lackaffe!“, kommt es nun zornig von Bromley. Angewidert dreht sich Fabian wieder zu ihm herum. „Deine unflätige Ausdrucksweise konnte wohl selbst die Ultradimentsion nicht mehr ändern, was?“ „Oh, glaub ma‘, die Dimension hat mich sehr verändert. Doch für dich hab‘ ich noch etwas von meiner Herzlichkeit aufgehoben und werd‘ sie dir gleich in dein‘ blassen, abgefuckten Arsch schieben, wenn du nich‘ auf der Stelle das verschissene Tor aufmachst!“ Verstimmt rümpft Fabian die Nase. „Ich verstehe einfach nicht, was Samantha nur an dir finden konnte und erst recht nicht, warum sie mit dir auch noch ins Bett gegangen ist...“, seufzt der Blonde. Überrascht zieht Lilly die Luft ein und blickt den Käfer-Trainer durchdringen an – ganz so, als wolle sie erreichen, dass Bromley diese Lüge auflöst. Der Weißhaarige schenkt ihr nur ein knappes Lächeln. „Sorry, Prinzesschen. Wa‘ von mir nich‘ so geplant und kommt auch nich‘ wieder vor...“, versucht er sich halbherzig ihr gegenüber zu verteidigen. Doch Lilly senkt nur die Augen und setzt sich wieder zu ihrer Mutter. Sie muss das hier alles erst einmal verarbeiten.
 

Sun hingegen lassen diese Tatsachen ziemlich kalt. Er will das Ganze hier nur hinter sich bringen können und dann sehen, dass es ihm gelingt die entflohenen Ultrabestien wieder dorthin zu schicken, wo sie hergekommen sind, ehe sie Alola völlig vernichten. Für Bromley ist das Ganze natürlich noch nicht ausgestanden und er wird weiterhin vehement versuchen sich Zugang zur Insel zu verschaffen, damit er endlich mit alledem abschließen kann. So ist es nicht verwunderlich, dass der Zorn in ihm wächst, erst recht, wenn Fabian noch weiter auf allem herumreitet.
 

„Ist ja goldig! Glaubst du wirklich, dass dir Lilly so einfach vergeben wird? Immerhin bist du ja Mitschuld an dem, was mit Samantha passiert ist. Hättest sie aufhalten sollen, als du noch die Chance dazu hattest. Stattdessen bist du vor ihr auf den Knien herum gekrochen und hast dich wie ein lüsterner Idiot benommen!“ „Ach ja? Vielleicht hab‘ ich das, vielleicht auch nich‘. Aber im Gegensatz zu dir bin ich kein schmieriger Niemand, der um Aufmerksamkeit lechzen muss, damit man ihn überhaupt bemerkt! Und vielleicht sagste das ja alles auch nur, weil du eifersüchtig auf mich bist?“, entgegnet Bromley ihm nun sicherer. „Was willst du damit andeuten, Bursche?“, fragt Fabian streng nach.
 

„Daste selbst scharf auf sie bist! Oder noch besser, dasste scharf auf mich bist und es nich‘ ertragen hast, nich‘ zu bekomm‘, waste wolltest! Und nur deswegen spielste dich hier jetz‘ auf wie’n bockiges Kind und lässt uns nich‘ rein!“, grinst der Käfer-Trainer gehässig. Fabian entgleiten sämtliche Gesichtszüge. „Was fällt dir eigentlich ein, hier solche absurden Behauptungen aufzustellen!?“, entgegnet er ihm mit deutlich geröteten Wangen „Wenn’s nich‘ stimmt, warum regste dich dann so auf?“, kontert der Jüngere. „Ich rege mich nicht auf! Ich versuche nur diese Sinnlosigkeiten aus meinem Kopf zu bekommen, die du hier so schamlos verteilst!“ „Scheiße Mann, gib’s doch einfach zu und die Sache hat sich! Ich versteh‘ das. Gibt doch nichts Schöneres, als ‘n knackigen Arsch, ‘n paar pralle Titten und ‘n harten...“, Bromley kann seine Fantasien nicht weiter ausführen, da knufft Sun ihn kräftig in die Seite.
 

Überrascht wendet sich der Ältere um, nur um in Lillys völlig entsetztes Gesicht zu blicken, gemischt mit dem abgeneigten, nahezu wütenden Ausdruck von Sun. Erst jetzt wird Bromley bewusst, was er da alles gesagt hat und, dass die Kinder es die ganze Zeit über hören konnten. Ein Rotschimmer huscht über sein blasses Gesicht hinweg. „Sorry, Prinzesschen. Vergess‘ das ma‘ schnell wieder...“ Sie senkt erneut den Blick und er ist sich nicht sicher, ob sie ihm damit verzeiht oder das alles einfach nur zu verdrängen versucht. Fabian ist das allerdings völlig egal. „Das ist ja wirklich abstoßend...“, pikiert er sich weiterhin ungehemmt. „Es wär‘ nich‘ abstoßend, wenn du dämlicher Vollpfosten endlich das verfickte Tor aufmach’n würdest, verdammt noch ma‘!“, kommt es wieder von dem Weißhaarigen.
 


 

3
 

Fassungslos und angewidert verfolgen alle Anwesenden gezwungenermaßen, wie sich die Lage immer weiter zuspitzt und Bromley nur so mit fantasievollen und abstoßenden Flüchen und Schimpfwörtern um sich wirft. Das Ganze hat aber nicht gerade etwas Förderliches. Fabian ignoriert die Ausbrüche des Weißhaarigen schlichtweg nur noch oder äußert sich knapp, was sein Gegenüber nur noch mehr aufschaukelt. Sun hat inzwischen jeglichen Versuch aufgegeben den Käfer-Trainer dazu zu bewegen sich wenigstens Lilly zu Liebe etwas zu zügeln – es hat einfach keinen Sinn und ist nur verschwendeter Atem. Dennoch kommen sie so nicht weiter und es muss eine andere Lösung her, ehe das hier noch den ganzen Tag so weitergeht.
 

Die Rettung erfolgt dann schließlich in Form von Pia und Gladio, die nun ziemlich unbemerkt, aber nicht minder erschrocken, den Anlegebereich betreten, um herauszufinden, was der ganze Tumult hier eigentlich zu bedeuten hat. Die doch eher zartbesaitete Frau wünscht sich allerdings, dass sie lieber ferngeblieben wäre, wenn sie sich das so mit anhören muss. Dennoch bleibt sie standhaft und rührt sich nicht von der Stelle. Der blonde Junge hingegen ist nicht sonderlich überrascht von dem, was er da zu hören bekommt. Von seinem ehemaligen Boss hat er nicht wirklich etwas Anderes erwartet. Seine Ausdrucksweise ließ in manchen Situationen schon immer mehr als zu wünschen übrig, da braucht sich Gladio nichts vorzumachen. Auch, wenn ihm seine kleine Schwester schon etwas leid tut, dass nun hören zu müssen. Deutlich kann er ihr Unwohlsein erkennen, doch das Leben ist nun einmal kein Ponyhof und das ist die traurige Realität, Schätzchen, also komm damit klar oder verschwinde!
 

Ganz so fies will der kleine Rebel dann doch nicht sein. Es erstaunt ihn, dass sich seine Schwester nach alledem überhaupt noch hierher gewagt hat und dann auch noch ausgerechnet mit Bromley, diesem Unglücksbringer. Doch er wird später sicher noch genug Zeit dafür haben, sie zu ihrem erzwungenen Erwachsen werden beglückwünschen zu können, jetzt muss er hier erst einmal für Ordnung sorgen! Was er da so aus Fabians Mund hört, gefällt ihm nämlich überhaupt nicht. Nach allem, was er so herausgefunden hat, hätte er sich auch denken können, dass dieser schmierige Mistkerl von langer Hand geplant hat, Samanthas Platz einzunehmen und sich alles unter den Nagel zu reißen. Er war schon immer zwielichtig und nur schwer zu durchschauen, doch das hat jetzt ein Ende!
 

Entschlossen tritt Gladio vor, neben ihm sein treuer Begleiter Typ:Null, der ein leises, aber bedrohliches Knurren unter seinem Helm verlauten lässt. Ihm gefällt das hier mindestens genauso wenig, wie seinem Trainer. Erst recht, da Fabian früher grausame Experimente an ihm durchgeführt hat, um ihn auf den Kampf gegen die Ultrabestien vorzubereiten. Einzig und allein das war der Grund, warum das arme Wesen überhaupt erschaffen wurde. Nur allzu verständlich, dass Gladio das nicht mit ansehen konnte und Null gerettet hat, als alles fehlschlug und das künstliche Wesen wieder vernichtet werden sollte. Doch bis heute ist Null dazu verdammt diesen Helm zu tragen, der ihm auferlegt wurde, um seinem unbeherrschten Temperament und seiner schier endlosen Kraft Einhalt zu gebieten. Doch der Blonde spürt ganz deutlich, wie sehr Null darunter leidet und, dass es keineswegs das böse Monster ist, für das es alle halten. Aber es gelingt ihm einfach nicht, ihn von diesem Helm zu befreien.
 

Sanft legt er seinem Partner eine Hand in den Nacken, um ihn etwas zu beruhigen, während es in ihm selbst vor Wut nur so kocht. All die vielen Jahre hat Fabian immer den treuen Arschkriecher gespielt, nur um jetzt sein wahres Gesicht zu zeigen. „Aufhören! Sofort aufhören! Haltet alle endlich den Mund, verflucht!“, entkommt es dem sonst so schweigsamen Gladio plötzlich, sodass ein Großteil der Anwesenden unwillkürlich zusammenzuckt. Nun richten sich alle Augen unweigerlich auf ihn. Fabian verzieht verstimmt das Gesicht, hatte er doch gedacht, dass der Bengel gar nicht hier ist. Lilly wirkt erleichtert, ebenso Sun. Und Bromley grinst über das ganze Gesicht, freut sich sichtlich, den Jungen wiederzusehen. „Kiddo!“, flötet er fröhlich, was einen roten Schimmer über die Wangen des Blonden jagt, will er doch nicht vor allen hier so vertraut von diesem Verrückten angesprochen werden. Ist immerhin schon schlimm genug, dass Sun und Lilly wissen, dass er mal für Bromley gearbeitet hat.
 

„Kiddo, sag diesem Vollpfosten, er soll das verdammte Tor aufmach’n! Samantha braucht dringend ‘n Arzt!“, versucht es der Käfer-Trainer nachdrücklich. So etwas hat sich Gladio schon gedacht und es wundert ihn entschieden, dass es den drei anderen gut geht, obwohl sie ja ebenfalls in der Ultradimension waren. Doch seine Mutter sieht gar nicht gut aus, dass kann er sogar von hieraus sehen. Trotz all ihrer Verfehlungen, wegen ihres Wahns, ist und bliebt sie dennoch seine Mutter und er muss ihr unbedingt helfen! „Öffnet sofort das Schleusentor!“, befiehlt Gladio dem Personal, doch das rührt sich nicht. Verwundert legt er die Stirn in Falten. „Das kannst du schön vergessen, Junge. Ich habe hier jetzt das Sagen!“, entkommt es Fabian triumphierend.
 

„Das – das ist vollkommen unmöglich...“, entkommt es Pia entsetzt. „Glaub es ruhig! Und nun werdet Zeuge, wie ich Æther zu neuem Glanz verhelfen werde!“, gebärt sich der selbsternannte Präsident. „Das kannst du nicht machen, Fabian! Du kannst unter keinen Umständen diesen Posten bestreiten, solange ich oder Lilly noch auf dieser Erde wandeln und dich nicht ausdrücklich dazu ernennen!“, entgegnet ihm Gladio streng, aber erstaunlich gefasst. „Das mag schon sein, aber mit dem Eintritt in die Ultradimension wurdet ihr offiziell für tot erklärt, ebenso Samantha. Von daher ist es völlig rechtens, dass ich nun Präsident bin!“, versucht der Ältere dagegen zu halten. Ein kaum sichtbares Lächeln huscht über Gladios Gesicht hinweg, das Fabian stutzig macht.
 

„Es mag ja durchaus sein, dass das auf Lilly und Mutter zutreffen mag auch, wenn sie wider erwartend lebendig zurückgekehrt sind. Doch ich war niemals in der anderen Dimension! Ich habe versucht den Aufstand der entflohenen Ultrabestien zu verhindern und ich denke, dass weißt du auch. Und, wenn du mir nicht glaubst, kannst du mich gern testen. Du weißt genauso gut wie ich, dass jeder, der die Ultradimension betreten hat, davon nachweislich gezeichnet ist und, dass man diese unsichtbare Markierung messen kann. Demzufolge kannst du mich nicht für tot erklären, ebenso wenig wie Lilly und Mutter, da sie lebendig wieder zurückgekehrt sind.“, lässt der junge Rebell verlauten. Allmählich breitet sich Unruhe unter dem Personal aus. Scheinbar hat Fabian ihnen ganz schöne Märchen erzählt und sie haben ihm blind geglaubt. Was blieb ihnen auch anderes übrig?
 

Unschlüssiges Tuscheln setzt ein, das Fabian ebenso nervös macht. „Das ist doch völliger Quatsch! Du hast doch überhaupt keine Ahnung...!“, versucht er sich halbherzig zu verteidigen, doch die Beweislast ist erdrückend. „Bist du dir da sicher? Fest steht jedoch, dass deine Dienste als Präsident beendet sind, da Mutter wieder da ist. Sie mag zwar im Moment nicht in der Lage sein ihr Amt auszuführen, doch das heißt noch lange nicht, dass du es deswegen bekommst.! Dafür stehst du in der Rangfolge zu weit unten! Das Gesetz besagt, dass der Nachfolger aus den leiblichen Nachkommen besteht und dann erst aus dem Regionalleiter. Also bin ich von alters her der neue Präsident, bis es Mutter wieder besser geht!“ „Was bildest du dir eigentlich ein, dass du mit mir reden kannst, du Rotzlöffel?“, entkommt es Fabian knurrend.
 

Allerdings bemerkt er dabei, dass sich das Personal nach und nach von ihm abwendet. „Kommt sofort zurück!“, ruft er ihnen nach, doch sie folgen ihm nicht mehr. „Es ist vorbei, Fabian! Sieh es ein, dein Wort hat hier keine Bedeutung mehr. Und nun mach, dass du wegkommst, ehe ich mich ganz vergesse! Du kannst froh sein, dass ich heute so gute Laune habe und dich nicht den Wasser-Pokémon zum Fraß vorwerfe. Doch du bist die längste Zeit Regionalleiter gewesen!“ „Das – das kannst du doch nicht machen...“, der Ältere wird plötzlich kreidebleich und kann sich kaum noch auf den Beinen halten. „Und ob ich das kann! Bis es Mutter wieder bessergeht und wohlmöglich eine andere Entscheidung getroffen wird, fängst du mit sofortiger Wirkung von vorn an und zwar von ganz unten! Also viel Spaß beim Toiletten putzen! Und jetzt geh mir endlich aus den Augen!“ Fassungslos öffnet Fabian den Mund zu einem letzten, verzweifelten Versuch, etwas von seinem verbliebenen Stolz zu retten, doch ihm fällt einfach nichts mehr ein. Stattdessen klappt er den Mund wieder zu, lässt die Schultern hängen und verzieht sich dann wie ein geprügelter Hund.
 


 

4
 

Nachdem dieser unschöne Zwischenfall nun endlich geklärt ist, wird die Schleuse geöffnet und die schwarze Yacht kann letztendlich doch anlegen. Unter Pias Leitung wird Samantha vom Personal in Empfang genommen und in ihre Villa gebracht. Es dauert auch nicht lange, dann ist ein Arzt bei ihr. Lilly weicht ihrer Mutter keinen Moment von der Seite und auch Sun zieht es erst einmal vor, ein Auge auf die beiden Blondinen zu haben, ehe er sich wieder um die Ultrabestien kümmert. Die Ungewissheit lässt ihn nicht los, weshalb er erst sicherstellen will, dass nun alles seinen rechtmäßigen Gang geht. So bleiben Bromley, Pia und Gladio allein an der Anlegestelle zurück.
 

Etwas verlegen betrachten sich die beiden Jungs. Es ist ein komisches Gefühl sich jetzt so friedlich gegenüber zu stehen, wo der Blonde sich doch so klammheimlich davongemacht hat, weil er es bei Team Skull einfach nicht mehr ausgehalten hat. Lange Zeit war er sich nicht im Klaren darüber, wie Bromley das aufgefasst hat, erst recht, wo er ihn so harsch vor der Villa zurechtgewiesen hat, bevor er in der Ultradimension verschwunden ist. Beiden ist jedoch die Sorge um Samantha anzusehen auch, wenn sie in jüngster Zeit sehr unter ihrem Wahn zu leiden hatten. Geduldig mustert Pia die zwei, doch keiner von ihnen scheint der Erste sein zu wollen, der die Stille bricht. Also lässt sie ihnen Zeit. Sie kann sich gut vorstellen, dass es noch Einiges gibt, dass die Jungs besprechen sollten, bevor sich ihre Wege vielleicht für immer trennen.
 

Schließlich gibt der Käfer-Trainer ein leichtes Schnauben von sich, was wohl so etwas wie Resignation ausdrücken soll, und greift in seine Tasche. Langsam nähert er sich Gladio, der ihn misstrauisch mit wachsamen Augen betrachtet. Auch Null ist sich nicht ganz sicher, was er davon halten soll und festigt seinen Stand, um angriffsbereit zu sein. Sein Trainer hebt jedoch beschwichtigend die Hand. Bevor es hier vielleicht zu einem ungewollten Kampf kommt, will Gladio wenigstens hören, was sein Gegenüber zu sagen hat. Das schuldet er ihm allemal für die Rettung seiner Mutter.
 

Bromley nimmt diese Tatsache mit einem leichten Lächeln zur Kenntnis und bleibt schließlich vor ihm stehen. „Hab’s dir sicher nich‘ leicht gemacht, Kiddo. Und ich verlang‘ ganz bestimmt auch nich‘, daste gut Freund mit mir wirst. – Aber vielleicht erinnert dich das hier dran, dass bei Skull nich‘ alles schlecht wa‘?“, entkommt es dem Älteren nun wieder etwas verlegen. Einen Moment später lässt er etwas in Gladios Hand fallen und wendet sich dann augenblicklich von ihm ab – fast so, als befürchte er, der Junge könnte ihn dafür rügen. Überrascht betrachtet der Blonde den Gegenstand in seiner Hand. Dabei handelt es sich um eine feine silberne Kette, wie sie die Rüpel von Team Skull tragen. Doch bei dem Anhänger handelt es sich nicht um den markanten Totenschädel.
 

Verwundert mustert er das bronzefarbene Stück, von dem er im ersten Moment denkt, dass es sich um eine Art Holzsplitter handelt. Dann jedoch weiten sich seine Augen und er erkennt, was es wirklich ist: Ein abgebrochener Zacken von Nulls Helm! Unweigerlich betrachtet er seinen Partner und entdeckt die Fehlstelle auch sogleich. Noch ziemlich gut erinnert sich Gladio an seine erste Begegnung mit Bromley. Nachdem er die Rüpel des Weißhaarigen im Kampf fertiggemacht hatte, haben diese ihn zu ihrem Boss geschleift, damit er dem Blonden mal ordentlich Manieren beibringt. Entgegen all seiner Erwartungen, ist es dem Käfer-Trainer mit links gelungen ihm zu zeigen, wer hier der Stärkere ist. Der Kampf zwischen Tectass und Null war so dermaßen heftig gewesen, dass dabei ein Zacken vom Helm seines Partners abgebrochen ist. Diese Tatsache hat Gladio damals ebenso schockiert wie erfreut, machte sie ihm doch klar, wie stark Bromley ist und, dass es wirklich einen Weg gibt Null von diesem schrecklichen Helm zu befreien.
 

Seit diesem Tag war der Blonde darauf bedacht unzählige Kämpfe aus zutragen, damit es ihm eines Tages gelingt den Helm zu zerstören und Null seine Freiheit zu schenken. Nach all der langen Zeit nun, sieht der Helm doch etwas mitgenommen aus. Feine Haarrisse ziehen sich praktisch über die gesamte Oberfläche, doch keinem Trainer, dem er seither begegnet ist, ist es jemals wieder gelungen, ein Stück herauszubrechen. Nahezu wehmütig betrachtet Gladio nun den Splitter und schließt fest die Hand darum. Dieses Geschenk bedeutet ihm mehr, als er jemals zugeben würde und dennoch hat er damit kein bisschen gerechnet.
 

Er schluckt schwer und hängt sich die Kette dann um den Hals. Der bronzefarbene Splitter ruht dabei direkt auf seinem Herzen und gibt ihm ein unglaubliches Gefühl von Nähe und Verbundenheit – nicht nur mit seinem künstlich erschaffenen Partner, sondern auch mit Bromley. Unweigerlich spürt er, wie sich ungewollt heiße Tränen hinter seinen Augen sammeln. Diese Tatsache erfüllt ihn mit Ungläubigkeit, kann er sich doch nicht einmal mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal weinen musste. Doch dieses ganze Abenteuer hat ihn verändert, hat sich alle verändert, und das ist auch ganz gut so, wie er sich selbst eingestehen muss.
 

Langsam überwindet Gladio den kurzen Abstand zwischen sich und dem Weißhaarigen. Etwas ungeschickt legt er dem Größeren von hinten die Arme um die Taille und schmiegt sich an ihn. Eine Geste, die in Bromley im ersten Moment völlige Verwirrung auslöst, da der Blonde sonst niemand ist, der gern die Nähe eines anderen sucht. Kein Wunder also, dass der Käfer-Trainer sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Sanft legt er die Hände auf die des Jüngeren und steht reglos mit ihm einige Sekunden lang da. „Danke für alles – Boss...“, kommt es dann leise von Gladio, was den Älteren nur noch mehr überrascht. Nie im Leben hätte er es sich träumen lassen, dieses Wort einmal aus seinem Mund zu hören.
 

Vorsichtig löst sich Bromley von ihm und blickt ihn an. „Wärst bestimmt ‘n toller Rüpel geworden! Aber vergess‘ das ma‘ schnell wieder!“, grinst er ihm entgegen. Über die Wangen des Jungen huscht ein roter Schimmer, dann fängt er sich wieder. „Wird ganz sicher nicht wieder vorkommen, also gewöhn' dich nicht daran! – Aber vielleicht kann ich dich trotzdem noch um etwas bitten?“ Gladio wirkt so ruhig und entspannt, wie ihn der Weißhaarige noch nie gesehen hat und das freut ihn schon sehr. „Schieß los!“ Sanft streicht der Blonde über die Brust seines Pokémon. „Lass uns versuchen den Helm zu zerstören, damit Null endlich frei sein kann.“ Bromley betrachtet das künstlich erschaffene Wesen, das alles andere als glücklich in seinem Gefängnis wirkt. „Klar! Lass uns Kleinholz aus dem verdammten Ding mach’n!“
 


 

5
 

Knurrend und fauchend stehen sich Tectass und Typ:Null wenige Momente später gegenüber. Gladio ist sich noch nicht ganz sicher, wie sie das Ganze am sinnvollsten aufziehen können. Alles in ihm widerstrebt dem Gedanken, seinem Partner einfach nur zu sagen, dass er im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hinhalten soll, anstatt anzugreifen und sich vor möglichem Schaden zu schützen. Dennoch muss er Bromley die Möglichkeit für möglichst viele, kraftvolle Treffer geben, damit überhaupt die Chance besteht den Helm zu sprengen. Hinzu kommt noch, dass Null ein sehr kämpferisches Wesen hat, nur ungern verliert oder tatenlos mit ansieht, wie ein Anderer verletzt wird. Immerhin wurde es ja nur aus dem einen Grund erschaffen und der ist die Bekämpfung der Ultrabestien.
 

Ein Vorteil ist jedoch, dass Tectass ein paar ziemlich fiese Attacken beherrscht, die es einem schwer machen selbst einen Treffer zu landen. Und genau das stellt der Käfer-Trainer nun auch unter Beweis. „Los Pote, Überrumpler und ziel dabei auf den Helm!“, tönt der Weißhaarige grinsend. Der Blonde weiß nur zu gut, dass es ganz unmöglich ist diesem Angriff auszuweichen, weshalb es eigentlich sinnlos wäre einen Gegenangriff starten zu wollen. Aber irgendetwas muss er Null immerhin befehlen. „Benutz Zermalmklaue!“, harscht er das Mischwesen daher an. Mit einem hohlen Brummen macht sich Null bereit für seinen Angriff, doch in diesem Moment prescht Pote schon mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Das künstlich erschaffene Pokémon kann dem nur überrascht folgen und doch nichts tun. Im allerletzten Moment gelingt es Null aber dennoch seinen Kopf zur Seite zu neigen und so geht der Großteil des Treffers auf den gut gepolsterten Nacken, statt auf den Helm.
 

Somit ist die wohl beste Chance leider vertan, da Tectass seine kraftvollste Attacke ja nur einmal benutzen kann. Etwas missgünstig blicken sich die beiden Trainer über das Kampffeld hinweg an, während Pia in sicherer Entfernung steht und alles genau beobachtet. „Wa‘ wohl nichts. Also weiter, Pote! Mach ‘nen Hochschlag!“, meint Bromley zuversichtlich. Doch etwas irritiert über diesen Befehl, wendet sich der große Samurai zu ihm um. Die beiden sehen sich einen Moment lang in die Augen und dann begreift die Assel, was sein Trainer eigentlich meint. Die Attacke Hochschlag gibt es überhaupt nicht. Bromley hat sie sich schlichtweg ausgedacht, um seinem Partner zu sagen, dass er seinen Tiefschlag auf den Helm ausführen soll. Als Pote das begreift, huscht ein Funken über seine Augen hinweg, der etwas von Durchtriebenheit an sich hat.
 

Auch Null scheint vom Befehl seines Gegners verwirrt, braucht jedoch länger, um auf die Lösung zu kommen, da ihn Gladio nun auch anweist seinen Angriff zu wiederholen. Mit einem erneuten Brummen stürmt Null sogleich vor. Bedrohlich leuchten schon seine langen Krallen auf. Doch dann trifft ihn die Faust des großen Käfers mitten zwischen die Augen und schleudert ihn zu Boden. „Der hat gesessen!“, jubelt Bromley und lobt sein Pokémon. Null hingegen findet das überhaupt nicht mehr witzig. Zornig erhebt er sich und brüllt und knurrt anhaltend. Gladio würde ihm ja sagen, dass er sich beruhigen und auf den Kampf konzentrieren soll, aber er lässt es. Je mehr sich sein Partner ärgert, desto unaufmerksamer wird er und so ist es leichter für den Samurai einen Treffer zu landen.
 

Dennoch betrachtet er Null mit gewissem Wohlwollen. Der harte Schlag der Assel hat einen neuen, hauchfeinen Riss auf dem Helm entspringen lassen und damit dessen Stabilität weiter geschwächt. ‚Noch so ein paar Treffer und wir schaffen es vielleicht tatsächlich!‘, geht es dem Blonden mit einem Funken Hoffnung durch den Kopf.
 

Der Kampf zieht sich jedoch ganz schön hin. Tectass landet noch ein paar gute Treffer. Allerdings ist Null inzwischen so aufgebracht, dass er Gladio anfängt Ungehorsam entgegenzubringen und blind drauflos rennt. Etwas verzweifelt versucht sich der Junge mit dieser Tatsache anzufreunden. Er kann sich aber sehr gut vorstellen, wie es jetzt in seinem Partner aussehen muss. Ist ganz sicher auch kein schönes Gefühl ständig einen Schlag auf diesen verdammten Helm zu bekommen. Das Mischwesen hat inzwischen ganz bestimmt gewaltige Kopfschmerzen davon. Tiefes Mitleid kommt in dem jungen Trainer auf und er beginnt sich wiederholt zu fragen, ob das hier wirklich so eine gute Idee war. Hätte er stattdessen weiter gegen die wütenden Ultrabestien gekämpft, wäre der Helm sicher auch irgendwann zersprungen. So gleicht das Ganze vielmehr einer endlosen Quälerei und das kann Gladio einfach nicht mehr länger ertragen.
 

Er macht den Mund auf, um Bromley zu sagen, dass sie das Ganze beenden, doch seine Worte kommen zu spät. Der Käfer-Trainer hat bereits den nächsten Befehl gegeben und Tectass stürmt mit erhobenen Klauen los. Doch irgendetwas daran ist komisch – anders. Gladio war so in Gedanken, dass er nicht wirklich mitbekommen hat, was auf dem Feld passiert. Man muss dazu aber auch sagen, dass der Weißhaarige seine nächste Aktion auch nicht laut ausgesprochen hat. Es ist mehr eine stumme Absprache zwischen ihm und Tectass gewesen, um das Überraschungsmoment ganz auf ihrer Seite zu haben.
 

Umso erstaunter und erschrockener sind der Blonde und das Mischwesen auch, als der große Samurai plötzlich die Richtung ändert. Die scharf gewetzten Klauen halten nun mit tödlicher Präzision auf den jungen Trainer zu und nicht mehr auf Null. Hilflos zuckt Gladio zusammen, hält sich reflexartig den Arm vor das Gesicht und versucht sich auf das vorzubereiten, was folgen wird. Sein künstlich erschaffener Partner realisiert die furchtbare Gefahr augenblicklich. Mit wütendem Knurren sprintet er los. Es sieht allerdings nicht so aus, als würde er es noch rechtzeitig schaffen können...
 

Beim Zusammenstoß erfüllt eine dicke Staubwolke das Feld und raubt den Trainern für einen Moment die Sicht. Als sie sich legt, wird deutlich, was passiert ist. Tectass‘ Krallen stecken tief im Helm seines Gegners, während Nulls wütendes Knurren die Luft erfüllt. Das Mischwesen steht über seinen am Boden kauernden Trainer und schirmt ihn so von der Gefahr ab. Als Gladio zögerlich die Augen öffnet und das Pokémon über sich stehen sieht, zieht der große Samurai gerade seine Krallen aus dem Helm zurück. Dabei erklingt ein widerlich schabendes Geräusch und jeder der Anwesenden ist sich sicher, dass sie in Blut getränkt und Null schwer verletzt sein müsste. Doch da ist kein Blut.
 

Stattdessen beginnt der Helm plötzlich hell aufzuleuchten. Das Glühen erinnert die Trainer an das gleißende Licht, in das sich Pokémon einhüllen, die sich gerade entwickeln. Und genau das vollzieht sich hier gerade! Es gibt einen Knall und dann fallen die Bruchstücke des Helms klirrend zu Boden. Null ist endlich frei, doch aus ihm ist jetzt Amigento geworden. Als sich das helle Licht legt, stellt das neu entstandene Pokémon fauchend den Fächerkamm auf seinem Kopf auf und stürmt blitzschnell hervor. Mit glühenden Krallen jagt es Tectass entgegen, der das Ganze nur verwundert betrachtet. Pote kann nicht mehr rechtzeitig ausweichen und wird hart zu Boden geworfen.
 

Seine Energie sinkt dabei in den kritischen Bereich ab und es will sich zurückziehen. Allerdings lässt Amigento ihm nicht die Chance dazu. Fauchend hält er wieder auf den geschwächten Käfer zu. In Bromley’s Kopf zuckt ein Blitz auf, den er schon lange nicht mehr gespürt hat. Es verleitet ihn dazu in alte Muster zurück zu fallen und so stellt er sich schützend mit ausgebreiteten Armen vor seinen geschwächten Partner und versucht es selbst mit der wild gewordenen Bestie aufzunehmen. Mit großen Augen betrachtet Tectass diese herzzerreißende Szene und auch Gladio wird klar, dass das böse enden wird. Der Weißhaarige hat keine Chance gegen das völlig aufgebrachte Pokémon!
 

Eilig erhebt sich der Blonde. „Nein! Tu das nicht, bitte!“, ruft er dem Mischwesen entgegen. Abrupt stoppt Amigento bei Klang seiner Stimme und wendet sich zu ihm um. Etwas verwundert betrachtet er seinen Trainer. Auch der Junge blickt ihn an, ist sich nicht sicher, ob es jetzt überstanden ist. Mit schweren Schritten kommt das künstliche Wesen nun auf ihn zu. Gladio kann seinen Blick nicht deuten, muss sich erst einmal an den neuen Anblick gewöhnen. Angespannt verharrt er aber. Streng scheint Amigento ihn zu mustern. Dann öffnet er sein schnabelartiges Maul. Der Blonde befürchtet schon, dass er ihn beißen will und so schließt er wieder die Augen und wendet verkrampft den Kopf zur Seite.
 

Kurz darauf spürt er ein heißes, feuchtes Etwas, das über seine Wange gleitet. Überrascht öffnet der Junge wieder die Augen und da leckt Amigento ihn wieder überschwänglich ab. Diese liebevolle Geste bringt den Trainer fast zu Fall und so klammert er sich überrascht am breiten Halskragen seines Partners fest. Nach ein paar Augenblicken fängt er an zu lächeln und streichelt dem Mischwesen den Nacken. Erleichtert stößt Bromley die angehaltene Luft aus, lässt die Arme wieder sinken und ruft Tectass in seinen Ball zurück.
 

„Wa‘ ham’s tatsächlich geschafft, Kiddo!“, entgegnet er dem Blonden dann. Überglücklich lächelt Gladio ihm plötzlich entgegen – ein Ausdruck, den Bromley noch nie auf seiner sonst so harten Miene gesehen hat. Und gerade deswegen sieht der Junge in diesem Moment so unglaublich schön aus, strahlend wie die Sonne über Alola. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir jemals danken soll...“, entkommt es dem Blonden gerührt. Sanft lächelt der Ältere ihm entgegen. „Musste nich‘. Aber, wenn doch, dann sag’s noch ma‘ und lächl‘ dabei so süß!“, meint der Käfer-Trainer glucksend. Im ersten Moment weiß Gladio darauf nichts zu erwidern, nur seine Wangen färben sich bei diesen Worten unweigerlich rot.
 

Als Bromley schon denkt, dass er dem Jungen nun zu viel zugemutet hat, lächelt dieser dann tatsächlich genauso strahlend, wie eben. „Danke, Boss!“, kommt es fast schon zuckersüß von ihm, wobei das Herz des Weißhaarigen einen freudigen Hüpfer macht. „Geht echt runter wie warmes Öl, Kiddo! – Vielleicht lächelste ab jetz‘ ja öfter ma‘? Würd‘ mich auf jeden Fall freu’n.“ Er wirft einen Blick zu Pia hinüber und sieht dann wieder zu Gladio. „Is‘ noch viel zu tun. Muss jetz‘ geh’n. Aber irgendwann seh’n wa‘ uns bestimmt ma‘ wieder! Aus dir wird ma‘ ‘was ganz Großes, also streng dich an!“, grinst er frech. „Ich gebe mein Bestes, wenn du es auch tust!“, erwidert der Blonde frech grinsend. Kurz darauf verlassen Bromley und Pia die künstliche Insel und machen sich auf den Weg nach Po’u.
 


 

6
 

Mit einem schweren Seufzen ankert der Weißhaarige hinter der Villa. Der stetige Regen macht es nicht gerade einfacher. Allerdings weiß Bromley, dass es der einzig richtige Weg ist auch, wenn es ihm das Herz mehr bricht, als alles andere. Lady hockt in der Kapuze seiner Jacke und blickt ihn tröstend an. Vorsichtig stupst sie mit der Schnauze gegen seine Wange und fiept. Sanft streichelt er der Reißlaus über den Kopf. „Schon gut, Süße. Wird schon irgendwie werden...“, teilt er ihr seufzend mit. Nun legt sich Pias Hand auf seine Schulter. Die kleine Frau blickt ihn verständnisvoll an und dennoch liegt in ihren Augen der Nachdruck das Ganze durchziehen zu müssen. Sie kann sich nur zu gut vorstellen, wie schwer es dem Käfer-Trainer fallen muss, doch seine Entscheidung ist in jedem Fall richtig und sie wird ihn unterstützen, wo sie nur kann.
 

„Sind alle da?“, fragt Bromley sie matt. „So gut wie. Eine Handvoll ist irgendwo unterwegs, sodass ich sie nicht erreichen konnte und die anderen waren sich nicht sicher, wo genau sie sich aufhalten. Doch ich denke, dass ist nicht weiter schlimm.“, erwidert Pia. „Nee, is‘ nich‘ schlimm. Die andern könn’s ihnen ja dann sagen.“ Der furchtlose Anführer gibt noch einmal ein schweres Seufzen von sich, ehe sie gemeinsam die Yacht verlassen.
 

Mit bedächtigen Schritten umrunden sie die Villa und halten schließlich vor der Eingangstür. Einen langen Moment betrachtet Bromley das große Haus, das ihm und seinem Team in den letzten Monaten ein Zuhause gegeben hat. Wo sie so viel Spaß miteinander hatten. Zusammen gelacht und geweint haben. Schon allein beim kleinsten Gedanken daran, bildet sich ein dicker Kloß in seinem Hals und heiße Tränen sammeln sich hinter seinen Augen. Hier draußen im Regen wird niemand sehen können, wenn er jetzt anfängt zu weinen und er würde sich diesem Gefühl der Schwäche nur allzu gern hingeben. Doch, dass wäre jetzt falsch. Er muss stark sein und das Ganze durchziehen – nicht für sich, aber für sein Team!
 

Ehe Pia wieder die Hand auf seine Schulter legen kann und wohlmöglich etwas sagt, das ihn vom Weg abbringen könnte, ballt er entschlossen die Fäuste und tritt auf die Tür zu. Als er jedoch die Hand auf die Klinke legt, zittert sie ganz unwillkürlich. Wie lange ist es her, dass er sich so schwach und hilflos gefühlt hat? Er vermag sich nicht zu erinnern, da es ihn sicher noch trauriger machen würde. Also schluckt er das alles hart herunter und betritt die Villa mit festem Schritt.
 

Drinnen findet er seine Rüpel vor der großen Treppe versammelt. Ungewohnt leise reden sie miteinander und wirken angespannt. Was hat Pia ihnen erzählt, dass sie so nervös macht? Doch das ist völlig egal. Was er ihnen jetzt zu sagen hat, wird weit schlimmer sein. Bromley führt seinen Weg fort. Als die Rüpel ihn entdecken, leuchten ihre Augen hell auf und sie strahlen vor Erleichterung über das ganze Gesicht. Ihnen ist deutlich anzusehen, wie sehr sie sich freuen ihn gesund und munter aus der Ultradimension wieder zu haben. Aufgeregt umrunden sie ihn und plappern alle durcheinander. Der Weißhaarige kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er war zwar nur kurz weg, doch es kommt ihm jetzt wie Jahre vor. Etwas mühsam bahnt er sich seinen Weg durch die Teenager, nicht aber, ohne gefühlt jeden einmal in die Arme zu schließen.
 

Nach einer kleinen Ewigkeit schafft er es sich von ihnen zu lösen und die Treppe zu erklimmen. Auf dem ersten Absatz bleibt er stehen und wendet sich ihnen zu. Pia steht neben ihm und lächelt zuversichtlich. Wehmütig besieht sich Bromley sein versammeltes Team. Nur einige wenige fehlen, doch das ist nicht weiter schlimm. Aufmunternd legt Pia ihm nun doch wieder eine Hand auf die Schulter. Er betrachtet sie kurz, dann atmet er tief durch, ehe er die Stimme erhebt.
 

„Ihr wisst, dass viel passiert is‘, dass uns alle enger zusammengeschweißt hat. Wa‘ ham gelacht und geweint und uns immer irgendwie durchgeboxt, egal wie viel Arschtritte wa‘ auch kassiert ham. Und ihr wisst auch, was Samantha und ich in ‘ner Ultradimension erlebt ham. Dass es uns beide fast das Leben gekostet hätt‘. – Dadurch is‘ mir einiges klar geworden. Daher is‘ es das Beste, wenn ich euch euer eignes Leben führen lasse…“ Ein unruhiges Raunen zieht sich durch die Truppe. „Boss? Was soll’n das heißen?“, fragt Rose bedrückt. „Ganz einfach: Team Skull is‘ Geschichte!“, erwidert der Weißhaarige ernsthaft. Schockiert starren ihn die Jungs und Mädels an. „Nich‘ dein Ernst!?“, entkommt es Bryan. „Doch, sehr wohl mein Ernst!“, beharrt der ehemalige Boss nachdrücklich.
 

„Aber ihr müsst euch keine Gedanken mach’n. Pia hat für jeden von euch ‘ne Bleibe organisiert. Sie hilft euch, euch wieder in ‘ne Gesellschaft einzugliedern und ‘was Richtges zu lern‘. Sie wird immer da sein, wenn ihr Hilfe braucht. – Ich brauch‘ jetz‘ einfach etwas Zeit für mich, um das alles zu verarbeiten. – Doch ich versprech‘ euch, ich werd‘ jeden von euch besuchen! – So und jetz‘ packt eur’n Kram zusamm‘. Yasu kommt in ‘ner Stunde und verschließt Po‘u für immer und was dann noch hier is‘, bleibt auch hier!“ Langsam wendet Bromley seinen treuen Begleitern den Rücken zu und kämpft mit sich. Sie haben so viel gemeinsam erlebt, das geht nicht so einfach an ihm vorbei. „Jetz‘ geht mir aus’n Augen, verdammt noch ma‘ und ich will kein Wort mehr hör’n!“, verkündet er schließlich mit leicht brüchiger Stimme.
 

Die Rüpel sind ihm bis hierher gefolgt; haben jeden seiner Befehle mit Freuden ausgeführt, ohne auch nur einmal Widerworte zu geben, doch das können sie nicht einfach so hinnehmen – vollkommen unmöglich! Statt zu gehen, rücken sie vor. Einer von ihnen erklimmt sogar die Treppe und zerrt Bromley am Ärmel wieder zu ihnen herum. Überrascht blickt der Weißhaarige in die entschlossenen Gesichter der anderen. Direkt vor ihm steht Cameron, der nun das Hemd seines ehemaligen Führers wieder loslässt und sich das Mundtuch herunterzieht. „Boss, du weißt, ich konnt‘ nie viel mit dein‘ Annäherungen anfangen. – Wa‘ dem Gedanken so sehr abgeneigt, dass selbst dieser Bengel – Gladio – dagegen handzahm wa‘…“, bringt er heraus, was die gesamte Truppe, einschließlich Bromley selbst, zum Lachen bringt. Oh, ja! Gladio war die männliche Version der Miss-rühr-mich-nicht-an, doch Cameron war noch weit schlimmer. Schon allein der Gedanke an einen Kerl hat in ihm so viel Abneigung hervorgerufen, dass selbst jemand so Dominantes und Unnachgiebiges wie Bromley die Lust daran verloren hat, ihn auch nur zu necken.
 

„Aber scheiß drauf! Is‘ jetz‘ eh egal, aber ich werd’s bitter bereu’n, wenn ich’s dir jetz‘ nich‘ sag‘: Ich lieb‘ dich, Boss!“, verkündet der Blauhaarige den Tränen nahe. Und ehe Bromley irgendetwas sagen kann, zieht Cameron ihn zu sich hinunter und versiegelt seine Lippen mit den seinigen. Für eine Sekunde ist der Ältere vollkommen perplex, dann zieht er den Rüpel jedoch fest in seine Arme und erwidert den Kuss so ausgehungert und sehnsüchtig, dass dem anderen Jungen fast die Luft wegbleibt. Dies überfordert den Rüpel jedoch so sehr, dass er hilflos zu zittern beginnt, weshalb Bromley langsam wieder von ihm ablässt. Als sie sich dann in die Augen sehen, rinnen ihnen beiden Tränen über die erhitzten Wangen. „Danke, das bedeutet mir echt viel…“, lächelt der Weißhaarige auch, wenn ihm völlig bewusst ist, dass das nichts mit echter Liebe zu tun hat, sondern nur brüderlich, familiär gemeint ist. Doch gerade das rührt ihn so zu Tränen. „Wir lieben dich auch, Boss!“, kommt es plötzlich von den anderen Rüpeln.
 

Überrascht und tief berührt sieht Pia mit an, wie ein jeder von ihnen vortritt und den sichtlich aufgelösten Führer zu einem tiefen Kuss verführt, der all ihre Hingabe, Treue und Liebe zu ihm wiederspiegelt. Am Ende weinen sie alle und der stellvertretenden Regionalleiterin fällt es ziemlich schwer, sich dem Ganzen nicht anzuschließen. Stattdessen legt sie Bromley wieder eine Hand auf die Schulter. „Es wird Zeit…“, teilt sie ihm sanft mit. Er nickt schwer und erhebt sich langsam wieder. Trotzig wischt er sich mit dem Arm über das feuchte Gesicht und holt schniefend Luft. Nie hätte er gedacht, dass ihn das so fertigmachen würde. Doch die Bindung, die er zu diesem Haufen Halbstarker aufgebaut hat, ging viel tiefer, als man es sich vorstellen kann. Auch, wenn keiner von ihnen mit ihm das Bett teilen durfte, so waren sie sich dennoch so nahe, wie es sonst nur Liebenden vorbehalten bleibt.
 

„Okay, Leute! Ganz ehrlich jetz‘! Schwingt eure Ärsche und packt euer Zeug! Ihr wollt den alten Sack doch nich‘ warten lassen!“, gibt er den letzten Befehl erneut an sein Team. Die Jungs und Mädels richten sich auf, blicken ihn mit feuchten Augen an und dann stellen sie sich in gewohnter Formation auf. Ehrenhaft vollführen sie ein letztes Mal ihre charakteristische Skull-Pose, indem sie mit ihren Armen vor dem Körper einen Totenschädel nachahmen. „Einer für alle und alle für Skull!“, grölen laut sie im Chor, verharren einen Augenblick stillschweigend unter dem wehmütigen Blick ihres großen Anführers, ehe sie sich zerstreuen und ihre Sachen packen. Bromley bleibt allein mit Pia zurück. „Das hast du sehr gut gemacht.“, versucht sie ihn aufzumuntern. „Ja, hoff‘ ich. – Doch sie fehlen mir schon jetz‘…“
 


 

7
 

Seitdem sind ein paar Tage ins Land gezogen. Die Rüpel wurden von Pia überall auf die verschiedenen Inseln Alolas verteilt. Zumeist wohnen sie zu dritt oder viert in einem kleinen Häuschen zusammen und versuchen sich etwas schwerlich daran zu gewöhnen, dass sie nun ehrlicher Arbeit nachgehen und lernen sollen. So ganz ohne ihren Anführer, der ihnen im entscheidenden Moment einen Tritt in den Hintern gibt, fällt es ihnen aber sichtlich schwer sich aufzuraffen. Noch schwerer ist es, sich anderen Leuten unterordnen zu sollen und deren Befehlen nachzukommen, was in ihren Augen schon an Verrat Bromley gegenüber grenzt. Das will noch nicht so ganz in ihre Köpfe rein. Auch nicht, dass sie kein Team mehr sind, sondern jeder einer anderen Tätigkeit nachgeht. Doch Pia ist zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit alles regeln wird. So ganz trennen können sich die ehemaligen Rüpel aber nicht von Team Skull und so tragen sie trotzig auch weiterhin ihre charakteristischen Klamotten. Einzig ihr Mundtuch hängt ihnen jetzt um den Hals und ihre Kette ist unter ihren Shirts verborgen.
 

Von alledem hat Fran jedoch nichts mitbekommen. Sie weiß nicht einmal, dass Bromley aus der Ultradimension zurück ist. Seinem letzten Befehl folgend, hat sie Informationen über die Ultrabestien gesammelt. Vorgestern hat sie dann Gladio und Sun beobachtet, die ziemlich erfolgreich den Kampf gegen diese Biester aufgenommen haben. Von daher hat sie beschlossen hier erst einmal einen Bruch zu machen und nach Hause zurückzukehren. Vielleicht gibt es ja auch schon ein paar Neuigkeiten von dem Weißhaarigen? Im lauwarmen Regen erreicht sie schließlich das große Tor, das Po’u von der Außenwelt trennt. Als sie jedoch eintreten will, ist es verschlossen und ihr Schlüssel passt nicht mehr in das Schloss.
 

Verwundert legt sie die Stirn in Falten und fragt sich unweigerlich, was die Rüpel nun schon wieder gemacht haben. Dann jedoch fällt ihr ein Zettel auf, der am Tor befestigt wurde. Der Regen hat ihn schon ziemlich durchweicht, weshalb sie ihn gar nicht wahrgenommen hat. Etwas mühsam versucht sie die wenigen Worte darauf zu entziffern. ‚Dauerhaft versiegelt! Betreten ausdrücklich verboten! Gezeichnet der Inselkönig.‘, steht dort. Schlagartig verfliegt ihr Ärger auf die Rüpel und der unbändige Zorn dem alten Yasu gegenüber dringt an die Oberfläche. Dieser grantige Mistkerl geht Team Skull ständig auf die Nerven, aber das geht nun wirklich zu weit! Was, wenn er die Rüpel in Po’u eingesperrt hat? Die große Schwester in ihr beginnt heftig zu rebellieren. Mit einem Knurren reißt sie den nassen Zettel vom Tor, zerknüllt ihn, wirft ihn in die nächste Pfütze und stapft dann zurück zur Polizeiwache.
 

Nicht lange später erreicht sie das Gebäude, indem der alte Yasu mit seinem Haufen Mauzi lebt. Fran verschwendet gar keinen Gedanken daran, anzuklopfen oder sich anderweitig bemerkbar zu machen. Stattdessen reißt sie einfach die Tür auf. „Was fällt dir eigentlich ein?“, schimpft sie auch schon los und ignoriert dabei gekonnt das erschrockene und wütende Fauchen der Katzen-Pokémon. Yasu sitzt auf einer Couch im hinteren Teil der Wache und war gerade eingenickt. Dementsprechend ist er nun recht orientierungslos. Mühsam versucht er die Augen offen zu halten. „Was ist los?“, fragt er mit belegter Stimme und steht langsam auf. Seine Worte sind über das Gezeter der Mauzi hinweg kaum zu hören. Als Fran jedoch näherkommt, ziehen sie sich widerwillig zurück und beobachten das Ganze aus sicherer Entfernung.
 

Yasu betrachtet dieses Verhalten nicht gerade glücklich. Aber Fran ist so aufgebracht, dass mit ihr nicht zu spaßen scheint. „Denen hast du aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt...“, setzt der Alte dennoch an auch, wenn es tadelnd klingen soll. „Ist mir scheißegal! Warum hast du das Tor verriegelt und das Schloss ausgetauscht?“, giftet sie ihn an. Ihre Stimme gleicht einem scharf geschliffenen Messer und schneidet tief in Yasus müde Gedanken. Daher braucht er einen Moment, ehe er überhaupt versteht, was sie von ihm will. Frans Geduld reicht aber bei weitem nicht so lange. Allerdings antwortet der Grauhaarige dann doch, bevor sie erneut die Stimme erhebt.
 

„Ganz einfach, weil mich der Bengel darum gebeten hat, nachdem alle abgezogen sind.“, gibt er mühselig von sich. Die junge Frau versteht jedoch nur Bahnhof. „Was soll das heißen, abgezogen und welchen Bengel verdammt noch mal meinst du?“, gebärt sie sich aufgebracht. Gequält reibt sich der Alte die pochenden Schläfen. „Nun schalt doch mal einen Gang runter, Mädchen! Mit der Stimme hättest du statt ihm diesen Haufen Trottel führen sollen, dann hätte ich sicher weniger Ärger gehabt...“, erwidert er wehleidig und setzt sich an seinen Schreibtisch. Fran gibt ein zorniges Knurren von sich und schlägt dann die flachen Hände direkt vor ihm auf die Holzplatte. „Hör endlich auf so einen Mist zu erzählen! Lass mein Team in Frieden und beantworte meine Fragen, ehe ich wirklich ungemütlich werde!“
 

„Schon gut, schon gut! – Mir scheint, du warst schon eine Weile nicht mehr hier, was?“, fragt er sie. „Ja, etwa seit Bromley losgezogen ist, um Samantha mit der Ultrapforte zu helfen. Aber, was hat das denn damit zu tun?“, fragt sie schon etwas leiser „Naja, der Bengel ist inzwischen wiedergekommen. Meinte, es täte ihm leid, was seinetwegen alles passiert ist und, dass er es wiedergutmachen will. Er hat das Team aufgelöst. Diese Frau von Æther war bei ihm. Wie hieß sie noch gleich – Pia oder so ähnlich? Sie hat die Kids mitgenommen und ich sollte Po’u dann verschließen. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.“, meint er schulterzuckend.
 

Mit offenem Mund lauscht Fran seinen Worten und kann sie dennoch nicht begreifen. „Bromley hat Skull aufgelöst? Das – das kann ich kaum glauben. – Sein ganzes Herz hängt an diesem Haufen Hohlschädeln...“, bringt sie stockend hervor. „Es ist aber so. – Aber, wenn du dich wieder etwas beruhigt hast, kann ich das Tor öffnen und du kannst dich selbst davon überzeugen. Deinen Kram holen, wenn du magst.“, schlägt er ihr überraschend freundlich vor. Fran sieht ihn mit großen Augen an, überrascht von seiner plötzlichen Umgänglichkeit. Dann lässt sie die Schultern hängen und nickt stumm. Sie muss das erst einmal verarbeiten. „Gut, dann komm...“ Gemeinsam wandern sie schweigend die Route siebzehn entlang und betreten bald darauf die Villa.
 

Im ersten Moment sieht für Fran alles so aus wie immer – das reinste Chaos. Als sie jedoch durch die einzelnen Zimmer geht, findet sie nichts wieder, was auf die Anwesenheit von Skull hindeuten könnte – abgesehen von zahlreichen Graffiti an den Wänden. Es wirkt, als wären schon seit Jahren keine Menschen mehr hier gewesen. Die ganze Villa ist richtiggehend erschreckend still – so still war es hier selbst nachts nie. Schmerzhaft krampft sich ihr Herz zusammen und sie wagt es kaum Bromley’s Zimmer zu betreten. Schließlich gibt sie sich doch einen Ruck, allerdings es ist genauso wie all die anderen Zimmer. „Du verdammter Idiot...“, flüstert sie in den verlassenen Raum hinein. Eine Träne rinnt ihre Wange hinab, als sie wieder auf den Flur tritt.
 

Am liebsten würde sie sich jetzt irgendwo verkriechen und sich die Augen aus dem Kopf heulen, doch Yasu würde das sicher nicht zulassen. Es widerstrebt ihm entschieden die Villa überhaupt betreten zu haben. Sie kann wahrscheinlich von Glück reden, dass er sie überhaupt hier rein gelassen hat. Also versucht sie sich zusammen zu reißen und geht zu ihrem eigenen Zimmer. Es ist noch genauso, wie sie es verlassen hat. Alles steht an seinem Platz und es wirkt einladend und doch erdrückend einsam. Ein paar Momente hadert sie mit sich, dann holt sie ihren Rucksack aus dem Regal und stopft alle Sachen hinein. Zuletzt ergreift sie das Bild ihres verstorbenen Bruders und betrachtet es wehmütig. Er hatte sie so plötzlich und ohne die Möglichkeit eines Wiedersehens verlassen. Hat dabei ein gewaltiges Loch in ihr Herz gerissen, das sie dachte niemals stopfen zu können. Dann kam sie zu Skull und dachte, dass es doch möglich ist.
 

Und nun muss sie feststellen, dass Bromley sie ebenfalls verlassen hat und sie ihn wohl nie wiedersehen wird. Gerade, wo sie sich selbst eingestehen konnte, dass sie ihn liebt. „Dieser verdammte Idiot...“, flüstert sie abermals und kämpft mit den Tränen. Einen Moment lässt sie ihnen freien Lauf. Dann verstaut sie auch das Bild, schultert ihren Rucksack und verlässt das Zimmer – wird niemals hierher zurückkehren... Mit hängenden Schultern steigt sie die Treppe hinab und will nur noch hier weg.
 

„Warte, Mädchen!“, ruft Yasu ihr hinterher, doch sie bleibt nicht stehen. „Franziska!“, versucht er es erneut. Überrascht bleibt sie stehen und wendet sich zu ihm um. „Woher kennst du meinen Namen?“, fragt sie etwas angesäuert, da sie so schon seit Jahren nicht mehr genannt wurde. Yasu überbrückt langsam den Abstand zu ihr und blickt sie dann eindringlich an. „Ich war doch mal Polizist, ich weiß einiges, Mädchen. Doch, dass ist nicht der Punkt. – Du schienst mir immer die Einzige hier gewesen zu sein, die ein Hirn im Schädel hat und ich habe mich lange Zeit gefragt, warum du es mit diesen ganzen Tölpeln so sehr weg wirfst.“, setzt er an. Sie will ihm schon eine gepfefferte Antwort auf diesen Unsinn geben, da spricht er bereits weiter.
 

„Doch, dass geht mich auch gar nichts an. Du wirst schon deine Gründe gehabt haben. – Ich denke nur, dass jetzt, wo deine Leute einer vernünftigen Beschäftigung nachgehen, solltest du auch etwas Sinnvolles machen.“ „Ach ja? Denkst du das? Und, was soll ich deiner Meinung nach machen?“, hakt sie angesäuert nach. Yasu gibt ein Seufzen von sich. „Du bist wirklich talentiert und aus dir kann mal eine sehr gute Trainerin werden. Denkst du nicht auch?“ Irritiert sieht sie ihn an. „Was willst du mir damit sagen?“, hakt Fran nach, obwohl ihr schon ein Gedanke kommt.
 

„Ich will sagen: Lass das hier alles hinter dir und fang noch einmal von vorne an. Mach die Inselwanderschaft, tritt gegen den Champion an und versuche dein Bestes zu geben. Und wer weiß, was dann noch alles aus dir werden kann.“, meint er schlicht und zuckt vielsagend mit den Achseln. Nachdenklich blickt die junge Frau zu Boden. „Glaubst du wirklich, dass ich das schaffen kann?“ „Wenn du dir Mühe gibst, ganz sicher. – Hiermit dürfte es ganz bestimmt etwas werden.“, meint er schlicht und drückt ihr dann einen Z-Ring in die Hand. Überrascht betrachtet sie ihn. „Aber – das geht doch nicht!“ „Natürlich geht das. Ich bin immerhin der Inselkönig und als solcher kann ich die Dinger an jeden verteilen, den ich tauglich dafür halte. Also nimm ihn und fang an! Doch glaub ja nicht, dass ich dich mit Samthandschuhen anfasse, wenn du bei mir auf der Matte stehst!“, keck grinst er sie an.
 

Obwohl Yasu mit diesem Ausdruck im Gesicht schon beinahe unheimlich aussieht, kann Fran nicht anders, als es zu erwidern. „Pah! Soweit kommt es noch! Pass lieber auf, dass du dich überhaupt noch davon erholst, wenn ich dich fertiggemacht habe!“, kontert sie frech, wendet sich dann ab und verschwindet endgültig aus Po’u. Yasu blickt ihr noch eine ganze Weile hinterher, nachdem er das Tor wieder verriegelt hat. „Na hoffentlich wird das auch was...“, seufzt er in sich hinein. Gemächlich tritt er den Rückweg zur Polizeiwache an, um endlich sein Nickerchen machen zu können. Heute wird es ihm aber ganz sicher gelingen und morgen ebenfalls und immer zu, denn jetzt sind diese ausgeflippten Wilden ja nicht mehr da, um ihn auf Trapp zu halten!



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