Crazy like a skull von RaoulVegas (Das Paradies hat einen Haken) ================================================================================ It's hard to start ------------------ 1 Der Morgen ist friedlich, noch halb gefangen in den zärtlichen Armen der schwindenden Nacht. Feine, schimmernde Bodennebel steigen vom noch taufeuchten Gras auf. Das Laub der Bäume und Hecken, die den Friedhof von Hauholi City umrunden, raschelt im sanften, warmen Wind. Idyllisch ist es hier und eigentümlich wohltuend, findet zumindest der kleine Junge mit den schwarzen Haaren, der gedankenverloren an den Reihen aus unbekannten Grabsteinen entlangwandert. Es herrscht eine Stimmung wie auf einer Illustration in einem Buch mit romantischen Gedichten. Hier fühlt sich Bromley seltsam geborgen, fast schon behütet, ganz im Gegensatz zu seinem Zuhause, das in der Nähe des Friedhofs steht und in dem sich seine Eltern keinen Deut um das Wohlergehen ihres einzigen Kindes kümmern. Oder besser gesagt sein Vater. Seine Mutter bemüht sich, ist allerdings nicht wirklich in der Lage etwas für ihn zu tun, da sie mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat. In den Augen seines Erzeugers ist er jedoch einfach nur nutzlos und eine Last, die er gezwungen ist, mit sich zu führen. Als er vor elf Jahren auf die Welt kam, sah das noch ganz anders aus. Damals hatte er viele Hoffnungen in seinen Sohn. Doch im Laufe der Zeit schien er sich immer mehr entgegen seiner Erwartungen zu entwickeln, weswegen er ihn mehr oder minder aufgegeben hat. Der Junge begreift allerdings bis heute nicht, was sein Vater für ein Problem mit ihm hat. Stets versucht er jeden Wunsch seiner Eltern zu erfüllen und sie stolz zu machen, doch egal was auch immer er tut, es ist in den Augen seines Vaters das Falsche, was er ihn sehr oft auch schmerzhaft spüren lässt... Der Schwarzhaarige braucht sich keine Mühe zu geben, um zu wissen, dass die Entscheidung hierher zu kommen, richtig war. In diesem Moment vernimmt er lautstark die Stimme seines Vaters, der sich wieder über irgendetwas aufregt und wie so oft ist es ihm dabei völlig egal, dass ein Fenster oder die Haustür offensteht und ein jeder, der am Haus vorbeiläuft seinen Ausbruch mitbekommen kann. Bromley ist jedoch von einer gewissen Erleichterung umfangen, dass die Wut des Mannes ihn diesmal nicht treffen wird. Zumindest nicht so bald, da er nicht vorhatte so schnell wieder nach Hause zu gehen. Soll sich der Alte erst mal wieder etwas abreagieren und dann sehen wir weiter. Dennoch überkommt ihn auch ein Gefühl der Angst, was wohl mit seiner Mutter passieren könnte. Immerhin ist sie mit diesem brutalen Kerl allein im Haus und kann ihm nichts entgegenbringen. Doch für gewöhnlich vergreift er sich nicht an ihr, nicht seit dem einen Mal damals, das alles verändert hat… 2 Der Junge ahnt nicht, dass diesmal weder er, noch seine Mutter für den Ausbruch des Vaters verantwortlich sind und auch dies wird weitreichende Veränderungen mit sich bringen, wie er am Ende dieses Tages feststellen wird. Allzu lange bleibt Bromley auch nicht mehr mit seinen Gedanken allein. Am anderen Ende des Friedhofs betritt ein Mann mittleren Alters die Ruhestätte zwischen den Bäumen und hält schon nach ihm Ausschau. Es dauert jedoch eine ganze Weile, ehe er das Kind im hintersten Winkel entdeckt. Der Schwarzhaarige hockt vor einem fast mannshohen Grabstein und starrt auf die kaum noch lesbare Inschrift. Die Stelle ist allerdings von frischen Blumen umgeben und ordentlich hergerichtet, so wie der Rest des Friedhofs. Beim Anblick des Kindes überkommt den Grauhaarigen ein gewisser Wehmut, doch er hofft, dem Jungen mit seinem Vorschlag helfen zu können, damit er wieder fröhlich wird und für sein miserables Leben einen Sinn findet. Mit langsamen, bedächtigen Schritten nähert sich der Mann der Stelle. Zu dieser frühen Stunde ist außer ihnen beiden noch niemand hier, weshalb er sich ziemlich gut vorstellen kann, warum sich Bromley oft hierhin verzieht, um dem Chaos seiner Familie wenigstens ein paar Stunden entgehen zu können. Schweigend stellt er sich neben den am Boden hockenden Jungen und betrachtet den verwaschenen Grabstein, versucht zu entziffern, wer hier seine letzte Ruhe gefunden hat. Allerdings ist dies vollkommen unmöglich, zu verwittert ist die Inschrift, auch wenn der Rest mühevoll zurechtgemacht wurde. Doch er weiß, dass der Junge diesen Ort völlig willkürlich ausgesucht hat und weder diesen Verstorbenen, noch einen anderen hier kennt. Er im Grunde nur einen friedlichen Ort zum Nachdenken gesucht hat und letztendlich hier hängengeblieben ist. Das Erscheinen des Mannes bleibt aber nicht lange unbemerkt. Vorsichtig linst Bromley zur Seite, um festzustellen, wer ihn hier in seiner Einsamkeit stört. Zu seiner Überraschung muss er jedoch bemerken, dass es sich um Heinrich Eich handelt, den hiesigen Pokémon-Professor. Diese Tatsache lässt das leichte Unbehagen von ihm abfallen, das sich aufgebaut hat, als der Fremde neben ihm zum Stehen kam. Dies bringt der Jungs mit einem leichten Seufzen zum Ausdruck, ehe er wieder unbeirrt auf den unleserlichen Grabstein starrt. Etwas schwerfällig versucht sich Heinrich ebenfalls hinzuhocken, damit er besser mit dem Schwarzhaarigen reden kann. Dieser wirkt im Moment immerhin nicht so, als würde er sich gern unterhalten wollen oder auch nur die Gesellschaft eines anderen suchen. Nach dem aufreibenden Besuch bei seinen Eltern, kann sich der Grauhaarige das auch nur allzu gut vorstellen. „Hallo Bromley.“, versucht Heinrich sein Glück schließlich. „Yo Prof. Was geht?“, erwidert der Junge trübsinnig und es klingt keinesfalls so, als würde ihn das wirklich interessieren. Doch trotz seiner gewöhnungsbedürftigen Sprechweise wirkt sein Tonfall werden ablehnend, noch unhöflich oder gar trotzig. Eich weiß zwar beim besten Willen nicht, wo der Kleine so eine Aussprache herhat, scheint er doch weit und breit der Einzige zu sein, der sie benutzt, doch irgendwie passt sie zu ihm. Und solange er den Knaben noch halbwegs versteht, ist es auch nicht weiter schlimm. „Ich glaube zwar zu wissen, dass du das nicht so gemeint hast, aber ich hoffe, wir beide werden gehen.“, lächelt der Ältere ihm sanft entgegen. Ein heftiges Zucken jagt durch den jungen Körper und er wendet Heinrich ruckartig das Gesicht zu. In seinen großen, schiefergrauen Augen spiegelt sich plötzlich tiefsitzende Angst wieder, die dem Professor beinahe das Herz bricht. „Hat mein Alter dich etwa geschickt, um mich zurückzuholen?“, kommt es voller Entsetzen von dem Jungen. Ehe er eine Antwort bekommt, springt er auch schon hektisch auf und blickt sich nach einem möglichen Fluchtweg um. Beschwichtigend hebt der Mann die Hände und lächelt wieder sanft. „Du liebe Güte, nein! – Inselkönig Hala schickt mich. Ich habe lediglich deswegen mit deinen Eltern geredet. – Auch, wenn ich mir das gern erspart hätte…“, erklärt sich der Professor und kommt langsam wieder auf die Füße. Vollkommen perplex mustert ihn der Junge, entspannt sich dabei jedoch kaum. „Meister Hala schickt dich? Egal, was ich gemacht hab‘, ich war‘s nich‘…!“, kommt es schon nahezu panisch von dem Kind, bevor es ein paar Schritt zurückweicht. Schließlich hat er aber eine Hecke im Rücken und kann nicht weiter. Ein leichtes Zittern jagt durch seinen zu großgewachsenen Körper. Voll Kummer betrachtet Eich dieses Schauspiel. Doch ganz nachvollziehen kann er es nicht. Hala ist ein sehr netter und stets gütiger Mann und damit nur allzu geeignet, um Mele-Mele stolz und gerecht zu regieren. Es gibt also keinen Grund für Bromley so verängstigt zu sein. Doch Heinrich ist sich sicher, dass dies auch nicht der Grund dafür ist. Vielmehr ist es wohl die Tatsache, dass er auch mit seinen Eltern gesprochen hat und so wie es sich vermutlich anhörte, sein Vater allen Grund zur Wut hat, die er dann wohl wieder an ihm auslässt. „Du brauchst keine Angst zu haben, Bromley. Du hast nichts angestellt. Im Gegenteil, es ist etwas Schönes, das mich herführt. Immerhin bist du inzwischen doch schon elf Jahre alt, nicht wahr?“ Nun blickt ihn der Junge nur noch verwirrt an. Fürs Erste scheint seine Angst jedoch verschwunden. „Yo, seit ‘n paar Wochen. Wieso?“, nun schwingt Argwohn in seiner Stimme mit und er mustert den Mann vor sich genauer. Dieser nickt bestätigend. „Wusste ich es doch und es tut mir auch wirklich leid, dass ich erst jetzt komme und nicht schon vor einem Jahr. Doch es fand sich einfach kein anderes Kind im richtigen Alter. Aber vor einem Monat zog ein Junge aus Kanto hierher, der sich jetzt bereit für die Reise fühlt.“ Verständnislos hebt Bromley eine Augenbraue und gewinnt sein Selbstvertrauen wieder. „Wovon faselste da eigentlich?“, verlangt er nun zu wissen. „Na, ich rede vom Trainerdasein und der Inselwanderschaft.“, erklärt sich Eich nun endlich. Plötzlich werden die Augen des Schwarzhaarigen ganz groß und ihm klappt der Mund auf. „Was? Is‘ nich‘ dein Ernst?!“, platzt es aus ihm heraus. „Doch das ist es. Heute ist endlich dein großer Tag gekommen, Bromley. Und genau deswegen hat mich Hala auch geschickt, um dich abzuholen und mit deinen Eltern zu sprechen.“ Nun legt sich wieder ein Schleier über das Gesicht des Jungen. „Und – und meine Leute sind damit einverstanden?“, fragt er vorsichtig und versteht nun auch langsam, worüber sich sein Vater vorhin wohl so aufgeregt hat. „Ja, das sind sie, mein Junge. Und deine Mutter hat mir dies hier für dich mitgegeben.“ Er überrecht dem Kleinen einen Rucksack mit etwas zu Essen, ein paar Klamotten und anderen Dingen. Gedanklich kann Eich nur seufzen, wenn er an das Gespräch mit den Eltern denkt. Seine Mutter schien völlig aufgelöst bei dem Gedanken zu sein, ihren kleinen Jungen in die weite Welt hinaus zu schicken. Sein Vater hingegen hat sich zwar unglaublich aufgeregt, aber im Endeffekt war dies eher, weil Eich jetzt erst kam und nicht vor einem Jahr und er doch ziemlich froh darüber zu seien scheint, den nichtsnutzigen Bengel – was noch der netteste Begriff war, mit dem er seinen Sohn betitelt hat – endlich los zu sein. Langsam greift Brolmey nach seinem Rucksack und presst ihn sich einige Sekunden an die Brust. Er wirkt, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, doch diese Blöße gibt er sich vor dem Professor nicht. Stattdessen schnieft er einmal laut und setzt sich dann den Rucksack auf. Nun schleicht sich auch so etwas wie Aufregung in sein junges Gesicht. Vorfreudig blickt er zu dem Grauhaarigen auf und schenkt ihm ein Lächeln, von dem sich Eich augenblicklich anstecken lässt. „So gefällst du mir schon viel besser. Und? Bist du bereit für deine Reise, Bromley?“ Der Angesprochene grinst über das ganze Gesicht und seine Augen leuchten hell wie die Sterne – eine Tatsache, die der Professor schon seit vielen Jahren nicht mehr bei ihm gesehen hat. „Yo! Und wie!“, erwidert der Junge begeistert und folgt ihm flink zum Eingang des Friedhofs. 3 Als die beiden an Brolmey‘s Elternhaus vorbeikommen, würdigt der Junge es keines Blickes. Doch das muss er auch nicht. Zu viele schlechte Erinnerungen sind mit deinem Ort verbunden, um ihm nachzuweinen. Stattdessen richtet er den Blick vorwärts und lässt sich die Freude nicht nehmen. ‚Das war definitiv die richtige Entscheidung! So kann doch noch etwas Anständiges aus ihm werden.‘, geht es Eich durch den Kopf, als er den Jungen auf die Route nach Lili‘i führt. Der Weg ist jedoch ziemlich weit. Sie legen ihn größtenteils schweigend zurück, doch das ist nicht schlimm, da der Schwarzhaarige sein Lächeln die ganze Zeit nicht verliert. Spürst du es auch, dieses Gefühl tief in dir? Gegen Mittag erreichen die zwei schließlich das beschauliche Dorf, in dem der Inselkönig wohnt und das den Start einer jeden Inselwanderschaft markiert. Bromley war schon einige Male hier, doch nie schien der kleine Ort eine so magische Anziehung auf ihn auszuüben, wie in diesem Augenblick. Staunend blickt er sich um. Für die Verabschiedung der frischgebackenen Trainer ist alles festlich geschmückt worden und alle Leute des Dorfes und der näheren Umgebung scheinen anwesend. Das Ganze ist schier überwältigend und das nur, weil er hier ist. Der Schwarzhaarige kann es kaum fassen. Nie in seinem ganzen Leben wurde so ein Trubel für ihn veranstaltet. Klar gibt es da noch einen anderen Jungen, aber dennoch ist es einfach sagenhaft. Langsam führt Heinrich ihn durch das Dorf. Das du dich langsam in dir verlierst? In der Mitte befindet sich eine hölzerne Plattform, die dem Inselkönig als Podest für Reden dient, oder aber für Showkämpfe, Festakte und natürlich um dem Schutzpatron der Insel - Kapu-Riki - zu huldigen. In ihrem Zentrum befindet sich jetzt Hala und hält eine Ansprache, die begeistert von allen Anwesenden vernommen wird, die sich um die Plattform versammelt haben. Heinrich und Bromley drängeln sich noch dazwischen. Der rundliche Inselkönig beendet seinen Satz und wirft einen Blick in die Runde. „Ah, wie ich sehe, sind wir inzwischen vollzählig. Dann kann unser Festakt ja nun beginnen. – Ich hoffe, du siehst gut zu Kapu-Riki, damit du in Zukunft schützend deine Arme über unsere jungen Trainer ausbreiten kannst!“, verkündet er lautstark. Daraufhin senkt sich Schweigen über das gesamte Dorf und ein jeder lauscht, ob der Schutzpatron sich wohl zu Wort melden wird. Fragst du dich, wohin die Reise geht? Angespannt hält Bromley die Luft an. Kapu-Riki ist sehr eigensinnig und zeigt sich nur äußerst selten. Doch es hat eine ausgesprochen kämpferische Ader und lässt sich nur ungern ein solches Spektakel entgehen. Und so ist es auch heute. Das Kapu zeigt sich zwar nicht, aber seine Rufe schallen durch den dichten Wald, der das Dorf umgibt und zeugen so von seinem Wohlwollen. Zufrieden nickt der Inselkönig und erhebt wieder die Stimme. „Kapu-Riki, wir danken dir für deine Zustimmung und hoffen, dass dir unser Fest gefallen wird!“, ruft er laut in den Himmel hinein, woraufhin ein weiterer Ruf des Pokémon laut wird. Kurz darauf huscht blitzschnell ein dunkler Schatten über den Platz hinweg, es raschelt in den Bäumen und dann kehrt wieder Frieden ein – das Kapu hat sich verzogen. Und ob du diesen Weg allein gehst? „Gut, liebe Freunde, lasst uns mit der Zeremonie beginnen.“, fährt Hala fort. Ein schallender Applaus erfüllt kurzzeitig den Festplatz, dann herrscht erwartungsvolles Schweigen. „Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um zwei junge Trainer zu ernennen und sie dann auf ihre große Reise – die Inselwanderschaft – zu schicken. Also verlieren wir keine Zeit! Der erste mutige Junge, der diese Herausforderung antreten wird, ist Bromley Guzman. Viele von euch kennen ihn gut, wohnt er doch ganz in der Nähe des Hauholi-Friedhofs. Komm doch bitte zu mir herauf, mein Junge.“, fordert der rundliche Mann ihn auf. Plötzlich teilt sich die Menge und alle Augen richten sich auf den Schwarzhaarigen. Überrascht zuckt er zusammen und fühlt sich im ersten Moment doch ziemlich überfordert. Doch dann legt sich Heinrichs Hand auf seine Schulter und der Professor lächelt ihm sanft zu. Weißt du nicht weiter, weißt du nicht wohin? Etwas unsicher sieht Bromley zu dem Mann auf, dann atmet er tief durch und steigt auf die niedrige Plattform. Hala winkt ihn zu sich und nimmt dann seine Ansprache wieder auf. „Unser zweiter Anwärter ist noch ein sehr unbeschriebenes Blatt, ist er doch erst vor einem Monat von Kanto hier nach Alola gezogen. Mit seinen Eltern wohnt er am Strandabschnitt an der Grenze zu Hauholi City. Sein Name ist Manuel Kukui und wir hoffen natürlich, dass du nur den besten Eindruck von unserem herrlichen Inselparadies bekommst, mein Junge. Also würde ich dich bitten auch zu mir hinauf zu kommen.“ Wieder teilt sich die Menge und ein eher schmächtiger Junge mit dicker Brille tritt langsam daraus hervor und besteigt die Plattform. Oben angekommen, wendet er sich herum und blickt zu seinen Eltern, die ihn an diesem besonderen Tag begleitet haben und ihm nun stolz zuwinken. Suchst du das Licht, das deinen Weg erhellt? Bei diesem liebevollen Anblick verkrampft sich Bromley‘s Herz augenblicklich und er sieht betrübt zu Boden. Sein Vater würde nie auch nur auf den Gedanken kommen hier mitwirken zu wollen und selbst wenn, wäre er nicht stolz auf seinen missratenen Sohn. Seine Mutter wäre es sicherlich, doch sie könnte es nicht wirklich ausdrücken und der Vater würde sie auch nicht an so einer Veranstaltung teilnehmen lassen. Ein wenig verachtet er daher diesen fremden Jungen, der alles hat, was sich Bromley immer gewünscht hat. Gleichzeitig ist dieses Gefühl aber völlig irrational, da er den Brünetten nicht für etwas verantwortlich machen kann, dass sich nicht beeinflussen lässt. Dennoch betrübt ihn das Ganze. Aber nur für einen Moment, dann legt sich Halas warme Hand tröstend auf seine Schulter und die Menge lässt einen erneuten Applaus ertönen, um die beiden Jungs in ihrem bevorstehenden Tun zu unterstützen. Spürst du die Einsamkeit in deinem Herz? „Man sieht euch Jungs schon jetzt die Wanderlust an, also wollen wir keine Zeit verschwänden und euch gut vorbereiten.“, erläutert Hala und zieht zwei kleine Heftchen aus seiner Tasche. Als er sie aufschlägt, kann man in jedem ein Foto des jungen Trainers sehen und den dazugehörigen Namen. Mit einer fließenden Bewegung zieht der Inselkönig einen Stempel hervor und platziert einen Abdruck davon in jedem der Heftchen. „So, der erste Schritt eurer Wanderschaft ist hiermit gemacht. Nun seid ihr echte Trainer und dieser Pass wird jedem zeigen, wie weit ihr schon auf eurer Reise gekommen seid, denn jeder Inselkönig, den ihr bezwungen habt, wird einen weiteren Stempel hineinsetzen und wenn ihr alle zusammenhabt, dann seid ihr bereit Champions zu werden und euch in der Welt zu behaupten. Und wer weiß, vielleicht werdet ihr sogar einmal Captains oder Inselkönige? In jedem Fall stehen euch alle Türen offen, sobald ihr eure Wanderschaft erfolgreich abgeschlossen habt.“ Weißt du nicht mehr, wem du vertrauen kannst? Mit einem breiten Lächeln überreicht Hala den beiden Jungs ihren Trainerpass. Doch das ist noch längst nicht alles. Nun winkt er Heinrich zu sich. Dieser überreicht den Jungs einen kleinen Taschencomputer. „Mit diesem Pokédex könnt ihr jedes Pokémon in Alola erfassen und ich würde mich freuen, wenn es euch gelingen würde ihn zu füllen. Das hilft nämlich auch mir bei meiner Forschung. Und wer weiß, vielleicht gelingt es euch ja sogar ein bisher unbekanntes Pokémon zu entdecken? Wenn das kein Ansporn für euch ist, sich richtig reinzuhängen, dann weiß ich auch nicht!“, grinst der Professor, begleitet vom Jubel der Menge. Zustimmend nickt Hala wieder, bevor er weiterspricht. „So, nun seid ihr zwei perfekt für eure Wanderschaft ausgerüstet. Es fehlt nur noch eine Kleinigkeit. Immerhin können wir euch ja nicht einfach so schutzlos ins Unbekannte schicken. Euch fehlt also noch ein treuer Begleiter, auf den ihr euch immer verlassen könnt und der jeden Kampf mit euch durchsteht. Und ich denke, ich habe da genau die richtigen Pokémon für euch ausgewählt.“ Sehnst du dich nach Geborgenheit? Der rundliche Mann zieht einen rotweißen Pokéball aus seiner Tasche und lässt ihn aufschnappen. Daraus hervor springt ein kleiner, hellbrauner Welpe, der sich fröhlich kläffend umsieht und über die Plattform rennt, um an den vielen Menschen um sich herum zu schnuppern. Lachend gibt Hala ein kurzes Pfeifen von sich, woraufhin der junge Hund flink angelaufen kommt und sich schwanzwedelnd vor ihn setzt. Der Inselkönig beugt sich kurz herab und streichelt dem Pokémon über den Kopf. Dieses leckt ihm begeistert über die Hand und versucht aufgeregt an ihm hochzuspringen. Das lässt Hala jedoch nicht zu, sondern macht ihm klar, sich wieder hinzusetzen. Etwas wiederwillig kommt das kleine Pokémon der Aufforderung nach, dennoch ist es nicht zu übersehen, dass es ihm sehr schwer zu fallen scheint still zu sitzen. Mit großen Augen beobachten die beiden Jungs das Ganze, bis Hala wieder das Wort ergreift. Und nach der Hand, die deine hält? „Manuel, ich denke, dieses Wuffels ist genau das richtige Pokémon für dich. Die Kleine ist noch ziemlich wild und ungestüm und es wird eine ganze Weile dauern, bis sie dir gehorsam folgt, doch wenn es soweit ist, wird sie dir eine sehr treue und anhängliche Begleiterin sein, die sich mutig in jeden Kampf stürzt und dich vor allen Gefahren beschützt, die dir auf deiner Reise begegnen werden. Sie braucht eine sehr geduldige Hand und das wird auch dir helfen Geduld und vor allen Dingen Durchsetzungsvermögen zu lernen.“, erläutert der Grauhaarige und überreicht dem Jungen dann den Pokéball. „Vielen Dank, Meister Hala.“, gibt Manuel zurück und richtet den rotweißen Ball auf den hyperaktiven Welpen. Er schnappt auf und saugt das Pokémon zurück in sein Inneres. Wünschst du dir am Ziel zu sein? Einen Moment später zieht Hala einen weiteren Pokéball aus seiner Tasche und lässt ihn aufschnappen. Was sich diesmal auf der Plattform manifestiert, gleicht einer großen, violett-grauen Assel. Hektisch jagen die gelben Augen des Pokémon durch die Gegend, registrieren die vielen Menschen um sich herum. Die langen Fühler zucken ruckartig hin und her. Dann knackt irgendwo im Wald ein Ast. Ein Schreck gleitet über den flachen Körper des Käfers hinweg. Der lange Schwanz zuckt in die Höhe und schon den Bruchteil einer Sekunde später ist das Pokémon verschwunden. Zitternd versteckt es sich zwischen Halas Beinen und blickt sich ängstlich um. Mit einem nachsichtigen Lächeln streicht der Inselkönig vorsichtig über den Rücken der Assel und lockt sie langsam wieder hervor. Sehr misstrauisch kommt der Käfer der Aufforderung nach und wirkt auch dann nicht sonderlich angetan von den vielen Leuten um sich herum. Nervös blickt es zu Hala auf und versucht dem Zwang zu wiederstehen einfach die Flucht zu ergreifen. Am Ende der Reise, am Anfang von dir? „Bromley, ich weiß, dass du eine Schwäche für Käfer-Pokémon hast und daher denke ich, dass diese Reißlaus genau das Richtige für dich ist. Doch auch dir muss ich sagen, dass es nicht leicht mit der Kleinen wird. Du siehst es ja selbst, sie ist sehr scheu und allzeit zur Flucht bereit, was bei ihr aber ein ganz natürlicher Reflex ist. Daher brauchst auch du sehr viel Geduld, um Vertrauen zu ihr aufzubauen. Doch ich bin sicher, es wird auch dir helfen Geduld und vor allem Sanftmut zu lernen. Wenn du das schaffst, wird sie dir auch eine treue Partnerin und eine starke Stütze im Kampf sein. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, an dem ihr beide wachsen werdet.“ Zuversichtlich überreicht Hala dem Schwarzhaarigen den Pokéball. „Danke, Meister.“, erwidert Bromley und richtet ihn auf das ängstlich dreinschauende Pokémon. Ehe es wieder weglaufen kann, wird Reißlaus in den Ball gesaugt und Bromley kann sein Glück noch gar nicht fassen, ein Käfer-Pokémon bekommen zu haben. Verbrenn all die Brücken hinter dir! „Nun seid ihr wirklich für eure Inselwanderschaft bereit, doch ohne einen Kampf werdet ihr hier nicht wegkommen, Jungs! Auf eurem Weg werdet ihr sehr vielen Trainern begegnen, die euch herausfordern, also kann es nicht schaden, schon einmal etwas zu üben. Als Rivalen steht ihr euch ebenfalls gegenüber und ich denke, da ist es nur von Vorteil, wenn ihr das Pokémon des anderen einmal in Aktion gesehen habt, bevor ihr loszieht.“, kündigt Hala an. Doch kaum hat er seine Ansprache beendet, meldet sich Manuel schüchtern zu Wort. „Meister? Müssen wir denn Rivalen sein? Ich meine, wäre es nicht einfacher, wenn wir die Wanderschaft gemeinsam bestreiten, als zu versuchen uns gegenseitig zu behindern, wenn wir den anderen immer wieder zu besiegen versuchen?“ Etwas überrascht sieht Hala den kleinen Jungen an, der sich schüchtern die grüngerahmte Brille zurechtrückt und ihn dann unverwandt ansieht. Du bist jetzt am Ziel! „Das wäre sicher durchaus einfacher und wenn ihr beide damit einverstanden seid und das Ganze lieber gemeinsam machen möchtet, habe ich nichts dagegen. Dann muss euch aber auch klar sein, dass ihr voneinander abhängig seid und bis zum Schluss alles zusammen schaffen müsst. Einer allein kann die Wanderschaft nicht zu Ende führen, aus welchen Gründen auch immer. Ihr seid also gezwungen zusammenzuhalten, auch wenn ihr zwischendrin merkt, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war. Es gibt kein Zurück mehr! Also?“ Beinahe streng blickt der rundliche Mann die beiden Jungs nun an und wartet auf eine Entscheidung. Mit einem warmherzigen Lächeln wendet sich Kukui zu dem anderen Jungen um. In den großen, schwarzschimmernden Augen des Kleineren kann Bromley eine tiefe Ehrlichkeit erkennen und den innigen Wunsch nach Frieden und Freundschaft. Der Größere schluckt schwer. So einen Blick hat er noch nie von jemandem bekommen und schon gar nicht von einem anderen Kind. Die meisten fürchten sich eher vor ihm, weil er viel zu groß und zu stark für sein Alter ist und oftmals etwas ungehalten werden kann. Du bist jetzt bei mir! Doch dieser Junge kennt ihn nicht, kennt kaum überhaupt jemanden hier und vielleicht ist gerade das ein Vorteil? Er hat noch keinen Grund, Bromley zu meiden oder zu verachten. Zwar wird die Reise sehr lang sein und sie viele Monate, ja sogar Jahre aneinander gebunden sein, die ihr Verhältnis auf eine harte Probe stellen werden und wie Hala schon sagte, kann einer allein die Wanderschaft nicht erfolgreich abschließen, aber was kümmert es ihn, wenn er dafür einen Freund gewinnt?! Es war zwar schon immer sein Traum auf Inselwanderschaft zu gehen und eines Tages Captain zu werden, aber es war auch immer sein innigster Wunsch einen richtigen Freund zu haben, mit dem er alles teilen kann, der seinen Kummer versteht und ihn erträglicher macht. Allein der Gedanke erwärmt Bromley‘s Herz und er fängt leicht zu lächeln an. Langsam hebt er den Kopf und blickt zu Manuel. „Scheiß drauf! Ziehen wir’s durch, Mann!“, sprudelt es aus dem Schwarzhaarigen heraus. Ich bin das Licht in deiner Dunkelheit! Ein überraschtes Murmeln geht durch die Anwesenden. Die Ausdrucksweise des großgewachsenen Jungen überfordert viele von ihnen immer wieder. Dies geht auch an Manuel nicht spurlos vorbei. Etwas irritiert betrachtet er den anderen Jungen und scheint nachzudenken. Bromley fürchtet schon, dass er jetzt alles kaputtgemacht hat, auch wenn er nicht recht weiß, wieso. Für einen Moment hält er daher sogar die Luft an. Hala scheint es ihm gleichzutun und versucht zur selben Zeit die anderen Leute zu beruhigen. Dann jedoch fängt Kukui herzlich an zu lächeln und streckt ihm die Hand entgegen. „Na, dann auf gute Zusammenarbeit, Partner!“, flötet der Brünette fröhlich. Es dauert einen Augenblick, doch dann ergreift der Größere die dargebotene Hand und schüttelt sie. „Yo, auf gute Zusammenarbeit!“ Ich halte dich fest, bis ans Ende der Zeit! 4 Mit tosendem Applaus stehen sich die beiden jungen Trainer auf der Plattform gegenüber, bereit für ihren ersten Kampf, der ihren weiteren Weg prägen wird. Nach ein paar Augenblicken kehrt Ruhe ein und unter den wachsamen Blicken Halas, der nun als Ringrichter fungiert, ziehen die Jungs ihre Pokébälle. Siegessicher richtet Bromley die Hand auf Manuel und grinst breit. „Ich werd‘ dich so was von plattmachen!“, tönt er festentschlossen. Etwas nervös erwidert der Brünett seinen Blick. „Ach ja? Das werden wir ja sehen…“, meint er halblaut. Kurz darauf manifestieren sich die beiden Pokémon in der Mitte des Ringes und stehen sich kampfbereit gegenüber. So sollte es zumindest sein. Allerdings scheinen die zwei da anderer Ansicht zu sein. Wuffels sieht sich aufgeregt um und trottet dann einfach umher, die Nase im Wind und die Ohren auf jedes interessante Geräusch gerichtet. Das der Welpe eigentlich kämpfen soll, scheint ihr nicht aufzugehen und so ignoriert sie ihren Gegner völlig. Dies scheint Reißlaus allerdings zu Gute zu kommen, flitzt der große Käfer doch augenblicklich ängstlich zum Rand der Plattform und fühlert herum, um einen geeigneten Fluchtweg auszumachen, doch alle Seiten werden von den umstehenden Zuschauern versperrt. Also nicht verwunderlich, dass die Assel dadurch nur noch nervöser wird und umher zu flitzen beginnt. Ziemlich irritiert verfolgen die beiden Trainer das unangebrachte Verhalten ihrer Schützlinge und wissen im ersten Moment nichts damit anzufangen. Hala sagte ja, dass es nicht leicht wird und die Pokémon viel Geduld benötigen, aber wie soll man das anstellen, wenn man dabei auch noch von allen Seiten aufmerksam beobachtet wird? Etwas hilflos sehen die beiden Jungen zu dem Inselkönig hinüber, doch dieser hilft ihnen nicht, steht nur geduldig mit verschränkten Armen da und beobachtet das Treiben auf der Plattform. Alle wichtigen Informationen hat er ihnen bereits vor dem Kampf gegeben, nun müssen sie zeigen, was sie gelernt haben und damit beweisen, dass sie wirklich bereit für diese Reise sind. Zumindest Kukui scheint sich dem bewusst zu sein und so versucht er sein Glück mit dem kleinen Welpen. Er gibt einen Pfeifton von sich und hofft damit die Aufmerksamkeit seiner Begleiterin zu bekommen. Als Wuffels den Ton vernimmt, spitzt sie die Ohren und sieht sich um. Hechelnd und kläffend kommt sie zu dem Brünetten gerannt, flitzt um ihn herum und versucht an ihm hochzuspringen. „Ist ja gut, beruhige dich…“, weist er sie halbherzig an und streichelt über ihren steinernen Fellkragen. Die Hündin freut sich sichtlich über die Berührung und reibt ihren Hals stürmisch an Kukuis Bein. Dieser zuckt erschrocken zusammen, da ihr Fellkragen nur weich aussieht, aber eigentlich aus feinen Steinnadeln besteht, die Schutz vor Angreifern bieten sollen. Untereinander bekunden Wuffels ihre Zuneigung aber damit, dass sie diesen harten Kragen an ihrem Gegenüber reiben, was insbesondere für die doch recht schutzlose Haut der Menschen schnell unangenehm werden kann. Es braucht eine ganze Weile ehe sich Pokémon und Trainer daher liebevoll aneinander kuscheln können ohne, dass jemand unabsichtlich verletzt wird. Manuel ist nur froh, dass er keine kurze Hose trägt und die Nadeln daher nur leicht pieken. So fängt er sich schnell wieder und macht dem Welpen klar, dass ihr Gegner dort hinten auf sie wartet. Kaum hat Wuffels Reißlaus entdeckt, scheint sie Feuer und Flamme für den Kampf zu sein und richtet knurrend ihren Blick auf den nervösen Käfer aus. Inzwischen ist es Bromley zumindest gelungen, die Assel daran zu hindern wieder wegzurennen. Stattdessen versteckt sie sich nun zwischen seinen Beinen, so wie sie es vorhin bei Hala getan hat. Dennoch blickt sie sich hektisch um und sucht nach einem anderen Platz. Derweilen legen sich die beiden Trainer einen möglichen Angriff zurecht, mit dem sie ihren Gegner hoffentlich gut erwischen. Doch die halbstarken Pokémon machen ihnen einen Strich durch die Rechnung. Als Reißlaus das Knurren der Hündin bemerkt, jagt ein tiefer Schreck durch ihren Körper. Mit weit aufgerissenen Augen erahnt sie die bevorstehende Gefahr und ergreift erneut die Flucht. „Nein, bleib hier, verdammt!“, ruft der Schwarzhaarige ihr überrumpelt hinterher, doch sie hört natürlich nicht auf ihn, folgt nur ihrem unüberwindbaren Instinkt. Der Fluchtreflex des Käfers löst allerdings auch den Jagdtrieb des Welpen aus und so beginnt sie kläffend hinter der Assel her zu hetzen. „Wuffels nicht!“, entkommt es Kukui überfordert, doch es bringt nichts. Wieder werfen die Jungs einen hilfesuchenden Blick zu Hala, aber dieser greift auch weiterhin nicht ein. Raunend verfolgt das Publikum das Spektakel. Das ist nicht gut, die beiden Trainer müssen sich dringend etwas einfallen lassen. Begeistert rennt der Welpe noch immer hinter dem Käfer her und reagiert auf keinen der Zurufe. Reißlaus steht nur die nackte Angst ins Gesicht geschrieben und daher denkt sie gar nicht daran, dass die Rufe ihres Trainers vielleicht etwas Hilfreiches an sich haben könnten. „Wuffels, dreh um und versuch es mit Tackle!“, ruft Manuel dem Vierbeiner zu. Der junge Hund stoppt tatsächlich und dreht den Kopf zu ihm herum. Hoffnungsvoll wiederholt Kukui seinen Befehl und es scheint zu funktionieren. Geschwind ändert der Welpe die Richtung und rennt dem Käfer damit direkt in die Arme. Als sie zum Angriff ansetzt, haut Reißlaus jedoch die Bremse rein. Es gelingt der Assel im letzten Moment die Richtung zu ändern und zu flüchten. Doch das ist noch nicht alles. In ihrer Panik schleudert sie dem Gesteins-Pokémon einen Schwall Sand ins Gesicht. ‚Sandwirbel!‘, geht es den beiden Jungs durch den Kopf. Überrascht jault Wuffels auf und schüttelt sich, doch ihre Sicht ist erstmal eingeschränkt. Diese Tatsache weckt eine gewisse Wut in dem jungen Hund und so setzt sie blindlinks zum nächsten Angriff an, der jedoch haltlos danebengeht, da sie ihren Gegner nicht richtig fixieren kann. Darin sieht Bromley seine Chance zum Gegenangriff. „Reißlaus, setz Käfertrutz ein, solange es abgelenkt ist!“, befiehlt er der Assel. Entgegen aller Annahmen verlangsamt der Käfer seinen Sprint etwas, zuckt mit entschlossenem Blick herum und feuert die Attacke ab. Allerdings gelingt es Wuffels im letzten Augenblick wieder klare Sicht zu bekommen und auszuweichen. Knurrend und kläffend setzt die Hündin wieder zur Verfolgung an und hechtet hinter dem Käfer her. Diesem geht langsam aber sicher die Puste aus, was nur noch mehr Verzweiflung in ihr schürt. Der Kampf muss dringend ein Ende finden, ehe beide Seiten völlig außer Atem sind. Grübelnd versuchen die beiden Trainer eine Lösung für die Misere zu finden, denn langsam werden auch die Zuschauer ungeduldig. Und selbst Hala wirkt allmählich unruhig. Manuel versucht sich ins Gedächtnis zu rufen, was der Inselkönig ihm vor dem Kampf alles gesagt hat, welche Attacken Wuffels beherrscht. Dann kommt ihm eine Idee. „Wuffels stopp! Setzt Silberblick ein, dann kannst du es leichter treffen!“ Erneut zucken die Ohren der Hündin und sie kommt schlitternd zum Stehen. Mit hochkonzentriertem Blick versucht sie dem Käfer tief in die Augen zu starren, um so dessen Verteidigung zu durchbrechen, doch auch diesmal gelingt es Reißlaus auszuweichen und so der Attacke zu entgehen. Allerdings ist sie dadurch fast an ihre Grenzen gestoßen und weitaus langsamer als vorher. Dies genügt Kukui aber auch, immerhin scheint der hyperaktive Welpe noch genug Puste für einen allesentscheidenden Angriff zu haben. „Es wird müde, Wuffels! Schnapp es dir mit Feuerzahn!“ Verwirrt registriert Bromley den Befehl seines Gegenübers. „Hey! Du weißt schon, dass Reißlaus ‘n halbes Wasser-Pokémon is‘ und Feuer da nich‘ viel bringt!“, fährt er den Brünetten an. „Das ist mir durchaus klar. Aber du sagst es ja selbst, Reißlaus ist nur zur Hälte ein Wasser-Pokémon. Sein bestimmender Typ ist aber Käfer und die sind empfindlich gegen Feuer-Attacken. Der Wasserzusatz schwächt meinen Angriff also nur ab, was ich allerdings mit Beißkraft wieder wettmachen kann.“, klärt ihn der kleinere Junge auf. Bromley rümpft verächtlich die Nase. „Was bisten du für’n dämlicher Streber? Egal, ich werd‘ dich trotzdem plattmachen!“, höhnt der Größere und versucht den panischen Käfer zu einem Gegenangriff zu bewegen. Dieser ist jedoch inzwischen so fertig, dass es ihr nicht mehr gelingt auszuweichen und so erwischt Wuffels ihren Schwanz mit der Attacke. Feurige Flammen züngeln um die gebleckten Zähne des Vierbeiners und verstärken damit die Wucht des Bisses um ein Vielfaches. Die getroffene Assel gibt einen markerschütternden Schrei von sich und versucht sich verzweifelt loszureißen. Knurrend verstärkt der Hund jedoch nur noch seinen Biss und die Flammen kriechen dabei immer weiter den Schwanz des Käfers hinauf. Siegessicher blickt Manuel zu Bromley hinüber. „Ok Wuffels, beende das Ganze mit Tackle!“ Der Welpe beendet den Angriff und setzt zum nächsten an. Schwer getroffen kauert Reißlaus am Boden und blickt resignierend zu ihrem Trainer hinüber. Eine schier ungeahnte Verzweiflung macht sich in dem Schwarzhaarigen breit, die schlagartig in grenzenlose Wut umschlägt. „Wie kannstes nur wagen, du mieser, kleiner Mistkerl? Ich zieh‘ deiner Töle das Fell über die Ohren!“, aufgebracht ballt der große Junge die Hände zu Fäusten und stapft auf das Kampffeld, ehe Wuffels ihren Angriff starten kann. Ungläubig sehen alle Anwesenden mit an, wie Bromley die Hand nach dem Gesteins-Pokémon ausstreckt, um seine Drohung in die Tat umzusetzen. „Nein!“, entkommt es Manuel panisch. Der Welpe scheint dabei instinktiv die Verzweiflung ihres Trainers zu spüren. Knurrend stellt sie sich dem großen Jungen entgegen und bleckt die Zähne. Empörung breitet sich unter den Zuschauern aus und Hala sieht sich gezwungen den Kampf zu beenden. Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes. Die scharfen Reißzähne des Hundes sind nur noch wenige Zentimeter von der nackten Haut an Bromley‘s Arm entfernt. Dieser holt mit der Faust zum Schlag aus. Noch ehe die beiden Seiten aufeinandertreffen und Hala eingreifen kann, erkennt Reißlaus die Bemühungen ihres Trainers und in welche Gefahr er sich damit bringt. Mit entschlossenem Blick mobilisiert sie ihre letzten Kräfte und setzt dann Wasserdüse ein. Der blitzschnelle, harte Wasserstrahl trifft Wuffels völlig unvorbereitet in den Rücken und schleudert sie zur Seite. In diesem Moment halten alle den Atem an und starren perplex auf die große Assel. Der junge Hund landet schwer getroffen auf der Plattform in einer eisigen Pfütze aus Wasser. Heftiger Schmerz durchfährt ihren Körper und hindert sie daran wieder aufzustehen. Als Gesteins-Pokémon ist sie äußerst empfindlich gegen Wasser und so knockt sie diese eine Attacke vollkommen aus. „Ach du heilige Heimzahlung...!“, entkommt es Manuel atemlos. Wie gelähmt steht er da und starrt zu seinem Pokémon hinüber. Auch Bromley ist völlig irritiert und blickt den erschöpften Käfer fassungslos an. Hala findet nach einem Augenblick seine Stimme wieder. „Wuffels kann nicht mehr weiterkämpfen! Der Sieger ist somit Bromley mit Reißlaus! Gratuliere, mein Junge!“, kommt es ehrlich begeistert von dem Inselkönig, auch wenn er dem Jungen gleich dringend noch einmal ins Gewissen reden muss. Immerhin hat sich ein Trainer nicht in einen Kampf einzumischen, erst recht nicht, wenn er dem Pokémon des anderen damit Schaden zufügen will. Der Schwarzhaarige muss noch sehr viel lernen, doch sein schlechter häuslicher Umgang hat ihn blind für ganz offensichtliche Dinge gemacht. Dadurch wird er noch allerhand Probleme bekommen und Hala kann nur hoffen, dass Manuel damit irgendwie zurechtkommt. 5 Nur langsam realisieren die beiden Jungs, dass der Kampf vorbei ist und einer von ihnen der Sieger. Mit vernebeltem Blick und schweren Schritten tapert Kukui über die Plattform zu seinem geschwächten Pokémon hin. Bedächtig kniet er sich vor den reglosen Welpen und zieht ihn aus der allmählich trocknenden Wasserlache. Fest drückt er die Hündin an sich. „Das hast du wirklich gut gemacht, Wuffels...“, haucht er ihr leise entgegen. Daraufhin schlägt sie die Augen auf, gibt es klägliches Winseln von sich und leckt ihm schwach über die Wange. Derweilen findet Reißlaus ihre Puste wieder. Mit großen Augen starrt sie zu ihrem Trainer hinauf, der sie immer noch völlig neben sich ansieht. Dann schleicht sich plötzlich ein Grinsen auf Bromley‘s Züge und er ballt begeistert die Fäuste. „Scheiße Mann, das war unglaublich!“, platzt es aus ihm heraus und er hockt sich vor die große Assel. Diese ist von seinem Gefühlsausbruch doch etwas eingeschüchtert und traut sich im ersten Moment nicht näher heran. Dann jedoch setzt der Applaus der Menge ein und Reißlaus huscht erschrocken zu ihrem Trainer und drückt sich zitternd gegen ihn. Ganz vorsichtig legen sich Bromley‘s Finger einen Moment auf den bebenden Rücken des Käfers. Dann zieht er seinen Pokéball hervor und verstaut die Assel wieder darin, damit sie sich etwas ausruhen kann. In der Zwischenzeit ist es Manuel gelungen den Welpen wieder auf die Füße zu stellen. Dieser schüttelt sich nun kraftlos das Meiste des Wassers aus ihrem Fell und blickt den Brünetten dann erschöpft an. Kukui greift nach einem Handtuch, das ihm einer der Zuschauer reicht und trockne liebevoll sein Pokémon damit ab. Noch während er damit beschäftigt ist, gesellt sich der Schwarzhaarige zu ihm. Verlegen kratzt sich dieser am Hinterkopf. „Hör mal, sorry Mann. – Ich hab’s wohl was übertrieben. Alles klar mit dem kleinen Kläffer?“ Überrascht sieht Kukui zu ihm auf. Im Leben hätte er nicht gedacht, dass sich der andere Junge für diesen sinnlosen Ausbruch entschuldigen würde. Und dann sorgt er sich scheinbar auch noch um sein Pokémon, auch wenn er es mit so einer abfälligen Bemerkung bezeichnet. Trotzdem rührt es Manuel irgendwie, weshalb er dem Größeren ein zaghaftes Lächeln schenkt und Wuffels zurück in ihren Ball befördert. „Danke und ich denke, es ist halb so schlimm. Wuffels wird schon wieder. – Dennoch war es ein guter Kampf, muss ich sagen. Ich freu mich schon auf einen Gegenschlag!“, lächelt ihm der Junge mit der Brille zuversichtlich entgegen. 6 Nach diesem aufregenden Kampf setzten die Feierlichkeiten so richtig ein. Es wird gegessen, gelacht und viele Geschichten erzählt. Die beiden Trainer erhalten allerhand gutgemeinter Ratschläge und Tipps für ihre Inselwanderschaft. Alles wirkt friedlich, so als wäre der ganze Trubel des Kampfes nie dagewesen, auch wenn nicht wenige Leute Bromley mit einem bekannten Argwohn betrachten und sich so ihre Gedanken darübermachen, wie es der kleine Junge aus Kanto wohl mit ihm aushalten wird. Irgendwann jedoch ist es an der Zeit sie ziehen zu lassen. Der Nachmittag geht langsam in den Abend über, als alles erledigt ist, ein jeder verabschiedet wurde und der Tatendrang sich nicht mehr unterdrücken lässt. Als die beiden frischgebackenen Trainer schließlich aufbrechen wollen, nimmt Hala Manuel noch einmal kurz zur Seite. „Mein Junge, ich finde es wirklich sehr bewundernswert von euch, dass ihr gemeinsam die Inselwanderschaft durchstehen wollt. Das habe ich bis jetzt nur sehr selten miterlebt, da die meisten Anwärter eher der Meinung sind, einen Rivalen haben zu müssen, als einen Begleiter.“ Lächelnd legt er dem Jungen eine Hand auf die Schulter. Dann wird sein Blick plötzlich ernster. „Doch lass dir gesagt sein, es wird nicht leicht mit Bromley werden. Er hatte eine schwere Kindheit und ist deswegen – sagen wir mal so – etwas komisch. Vielleicht erschrecken dich sogar einige seiner Eigenheiten, wie vorhin bei eurem Kampf. Aber gib ihn bitte nicht auf! Tief im Inneren ist er ein guter Junge, mit viel Potential. Er braucht nur jemanden, der ihn leitet, ihm den rechten Weg weist und ihn etwas zurückhält, wenn er über die Stränge schlägt. – Ich weiß, dass ist vielleicht etwas viel verlangt von mir, erst recht, wo du doch gerade erst so richtig hier angekommen bist, aber habe bitte ein Auge auf ihn. Willst du das versuchen?“ Im ersten Moment ist Manuel von Halas Worten irritiert. Er wirft einen Blick zu dem anderen Jungen hinüber, der scheinbar versucht mit seiner Reißlaus um die Wette zu laufen. Lachend rennt er hinter dem flinken Pokémon her und wirkt dabei so normal wie jedes andere Kind in seinem Alter – ziemlich blass für dieses tropische Inselparadies und für seine elf Jahre doch recht groß geraten, aber ansonsten völlig normal. Kukui legt die Stirn in Falten und rückt fragend seine Brille zurecht, da er nichts Ungewöhnliches feststellen kann, mal abgesehen von der Hektik beim Kampf vorhin, doch das soll sich bald ändern. Im Moment kann er Halas Erklärungen daher nicht viel abgewinnen, doch widersprechen will er dem Erwachsenen auch nicht, immerhin ist er der Inselkönig und sein großes Vorbild. Schließlich hat er ihn ja nicht um etwas völlig Absurdes gebeten. Er wendet dem Älteren wieder das Gesicht zu und lächelt ihn an. „Ich will es versuchen, sehr gern sogar!“, verkündet er fröhlich und entlockt dem Inselkönig damit ebenfalls ein Lächeln. „Ich danke dir, mein Junge.“ Voller Zuversicht lächelt der rundliche Mann den beiden Jungen zu, während sie gemeinsam mit ihren Pokémon das Dorf verlassen, um ihren eigenen Weg zu finden. Schon bald werden sie sich wiedersehen und Hala ist schon jetzt gespannt, was aus den beiden in der Zwischenzeit geworden sein wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)