Zum Inhalt der Seite

Perfekt

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi,

es geht weiter... Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 16

Kapitel 16
 

Mit einem Knall tauchte Harry in seinem Wohnzimmer auf, er war müde und ausgelaugt. Der Anblick des leeren, kalten Wohnzimmers trug nicht dazu bei, dass sich seine Laune hob. Er war es einfach nicht gewohnt alleine zu wohnen, nicht mehr. Er mochte es nicht, nach Hause zu kommen und alleine zu sein, niemand da, der einen erwartete, kein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Mit einem Seufzen durchquerte er das Wohnzimmer, stieg die Treppe nach oben in sein Schlafzimmer, er musste sich nicht die Mühe machen um im Wohnzimmer Feuer zu machen, er wollte nur noch duschen und dann schlafen.
 

Doch als er wenig später in seinem Bett lag, konnte er nicht schlafen. Seine Gedanken fuhren Achterbahn und er überlegte ernsthaft, wann sein Leben begonnen hatte, den Bach runter zu gehen. Er hatte eine liebende Ehefrau gehabt, drei wunderbare Kinder, einen guten Job, super Freunde, also alles, was man sich wünschen konnte. Und jetzt? Die Scheidungspapiere lagen, von beiden Seiten unterschrieben, im Ministerium. Ginny hatte die sofortige Scheidung beantragt weil sie sein Verhalten absolut inakzeptabel fand und es ihr unmöglich war, weiter mit ihm zusammen zu leben. Er hatte einfach zugestimmt und jetzt warteten sie auf einen Termin für die Scheidung, der kam voraussichtlich in vier bis sechs Wochen.

Seine Kinder waren völlig entzweit. Albus saß im St. Mungo und keiner wusste, ob er da jemals wieder raus kam. James wollte weder mit ihm noch mit seinem abartigen Bruder jemals wieder etwas zu tun haben. Und Lily ließ sich immer mehr zu Ginny hinziehen. Sie glaubte die Lügen, die seine Noch-Frau über ihn erzählte. Jeder Brief, den er ihr schrieb, blieb unbeantwortet. Er hatte kurz überlegt ob er am 1. September nach King's Cross gehen sollte doch heute morgen hatte ihn zwei Briefe erreicht. Einer von Ginny und einer von Arthur und Molly, und in Beiden stand dasselbe.

Er solle sich ja nicht am Bahnhof sehen lassen, er wäre nicht erwünscht und es würde nur eine sehr unangenehme Situation für die Kinder sein. Schweren Herzens hatte Harry zwei kurze Antworten verfasst, er würde nicht kommen. Mit einem Seufzen drehte sich Harry um, seine Augen brannten vor unterdrückten Tränen aber er wollte nicht heulen. Er war ja schließlich kein Kind mehr. Stattdessen ging er den nächsten Punkt seiner imaginären Liste an.

Sein Job. Kingsley hatte ihn frei gestellt damit er sich um alle Probleme kümmern konnte. Am Anfang hatte Harry gedacht, dass er seinen Job vermissen würde aber es hatte sich schnell raus gestellt, dass dem nicht so war. Bei näherer Betrachtung stellte er fest, dass er gut ohne diesen Job auskommen könnte. Er hatte schlicht und einfach genug aber irgendetwas musste er ja arbeiten. Wobei, wozu eigentlich? Gold lag genug in den Verliesen um sehr lange, sehr gut zu leben und noch den Unterhalt für Ginny und die Kinder zu zahlen. Er beschloss diesen Punkt erst mal ganz hinten anzustellen, Kingsley hatte bestimmt Verständnis und sein Stellvertreter war ein guter Mann, er könnte seinen Posten ohne Probleme übernehmen.

Kamen seine Freunde, zumindest die Wenigen, die übrig waren. Von den Weasleys waren es nur Bill und George, der Rest hatte seinem Unmut über sein Verhalten Ausdruck verliehen. Seamus und Dean fanden sein Verhalten auch schrecklich und hatte ihm mehr oder weniger die Freundschaft gekündigt. Neville und Luna hielten sich raus, sie waren der Meinung, dass ihre Freundschaft mit ihm nichts mit der Freundschaft zu den Weasleys zu tun hatte. Was nicht wirklich jemanden gefiel aber sie ließen sich da nicht rein reden. Blieb, von seinen engsten Freunden, nur noch Hermine und die kämpfte gerade um ihre Ehe und ihre Familie. Sie wollte ihre Ehe nicht so kampflos aufgeben wie er und deswegen hatte sie ihm, unter Tränen, erklärt, dass sie den Kontakt zu ihm erst mal etwas einschränken musste. Natürlich hatte er zugesagt, auch wenn es ihm fast das Herz gebrochen hatte.

Er seufzte, morgen hatte er einen Termin bei Bill denn der war vor ein paar Tagen bei ihm aufgetaucht und hatte verkündet, dass er ab jetzt sein Anwalt war. Auf die Frage, warum, denn Harry hatte ihn nicht kontaktiert, hatte er geantwortet, dass er keinen erneuten Besuch von Snape haben wollte. Für Harry war es ein Schock gewesen, Severus hatte sich für ihn eingesetzt? Warum? Er war noch nicht dazu gekommen ihn zu fragen, er hatte schlicht und einfach zu viel um die Ohren. Er hoffte, dass der Termin morgen ein paar Dinge klärte, dann hätte er wieder etwas Luft und könnte sich bei Severus bedanken. Aber so, wie sein Leben in den letzten Wochen gelaufen war, glaubte er nicht wirklich daran.
 

Ein heftiges, wütendes Klopfen drang bis hinunter in sein Labor und ließ Severus mit einem Seufzen aufsehen. Es war klar, dass dieser Besuch heute kommen würde. Er selbst hatte ja heute morgen die Kopie des Schreibens der Ethikkommission von Hippocrates bekommen und diesen Menschen seitdem jeden gesunden Menschenverstand abgesprochen. Nach einem letzten Blick auf die Kessel machte er sich auf den Weg nach oben und verfluchte mal wieder das Timing seines Besuchs. Er wollte heute eigentlich keinen Sprachtrank nehmen aber so griff er in seine Tasche, holte die Phiole raus und trank sie. Wenn er Glück hatte, würde sich Harry kurz bei ihm ausheulen und dann gehen, vielleicht konnte er auch mit dem ein oder anderen spitzen Kommentar nachhelfen.
 

Allerdings blieb ihm jeder Kommentar im Hals stecken als er die Tür öffnete und wirklich einen völlig aufgelösten Harry Potter vor seiner Tür vorfand. „Komm rein“, war alles, was er raus brachte.

Ein Nicken, ein irgendwie ersticktes Schluchzen und schon war Harry an ihm vorbei getreten. Er wartete nicht auf ihn sondern ging ins Wohnzimmer durch, setzte sich dort in einen Sessel und fiel förmlich in sich zusammen. Severus folgte ihm einfach und überlegte, wie er ein Gespräch in Gang bringen konnte und vor allem, was er sagen sollte.

Doch diese Überlegung erwies sich als überflüssig, denn kaum saß er, sprudelte es aus Harry raus. „Hast du auch einen Brief bekommen? Von der Ethikkommission? Hast du?“

„Hippocrates war so freundlich mir eine Kopie zukommen zu lassen“, sagte Severus, „der Widerspruch ist schon raus.“

„Was bringt der Widerspruch? Diese Vollidioten. Deine Besuche haben ihm gut getan.“

„Das sehen die Ethikkommission und der Heiler anders. Beide sagen,...“

„Severus, ich weiß, was sie sagen“, unterbrach ihn Harry aufgebracht, „ich habe diesen Schwachsinn gelesen. Er ist das Papier nicht wert auf dem er geschrieben ist. Ja, Albus war aufgebracht wenn du ihn besucht hast aber er hat sich langsam aber sicher der Realität gestellt und das ist das Wichtigste. Noch ein paar Besuche und sie hätten mit der Therapie richtig anfangen können aber jetzt? Jetzt müssen wir uns durch Widersprüche durcharbeiten. Weißt du eigentlich, was Albus mittlerweile wieder sagt?“

„Du darfst ihn besuchen?“, fragte Severus etwas überrascht.

„Ja, ich bin und bleibe sein Vater und das Umgangsverbot konnte Ginny vor keiner Behörde halten. Ich darf ihn ganz normal besuchen, in Absprache mit Hippocrates und Oliver natürlich, also so wie immer.“

„Was sagt Albus?“

„Er sieht dein Wegbleiben als gutes Zeichen für eine mögliche Beziehung.“

„Bitte?“

Harry seufzte leise, nickte aber und erklärte, „er ist jetzt der Meinung, dass du dich doch umentschieden hast und jetzt eine ganz große Überraschung für ihn vorbereitest. Deswegen kommst du nicht mehr, weil dann ja deine Überraschung verdorben wäre. Er ist wieder der felsenfesten Überzeugung, dass du ihn liebst und jetzt ein gemeinsames Leben für euch planst.“

„Fino, Feuerwhisky“, sagte Severus fassungslos.

„Es ist erst drei und so, wie es hier riecht, hast du Tränke auf dem Feuer“, sagte Harry, „wenn du uns also nicht in die Luft jagen willst oder dein Haus abfackeln, sollten wir den Feuerwhisky auf nach dem Abendessen verschieben.“

„Abendessen?“

„Ja, ich lade mich hiermit selber ein.“

Severus sah ihn kurz durchdringend an, auf dem Tisch erschienen unterdessen zwei Tassen und eine Kanne Tee, zusammen mit etwas Gebäck. „Fino scheint mir zuzustimmen.“

Ohne eine Antwort schenkte ihnen Severus ein und trank einen Schluck.

„Jetzt guck nicht so böse“, sagte Harry.

„Ich gucke immer so.“

„Das ist mir bewusst. Sag mal, muss es aus deinem Flur so dampfen?“

Etwas überrascht wandte Severus den Blick, erhob sich aber nicht.

„Muss es?“

„Solange der Dampf noch hell ist, ja. Ich habe wohl den Abzugszauber vergessen, irgendjemand muss mich gestört haben“, sinnierte Severus.

„Ach, wer würde es denn wagen dich zu stören?“, fragte Harry grinsend.

„So ein Möchtegernheld.“

„Hey, ich bin ein Held. Ich habe den dunklen Lord besiegt“, protestierte Harry, allerdings klang er nicht sehr ernst dabei.

„Nur weil er dich grenzenlos unterschätzt hat.“

„Bitte?“

„Du hast mich richtig verstanden. Wenn Riddle dich nicht grenzenlos unterschätzt hätte, wärst du nicht so ungeschoren davon gekommen. Egal was man über den Mann sagt aber er war ein großartiger Duellant und ein sehr mächtiger Zauberer, du hattest bodenloses Glück und in einem ordentlichen Duell hätte er dich ungespitzt in den Boden gerammt und das ohne große Anstrengung“, erklärte Severus während er sich erhob, „denk darüber nach, ich muss nach meinen Tränken sehen.“ Damit ließ er einen absolut fassungslosen Harry in seinem Wohnzimmer zurück.
 

Severus brauchte eine ganze Weile um seine Tränke fertig zu stellen und abzufüllen, er war sich allerdings sicher, dass Harry immer noch in seinem Wohnzimmer sitzen würde wenn er wieder hoch ging. Er fragte sich, warum er ihm das gesagt hatte. Gut, es war die Wahrheit aber er hätte sie Harry nicht unbedingt sagen müssen. Es hatte den Jüngeren bestimmt verletzt und wenn er jetzt so darüber nachdachte, wollte er das eigentlich nicht. Warum eigentlich nicht? Es war ihm doch sonst auch egal ob sein Gegenüber durch seine Worte verletzt wurde oder nicht. Das war auch der Grund, warum es die Meisten nicht in seiner Gegenwart aushielten. Ein Plopp ließ ihn aufsehen, er wischte gerade die letzten Flecken von seinem Arbeitstisch. „Ja?“

„Fino möchte Master Snape sagen, dass das Abendessen fertig ist.“

„Habe ich so lange gebraucht?“, fragte Severus überrascht und eigentlich nur zu sich selbst.

Doch sein Hauself antwortete, „Ja, Master Snape war so lange im Raum für Tränke.“

„Ist Harry noch da?“

„Ja. Master Potter sitzt in der Küche und wartet“, sagte Fino.

„Sag ihm, ich komme sofort.“

Mit einem Plopp verschwand Fino während Severus den Tisch zu ende abwischte und den Lappen dann in den magischen Eimer warf. Es knisterte kurz, kleine Flammen leckten nach oben und schon war der Lappen verschwunden, eine saubere und sichere Methode der Entsorgung. Er ließ den Blick nochmal durch sein Labor schweifen, der letzte, prüfende Blick, den er immer in den Raum warf bevor er ihn verließ. Waren alle Feuer aus? Waren alle übrig gebliebenen Zutaten ordnungsgemäß verschlossen? War alles sauber und ordentlich aufgeräumt? Im Laufe der Jahre hatte er einen Blick dafür entwickelt, meist reichte ein einziger Blick und er hatte die Situation erfasst. Zufrieden machte er sich auf den Weg nach oben.
 

Das Abendessen verlief sehr ruhig, Harry dachte noch immer über die Worte von Severus nach und Severus wollte ihm kein Gespräch aufzwingen. Daher genoss er einfach das Essen, Fino kochte schon seit Ewigkeiten für ihn und es war immer sehr gut gewesen. Und heute schien er sich besondere Mühe gegeben zu haben.

„Severus?“

Die leise Frage ließ ihn fragend aufsehen.

„Hast du das vorhin ernst gemeint?“, fragte Harry leise. Er hielt den Blick auf seinen Teller gesenkt und schob die Nudeln mit der Gabel von einer Seite auf die Andere.

„Vergiss was ich gesagt habe, es ist nicht wichtig“, sagte Severus.

„Das war nicht meine Frage. Hast du das ernst gemeint?“

„Ja, habe ich.“

„Bin ich so ein schlechter Duellant?“, fragte Harry weiter.

Severus seufzte leise und sagte, „das ist kein Gespräch für das Abendessen. Aber du scheinst ja eh keinen Hunger mehr zu haben.“

Etwas überrascht sah Harry auf, lächelte dann entschuldigend und schob seine Teller von sich weg.

Fast sofort erschien Fino neben dem Tisch und fragte, „schmeckt es Master Potter nicht? Möchte Master Potter etwas anderes.“

„Nein, Fino, danke. Ich habe einfach keinen Hunger. Aber könntest du mir noch einen Gefallen tun?“, fragte Harry.

„Natürlich.“

„Dann nenn mich doch bitte Harry, ich finde diesen Master furchtbar“, murmelte Harry.

Die Antwort von Fino wurde von schallendem Gelächter von Severus verhindert, Harry sah ihn extrem verwirrt an.
 

„Wenn du es schaffst, dass er dich beim Vornamen nennt, bekommt Gryffindor 10 Punkte von mir“, lachte Severus.

„Das kann ja nicht so schwer sein. Also, Fino, würdest du mich beim Vornamen nennen?“, fragte Harry nochmal.

Zu seiner Überraschung schüttelte der Hauself vehement den Kopf und sagte, „das kann Fino nicht machen.“

„Aber ich habe nichts dagegen und ich mag das Master nicht.“

„Fino kann Master nicht beim Vornamen nennen, das kann Fino nicht machen. Das ist ein Zeichen von Respekt von Fino“, erklärte der Hauself.

Harry sah ihn fassungslos an und murrte dann, „hör endlich auf zu lachen.“

„Ich habe es dir ja gesagt“, grinste Severus, „danke Fino, wir brauchen nichts mehr. Vielleicht eine Flasche Wein im Wohnzimmer.“

„Natürlich, Master Snape.“

Damit war der Hauself verschwunden und Harry fragte, „woher wusstest du das?“

„Ich habe ihm das Du schon vor sehr vielen Jahren angeboten, er hat abgelehnt. Im Laufe der Zeit habe ich ihm das Du immer wieder angeboten, immer und immer wieder und er hat immer und immer wieder abgelehnt“, erklärte Severus, immer noch schmunzelnd. Er erhob sich und bedeutete Harry ihm nach nebenan zu folgen.
 

„Also, erklär es mir“, forderte Harry nachdem sie es sich bequem gemacht hatten. Jeder hatte ein Glas Rotwein neben sich stehen und der Kamin verbreitete eine angenehme Wärme.

„Die Weigerung von Fino dich beim Vornamen zu nennen?“

„Nein, das was du vorhin gesagt hast. Wie hast du das gemeint?“

„Vergiss es doch einfach.“

„Nein, ich will es jetzt wissen“, sagte Harry, „komm schon. Ja, es wird mich verletzen aber ich will es wissen.“

„Harry, denk doch mal nach. Riddle mag ein größenwahnsinniger Irrer gewesen sein aber er hatte über fünfzig Lebensjahre Erfahrung in der Zauberei und dem Duellieren. Er hat sich sein Leben lang mit schwarzen Flüchen und schwarzer Magie beschäftigt und er wäre nicht so gefürchtet gewesen wenn er schwach gewesen wäre. Riddle war ein großartiger Duellant, der in unseren Reihen seinesgleichen gesucht hat“, erklärte Severus ruhig, „jetzt kommen wir zu dir. Siebzehn Jahre alt, deine Duellausbildung kann man bestenfalls als miserabel bezeichnen und du hast es nicht mal geschafft, mich zu besiegen. Auch wenn ich das nicht gerne zugeben, Riddle war wesentlich stärker als ich. Erinnere dich an deine lustige Verfolgungsaktion nach Dumbledores Tod, an Hagrids Hütte, du hattest keine Chance gegen mich. Du lagst auf dem Boden, dein Zauberstab neben dir, ich hätte dich ohne Probleme töten können und ich habe damals bei weitem nicht so viele Ambitionen dazu wie Riddle. Jetzt willst du mir erzählen, dass du Riddle in einem normalen Duell hättest schlagen können? Er war geschockt, weil du plötzlich wieder aufgestanden bist obwohl er dich für tot gehalten hat. Er hat dich unterschätzt, er war von sich selbst so überzeugt, dass er gar nicht angenommen hat, dass es jemanden gibt, der ihn besiegen kann. Deswegen hast du gewonnen, aus puren Glück aber garantiert nicht aus Können. Merlin, du und deine kleinen Freunde haben nicht mal gegen ein paar Todesser im Ministerium bestanden, wie solltest du dann den dunklen Lord besiegen? Es war einfach nur Glück.“

„Das ist hart“, gestand Harry irgendwann.

„Es ist die Wahrheit, die keiner wissen will und die man besser nicht in der Öffentlichkeit ausspricht“, gab Severus zurück.

„Wieso nicht?“

„Weil es keiner wissen will und es das Bild des strahlenden Helden völlig zerstört. Lassen wir die Menschen in der Annahme, dass du ein starker, fähiger Zauberer bist“, sagte Severus, „hat ja bis jetzt auch nicht geschadet.“

„Hasst du mich deswegen so? Weil ich der Welt etwas vormache?“, fragte Harry.

„Ich hasse dich nicht, ich habe mit diesem Kindergarten abgeschlossen. Allein die Tatsache, dass wir uns wie zwei normale Menschen unterhalten können, sollte dir zeigen, dass ich dich nicht hasse. Dann hätte ich dein Abendessen vergiftet“, grinste Severus.

„Das wäre sehr unfair gewesen.“

„Natürlich. Was erwartest du? Ich bin ein böser Todesser.“

„Nicht mehr.“

„Nach der Zeichnung, immer noch.“

Jetzt runzelte Harry die Stirn, sein Blick wanderte zum linken Unterarm seines Gegenüber bevor er fragte, „es ist nicht verschwunden?“

„Nein.“

„Kann man es nicht entfernen lassen?“, fragte Harry vorsichtig.

Ein sehr zynisches Lächeln erschien auf Severus' Gesicht. „Nein. Riddle war sehr gründlich was die Kennzeichnung seines Besitzes angeht. Aber es stört auch nicht, es ist nur hässlich.“

„Besitzes?“

„Natürlich, was dachtest du denn? Dass wir die besten Freunde waren? Wohl kaum. Entweder man war für oder gegen ihn und für ihn bedeutete nun mal ein sehr hässliches Tattoo“, sagte Severus.

„Hat es weh getan?“

„Ja.“

„Tut es jetzt noch weh?“

„Nein. Was interessiert dich plötzlich mein Mal?“, fragte Severus.

Etwas unschlüssig zuckte Harry mit den Schultern, trank abwesend einen Schluck Wein und sagte dann, „ich jammere dir immer die Ohren voll mit meinen Problemen, du weißt förmlich alles über meine Probleme und den Rest aus den diversen Tageszeitungen und ich weiß so gar nichts über dich. Das ist nicht wirklich fair.“

„Versuchst du gerade mir weiß zu machen, dass du dich für die Person hinter dem bösen Todesser interessierst?“, fragte Severus mit einem schwachen Grinsen.

„Wir könnten Freunde sein.“

„Freunde?“

„Jetzt guck nicht so zweifelnd, ja, Freunde. Was ist daran so schlimm?“

„Ich habe keine Freunde.“

„Dann wird es Zeit, dass du einen bekommst“, grinste Harry.

„Das überlegen wir uns nochmal.“

Dennoch stieß er mit Harry an als dieser ihm das Glas hinhielt.
 

Irgendwann wurde der Abend immer älter, Harrys Sprache immer undeutlicher und nachdem Severus beim letzten Satz fünf mal nachfragen musste, reichte es ihm. Er hatte wesentlich weniger getrunken als Harry denn der Alkohol vertrug sich nicht so gut mit seinen Tränken und er brauchte morgen einen einigermaßen klaren Kopf. Schließlich musste er morgen nach Hogwarts zurück, zum Glück erst zum Abendessen und so hatte er den ganzen Tag um sich von dem Saufgelage zu erholen. Doch Harry sah nicht so aus als würde er überhaupt noch etwas mitbekommen.

„Harry, es ist spät, du solltest dich auf den Heimweg machen. Ich kann dich auch bringen, du siehst nicht so aus als würdest du den Heimweg nicht mehr alleine schaffen“, sagte Severus.

„Will nisch“, murmelte Harry.

„Präzisiere dein Will nisch bitte. Du willst nicht heim oder ich soll dich nicht bringen?“

Harry versuchte den Blick auf Severus zu fokussieren, es gelang ihm nicht denn die Welt drehte sich vor seinen Augen. „Will nisch“, wiederholte er daher nur.

„Warum willst du nicht heim?“

„Kalt, leer, scheisch Haus“, murmelte Harry, der den Kopf jetzt einfach hängen ließ.

Severus seufzte leise, warum betranken sich Leute, die Probleme hatten, immer bei ihm? „Gut, dann schläfst du hier“, bestimmte er schließlich.

„Dasch geht nischt.“

„Warum nicht?“

„Kann doch nischt bei dir pennen“, sagte Harry.

„Du bist ein Vollidiot. Du schläfst hier auf der Couch, ich will dich garantiert nicht in meinem Bett haben“, knurrte Severus.

„Ey, so schlescht bin isch nischt.“

„Harry, steh bitte kurz auf damit ich die Couch verwandeln kann.“

Doch Harry dachte gar nicht daran der Forderung nachzukommen, er verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte, „isch bin nischt schlescht.“

„Nein, aber betrunken, zu jung, verheiratet und hetero also steh verdammt nochmal auf oder ich stopfe dich in einen Kessel“, fauchte Severus.

Tja, Betrunkene hatten ja bekanntlich ihre ganz eigene Art und sie hörten meistens nur genau die Dinge, die sie auch interessierte. „Du doch auch“, gab er daher zurück.

Genervt rieb sich Severus mit zwei Fingern die Nasenwurzeln und fragte, „was von alledem?“

„Na, hetero.“

Severus musste doch betrunkener sein als er gedacht hatte denn er antwortete ohne groß darüber nachzudenken, „Nein, bin ich nicht.“

„Wie? Du bischt schwul?“, fragte Harry sichtlich überrascht.

Da es jetzt eh schon zu spät war und sich Severus absolut sicher war, dass sich Harry morgen eh an nichts erinnern könnte, antwortete er, „nein, bin ich nicht.“

„Häh?“

Kurz war Severus versucht ein Foto von diesem Gesichtsausdruck zu machen, er könnte ihn ewig damit aufziehen aber er ließ es und sagte, „die korrekte Bezeichnung ist bisexuell und geht dich eigentlich absolut nichts an. Jetzt steh auf.“

„Warum?“

„Damit ich die Couch verwandeln kann.“

„Warum geht esch misch nischt an?“

Severus schnaubte deutlich hörbar, zog seinen Zauberstab und ließ ihn jetzt kurzerhand von der Couch schweben.

„Hey, wasch soll dasch?“

„Ich will schlafen und keine dämlichen Fragen beantworten“, murrte Severus, der Harry kurz in der Luft hängen ließ um die Couch und ein Kissen zu verwandeln. Dann ließ er seinen mosernden Gast einfach auf das umgewandelte Bett fallen. „Du schläfst hier. Kannst du dich daran erinnern wo das Bad ist?“

„Äh, ja, … oder nein, oder doch ja“, stammelte Harry.

„Gut, was du jetzt machst, ist mir egal, ich gehe ins Bett und ich will, dass hier unten Ruhe herrscht. Also gute Nacht.“

„Bleib doch hier“, sagte Harry, der mittlerweile die Decke um sich geschlungen hatte und jetzt irgendwie wie ein kleiner Junge auf dem Bett saß.

„Danke, ich verzichte.“

„Isch bin so häschlisch.“

Severus verleierte die Augen und murrte, „das werde ich jetzt nicht mit dir diskutieren.“

„Warum nischt? Isch bin nischt so häschlisch.“

„Harry, gute Nacht.“

„Nischt alleine laschen“, bat Harry leise.

„Du bist ein erwachsener Mann, du wirst alleine schlafen können. Außerdem habe ich keine Lust morgen früh eine Zauberstabspitze an meiner Kehle vorzufinden weil du der Meinung bist, dass ich dich angefasst hätte. Also wirst du schön hier im Wohnzimmer schlafen“, sagte Severus.

Er wurde aus großen, traurigen Augen angesehen, schüttelte aber schnell den Kopf und sagte, „Gute Nacht, schlaf gut.“

„Nacht“, wurde gemurmelt. Diesmal zögerte Severus nicht mehr, er drehte sich um und ging schleunigst nach oben.
 

Ein leises Geräusch weckte Severus, er brauchte wesentlich länger als früher um wirklich wach zu werden und das lag zum großen Teil an den Tränken aber auch am Alkohol. Wahrscheinlich auch am Alter aber das wollte er gar nicht so genau wissen. Dennoch war er wach genug um zu realisieren, dass sich jemand in seinem Schlafzimmer befand und da der Alarm nicht losgegangen war, konnte es nur Harry sein.

„Verdammt, was willst du hier?“, fauchte er.

Es kam keine Antwort aber die Gestalt kam näher, es war wirklich Harry, der sich da näherte. Mit einem Wink ließ er die magische Lampe erwachen.

„Harry, das ist nicht witzig, was willst du? Es ist mitten in der Nacht und ich will schlafen.“

„Ich auch“, kam unsicher zurück.

„Dann geh in dein Bett und schlaf da. Du kannst auch heim flohen wenn dir meine Couch nicht zusagt.“

„Ich will nicht.“

„Nein, wir spielen jetzt nicht das lustige Ratespiel. Verdammt, was willst du in meinem Schlafzimmer?“, fragte Severus.

Mittlerweile stand Harry direkt neben seinem Bett, schaffte es aber nicht ihm ins Gesicht zu sehen.

„Entweder ich bekomme sofort eine Antwort oder ich fluche dich persönlich zurück ins Wohnzimmer, und zwar ohne die Tür vorher aufzumachen“, knurrte Severus während er schon nach seinem Zauberstab griff.

Er erreichte ihn nicht denn Harry stürzte sich plötzlich vor und hielt seinen Arm fest.

„Lass das“, fauchte Severus. Er versuchte ihn abzuschütteln doch er musste feststellen, dass er Harry körperlich nicht gewachsen war. Kein Wunder, er war nie der Stärkste gewesen und Harry war wesentlich besser in Form als er. „Harry, lass mich sofort los, ich verfluche dich auch ohne Zauberstab“, knurrte er.

„Ich will nicht alleine sein“, murmelte Harry gerade.

„Dann such dir ne Freundin.“

„Kann ich nicht hier schlafen?“, fragte Harry unbeeindruckt weiter.

„Bitte? Ich habe mich gerade verhört, oder?“

„Nein, lass mich hier schlafen.“

„So betrunken kannst du doch gar nicht sein“, knurrte Severus, „hey, raus aus meinem Bett.“

„Komm schon“, murmelte Harry während er seinen Arm einfach weg schob und zu ihm unter die Decke kroch.

„Harry, raus aus meinem Bett“, fauchte Severus, doch so langsam klang seine Stimme leicht hysterisch.

„Ich will nicht allein sein.“

„Verschwinde.“

„Ich will nicht gehen, ich will nicht alleine sein“, wiederholte Harry.

Er hatte es sich mittlerweile neben Severus bequem gemacht und sah ihn jetzt zum ersten Mal an. Severus runzelte die Stirn, er hielt sein Kinn kurz fest und drehte sein Gesicht ein Stück, die Augen waren seltsam verschleiert. „Du schlafwandelst“, murmelte er leise.

„Ich will nicht alleine sein.“

„Das habe ich mittlerweile verstanden“, gab Severus genervt zurück während er ihn wieder los ließ. Harrys Kopf sank auf seine Brust und blieb dort liegen.

„Schön hier, ich will nicht allein sein“, nuschelte er gegen seine Brust.

„Toll“, murmelte Severus, „werd ja nicht aufdringlich.“

Doch Harry hörte nicht auf ihn, ein Arm legte sich quer über seinen Bauch und sein rechtes Bein wurde unter Harrys Bein begraben.

„Super, so kann ich auch ganz bestimmt schlafen“, motzte Severus leise, er brachte es allerdings auch nicht über sich den Anderen weg zu fluchen.

Scheinbar bekam Harry gar nicht mit was er tat und ein Gutes hatte die Sache. Morgen früh würde sich Harry beschämt und erschüttert davon stehlen und nie wieder zurück kommen. Auch eine Möglichkeit eine noch nicht begonnene Freundschaft zu beenden. Mit einem Murren versuchte sich Severus bequemer hinzulegen, was allerdings nur dazu führte, dass sich Harry enger an kuschelte. Er warf noch einen Blick auf den schwarzen Haarschopf, löschte dann das Licht und schloss die Augen. Er wurde weich, schwach und senil, ganz eindeutig. Aber ab morgen würde er wieder seine Ruhe haben.
 

Warm, weich, gemütlich, … geborgen. Harry konnte sich nicht erinnern wann er das letzte Mal so gut geschlafen hatte. Er konnte nicht glauben, dass Severus' Couch so bequem war. Mit einem Schmatzen kuschelte er sich enger in die Kissen, er wollte gar nicht aufstehen und solange Severus noch schlief, konnte er auch noch liegen bleiben.

„Es freut mich ja, dass du mich scheinbar so bequem findest aber ich würde gerne aufstehen“, schnarrte in diesem Moment eine dunkle Stimme und Harry lief es eiskalt über den Rücken.

In Zeitlupe hob er den Kopf und sah genau in schwarze Augen. Er schluckte, wurde sich jetzt seiner Umgebung richtig bewusst und er wurde sich auch bewusst, dass er scheinbar mit Severus in einem Bett lag, eng an ihn gekuschelt.

„Und mein rechter Arm ist eingeschlafen, ich wäre dir also sehr verbunden wenn du aufstehen würdest“, fügte Severus hinzu.

Er beobachtete wie Harry immer blasser wurde, seinen Arm aber langsam von seinem Bauch zog und auch ihre Beine entwirrte. Wirklich erleichtert zog Severus seinen rechten Arm zu sich und massierte ihn langsam, er fühlte sich an als wäre er schon vor Stunden abgestorben. Aus den Augenwinkeln beobachtete er wie Harry langsam aufstand, der Blick immer noch absolut fassungslos und Severus war sich sicher auch Ekel darin zu sehen.

„Auf dem Kaminsims steht eine Schale mit Flohpulver“, sagte er ohne aufzusehen.

Harry zuckte zusammen, murmelte leise, „ich geh dann mal“, und verließ das Zimmer fluchtartig.

Severus starrte noch einen Moment auf seinen Arm, in den langsam das Leben zurückkehrte bevor er sich langsam erhob. Er war schon eine Zeitlang wach gewesen, hatte Harry beobachtet und es hatte sich wunderbar angefühlt ihn im Arm zu halten. Seine sehr überstürzte Fluch, auch wenn sie vorauszusehen war, tat doch mehr weh als Severus geahnt hatte. Er erlaubte sich einen Moment der Melancholie bevor er schnaubte und sich auf den Weg ins Bad machte, es reichte mit diesen Hirngespinsten. Jetzt hieß es duschen und sich fertig machen, schließlich fing heute die Schule wieder an. Da musste er einen klaren Kopf behalten und er brauchte seine Stimme, gut, dass er den Sprachtrank schon genommen hatte. Er schob den Gedanken, wie schön es wäre nicht mehr allein zu sein, in den hintersten Winkel seines Gehirns, da wo er schon seit Jahren lebte. Da sollte er auch bleiben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Scheint als wäre diese Freundschaft beendet bevor sie überhaupt richtig beginnen konnte. Schade.

Tata. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück