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Crazy like a skull

Das Paradies hat einen Haken
von

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Business relationship…?


 

1
 

Als sie gemeinsam dieses riesige, hell erleuchtete, fast völlig weiße Gebäude auf der künstlichen Insel betreten, fühlt sich Bromley schlagartig fehl am Platz, was zum großen Teil daher rührt, dass er noch immer zerfetzte Sachen trägt, von oben bis unten mit Dreck beschmiert ist und vermutlich riecht wie etwas, das gerade in der Sonne verfault, was auch der Regenguss nicht wirklich besser machen konnte. Das alles scheint Samantha jedoch nicht zu stören. Leichtfüßig schreitet sie vom Anlegesteg in Richtung einer dreieckigen Plattform im Boden, die wohl so etwas wie ein Fahrstuhl sein soll. Um sie herum wuseln allerhand geschäftige Leute in ebenso weißen Klamotten, die den jungen Trainer an einen Haufen Ärzte oder Wissenschaftler erinnern. Schmerzlich wird ihm bewusst, dass Manuel ganz ähnlich aussah, wenn er seinen Kittel trug und ihn das immer halb um den Verstand gebracht hat vor Erregung; er jetzt aber nichts weiter als Wut und Schmerz empfindet, wenn er an den Brünetten zurückdenkt. Schwerlich schluckt er den dicken Klos herunter, der sich in seinem Hals gebildet hat und setzt sich langsam wieder in Bewegung, um ihr zu folgen.
 

Systematisch versucht er dabei die teils irritierten, teils angewiderten Blicke dieser weiß gekleideten Leute zu ignorieren. Dennoch kommt er sich schrecklich auf dem Präsentierteller vor. Mit einem warnenden Brummen senkt er den Blick zu Boden; verbirgt sein Gesicht so gut es geht hinter seinen strähnigen, langen Haaren und zieht die Schultern hoch, um sich versucht lässig vor ihren Blicken abzuschirmen. Es klappt sogar ganz gut, auch, wenn er ihr Tuscheln dennoch hören kann, indem eindeutig ihr Missfallen über seine Anwesenheit hier und sein schäbiges Äußeres liegt. Doch damit kann er leben; er gehört nicht dazu und will es auch gar nicht, von daher stört es ihn nicht wirklich.
 

„Du liebe Güte! Wer hat denn diesen dreckigen, stinkenden Lumpen hier reingelassen? Das ist ja wirklich eine unerhörte Beleidigung!“, pikiert sich auf einmal jemand lautstark hinter ihm. Die männliche Stimme hat etwas so dermaßen Hochtrabendes und Herabwürdigendes an sich, dass es Bromley wirklich schwerfällt, sich nicht herumzudrehen. Versucht ruhig geht er einfach weiter, doch der Kerl scheint es geradezu darauf anzulegen.
 

„Bleib sofort stehen, du zu tiefst widerlicher Schmutzfink! Als hochangesehener Regionalleiter der Æther-Foundation befehle ich dir augenblicklich stehen zu bleiben!“ Genervt beginnt Bromley tief in der Kehle zu knurren – gleich einem Wolf, der einem jeden Augenblick mit gebleckten Zähnen ins Gesicht springt. Dennoch bleibt er stehen und dreht sich langsam herum, um festzustellen, was für ein Arschloch ihn da so blöd von der Seite anmacht. Sein Blick fällt auf einen schlanken, hochgewachsenen Blonden mit Kinnbart und einer seltsam grün verglasten Brille auf der Nase, die ihn wie das hässlichste Insekt aller Zeiten aussehen lässt. Seine weißen Sachen runden das Ganze noch mehr ab und lassen ihn wie eine groteske Mischung aus Gottesanbeterin und geisteskrankem Wissenschaftler wirken. Seine ganze Körperhaltung drückt seine tiefe Abneigung aus, sprüht aber gleichzeitig vor ungebrochenem Stolz und Überheblichkeit, sodass Bromley es nicht einmal in Worte fassen kann. Mit ausladenden Schritten kommt der Blonde heranstolziert, als wäre er der große Star einer Show, die ihres Gleichen sucht. Entweder,- so geht es dem jungen Trainer unweigerlich durch den Kopf-, ist dieser Typ der Inbegriff einer Tunte oder ihm sind bei der Geburt die Eier flöten gegangen und er bildet jetzt das fehlenden Bindeglied zwischen Mann und Frau.
 

Doch er hat nicht mehr die Zeit, sich für eins davon zu entscheiden, da steht der Typ auch schon vor ihm. Der blonde Mann setzt ein pikiertes, beinahe schmollendes Gesicht auf und zupft an seinem Bart herum, während er Bromley mit so tiefem Ekel betrachtet, das er schon greifbar scheint. „Ist dir eigentlich klar, was für einen abstoßenden Anblick du abgibst, junger Mann?“, fragt er im Tonfall einer genervten Lehrerin, die einen zurückgebliebenen Schüler zu tadeln versucht. „Nee! Aber vielleicht is‘ dir ja klar, was für ‘ne beschissen gestriegelte Tunte du bist?“, erwidert Bromley herausfordernd und starrt auf den kleineren Mann herab. Dessen Gesichtsausdruck nimmt noch an Pikiertheit und Abneigung zu, falls das überhaupt noch irgendwie möglich ist, und er stemmt wütend die Hände in die Hüften. „Was fällt dir eigentlich ein, Bürschchen? Du weißt wohl nicht, wer hier vor dir steht, sonst würdest du nicht so ein freches Mundwerk haben!“ „Selbst, wenn ich wüsst‘, wer du bist, wär’s mir scheißegal, also…“, Bromley kann seinen Satz nicht beenden, da schallt Samanthas Stimme vom Fahrstuhl herüber. „Fabian, lass ihn in Frieden, ja? Er gehört zu mir! Bromley-Schätzchen, sei so gut und komm her, wir haben noch viel zu tun!“
 

Der Regionalleiter gibt ein helles Kichern von sich. „Na los, sei ein braves Schoßhündchen und lauf schon!“, amüsiert er sich, als der Käfer-Trainer zu ihr gehen will. Ruckartig bleibt der Langhaarige stehen und dreht sich erneut zu ihm um. „Wie wa‘ das, du abgefuckte Saubohne?“, knurrt er warnend. Für einen Augenblick verzeiht Fabian beleidigt das Gesicht, dann grinst er wieder überlegen. „Du hast mich schon verstanden. Also mach brav Männchen, wenn die Präsidentin pfeift!“, erwidert er kichernd hinter vorgehaltener Hand. Das reicht nun aber wirklich! Sich von diesem Lackaffen beleidigen zu lassen, ist ja eine Sache, aber solche Behauptungen in den Raum zu stellen, langt nun endgültig! Ehe einer der umstehenden Mitarbeiter reagieren kann, packt Bromley Fabian grob am Kragen und rammt ihn so heftig gegen einen Stapel großer Holzkisten, die hier überall am Anlegesteg verteilt stehen, dass dieser für mehrere Momente nur noch Sterne sieht.
 

Drohend holt der Langhaarige mit der Faust aus. Für den Bruchteil einer Sekunde steht dem Blonden noch seine Überheblichkeit ins Gesicht geschrieben, dann wird ihm jedoch klar, dass all seine Untergebenen nur rumstehen und zusehen, anstatt ihm,- dem großen Fabian, allseits beliebter Regionalleiter und letzte, unüberwindbare Bastion der Æther-Foundation-, zu helfen. Eine Art lähmende Angst ergreift von ihm Besitz, die er vehement versucht zu unterdrücken, damit seine Leute ihn nicht für einen Feigling halten. Doch lange kann er diese Fassade nicht aufrechterhalten, zumal nicht einmal Samantha es jetzt für nötig hält, ihren allem Anschein nach tollwütigen Streuner zurückzupfeifen. Stattdessen steht sie einfach nur vor dem Fahrstuhl und beobachtet die Szene völlig ausdruckslos. „Lass mich auf der Stelle los, du brutaler Grobian!“, versucht es Fabian ein letztes Mal, wobei seine Stimme schon nicht mehr ganz sicher klingt. „Werd‘ ich, aber erst polier‘ ich dir deine hässliche Fresse!“, gebärt sich der junge Mann und setzt zum Schlag an. Instinktiv zuckt der Blonde zusammen und schließt die Augen. Doch der Schmerz bleibt wundersamer Weise aus. Irritiert, aber vorsichtig, öffnet er wieder die Augen. Keine Sekunde später lässt Bromley ihn auch schon los und starrt die kleine Frau neben sich geistlos an, die ihm beruhigend eine Hand auf die geballte Faust gelegt hat.
 

„Ich denke, die Präsidentin wartet auf dich, mein Junge. Vielleicht solltest du jetzt zu ihr gehen?“, sie lächelt ihn so sanft an, dass Bromley sie nur mit offenem Mund anstarrten kann, ehe er sich wortlos dem Fahrstuhl zuwendet. „Ist alles in Ordnung, Fabian?“ Für einen Moment ist der Angesprochene noch völlig perplex durch die gerade so skurril entschärfte Situation, dann jedoch besinnt er sich wieder und wird ernst. „Ja, alles bestens.“, erwidert er knurrend, während er seine Kleidung penibel glattstreicht und seinen nichtsnutzigen Mitarbeitern einen warnenden Blick zuwirft. Diese senken beschämt den Blick zu Boden und trollen sich schnell wieder an ihre Arbeit. „Aber ich habe dir schon hundert Mal verboten, mich mit dem Vornamen anzusprechen, Pia! Wann unterlässt du diese Respektlosigkeit endlich?“, faucht er sie dann regelrecht an, was ihr aber nicht wirklich etwas auszumachen scheint. Mehr bekommt der Käfer-Trainer davon nicht mit, dann gleitet der Fahrstuhl auch schon lautlos nach oben und wenig später betreten sie ein Zimmer in Samanthas imposanter Villa, die sich auf dem hinteren Teil der künstlichen Insel befindet. Hier wird Bromley die nächsten paar Tage verbringen, ehe sie wieder an ihn herantritt.
 


 

2
 

Es ist schon sehr lange her, dass der großgewachsene Trainer in einem Bett geschlafen hat, von daher verwundert es ihn nicht, dass es schon weit nach Mittag ist, als er am nächsten Tag die Augen öffnet. Schwerfällig und mit einem ausgiebigen Gähnen setzt er sich hin und streckt sich erst einmal. Noch halb schlafend blickt er sich in dem großzügigen Zimmer um, doch Bromley braucht mehrere Minuten, ehe er begreift, wo er sich hier eigentlich befindet und was alles passiert ist. Nach und nach kommt die Erinnerung zurück, was das Zimmer allerdings nicht sonderlich wohnlicher macht. Es ist sehr groß, aber völlig weiß gestrichen und zudem auch noch fast vollkommen weiß eingerichtet. Es wirkt schrecklich steril, fast wie ein Operationssaal im Krankenhaus. Den einzigen Farbtupfer bildet ein bunter Strauß frischer Blumen auf einem Tisch, der von zwei Stühlen gesäumt wird. Mit einem erneuten Gähnen legt Bromley ratlos die Stirn in Falten und blickt sich dann suchend um.
 

Neben der Blumenvase, die unglaublich teuer und antik aussieht, entdeckt er seine beiden Pokébälle. Bei ihrem Anblick entspannt er sich merklich, war er sich doch nicht sicher, ob man sie ihm wohlmöglich aus Sicherheitsgründen abgenommen hat, als er schlief. Dafür sind aber seine zerfetzen Klamotten verschwunden, die er einfach vor dem Bett hatte fallenlassen. Der wenige Inhalt seiner Taschen befindet sich allerdings fein säuberlich aufgereiht neben seinen Pokémon. Unter dem Tisch steht ein neues, weißes Paar Turnschuhe. Über die Rückenlehne des Stuhls wurden ihm neue Klamotten gelegt. Etwas verwundert erhebt er sich, um sie genauer zu betrachten. Da findet sich ein schlichtes, weißes T-Shirt. Eine dunkelgraue Hose mit einem weißen Rautenmuster um das untere Ende der Beine. Zudem eine ebenso dunkelgraue Jacke. Bromley ist sich jedoch nicht sicher, ob er sie vielleicht eher als Weste bezeichnen soll, da ihm die Ärmel nur bis zu den Ellenbogen reichen. Ein weißes Zickzackmuster befindet sich auf den kurzen Ärmeln, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem auf der Hose aufweist. Doch es verläuft nicht einmal rundherum, wie bei der Hose, sondern einfach nur an der Oberseite entlang. Außerdem hat die Jacke auch noch eine Kapuze. Auf dem Rückenteil prangert zudem ein weißschwarzes Muster, das große Ähnlichkeit mit einem Totenschädel hat, gleichzeitig aber wie der Buchstabe S aussieht, wenn man es etwas schräg betrachtet.
 

Der Käfer-Trainer zuckt leicht die Schultern. „Immer noch besser, als die weißen Klamotten von diesen ganzen Idioten hier...“, murmelt er vor sich hin. Er greift nach den beiden weiß-roten Bällen und befreit erst einmal seine zwei Begleiter, die sich erleichtert darüber äußern und sich neugierig in dem Zimmer umblicken. „Geht doch auf den Balkon etwas frische Luft schnappen.“, schlägt er ihnen vor und deutet in die Richtung der zweiflügligen Glastür nahe des Bettes. Freudig machen sich die beide Pokémon auf den Weg. Nach einem kurzen Versuch gelingt es Sweetheart die vergoldete Klinke zu betätigen und schon huscht Buddy an ihr vorbei in die warme Sonne. Schmunzelnd sieht Bromley ihnen hinterher und widmet sich dann wieder dem Tisch. Er findet auch eine frische Unterhose, weshalb er seine alte einfach zu Boden fallen lässt und sich dann kurzerhand zu der Tür begibt, die seinem Bett gegenüberliegt. Dahinter befindet sich ein geräumiges Bad mit ebenerdiger Dusche und genau die braucht er jetzt auch ganz dringend. Zwar hat er gestern Abend schon geduscht, bevor er zu Bett gegangen ist, dennoch kommt er nicht umhin, diesen unerwarteten Luxus auszukosten, solange er ihn hat. Wer weiß schon, wann er wieder unverhofft vor die Tür gesetzt wird und gezwungen ist, unter den Sternen Alolas zu schlafen...
 

Ein wolliges Seufzen verlässt seine Kehle, als das warme Wasser auf seinen geschundenen Körper niedergeht und ihn in eine tröstliche Umarmung schließt. Minuten lang steht er mit geschlossenen Augen einfach nur da und genießt die prasselnden Tropfen. Irgendwann, als er schon fast wieder einzuschlafen droht, reißt er sich doch wieder zusammen und beginnt damit sich einzuseifen. Auf einem schmalen Regal in der Dusche findet er fast zwei Dutzend Flaschen mit verschiedenen Duschgels und Shampoos, sodass es wirklich schwer ist, sich für irgendetwas zu entscheiden. Instinktiv greift er jedoch nach der Flasche, die er gestern schon benutzt hat, da es die einzige ist, die nicht nach zum Kotzen süßen Früchten oder dergleichen riecht, sondern herb und irgendwie männlich. Bromley ist sich bei dieser ganzen Auswahl nicht sicher, ob das hier ein reguläres Gästezimmer ist oder es normalerweise eher von einer Frau bewohnt wird, die aber gerade nicht hier ist. Doch eigentlich ist ihm das auch völlig egal. Gründlich seift er jeden Zentimeter seines Körpers ein und shampooniert sich danach die Haare.
 

Anschließend verlässt er die Dusche und betrachtet sich einen Augenblick in dem Spiegel über dem Waschbecken. Seine langen Haare, die zur Hälfte schwarz und zur Hälfte weiß sind, wirken eher wie eine Perücke. Etwas angewidert rümpft er die Nase. Sie müssen dringend wieder gebleicht werden und geschnitten wahrscheinlich auch, doch da ist er sich noch nicht so sicher. Obwohl er mehr als zwölf Stunden geschlafen hat, liegen noch immer tiefe, purpurne Ringe unter seinen Augen. Nachdenklich betastet er sie vorsichtig mit den Fingern. Als Kind hatte er das auch immer. Im Laufe seiner Inselwanderschaft sind sie dann irgendwann verschwunden. Diese Tatsache fand er ziemlich erstaunlich, da er dank Kukui eigentlich nie ausschlafen konnte. Irgendwann kam er zu dem Schluss, dass sie also gar nichts mit Schlaflosigkeit zu tun haben. Er hat damals zwar auch viel geweint, ehe er auf Wanderschaft gegangen ist, doch die dunklen Ringe waren zu dauerhaft, um daher zu stammen. Letztendlich entschied er, dass sie wohlmöglich ein Ausdruck seines fragwürdigen Geisteszustandes und seiner Verzweiflung waren und verschwanden, weil er endlich einen Freund gefunden hatte, der das alles erträglicher für ihn gemacht hat.
 

Wie aufs Stichwort, tauchten sie auch prompt wieder auf, nachdem Manuel ihn vor die Tür gesetzt hatte und seitdem ist er sie nicht mehr losgeworden. Vielleicht gelingt es ja Samantha, so wie es damals dem Brünetten gelungen ist? Die Zeit wird es zeigen. Was allerdings niemals verschwinden wird, sind die vielen Narben, die fast seinen gesamten Körper bedecken. Auf seiner blassen Haut sind sie zwar nicht so deutlich sichtbar, doch das grelle Licht der Lampe über dem Spiegel offenbart eine wahre Landkarte seiner Qualen – zugefügt von seinem eigenen Vater und dessen Golfschlägern. Einige wenige stammen auch von ihm selbst, wenn er sich in diesem leeren Zustand befindet, der eintritt, sobald er die Stimme seines Erzeugers in seinem Kopf vernimmt und er dann keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich selbst Schmerzen zu zufügen, um die Bestrafung des Golfschlägers damit ungewollt nachzuahmen. Seine Unterarme zeugen davon, scheint sich doch kaum ein Zentimeter zu finden, den er nicht schon mit irgendetwas geritzt hat. Ärgerlich knurrend beißt er die Zähne zusammen. Warum nur kann er dieses Ekel nicht aus seinem Kopf bekommen? Dies ist eine Frage, zu der er wohl niemals eine Antwort finden wird, da es nicht einmal aufgehört hat, als er mit Manuel glücklich zusammen war. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass dieser ein Mann war und sein Vater damit wohl nicht einverstanden, obwohl er leibhaftig nie etwas davon gewusst, geschweige denn ihn kennengelernt hat. Also kann Samantha ihm dabei wohlmöglich auch helfen?
 

Ratlos betrachtet er sein Gesicht ein letztes Mal, wirft sich dann ein Handtuch über die Schultern, mit dem er sich die Haare trockenreiben kann und verlässt anschließend splitternackt das Badezimmer. Wieso auch nicht? Immerhin hat er dieses Zimmer ja auch für sich ganz allein. Nur seine Pokémon sind hier und diese stören sich nicht daran. Zumindest dieser Gedanke stimmt, aber mittlerweile ist er nicht mehr mit seinen beiden Käfern allein. Kaum, dass er das Zimmer in all seiner Freizügigkeit betreten hat, zuckt er auch schon erschrocken zusammen und starrt die Frau vor sich mit überraschtem Blick an. Diese erwidert das Ganze nicht minder erstaunt. Sie gibt einen überraschten Laut von sich und hält sich peinlich berührt eine Hand vor den Mund. Dann schlägt sie die Augen nieder und presst eine Entschuldigung hervor.
 

Ehe Bromley ihr etwas entgegnen kann, stürmen aber auch schon seine beiden Pokémon heran, da sie Gefahr befürchten. Bedrohlich fauchend steht Sweetheart der Violetthaarigen gegenüber und richtet ihre scharfen Krallen auf die völlig überforderte Frau. Buddy postiert sich direkt vor seinem Trainer, nimmt all seinen Mut zusammen und gibt ebenfalls ein Fauchen von sich, das allerdings noch nicht sonderlich gefährlich klingt. Dennoch verfehlt es seine Wirkung nicht. Die weiß gekleidete Frau weicht angsterfüllt zurück. Was sie bei Bromley’s Anblick gerade noch verhindern konnte, tritt nun ein und klirrend fallen daher die Dinge zu Boden, die sie mitgebracht hat. Irritiert besieht sich der junge Trainer Schere, Kamm, einen Handspiegel, Pinsel und einige Fläschchen, deren Inhalt er nicht zuordnen kann. „Yo, Leute! Chillt ma‘!“, teilt er den beiden Pokémon nun mit.
 

Der große Samurai wirft einen letzten, prüfenden Blick auf den Eindringling, dann entfernt er sich langsam. Auch die kleine Assel beruhigt sich wieder und huscht aufgebracht um die Füße ihres Besitzers herum, als wäre ihr plötzlich aufgegangen, dass sie doch Angst haben müsste. Ungeachtet dessen betrachtet der Langhaarige nun sein Gegenüber. „Yo, Missy? Du bist doch die Puppe, die mich davon abgehalten hat, diesen schmierigen Lackaffen plattzumachen, nich‘ wa‘?“, fragt er sie, macht aber immer noch keine Anstalten, seine Blöße zu bedecken. Kein Wunder also, dass es ihr ziemlich schwerfällt, da zu antworten. „Ja – das stimmt. – Mein Name – ist Pia. – Die Präsidentin schickt mich, – um mich um dich zu – kümmern...“, bringt sie schließlich nach einigen Anläufen hervor. Die Schamröte steht ihr tief ins Gesicht geschrieben und da geht Bromley auf, dass er noch immer nichts anhat.
 

Einem Instinkt folgend, hockt er sich einfach hin, während sich auch auf seinem Wangen ein roter Schimmer ausbreitet. Reißlaus beendet seine Runden und postiert sich direkt vor seinem Trainer, wendet ihm aber den Rücken zu. Versucht mutig gibt Buddy ein Fiepen von sich und hebt dabei den flachen Schwanz an. Bewusst oder auch nicht, gelingt es dem Käfer so halbwegs, das beste Stück seines Trainers zu verdecken, was diesen dazu bewegt sich etwas zu entspannen. Sanft streicht er der Assel über den gewölbten Rücken. „Danke Kumpel!“ Freudig fiept Buddy erneut auf und schmiegt sich seiner Hand entgegen, dennoch darum bemüht, die Position seines Schwanzes nicht zu ändern. Langsam hebt Pia den Blick und sammelt vorsichtig die herabgefallenen Sachen wieder auf.
 

Fasziniert beobachtet sie dabei, wie Bromley nun versucht sich die frische Shorts zu angeln. Doch er kommt nicht an den Stuhl heran, ohne sich zu weit von Reißlaus entfernen zu müssen. Tectass begreift seine Misere allerdings auch und fischt das Stück Stoff mit der Spitze ihrer Kralle auf und reicht es dem jungen Mann hinüber. Dankend nimmt Bromley es entgegen und lächelt dem Pokémon zu. Dieses nähert sich ihm ungeniert und drückt für einen Moment seine breite Schnauze gegen die Lippen seines Trainers. Für Pia wirkt es fast so wie ein hauchfeiner Kuss zwischen ihnen. Zärtlich krault der Großgewachsene dem schwer gepanzerten Krieger unter dem Kinn, woraufhin dieser ihm mit seiner breiten Zunge über die Wange leckt. Etwas ungelenk lässt sich der Langhaarige dann auf seine vier Buchstaben fallen und zieht sich endlich etwas über. Als er wieder aufsteht, wird aber deutlich, dass es so nur bedingt besser geworden ist, da der tiefschwarze Stoff sehr enganliegend sitzt und jede Stelle ziemlich gut betont. Das Schwarz nimmt dem Ganzen aber wenigstens etwas von seiner Deutlichkeit, kann aber nicht verhindern, dass Pia wieder rot wird.
 

„Was’n?“, fragt Bromley sie schließlich. Ertappt räuspert sich die kleine Frau verhalten. „Oh, nichts! Ich finde es nur wirklich schön, wie liebevoll du mit deinen Pokémon umgehst. Sie scheinen dich wirklich sehr zu mögen...“, versucht sie sich zu rechtfertigen und sich selbst etwas vom Anblick des jungen Mannes abzulenken. „Yeah, die zwei sind echt klasse.“, bestätigt Bromley, streichelt die Käfer noch einmal kurz, bevor er sie wieder in ihre Bälle zurückruft. „Yo und was versteht die Präsidentin jetz‘ drunter, wenn du dich um mich kümmern sollst?“, hakt er schließlich nach. Etwas unschlüssig betrachtet Pia die Sachen auf ihrem Arm einen Moment, bis ihr wieder einzufallen scheint, was sie gesagt hatte. „Ähm ja, sie meinte, dass dir ein Haarschnitt guttun würde und, dass ich sie dir wieder bleichen soll, wenn du das möchtest. Sie meinte, dass weiß dir besser stehen würde, als das strenge Schwarz...“ Etwas argwöhnisch betrachtet er sie. Ihm fällt wieder ein, wie er vor wenigen Minuten im Bad darüber nachgedacht hat, sich die Haare wieder zu bleichen und als hätte sie seine Gedanken aufgefangen, steht Pia jetzt genau deswegen hier vor ihm. Schon irgendwie witzig.
 

Ein paar Augenblicke später sitzt Bromley auf dem freien Stuhl. Ein großes Handtuch breitet sich auf seinen Schultern aus, damit die abgeschnittenen Haare nicht überall an seinem Körper kleben und Pia kämmt gewissenhaft durch die noch leicht feuchten Strähnen. „Was’n eigentlich los mit Samantha? Sie reißt sich ja förmlich ‘n Bein für mich aus und dabei ham wa‘ uns doch erst gestern kenn’gelernt.“, fragt der Käfer-Trainer irgendwann. „Hm, ich weiß es nicht genau. Sei meinte nur, ich soll mich etwas um dich kümmern, bis sie Zeit für dich hat. Sie ist immer sehr beschäftigt, musst du wissen. Doch ich bin nicht befugt über alles informiert zu sein, was sie macht. Aber ich bin sicher, sie hat ihre Gründe dich hierher zu holen.“ „Ihr Modegeschmack is‘ zumindest nich‘ der Schlechteste.“, erwidert Bromley und deutet auf den Haufen Stoff, der über dem anderen Stuhl hängt. „Schön, dass dir die Sachen gefallen. Ich hoffe, sie passen auch. Du bist ganz schön groß, weißt du das? Da war es schwierig, etwas Passendes anfertigen zu lassen.“, kommentiert Pia nachdenklich, während sie die Schere ansetzt.
 

„So viel Mühe und das ausgerechnet meinetwegen? Mann, muss alles echt wichtig sein.“ „Hat sie dir denn gar nichts erzählt? Du wirst doch mit Sicherheit nicht einfach so mit ihr mitgegangen sein, oder?“, etwas Sorge schwingt in der Stimme der kleinen Frau mit, scheint sie sich doch gerade auszumalen, wie Samantha diesen jungen Burschen wohl von sich überzeugt hat. Und als würden ihre Gedanken in die richtige Richtung gehen, räuspert sich der Streuner etwas verlegen. „Nee, natürlich nich‘. – Sie hat mir von ihren entlaufenen Kindern und irgend ‘nem Forschungsprojekt erzählt, das sie deswegen nich‘ weitermachen kann. – Sie meinte, dass ich ihr irgendwie dabei helfen kann und außerdem wa‘ sie ziemlich – nett zu mir...“, erklärt er sich, obwohl der letzte Teil eher ungewollt zu Tage tritt, da er sich nicht sicher ist, ob Pia vielleicht bewusst ist, was ihre Chefin so alles macht. Für einen kleinen Augenblick stoppt allerdings die Schere in ihrer Arbeit und macht dann ungetrübt weiter. „Das hört sich doch ganz so an, als wärst du ein sehr netter und hilfsbereiter, junger Mann. Und ich denke, die Präsidentin weiß das sehr zu schätzen und möchte daher auch, dass es dir gutgeht.“, fügt sie schließlich hinzu und versucht es dabei neutral klingen zu lassen, was ihr aber nicht ganz gelingt.
 

Damit ist das Gespräch auch erst einmal beendet und Bromley lässt die weitere Behandlung schweigend über sich ergehen. Als der Haarschnitt beendet ist und das Bleichmittel seinen Dienst tut, fängt Pia an das Bett zu machen. Der bald Weißhaarige ist sich sicher, dass das nicht unbedingt zu ihren Aufgaben gehört, sie aber einfach etwas zu tun haben möchte, um die Wartezeit zu überbrücken. Irgendwann gibt sie dann ein tiefes Seufzen von sich und er fragt sie, was los ist. Betrübt lässt sie sich auf das Bett nieder. „Es ist nur – ich begreife nicht, was mit Gladio und Lilly so plötzlich los ist. Sie waren immer so liebe und nette Kinder. Als sie noch klein waren, habe ich oft auf sie aufgepasst, musst du wissen. Von daher weiß ich, wie sie sich gewöhnlich geben. Doch seit einer Weile sind sie vollkommen anders. – Zuerst dachte ich, es wäre nur eine Phase. Wie Kinder in der Pubertät halt sind. Aber das Ganze nahm doch immer schlimmere Züge an, sodass ich diesen Gedanken bald verworfen habe. – Ich kann verstehen, dass sie sich nicht sonderlich gut fühlen, seit ihr Vater verschwunden ist. Aber sich gerade dann auch noch gegen die eigene Mutter wenden. – Das macht für mich alles keinen Sinn und ich fürchte, dass dort mehr dahintersteckt, als die Präsidentin zugeben will und das bereitet mir alles große Sorgen...“
 

Leidvoll sieht sie ihn an. Es ist für ihn nicht schwer zu sehen, dass ihr wirklich viel an diesen Kindern liegt und Bromley wünscht sich, dass er damals so jemanden wie sie gehabt hätte, der sich um ihn kümmert, wenn seine Eltern es mal wieder nicht konnten. Langsam steht sie auf, um das Farbergebnis zu kontrollieren. Als sie sich wieder entfernen will, ergreift er jedoch ihr Handgelenk. Durchdringend sieht er sie an. „Mach dir ma‘ keine Sorgen und Vorwürfe schon gar nich‘! Wenn ich Samantha wirklich helfen soll, dass alles wieder grade zu biegen, dann werd‘ ich mein Bestes geben. Das wird schon wieder. Ich versprech’s! Also schau nich‘ mehr so traurig, yo? Das passt nich‘ zu so ‘nem hübschen Mädel, wie dir!“, aufmunternd lächelt er sie an und sie kann den entschlossenen Tatendrang in seinen schiefergrauen Augen sehen. Doch etwas sprachlos betrachtet sie ihn und haucht ihm dann sanft einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Vielen Dank!“, entgegnet Pia ihm zuversichtlich und begleitet ihn dann ins Bad, um das Bleichmittel auszuwaschen.
 


 

3
 

Die nächsten zwei Tage verlaufen weniger aufreibend. In dieser Zeit bekommt Bromley Samantha aber nicht ein einziges Mal zu Gesicht, sondern ist ausschließlich mit Pia zu Gange, die ihm alles Wichtige über die Æther-Foundation erzählt und ihn herumführt. Die künstliche Insel gleicht einem Irrgarten aus Laboratorien und den verschiedensten Lebensräumen, die möglichst nahe an die natürlichen Verhältnisse der Pokémon angepasst sind, die darin leben. Sie sollen sich hier wie zu Hause fühlen und nicht den Gedanken erhalten, gefangen zu sein, auch wenn sie von hier nicht wegkommen und täglich umsorgt und gefüttert werden. Sobald es ihnen bessergeht, werden sie aber wieder ausgewildert. Bromley hat zwar ausschließlich ein Herz für Käfer-Pokémon, dennoch erstaunt es ihn schon ziemlich, wie viele gequälte und verletzte Wesen hier Zuflucht gefunden haben, deren eigentlicher Lebensraum beispielsweise zerstört oder sie einfach nur schlecht von ihren Trainern behandelt wurden.
 

All das wird aber schlagartig zur Nebensache, als die Blondine nach ihm rufen lässt. Erwartungsvoll steht er vor ihrer Zimmertür und klopft. Von drinnen ertönt ihre gedämpfte Stimme und er tritt ein. Der Raum ist riesig, aber wie so viele andere in der Villa fast völlig weiß und irgendwie steril. Kaum etwas Persönliches fällt ihm auf, fast so, als wäre dies hier nur ein großes Hotel, in dem alle dauerhaft wohnen und keine pompöse Luxusvilla mit jedem nur erdenklichen Komfort. Auch in Samanthas Zimmer gibt es einen Balkon, zwei Stühle um einen Tisch und ein geräumiges Bad. Der Unterschied zu dem Zimmer, in dem Bromley die letzten Tage verbracht hat, besteht darin, dass es hier noch eine weitere Tür gibt, die irgendwie Ähnlichkeit mit einem Fahrstuhl aufweist und ein großes Himmelbett, das den Raum einnimmt, wie in einem Märchenschloss. Unweigerlich fragt sich der Weißhaarige, wo dieser seltsame Aufzug hinführen mag und ob sie es ihm irgendwann zeigen wird. Andererseits fragt er sich, ob er diese Information überhaupt haben will, da er irgendwie ein komisches Gefühl bei alledem hier hat.
 

„Ah, Bromley, mein Hübscher! Nun sieh dich nur mal an! Pia hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Was für ein stattlicher, junger Mann du doch bist!“, entkommt es Samantha, kaum, dass er das Zimmer betreten hat. Aus ihm unerfindlichen Gründen fühlt er sich dabei irgendwie von Scham erfüllt und es wird noch um einiges schlimmer, als sie nun um ihn herumläuft und sich jeden Zentimeter seines neuen Ichs genau betrachtet. Langsam schleicht sich eine gewisse Röte in seine Wangen, die er vehement zu unterdrücken versucht, was ihm aber nur schwerlich gelingt. Schließlich bleibt sie vor ihm stehen und streicht ihm durch die Haare. Dank Pia sind sie jetzt wieder ziemlich kurz, aber dennoch chaotisch zerzaust. Alles ist schneeweiß, abgesehen von den Koteletten und den Haaren in seinem Nacken, die kurz rasiert und immer noch schwarz sind. „Wundervoll! Du siehst so richtig schön rebellisch aus! Das passt zu dir und genauso habe ich es mir auch vorgestellt.“, erläutert sie und zupft dann an seiner Jacke herum. „Es scheint dir ja auch alles zu passen, wie ich sehe. Pia und ich hatten schon Sorge, dass wir nicht die richtige Größe anfertigen lassen können, da du ziemlich außerhalb des Standards liegst, wie man ja unschwer erkennen kann.“
 

Über diese Bemerkung zuckt Bromley nur die Schultern. Seine Größe war in dieser Hinsicht schon immer ein Problem und je älter er wurde, desto schwieriger war es, etwas Passendes zu finden. Doch seine imposante Statur war ihm auch weit öfter sehr hilfreich. Durch die Tatsache, dass er jedem locker über den Kopf ragt, hat er durchaus etwas Gefährliches an sich, das noch durch sein unvorhersehbares Verhalten unterstützt wird. „Tja, dagegen kann ich nichts machen, aber ich weiß damit umzugehen.“, grinst er ihr zweideutig entgegen und versucht damit seine Unsicherheit zu überdecken. Auch Samantha lächelt keck. „Oh, das will ich doch hoffen, junger Mann. Wäre doch sonst wirklich schade drum.“, erwidert sie und zwinkert ihm dann schelmisch zu, um ihm zu verdeutlichen, dass sie seine unanständigen Gedanken durchschaut hat. Unweigerlich muss der Käfer-Trainer hart schlucken. ‚Sie ist einfach ‘ne Wucht...‘, geht es ihm etwas hilflos durch den Kopf.
 

Verwundert beobachtet er nun, wie sie sich auf das große Bett setzt und ihn zu sich winkt. Ungewollt driften seinen Gedanken wieder ab und stellen sich vor, wie es wäre, ihre samtige Haut unter seinen Fingern zu spüren. Wie ferngesteuert nähert er sich dem Bett, bleibt dann jedoch davorstehen. Er ist zwar ein ziemlicher Draufgänger und würde sich nie eine Möglichkeit entgehen lassen, wenn sich ihm eine bietet, doch das hier ist anders. Samantha ist keines von den kleinen Flittchen, mit denen er sich aus Frust über die Trennung mit Manuel versucht hat hinwegzuhelfen. Nein, sie ist eine richtige Frau, eine Dame und unaufgefordert betritt man weder das Zimmer einer solchen und schon gar nicht dringt man in die persönliche Zone ihres Bettes ein, ohne ganz sicher zu sein. Er ist zwar bei weitem kein Gentleman und hat es auch nicht vor so schnell zu werden, doch so viel Anstand hat er dann doch, zumindest ihr gegenüber, da sie etwas ausstrahlt, das ihn schon beinahe dazu zwingt, sich anständig zu benehmen.
 

Diese Tatsache scheint sie ziemlich amüsant zu finden, da sie hinter vorgehaltener Hand zu kichern beginnt, als er fragend vor ihr stehenbleibt. „Nun setz dich doch. Wir haben noch viel zu besprechen, mein Hübscher.“, fordert Samantha ihn schließlich auf und er kommt ihren Worten auch augenblicklich nach. „Yo, was willste denn besprechen?“, fragt Bromley gerade heraus. Sie schenkt ihm den warmen Blick einer Mutter, die geduldig darauf wartet, dass ihr Kind das ganz Offensichtliche von selbst begreift. „Nun, die letzten Tage hast du dich sicher gefragt, was genau deine Aufgabe hier sein soll. Außerdem hat dir Pia nicht die gesamte Foundation gezeigt. Es gibt hier geheime Labore, in denen ich eine eher fragwürdige Forschung betreibe. Ein wenig davon hatte ich dir schon bei unserem ersten Treffen angedeutet. Doch da steckt natürlich noch viel mehr dahinter. Aber alles zu seiner Zeit, mein Lieber.“, setzt sie an und wirft einen verschwörerischen Blick in Richtung der seltsamen Fahrstuhltür.
 

„Deine Aufgabe besteht jetzt darin, mir zuzuarbeiten. Ich möchte, dass du nach meinen Kindern Ausschau hältst, mir einige Pokémon besorgst, mit denen ich experimentieren kann und vieles andere mehr. Der Großteil deiner Arbeit besteht aber darin, jeden Verdacht von mir abzuwenden, dass ich etwas vorhaben könnte, das Alola vielleicht Schaden zufügen würde. Du sollst also etwas Action machen, damit die Aufmerksamkeit ganz bei dir liegt und so tun, als hättest du überhaupt nichts mit Æther zu tun, verstehst du?“ „Denke schon. So’ne Art Ablenkungsmanöver also, damit jeder denkt, dass ich der Böse bin und ihr nur die Opfer?“, hakt er etwas verunsichert nach. „Ganz recht. Und damit das Ganze einen guten Start bekommt, erwecken wir etwas wieder, das vor einigen Jahren zu Grunde ging und von dem sicher niemand gedacht hätte, dass es jemals wiederkommen würde.“, vielsagend zupft sie wieder an seiner Jacke herum.
 

„Ich habe diese Sachen nicht ohne Grund für dich ausgesucht, auch, wenn das Ganze noch nicht komplett ist.“, sie deutet zum Tisch hinüber. Darauf entdeckt der Weißhaarige eine goldene Uhr, eine gelb gerahmte Sonnenbrille, deren eines Glas rund ist und das andere aussieht wie eine auf der Seite liegende Mondsichel. Außerdem sieht er noch eine schwere Goldkette, mit großen Gliedern und einem glänzenden Anhänger in Form des Musters auf seiner Jacke. „Es war nicht leicht, diese Relikte wiederzufinden, aber ich denke, es hat sich durchaus gelohnt. „Was bedeutet ‘n das Ganze?“, will Bromley nun wissen, da ihm das alles immer merkwürdiger und verschwörerischer vorkommt.
 

„Das ist eine etwas kompliziertere Geschichte. Vor etwa acht Jahren gab es auf Ula-Ula ein tragisches Ereignis. Der damalige Inselkönig war ein Spezialist für Elektro-Pokémon, doch er hatte eine düstere Vorliebe...“, beginnt sie. Unweigerlich erinnert sich der Käfer-Trainer an diesen schmierigen Typen. Bei ihm haben Manuel und er ebenfalls ihre Prüfung abgelegt. Er kam ihnen schon damals recht seltsam vor. Schien sich irgendwie komisch auf den Brünetten zu fixieren und hat ihnen merkwürdige Frage gestellt, die rein gar nichts mit der Prüfung zu tun hatten. Er war regelrecht aufdringlich und schien nach einer Möglichkeit zu suchen, die zwei voneinander zu trennen, was ihm glücklicherweise aber nicht gelungen ist. Jetzt, wo Samantha ihn erwähnt und Bromley inzwischen alt genug ist, dass Ganze zu verstehen, begreift er, dass sie beide damals nur knapp einem Unglück entkommen sind. Einzig und allein der Tatsache, dass sie gemeinsam unterwegs waren, haben sie es wohl zu verdanken, dass ihnen nicht das Gleiche widerfahren ist. An seinem Gesichtsausdruck erkennt Samantha, dass seine Vermutungen in die richtige Richtung gehen, dennoch erzählt sie ungerührt weiter.
 

„Der Inselkönig hatte eine unzüchtige Vorliebe für kleine Jungs. Irgendwann konnte er dieses Verlangen nicht mehr unterdrücken und hat sich eines jungen Trainers auf Inselwanderschaft bemächtigt, der bei ihm die Prüfung ablegen wollte. Tage lang hat er ihn in seiner Villa in einem abgelegenen Dorf Ula-Ulas festgehalten und unaussprechliche Dinge mit ihm angestellt. Doch das ist bei weitem noch nicht der Gipfel. Die Dorfbewohner haben davon gewusst und kein Wort nach außen dringen lassen, haben ihm weiterhin seinen Gelüsten stattgegeben, ihm sogar dabei noch geholfen. Erst, als der Rivale des Jungen ebenfalls ins Dorf kam, um seine Prüfung zu machen, flog das Ganze auf. Daraufhin war der Schutzpatron der Insel so erzürnt, dass er den König seines Amtes enthob und das Dorf von der Außenwelt abriegelte.
 

Das ließen die Bewohner und der einstige König aber nicht auf sich sitzen und so taten sie sich zusammen und gründeten eine Truppe von Raufbolden und Tunichtguten, die nichts Besseres zu tun hatten, als den anderen Bewohnern Alolas das Leben schwer zu machen und ihr Recht einzufordern. Sie quälten Menschen und Pokémon, zerstörten heilige Stätte, randalierten und vieles mehr. Sie waren kaum zu bändigen und ließen ihren Unmut über den Schutzpatron freien Lauf. Lange konnte das natürlich nicht gutgehen und die Menschen Alolas lehnten sich gegen die Truppe auf. Gemeinsam mit den vier Schutzpatronen gelang es ihnen schließlich, diese unwürdigen Leute zu fangen und letztendlich wurden sie aus der Region verbannt. Seither hat man nichts mehr von ihnen gehört und Team Skull, wie sie sich nannten, geriet in Vergessenheit. Heute kennt kaum jemand mehr den Namen der Truppe und keiner wagt es über den ehemaligen Inselkönig und was damals passiert ist, zu reden. Einziger sichtbarer Zeuge des Ganzen und Mahnmal an alle, die sich gegen das Wohl Alolas stellen, ist heute nur noch das verlassene und abgeriegelte Dorf auf Ula-Ula, das noch heute dem Missfallen der Schutzpatrone ausgeliefert ist, indem es nie wieder die Sonne sehen wird.“
 

Mit offenem Mund sitzt der Weißhaarige neben ihr und lauscht ihren Worten. Dennoch kann er kaum glauben, was er da hört; war das Dorf doch von glänzendem Wohlstand erhellt, als er und Kukui dort Station gemacht haben. „Heilige Scheiße! – Ich – ich hab‘ damals auch meine Prüfung bei ihm abgelegt. – Der Kerl kam mir gleich so komisch vor, doch – ich wa‘ damals zu dumm, um’s Offensichtliche zu begreifen und nich‘ allein, checkstes? Ich hatt‘ einen Partner, wenn man so will und...“, er stockt und schluckt hart, als er an Manuel denken muss. Sanft legt sich die Hand der Blondine auf seinen Oberschenkel. „Was hast du?“, fragt sie besorgt. Eine Weile blickt er sie schweigend an, nicht in der Lage, die richtigen Worte zu finden, ohne, dass sie es falsch verstehen könnte. „Naja, mein – mein Partner von damals war – war später – wirklich mein Partner...“, gesteht er stockend und kämpft mit seinen Gefühlen. „Du hast ihn sehr geliebt, nicht wahr? Das kann ich dir doch ansehen.“ „Yo, hab‘ ihn mehr als alles andere auf der Welt geliebt, doch – doch es wa‘ nich‘ genug...“
 

Mitfühlend sieht Samantha ihn an. „Was ist passiert?“, fragt sie vorsichtig. In ihr keimt die Neugierde auf. Sie hat zwar von Anfang an vermutet, dass dieser Streuner einiges durchgemacht hat, dass ihn so hat werden lassen, doch das hatte sie nicht vermutet. Sieht man es Bromley doch nicht unbedingt an, dass er sich zu anderen Männern hingezogen fühlen könnte. „Tja, irgendwann is‘ diesem selbstgefälligen Arschloch aufgegangen, dass es angeblich nich‘ richtig is‘ mit ‘nem andern Kerl ins Bett zu steigen und, dass ich damit auch seiner Karriere im Weg steh’n würd‘. Also hat er mich rausgeschmissen und sich ‘n selten dämliches Weib angelacht, das er dann auch noch geheiratet hat...!“, den letzten Teil knurrt er förmlich nur noch. Dennoch gelingt es der Blondine alles zu verstehen. Innerlich breitet sich ein Grinsen in ihr aus. Dieser junge Bursche ist einfach nur perfekt! Diese ungezügelte Wut, diese Leidenschaft, einfach atemberaubend! Genau, wonach die gesucht hat. Dieser Zorn und diese Ablehnung sind genau die richtige Grundlage für den Wiederaufbau von Team Skull!
 


 

4
 

Während Bromley noch völlig gefangen in seinen traumatischen Erinnerungen ist, überrumpelt Samantha ihn kurzerhand einfach. Ehe er auch nur irgendwie reagieren kann, packt sie ihn schon beinahe grob an den Schultern und presst ihn dann erstaunlich nachdrücklich auf das Laken nieder. Ihr Gesicht bekommt einen wilden Ausdruck und dieser jagt Bromley irgendwie Angst ein. Sie ist nicht die erste Frau, mit der er schläft, aber ganz sicher die Erste, die genau weiß, was sie will und alles daransetzt es auch zu bekommen.
 

Einfach kommen, schnell wieder gehen, so lebst du

Nehmen, nehmen, nehmen ist alles, was du kannst,

Aber du gibst niemals
 

Sie ist unglaublich schön und der Weißhaarige ist komplett gefangen in der plötzlichen Liebe zu ihr. Das wäre wohl jeder gewesen, zumindest jeder Mann, aber vielleicht auch jede Frau, da ist sich Bromley nicht so sicher. Doch trotz der Schmetterlinge in seinem Bauch, hat er eine unbewusste, tiefsitzende Angst vor ihr, weil sie in diesem Moment nicht nur atemberaubend erregend aussieht, sondern auch so, als könnte sie ihn mit einer unglaublichen Leichtigkeit einfach so töten, sobald er die Augen schließt oder ihr widerspricht.
 

Hätte vom ersten Kuss an wissen sollen, dass du Ärger machst

Hattest deine Augen weit offen - Warum waren sie offen?
 

Er schluckt schwer und sie spürt deutlich seine Unsicherheit. Samantha lächelt ihn sanft und voller Liebe an. Aber der tot bringende Ausdruck in ihren Augen bleibt bestehen. Dann ihre sanften, weichen Lippen auf den seinigen; ihre kleinen, aber festen Brüste, die sich verlockend gegen ihn pressen und sein Schicksal besiegeln, jetzt und für alle Zeit…
 

Gab dir alles, was ich hatte

Und du hast es in den Wind geschossen

Du hast es in den Wind geschossen
 

Der Weißhaarige weiß gar nicht, wo ihm der Kopf steht. Alles scheint sich regelrecht zu überschlagen und er bekommt keinen klaren Gedanken mehr zusammen. Und irgendwie will er das auch gar nicht. Er ist verloren und er weiß es und dennoch genießt er dieses brennende Gefühl der Hilflosigkeit mehr als alles andere auf der Welt. „Scher dich nicht um diesen dummen Nichtsnutz, mein Hübscher. Er weiß doch gar nicht, was er an dir hatte. Weine ihm nicht nach, dass ist er nicht wert! Lass dich einfach fallen und vergiss ihn!“, raunt Samantha ihm entgegen.
 

Mir all deine Liebe zu geben, ist alles, was ich je verlangt habe,

Denn, was du nicht verstehst…

Ich würde eine Granate für dich fangen
 

„Ja...“, erwidert er atemlos. Er hört die kriecherische Unterwürfigkeit in seiner Stimme, aber er kann nichts dagegen tun. Bromley kann sie nur ansehen und versuchen zu begreifen, was hier eigentlich gerade vorgeht. Doch es ist unmöglich, sein Kopf ist völlig leer. Sein Handeln wird nur noch von seinem Körper bestimmt, der ihr mittlerweile vollkommen erlegen ist.
 

Meine Hand auf eine Klinge für dich schlagen

Ich würde vor einen Zug für dich springen

Du weißt, dass ich alles für dich tun würde
 

Samanthas Hände streichen verlangend über die Brust des Liegenden, betasten dort die festen Muskeln, die sich an den dünnen Stoff des T-Shirts schmiegen. Mit verhangenen Augen sieht sie ihm fest ins Gesicht. „Zeig mir, wie unbedeutend dieser Bursche für dich geworden ist! Zeig mir, wie sehr du ihn für alles, was er dir angetan hat, verachtest! Zeig mir einfach alles!“, fordert ihn die Blondine heftig auf. In ihrem wilden Blick lodert die Erregung und ihr Körper reibt sich dabei so verlangend an dem seinigen.
 

Ich würde durch all diesen Schmerz gehen

Eine Kugel direkt durch meinen Kopf jagen

Ich würde für dich sterben, Baby
 

Sie sieht ihn mit ihren leuchtenden, grünen Augen an, die so einen verwegenen Ausdruck haben, als wolle sie sagen: Halt deine Sonnenbrille fest, Bromley und steig aufs Pferd. Ich werde Erste sein und du Zweiter, und die Übrigen soll alle der Teufel holen! Und ihr Lächeln drückt genau dasselbe aus. Er ist wie hypnotisiert von ihr, ganz ähnlich dem, als er sie neulich im Restaurant kennengelernt hat.
 

Doch du würdest nicht Dasselbe tun

Nein, nein, nein, nein
 

Nur noch ein einziger, klarer Gedanken scheint in seinem mitgenommenen Gehirn Platz zu haben: Er will sie! Mehr als alles andere auf dieser Welt will er sich in ihr verlieren. Ihr folgen, wohin der Weg sie auch immer führt und tun, was auch immer sie von ihm verlangen mag. Er ist ihr hilflos erlegen, als wäre sie eine neue Droge, deren Wirkung er nicht kennt, die ihn aber schlagartig süchtig macht und von der er nie mehr lebend loskommen wird...
 

Schwarz, schwarz, schwarz und blau,

Schlugen sie mich, bis alles taub war
 

Ihre Worte genügen dem Käfer-Trainer voll und ganz. Nun kann er sich sicher sein, dass sein Handeln ihren Wünschen entsprechen wird. Herausfordernd grinst er sie einen Moment lang an. Dann überrumpelt er sie, wie sie es zuvor schon bei ihm getan hat und drückt sie in die Laken. Etwas überrascht von seiner plötzlich so impulsiven Art, schaut sie fast schon scheu zu ihm auf.
 

Sag es dem Teufel, wenn du dahin zurückgehst,

Wo du herkamst

Wahnsinnige Frau, böse Frau, dass ist es, was du bist
 

„Keine Sorge. Ich werd‘ den Dreckskerl ganz sicher vergessen! Wie könnt‘ ich’s auch nich‘, wenn du bei mir bist?“, raunt der Weißhaarige ihr mit tiefer Stimme entgegen. Äußerlich schenkt sie ihm ein hingebungsvolles Lächeln. Innerlich hakt sie einen weiteren Punkt auf ihrem Plan ab, um endlich an ihr Ziel zu kommen. Endlich einen Weg zu ihren geliebten Ultrabestien zu finden. Nur das zählt, einzig und allein das und sonst nichts! Nicht dieser hoffnungslos idiotische Bengel, nicht ihre verlogenen Kinder, nicht ihr treuloser Ehemann und schon gar nicht dieses nichtssagende Alola mit all seiner falschen Fröhlichkeit.
 

Du lächelst mir ins Gesicht,

Während du die Bremsen meines Autos durchtrennst

Gab dir alles, was ich hatte
 

Als Bromley sie wieder küsst und seine Hände langsam beginnen ihren Körper zu erforschen, denkt Samantha nur an diese fremde Welt – die Ultradimension – und die wundervollen Wesen, die dort leben und nur darauf warten von ihr mit all ihrer Liebe überschüttet zu werden. Nicht einmal im Traum hätte sie gedacht, dass es so leicht werden würde, diesen hirnlosen Streuner von sich zu überzeugen. Erst recht nicht, nachdem er ihr offenbart hat, dass er eine Beziehung mit einem anderen Mann hatte.
 

Und du hast es in den Wind geschossen

Du hast es in den Wind geschossen

Mir all deine Liebe zu geben, ist alles, was ich je verlangt habe
 

Doch sie scheint Glück zu haben, dass er sich nicht völlig auf dieser Seite des Ufers fest gebissen hat. Und selbst, wenn dem so wäre, geht ihm das Ganze scheinbar immer noch so nahe, dass ihm jede Art von Trost recht ist, nur um ihn zu vergessen. Und genau darin liegt ihre Stärke. Sie nutzt die zerbrechliche Schwäche seines Geistes und das angerissene Band seiner verkümmerten Emotionen für sich aus und wiegt ihn in Sicherheit. Doch der Tag wird kommen, da braucht sie ihn nicht mehr und dann wird sie mit dem scharf geschliffenen Messer hinter ihm stehen und es ihn ohne jedes Gefühl in den Rücken rammen. Sich daran ergötzen, wie er elendig zu Grunde geht, während sie mit ihren über alles geliebten Ultrabestien in die vollkommene Glückseligkeit eintritt!
 

Denn, was du nicht verstehst…

Ich würde eine Granate für dich fangen

Meine Hand auf eine Klinge für dich schlagen
 


 

5
 

Als es endet, sinkt er keuchend mit dem Kopf auf ihren Bauch hinab. Samantha hingegen starrt nur mit großen Augen zur Decke empor. Sie kann es gar nicht glauben. So hat sie sich das Ganze nicht vorgestellt! Eigentlich sollte sie, sie allein die Führung bei diesem Spielchen haben, doch Bromley hat sie irgendwann einfach überwältigt.
 

Ich würde vor einen Zug für dich springen

Du weißt, dass ich alles für dich tun würde

Ich würde durch all diesen Schmerz gehen
 

Die anfängliche Wut darüber, verflog jedoch nur einen Augenblick später und wich einer Erregung, die sie seit der Geburt ihrer Kinder nicht mehr erlebt hat. Sie war schlichtweg fassungslos von seiner jugendlichen Triebhaftigkeit. Dabei wirkte er jedoch keineswegs forsch und selbstgefällig, wie es junge Männer oft sind, im Gedanken sich einer älteren Frau gegenüber beweisen zu müssen. Ganz im Gegenteil, er hat sich unglaublich hingebungsvoll um sie gekümmert, was so gar nicht seinem rebellischen Charakter zu entsprechen scheint. So etwas hätte sie ihm nun wirklich nicht zugetraut.
 

Eine Kugel direkt durch meinen Kopf jagen

Ich würde für dich sterben, Baby

Doch du würdest nicht Dasselbe tun
 

Noch immer ist sie deswegen völlig durcheinander, was aber nicht bedeutet, dass sie diesem kleinen Streuner mehr Gefühl als nötig entgegenbringen muss. Was zwischen ihnen ist, ist vollkommen bedeutungslos für sie. Es dient einzig und allein dem Zweck, dass er ihr hilft, einen Zugang zu ihren geliebten Ultrabestien zu finden! Außerdem hat er es doch tatsächlich gewagt, sie im Moment größter Erregung ‚Sammy‘ zu nennen. Ein Spitzname, den ihr verschollener Ehemann in so einem Moment auch immer benutzt hat und der nur ihm vorbehalten war, weil sie ihn sonst abgrundtief hasst, da er so maskulin klingt.
 

Wenn mein Körper brennen würde

Du würdest nur zusehen, wie die Flammen mich niederstrecken
 

Als Bromley ihr diesen Namen so unbewusst entgegen hauchte, kamen all die Gefühle für Mohn wieder in ihr hoch. Wie verletzt und einsam sie sich seit seinem Verschwinden doch fühlt. Wie undankbar ihre eigenen Kinder sich ihr gegenüber seither verhalten und vieles mehr. Nein, er sollte sie nicht so nennen, niemals! Daher wird es jetzt auch Zeit, ihm dies ein bisschen mehr klar zumachen. Sie merkt, dass er sich inzwischen wieder etwas beruhigt hat und nun langsam in die Müdigkeit abzudriften beginnt. Wut staut sich plötzlich in ihr auf.
 

Du sagtest, dass du mich liebst, du bist ein Lügner,

Denn du hast das nie jemals getan, Baby
 

„Runter von mir!“, fährt sie ihn grob an. Irritiert wendet Bromley ihr sein verschlafenes Gesicht zu, doch die Worte scheinen nicht zu ihm durchgedrungen zu sein. „Ich habe gesagt, runter von mir, du widerlicher Mistkerl!“ Heftig zuckt der Weißhaarige unter ihrer strengen Stimme zusammen, drückt sich ungelenk hoch und sieht sie hilflos verwirrt an. „Weg, habe ich gesagt!“, kommt es außer sich von ihr und sie versetzt ihm einen kräftigen Schubs. Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet und so wirft es ihn nach hinten und er schlägt hart mit dem Kopf gegen den metallischen Zierrand am Fußende.
 

Aber Schatz, ich würde immer noch eine Granate für dich fangen

Meine Hand auf eine Klinge für dich schlagen
 

Schmerzlich stöhnt er auf und blickt entsetzt zu ihr hinüber. Ja, jetzt hat sie ihn da, wo sie ihn haben will! Jetzt wird er spüren, wer hier das Sagen hat und, dass er nichts weiter ist, als ihr Fußabtreter! „Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist? Und was fällt dir eigentlich ein, mich so zu demütigen und zu beschmutzen?“, faucht sie ihn an. Schuldbewusst zuckt Bromley zusammen, auch, wenn er nicht die geringste Ahnung hat, was sie eigentlich meint. Schließlich hat sie sich die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal beschwert.
 

Ich würde vor einen Zug für dich springen

Du weißt, dass ich alles für dich tun würde
 

Samantha kann deutlich sehen, wie labil sein Verstand in diesem Moment ist und, dass jedes weitere Nachbohren in der Wunde das Fass zum Überlaufen bringen kann. Der Anblick gefällt ihr durchaus. Dieses Gefühl von Macht ist genau das, was sie sich immer gewünscht hat. Plötzlich reißt Bromley aber weit die Augen auf. In seinem mitgenommenen Kopf entstehen auf einmal Bilder, grauenvolle Bilder, die ihm weiß zumachen versuchen, er hätte ihr wirklich schreckliche Dinge angetan. Fassungslos sitzt er da, starrt sie an und zittert unkontrolliert. „Nein…“, flüstert er hilflos. „Du brauchst es gar nicht zu leugnen, du mieses Schwein!“, entgegnet sie ihm vergnügt, ohne zu wissen, was ihn jetzt eigentlich so verschreckt. Es werden immer mehr Bilder, immer furchtbarere, bis ihm fast der Kopf platzt. „Nein!“, presst er erneut hervor. Hilflos kauert er sich zusammen, rauft sich die Haare und beginnt hemmungslos zu weinen. „Nein, bitte! Es tut mir leid…!“, wimmert er und kauert sich immer mehr zusammen. Sein Kopf schmerzt, ihm stockt fast der Atem, sein Herz wummert mit der Gewalt eines Vorschlaghammers gegen seine bebende Brust und sie ergötzt sich an seinem Leid.
 

Ich würde durch all diesen Schmerz gehen

Eine Kugel direkt durch meinen Kopf jagen
 

Dann plötzlich taucht in seinem überforderten Geist das Bild seines Vaters auf. Wütend kommt er immer näher, drohend den verbogenen Golfschläger in der Hand. ‚Bromley, was treibst du denn da?‘, brüllt er ihm zornig entgegen, als wäre er noch ein kleines Kind. Dieser Satz ist für den jungen Mann noch immer wie ein böses Mantra, sodass er ihn im selben Moment laut ausspricht. ‚Du bist ein Nichtsnutz! Ein Schwächling und dafür werde ich dich jetzt bestrafen!‘, verkündet sein Vater, wie all die Jahre seiner traumatischen Kindheit und holt mit dem Golfschläger aus. „Nein! Nein, bitte nich‘…“, wimmert der Käfer-Trainer verzweifelt. „AH!“, schreit er hemmungslos hinaus, als das Dreiereisen brutal auf ihn hernieder saust. Dann ist plötzlich alles schwarz in seinem Kopf und er stürzt in einen bodenlosen Abgrund. Fasziniert beobachtet die Blondine das merkwürdige Schauspiel. Doch, als sein entsetzlicher Schrei die Stille zerreißt, schreckt auch sie zusammen. Ihr wird klar, dass Bromley wohl irgendeine Grenze überschritten hat und nun dringend Hilfe braucht, ehe er daran wohlmöglich noch völlig zu Grunde geht. Doch das ist jetzt überhaupt nicht angebracht, immerhin braucht sie ihn doch noch eine Weile. So etwas wie Sorge durchflutet ihren Körper und sie streicht ihm sanft über den bebenden Rücken.
 

Ich würde für dich sterben, Baby

Doch du würdest nicht Dasselbe tun
 

„Alles wird gut, mein Hübscher. Du hast nichts falsch gemacht.“, versucht sie ihn zu beruhigen. Ganz langsam hebt er den Kopf und blickt sie mit feuchten Augen an. „Was?“, fragt er leise, längst vergessen sind die bösen Worte, die sie ihm entgegen geworfen hat. „Es ist alles in Ordnung, Bromley. Du musst dir keine Vorwürfe machen.“ Ungläubig mustert er sie. „Ich – ich hab‘ dir nich‘ weh getan?“, kommt es hoffnungsvoll von ihm. „Nein, mir geht es gut. Aber, was hast du denn?“ Besorgt wischt sie ihm die feuchten Wangen trocken. „Ich weiß nich‘. - Ich dacht‘, ich hätt‘ dich verletzt und…“, seine Stimme bricht. „Nein, mir fehlt wirklich nichts.“ Liebevoll nimmt sie ihn in die Arme. Zitternd holt er Luft und schmiegt sich an sie. Wenig später ist er an ihrer Brust eingeschlafen, wie ein neu geborener Säugling.
 

Nein, du wirst nicht Dasselbe tun

Du würdest nicht Dasselbe tun
 

Mit einem triumphierenden Gefühl streicht sie durch seine wirren Haare, als würde sie einen treuen Schoßhund streicheln. Ja, ein Schoßhund, genau das ist er! Sie muss ihn nur noch ein bisschen zu ihren Gunsten erziehen und dabei aufpassen, dass sie es nicht ganz so übertreibt, damit er nicht völlig den Verstand verliert. Dann steht der Erfüllung ihres Traumes nichts mehr im Wege! Mit diesem schönen Gedanken fallen auch ihr die Augen zu und sie sinkt wohlbehalten in den Schlaf, während sich die Nacht über der künstlichen Insel ausbreitet, wie ein dunkles Tuch.
 

Oh, du tust niemals Dasselbe

Nein, nein, nein, nein


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Bruno Mars – Grenade – Übersetzung Komplett anzeigen

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