Crazy like a skull von RaoulVegas (Das Paradies hat einen Haken) ================================================================================ Po-Town Blues ------------- 1 Nach der verheerenden Niederlage gegen Sun, wird es ziemlich schnell erschreckend ruhig in Po’u. Eine erdrückende Stille legt sich über die Villa und die Herzen von Team Skull. Ein jeder scheint nur seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und keinen Elan mehr für irgendetwas anderes zu finden. Dennoch bemühen sich die Rüpel darum, alles wieder in seinen gewohnten Zustand zu versetzen. Sie räumen schweigend und mit hängenden Schultern alle Barrikaden und Absperrungen weg und sorgen dafür, dass man sich wieder ungehindert durch die Villa bewegen kann, ohne über einen Haufen Schutt und Kisten klettern zu müssen. Die Rüpel nicht ausgelassen und verdreht miteinander sprechen zu hören, ist dabei wirklich ein seltsamer Anblick, der einem bewusst macht, wie schwer getroffen sie alle von den Ereignissen dieses Tages doch sind. Tief drinnen hoffen sie, dass Bromley das Ganze auch irgendwie übersteht und bald wieder lachen kann. Zumindest bis Samantha davon erfährt... Die Blondine rückt der Erfüllung ihres Traums immer näher und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ihre Ultra-Bestien ganz Alola überschwemmen werden, wie eine tödliche, unheilbare Krankheit. Da kann sie sich keinen Fehltritt und schon gar keine Verzögerung mehr erlauben. Zudem befürchtet sie, dass inzwischen ungewollt von allen Seiten Informationen nach außen gedrungen sind und, dass es daher sicher nicht mehr lange dauern wird, bis Sun sich auch ihr in den Weg stellt. Und, wenn es soweit ist, dann braucht sie den vollen Einsatz von Team Skull mehr denn je, um ihn und seine nervigen Begleiter daran zu hindern. Die jetzige Niederlage wird sie daher erst recht nicht erfreuen, aber ändern lässt sich das Ganze so oder so nicht mehr und sie muss damit leben. Doch ganz sicher wird ihr etwas einfallen, um den Bengel aufzuhalten, sollte Skull ein weiteres Mal kläglich scheitern. Andererseits könnte diese Tatsache sich auch als nützlich erweisen. So könnte sie Sun selbst ganz allein fertigmachen und sehen, welch unglaubliche Kraft in ihren geliebten Ultra-Bestien steckt, bevor sie sie auf das gesamte Inselparadies loslässt! Doch so weit ist es noch nicht. Aber sie wird in jedem Fall vorbereitet sein, wenn der Junge und seine Begleiter hier aufschlagen. Bis dahin können diese nutzlosen Trottel in ihrer Villa verrotten! Zum Glück ahnen die Rüpel noch nicht, was ihnen allen bald bevorstehen wird und sind im Moment ganz darauf konzentriert nichts anzustellen, dass ihren Boss zusätzlich auf die Palme bringen könnte. Ein Grund mehr, warum sie ihrer Arbeit schweigend nachgehen. Allerdings zieht es der Käfer-Trainer dann doch vor, am frühen Abend das Anwesen und Po’u hinter sich zu lassen und ohne ein Wort zu verschwinden. Sie lassen ihn gehen und hoffen, dass er mit besserer Laune zu ihnen zurückkommen wird. Bis dahin blasen sie weiterhin Trübsal und versuchen es sich nicht auch noch mit Fran zu verscherzen, die sich seit dem Rauswurf von Sun in ihrem Zimmer verkrochen hat. 2 Ein lautes Poltern reißt ihn ungewollt aus dem Schlaf. Noch völlig neben sich, stellt Yasu fest, dass er auf der Couch eingeschlafen ist, was ihm sonst nie passiert. Der Film, den er eigentlich sehen wollte, ist längst vorbei und nur noch das nächtliche Testbild läuft über den Bildschirm – ein paar Palmen, die sich sanft in der Brandung wiegen. Der Horizont im Hintergrund ist von Sternen übersät. Je näher der Morgen rückt, desto mehr werden sie verblassen und irgendwann steigt dann die Sonne auf und bringt einen neuen Tag und damit auch das Programm wieder zurück. Oben in der linken Bildecke ist eine kleine Digitaluhr zu sehen. Sie zeigt jetzt an, dass es kurz nach halb zwei Uhr morgens ist, was Yasu mit ungläubiger Miene zur Kenntnis nimmt. Während er geschlafen hat, haben sich fast alle seine Mauzis zu ihm gekuschelt. Doch, als das Poltern eingesetzt hat, ist ein Großteil von ihnen aufgesprungen. Manche haben sich erschrocken versteckt, andere haben sich einen neuen Schlafplatz gesucht und wieder andere knurren und fauchen nun Richtung Tür, als fürchten sie einen Angriff. Der Inselkönig ist noch vollkommen neben sich, reibt sich verschlafen die Augen, als es erneut poltert. Weitere Pokémon machen ihrem Unmut darüber Luft, was den Alten dann doch dazu bewegt, aufzustehen und nachzusehen. Ungelenk stemmt er sich von der Couch hoch – war definitiv ein Fehler darauf einzuschlafen. „Ganz ruhig, Leute! Ich sehe nach, was da los ist und dann legen wir uns alle wieder ins Bett...“, teilt er der Katzenbande mit, die daraufhin widerwillig schweigt und alles genau beobachtet. Etwas angespannt öffnet Yasu schließlich die Tür und der nächtliche Besucher fällt ihm praktisch direkt vor die Füße. Nicht unbedingt überrascht sieht der Grauhaarige zu Bromley hinab, der dort ausgestreckt auf seiner Türschwelle liegt und leicht das Gesicht verzieht, da er sich beim Umkippen ganz sicher den Kopf auf dem harten Fliesenboden angeschlagen hat. Doch darum kümmert sich der ehemalige Polizist nicht sonderlich. Seiner Meinung nach gibt es im verqueren Schädel dieses Spinners eh nicht mehr viel, was beschädigt werden kann. Kurzerhand stupst er den jungen Mann mit dem Fuß an der Schulter an. „Hey, Junge! Was soll das?“, fragt er ihn trocken. Langsam öffnet der Angesprochene die Augen und Yasu kann allein daran schon erkennen, dass er sturzbetrunken ist, noch bevor er auch nur ein Wort von sich gibt. „Ey, Alter! Was geht?“, fragt der Weißhaarige nuschelnd. Mit einem Gähnen fährt sich Yasu durch die kurzen Haare. „Das will ich ja von dir wissen. Warum machst du hier mitten in der Nacht solchen Lärm?“ Etwas verwundert sieht sich der Jüngere um, als würde ihm jetzt erst auffallen, dass es dunkel ist. „Wie spät is‘ es denn?“, will er schließlich wissen. „Halb zwei morgens und du bist stockbesoffen.“, erwidert der Ältere matt und lehnt sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. Von seinem Gegenüber geht ganz sicher keine nennenswerte Gefahr aus, weshalb er sich merklich entspannt. Schwerfällig setzt sich Bromley aufrecht hin. „Sag mal, hast du dich so voll laufen lassen, weil dich dieser Hosenscheißer vorhin so fertiggemacht hat?“, kommt es nach einer Weile grinsend von Yasu. „Das geht dich überhaupt nichts an, Alter!“, giftet der Angesprochene wütend zurück. Das Grinsen des Grauhaarigen wird nur noch breiter. Selbstverständlich weiß er ganz genau, dass Sun Team Skull erledigt hat, immerhin hat er den Bengel vorhin frohen Mutes mit dem Mangunior abziehen sehen. „Wirklich erbärmlich, Junge! Und du willst der Boss von irgendwas sein? Also mal ehrlich...“ Bromley wirft ihm einen finsteren Blick zu und versucht aufzustehen. Es gelingt ihm aber nicht und so plumpst er zurück auf seine vier Buchstaben. „Ach, halt’s Maul, Alter! Oder willste, dass ich dich plattmach‘?“, knurrt er ungehalten. „Passt schon.“, erwidert Yasu nichtssagend und beendet die Diskussion damit. Sie haben zwar noch nie gegen einander gekämpft, dennoch hat der Inselkönig keine Lust von diesem Verrückten vorgeführt zu werden. Seine Unlicht-Pokémon sind Bromley’s Käfern vom Typ her weit unterlegen. Eine Niederlage gegen ihn würde nur dazu führen, dass Team Skull ihn noch weniger ernst nimmt, als sie es jetzt schon tun und darauf kann er getrost verzichten. „Du solltest nach Hause gehen, Junge.“, teilt er ihm daher mit. Der Weißhaarige antwortet nicht, scheint schon halb eingeschlafen zu sein. Zudem glaubt Yasu nicht wirklich, dass es Bromley ohne Hilfe wieder zurück in die Villa schaffen würde. Dieser Gedanke geht ihm jetzt schon auf die Nerven. Ganz sicher wird er ihm nicht helfen, wie sehe das denn auch aus? Aber vor der Tür hocken lassen will er ihn auch nicht, dann wird er bestimmt wieder anfangen zu lärmen. Yasu könnte ihn aber auch zu sich in die Wache holen und ihn in die Ausnüchterungszelle stecken, wie er es schon einmal gemacht hat. Doch diese Erfahrung war für sie beide nicht sonderlich angenehm, erst recht nicht, wenn er dann wieder nüchtern und angriffslustig ist. Mit erhobener Augenbraue betrachtet er sein Gegenüber und versucht sich halbherzig für das geringste Übel zu entscheiden. Es fällt ihm wirklich schwer, doch dann bemerkt er im Augenwinkel eine Bewegung, die ihn ganz sicher aus dieser misslichen Lage befreien wird. „Spar dir das Rumgeschleiche, Kid! Ich habe dich schon längst gesehen. Also komm her und mach die nützlich!“, teilt er dem überraschten Jungen mit, der sich versucht hat unbemerkt dem Dorf zu nähern. Ertappt zuckt Gladio zusammen und fragt sich nicht zum ersten Mal, warum er ausgerechnet mitten in der Nacht hierherkommen musste. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Er wollte nicht gesehen werden. Schon gar nicht von den Rüpeln, die ihn immer ärgern, weil sie ihn nicht leiden können. Er wollte sich in die Villa schleichen, sich irgendwo verstecken und dann bei der nächsten Gelegenheit mit Bromley reden. Doch das kann er jetzt wohl vergessen. Unwillig wendet er sich Yasu zu und entdeckt auch den Weißhaarigen. Verwundert kommt er näher. „Was willst du, alter Mann? Ich habe keine Zeit für deinen Unsinn.“, gibt er kurz angebunden von sich. Langsam schlägt Bromley wieder die Augen auf. „Hey, Kiddo!“, flötet der Käfer-Trainer und grinst wie ein kleines Kind übers ganze Gesicht. Augenblicklich wird dem Blonden klar, dass sein ungewollter Boss betrunken ist und er tritt wieder einen Schritt zurück. In diesem Zustand kann er sehr anhänglich werden und darauf hat der Junge absolut keine Lust. Das letzte Mal hat ihm da definitiv gereicht. „Ganz einfach. Ich will, dass du diesen Trottel zurück nach Po’u bringst, damit er mir hier nicht auf die Türschwelle kotzt.“, erläutert Yasu nun wenig begeistert. „Das kannst du ganz schnell wieder vergessen! Mach es doch selber!“, gibt Gladio verstimmt von sich und dreht sich mit verschränkten Armen von den beiden weg. „Wenn du meinst. Ich kann euch beide natürlich auch wieder in die Ausnüchterungszelle sperren, wenn dir das lieber ist?“, hält der ehemalige Polizist dagegen. Erschrocken wendet sich der Blonde wieder um. „Du bluffst doch nur!“ „Denkst du das wirklich? Du weißt, dass ich das kann!“, hält Yasu dagegen und unweigerlich erinnert sich Gladio an das letzte Mal. Es war eine ganz ähnliche Situation, nur, dass die beiden sich schon vorher begegnet sind und eher einen unfreiwilligen Zwischenstopp bei dem Alten eingelegt haben. Dann ging alles ganz schnell und nach einem kurzen, aber sehr unschönen Streit mit dem Grauhaarigen fand er sich mit Bromley zusammen in der engen Zelle wieder. Es war der reinste Horror nicht wegzukönnen und Bromley’s perfidem Unsinn ausgeliefert zu sein. Yasu hat sich nur über ihn lustig gemacht und Gladio hat die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Nein, so etwas braucht er nicht noch einmal, nun wirklich nicht! Yasu mag zwar alt und lustlos sein, doch er ist immer noch erschreckend schnell und kräftig, wenn es sein muss. Einmal Polizist, immer Polizist, wie es so schön heißt. „Und, wenn ich mich trotzdem weigere?“, setzt der Blonde zu einem letzten, verzweifelten Versuch an. „Oh, dann könnte ich dich auch in Gewahrsam nehmen und dich zurück zu deiner Mutter nach Æther bringen. Die sucht nämlich schon eine Weile nach dir.“, erwidert Yasu mit einem fast schon durchtriebenen Grinsen. Gladio entgleiten alle Gesichtszüge. „Das würdest du nicht wagen!“ Das wäre ja noch schlimmer, als die Nacht mit Bromley in einer Zelle eingesperrt zu werden. Nach allem, was er getan hat und wie sehr ihr Wahnsinn inzwischen fortgeschritten ist, wäre das ganz sicher sein Ende, von seinem entwendeten Pokémon ganz zu schweigen! „Du könntest dich natürlich auch dazu entscheiden diesen Spinner wieder nach Po’u zu bringen. Dann haben wir alle etwas davon, meinst du nicht?“ Eine ganze Weile steht Gladio einfach nur da und starrt den Inselkönig schweigend an. Schließlich lässt er resignierend die Schultern hängen. „Schon gut, du hast gewonnen! Aber kein Wort zu meiner Mutter, verstanden?“, kommt es nachdrücklich von dem Jungen. „Du hast mein Wort, Kid. Aber vielleicht sollest du dir trotzdem überlegen, ob das hier das Richtige für dich ist? Versau dir nicht deine ganze Zukunft. Du...“ „Ach, sei doch endlich still! Auf deine Ratschläge kann ich gut verzichten! Also geh wieder rein und lass mich in Ruhe!“, giftet der Blonde ungehalten zurück und wirkt dabei wie ein trotziges Kind. Yasu zuckt nur gleichgültig mit den Schultern und stößt Bromley wieder mit dem Fuß an. „Hey, Schlafmütze, dein Chauffeur ist da!“ Grummelnd öffnet der Weißhaarige wieder die Augen und versucht nach ihm zu schlagen, was ihm aber nicht gelingt. „Lass den Scheiß und geh ‘n paar Muschis streicheln, Alter!“, schnauzt er den ehemaligen Polizisten ungehalten an. Dieser verzieht für einen Moment verstimmt das Gesicht, fängt sich aber schnell wieder. Immerhin will er diesem unverschämten Spinner keine weitere Steilvorlage für noch mehr Unflätigkeiten liefern. Stattdessen blickt er zu Gladio hinüber, um diesen an seine Aufgabe zu erinnern. Der Blonde sieht jedoch etwas beschämt aus. Seine leicht geröteten Wangen verraten dem Ältesten, dass er scheinbar auch die zweifache Bedeutung hinter Bromley’s Worten verstanden hat und dieses Bild nun vehement zu verdrängen versucht. „In fünf Minuten seid ihr weg, oder ihr verbringt die Nacht zusammen in der Zelle!“, wirft Yasu noch in den Raum, dann verzieht er sich nach drinnen und schließt die Tür. 3 Gefühlte zehn Minuten starrt Gladio einfach nur verständnislos die verschlossene Tür an, ehe er ein genervtes Seufzen von sich gibt und zu Bromley sieht. Dieser scheint sehr froh darüber zu sein, dass Yasu endlich weg ist und lächelt den Blonden daher versonnen in seiner Trunkenheit an, wie ein glückliches Lamm auf der Weide. Innerlich muss sich der junge Trainer eine Ohrfeige verpassen, dass er jetzt keinen schnippischen Kommentar von sich gibt, der die Laune des Älteren zerstören könnte. Zusätzlich beißt er sich kräftig auf die Unterlippe – das ist heute einfach nicht sein Tag... Etwas ruppig legt sich Gladio Bromley’s Arm um die Schulter, damit er ihm aufhelfen kann, doch das ist leichter gesagt, als getan. Der Käfer-Trainer ist erheblich größer, als er und schwerer selbstverständlich auch. „Komm schon! Es wird Zeit zu gehen.“, teilt der Blonde ihm mit wenig Geduld mit. Zuerst scheint der Weißhaarige jedoch so gar nicht zu verstehen, was der andere bezwecken will und versucht ihn stattdessen zu sich zu ziehen. „Verdammt, lass den Mist und steh endlich auf!“, faucht der Blonde ihn schließlich an und setzt zu einem letzten Versuch an. Und tatsächlich erhebt sich der junge Mann. Doch durch den Alkoholeinfluss schwankt er stark, sodass Gladio gerade noch verhindern kann, dass er wieder umfällt. Schwer stützt sich der Größere auf ihn und scheint das alles dennoch ziemlich lustig zu finden. Sinnlos kichert er vor sich hin und brabbelt irgendetwas Unverständliches, was der junge Trainer nur augenrollend über sich ergehen lässt. Nach ein paar weiteren Versuchen setzen sich die beiden dann endlich in Bewegung und nähern sich langsam und bedächtig den Mauern des Dorfes. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie das Tor erreichen und zwei weitere, bevor sie schlussendlich vor der Villa stehen. Das Ziel – Bromley’s Zimmer – ist allerdings noch ein ganzes Stück entfernt. In dieser Zeit hat der junge Trainer aber zumindest genug Gelegenheit zum Nachdenken. Es wäre auf jeden Fall eine gute Idee nicht mehr nachts hierher zu kommen, nur um den Gehässigkeiten dieser hirnlosen Rüpel aus dem Weg zu gehen. Heute wird er eh kein Gespräch mehr mit Bromley zustande bringen, also wäre es klug, selbst ins Bett zu gehen, darüber zu schlafen und dann zu sehen, ob es morgen besser passt. Wahrscheinlich wäre es auch eine ganz gute Idee, dem Käfer-Trainer dabei zu eröffnen, dass er nicht mehr Teil dieser verrückten Truppe sein will. Sich von ihnen lösen und lieber zusehen, dass er seine Mutter wieder auf den rechten Pfad bekommt, bevor alles zu spät ist. Vielleicht sollte er sich dafür sogar Sun und seinen Freunden anschließen? Doch nach allem, was gewesen ist, ist sich Gladio nicht sicher, ob sie seine Hilfe annehmen würden. Immerhin hat er Sun das Vorankommen genauso erschwert, wie Team Skull und zudem seine Schwester ganz allein bei Samantha zurückgelassen, um dem misshandelten Pokémon, das er seiner Mutter gestohlen hat, wieder einen Lebenssinn zu geben. Lilly hat Furchtbares durchmachen müssen, ehe ihr selbst die Flucht mit dem anderen Pokémon ihrer Mutter gelungen ist. Sie irrte so lange schutzlos umher, bis sie endlich Hilfe fand, da ist es fraglich, ob sie ihm überhaupt noch trauen oder verzeihen kann. Seufzend öffnet er die Tür der Villa und befördert Bromley ins Trockne. Ja, eine Nacht darüber zu schlafen und sich dann von Team Skull zu trennen, ist wirklich eine gute Idee. Er muss vorher nur noch diese Aufgabe hier erfüllen. Doch der Weißhaarige macht es ihm absolut nicht leicht. Kaum, dass sie die Villa betreten haben, wird er munterer. Er kann zwar kaum geradeaus gehen, geschweige denn dies allein tun, dafür drängt er Gladio aber vom Weg ab und so kommt es, dass sie schließlich vor Frans Zimmer Halt machen, anstatt zu Bromley’s weiterzugehen. 4 Schwer seufzend dreht sich die junge Frau von einer Seite auf die andere. Mürrisch wirft sie einen Blick auf ihren Wecker. Es ist inzwischen zwei Uhr morgens und sie hat noch nicht mal eine Minute geschlafen. Verstimmt setzt sie sich schließlich auf und schaltet die Lampe auf ihrem Nachttisch ein. Sie zieht die Knie an und bettet ihren Kopf darauf, umschlingt die Beine mit ihren Armen. Mit leeren Augen starrt sie die Wand gegenüber an. Ihre Gefühle gleichen einem hektischen Chaos, das sie einfach nicht kontrollieren kann. Als Fran vorhin mit ansehen musste, wie sich Bromley beinahe vor den Augen aller die Pulsadern mit einer zerbrochenen Bierflasche aufgeschnitten hätte, da ist etwas in ihr beinahe gestorben. Sie versteht gar nicht, warum sie sich deswegen so mies fühlt. Der Käfer-Trainer ist nichts weiter, als ein riesiger, dummer Trottel und das wird sich wohl auch niemals ändern. Außerdem verkehrt er mit dieser widerlichen Samantha. Warum also sorgt sie sich so sehr um ihn und wird seinetwegen ständig an ihren verstorbenen Bruder erinnert? Sie will nicht immerzu daran denken müssen, was sie so tragisch verloren hat. Fran könnte ihm nie im Leben dieselbe Liebe entgegenbringen, die sie für ihren Bruder empfunden hat. Dafür ist er einfach zu – zu – ja, zu was eigentlich? Zu dumm? Zu groß? Zu stark? Zu vorlaut? Fran findet keine Antwort. Könnte es nicht aber sein, dass sie gar nicht dieselbe Liebe für ihn empfinden kann, weil sie eine andere Liebe für ihn hegt? Oh nein! Das will sie sich noch viel weniger vorstellen. Was soll sie denn bitte auch mit einem so hirnlosen, machohaften Arschloch anfangen? Das ist so gar nicht die Art von Partner, die sie sich vorstellen mag. Ihre Mutter hat früher immer gesagt, dass Fran ein braves Mädchen sein soll, dann bekomme sie auch einen guten Ehemann und das sei das Wichtigste im Leben. Die Pinkhaarige war damals noch zu klein, um zu begreifen, dass das ganz sicher nicht das Wichtigste im Leben ist. Aber damals war auch noch alles in Ordnung und ihre Welt heil und farbenfroh. Doch mit dem Tod ihres Bruders ist alles anders geworden. Sie verlor die Zuneigung ihrer Eltern und jegliches Interesse an einfach allem. Sie wollte sich nicht mehr von solchen Gefühlen kontrollieren lassen, um nicht wieder so verletzt zu werden. Von daher wurde sie stark, rebellisch und abgehärtet, um sich in dieser männerdominierten Welt behaupten zu können. Ihr Herz wurde sogar unempfänglich für das männliche Geschlecht. Sie hatte gehofft, wenn sie sich auf ein Mädchen einlassen würde und damit die Kontrolle bekäme, würde alles anders werden, einfacher... Doch dem war nicht so und sie wurde nur wieder verletzt. Ihre Mutter hat das Ganze ziemlich gut mitbekommen und einen letzten, eher makaberen Versuch unternommen, sie auf ein Leben als liebende Ehefrau und Mutter vorzubereiten. Frans Mutter war stets eine zurückhaltende, liebenswürdige Frau, die niemals laut geworden ist und schon gar keine Kraftausdrücke oder dergleichen benutzt hat. Daher schockierte es Fran schon ziemlich, als sie ihr dies sagte. „Franziska, mein Kind. Das Wichtigste im Leben ist ein guter Ehemann! Strak und ausdauernd sollte er sein und durchsetzungsfähig. Doch damit er gut zu dir ist, musst du ihm auch eine gute Ehefrau sein! Und das geht nur, wenn du ihn jeden Tag, wenn er erschöpft von der Arbeit heimkommt, mit heißem Essen, kaltem Bier und weit gespreizten Beinen empfängst! Also verliere keine Zeit und finde ihn, solange du jung und er scharf auf dich ist!“ Bei diesen Worten sind Fran alle Gesichtszüge entglitten, doch für ihre Mutter war das Thema damit ein für alle Mal abgeschlossen. Bis heute fragt sich die Pinkhaarige allerdings, warum sie selbst diesen Worten nicht gefolgt ist. Ihre Mutter war zwar eine wunderbare Köchin, doch bei ihnen Zuhause gab es keinen Alkohol. Ihr Vater hat nie einen Tropfen getrunken und war auch alles andere, als ein Vorzeige-Mann. Dürr, schlaksig, klein, schüchtern und wortkarg. Er ist nie laut geworden oder hat eines seiner Kinder bestraft, geschweige denn sich mit irgendjemand anderem angelegt. Ihre Eltern waren immer nett zueinander, doch zu mehr als einem Begrüßungs- oder Gutenachtkuss kam es zwischen ihnen nicht. Sie hatten lediglich Sex miteinander, um einen Stammhalter zu produzieren und als Frans kleiner Bruder geboren war, war diese Aufgabe damit erfüllt. Daher fragt sich Fran schon, warum dann ausgerechnet sie ihren zukünftigen Mann so umsorgen soll. Hinzu kommt auch noch, dass Bromley weit besser kochen kann, als sie und auch sonst wahrscheinlich viel besser in das Idealbild einer Ehefrau passen würde, wie ihre Mutter es sich von Fran gewünscht hat. Hat sicher auch etwas damit zu tun, dass der Weißhaarige immerhin schon mal eine lange, feste Beziehung hatte, in der er die Rolle des Hausmannes eingenommen hat, gleichzeitig aber dennoch der Dominante sein konnte. Doch das wäre nichts für Fran. Sie kann zwar ein bisschen kochen und hat keine Probleme damit, einen Haushalt zu führen, aber auf so eine weibliche, niedere Rolle hinunter reduziert werden, die ihrem Göttergatten dient und seien Gelüsten nach Belieben zur Verfügung steht, ohne ein Wort zu sagen, will sie beim besten Willen nicht. Bromley würde ihr da aber vermutlich gar keine andere Wahl lassen, mit seinem machohaften, überheblichen Getue und das, obwohl er jeden Tag für das ganze Team in der Küche steht. Andererseits kuscht er ja auch vor Samantha. Fran ist jedoch bei weitem nicht so durchsetzungsfähig, wie die Blondine und so fies will sie auch gar nicht sein, schon gar nicht zu jemandem, den sie lieben soll. Eine echte Zwickmühle. Dennoch sind da Gefühle für diesen Spinner, die sie nicht ignorieren kann, auch, wenn es vielleicht keine richtige Liebe ist – ganz sicher aber weit mehr Liebe, als Samantha ihm zuteil werden lässt. Fragt sich nur, ob der Käfer-Trainer sie auch liebt? Er hat es zwar beim letzten Mal gesagt, als er betrunken in ihr Zimmer kam, aber das ist auch alles. Nüchtern bringt er solche Worte ihr gegenüber nicht zustande, weshalb sie nicht einschätzen kann, wie viel Wahrheit darin liegt. In jedem Fall tut es weh, sie zu hören, wenn er betrunken ist. Erst recht, da sie sonst das Gefühl hat, dass er sie nicht sonderlich gut leiden mag, weil sie immer wieder versucht ihn und seine Methoden in Frage zu stellen. Tief seufzt sie in sich hinein und schließt die Augen. Eine einzelne Träne rinnt ihre Wange hinab und fällt ungesehen auf das Bettlaken. Wie sehr wünscht sie sich doch manchmal, sie könnte sich von alldem lossagen und verschwinden. Doch, wo soll sie schon hin? Was soll sie machen, so ganz ohne Perspektive und dem schlechten Ruf, der ihr jetzt anhaftet? Tief in ihre Gedanken vergraben, versucht sie eine Lösung zu finden, als sie auf einmal Stimmen vor ihrer Tür wahrnimmt. „Nein! Das ist der falsche Weg! Nun komm endlich!“ Das war eindeutig Gladios Stimme. Doch, was treibt er so spät nachts hier? Es klingt aber so, als wäre er nicht allein. Fragend betrachtet Fran die Tür einen Moment und überlegt, ob sie aufstehen und nachsehen soll. Allerdings wird ihr diese Entscheidung schon kurz darauf abgenommen. Ruckartig öffnet sich die Tür und knallt dabei fast gegen die Wand. „Was soll der Scheiß, verdammt?“, blafft der Blonde weiterhin. Sein Begleiter scheint darauf keine Antwort zu haben, weigert sich aber vehement, sich von ihm woanders hinbringen zu lassen. Stattdessen taumelt Bromley gegen die Türzarge und grinst dümmlich vor sich hin. „Das würde ich auch gern wissen!“, wirft Fran schließlich ein und erlangt so die Aufmerksamkeit der beiden Jungs. Gladio schreckt überrascht zusammen und blickt zu ihr hinüber. Eine Sekunde später wendet er den Blick aber mit hoch rotem Kopf wieder ab. Die Pinkhaarige hat sich beim Ertönen der Stimmen vor der Tür, an den Rand ihres Bettes begeben und war schon im Begriff aufzustehen. Wie bei Bromley’s letztem, nächtlichen Besuch, trägt sie aber nur wieder Unterwäsche und das scheint Gladio mächtig aus der Fassung zu bringen. Der Käfer-Trainer stört sich daran gewohnheitsgemäß natürlich nicht, falls er es überhaupt richtig wahrnimmt. Stattdessen grinst er sie breit an. „Hey, Franny!“, flötet er und schwankt sichtlich in der Tür. „Da siehst du, was du angerichtet hast!“, grummelt Gladio ungehalten und versucht zu verschwinden, weil er damit nichts mehr zu tun haben will. Soll Fran doch sehen, wie sie ihn in sein Zimmer bekommt. Aber Bromley lässt ihn nicht gehen. Dafür klemmt er ihn zwischen sich und der Türzarge ein und kommt ihm damit absichtlich viel zu nahe. „Wohin so schnell, Kleiner?“, raunt er dem sichtlich überforderten Jungen zu. „Weg von dir!“, kommt auch prompt die Antwort und der Blonde versucht ihn von sich zu schieben. Es gelingt ihm jedoch nicht, stattdessen packt der Größere ihn am Kinn, sodass er ihn ansehen muss. „Warum so zickig?“, haucht er dem Blonden entgegen und sieht ihm tief und erstaunlich nachdrücklich in die Augen. Die Wangen des Jüngeren färben sie wieder tiefrot vor Scham. „Ist das nicht offensichtlich? Nimm deine dreckigen Hände von mir!“ Gladio versucht überlegen zu klingen, doch Fran kann ganz deutlich die aufkeimende Flucht in seiner Stimme hören. Sie fragt sich, was gerade im Kopf des Blonden vor sich geht; was er sich vorstellt, das Bromley als Nächstes tun könnte. Seinem erschrockenen Blick nach zu urteilen befürchtet er das Schlimmste, doch das würde der Weißhaarige ganz sicher nicht tun. Nicht, wenn er betrunken ist. Wenn er allerdings nicht er selbst ist, würde sie für nichts garantieren; hat sie doch die Geschichte des aufreibenden Starts der vier Rüpel mit Bromley damals gehört. „Du bist gemein...“, lässt Bromley beinahe traurig verlauten und lehnt sich dann gegen die andere Seite der Türzarge. Somit ist Gladio wieder frei und denkt nur noch daran das Weite zu suchen. „Na und? Such dir einen anderen, wenn du es so nötig hast!“, gibt er angewidert zurück, wirft Fran einen verärgerten Blick zu, da er wohl gehofft hatte, sie würde ihm helfen, und verschwindet dann endgültig. Bromley sieht ihm nach, wie ein Hund, der seinem Herrchen nicht folgen darf und gezwungen ist, allein zu bleiben. „Was hatter denn?“, fragt er Fran schließlich kaum noch verständlich. Diese seufzt tief. „Keine Ahnung. Er ist eben schwierig...“, meint sie knapp und zuckt gleichgültig mit den Schultern. 5 Nachdem Gladio abgezogen ist, kehrt wieder etwas mehr Ruhe in die Villa ein. Dennoch lässt es sich Fran nicht nehmen, dies auch zu überprüfen. Langsam steht sie auf, geht zu Bromley an die Tür und linst auf den Flur hinaus. Niemand ist zu sehen. „Was machsten da?“, fragt sie der Weißhaarige. „Pst!“, kommt es nachdrücklich von ihr und sie strengt sich an, etwas in dem großen Gebäude zu hören. Kindlich schlägt sich der Käfer-Trainer die Hände vor den Mund und versucht ein Kichern zu unterdrücken. Die Pinkhaarige braucht in diesem Moment ihre ganze Selbstbeherrschung, um ihrem Boss nicht eine reinzuhauen. Unbewusst erinnert er sie nämlich wieder an ihren kleinen Bruder. Nicht selten wollte dieser bei seiner Schwester übernachten, wenn er einen Alptraum hatte oder sich allein fühlte. Dann stand Fran auch immer in ihrer Zimmertür und hat versucht herauszufinden, ob ihre Eltern bemerkt haben, dass der Junge nicht mehr in seinem Zimmer ist. Dabei hat er sich auch immer versucht das Kichern zu verkneifen, da er es für etwas ganz Tolles hielt, ihre Eltern an der Nase herumzuführen, auch wenn Fran später raus fand, dass sie ganz genau Bescheid wussten und somit ihre Kinder die Angeschmierten waren. Allerdings versucht die junge Frau diese Gefühle und Erinnerungen vehement hinter sich zu lassen, was aber alles andere als einfach ist. Nach ein paar Augenblicken entscheidet sie sich dafür, dass die Rüpel das Ganze wahrscheinlich gar nicht mitbekommen haben oder es aber ignorieren. Seufzend schiebt sie Bromley schließlich ins Zimmer hinein und schließt die Tür. Wortlos geht sie dann zu ihrem Bett zurück und legt sich mit dem Gesicht zur Wand hinein, als wäre damit alles erledigt. Sie will nur noch schlafen und diesen beschissenen Tag vergessen. Es dauert aber nur wenige Augenblicke, dann senkt sich die Matratze neben ihr hinab und ein großer, warmer Körper schmiegt sich an sie. Die kräftigen Arme des Weißhaarigen schlingen sich um ihren Bauch und ziehen Fran noch etwas dichter zu sich. Hin und her gerissen zwischen ihren Gefühlen lässt sie ihn einfach gewähren, auch, wenn sie das überhaupt nicht will. Sie will nur allein sein und niemanden sehen, am allerwenigsten Bromley. Doch sie weiß sehr gut, dass ihr das nicht gelingen wird – zumindest nicht, ohne die ganze Villa aufzuwecken und wohlmöglich einen Riesenstreit anzuzetteln, den sie noch weit weniger haben will, als den jungen Mann neben sich. Also verharrt sie einfach still und genießt die seltsam beruhigende Wärme, die von ihm ausgeht. „Wa‘ echt große Scheiße heut‘, nich‘?“, kommt es plötzlich von Bromley. In der eingetretenen Stille wirkt seine Stimme viel zu laut und sie kann deutlich den Alkohol in seinem Atem riechen. „Ja, sehr große Scheiße und du stinkst wie ein ganzer Schnapsladen!“, gibt sie angesäuert zurück. Der Ältere kichert wieder dümmlich vor sich hin, als hätte Fran einen Witz gemacht. Dann nimmt er jedoch den Kopf von ihrer Schulter und drückt sein Gesicht stattdessen in ihren Nacken, wühlt sich regelrecht in ihre langen Haare hinein. Er kichert wieder und auch Fran beginnt leicht zu grinsen, kitzelt er sie doch unabsichtlich am Hals. Einen Moment später scheint er eine gute Position gefunden zu haben und liegt wieder still, sodass ihr das Lächeln wieder vergeht. Kurz herrscht Schweigen und sie denkt schon, er sei nun eingeschlafen. „Die blöde Hexe wird sicher sauer sein...“, meldet sich der Käfer-Trainer dann wieder zu Wort. Obwohl Bromley Samantha noch nie so bezeichnet hat, weiß Frau sofort, wen er damit meint. Innerlich freut sie sich darüber, dass er so abfällig von ihr spricht, äußerlich regt sich jedoch nichts, da sie weiß, dass er schon bald wieder zu ihr gekrochen kommt, wie ein Schoßhündchen und sie um Vergebung für seinen Fehlschlag anbetteln wird. Ganz sicher wird sie ihm auch verzeihen und ihn anschließend in ihr Bett locken, damit er sich in Sicherheit gewiegt fühlt und ihr auch weiterhin brav hinterher schwänzelt. Voller Tatendrang zu ihr gelaufen kommt, sobald sie mit den Fingern schnipst. Dann ist wieder alles vergessen, was er Fran gesagt hat und wie schön es vielleicht auch für ihn war, neben ihr zu liegen, sie in den Armen zu halten, als gäbe es nur sie, sie allein und seine Worte entsprächen der Wahrheit. Oh, wie gern würde sie glauben, dass seine Worte wahr wären. Doch das kann sie sich nicht eingestehen, nicht, solange es Samantha gibt. „Vermutlich...“, entgegnet sie ihm daher trocken. Er lässt erneut sein dümmliches Kichern hören und schweigt dann wieder. Fran glaubt aber nicht, dass es diesmal halten wird und sie behält auch recht damit. „Sie wird mir bestimmt ganz schlimm den Hintern versohlen!“, gibt er einen Moment später ausgelassen lachend von sich. Die Pinkhaarige kann jedoch etwas Anrüchiges in seinen Worten hören, ganz so, als würde ihn der Gedanke erregen, von der herrischen Blondine den Hintern versohlt zu bekommen. Fran weiß nicht, wieso, aber sie würde es ihm zutrauen. Schon allein bei der Vorstellung läuft ihr aber ein eisiger Schauer den Rücken hinab. „Wahrscheinlich...“, gibt sie schließlich zurück, nachdem sie sich wieder etwas gefangen hat. Das bringt ihn nur wieder zum Kichern. Das folgende Schweigen dauert so lange, dass die Gift-Trainerin schon die Hoffnung hat, dass Bromley nun wirklich eingeschlafen ist. Doch sie wird enttäuscht. „Ich lieb‘ dich, Fran...!“, haucht er ihr entgegen. In seiner Stimme ist kein Kichern mehr zu hören, auch nicht die Anrüchigkeiten von eben. Stattdessen klingt sie vollkommen ernst und sanft. So sanft, dass sie einen Moment sogar zweifelt, dass die Worte wirklich von dem aufbrausenden, jungen Mann hinter ihr stammen. Es schockiert sie fast, wie schnell seine Stimmung umgeschlagen zu seien scheint, sodass sie ihm nichts erwidern kann. Das scheint ihn aber nicht zu stören. Dafür zieht er sie noch fester in seine Arme und schmiegt sich enger an sie. „Ich lieb‘ dich so sehr, Fran...“, wiederholt er noch einmal und drückt ihr seinen zarten Kuss auf die nackte Schulter. Ungewollt erzittert sie unter dieser unerwarteten Berührung und spürt, wie augenblicklich Tränen in ihr aussteigen. Fran ist heilfroh, dass sie mit dem Gesicht zur Wand liegt. „Sei – sei einfach still und halt mich fest, du Trottel!“, platzt es schließlich etwas ungehalten aus ihr heraus und sie schluckt ihre Tränen schmerzhaft herunter. „Is‘ gut...“, meint Bromley entschuldigend und kurz darauf merkt sie, dass er nun endlich eingeschlafen ist. Ihr selbst bleibt die Ruhe noch eine ganze Weile verwehrt, doch irgendwann gewinnt die Erschöpfung. 6 Würde man in Po’u die Sonne sehen können, so würde sie jetzt schon hoch am Himmel stehen, doch in der Villa herrscht immer noch Stille. Die meisten Rüpel sind zwar schon wach, doch da sie Bromley nicht in seinem Zimmer antreffen können und er auch sonst nirgends zu sehen ist, ergeben sie sich noch ein wenig der gestrigen Niederlage und schmollen vor sich hin. Keiner von ihnen wagt es, in Frans Zimmer zu gehen, ehe die junge Frau sich nicht selbst bei ihnen meldet. So sehen sie auch nicht, dass ihr vermisster Boss bei ihr ist. Die zwei schlafen noch immer dicht an dicht und wirken dabei wie das Liebespaar, das sie niemals waren und auch nie sein werden. Bromley liegt mittlerweile allerdings auf dem Rücken. Die Decke hat er von sich gestrampelt und sein linker Arm liegt unter seinem Kopf verborgen. Den rechten Arm hat er um Frans Schulter gelegt, die mit dem Oberkörper auf seiner Brust ruht. Die Decke liegt nur auf ihren Schenkeln, weshalb die Kälte nun doch langsam in sie hineinkriecht. Noch halb schlafend tastet sie danach und merkt dabei, dass jemand neben ihr liegt. Etwas überfragt öffnet sie die Augen und bemerkt, dass es sich dabei um den Weißhaarigen handelt. Bei seinem ersten, nächtlichen Besuch hatte sie sich dadurch doch ziemlich erschreckt. Jetzt jedoch fällt ihr viel schneller wieder ein, was gewesen ist und es kümmert sie weit weniger. Naja, abgesehen von der Tatsache, dass er ihr abermals gesagt hat, dass er sie liebt. Das nagt doch ziemlich an ihr. Mit einem Seufzen stemmt sie sich etwas hoch, angelt nach der Decke und schmiegt sich dann wieder an ihn. Wie automatisch schließt er sie erneut fest in den Arm und gibt ihr damit ein ungewohnt gutes Gefühl. Eine Weile sieht sie ihn einfach nur schweigend an und versteht beim besten Willen nicht, warum sie sich nicht einfach umdreht und ihn ignoriert. Ist es mit ihren Gefühlen wirklich schon so weit gekommen? Wirklich wahrhaben will sie das nicht, aber irgendwie ist es einfach schön, so da zu liegen und eine Geborgenheit zu spüren, die sie dachte, mit dem Tod ihres Bruders verloren zu haben. Beim Gedanken daran sammeln sich neue Tränen hinter ihren Augen, doch ehe sie an die Oberfläche treten, regt sich der Größere unter ihr. Er gibt ein belegtes Schmatzen von sich, gefolgt von einem schmerzlichen Stöhnen. Die Hand, die unter seinem Kopf lag, kommt nun hervor und beginnt damit seine pochende Schläfe zu massieren, während er nahezu vergeblich versucht, die Augen zu öffnen. Mit einer Mischung aus Mitleid, Schadenfreude und Kummer betrachtet die junge Frau das Ganze. Deutlich kann sie seinen Herzschlag pochen hören, der etwas seltsam Beruhigendes auf sie hat. Bromley gähnt ausgiebig, rügt sich aber mit einem schmerzlichen Knurren selbst dafür. Diesmal scheinen seine Kopfschmerzen weit schlimmer zu sein, als beim letzten Mal. Endlich gelingt es ihm halbwegs seine Augen zu öffnen, doch es dauert noch eine ganze Weile, ehe er überhaupt etwas von seiner Umgebung wahrnimmt. Das ändert sich aber, als Fran sich unbewusst etwas bewegt. Ein Ruck geht durch den Käfer-Trainer und er blickt mühevoll an sich herab. „Fran...?“, fragt er irritiert. „Ja?“, erwidert sie ihm und setzt sich nun doch hin. Verständnislos starrt er sie an. „Was machste denn in mei’m Bett?“, will er von ihr wissen. Sie greift nach der Decke, um sich ihm nicht gleich in ihrer Unterwäsche zu präsentieren. „Falls du es nicht bemerkt hast, das ist mein Bett und folglich auch mein Zimmer. Von daher fände ich es überaus erbaulich, wenn du jetzt gehen könntest.“, erläutert sie ihm etwas verstimmt. Bromley hebt nur verwundert eine Augenbraue, sieht sich kurz um und bleibt dann einfach liegen. Er wirkt nachdenklich und sie erinnert sich, dass er bei seinem letzten Besuch sehr in Sorge war ihr wehgetan zu haben, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, was er in ihrem Bett zu suchen hatte. Nun allerdings wirkt er nicht sonderlich sorgenvoll, eher verstimmt, fast schon verärgert. „So ‘ne Scheiße!“, gibt er schließlich von sich und setzt sich ungelenk auf. „Was ist?“, fragt Fran. Er blickt sie an und mustert sie regelrecht. „Dieser verfluchte Bengel! – Sag ma‘, haste etwa nichts an?“, verflüchtigt sich seine anfängliche Wut. „Das geht dich ja wohl überhaupt nichts an!“, fährt sie ihn an. „Ach nee? Und warum holste mich dann in dein Bett, wenn’s mich nichts angeht?“ Fran entgleiten sämtliche Gesichtszüge. „Ich? Du bist doch stockbesoffen in mein Zimmer gekommen und hast dich ohne zu fragen in mein Bett gelegt!“, kontert sie wütend. „Erzähl doch kein‘ Schweiß! Warum sollte ich ‘n so was mach’n, wenn sich’s nich‘ lohnt?“, kommt es hochtrabend von ihm. Frans Empörung nimmt noch deutlich zu. „Was weiß ich denn! Und jetzt verschwinde, bevor ich mich vergesse!“ „Nu zick hier ma‘ nich‘ so rum, ja?“ „Ich zicke so viel ich will und jetzt verschwinde endlich! Geh doch zu deiner heißgeliebten Samantha, wenn dir meine Gegenwahrt so sehr gegen den Strich geht!“, schreit sie ihn nun an. Verärgert verzieht er das Gesicht, doch in seinen Augen liegt etwas, dass unbemerkt seine wahren Gefühle zum Ausdruck bringt. Und er scheint tief getroffen von ihnen Anschuldigungen zu sein, jedoch zu stolz, um es auszusprechen. Ruckartig steigt er aus dem Bett. „Das geht dich ‘n Scheißdreck an, was ich mach‘ und was nich‘, also misch‘ dich nich‘ ein, klar!“, giftet er sie auf dem Weg zur Tür an. „Es interessiert mich auch nicht! Aber, dann komm nicht zu mir und heul dich die halbe Nacht aus, du Arschloch!“, kontert sie. „Bild‘ dir bloß nichts drauf ein, elende Zicke!“, knurrt er ihr zu. Kurz darauf schlägt die Tür lautstark hinter ihm ins Schloss. Minutenlang sieht Fran sie an und weiß weder, was sie denken noch, was sie fühlen soll. Mit diesem Kerl kann man gar keine Beziehung führen, selbst, wenn sie es wollte. Kein Wunder also, dass dieser dämlich Kukui ihn auf die Straße gesetzt hat! Schmollend vergräbt sie sich letztendlich wieder in ihrem Bett und versucht sich selbst daran zu hindern, diesem Trottel auch noch nachzuweinen. Ausnahmsweise gelingt es ihr sogar, dennoch fühlt sie sich schrecklich und hofft, dass es ihm ebenso ergeht. 7 Am Nachmittag regnet es wie fast immer in einer Tour, doch das scheint die Mitglieder von Team Skull nicht zu stören, genauso wenig wie die gestrige, erneute Niederlage gegen diesen Bengel Sun. Stattdessen nutzen sie den schwülwarmen Tag und gehen trotz des stetigen Regens im Pool schwimmen. Es wirkt wie eine völlig spontane und verrückte Idee, da sie ihre Klamotten unter der kleinen Überdachung neben dem Pool achtlos hingeworfen haben. Dennoch scheint ein Plan dahinter zu stecken, da dort auch stapelweise Handtücher liegen, Shampooflaschen und Seife. Lautstark und ausgelassen toben die Jungs und Mädels im erfrischenden Wasser. Die Niederlage, die sie gestern einstecken mussten, scheint in diesem Moment gar nicht zu existieren, der stundelange Trübsal deswegen auch nicht. Es wirkt eher, als würden sie etwas feiern. Das wird noch durch die Tatsache unterstrichen, dass auch Bromley bei der wilden Planscherei mitmischt, anstatt sich seinem höllischen Kater der letzten Nacht zu ergeben. Einzig und allein Fran streift ziellos durch die ausgestorbene Villa und wundert sich über die Stille in dem sonst so vorherrschenden Lärm. Schließlich bemerkt sie, dass die Seitentür offen steht und von dort hört sie auch überschwänglich ihre gesuchten Kollegen. ‚Was für einen Unsinn treiben diese Spinner jetzt schon wieder? Ich dachte, sie wären immer noch mit Schmollen beschäftigt...‘, geht es ihr durch den Kopf, während sie sich der offenen Tür nähert. Als ihr Blick schließlich nach draußen fällt, traut sie ihren Augen kaum. Die ganze Bande von Spinnern, einschließlich dem ach so genialen Oberspinner höchstpersönlich, tobt durch den Pool wie ein paar Vorschüler und das mitten im strömenden Regen! Innerlich schlägt sie sich mit der Hand vor die Stirn. Seit sie hier ist, hat sie dieses Schauspiel schon ein paar Mal beobachtet, doch dabei hat es zumindest nie geregnet. Sie wirken so ausgelassen und fröhlich, dass man sich kaum vorstellen kann, dass der Großteil von ihnen gestern zum wiederholten Male von einem Kind fertiggemacht wurde. Oder ist das etwa so eine Art Verdrängungsmechanismus? Bromley wäre das auf jeden Fall zu zutrauen mit seinem überschwänglichen Ego und seinem lädierten Gehirn. Eigentlich sollte sie auch ganz froh darüber sein, dass sie alle wieder gute Laune zu haben scheinen und zudem alle einmal ein ‚Bad‘ nehmen. Schließlich nehmen es insbesondere die Jungs nicht so genau mit der Hygiene und teilweise riechen sie wie ein Haufen brunftiger Frettchen in der Mittagssonne, aber das ist doch nun wirklich etwas absurd. Bei dem Regen werden sie sich alle noch erkälten. Dass könnte ihr ja auch egal sein, doch die große Schwester in ihr sieht das ganz anders, erst recht, wenn sie dann alle wie die kleinen Kinder unentwegt jammern und eine Show abziehen, als würden sie den sterbenden Schwan versuchen zu inszenieren, bloß, weil sie eine Erkältung haben. Von daher tritt sie hinaus an den Rand des Pools. Im Augenwinkel sieht sie einen Schatten am Boden vorbei huschen. Sekunden später hockt Lady auf der obersten Sprosse der Badeleiter und wedelt fröhlich mit dem flachen Schwänzchen, während Bromley zu ihr hinüberschwimmt. Frans Erscheinen bleibt aber nicht unbemerkt. Ausgelassen jubelnd begrüßt sie ein ungleicher Chor aus Rüpeln. „Hey Sis!“, grölen sie begeistert und wirken dabei, als hätten sie sonst was für Pillen geschluckt. Nun bemerkt auch Bromley, dass sie da ist. „Franny!“, flötet er ihr zu – völlig vergessen scheint ihr Streit von vorhin – und lehnt sich dabei lässig an die Badeleiter. Mit all den Rüpeln um sich herum, mag sie diesen Spitznamen so gar nicht, aber der Weißhaarige sieht es zu gern, wenn sie sich darüber ärgert. Doch sie schweigt. Der Anblick dieser planschenden Möchtegerne ist einfach zu faszinierend und die letzte Nacht zu aufreibend gewesen. Um sich etwas davon abzulenken, besieht sie sich die verrückte Bande. Mädchen wie Jungs tragen nur noch ihre Unterwäsche. Ein seltener Anblick, sie alle demaskiert zu sehen. Auf einmal wirken sie alle so unschuldig, fast kindlich. Selbst der ach so selbstgerechte Anführer wirkt verletzlich, ohne seine dunklen Sachen, die schwere Goldkette, die verrückte Sonnenbrille und die protzige Uhr. Die nassen Strähnen, die ihm ins Gesicht fallen, lassen ihn trotz der gebleichten Haare-, die ihn irgendwie immer älter wirken lassen, als er eigentlich ist,- um Jahre jünger aussehen und sie kann sich gut vorstellen, wie er wohl als Kind ausgesehen haben muss. Ein absolutes Gegenteil zu seinen sonst so zerzausten Haaren, die ihn immer wirken lassen, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen. Bemüht blendet sie das Ganze aus, denn irgendwie macht sein Anblick sie ganz wuschig. „Was treibt ihr denn hier mitten im Regen? Wollt ihr alle eine Lungenentzündung bekommen?“, blafft sie die anderen stattdessen streng an. Doch die Rüpel denken gar nicht daran, ihr Spielchen zu beenden oder, auch nur schuldbewusst zu wirken. „Siehste doch, wa‘ geh‘n schwimm‘.“, erwidert ihr der Käfer-Trainer. „So ein Blödsinn! Macht, dass ihr da rauskommt!“, entgegnet Fran säuerlich. Sie versucht es zwar inzwischen zu vermeiden, ihm etwas vorschreiben zu wollen, erst recht nach diesem Streit, aber manchmal lässt er ihr einfach keine andere Wahl, auch wenn das dann zumeist in einem erneuten Streit endet. Doch im Moment scheint das seiner guten Laune keinen Abbruch zu tun. Herausfordernd grinst Bromley sie an und lässt Reißlaus auf seine Schulter krabbeln. „Sicher nich‘! Aber komm doch zu uns rein. Das Wasser is‘ voll toll!“ „Ich bin doch nicht verrückt und habe auch keine Lust, krank zu werden.“, gibt sie zurück und verschränkt verärgert die Arme vor der Brust. Ihr Protest wirkt etwas sinnfrei in Anbetracht der Tatsache, dass sie eh im strömenden Regen steht und mittlerweile ziemlich durchnässt ist. „Was haste denn für’n Problem? Sei doch nich‘ immer so negativ!“ Bromley´s Blick wirkt so klar, wie schon lange nicht mehr, was ihr erst recht ein ungutes Gefühl verschafft. „Ich habe kein Problem…“, setzt sie an. „Yo, Sis! Haste Angst vor ‘n bisschen Spaß?“, fragt Matt sie kichernd. „Nein, das ist nur nicht witzig!“, versucht sie sich zu verteidigen. Bromley grinst erneut und tuschelt etwas mit Lady auf seiner Schulter. „Das aber schon!“, sagt er schließlich und nur eine Sekunde später sprüht ihr das Käfer-Pokémon Wasser ins Gesicht. Sie versucht noch auszuweichen, doch es ist zu spät. Schlagartig fangen alle Anwesenden an zu lachen. Das war‘s! Frans Geduld ist endgültig am Ende. Dafür ist seltsamerweise aber ihr Spieltrieb geweckt. „Du bist so was von fällig, Bromley!“, wirft sie ihrem Boss entgegen, der sie nur weiterhin frech angrinst. „Na, dann zeig ma‘ waste kannst!“, fordert er sie heraus. Es dauert nur ein paar Augenblicke, dann hat sie sich ihrer Sachen entledigt und springt direkt vor dem Weißhaarigen ins Wasser. Zwischen den beiden obersten Mitgliedern des eigentlich so gefürchteten Team Skull entbrennt eine wilde Wasserschlacht, die auch die anderen wieder zum ausgelassenen Toben animiert. Vergessen ist alles, was vorher gewesen ist und so sehr an ihr nagte. 8 Unbemerkt dessen hat sich Gladio inzwischen Zugang zum Skull-Dorf verschafft, da er ja eigentlich noch ernsthaft mit seinem inoffiziellen Boss reden wollte. Überrascht geht er hinter einer Palme in Deckung und starrt auf das seltsame Treiben im Pool. Er kann kaum glauben, dass es sich hierbei um die sonst so selbstgerechten Gauner handelt, die er schon mehrfach in Aktion gesehen hat und die für gewöhnlich nichts Besseres zu tun haben, als ihn und alle anderen zu Piesacken. Und er begreift noch weniger, wie sie nach dem gestrigen Kampf gegen Sun nun so ausgelassen sein können. Erst recht Bromley, den er gestern Nacht immerhin eigenhändig wieder hierherbringen musste, nachdem er so betrunken vor Yasus Tür randaliert hat. Der Pool wirkt, als hätte man einen Haufen lebender Hummer in kochendes Wasser geworfen und könnte jetzt ihrem verzweifelten Kampf beiwohnen, nicht als Delikatesse zu enden. Es wird gespritzt, gequietscht, geschubst und untergetaucht. Irgendwann geht aber allen die Puste aus und sie atmen einen Moment am Beckenrand durch. Nach einer Weile erhebt Bromley jedoch wieder die Stimme. „So, Ende im Gelände!“, lässt er verlauten und schon kommt wieder Bewegung in die Truppe. Nur Fran weiß damit nichts anzufangen. Überrascht sieht sie mit an, wie sich alle Mitglieder hintereinander zu einer langen Kette aufreihen und schließlich damit beginnen, ihrem Vordermann die Haare zu waschen. Noch während sie dieses groteske Bild versucht in den Kopf zu bekommen, spürt sie jemanden hinter sich. Als sie den Kopf dreht, erblickt sie Bromley, der sich in diesem Augenblick überdeutlich gegen sie drückt. „Nich‘ erschrecken…“, teilt er ihr überflüssigerweise mit und fängt dann an, an ihrem Haarschmuck herum zu fummeln. „Was tust du?“, fragt sie etwas überfordert und versucht ihm auszuweichen. Dann sieht sie Lady mit einer Flasche Shampoo heranschwimmen. Der Käfer-Trainer nimmt sie dankend entgegen und spritzt einen großen Klecks davon auf Frans Kopf, noch während er mit der anderen Hand ihre Zöpfe zu lockern versucht. „Siehste doch.“, sagt er schließlich und legt den Schmuck auf dem gefliesten Rand des Pools ab. Auch in Gladios Augen wirkt das Treiben mehr als verstörend und er entschließt sich, den Rückzug anzutreten, ehe das Ganze wohlmöglich noch mehr ausartet. Es wird sich sicher eine andere Gelegenheit finden, um mit Bromley zu reden oder, vielleicht wäre es doch besser, sich ganz von ihnen fernzuhalten, ohne ein Wort zu sagen? Je länger er mit ihnen zusammenarbeitet,- wenn man das denn so nennen mag-, bekommt er immer mehr das Gefühl, dass es mehr als falsch ist und er versteht auch nicht mehr, wie er sich dazu überhaupt überreden lassen konnte. Kopfschüttelnd durchquert er das schwere Tor, das Po‘u förmlich vom Rest der Welt trennt und verschwindet, nicht ohne zu registrieren, dass Yasu seinen Abgang beobachtet. Der Gesichtsausdruck des Alten ist wie immer eine Art gruselige Maske der Gleichgültigkeit. Doch, wie er da so sitzt, auf einem Stuhl auf der Schwelle der ehemaligen Polizeistation, mit einem seiner Mauzis auf dem Schoß, bedächtig durch dessen graues Fell streichend und mit seinen müden Augen hinter ihm her starrend, wirkt er wie ein Gauner aus einem alten Agentenfilm. Gladio läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck wendet er den Blick von dem Inselkönig ab, schlägt seinen Kragen höher und trollt sich schnellen Schrittes zurück nach Malihe City – wie er hofft, zurück in ein Stück Normalität. 9 Der Weilen bewegt sich die Schlange aus Rüpeln, sodass Sonja vor Fran auftaucht und ihr eine Flasche Shampoo reicht. Auch hinter Bromley gesellt sich jemand dazu und schließt so den Kreis. Noch etwas überfordert beginnt Fran damit, die Haare des Mädchens vor sich zu entwirren, während der sonst so grobschlächtige Boss überraschend sanft dasselbe bei ihr macht. „Was für ein Kindergarten…“, kommentiert die Jüngere das Ganze. „Gar nich‘, das is‘ Teamwork!“, entgegnet der Käfer-Trainer belustigt. Manchmal fragt sich Fran, ob es auch etwas gibt, dass er nicht als Teamwork bezeichnen würde. Aber egal, wie sie es auch dreht und wendet, alle scheinen Gefallen daran zu finden. So wild und angeberisch, wie sie die meiste Zeit über versuchen rüber zu kommen, so verspielt können sie in solch seltenen Momenten sein. Wie ihr Rose ganz am Anfang mal sagte, haben sie alle eine ziemlich bescheidene Vergangenheit, von traumatischen Kindheitserlebnissen ganz zu schweigen. Da ist so ein Blödsinn vielleicht wirklich genau das Richtige, um abschalten zu können und sich etwas von dem entgangenen Spaß zurückzuholen? Oder aber einfach um alles zu verdrängen. Dennoch gibt sie Bromley nur ein Schnauben als Antwort. Dieser lässt nach getaner Arbeit jedoch seine Hände zu ihren Schultern wandern und beginnt sie überraschend sanft zu massieren. Dabei beugt er sich an ihr Ohr heran und sie kann seinen warmen Atem auf der Haut spüren. Ein Schauer gleitet ihren Rücken hinab, doch es hat etwas seltsam Angenehmes. „Und? Wie is‘ es jetz‘?“, haucht er ihr in einer rauen, aber seltsam erotischen Tonlage entgegen. Überrascht zuckt sie leicht zusammen. Diesmal äffen die Rüpel nicht nach, was ihr Boss vormacht, was ihr wieder ein ungutes Gefühl verschafft. Dann jedoch gibt sie ein wohliges Seufzen von sich und lässt sich die Behandlung des sonst so skrupellos wirkenden, jungen Mannes gefallen. In solchen Momenten stellt sie sich gern vor, dass er völlig normal ist, doch das ist niemand hier. Nicht einmal sie selbst. Ihre Gefühle für den schwer einzuschätzenden Weißhaarigen gleichen einer Achterbahnfahrt. Ein stetiges, unkontrollierbares Auf und Ab der Sympathie, ganz im Einklang mit seinem schwankenden Gemütszustand und seiner geistigen Kontrolle. Doch dieser kurze Moment der Zärtlichkeit ist wahrscheinlich das Höchste, was sie erwarten kann, wenn er nicht betrunken ist… Nur zu leicht fällt ihr wieder ein, dass er sich nach seiner gestrigen Niederlage besoffen hat und dann des nachts in ihr Zimmer kam oder, vielmehr von Gladio gebracht wurde, wenn auch nicht absichtlich. Diesmal hat er zwar nicht so viel wirres Zeug geredet, da er schneller eingeschlafen ist, als beim letzten Mal, aber er hat ihr erneut gesagt, dass er sie liebt. Manchmal würde sie ihm das gern glauben, wenn da nicht sein Verhältnis mit Samantha wäre, das sie fast in den Wahnsinn treibt. Und die Tatsache, dass er diese drei Worte scheinbar nur sagen kann, wenn er einen im Tee hat. Dieses Weibsstück raubt ihm auch noch das letzte bisschen seines ohnehin schon lädierten Verstands. Sie ist ihr zwar erst einmal begegnet, doch sie glaubt nicht, dass diese eingebildete Blondine auch nur einen Funken Gefühl für Bromley übrig hat. Wahrscheinlich benutzt sie ihn nur für irgendwelches krankes Zeug, aber er ist zu blind, zu sehr neben sich, um es zu bemerken und, wenn man ihn darauf anspricht, weicht er nur aus oder beschimpft einen als Lügner. Ganz so, wie es vorhin bei ihrem Streit ausgeartet ist. Doch Fran will und kann sich nicht einmischen, sie weiß einfach nicht, wie sie an ihn herankommen soll ohne, dass es einen Riesenkrach gibt, der alles nur noch schlimmer macht und ihn noch mehr in die Arme dieser Verrückten treibt. Stattdessen genießt sie jetzt lieber diesen Moment und hofft, dass ihr etwas einfallen wird, um diese Harpyie von ihm fernzuhalten, bevor sie ihn noch völlig zerstört. Oder ihm zumindest die Augen zu öffnen kann, damit er es selbst erkennt und sich von ihr trennt. Seufzend denkt sie nach, als sie wieder seine Stimme an ihrem Ohr vernimmt. „Sorry, wegen vorhin...“, haucht er ihr warm entgegen und massiert sie weiter. Überrascht weiten sich die Augen der Gift-Trainerin. „Was?“, fragt sie überfordert, ist sie sich doch nicht ganz sicher, ob sie ihn da richtig verstanden hat. „Ich mein‘ unsren Streit vorhin. – Das wa‘ blöd...“, entgegnet er ihr betroffen. Sie ist überrascht, dass er sich daran überhaupt noch erinnert und, dass er sich bei ihr entschuldigt, kam bisher noch nie vor. Bedeutet das vielleicht, dass sich seine betrunkenen Gefühle nun langsam an die Oberfläche kämpfen oder ist er aus anderen Gründen reumütig? Sie kann es nicht sagen, aber sie freut sich doch sehr darüber, dass er sich wenigstens entschuldigen kann. Ein sanftes Lächeln umspielt ihre Lippen für einen Moment. „Ja, das war es. Ist aber nur halb so schlimm und zudem war es mindestens genauso viel meine Schuld.“, erwidert sie ehrlich. Dann schließt sie die Augen und lässt sich weiterhin von ihm massieren, bis es doch allmählich zu kalt wird und alle sauber sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)